KEIN ADIAPHORON? SPRACHE UND BEKENNTNIS IM
NACHREFORMATORISCHEN SIEBENBÜRGEN
Edit Szegedi*
Schlüsselwörter: Sprache, Gottesdienst, Adiaphora, Sakramente, Erbe, Reformation
Cuvinte cheie: limbă, slujbă religioasă, adiaphora, taine, moştenire, Reforma
1592 schreibt ein Kronstädter Ratsherr: „zu Osteren sind vom Herrn
Simoni Massa, Pfarrherrn dieser Croner Kirchen, wider vieler guter Herren
Willen die schöne alte Gesenger als Psalmen, Introitus, Himnos, Responsoria,
Magnificat, Kyrie, Et in terra pax, Sanctus und andere schöne lateinische
Orationes und Antiphonas abgeleget worden und teutsch geordnet zu singen;
war der Jugend ein schöne Uebung”1. Die Aufzeichnung des Kronstädter Bürgers
ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Sie gibt einen Einblick in den Aufbau
des evangelischen Gottesdienstes am Ende des 16. Jhs . sowie in den Umgang
mit der vorreformatorischen Tradition. Zur liturgiegeschichtlichen Bedeutung
des Textes gehört auch die Erwähnung der liturgischen Sprachen, des
Lateinischen und „Teutschen”.
Die vorliegende Arbeit versucht nun die Rolle der Sprache/Sprachen
im nachreformatorischen Gottesdienst in Siebenbürgen zu untersuchen. Genauer
gesagt geht es um den Stellenwert der Sprache, inwieweit sie ein Adiaphoron
war oder aber im Gegenteil, Bekenntnischarakter hatte. Um den Rahmen nicht
zu sprengen, wird sich die Arbeit auf die wittenbergische Reformation beziehen,
weil hier die Gottesdienstsprache nicht früh und eindeutig festgelegt wurde.
Das Thema Sprache und Bekenntnis hätte im 19. Jh sicherlich eher
„Sprache als Bekenntnis” gelautet. Daß die Reformation anstelle des
Lateinischen (oder einer anderen Kultsprache, etwas des Altslawischen) die
Universitatea Babeş-Bolyai Cluj-Napoca, Facultatea de Studii Europene, e-mail:
edit.corona@yahoo.com
*
1
Kalender-Aufzeichnungen von Michael Forgatsch, Christoph Greissing, Valentin Greissing,
Asarela Mederus, Marcus Draudt (1203-1694), in Quellen zur Geschichte der Stadt Brassó,
Bd. IV, Brassó 1903, S. 43.
74
Muttersprache der Gemeindeglieder zur liturgischen Sprache erhob, gehört heute
zu den Gemeinplätzen der Historiographie. Diese Erkenntnis läßt sich teilweise
auch belegen, aber eben nur teilweise. Die Haltung zur Gottesdienstsprache
war in der Reformation nicht einheitlich, genauer gesagt, es ging vordergründig
nicht um die Erseztung des Lateinischen, sondern um die Feier des Gottesdienstes
in einer den Gemeindegliedern verständlichen Sprache. Diese konnte aber
durchaus das Lateinische sein, wenn sie verstanden wurde.
Eine differenzierte Herangehensweise wird schon für die Anfänge der
Reformation gefordert. Die Frage der Gottesdienstsprache gehörte eben nicht
zu den Prioritäten der Reformation. Sie wurde erst gestellt, als die Frage der
Ordnung auftauchte. Dabei ging es um die Berechtigung der Ordnung und ihre
Rolle im Leben der reformatorischen Gemeinden. Um Mißverständnisse zu
vermeiden, muß von vorneherein betont werden, daß es sich nicht um die Sprache
der Predigt handelte, die auch vor der Reformation in der Regel in der
Volkssprache gehalten wurde2.
Ist Ordnung und damit Sprache eine Frage des Bekenntnisses oder eher
der „nützlichen Dinge”? Die Betrachtung der Ordnung als Frage der christlichen
Freiheit war grundlegend: wenn auch sprachlich etwas bizarr ausgedrückt, kann
gesagt werden, daß die Ordnung als Adiaphoron nicht zu den Adiaphora gehörte.
Solange die Ordnung keine Gewissensfrage war, konnte sie als Adiaphoron
gelten und als nützlich betrachtet werden3. Somit ist ihre Weiterführung
berechtigt, aber auch ihre Änderung oder ihre Abschaffung. Ordnung haben
pädagogischen Wert, solange sie nicht zum Inhalt und somit bindend für das
2
Volkssprache bedeutet nicht Nationalsprache, auch nicht Landessprache. Im Falle
Siebenbürgens war die Sprache der Predigt aber auch teilweise der Gesänge nicht das
Hochdeutsche, sondern der Dialekt. Lingua nostra wurde von der lingua vernacula
unterschieden, Erich Roth, Die Geschichte des Gottesdienstes der Siebenbürger Sachsen,
Göttingen, 1954, S. 75. Zum Siebenbürgisch-Sächsichen als Predigtsprache siehe Marcus
Fronius, Diaconus Barcensis, in Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt, Band VIII,
Kronstadt-Braşov, 1928, S. 3.
3
“Wie wol aber eym iglichen das auff seyn gewissen gestellet ist, wie er solcher freyheyt
brauche, auch niemands die selbigen zu weren odder zu verbieten ist, so ist doch darauff zu
sehen, das die freyheyt der liebe und des nehisten diener ist und seyn sol. Wo es denn also
geschicht, das sich die menschen ergern odder yrre werden uber solchem mancherley brauch,
sind wyr warlich schuldig die freyheyt eynzuzihen und, so viel es müglich ist, schaffen und
lassen, auff das die leut sich an uns bessern und nicht ergern. Weyl denn an diser eusserlichen
ordnung nichts gelegen ist unsers gewissens halben fur Gott und doch den nehisten nutzlich
75
Gewissen werden4. Luther unterscheidet drei Formen des Gottesdienstes, die
alle berechtigt sind, weil sie sich verschiedenen Kategorien von Gläubigen
zuwenden.
Aus dieser Hinsicht ist die Beibehaltung der lateinischen Sprache wie
auch die Einbeziehung der biblischen Sprachen – Hebräisch, Altgriechisch – in
dem neuen Gottesdienst vornehmlich pädogogisch motiviert: „Es ist aber
dreyerley unterscheyd Gottis diensts und der Messe. Erstlich eyne latinsche,
wilche wyr zuvor haben lassen ausgehen, und heyst Formula Misse. Dise will
ich hie mit nicht auffgehalten odder verendert haben, sondern wie wyr sie bis
her bey uns gehalten haben, so sol sie noch frey seyn, der selbigne zu gebrauchen,
wo und wenn es uns gefellet odder ursachen bewegt. Denn ich ynn keynen weg
wil die latinische sprache aus dem Gottis dienst lassen gar weg komen, denn es
myr alles umb die jugent zu thun. Und wenn ichs vermöcht und die Kriechsche
und Ebreische sprach were uns so gemeyn als die latinische und hette so viel
feyner musica und gesangs, als die latinische hat, so solte man eynen sontag
umb den andern yn allen vieren sprachen, Deutsch, Latinisch, Kriechisch,
Ebreisch messe halten, singen und lesen”5.
Die deutsche Messe, die zweite Form des Gottesdienstes, ist für die
Gemeinde gedacht und hat katechetischen Wert, durch Inhalt und Form: „Zum
seyn kan, solen wyr der liebe nach, wie S. Paulus leret, darnach trachten, das wyr eynerley
gesynnet seyn und, auffs beste es seyn kan, gleycher weyse und geberden seyn, gleych wie
alle Christen eynerley tauffe, eynerley sacrament haben und keynem eyn sonderlichs von
Gott geben ist.”, Martin Luther, Deutsche Messe und ordnung gottis diensts, WA, 19, S. 72.
4
Aber umb der willen mus man solche ordnunge haben, die noch Christen sollen werden
odder stercker werden. Gleych wie eyn Christen der tauffe, des worts und sacraments nicht
darff als eyn Christen, denn er hats schon alles, sondern als eyn sunder. Aller meyst aber
geschichts umb der eynfeltigen und des jungen volcks willen, wilchs sol und mus teglich
ynn der schrifft und Gottis wort geubt und erzogen werden, das sie der schrifft gewonet,
geschickt, leufftig und kůndig drynnen werde, yhren glauben zuvertretten und andere mit
der zeyt zu leren und das reych Christi helffen mehren; umb solcher willen mus man lesen,
singen, predigen, schreyben und tichten, und wo es hulfflich und fodderlich dazu were,
wolt ich lassen mit allen glocken dazu leutten und mit allen orgeln pfeyffen und alles
klingen lassen, was klingen kunde. Denn darumb sind die Bebstlichen Gottis dienste so
verdamlich, das sie gesetze, werck und verdienst draus gemacht und damit den glauben
verdruckt haben und die selbigen nicht gericht auff die jugent und eynfeltigen, die selbigen
damit ynn der schrifft und Gottis wort zu uben, sondern sind selbst dran beklieben und
halten sie als yhn selbst nutz und nöttig zur selckeyt; das ist der teufel. [...]”, ebenda, S. 73.
5
Ebenda, S. 73-74.
76
andern ist die deudsche Messe und Gottis dienst, da von wyr itzt handeln,
wilche umb der eynfeltigen leyen willen geordent werden sollen. Aber dise zwo
weyse mussen wyr also gehen und geschehen lassen, das sie offentlich ynn den
kirchen fur allem volck gehalten werden, darunter viel sind, die noch nicht
gleuben odder Christen sind, sondern das mehrer teyl da steht und gaffet, das
sie auch etwas newes sehen, gerade als wenn wyr mitten unter den turcken
odder heyden auff eym freyen platz odder felde Gottis dienst hielten; denn sie
ist noch keyne geordente und gewisse versammlunge, darynnen man kunde
nach dem Evangelio die Christen regiern. Sondern ist eyne offentliche reytzung
zum glauben und zum Christenthum”6.
In der dritten Form, jener, „so mit ernst Christen wollen seyn”, gibt es
fast nur noch Inhalt, hier regiert ein liturgischer Minimalismus: „Aber die dritte
weyse, die rechte art der Evangelischen ordnunge haben solte, muste nicht so
offentlich auff dem platz geschehen unter allerley volck; sondern die ienigen,
so mit ernst Christen wollen seyn und das Evangelion mit hand und munde
bekennen, musten mit namen sich eyn zeychen und etwo yn eyn hause alleyne
sich versamlen zum gebet, zu lesen, zu teuffen, das sacrament zu empfahen und
andere Christliche werck zu uben. Inn dieser ordnunge kund man die, so sich
nicht Christlich hielten, kennen, straffen, bessern, ausstossen odder ynn den
bann thun nach der regel Christi Matth. xviii. Hie kund man auch eyn gemeyne
almosen den Christen aufflegen, die man williglich gebe und aus teylet unter die
armen nach dem exempel S. Pauli. ii. Cor. ix. Hie durffts nicht viel und gros
gesenges. Hie kund man auch eyn kurtze feyne weyse mit der tauffe und
sacrament halten und alles auffs wort und gebet und die liebe richten. Hie muste
man eynen guten kurtzen Catechismum haben uber den glauben, zehen gebot
und vater unser. Kurtzlich, wenn man die leute und personen hette, die mit
ernst Christen zu seyn begerten, die ordnunge und weysen weren balde
gemacht”7. Da aber diese Art von Gemeinde noch nicht existiert, gehört diese
Art von Gottesdienst in den Bereich der Utopie.
Für die vorliegende Arbeit sind aber die ersten zwei Gottesdienstarten
von Bedeutung. Die Sprachen des Gottesdienstes hatten also für Luther keinen
Bekenntnischarakter, sie durften auch keinen erlangen. Sie waren keine
Erkennungszeichen des wahren Glaubens. Sie waren von größerer Bedeutung
als die Bilder, denn der neue Gottesdienst war, egal inwieweit er den
6
7
Ebenda, S. 74-75.
Ebenda, S. 75.
77
Messcharakter beibehielt, Wortgottesdienst. Das Wort aber, ob gesprochen oder
gesungen, mußte verstanden werden. Die nachreformatorische Frömmigkeit
konnte auf vollständig Bilder verzichten, nicht aber auf das Wort.
Die Eintragung des Kronstädter Bürgers von 1592 dokumentiert
einerseits die Weiterführung der Reformation: die Form des Gottesdienstes bleibt
zwar unverändert, doch wird das Lateinische zugunsten des Lateinischen
aufgegeben. Ob der Stadtpfarrer Simon Massa, der für seine
kryptocalvinistischen Sympathien bekannt war, auch in die Gottesdienstordnung
selbst eingegriffen und die Messe mit dem oberdeutsch/schweizerisch geprägten
Wortgottesdienst ersetzt hätte, bleibt Spekulation8. Simon Massa handelte
allerdings ganz im Sinne Luthers, denn Sprache ist für das Gewissen nicht
bindend. Aus der Sicht der Kronstädter politischen Elite jedoch ist es ein Verstoß
gegen die Ordnung. Die Maßnahmen des Stadtpfarrers werfen andererseits ein
Licht auf die Sprache als Identifikationsfaktor, wobei anders als es das Klischee
vorschreiben will, nicht das Deutsche, sondern das Lateinische identitätsstiftende
Funktion hat. Simon Massa und die Gegner der Eindeutschung der Messe
beziehen sich auf ihre Weise auf das Erbe der lutherischen Reformation. Das
Lateinische der Liturgie, das hohen pädagogischen Wert hat: „war der Jugend
ein schöne Uebung” und zugleich auch durch die Tradition legitimiert: „die
schöne alte Gesenger als Psalmen, Introitus, Himnos, Responsoria, Magnificat,
Kyrie, Et in terra pax, Sanctus und andere schöne lateinische Orationes und
Antiphonas” gehört zu den Merkmalen der lutherischen Identität, deren Aufgabe
unerwünschte Folgen haben konnte.
In einer Predigt des Kleinpoldner Pfarrers und Unterwälder Dechanten
Damaus Dürr (1535-1585) wird die Befürchtung ausgesprochen, daß die
Veränderungen in den äußeren Ordnungen der Kirche, u.a. die völlige Aufgabe
des Lateinischen als Gottesdienstsprache, zum Einreißen der Ketzereien führen
werde: „So findenn sich denn die Adiaphorische heylige geister auch erzu, welch
die Ceremonien, ehrlich kirchenn Ordnungenn anfechten, die lauffenn ebenn
wie die katz umb denn brey, und woltenn gern etwas newes ym land machenn.
Da will eyner die heilge teg nicht feyrenn, und ynn der kirchenn nicht lassen
lateynisch singen. Der ander ergert sich ann der beschwerung des teufels ynn
8
Edit Szegedi, Konfessionsbildung und Konfessionalisierung im städtischen Kontext. Eine
Fallstudie am Beispiel von Kronstadt in Siebenbürgen (ca. 1550-1680), in Berichte und
Beiträge des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas
an der Universität Leipzig, 2006, Heft 2, S. 170.
78
der kindertauf. Mancheynen stürmen die bilder, das gemäl in der kirchenn. Einige
verwerfenn die liechter vom altar, die missgewand und die Caseln, wie es ein
ieder ynn seynem sinn findet, als dünkts ynn ym bestenn seynn. [...] sie sind
verdacht […] wenn man sich in mancher meynung verwilligt, und würf die
Ceremonien auss der kirchenn, sie wurdenn villeücht die hauptartikel der
Christlichenn leer wollenn angreyffen.
Wie mir wissenn das die schwermer gethan haben, welch der Teüffell
fur wenigenn iarn ynn unserm vaterland ausgeprüdigt hat. Die fingenn erstlich
die bilder an aus der kirchenn zuwerffenn, sie theten die liechter weg, brachen
die altar ab, verbotenn die lateinisch geseng, sie verderbtenn die messgewandt,
die Caseln und machtenn deckeltücher drauss. Da solch kirchenngespreng war,
bald fingenn die widersacher an zu predigenn wider das Abendmal des hern.
[…] so kamen sie auff eynen grausamen erschrecklichenn irthumb vonn dem
Sonn gottes, und vonn der heyligenn trinitate. Sie kamenn auf die tauf, und auf
ander artikel, darinnen sie biss ynn die kegenwertige stund badenn, damit vil
ander arme leut sind verfürt und umb die seelenselikeyt betrogenn wordenn”9.
Gegen Ende des 16. Jhs war die Gottesdienstsprache im Kontext der
innerprotestantischen Auseinandersetzungen kein Adiaphoron mehr, genauer
gesagt, sie war an sich zwar für das Seelenheil nicht notwendig, hatte aber in
der Bestimmung der konfessionellen Identität eine so prägende Rolle, daß man
auf sie nicht verzichten wollte und konnte. Die völlige Eindeutschung der Liturgie
(Dürr schreibt zwar in der Randglosse „Reformatores Anglici”, doch bezieht er
sich nicht streng auf England und geht dann auf Siebenbürgen über) konnte
somit zum trojanischen Pferd der Calvinisierung und, was Dürr am ehesten
befürchtete, das Eindringen antitrinitarischen Gedankengutes als letzte
Konsequenz der Umstoßung der bestehenden kirchlichen Ordnung: „Darumb
sag ich. Mann soll nicht eynes strohalms breit vonn denn ehrlichen Ceremonien
abweychen, die nicht wider got seynn, und mit guten gewissenn können behaltenn
werdenn. Denn, wie sagt man yn proverbio: Mann darf denn teufel nicht zu
gast ruffenn, er kompt ungeladenn. Gibt man dem bosenn feind eins nach, so
will er das ander, das dritt, das virt auch habenn. Lest man ynn ynn die kirch, so
will er auff den grossenn altar sitzenn, er steigt ynn den tempel deynes herzens
auf gottes altar, und will da sein mess singenn”10.
9
Damasus Dürr, Predigten, Mühlbach, 1939, S. 13.
Ebenda, S. 14.
10
79
Das Nebeneinander von Volkssprache (Deutsch/Sächsisch) und
Lateinisch gehörte demnach zur Normalität der lutherischen Identität in einer
Zeit, in der die als Kryptocalvinismus bezeichnete Vermittlungstheologie
melanchthonscher Prägung zeitweilig die bestimmende theologische Strömung
der Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Siebenbürgen war11. Jenseits des
pädagogischen Wertes der Verwendung des Lateinischen im Gottesdienst hatte
die Beibehaltung der lateinischen Gottesdienstsprache eine theologische
Dimension erhalten.
Dieses sprachliche Nebeneinander ist aber nicht das Ergebnis einer späten
Entwicklung anzusehen, sondern war in den Reformationsschriften angelegt
und auf den ersten nachreformatorischen Synoden in diskutiert und in Artikeln
festgehalten. Mehr noch, die evangelische Messe selbst war eher zweisprachig12.
Die Ordnung der Gottesdienste (Mette, Hochamt, Vesper), so wie sie in den
Reformationsschriften der Jahre 1543-1547 – Reformationsbüchlein,
Kirchenordnung13 - festgelegt werden, sind in der Sprachenfrage offen.
Da das Reformationsbüchlein ein Rechenschaftsbericht der in Kronstadt
durchgeführten Reformation war, ist es von den lokalen Bedingungen geprägt,
so auch von der Mehrsprachigkeit: „Wenn aber die Verschiedenheit der Sprachen
diesem entgegensteht [die einmalige öffentliche Messe an einem Tag, Anm.
E.Sz.] (weil ja in der eigenen Sprache eines jeden Volkes die Worte Christi
vorzutragen sind), so steht nichts im Wege, je nach der Zahl der Sprachen und
der Verschiedenheit der Orte, besondere Messen abzuhalten”14. Die Frage der
Mehrsprachigkeit taucht aber auch in der Kirchenordnung von 1547 auf, die
sich allerdings nicht mehr auf Kronstadt und das Burzenland allein bezieht: „
solches abentmal an einem tag meermal nit gehalten werden, sonder ein gmein
abentmal an einem tag ein mal, sol vberal einer gantzen kirchen gnug sein. So
aber mancherley sprachen an einem ort solches nit leiden, mag man wol nach
zal der sprachen, oder kirchen, die weyt von einander gelegen sein, eigen ampter
des hochwirdigen sacraments in sonderheit halten”15.
11
Szegedi, a.a.O., S. 148-154
“Die deutsche Sprache wurde durchaus nicht als eine sine qua non des neuen Gottesdienstes
angesehen”, Roth, a.a.O., S. 70.
13
Reformatio ecclesiae Coronensis ac totius Barcensis provinciae 1543; Kirchenordnung
aller Deutschen in Siebenbürgen 1547; deutsche Version: Ludwig Binder, Johannes
Honterus. Schriften, Briefe, Zeugnisse, Bukarest, 1996, S. 169-186, 203-233.
14
Reformationsbüchlein, S. 174-175.
15
Kirchenordnung, S. 212-213.
12
80
Daß Gottesdienste in verschidenen Sprachen gehalten werden, gehört
zum gängigen Bild des Verhältnisses von Sprache und Reformation. Die
Bestimmungen über die Verwendung des Lateinischen im Gottesdienst sind
umso überraschender, vor allem im Reformationsbüchlein, da Johannes Honterus
als auch oder gar vornehmlich von der oberdeutsch-schweizerischen
Reformation geprägten Reformator gilt16.
So steht im Kapitel über die Messe: „Im übrigen gebrauchen wir bei
der Abhaltung der messe (ausgenommen den unfrommen Kanon und gewisse
abergläubische Gesten) die üblichen Gesänge nach der Zeit, und wir ändern
nichts an dem, was die erste Kirche gehalten hat, außer daß wir nach der Epistel
zuweilen deutsche Gesänge gebrauchen, manchmal auch andere übliche, wenn
sie der Schrift nicht widersprechen. [...] Dann singt man das Glaubensbekenntnis
in unserer und manchmal in lateinischer Sprache. Nach der Präfation mit ihrem
Canticum und nach vorausgeschicktem kurzem gedenken des Todes Christi
und nach dem Vaterunser wendet sich der Priester zum Volk und spricht mit
klarer Stimme die Worte des Testaments aus der heiligen Schrift in heimischer
Sprache [...]”17. Wenn keine Kommunikanten vorhanden sind, dann fällt die
Messe aus „statt derselben singt man zuerst einen deutschen Psalm”18 als
Einführung in eine einfachere Amtshandlung. Die Mette wurde wegen der
militärisch-politischen Lage (Türkengefahr) auf den frühen Morgen verlegt „in
welchem nach den heimischen Gesängen und Litaneien, und nach den
vorgeschriebenen Morgen-Psalmen, Lektionen und responsorien das Symbolum
des Athanasius gesungen wird und dann das deutsche Canticum: „Te deum
laudamus” und dann auch: „Veni sancte spiritus” [...]”19.
Das Reformationsbüchlein enthält keine vollst ändige
Gottesdienstordnung, sondern bietet Richtlinien20 dazu. Auch der Gebrauch
16
Die theologische Zuordnung von Johannes Honterus ist ein strittiges Thema und wurde
öfters in der Kirchengeschichtsschreibung des 20. Jhs diskutiert. Vgl. u.a. Erich Roth, Die
Reformation in Siebenbürgen. Ihr Verhältnis zu Wittenberg und zur Schweiz, Köln-GrazWien, 1962, I, S. 31-35; Karl Reinerth, Die Reformation bei den Siebenbürger Sachsen,
Gütersloh, 1956, S. 13, 205; ders, Humanismus und Reformation bei den Siebenbürger
Sachsen, in Südostdeutsches Archiv, 1970, S. 44; Adolf Schullerus, Geschichte des
Gottesdienstes in der evangelischen Kirche Siebenbürgens, in Archiv des Vereins für
Siebenbürgische Landeskunde, 41, 1928, 429-431.
17
Reformationsbüchlein, S. 175.
18
Ebenda, S. 175.
19
Ebenda, S. 176
20
Roth, Gottesdienst, S. 78, 107.
81
der Sprachen ist nicht genau festgelegt. Zwar werden die Einsetzungsworte
wie auch die Lesungen in „heimischer Sprache” gesprochen, doch ist die Sprache
des Glaubensbekenntnisses nicht eindeutig festgelegt: es kann lateinisch oder
deutsch gesungen werden. In welcher Sprache die Kollekten gesprochen werden,
wird z.B. nicht geklärt21.
In der Kirchenordnung wird der Ablauf der gottesdienstlichen
Handlungen näher bestimmt. In der Mette „An feyrtagen nach dem ersten lauten,
wird die deutsche Litaney gesungen. Bald nach dem andern lauten hebt man
die Metten an in solcher ordnung. Zum ersten Deus in adiutorium, darnach
drey psalmi, wie sie nach einander komen, mit der Antiphen. Aber in hohen
festen helt man drey Antiphen mit iren gewonlichen psalmen. Darnach folget
der Versikel mit seinem gebet, vnd Lection aus der heiligen schrifft, vnd
Responsorien, wie sie nach der zeit komen. Nach dem singet man Gloria tibi
trinitas, mit dem Quicunque vult saluus esse. Item Herr Gott dich loben wir. An
grossen festen, te deum laudamus. [...]”22 Auf die Verwendung der Sprachen
jedoch wird außer der Bestimmung des Singens der deutschen Litanei nicht
eingegangen. Interessant ist die Bestimmung über die Mette in den ländlichen
Gemeinden, weil in diesem Kontext die Verständlichkeit kaum als Argument
für die Beibehaltung des Lateinischen vorgebracht werden kann: „In andern
ampten sol die wochen vber solche ordnung in dörffern gehalten werden.
Morgens frü, die stund so dem volck füglich vnd gewonlich ist, bald nach dem
lauten, mag ein psalmen oder zween nach einander (wie vorgemelt ist) lateinisch
gesungen werden. Darnach das Responsorium vnd ein deutscher psalm. Bald
darauff an stat der predig ein Lection aus dem Catechismo, oder anders
desgleichen. Mit einem deutschen gesang beschlossen”23.
Im Hochamt wird das Nebeneinander von Latein und Deutsch behalten,
wobei es nicht immer genau bestimmt ist, welcher Teil des Gottesdienstes in
welcher Sprache gehalten wird: „Am Sontag an stat des abgelegten vmbgangs,
singt man den lobgesang Zachariae, Gelobet sey der Herr. Zu Ostern, das Salue
festa dies. An andern feirtagen hebt man die Meß an mit Introitu nach der zeit,
oder desselbigen gleichen. Darnach folgt das Kyrie, vnd Et in terra. 2. Weiter
nach der Collecten lieset man die deutsche Epistel kegen dem volck. Darnach
singt man ein Szequenz von der selbigen zeit, als zu Weihnachten, Grates nunc
21
Ebenda, S. 78
Kirchenordnung, S. 229.
23
Ebenda, S. 232.
22
82
omnes. In der fasten, ein Tract nach der zeit, oder Domine non secundum.
Nach Ostern, Victime paschali, mit dem Alleluia. Aber die andere zeit vber,
singet man dergleichen christliche geseng lateinisch oder deutsch. Das euangelion
liset man auch deutsch kegen dem volck. Darnach singet man inn der gemein
Wir gleuben, oder das lateinisch Credo. Weiter folgt Dominus vobiscum mit
der Prafation vnd Sanctus. 3. Nach demm allen, kert sich der priester zum
volck, und spricht am ersten mit klaren worten das Vater unser, bald darauff die
wort der Consecration vber das brod vnd wein, welche er auch darzu nach
einander in den henden helt. Nach der consecration hebt man an das Agnus Dei.
Item Jesus Christus vnser heiland, vnd was man des gleichen meer wil singen,
biß das volck gantz bericht wirdt. Darnach Dominus vobiscum, Collect und
Bendicamus [...]”24.
Deutsch ist die Sprache der Lesungen aus der Hl. Schrift, der
Einsetzungsworte und des Vaterunsers. Bezeichnend sind in diesem
Zusammenhang die Bestimmungen über die Haltung des Geistlichen: „kegen
dem volck”, „kert sich der priester zum volck”, was auf das Vorhandensein
eines Altars hinweist. Ohne Altar würde es einfach bedeuten, daß der Geistliche,
wenn er nicht der Gemeinde zugewendet ist, der Gemeinde wörtlich den Rücken
kehrt. Wenn der Geistliche sich zum Volk kehrt, dann bedeutet es, daß er bis
dahin mit dem Gesicht zum Altar gewendet war. Dieses wiederum beweist, daß
das liturgische Vorbild nicht die oberdeutsche/schweizerische Reformation war.
Egal, wie der Altar aussah und ob er noch Teile des alten vorreformatorischen
Altars behielt, seine liturgische Rolle war unangetastet.
Das Nebeneinander von Latein und Deutsch im Hochamt sieht Erich
Roth als das Ergebnis eines Kompromisses zwischen Honterus und seinen
innerreformatorischen Gegnern: Honterus will soviel wie möglich reformieren,
d.h auch durch Eindeutschen, seine Gegner hingegen so viel wie möglich von
dem vorreformatorischen Erbe retten25.
Die Vesper bleibt in ihrem Aufbau unverändert: „Denn nach dem
gewonlichen anfang werden allzeit gesungen Antiphen, Psalmi vnd Hymni nach
den tagen verordnet, mit denn Responsorien, wie sie gehalten, oder an
wercktagen außgelassen werden. Aber zu Weihnachten, Ostern, Himmelfart,
Pfingsten, und in der ersten vnd andern vesper etlicher andern feyrtagen, werden
24
25
Ebenda, S. 230
Roth, Gottesdienst, S. 96.
83
die antiphen mit irem eignen Psalmen behalten. Der funfft psalmen wird meermals
zu leer des gemeinen volcks deutsch gesungen, allein nach Ostern, In exitu
Israel, welchen wir nach alter gewonheit behalten”26. Die Verwendung der
deutschen Sprache, genauer, das Singen des 5. Psalms, spielt eine pädadogischseelsorgerliche Rolle.
Aus den ersten Entwürfen zum evangelischen Gottesdienst in
Siebenbürgen geht hervor, daß die lateinische Sprache weiterhin eine liturgische
Rolle spielte. Die Volkssprache, in diesem Fall Deutsch oder SiebenbürgischSächsisch wird eingesetzt, wenn es um theologisch grundlegendende Elemente
ging: Lesungen aus der Hl. Schrift, Vaterunser, Glaubensbekenntnis
(abwechselnd mit dem Lateinischen) und vor allem die Einsetzungsworte des
Heiligen Abendmahls.
Die Synoden, die in der nachreformatorischen Zeit zum einen
Glaubensinhalte festlegen und die Herausbildung der reformatorischen Identität
begleiten, zum anderen aber auch die Spaltung der reformatorischen Bewegung
mit verursachen und vert iefen, gehen auch auf die Frage der
Gottesdienstsprache(n) ein. Die Bestimmungen zu dieser Frage drehen sich um
die Sprache der Sakramentsverwaltung und um die Beibehaltung der lateinischen
Sprache im Gottesdienst. Die zwischen 1557-1578 abgehaltenen Synoden
setzten sich mit diesen Fragen auseinander. Es waren die Synoden der
konfessionellen Identitätsbildung, wobei deren theologische Ausrichtung
variierte. Die Synoden der Jahre 1572-1590 waren kryptocalvinistisch geprägt27,
so daß es nachzuwesien gilt, inwieweit diese Ausrichtung auf die Sprachenfrage
sich auswirkte, genauer: ob der Kryptocalvinismus sich auch in dem Willen
äußerte, die Reformation des Gottesdienstes weiterzuführen und auf die
lateinische Sprache völlig zu verzichten.
In der Frage der Beziehung von Sprache und Sakrament wird in den
Synoden festgelegt, daß in der Abandmahls- wie Taufliturgie die Volkssprachen
verwendet werden: „Coena domini cum actione externa juxta mandatum et
promissionem, deinde in applicatione potissimum constet, maxime refert, ut
26
Reformationsbüchlein, S. 231.
Georg Daniel Teutsch, Urkundenbuch der Evangelischen Landeskirche A.B. in
Siebenbürgen, II, Hermannstadt, 1883, S. 224-330; Georg Haner, Historia ecclesiarum
Transylvanicarum, Francofurti et Lipsiae, 1694, S. 305-306; Friedrich Teutsch, Geschichte
der ev. Kirche in Siebenbürgen, I., Hermannstadt 1921, II, Hermannstadt, 1923, S. 330;
Szegedi, a.a.O., S. 150-152.
27
84
populus intelligat, quid agatur; ideo ante sumptionem censemus praemittendam
esse exhortationem, lingua genuine et propria cujusque nationis, ut populus
recte edoceri posit”28; „Quia vero hae sacrae actiones, baptismus, absolutio et
coena domini, sunt praecipua, quae filius dei in ministerio publico commendavit,
hortamur omnes compastores nostros, ut eandem formam baptizandi, eam
videlicet, quae Wittebergi in usu est, utque peragatur lingua germanica [...]”29;
„Baptismus administretur lingua populari propter auditores et retineatur formula
ecclesiae Wittenbergensis, habeat etiam illa agenda in singulis ecclesiis”30;
„Baptismus administretur in publico templo, non domi, idque germanica lingua,
ut adstantes preces suas adjungere possint”31.
Die Abendmahlsliturgie wird wegen der zentralen Rolle der
Abendmahlslehre in der Identität der sich ausdifferenzierenden
Reformationskirchen in die Volkssprachen übersetzt, was die Entfernung des
Lateinischen bedeutete: „Praecipue autem cum in ecclesia omnia ad
aedificationem fieri debeant, ut populus adstans dicere posit: Amen, in instanti
actione et communicatione corporis et sanguinis domini, linguam latinam
removendam esse censemus”32. Die Berufung auf die Volkssprachen – ein
einziges Mal wird auf die deutsche Sprache hingewiesen – deutet auf das Fehlen
einer Gleichsetzung von Ethnie und Bekenntnis hin. Sprache ist ein
Kommunikationsmittel, die Volkssprache wird der Verständlichkeit wegen
verwendet, hat also pädagogisch-seelsorgerliche Gründe und zielt nicht auf die
Herausbildung einer ethnischen Identität. Die Aussage der Synode von 1563
ist in dieser Hinsicht gundlegend: „Spiritus sanctus enim variis linguis locutus
est”33. Es gibt keine heilige Sprache, weil sich der Heilige Geist in jeder Sprache
äußern kann.
Wenn die Sprache der Einsetzungsworte, der Taufhandlung, der
Gewissensforschung, der Absolution kein Adiaphoron war, so ging es im Fall
der lateinischen Gesänge um Adiaphora. Die lateinischen Gesänge bleiben
erhalten, weil sie pädagogischen Wert haben: „Verum ut juventus scholastica in
officio retineatur, et hoc donum dei in ecclesia domini quam latissime spargatur,
28
Synode 1557, in Urkundenbuch II, S. 5.
Synode 1562, in Urkundenbuch II, S. 72.
30
Synode 1563, in Urkundenbuch II, S. 76.
31
Synode 1565, in Urkundenbuch II., S. 103.
32
Synode 1557, in Urkundenbuch II, S. 5.
33
Synode 1563, in Urkundenbuch II, S. 76.
29
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in omnibus reliquis officiis retineri et urgeri debet, ut cantiones piae et sacrae in
latino quoque idiomate quam notissimae sint”34. ateinische Gesänge gehören
wie die Altäre oder die Paramente zu dem Teil des Erbes, der der guten Ordnung
dient, weshalb sie weitergeführt werden, solange sie der Hl. Schrift nicht
widersprechen: „Omnino non tollantur cantus latinus, sed deligantur ea, quae
pia sunt, et retineantur. Spiritus sanctus enim variis linguis locutus est. Cantum
etiam mensuralis ex templis non ejiciatur”35; „X. Altaria nullo modo diruantur,
sed si ubi in nostris ecclesiis per homines turbulentos diruta sunt, dent operam
pii pastores, ut sine tumultibus restituantur. Et testimonia exstant primitivae et
purioris ecclesiae, non in mensis ligneis, sed in altaribus administratam esse
coenam domini.[...] XV. acra officia, etsi magna ex parte populari sermone
cupimus peragi, ut auditores possint dicere: Amen, tamen cantiones latin ae
piae et ab omnibus erroribus alienae ex ecclesiis nostris non debent in universum
explodi, sed et propter linguam et artem musicam suo tempore quoque retineri.
[...] XVII. De caeremoniis seu rebus adiaphoris memorabilis est sententia
Augustini: In his rebus, de quibus nihil certi statuit divina scriptura, mos populi
dei et instituta majorum pro lege tenenda sunt, et sicut praevaricationes
divinarum legum, ita contemptores ecclesiasticarum consuetudinum coercendi
sunt. [...] Neque alter alterum ideo vel damnet, vel conscientiae laqueos injiciat.
Linea tamen vestis ab omnibus conservetur. Eodem modo de imaginibus non
fabulosis, de organis musicis et aliis veris adiaphoris sentimus”36. Selbst die
kryptocalvinistische Synode von 1578 will die lateinischen Gesänge nicht ganz
abschaffen: „Sacra officia etsi magna ex parte populari sermone cupimus peragi,
ut auditores possint dicere Amen, tamen cantiones latinae piae et ab omnibus
erroribus alienae ex ecclesiis nostris non debent in universum explodi, sed et
propter linguam et artem musicam suo quoque tempore retineri”37.
Die Synode von 1565, die auch den Umgang mit dem
vorreformatorischen Erbe festlegt, stellt die lateinischen Gesänge in den Kontext
der Adiaphora, jedoch in dem Sinne, daß sie nicht mehr abgeschafft werden,
weil sie der Ordnung förderlich sind und der reformatorischen Lehre nicht
widersprechen. Die reformatorische Identität wird nicht mehr vom Bruch,
34
Synode 1557, in Urkundenbuch II, S. 5.
Synode 1563, in Urkundenbuch II, S. 74..
36
Synode 1565, in Urkundenbuch II, S. 105, 108.
37
Synode 1578, in Urkundenbuch II, S. 227.
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sondern von der Kontinuität geprägt. Die Verwendung der lateinischen
Gottesdienstsprache bedeutete, daß die Reformation sich auf die historisch
gewachsene kirchliche Tradition beruft und sie in gereinigter Form weiterführt.
Diese Entscheidung ist nicht mehr auf taktische Überlegungen zurückzuführen,
sondern ist als bewußte Entscheidung für eine eigene Auslegung der
reformatorischen Identität zu betrachten, die der allgemeinen Tendenz der
siebenbürgischen Reformation zuwiderlief. Dieser Synodalbeschluß richtet sich
auch gegen die sich stärkende schweizerisch-reformierte Richtung.
Die eingangs erwähnte Maßnahme des Kronstädter Stadtpfarrers Simon
Massa wurde im Laufe des 17. Jhs rückgängig gemacht. Martin Schmeizel
erwähnt in seiner De statu Ecclesiae Lutheranorum in Transilvania, daß in
Kronstadt am Anfang des 18. Jhs die lateinische Gottesdienstsprache im
Gebrauch war38. Somit erwies sich die Verwendung der lateinischen Sprache
im evangelischen Gottesdienst als ein Adiaphoron im wahrsten Sinn des Wortes:
sie wurde behalten, abgesetzt und wieder eingesetzt, weil die Gesänge selbst
aus der Gottesdienstordnung entfernt oder aber übersetzt werden konnten. Die
grundlegenden theologischen Aussagen jedoch mußten allgemeinverständlich
sein, so daß sie in der Volkssprache gesagt oder gesungen wurden. Somit war
die Sprache ein Adiaphoron der besonderen Art : als Teil der
Sakramentsverwaltung war sie verbindlich, als Teil der evangelischen Messe,
in Form von Gesängen hatte sie Adiaphoracharakter. Die lateinische Sprache
erwies sich jedoch infolge der Verhärtung der konfessionellen Grenzen als ein
Adiaphoron, auf das man nicht verzichten wollte. Die Sprache erlangte somit
Bekenntnischarakter.
38
Jenae 1722, S. 72-73; Schullerus, a.a. O., S. 490, 499-500.
87
NU ESTE ADIAPHORON? LIMBĂ ŞI CONFESIUNE ÎN
TRANSILVANIA POSTREFORMATORICĂ
Rezumat
Pornind de la însemnările de calendar din 1592 despre germanizarea
slujbei la Braşov, articolul de faţă îşi propune să cerceteze dacă şi în ce măsură
limba liturgică a fost un adiaphoron în Transilvania postreformatorică, mai precis
în Biserica de Confesiune Augustană. Pe baza primelor scrieri ale Reformei ca
şi a hotărârilor sinodale s-a arătat că limba latină, ca limbă liturgică, n-a fost
niciodată abandonată în totalitate. A existat însă amendamentul ca acele părţi
ale liturghiei care erau fundamentale din punct de vedere doctrinar şi, în primul
rând, administrarea sacramentelor să se desfăşoare în limba vernaculară. Limba
a dobândit astfel statutul unui adiaphoron aparte, care, în procesul formării
confesionale, a căpătat valenţele unei mărturisiri de credinţă.