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Dabei gelangte Eggs zu einer positiven Antwort: <In der dunklen Zeit des früheren Mittelalters zierte St. Joderns Stuhl ein Bischof und Landesfürst von europäischem Ruf, der wie eine Wettertanne über seine Zeitgenossen und die Jahrhunderte emporragte. Es war der Bischof Ermenfried von Sitten.>l Wer sich intensiv mit den Ereignissen und Akteuren des ll, Jahrhunderts in Europa auseinandersetzt, stösst unweigerlich aufden genannten BischofErmenfried von Sitten.2 Der Prälat trat während seines ca. von 1055 bis 1090 währenden Episkopats in Europa in verschiedenen .limtern in Erscheinung, so etwa als pâpstlicher Legat, als Vertreter des Königreichs Burgund und als Gefolgsmann König Heinrichs IV. In diesen Funktionen besuchte er Konzilien, Hoftage und 1 2 172 I Einleitung Eine <<llettertanne> der lTalliser Geschichte? Eggs, BischofErmenfried von Sitten. in: Walliser Jahrbuch (im Folgenden zit. als WJb) 2 (1933), S. 40. Bei dem erwähnten Sankt Jodern handelt es sich um die Oberwalliser Namensform des ersten Walliser Bischofs, dem heiligen Theodorus/Theodul von Octodurus.Ygl. Ulrich Nachbaur, Der heilige Bischof Theodul. Von der Urkundenfälschung bis zur Käsewerbung, in: Montfort, Zeitschrifr für Geschichte Vorarlb,ergs 66li (2014), S. 5-81, hie¡: S. 5. Die Schreibweise des Namens variiert von Quelle zu Quelle. Neben lateinisch <Ermenfredus> oder neuhochdeutsch <Ermenfried> finden sich noch die Schreibweisen <Ermenfridus>, <Ermanfredus>, <Hermenfridus>, <Hermenf¡edus>, <Hearmenfredus>, <Armenfridus), (<Armenfredus> sowie in der französischen Literatur <Ermenfroi>r, <Ermenfroid> oder <Ermanfroid>. In diesem Aufsatz wi¡d die neuhochdeutsche Schreibweise verwendet. Julius 173 Johannes Luther Krönungszeremonien, traf Ftirsten, Könige und päpste und besass damit eine Reichweite, die für den Bischof eines zu dieser zeitrelativ unbedeutenden Alpen_ bistums erstaunlich ist. Mit dem blumigen Eingangszitat von Julius Eggs werden bereits zwei wichtige Probleme angesprochen, welche die Forschung zu Ermenfried von sitten be_ treffen. Erstens liefern die worte <in der dunklen Zeit des früheren Mittelalters> einen Hinweis auf die schlechte Quellenlage zur Geschichte des sittener Bistu¡¡g im 11. Jahrhundert. Dies ist ein umstand, der in der Forschung von verschiedener seite beklagt wird. so schob bereits Eggs die folgende Bemerkung nach: <Dunkel, wie die zeit, in der er lebte, ist seine Herkunft, dunkel seine wirksamkeit in seinem Kirchensprengel. Kein Buch, keine urkunde und kein Denkmal gibt AuÊ schluß, wie denn auch aus der vy'alliser Geschichte des 10. und 11. Jahrhunderts äußerst spärliche Aufzeichnungen übrig sind.>3 sechzig Jahre später bTlanzierte Joachim Manuel Huber sogar, dass man <sich damit zt¡ begnügen [hat], dass für den heutigen Betrachter das 11. Jahrhundert im kleinen Bistum Sitten im Sinne des Wortes beinahe spurlos verging>.a Diesen Behauptungen steht jedoch das immer wieder betonte Gewicht Ermentiieds von Sitten entgegen, der mit den worten Louis carlens <über seine Diözese und seine Grafschaft hinauswuchs und in die europäische politik einstieg>.s wenngleich Ermenfrieds Lebensweg an vielen stellen lückenhaft ist, handelt es sich bei ihm doch um den am besten dokumentierten sittener Bischof des Hochmittelalters. Zweitens spricht Eggs' zitat die Bedeutung Ermenfrieds gegenüber seinen vorgängern und Nachfolgern an. Es ist noch zu klären, ob er sich tatsächlich <wie .wettertanne>> eine über seine Zeitgenossen erhob. Es kann allerdings behauptet werden, dass Ermenfried durch seinen weiten Aktionsradius wirkmächtiger und einflussreicher war als die meisten Bischöfe vor ihm und bis in die zett des Kardinals Matthäus Schiner im 16. Jahrhundert auch nach ihm.ó Mit Ermenfried von sitten liegt also eine Persõnlichkeit vor, die fär die Geschichte seiner Diözese im Hochmittelalter eiiren Ausnahmefall darstellt. Das zier des vorliegenden Beitrags besteht darin, diesen von der regionalen wie auch überregionalen Forschung auf weite strecken hin vernachlässigten prã- 3 4 5 6 Eggs, Bischof(Anm. 1), S.40. Joachim Manuel Huber, Der sogenannte <Grosse Reliquienschrein> im Domschatz zu Sitten. Eine Untersuchung zu Geschichte, Konstruktion, Ikonographie und Stil eines mit Silberreliefs verkleideten Reliquienschreins des 11. Jahrhunderts im Alpenraum, Diss., Zürich 199g, s. 19. Louis Carlen. 1000 Jahre Bìschöfe von Sitten (999-1999), in: Blätter aus der Walliser Geschichte (im Folgenden zit. als BWG) 32 (2000), S. 191-208, hier: S. 202. So handelt es sich bei Ermenfriedvon Sitten für das Lexikon des Mittelaltersneben dem heíligen Theodorus (4. Jh.), dem heiligen Guérin (12. Jh.) sowie André de Gualdo und walter supersaxo (beide 15. Jh) um eine bedeutende Bischofspersönlichkeit, die es verdient, im Artikel zum Bistum sitten namentlich aufgefÌihrt zu werden. François-olivier Dubuis, Antoine Lugon, Art. <Sitten>, in: Lexikon des Mifielâlters, Bd. 7, Mùnchen 1995, Sp. 1939-I94l,hiet: Sp. 19+i. 174 laterin einer biographischen Studie aufder Höhe der aktuellen Forschung vorzustellen und in die verschiedenen Kontexte seiner Zeit einzuordnen. So lauten die Leitfragen, welche Rolle Bischof Ermenfried von Sitten im europäischen Gesandtschaftswesen spielte, wie sein Episkopat sein politisches Handeln beeinflusste und welche Rückwirkungen wiederum sein Tun auf das Bistum Sitten zeitigte. I. 2 B is herÌge Fors chungs arbeiten zu Ermenfried von Sitten Auch wenn die Quellen zu Ermenfried für das Bistum Sitten im 11. Jahrhundert einen Glücksfall darstellen: Vergleicht man sie mit dem Material, das zu anderen Bischöfen seiner Epoche überliefert sind, dann müssen sie als äusserst spärlich bezeichnet werden. Die meisten Nennungen Ermenfrieds finden sich in Urkunden; ferner liegen einige Erwähnungen in historiographischen Texten, Konzilsakten und Briefen vor. Zusätzlich können einige Objekte und Texte mit dem Episkopat Ermenfrieds in Verbindung gebracht werden. Diese Quellen, die sich grösstenteils wohl nur erhalten haben, weil sie vom Wirken des Bischofs ausserhalb seiner Diözese Sitten berichten, ergeben im Zusammenspiel ein lückenhaftes, doch stimmiges Bild. In der Walliser Historiographie wurden bereits einige Versuche unternommen, die Vita Ermenfrieds von Sitten in groben Zugennachzuzeichnen, doch eine umfassende Studie, die alle bekannten Quellen berticksichtigt, fehlt bis heute.i Eine der ersten konkreten Auseinandersetzungen mit der Person Ermenfrieds von Sitten bietet der Geistliche Sigismund Furrer in seiner 1850-1852 veröffentlichten, dreibândigen Walliser Geschichte. Es ist vom Wirken des bedeutenden Bischofs <Hermannfred von Sitten> die Rede, der König Heinrich IV. bei seinem berühmten Bussgang nach Canossa das Geleit über die Alpen gegeben haben soll.8 Furrer führt zu'ar keine Quellen auf, zeichnet jedoch auf wenigen Seiten überblicksm?issig das Wirken des Bischofs im Dienste von Papst und König nach. Vierzehn Jahre später legt Franz-Joseph Joller in den <Katholischen Schweizer-Blättern für christliche Wissenschaft> eine Biographie des Bischofs <Hermenfrid von Sitten> vor. Im Gegensatz zu Furrer ìÌntermauert Joller seine Lebensbeschreibung mit einer Vielzahl von Quellen und verfasst eine faktenreiche Darstellung, in der sich 7 8 Bei de¡ bisher vollstândigsten ZusammenstellungvonHuber, Der sogenannte <Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4), S. i4-i8, fehlen etwa das sogenannte <Ermenfried-Penitential> und eine Riesenbibel, welche Ermenfried an die Domhe¡ren von Sitten übergeben haben soll. An manchen Stellen wird zudem keine eindeutige Quellenzuordnung ersichtlich. Sigísmund Furrer, Geschichte, Statistik und Urkunden-sammlung übei Watlis, 3 Bde., hier: Bd. 1: Geschichte von Wallis, Sitten 1850, S.65-67. 175 Johorutæ Luther viele Thesen und Behauptungen tnden, die von der späteren Forschung stets aufs Neue aufgegriffen wurden und heute noch Gültigkeit besitzen.e Die nächsten wichtigen Nennungen finden sich bei Jean Gremaud, der ab den 1870er Jahren eine umfangreiche Quellensammlung zur Walliser Geschichte kompilierte. Mit den in diesem Werk zu Bischof Ermenfried präsentierten Urkunden bot er eine erste grössere Quellenschau, auf die im 20. Jahrhundert rege zurückgegriffen wurde.ro Die Historiker Julius Eggs und Woifgang-Amédée Liebeskind lieferten schliessiich mit ihren Aufsätzen erstmals vollständige biographische Abhandlungen zur Person, wobei vor allem Liebeskind mit seinem 1973 publizierten systematischen Abriss Bedeutendes für die Forschung leistete.ll Herberl Cowdrey konzentrierte sich sodann in seinem Aufsatz von 1969 vor allem aufEmrenfrieds Wirken als päpstlicher Legat in England,r2 während Bernard de Vregille 1981 in seiner monumentalen Biographie über Erzbischof Hugo von Besanço-r erstmals Licht ins Dunkel von Ermenfrieds Vergangenheit brachte und ihn als Schüler des bisontinischen Erzbischoß auswies.l3 Joachim Manuel Huber und Giibert Coutaz brachten 1998 und 2001 biographische Abrisse, wobei ersterer den bei weitem vollständigsten vorlegte.ra Eine der aktuelisten Erwähnungen E¡menfrieds in der Forschung ûndet sich in der Dissertation von Nadia Togni über die Riesenbibeln von Sitten und Genf.rs Hinzu kommt ein erst kürzlich erschienener Aufsatz von 9 Franz-Joseph Joller, Hernenfrid von Sitten (1054-1084), in: Katholische Sch\¡r'eizer-8lâtter fù¡ christliche Wissenschaft 6 (1984), S. 365169,418-423. 10 Jean Gretnaud, Documents relatifs à l'histoire du Vallais, 8 Bde. (im Folgenden zit. als Gren, aud), hier: Bd. 1: 300-1255 (Mémoires et docurnents publiés par la Société d'Histoire de la Suisse Romande 29), Lausanne 1875, S. 66-73. 11 Eggs, Bischof (Anm. 1), S.40-43; lítolfgang-Anzédée Liebeskind, Un prélat médiéval: En¡enfroid, évêque de Sion, in: De,"s., Institutions politiques et traditions nationâles, Genf 1973, S. 132*153. Eggs stützte sich in seiner kurzen Ermenfried-Biographie offensichtlich zum grossen Teil aufdie Darstellung Jollers, allerdings oline dabei explizit seine Quellen zu nennen. 12 Herbert E. J. Cowdrey, Bishop Ermenfrid of Sion ând the Penitential Ordinance following the Bâttle ofHastings, in: Journal ofEcclesiastical History 20/2 (1969), S. 225-242. 13 Die ursprünglich im Jahr 1978 an der Université de Franche-Cor¡té als Dissertation vorgelegte Biographie wurde 1981 in zwei parallelen Editionen unter dern gleichen Titel herausgegeben: einer gekürzten Monographie (Verlag Cêtre) und einer dreibãndigen Ausgabe mit ausfùhrlicher Quellendokumentation (Verlag Ateliers de reproduction de I'Université de Lille III)- Der vorliegende Aufsatz stützt sich ausschliesslich aufdie dreibändige Edition. Yg1. BernarC de Vregille, Hugues. Archevêque de Besançon 1031-1066, 3 Bde., Besançon 1981, hie¡ bes.: Bd. 2, 5.912f. Ermenfried findet im ersten Band von de Vregilles Werk immer wieder Erwâhnurg. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 122, 233,250¿53,259,212-274,301, 318, 324,329,361f.374,384, 408, 507. 14 Gilbert Coutaz, Ertnenfroi, i054l1055-108111092, in: Helvetia Sacra I/5: Erzbistümer und Bistümer. Das Bistum Sitten / Le diocèse de Sion, LArchidiocèse de Tarentaise (im Folgenden zit. als HS i/5), Basel 2001, S. 149-i51; Huber,Der sogenannte <<Grosse Reliquienschrein> (Anm.4), s. 14-18, 27-28" 32-33, 4t-42, 153-155, 159. 15 Nadia Tognî, Les Bibles atlantiques de Genève et de Sion. Une typologie du livre à l'époque de la réforme ecclésiastique du Xl" siècle, 2 Bde., Genf 2008, S. 132-139. 1'76 paniel Gerrard über die Rolle Ermenfrieds im Kampf König Wilhelms des Eroberers gegen Rebellen aus den Reihen der anglonormannischen Geistlichkeit.r6 Die Forschung der letzten 150 Jahre wartet also für die Person Ermenfrieds von Sitten mit elf relevanten Studien aut', von denen jedoch keine dem Anspruch gemigen kann, aIle bekannten Fakten zum Prälaten abzuhandeln. Hinzu kommen ftandnennungen in Texten, sei es im Zusammenhang der Geschichte des Königreichs BurgundlT oder sei es \ryegen seiner Rolle als königstreuer Bischof,r8 seinen Legatentãtigkeitenre oder im Rahmen von Darsteliungen zur Walliser Geschichte.20 Ebenfalls erwähnt wird Ermenfried hinsichtlich seiner wohl wichtigsten Mission in England, wo er unter Wilhelm dem Eroberer im Namen des Papstes die Neuordnung der englischen Kirche rnitgestaltete.2l Mit dem vorliegenden Aufsatz 16 Daniel Gerrard, Ermenfroi de Sion, l"archer'êque Lanfranc et le problème des ecclésiastiques rebelles, in: Vtironique Gazeau, Julia Barrow, Fabrice Delh,ré (Hg-), Autoùr de Lanfranc. Ré- 17 forme et Réformateurs dans I'Europe de l'Ouest, Caen2015, S. 305-311. Obwohl sein Name irn Titel proninent erwähnt wird, spielt der von Gerrard als <<cardinal bourguignon> ausgewiesene Ermenfried in der genannten Studie nur eine marginale Rolle. Hervorzuheben sind hier Louis Jacob, Le rc'yaume de Bourgogne sous les empereurs Franco- niens (1038-1 125). Essai sur la domination impériale dans I'est et le sud-est de la Fl ance aux XI'" XII'" siècles, Paris 1906, S,78-88; Hartnnrt Heinetnann, Untersuchungen zur Geschichte der Zàhrtnger in Burgund, 2 Tle., hier: Tl. 1, in: Archiv fü¡ Diplornatik, Schriftgeschichte, Siegelund Wappenkunde 29 (1983), 5.95-99; François Demotz, La Bourgogne, dernier des royaumes carolingiens (855-1056). Roi, pouvoirs et élites aulour du Léman (Mémoires et documents publiés par la Société d'Histoire de la Suisse R,:mande 9), Lausanne 2008, S. 489, 636f.,647,653, 655,681,694. 18 So etrÀ/a bei hgrid Heidrlclu, Beobachtungen zur Stellung der Bischöfe von Speyer im Konflikt zwischen Heinrich lV und den Reformpâpsten, in: Frùhmittelalterliche Studien 22 (1988), S.266 285, hier: S.270f. 19 Theodor Schieffer, Die päpstiichen Legaten in Frankreich vom Vertrag von Meersen (870) bis zum Schisma von 1130 (Historische Studien 263), Berlin 1935 [ND: Vaduz 1965], S.53-55, 60-65,79î.; Tilmarut Sclmùdt, Alexander II. (1061-1073) und die römische Reformgruppe seiner Zeit (Päpste und Papsttum I 1), Stuttgart 797i, S. 154. 20 Margrit Vy'erder, DasNachleben Karls des Grossen irn Wallis, in: BVr'G XVV3-4 (1976-1917), S. 301-492, hier: S. 324; Hans-Robert Antmann, Der Hof Leuk im Früh- und Hochmittelalte¡ 5i5 (?) - ca. 1150, in: BWG XVIII/2 (1983), S. 1i7-132, hier: S. 126-129; Laurent Ripart, Les fondements idéologiques du pouvoir des premiers comtes de Savoie, de la fin du X" au début du XIII' siècle, Diss. Nizza, Lille 2000, 5.426,435,4411' ders., Le temps des réformes (de l'an mil au début du XIII"siècle), in: Ders., Bernard Andennntten (Hg.), LAbbaye de Saint-Maurice dAgaune 515-2015, 2 Bde., hier: Bd. 1: Histoire et archéologie, Gollion 2015, S. 161, 181; Anloine Lugon, François-Olivier Dubnis, Basse Antiquité et féodalité, I\r - XIII" s., in: Histoire du Valais, Bd. 1: Assises lointaines, Epoque romaine, Basse Antiquité et féodalité (Annales valaisannes 2000/2001), Sion 2002, 5.129222,h1er: S. 181, 185. 21 Für eine Auswahl: Herbert E.J. Cowdrey, Lanfranc, the Papacy, and the See ofCanterbury. in: Giulio d'Onofrio (Hg.), Lanfranco di Pavia e I'Europa del secolo XI. Nel IX centenario della morte (1089-1989). Atti del Convegno lnternazionale di Studi (Pavia, Almo Collegio Borromeo, 21-24 settembre 1989) (Italia Sacra. Studi e documenti di storia ecclesiastica 51), Rom 1993, S. 439-500, hier: S. 447-460; George Garneft, Conquered England. 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Die politische Geschichte des Bistums Sitten im Hochmittelalter erschliesst sich fast ausschliesslich tiber verstreute Notizen, von denen die Nachrichten zum Wirken des im Zentrum der vorliegenden Abhandlung stehenden Bischofs Ermenfried die reichhaltigsten darstellen.22 Das Bistum Sitteh umfasst heute im Grossen und Ganzen dieselben Grenzen wie vor 1000 Jahren. Umringt von den Alpen und nach Westen dem Lauf der Rhone folgend, grenzt es im Süden an Italien, im Westen an das ostfranzösische Bistum Annecy, das die grössten Teile des alten Bistums Genf miteinschliesst,23 sowie an die Diözesen von Lausanne, Genf und Freiburg (vormals Bistum Lausanne). Die Bistumsgrenzen decken sich damit weitestgehend mit den Grenzen des heutigen Kantons Wallis, wobei die Gebiete der Abtei Saint-Maurice dAgaune und der Pfarrei Saint-Gingolph nicht zum Bistum Sitten gehören.2a Der seit dem 4. Jahr- 22 23 24 ofBishops, Abbots and other Clergy in England c.900-i200, Diss. Glasgow, Glasgow 2011, S. 37, 108, 147f.,219,225. Nach wie vor stellt die im 19. _Jahrhundert zusammengestellte Sammlung des Geistlichen Jean Gremaud eine wichtige Quelle für die Geschichte des Wallis da¡. Für das 11. Jahlhundert vgl. v.a. Gremaud I, 5.47-:75. Folgende wichtige Forschungsarbeiten zur Walliser Geschichte im Hochmiftelalter sind hervozuheben: Louis Carlen, Kultur des Wallis im Mittelalter, Brig 1981; Robert Walpen, Studien zur Geschichte des Wâllis im Mittelalter (9. bis i5. Jahrhundert), Diss. Zürich (Geist und Werk der Zeiten 68), Bern 1983; François-OlÌvíer Dubuis, AnÍoine Lugon, Les premiers siècles d'un diocèse alpin. Recherches, acquis et questions sur I'Evêché de Sion, in: Vallesia XLVII-L (1992-1,995), S. 1-61, 1-74, 1-197; HS I/5 (Anm. 14); Lugon/Dubuis, Bâsse Antiquité et féodalité (Anm.20). Brigitte Degler-Spengler, Das Bistum Annecy, in: Helvetia Sacra I/l: Schweizerische Kardinäle. Das apostolische Gesandtschaftswesen in der Schweiz. Erzbistümer und Bistümer I (im Folgenden zit. als HS I/1), Bern 1972, S. 89. Gilbert Coutaz, Lirnites diocésaines, in: HS I/5 (Anrn. 14),5.32{4- Zam Fall der Pfarrei SaintGingolph vgl. Patrick Braun, Limites diocésaines: Les cas particuliers de Gondo et SrGingolph, 178 hundert bestehende Bischofssitz lag bis zum 6. Jahrhundert in Octodurus (heute frz.Martigny oder dt. Martinach), bevor er um das Jahr 585 ins 20 Kilometer weiter östlich gelegene Sitten (frz. Sion und lat. Sedunum) verlegt wurde.2s Im 11. Jahrhundert erlebte Sitten wie das gesamte Wallis infolge der Verbesserung landwirtschaftlicher Techniken und der Intensivierung des Handels über die Alpenpässe ein Bevölkerungswachstum und damit einhergehend einen Aufschwung des urbanen Lebens.26 Kirchenpolitisch war das Bistum seit dem 8. Jahrhundert nominell ein Suffragan des Erzbistums Tarentaise, einer historischen Kirchenprovinz in Savoyen, die bis zum Jafu l'798 existierte.2? Zw Zeit Karls des Grossen war Tarentaise zn einem Erzbistum erhoben worden; im Verbund mit seinen Suffragandiözesen Sitten, Aosta und Maurienne28 hatte es im römischen Reich die Provinz Alpes Graiae et Poeninae gebildet.2e Die Beziehung des Bischofs von Sitten zu seinem Metropoliten tiegt fär das 11. Jahrhundert allerdings vollkommen im Dunkeln- Dies verwundert nicht, ist doch über die Geschichte des Erzbistums und der Region Tarentaise für besagte Epoche nur sehr wenig bekannt.30 Erst unter Erzbischof Peter I. erfolgte im 12. Jahrhundert der erste verbürgte Kontakt und eine stärkere Anbindung Sittens an das Erzbistum Tarentaise.3r Im 11. Jahrhundert stand der Bischofvon Sitten dem einflussreichen ErzbischofHugo I. von Besançon um einiges näher. Diese Nãhe war historisch gewachseû und zeigte sich in der auffallend häufrgen Zusammenarbeit des Erzbischofs mit den Sittener Bischöfen Aimon und Ermenfried. Es ist allerdings unkla¡, ob dieser Einfluss des Erzbischofs von Besançon mit der Funktion èines Metropoliten über das Bistum Sitten gleichgesetzt werden kann. in: HS I/5 (Anm. 26 27 28 29 30 31 14), S.38-44. Coutaz, Limites diocésaines (Anm. 24),5.32. Vielleicht erfolgte die Verlegung des Bischofssitzes aus strategischen Gründen, denn Sitten war dank seiner zwei steilen Hügel besser zu verteidigen. Ygl.hiernt François-Olivier Dubuis, Anloine Lugou Les premiers siècles d'un diocèse alpin: Recherches, acquis et questions sur l'Evêché du Valais. Première partie: Les débuts du christianisme en Valais ef les centres de so rayonnement, in: Vallesia XLVI (1992), S. l-61, hier: S.29. Ygl. Pierre Døåzls, Dans les Alpes au moyen âge. Douze coups d'oeìl sur le Valais (Mémoires et documents publiés par la Société d'Histoire de la Suisse Romande, sér. 4, Bd. 5), Lausanne 1997, S. 131f; HS I/l (Anm.23), S. 152-15ó. Ygl. Elsanne Gilomen-Schenkel LArchidiocèse de Tarentaise (du \f siècie à 1513), in: HS I/5 (Anm. 14), S.583. Ygl. rilalpen, Studien (Anm. 22),5.48. Ygl. Coutaz, Limites diocésaines (Anm. 24),5.33. Für die fragliche Zeit existiert nicht einmal eine vollständige Bischofsliste. Ygl. Gilomen-Schenfr¿l, LArchidiocèse (Anm. 27), S. 586f. Vg,l. Gilbert Coutæ, GeschichtelHistoire: IL Du VIII" siècle au XII" siècle, in: HS I/5 (Anm. l4), 25 Ygl. s. 58. t79 Johannes Luther 2.2 Das Bistum Sitten und das Königreich Burgund Politisch gehörte das Bistum Sitten zum hochmittelalterlichen Königreich Burgund. Als Bestandteil des burgundischen Kernlandes32 ging es nach dem Erlöschen der königlichen Dynastie der Rudolfinger im Jahr 1032 mir dem gesamten Königreich in die Herrschaft des salischen Reichs über.33 Seit dem frühen Mittelalter hatten sich im Grenzgebiet zwischen dem romanischen und germanischen Sprachraum unter dem Namen <Burgund> verschiedene Reiche gebildet. Das von den Welfen im Jahr 888 gegründete Königreich Burgund setzte sich aus dem alpinen Kernland Hochburgund im Osten - also dem Erzbistum Besançon und den Gebieten um den Genfersee sowie östlich des Jura - und ab dem 10. Jahrhundert Niederburgund mit den städtischen Zentren Lyon, Vienne und Grenoble sowie der Provence im Westen zusammen.3a Die dynastische Herrschaft der <Rudolûnger> genannten Könige war über einen langen Zeitraum stabil, was zum grössten Teil auf die langen Regierungszeiten der einzelnen Monarchen zurückzuführen ist. Allerdings verfügten diese Könige über keinen grossen politischen Einfluss, da ihnen Ressourcen und Ländereien fehlten.3s Mit der Zeit bündelte sich die Macht in den Hânden des burgundischen Adels, so dass das Burgunderkönigreich schon wâhrend der Regierungszeit des letzten selbstständigen Königs Rudolf III. zu einer <monarchie fantoche>36 geworden war. Der kinderlose Rudolf III. stützte sich in seiner Machtausübung in Anlehnung an das ottonische Reichskirchensystem vor allem aufden Klerus und die Bischöfe in den alpinen Kernlanden. Um die königtreuen Bischöfe der sogenannten Alpenbistümer, die noch seinem Zugriffunterstanden, für ihre Loyalität zu belohnen, übertrug er diesen die Grafschaft über ihre Diözesen.37 Neben den Erzbistümern 32 33 34 35 36 37 Vor allem zur Zett des letzten Rudolfingerkönigs RudolfIII. beschränkte sich der Einfluss des burgundischen Königs auf die alten Kernlande de¡ Monarchie im Waadtland und im Wallis. Wichtige Orte waren hier Saint-Maurice, Payerne (dt. (Peterlingen>), Orbe und Vevey. Vgl. Ripart,Les fondements (Anm.20), S. 70. Bisher haben sích auffallend wenige Arbeiten eingehend mit dem Wallis als Bestandteil des Königreichs Burgund beschâftigt. Ausnahmen bilden die Studien von Walpen, Studien (Anm- 22), 5.42-57; Ripart, Les fondements (Anm. 20), S. 416-481; und Demotz, LaBottrgogne (Anm' 17)' Während Demotz einen Überblick über alle burgundischen Diözesen bis zum Tod Kaiser Hei¡richs III. gibt, bezieht sich Ripart vor allem auf die Rolle der Abtei Saint-Maurice. Mit Walpen findet sich eine der einzigen Arbeiten, die sich dezidierter mit der Position des Bistums Sitten innerhalb des Königreichs Burgund auseinandersetzt. Fùr einen umfassenden Überblick zur Geschichte des Königreichs Burgund vom 9. bis zum 11. Jh. vgl. die Monographie von Demotz, La Bourgogne (Anm. l7). Ygl. Hermann Kamp, Burgund. Geschichte und Kultur (Beck'sche Reihe C 2414), München 22012, s. 36. Ripart, Les fondements (Anm.20), S. i12. Ygl. Karl Uól, Der kinderlose König. Ein Testfall für die Ausdifferenzierung des Politischen im 11. Jahrhundert, in: Historische Zeitsch¡ift 292 (2011), S. 323163,hier: S. 333-335. 180 Tarentaise (996) und Vienne (1023) sowie dem Bistum Lausanne (1011), wurde auch das Bistum Sitten mit einer solchen Schenkung bedacht.3s Diese Verleihung stellt für viele Historiker eines der wichtigsten Ereignisse, für Carlen gar einen <Markstein in der Walliser Geschichte>>3e dar. Im Iahr 999 verlieh Rudolf IiI. Bischof Hugo von Sitten den <comitatus Vallensis>, die GraÊ schaft im Wallis. Damit verfügte die bischöfliche Kirche von Sitten in der Folge nicht nur über die pastorale sondern auch die herrschaftliche Gewalt im Rhonetal.ao Obwohl die Bischöfe von Sitten erst ab dem 14. und i5. Jahrhundert begannen, sich auf die Verleihung des Grafentitels zu berufen, standen ihnen die damit verbundenen weltlichen Rechte schon im 11. Jahrhundertzu.at Zudemwtrde der Bischofvon Sitten durch die Schenkung zum Lehensträger des Königs von Burgund und nach dem konfliktreichen Ûbergang des Königreichs in den Herrschaftsbereich des Saliers Konrad II. im Jahr 1034 reichsunmittelbarer Vasall der salischen Könige und Kaiser.a2 Wie sich die Herrschaft des Bischofs von Sitten im 11. Jahrhundert konkret gestaltete, lässt sich in den schriftlichen Quellen nicht fassen. Nach Truffer verfügte er zumindest theoretisch úber eine Vielzahl von Regalien, wie die Gerichtsbarkeit inletzter Instanz, die Herrschaftsgewalt über die Strassen oder das Recht, eine Kanzlei zu unterhalten und Münzen zt prägen.a3 Der bischöfliche Grundbesitz 38 Ygl. Theodor Schieffer, Die Urkunden der burgundischen Rudolfinger (Monumenta Germaniae Historica [im Folgenden zit. als MGH]), Regum Burgundiae e stirpe Rudolfina Diplomatâ et Acta), München 1977, Nr. 86. Die Schenkungsurkunde von 999 ist nu¡ durch ein Offizialatstranssumpt von 1477 erhalten. llalpen, Studien (Anm.22), S. 59-68, konnte durch Vergleiche mit anderen Schenkungsurkunden Rudolfs IiI. nachweisen, dass die im Laufe der Jahrhunderte verunechtete Fassung von 1477 hõchstwahrscheinlich aufeiner echten Urkunde beruht. 39 Carlen, Bischöfe (Anm. 5), S. 191. 40 Ygl. Gilbert Coulaz, La donation des droits coÍItaux à l'évêque de Sion. Un texte dévalué de I'histoire du Valais, in: Vallesia LIV (1999), S. 31-67, hier: S. 37. 4l YgLBernardTruffer,DasWalliszurZeitBischofEduardsvonSavoyen-Achaia(1375-1386),in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 65 (1971), S. 1-1 13, 197-301, hier: S. 29. 42 Ygl. ebd: Nach dem Tod Rudolfs III. machte Kaiser Konrad iI. alte Nachfolgerechte geltend und setzte sich nach mehrjährigen Ringen gegen seinen burgundischen Kontrahenten Graf Odo II. von Blois-Champagne durch. Die saliscten Könige nahmen fortan auch den Titel eines <<rex Burgondionum> an- Vor ailem König Heinrich III. versuchte in Burgund seine Herrschaft zu konsolidieren. Vgl. Laetit¡a Boehm, Geschichte Burgunds. Politik-Staatsbildungen-Kultur, Stuttgart/Berlin/Köln/Main221,979, S. 125f; Verena Tùrck,Beherrschter Raum und anerkannte Herrschaft. Friedrich I. Barbaroòsa und das Königreich Burgund (Mittelalter-Forschungen 42), Stuttgart 2013, S. 62f. Das Wallis (Anm. 4t), S. 30-34. Die weltliche Gerichtsbarkeit für die Kirche von Sitten lag nach Treyer Lehne¡ bereits zu dieser Zeit in den Händen eines Landvogts (<advocatus>).Yg-. Alma Treyer Lehner, Studie zu den mittelalterlichen Synodalstatuten aus der Diözese Sitten (ca. 1219-1460), in:Yallesia tV (2000), S. 1-197, hier: S. 32. Es ist wenig darùber bekannt, wie sehr der Bischofbereits im 11. Jh. durch den Vogt in seiner Macht beschränkt wurde und wer dieses Amt in dieser Epoche innehatte. In zwei Urkunde¡ aus der Amtszeit Bischof Aimons sind zumindest die Namen der Vögte Oudalricus und Upoldus überliefert. VgI. Recueil des 43 Ygl. Truf;er, 181 Johannes Luther und die vielen Pfarreigründungen im östlichen Rhonetal bis zum Jahr 1200 lassen vermuten, dass der grösste Machtbereich des Bischofs im heutigen Oberwallis lag. Somit fielen die in den Gebieten um Siders, Leuk und Visp lebenden Alemannen unter bischöfliche Kontrolle. Diese waren im 8. und 9. Jahrhundert eingewandert und kultivierten nun das karge und häufig von Überschwemmungen der Rhone heimgesuchte Land.aa Es ist also anzunehmen, daSs der Bischof von Sitten in die_ ser sich nun formenden Region im ll.l12. Jahrhundert über Pfarreigründungen und die Einsetzung eines Dekanats eine Machtbasis schuf, die in späteren Jahrhunderten tatsächlich das <Rückgrat des bischöflichen Territoriums>a5 bildete. 2.3 FiÌrsten und Kleriker: Akteure ím Rhonetal Wie bereits angedeutet, herrschte der Bischof von Sitten auch nach der Verleihung der Grafschaft nicht unumschränkt über das gesamte Rhonetal. Vor allem im Unterwallis stand er lokalen Mächten gegenäber, die zeitweilig versuchten, in den Machtbereich des Bistums einzugreifen. Als politische Hauptakteure in der Region sind vor allem die Abtei Saint-Maurice d'Agaune und das Grafenhaus der Humbertiner zu bezeichnen. Die Abtei Saint-Maurice dägaune <<est l'un des monastères les plus anciens de la chrétienté occidentale>.46 Die um 515 gestiftete geistliche Einrichtung avancierte im 10. Jahrhundert zum königlichen Hauskloster der Rudolfinger.aT Die rudolfingischen Monarchen übten das Laienabbatiat aus und benutzten das Kloster als Basis ihrer königlichen Machtausübung.a8 Rudolf III. leitete schliesslich im Kontext der burgundischen Kirchenreform die <cléricalisation de I'abbatíat>>ae ein, indem er im Jahr 1001 die Abtwürde an seinen Halbbruder Erzbischof Burchard II. von Lyon übertrug. 1018 führte er zudem viele eigentlich säkularisierte Gebiere 44 45 46 47 48 49 actes Humbertines (Royaume de Bourgogne, fin (Anm. 20), Doc.25;27. X"-ûn XI" siècle), in: Ripart, Les fondements Die Oberwalliser Seitentäler wurden erst im 12. Jh. von der kirchlichen Organisation durchdrungen. Vgl. lllalpen, St:udien (ArLm. 22), S. 152f . Truffer,DasWallis (Anm. 41), S. 35. Germain Hausmann, La constìtution du patrimoine de Saint-Maurice. 515-1128, ir: Vallesia LIV (1999), 5.205¿39, hier: S.205. Ygl. Rípart, Les fondements (Anm. 20), S. 445. Ygl. Maurice Zufferey, Die Abtei Saint-Maurice dägaune im Hochmittelalter (830-1258), Diss. Zürich (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 88), Görtingen 1988, S. 6880. Laurent Riparl, Saint-Maurice d'Agaune et la réforme canoniale (ûn X" - milieu du XII" siècle), in: Autour de Saint Maurice. Actes du colloque, Politique, société et construction identitâire: Autour de Saint Maurice, 29 septembre - 2 octobre 2009, Besançon (France) - Saint-Maurice (Suisse), hg. von der Fondation des Archives Historiques de lAbbaye de Saint-Maurice, SaintMawice 2012, 5. 219134, hier: S. 220. 182 der Abtei zurück in die Hände der Kanoniker von Saint-Maurice.so Nach dem Enrudolfingischen Monarchie verfügte das Kloster über eine grosse Zahlvon Besitzungen; dies vor allem im çagus caput lacensis> (dt. <Haupt des Sees>, ab dem 13. Jh. <Chablais>) genannten Gebiet des Unterwallis. de der Der <pagus caput lacensis)) erstreckte sich im Hochmittelalter von den Ufern Kreuz von Ottans bei der heutigen Gemeinde Yernayaz.sl unterstand nicht der Grafengewalt des Bischofs von Sitten, sondern Gebiet Dieses wurde von der Abtei Saint-Maurice verwaltet. Es verband den burgundischen Westen mit dem Bistum und stellte somit auch einen wichtigen Durchgang zum Grossen Sankt Bernhard dar.52 Wohl aus diesem Grund rückte die Abtei SaintMaurice im 11. Jahrhundert in die Interessenssphâre der Humbertiner. Die Macht der Humbertinergrafen, des späteren Hauses der Grafen von Savoyen,53 bildete sich gemäss Robert Walpen <<beinahe ist man versucht zu sagen im <Schutze> des Burgunderreiches, heran[...] [...].>54 Die Humbertiner, deren namentliche Bezeichnung auf den Spitzenahn Graf Humbert I. <Weisshand>ss zurückzuführen ist, nehmen in der Geschichte des Wallis im 11. Jahrhundert eine herausragende Stellung ein.56 Humbert I. hatte in den letzten Jahrzehnten des Rudolfingerreiches einen beispiellosen Aufstieg vollzogen: Stand er vor 1010 noch im Schatten seiner vermutlich älteren Brüder Odo und Burchard,sT war er 1034 Graf von Maurienne, Aosta und Belley, Vogt des Erzbischofs von Vienne und kontrollierte über seine Nachkommen und Neffen die Diözesen Tarentaise, Aosta, Belley, Lyon und Sitten sowie das Kloster Saint-Maurice.s8 des Genfersees bis zum 50 Ebd., s.221. 51 Ygl. Zufferey, Die Abtei (Anm. 48), S. 122; Ripart, Les fondements (Anm.20),5.440-442. Ygl. Zufferey, Die Abtei (Anm. 48), S. 122f. Dem Ùbergang über den Mont Joux (lat. Mons lovis, dt. <Jupiterberg>), der heute als Pass über den G¡ossen Sankt Bernhard bekannt ist, füllt nach Louis Carlen, Die Walliser Alpenpässe im Mittelalter, in: BWG XXIX (1997), S. 91-105, hier: S. 104, <unter den Walliser Pássen des Mittelalters die führende Rolle zu [...].> Schon in der Römerzeit bot der Pass in den westlichen Alpen einen der wichtigsten Übergänge nach ltalien. Im Mittelalter zâhlte eine Vielzahl von Königen, Fürsten und Päpsten zu den Passgängern. Zum Grossen Sankt Bernhard vgl. v.a. Gregor Zenhäuserz, Le Grand-Saint-Bernard, in: HS IV/1, Basel 1997, S. 25-131, bes. 5.27-42; d¿rs., <Domus Montis lovis). Zu Anfängen und Entwicklung eines Passhospitals (XI.-XIII. Jh.), in: Vallesia LIV (1999), S. 161-203. 53 In diesem Kontext soll von den <Humbertinern> und nicht vom Haus Mau¡ienne oder Haus Savoyen die Rede sein, da letztere Bezeichnungen nach Ripart, Les fondements (Anm. 20), S. 380, e¡st im 12. Jh. geläuûg wurden. 54 Tlalpen, Studien (Anm. 22), 5. 56. 55 Dieses häufig in der Literatur aufgeführte (cognomenr isf nicht zeitgenössisch sondern eine Erfindung des 14. Jhs.Ygl. Riparl, Les fondements (Anm. 20), S. 13. 56 Als Überblick über die Verwandfschaftsverhãltnisse der Humbertiner finden sich im Anhang zwei Stammtafeln. 57 YgL Ripart, Les fondements (Anm. 20), 5.49-52. 58 Vgl. ebd., S.59. 52 183 Johannes Luther Für die Söhne Humberts stellte diese Machtballung nach dem Ende des Ru- dolfingen'eiches eine gtinstige Ausgangsposition dar. Grafentitel und Besitz gingen nach dem Tod des ältesten Sohnes, Amadeus I., an dessen jüngsten Bruder Odo über. Dieser ehelichte in den 1040er Jahren die piemontesische N{arþrät¡ Adelheid von Turin und brachte damit nicht nur den Titel eines Markgrafen, sondern mit dem Z,¡gang zum Mont Cenis auch einen der wichtigsten westlichen Alpenpässe in den Familienbesitz ern.se Zwei weiteren Söhnen des Humbert gelang es indes, herrschaftlich weiter ins Wailis auszugreifen. So erlangte der Humbertiner Aimon im Jahr 1034 die Bischofswürde von Sitten und damit den nördlichen Zugangzum zweiten wichtigen Alpenpass im Westen - dem Grossen Sankt Bernhard. Den südlichen Zugang hatten die Humbertiner durch die zwischen 1024 und i026 erlangte Grafschaft von Aosta inne.60 Aimons Bruder Burchard schaffte es in den 1030er Jahren, das Abbatiat von Saint-Maurice zu erlangen.6r Damit legte er den Grundstein für die Herrschaft des späteren Hauses Savoyen im Unterwallis. Das Abbatiat des Humbertiners Burchard über Saint-Maurice war von einer grossen Unstetigkeit gekennzeichnet. Die <unkanonische Usurpation>'62 des Metropolitenstuhls von Lyon, in deren Folge Burchard für einige Jahre von Kaiser Konrad II. gefangengesetzt wurde, zwang den Abt zu einer vorübergehenden Abdankung. Fortan nahm sein Bruder, Bischof Aimon von Sitten, bis zu seinem Tod die Abtwürde wahr. In welcher Form die Humbertiner nach dem Abieben Aimons ihre Macht im Unterwallis weiter ausüben konnten, lässt sich anhand der spärlichen Queilen nur bedingt nachvollziehen und ist in der Forschung ebenso umstritten wie dìe Annahme eines zweiten Abbatiats des Humbertiners Burchard.63 lln der Periode von 1068 bis 1116 ist keiir Abt mehr für Saint-Maurice nachzuweisen. Erst in der ersten Hâifte des 12. Jahrhunderts wild das Haus der Humbertiner in den Saint-Mauricer Quellen wieder fassbar. Da Graf Amadeus IIi. von Maurienne in der Abtei über umfassende Befugnisse verfügte und sogar den Titei eines Laienabtes von Saint-Maurice innehatte, ist anzunehmen, dass sich die Humbertiner nie vollståindig aus dem Chablais zurückgezogen hatten.6a T I I Grafenhaus der Humbertiner weitere Akteure, die Einfluss auf das Rhonetal nehmen konnten. Wie sich deren Einflussnahrne jedoch l<onkret gestaltete, lässt sich nur vermuten. An erster Stelle ist etwa der Lehnsherr des Bischofs von Sitten zu nennen. Nach dem Ende der Rudolfingerherrschaft waren dies zunächst die salischen Herrscher Konrad II., Heinrich III. und Heinrich IV.; zeitweise auch Herzog Rudolf von Rheinfelden . Letzterff übte nach dem Tod Kaiser Heinrichs III. im Jahr 1057 nicht nur die Herrschaftsrechte in Burgund aus,6s sondern besass in dieser Region wohl auch grosse Besitzungen und konnte so die Zugangswege zûm Wallis kontrollieren.66 Auch die Grafen von Lenzburg waren im Rhonetal begùtert, zogen sich jedoch um 1050 zugunsten der mit ihnen verschwägerten Humbertiner aus dem wallis zurück.67 Hinzu kommt das 1043 erstmais erwähnte Domkapitei von Sitten, das einigen Urkunden zufolge bereits im 11. Jahrhundert riber einen beträchtlichen Grundbesitz verfügt haben muss.68 Nicht zu untelschätzen ist sicherlich die Macht der bereits erwähnten Erzbischöfe von Besançon und ihrer Suffragane, der Bischöfe von Lausanne, Basel und Be1ley.6e Gãnzlich im Dunkeln liegt der Einfluss lokaler Adeisfamilien. Diese traten im Wailis erst seit dem 12. Jahrhundert in Erscheinung.T0 Abtei iiefgreifend um. Dies wãre nicht rnöglich gewesen, wenn dìe Humbertiner dem Kloster fùr ein halbes Jah¡hundert ferngestanden wären. 65 Esistnichtbekânnt,wieRudolfdieseHer¡schaftsrechtewahrnahm.Womöglichhandelteessich 66 59 Vgl. ebd.: 60 61 62 63 64 Diese Hochzeit ermöglichte spâter die Verbindung mit dem Hochadel. Die Töchter Odos und Adelheids, Bertha und Adellieid, ehelichten König Heinrich IV. und Cen späteren Gegenkönig, Herzog Rudolf von Rheinfelden. YgL Huber, Der sogenannte (Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4), S. 7. Zum Abbatiat des Humbertiners Burchard vgl. Zufferey, Die Abtei (Anrn.48).5.139-144; Huber, Der sogenannte <Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4), 5.8, l01' Ripart, Les fondements (Anm. 20), S.446f. Huber, Der sogenannte (<Grosse Reliquienschrein> (Anm.4), S. 8. So ist für das Jahr 1068 zwa¡ ein Abt Burchard von Saint-Maurice belegt, es herrscht jedoch keine Klarheit, ob dieser Abt mit dem Humbertiner Burcha¡d identisch oder zumindest verwandt ist. Für die Diskussion darüber vgl. Zufferey, Die Abtei (Anrn. 48), S. 1441' Ripart, Les fondements (Anrn. 20), 5.446-448. YgL Ripart, Saint-Maurice (Anm. 49), S.219. Amadeus gestaltete das kanonische Leben der 184 67 68 69 70 dabei um eine Vorform des Rektorâts, wie es auch die Zähringer ab dem 12. Jh. ausùbten. Vgl. Heinemann, Untersuchungen (Anm. 17), Tl. 1, S. 71-73; Tl. 2,5.152-154 Vgl. ebd., Tl. 1, S.82*101. Die Möglichkeit zur Kontrolle und Blockierung des Zugangs zun Wallis und des Übergangs des Grossen Sankt Bernhard nahm Herzog Rudolfmöglicherweise 1076177 in Anspruch, um König Hejnrich ìV. an de¡ Úberquerung der Alpen zu hindern. Vgl. Ripart, Les fondements (Anm. 20), S. 455. So fand der Walliser Grundbesitz des Grafen Udalrich von Lenzburg seinen Weg in die H?inde Bischof Aimons von Sitten, seinem Neffén in mütterlicher Linie. Vgl. Heinrich Bùttner, Yom Bodensee und Genfer see zum Gotthardpaß. Grundzüge des politischen Geschehens im Zentralalpengebiet vom 6. bis 12. Jahrhundert, in: Die Alpen in der europáischen Geschichte des Mittelalters (Reichenau-Vortràge 1961 1962), hg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte (Vorträge und Forschungen 10), Sigrnaringen 1965, S. 77-110, hier: S. 94. Ygl. Gregor Zenhäusern, Das Domkâpitel, in: HS I/5 (Anm. 14), S.366-402,'bes. S-375179; Paul Marlone, Die Domherren von Sitten 1043-20l3,8ri92013, S. 10-16. So waren v. a. die Beziehungen zwischen der- Dicjzesen Sitten und Lausanne intensiv. Ygl. Coutaz, Geschichte (Anm.31), S. 61f. Ygl. Carlen, Kultur (Anm. 2Z), S. 46. 185 Johannes Luther 3 Ermenfríed von Sitten: Quellen und Lebenslauf 3.1 Herkunft Die erste Erwähnung Ermenfrieds von Sitten findet sich in einem von Erzbischof Hugo von Besançon am 6. November 1041 ausgestellten Exemtionsprivileg ftir die elsässische Abtei Murbach. Dort heisst es in der Rekognitionszeile: <Ich, der Diakon Raherius, habe es [das Privileg] in Vertretung des Kanzlers Ermenfried geprüft.)y'l Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist der genannte Kanzler mit dem späteren Bischof Ermenfried von Sitten zu identifizierenJ2 Über Ermenfrieds Lebensweg vor dieser Unterzeichnung im November 1041 lassen sich nur Mutmassungen anstellen. Geburtsjahr, Herkunft und Abstammung sind unbekannt. Huber stellt Schätzungen an, dass Ermenfried <im ersten oder zweiten Jahrzehnt des 11. Jh. geboren worden sein [dürfte]>J3 Zur Abstammung finden sich in der älteren Forschungsliteratur einige Spekulationen, diejedoch auÊ grund fehlenden Quellengrundlagen zu verwerfen sind. So nahm etwa Furrer an, dass Ermenfried seines guten Einvernehmens mit dem normannischen Adel und der Geistlichkeit wegen, selbst aus der Normandie stamme.Ta Liebeskind verwarf diese These und vermutete für Ermenfried einen französischen Ursprung.i5 An anderen Stellen ìÃ'ird Ermenfried neben der Kirche Besançon mit anderen kirchlichen Einrichtungen in Verbindung gebracht, in denen er vor seinem Episkopat Dienst getan haben soll. So mutmasste Furreç dass Ermenfried das Amt des Propsts von Auxerre bekleidet haben soll.76 Interessanter sind indes die Anmerkungen von Joller und Eggs, dass Ermenfried während des Episkopats seines Vorgängers Aimon Stiftsherr von Saint-Maurice dAgaune gewesen sei.77 Ermenfried wird in einer Urkunde von 1068 tatsächlich als Kanoniker von Saint-Maurice bezeichnet;78 eine Durchsicht der wenigen verfägbaren Urkunden zum Abbatiat 7l Aimons von Sitten führt jedoch zu dem Ergebnis, dass eine Funktion als Kanoniker fär Ermenfried in diesem Zeitraum nicht nachzuweisen ist.?e De Vregille stellt schliesslich die These auf, dass Ermenfried möglicherwei' se wie sein Vorgänger Aimon aus dem Haus der Humbertiner stammen könnte. Er geht sogar so weit, zu behaupten, dass es sich bei Ermenfried womöglich um den Neffen des Bischofs Aimon und somit den Enkel des Grafen Humbert I. handle.8o Er ging also davon aus, dass sich die Humbertiner nach Aimons Tod 1054 im Bistum Sitten halten und ihrer Tradition des Nepotismus nachverfolgend mit Ermenfried ein weiteres Mitglied ihrer Familie auf den Bischofsstuhl von Sitien heben konnten. Für die Beurteilung der Rolle Ermenfrieds würde diese Vermutung beachtliche Folgen nach sich ziehen: Zum einen wäre Ermenfried damit ein Mitglied einer der mächtigsten Adelsfamilien des 11. Jahrhunderts, die wiederum mit dem salischen Herrscherhaus verschw¿igert wat. Zttm anderen wäre damit der Nachweis erbracht, dass die Humbertiner mindestens bis zum Ende von Ermenfrieds Episkopat um 1090 im Wallis aktiv waren. Nun war sich allerdings bereits de Vregille bewusst, dass seine These durch keine schriftlichen Quellen untermauert werden kann.8r Er selbst stützte sich auf die Annahme, dass der Name Ermenfried und der bei den HumbertiÊern häufig vorkommende Name Aimon auf die gemeinsame Wurzel <Em+> zurückzuführen ist. Diese Namensähnlichkeit, so de Vregille, wäre neben der Tatsache, dass die Humbertiner häufig versuchten, nach dem Tod ihrer Bischöfe Verwandte als Nachfolger zu installieren, ein Indiz fiir die Verwandtschaft von Bischof Aimon und Bischof Ermenfried.s2 Nach Morlet ist es tatsächlich möglich, die Wurzel <Em+> sowohl auf <Ermino> als auch auf <Immo>> auszuweiten.83 Auch wurde die Frage, ob <Aimon> ein Hypokoristikum, also eine Verkleinerung, des Namens 43), Doc. 36,37. In der erstgenâ¡nten Quelle findet sich unter den Unterzeichnern der nur sehr entfernt ähnlich klingende Name eines gewissen 79 Vgl. Recueil des actes Hubertines (Anm. DeVregille,Hugues(Anm.13),Bd.3,Doc.XVII,S.53+,2.76:<EgoRaheriusleuitarecognoui ad uicem Ermenfredi cancellarii.> Übersetzung des Verfassers. bereits Joller, Hermenfrid (Anm. 9) S. 365, und -E'ggs, Bischof (Anm. 1), S. 40, kurz anmerkten, dass Ermenfried in einer Urkunde von 1044 ais Kanzler der Kirche von Besançon nachgewiesen werden kann, war es erst De I/regille, Httgtes (Anm. 13), Bd. 2, S. 912, der sich genauer mit der bisontinischen Vergangenheit des Sittener Bischofs auseinandersetzte. Huber, Der sogenannte <Grosse Reliquienschrein>> (Anm. 4), S. 13. Furrer, Geschichte (Anm. 8), S. 67: <<Dieser Umgang mit den Normannen macht es sehr wahrscheinlich, daß e¡ selbst aus der Normandie stammte, und vielleicht gar von der angeführten 72 Obwohl 73 74 75 Heldenfamilie.> Ygl. LiebeskÌnd, Un prélat (Anm. 1l), S. 132f. Geschichte (Anm. 8), S. 65. Ygl. Joller, Hermenfrid (Anm. 9), S. 365; Eggs, Bischof Ermenfried (Anm. 1), S. 40. Jedoch stützen sich weder Joller noch Eggs aufeine bekannte Quelle. Ygl. Luigi Cibrario, Domenico Casimiro Promis, Documenti Sigilli e monete âppartenenti alla storia della monarichia di Savoia, Turin 1833, S.34; Recueil des actes Hubertines (Anm' 43), 76 Furrer, 77 78 Doc.38. 186 80 81 82 Ramfredus. Ob die von Joller vorgebrachte und von Eggs übernommene Vermutung von dieser nicht sehr naheliegenden Namensähnlichkeit herrührt, ist möglich, jedoch unwahrscheinlich. Ripart merkt in seiner Edition der Urkund: von 1068 an, dass diese bei der Datierung in der Vergangenheit (quelques difficultés paléographiques> ergeben hätte. Möglicherweise beruht die Behauptung von Joller und Eggs, Ermenfried wäre schon vor seinem Episkopat Stiftsherr von ' Saint-Maurice gewesen, also schlicht aufeinem Datierungsfehler. Vgl. De Vregille, Hrgtes (Anm. 13), Bd. 2,5.9121. Ebd., S. 913: <Aucun texte, à vrai dire, ne vient appuyer cette hypothèse.) Vgl. ebd.; Aimon war tatsâchlich ein Name, der in Adelsfamilien häufig an Kinder vergeben wurde, die für kirchliche Laufbahnen bestimmt waren. Beispiele aus der Familie der Humbertiner sind neben Bischof Aimon von Sitten, Bischof Aimon von Belley (um 1031/32) und ein weitgehend unbekannter Aimon, der 1023 in einer Urkunde als Stifter auftritt. YgL Ripart, Les fondements (Anm. 20), S. 236140. 83 Marie-ThérèseMorlet,Lesnomsdepersonnesurleterritojredel'ancienneGauleduVI"auXII" siècle, Bd. 1: Les noms issus du germanique continental et les créations gallo-germaniques, Paris 1968, S. 84. 181 Johannes Luther Ermenfried darstellt, in der Forschung schon diskutiert und mit dem Beispiel des Bischofs Aimon von Valence, der auch als Irminfrid von Valence bezeichnet wurde, in den Bereich des Möglichen gerückt.8a Die neuere Forschung ist über de Vregilles These vom humbertinischen Ursprung Ermenfrieds geteilter Meinung. Coutaz schliesst diese Zuschreibung nicht aus;85 Demotz betrachtet sie <<sans doute> als Fakt;86 und Huber lehnt die Ztschreibung aufgrund fehlender Quellen ab.87 Bis vor kurzem war auch Ripart der Meinung, dass Ermenfried in keiner Beziehung zu den humbertinischen Grafen stand. Gerade aus diesem Grund hätten ihn König Heinrich III. und Papst Leo IX. als Bischof von Sitten eingesetzt, um dem Nepotismus der Humbertiner ein Ende zu setzen.88 Neuerdings betrachtet jedoch auch Ripart eine Verwandtschaft Ermenfrieds zu seinem Vorgåinger Aimon zumindest als vorstellbar.8e Wift man nun einen Blick auf die Genealogie der Humbertiner, fällt es jedoch nicht leicht, Ermenfried in dieser Familie zu verorten.eo Auch wenn sich in bestimmten Fällen eine Namensgleichheit von Ermenfried und Aimon feststellen lässt, muss das im Fall der Humbertiner nicht zwingend bedeuten, dass Aimon von Sitten und Ermenfried verwandt waren.er So ist die Namensgebung durch Variation im Erstglied des Personennamens zwar eine Gewohnheit, die sich für viele Sippen im frühen und hohen Mittelalter konstatieren lässt. Trotzdem sollte man bei der Namensgebung mit Gerd Althoff gesprochen <Gewohnheiten nicht mit Gesetzmäßigkeiten verwechseln>.e2 Zudem stellt sich die Frage, welchem Familienzweig Ermenfried zuzuordnen wäre. Wenn wir sein Geburtsjahr frühéstens zu Beginn des 11. Jahrhunderts und spätestens um das Jahr 1020 aîsetzeî, gehörte Ermenfried zur Generation der Söhne Humberts I. De Vregilles Annahme, dass er ein Neffe Bischofs Aimons war, lässt sich jedoch mit keinem der bekannten Söhne Humberts vereinbaren.e3 Möglich ist die ldentifizierung Ermenliieds als Sohn von Humberts Bruder Burchard.ea Grundsâtzlich sind jedoch alle Versuche, Ermenfried dem Haus der llumbertiner zuzuordnen, als reine, nicht mit historischen Dokumenten zu belegende Spekulationen zu bezeichnen. Bei allen Mutmassungen zur Herkunft Ermenfrieds kam in der Forschung noch niemand aufden naheliegenden Gedanken, Ermenfried dort zu verorten, wo er zom ersten Mal genannt wird: im Ur¡feld Erzbischof Hugos I. von Besançon. De Vregille merkte zwar an, dass Ermenfried seine klerikale Laufbahn nicht in Besançon startete, da er bereits bei seiner ersten Nennung als Kanzler fungierte.es Dieser Behauptung kannjedoch dadurch widerlegt werden, dass es im Erzbistum Besançon auch Kleriker gab, die in höhe¡e Ämter gelangten, ohne zuvor an einem anderen Ort eine nennenswerte klerikale Laufbahn durchschritten zu haben: so etwa die Neffen Erzbischof Hugos von Besançon. Nach de Vregille sind drei seinerNeffen namentlich bekannt, nämlich Gérard,e6 HugoeT und Guichard.e8 In den Urkunden wird nur an einer Stelle explizit erwähnt, dass es sich beim erstgenannten Gérardum einenNeffen Hugos handelt.ee Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, förderte Hugo von Besançon seinen Kanzler Ermenfried nachhaltig. Er ist zudem immer wieder im Umfetd des Bischofs von Sitten nachzuweisen. Es wäre möglich, dieses dauerhafte und gute Verhältnis aufverwandtschaftliche Bande zurückzuführen ist. Auch wenn es an keiner Stelle ausdrücklich festgehalten wird: Vielleicht handelte es sich auch bei Ermenfried um einen Neffen von Erzbischof Hugo. Zumindest lässt sich in dessen Familie, dem Haus der Sires von Salins, der ähnlich klingende Frauenname Ermenbourg bei Hugos Schwester und Mutter nachweisen.roo Diese verwandtschaftliche 84 Ygl. Maurice 95 85 86 87 88 89 90 91 92 93 188 Chaume, Recherches d'histoire chrétienne et médiévale. Mélanges publiés à la mémoire de l'historien avec une biographie, Dljon 1947,5.247. Ygl. Coutaz, Ermenfroi'(Anm. 14), S. 149. Demotz, La Bourgogne (Anm. 17), S. 636. Ygl. Hubea Der sogenannte <<Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4), S. 18. YgI. Ripart, Les fondements (Anm. 20), S. 448. Ygl. ders., Le temps (Anm. 20), S. 161. Vgl. die Stammtafeln im Anhang. Dasselbe gilt für die ¡ihnlichkeit der Namen Ermenfried und Ermengard, der'/ermuteten Schwester Graf Humberts I. und Gatrin König Rudolfs IiI. Gerd Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellei.rwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter, Darmstadt 1990, S. 25. Humberts Erstgeborener, Amadeus L, starb 1051, ohne einen Erben zu hinterlassen, so dass sein Besitz an seinen jüngsten Bruder Odo I. überging. Bu¡chard war Geistlicher und h?itte nach seinen usurpatorischen Eskapaden in Lyon wohl keinen illegitimen Sohn auf einen Bischofsstuhl bringen können. Odo I: heiratete erst in den i040er Jahren, als Ermenfried erwachsen war. 94 Humberts ãltester Brude¡ war mit einer 96 97 98 Frau mit Namen Ermengard verheiratet und hatte e! nen fü¡ das Jahr 1023 urkundlich belegten Sohn mit Namen Aimon. Ob es sich hierbei um den B¡uder von Ermenfried oder um ihn selbst handelt, lässt sich nicht bestâtigen. Die Generationenfc'lge ins Blickfeld nehmend erscheint dies unwahrscheinlich. Zu Burchards Sohn Aimon vgl. Rip art, Les fondements (Anm. 20), S. 5 1 f., 236-23 8. De Vregille, Hugues (Anm. I3),Bd.2, S. 913: <Il faut rappeler qu'Ermenfroi, dès sa première mention à Besançon, est déjà chancelier; il est donc à croire qu'il a reçu ailleurs sa formation cléricale et qu'il n'est venu là que pour s'y préparer, à meilleure école, aux hautes charges qui I'attendâient.)) Gérard war einer der e¡sfen Kanoniker der Kirche von Saint-Étienne und ist in den Jahren i0401046 :n Urkunden nachzuweisen; 1046 bekleidete er das Amt des Archidiakons. Vgl. ebd., S. 94, 233. De Vregille führt drei Urkunden auf, in denen er erwähnt wird. Vgl. ebd., Bd. 3, Doc. XVI; XVIIIXXIV. Über diesen Hugo weiss de Vregille nur zu berichten, dass erjung verstorben ist. Vgl. ebd., Bd. 2, s. 628. Guichard (t 1087) war der Sohn von Hugos Schwester Ermenbourg und deren Mann Anseau von Navilly. Er überlebte seinen Onkel und war unter ErzbischofHugo IIL Kanoniker und Archidiakon von Saint-Étienne de Besançon. Vgl. ebd., S. 629f. 99 Ebd.,8d.3. Doc. XVi, Z. 52f.: <S. Girardi nepotis archiepiscopi.D 100 Vgl. die Genealogie der Sires von Salins im Anhang. Demnach könnte Err¡ienfried ein Sohn eines der drei GeschwisterHugos gewesen sein. Wieder istzu beachten, dass aus derNarnensgleichheit 189 Luther Zuschreibung erscheint mit Blick auf die Biographie Ermenfrieds eher plausibel rweisen. Aller Vy'ahrscheinlichkeials ihn wie de Vregille den Humbertir,erî ^ ten zum Trotz kann diese These aber letztlich nicht belegt werden. Die Quellen liefern lediglich die Gewissheit, dass Ermenfried vor seiner Erhebung zrìm Bischof Kanzler und Archidiakon in Besançon war, und dass ihn dieser Ort nachhaltig geprägt haben muss. 3. 2. I 3.2 Der Kleriker aus Besançon Kanzler und Archidiakon der Kirche von Besançon .Wirken Ermenfrieds im Erzbistum Besançon haben sich vier Urkunden Über das aus den Jahren 1041 bis 1054 erhalten.lol Bernard de Vregille, dessen Monographie über das Leben ErzbischofHugos von Besançon für die Auseinandersetzung mit der Ortsgeschichte im 11. Jahrhundert nach wie vor massgeblich ist, zog den Schluss, dass es sich bei dem bisontinischen Kanzler Ermenfried und Bischof Ermenfried von Sitten um dieselbe Person handeln muss. Diese These wurde in den nachfolgenden Forschungsarbeiten übernommen und gilt als gesichert.lo2 Die erste Nennung wurde bereits angesprochen. Es handelt sich dabei um das Exemtionsprivileg für das elsässische Kloster Murbach.lo3 Am 6. November 104i befreite ErzbischofHugo während einer Synode und aufdie Bitte seines Freundes Abt Eberhard von Murbach hin die alte, in seiner Diözese liegende Kirche SaintDizier von der erzbischöflichen Jurisdiktionsgewalt und überliess sie den Mönchen von Murbach zur Erneuerung. Dieses Exemtionsprivileg steht in einerReihe von Schenkungen, die Hugo befreundeten Klöstern, wie zum Beispiel der Abtei Baume, zuteil werden liess.r0a Neben den Unterschriften der wichtigsten Kleriker aus dem Umfeld Hugos, findet sich auch eine vom Diakon Raherius im Namen des Kanzlers Ermenfríed ausgestellte Beglaubigung. Bei der zweiten Urkunde handelt es sich um das sogenannte <Testament Hugos von Besançon>>vom26.Màr27044,in dem der Erzbischof zunächst die Gründung des ihm wichtigen Kapitels von Sainte-Marie-et-Saint-Paul sowie Schenkungen im Erstglied nicht automatisch aufeine Verwandtschaft zu schliessen ist. Die Urkunden liegen ediert in der Monographie von de Vregille über Hugo von Besançon vor YgL De Vregille, Hugues (Anm. 13), Bd. 3, Doc. XVII, XXI, XXIV XXXVI. I02YgL Huber, Der sogenannte <Grosse Reliquiensch¡ein> (Anm.4), S.I3f.; Coutaz, Ermenfroi (Anm. 14), S. 149; Togni, Les Bibles (Anm. i5), S. i32f. !03 Ygl. De Vregille, Hugues (Anm. 13), Bd. 3, Doc. XVII. Die Urkunde ist im Original erhalten und beûndet sich in der Abtei von Lure. I04 YgI. Maurice Rey, Jean Courtieu (Hg.), Les diocèses de Besançon et de Saint-Claude (Histoire des diocèses de France 6),Paris 1977, S. 34; De Vregille, Hugues (Anm. 13), Bd. 1. S. 79-81. l0l 190 und Freiheiten bestätigte und seine Grablege an die dortige Kirche band.los Dazu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich ein Konzil in Besançon abgehalten'wurde, zu dem sich fast alle wichtigen burgundischen Prälaten versammelten, nahm Hugo dies zur Gelegenheit, um seinen <Suffraganen, Genossen und Mitbischöfen)'06 sein Testament z'ùr Urúerzeichnung vorzulegen.roT Im Eschatokoll der Urkunde finden sich jedoch nicht nur die Unterschriften der Erzbischöfe von Besançon, Lyon, Vienne und Tarentaise sov/ie fast aller ihrer Suffragane, sondern auch die persönliche Beglaubigung des Kanzlers Ermenfried: <Ich, Ermenfried, der Kanzler der heiligen Kirche von Chrysopolis, habe es geprüft.>io8 Die dritte Urkunde stammt aus dem Jahr 1046 und beinhaltet eine Besitzbestätigung Erzbischofs Hugos an Hugo von Beaumont, einen Kleriker, der das Kapitels von Losne gründete.loe Die Kirche von Besançon hatte dem Kapitel der Kirche von Losne die Kirchen Sainte-Marie de Chaux, Saint-Aubin und Saint-Symphorien übertragen. Dies bestätigten nun der Erzbischof und sein unmittelbarstes Umfeld, bestehend aus den Vorstehern der einzelnen Kapitel von Besançon.llo Wieder prüfte Ermenfried die Urkunde als Kanzler der Kirche von Chrysopolis.ru Die letzte Unterschrift als Kanzler von Besançon setzte Ermenfried zwischen dem 17.JuIi 1054 und dem Monat Juni 1055rr2 auf eine Schenkungsurkunde für das Kapitel von Saint-Étienne.rr3 Diesmal führte er jedoch nicht nur den Titel eines Kanzlers sondern auch den eines Archidiakons (also <Erzdiakons>) der Kirche von Chrysopolis.lla Der Titel des <cancellarius> war im Erzbistum Besançon bereits im 10. Jahrhundert in Gebrauch, verschwand jedoch um die erste Jahrtausendwende wiede¡ um dann während der Amtszeit Hugos von Besançon erneut Anwendung zu XXI. Das Original der Urkunde ist verloren. De Vregilles Edition orientiert sich an einer Abschrift de¡ Bollandisten aus dem Archiv von Saint- 105 Vgl. De Vregille, H'agues (Anm. 13), Bd. 3, Doc. Paul de Besançon. 106 Ebd., 5.66*,2.81f.: <<suffraganeos, consocios, coepiscopos>. Übersetzung des Verfassers. 107 Für die Synode und den Inhalt der Urkunde vgl. ebd., Bd. 1, S. 117-128. 108 Ebd., Bd. 3, Doc. XXI, S. 67+, Z. 104f.: <Ego Ermenfredus sanctae Crysopolitanae ecclesiae cancellarius recognoui.> Übersetzung des Verfassers. <Chrysopolis> war eine seit dem 9. Jh. geläufige Zweitbezeichnung für den Bischofssitz Besançon. Ygl. Reinhold Ka,ser, Art. (Besânçon>, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, MÌinchen 1980,5p.20521055, hier: 5p.2052. 109 Ygl. De Vregille, Htgues (Anm. 13), Bd. 3, Doc. XXIV. Das Original der Urkunde ist verloren. In Cluny hat sich eine Abschrift aus dem 15. Jh. erhalten. 110 Vgl. ebd., Bd. 1, S.231-233. 111 Ebd.,F,d.3,S.76+,2.28:<ErmenfredusChrisopolitanaeecclesiaecancellariusrecognouit.> I 12 Ebd., Bd. 1, S. 233. Die Datierung der Urkunde erschliesst sich für de Vregille aus der Nennung Heinrichs IV. als König. Dieser wurde am 17. Juli 1054 zum König gekrönt. 113 Vgl.ebd.,Bd.3,Doc.XXXVI.DasOriginalderUrkundeistzerstört.DeVregilleorientie¡tsich an einer im 17. Jh. gefertigten Kopie des Jesuiten Laurent Chiflet. 114 Ebd., 5.125+,2.27f.: <<Ermenfredus cancellarius et archidiaconus sanctae Chrisopolitanae ecclesiae recognouit.> 191 Johannes Luther ûnden.lts Wohl schon 1033 verfügte Besançon über eine Kanz\el deren Leitung Diakon Theoderich innehatte. In einer Urkunde vom Oktober 1040 fühlt dieser Theoderich den Titel eines <<archicancellarius>.I6 Da er nun jedoch zum Dekar.r des Kapitels von Saint-Jean aufgestiegen war, ging die Kanzlerschaft zwischen Oktober 1040 und November 1041 an Errnenfried ùber. Dieser nannte sich zwar nicht <archicancellarius) sondern schlicht <cancellarius>, trug jedoch spätestens seit 1044 den Zrsatz <Crysopolitanae Ecclesiae>. Da es sich bei den r''ier genannten Urkunden urn die einzigen bisontinischen Urkunden zwischen 1041 und 1055 handelt, kann trotz einer Überlieferungslücke zwischen 1046 und 1054/55 davon ausgegangen werden, dass Ermenfried dieses Amt ohne Unterbrüche ausübte. Als Kanzler bekleidete Ermenfried eine bedeutende Position, die nach dem Erlangen der Bischofswürde von Sitten wahrscheinlich an Hugo, den späteren Erzbischof Hugo II. von Besançon, riberging.lrT 3.2.2 Der Mentor: Erzbischof Hugo von Besançon Ermenfrieds Kanzlerschaft fällt in eine Zeit, in der sich Erzbischof Hugo auf dem Höhepunkt seiner Macht befand. Im Dezember 1041 ernannte der Salier Heinrich III., selbst in Personalunion römisch-deutscher König und König der Burgunder, Hugo zum Erzkanzler von Burgund, was ihn zu einer wichtigen Schlüsselflgur von Heinrichs Burgundpolitik machte.rr8 In den nächsten Jahren avancierte de¡ Erzbischofzu einem der wichtigsten Vertrauten des Salierkönigs. Als faktischer Regent im Königreich Burgund hielt er in der Stadt Besançon, dìe ihm 1041 als Seigneurie unterstellt wurde, mehrere Konzilien ab; im Novernber 1043 richtete er dort sogar das kostspielige Veriobungsfest von Heinrich III. und seiner künftigen Gattin Agnes von Poitou aus. Nach der Wahl Brunos von Toul zu Papst Leo IX. im Dezembe¡ 1048 unterstützte Hugo diesen mit Kräften in seinem kirchenreformatorischen Programm. Mit dem Tod Leos IX. 1054 und dern Tod Heinrichs III. 1056 hatte sich Hugos politische Rolle ausgespielt. In der Kirche verfügte erjedoch bis zu seinem Tod im Jahr 1066 über grosses Ansehen, von den Nachfolgern Leos aufdem apostolischen Stuhl erhieit der Erzbischofnoch einige prestigeträchtige Legationen.r 1e Neben diesen politischen Tåitigkeiten trieb Hugo von Besançon während seiner gesamten Amtszeit eine Restauration des religiösen Lebens in seiner Erzdiözese 115 Die Ausführungen zum ((carìcellarius> in Besançon stützen sich in der Folge ausschliesslich auf de Vregille. Vgl. ebd., Bd. 1, S.369f. 116 Vgl. ebd., Bd. 3, Doc. XVI. 117 Vgl. ebd., Bd. 1, S.370. 118 Vgl. ebd., S.98-100. 119 Zu Hugos Wirken von 1044 bis 1056 vgl. ebd,S. 102129. 192 voran. Dies äusserte sich in der Produktion von liturgischen Schriften und Hagiographien, in der Renovation von Kirchengebäuden sowie in der Erneuerung und Einrichtung der Dornkapitel. So stellte er unter anderem das Kapitel Saint-Jean wieder her und schuf die Kapitel von Saint-Étienne, Sainte-Marie-et-Saint-Paul und Sainte-Madeleine. Die Ausübung des religiösen Lebens legte Hugo in die Hände von Kanonikern; wie die Schenkungen zeigen, pflegten jedoch auch Mönche ein gutes Verháitnis zum Erzbischof.r20 In dieser religiösen und politischen Atmosphäre erlebte nun Ermenfried von Sitten den bekannten Teil seiner klerikalen Ausbildung. Da er ais Kanzler ein bedeutendes Amt innehatte, welches sicher ein gewisses Mass an Vertrautheit voraussetzte, war er höchstivahrscheinlich Zeuge von einigen der genannten Er. eignisse und begleitete Hugo vielleicht sogar auf seinen Reisen.r2l Ebenso dürfte die Anwesenheit der vielen bedeutenden Fürsten und Prâlaten wie Heinrich III., Leo IX. oder ErzbischofHalinard von Lyon, die während llugos Episkopat nach Besançon kamen, nicht spurlos an Kanzler Ermenfried vorbeigegangen sein. Abschliessend lässt sich festhalten, dass Ermenfried während seiner Zeit in Besançon für seine späteren Tätigkeiten als Bischof Legat und Kanzler von Burgund sicher von vier Dingen massgeblich geprägt wurde. Erstens blieb die permanent vorangetriebene reiigiöse Elneuerung des Erzbistums für den Archidiakon Ermenfried wohl nicht ohne prägenden Einfluss. Zumindest bestehen Anzeichen dafü¡ dass während seines Episkopats in Sitten ebenfalls Manifestationen einer religiösen Erneuerung wie die Riesenbibel oder die Theodulslegende entstanden sind. Zweitens zeigte sich Ermenfried nach dem Vorbild Erzbischof Hugos ais Anhänger der frühen Kirchenreforrn, die unter dem e¡sten Reformpapst Leo IX. ihren Anfang genommen hatte.122 Bei Hugo zeigte sich das nach Galland in dessen Anerkennung der Gehorsamspflicht (<Obedienz>) gegenüber dem Papst, der entschiedenen Ablehnung des Kaufs sowie des Verkaufs von geistlichen limtern (<lSimonie>>) und der Aussprache für freie Bischofswahlen.Ì23 Dies sind alles Punkte, auf die auch Ermenfried bei seinen späteren Legationen pochte. 120 Ygl. Rey/Courtieu, Les diocèses (Anrr. 104), S. 3214. 121 So unternahm Hugo von Besançon bspw. zwischen Sommer 1046 und Ostern 1047 eine bedeutende Reise nach ]talien, wo er an den Syncden von Pavia, Rom und Sutri teilnahm sowie der Kaiserkrönung Heinrichs Ill. beiwohnte. Ygl. De Vregille, Hugues (Anm. l3), Bd. 1, S. 138-147. 122 Zu einem Überblick zur Geschichte des Reformpapsttums vgl. Rudolf Schieffer, Das Reform- papsttum seit 1046,inl. Christoph Stiegentarn, Matlhias Wenthoff(Hg.),Canossa terung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur arn Aufgang der Rorranik, Bd. 1077 - Erschút- 1: Essays, Mün- chen 2006, S. 99-110. 123 Vo¡ allem die Wahl von Bischöfen durch Volk und Klerus unterstützte Hugo von Besançon nachdrücklich, auch wenn er selbst wohl v.a. durch die Nähe zum burgundischen G¡afenhaus in die Position eines Erzbischofs gekommen war. Vgl. Bruno Galland, Le rôle du royaume de Bourgogne dans la réforme grégorienne, in: Francìa29 (2002), S. 85-106, hie¡: S. 90f. 193 r Drittens übernahm Ermenfried von Hugo die Bereitschaft, in kirchenpoliti_ nur eng mit dem Papst, sondern auch mit weltlichen Fuìsten schen Fragen nicht zusammenzuarbeiten. Zeigte sich dies bei Hugo in dessen vertrauensvoller Ko_ operation mit Fürsten wie dem Salierherrscher Heinrich III. oder Graf Rainald I. von Burgund,r24 sind für Ermenfried die guten Beziehungen zu Heinrich IV. und wilhelm dem Eroberer anzuführen.r2s viertens muss man sich vor Augen führen, dass Ermenfried seine Amter unter demBrzkanzler und faktischen Regenten des Königreichs Burgund ausübte. Mit einiger vorsicht ist anzunehmen, dass sich in Besançon dadurch eine gewisse verbundenheit zu diesem <Raum Burgund> ausgebildet hatte, derer sich sowohl Hugo als auch Ermenfried bewusst waren. spätestens im Juni 1055 erhielt Ermenfried die Bischofswürde von Sitten. Er verliess Besançon; wie gezeigt werden konnte, tat er dies allerdings nicht ohne eine starke bisontinische Prägung mitzunehmen. seinem Herrn und Förderer ErzbischofHugo von Besançon sollte er indes als Begleiter auflegationen und Kóntaktmann zum Salierreich erhalten bleiben. 3.3 Die ersten Jahre als Bischof von Sitten 3.3.1 Die Erhebung zum Bßchofvon Sitten 13. Juli 1054 verstarb Bischof Aimon von Sitten.l26 Sein Nachfolger Ermenfried erlangte sp¿itestens im Sommer 1055 die Bischofswürde; im August tr055 nahm er als Bischof von.Sitten am Konzil von LiSieux in der Normandie tei1.r27 Es lässt sich nur vermuten, warum ausgerechnet der Kanzler und Archidiakon nahe, dass Erzbischof Hugo von Besançon bei der Wahl seines Schülers Ermenfried seinen Einfluss geltend machen konnte. Hugo, der, wie dargelegt wurde, als [nhänger der frühen Kirchenreform ein Verfechter der freien Bischofswahl war, wird kaum den humbertinischen Nepotismus gefördert haben. Da Ermenfried als Bischof von Sitten auch den Grafentitel annahm und damit zum unmittelba- ren Vasallen Kaiser Heinrichs III. wurde, musste der Salierherrscher bei dessen Einsetzung seine Zustimmung geben. O'c Ermenfried, wie zu dieser Zeit üblich, von seinem Lehnsherrn persönlich mit Ring und Stab investiert wurde, ist jedoch nicht überliefert.'28 Ermenfried war demgemäss ein Kandidat der Kirchenreformer, der womöglich eingesetzf wurde, um die Machtballung der Humbertiner im Wallis einzudämmen. Gleichzeitig war ihm als Reichsfürst vermutlich an einem guten Verhältnis zu den Saliern gelegen. Da gerade zu dieser Zeit derjunge Sohn Heinrichs III., der spätere König und Kaiser Heinrich IV. mit Bertha aus der Familie der Humbertiner verlobt wurde,t2e wird Ermenfried wohl ein gutes Einvernehmen mit dem Grafenhaus gesucht haben. Dies zeigt sich auch darin, dass Ermenfried während des vermeintlich zweiten Abbatiats des Humbertiners Burchard als Kanoniker von Saint-Maurice dägaune auftrat.l3o Am von Besançon zum Bischof des Alpenbistums gewählt wurde. Seine einzige gesicherte verbindung zum Bistum Sitten stellt das von ihm rekognoszierte Testament Erzbischof Hugos aus dem Jahr 1044 dar, das auch Bischof Aimon von Sitten unterzeichnete. Die Annahme, dass es sich bei Ermenfried um einen verwandten Aimons handelte, lässt sich, wie bereits ausgeführt, nicht durch euel- len bestätigen Da sich das Bistum Sitten im 11. Jahrhundert kirchenpolitisch mehr amBrzbistum Besançon als am Erzbistum Tarentaise orientierte, liegt die vermutung 124 Ygl. Rey/Courtieu,Les diocèses (Anm. 104), S.28. 125 Über die Zusammenarbeit mit Letzterem schreibt cowdrey, Bishop (Anm. rz), s.231, bezeichnend: <[...] he [Ermenfried] was at home in the pre-Gregorian world where reform was promoted under the guidance ofsecula¡ rulers who respected and, indeed, often appealed to the aut¡ority of the pope; but who expected that their wills would normally prevail in the appointment of bishops, ìn the holding ofcouncils and the general oversight ofchurch affairs within their lands.> 126 Vgl. Gremaud I, S.66. 127 Seit Cowdrey verortet die Forschung die Einsetzung Ermenfrieds zwischen dem Tod Aimons und dem Konzil von Lisieux. Ygl. Cowdrey,Bishop (Anm. l2),5.226. 194 3.3.2 Der erste Aufenthah am salischen Königshof Die Erwähnung Ermenfrieds als Kanoniker von Saint-Maurice ist eine der wenigen Nennungen des Bischofs im Wallis. Während seines über dreissig Jahre wâhrenden Episkopats scheint sich Ermenfried an allen möglichen Often, jedoch selten in Sitten aufgehalfenzu haben. Legationsreisen führten den Bischof nach Reims und mehrmals in die Normandie sowie nach England. Als Bischof und Reichsfürst hielt er sich mehrere Male in Rom und nördlich der Alpen auf. Huber 128 Zur Praxis der Investitur mit Ring und Stab bis zur Zeit des Investiturstreirs vgl. Philippe Depreux, Investitura per anulum et baculum. Ring und Stab als Zeichen de¡ Investitur bis zum Investiturstreit, in: Jörg Jarnut, Matîhias Wtenhoff (Hg.) Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 1 1. und beginnende 12. Jah¡hundert - Positionen der Forschung (Mittelalter Studien des Instituts zf,r Interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens 13), Paderborn 2006, s. 169-195. 129 Bertha, Tochter des Grafen Odo I. von Maurienne und der Markgräûn Adelheid von Turin, wurde während des Weihnachtsfestes 1055 in Zürich mit dem 5-jährigen Heinrich IV. verlobt. Vgl. Ian Stuart Robinson,Henry IV ofGermany i056-1106, Cambridge 1999,5.25;Amold Bühler, Kaiser Heinrich IV. und Bertha von Turin. E:ne schwierige Ehe im Spiegel der Urkunden, in: Archiv für Kulturgeschichte 83 (2001), S. 37-61, hier: S. 38. 130 So he:sst es in der Rekognitionszeile der bereits erwähnten Schenkungsurkunde von 1068: <E¡menfredus Sedunensis episcopus et sancti Mâuritii canonicus testis.> Reiueil des âctes Humbertines (Anm. 43), Doc. 38, S. 633. l9s Johannes Lulher vermutet sogar eine Pilgerreise nach Jerusalem.r3r Entsprechend schwierig ist es folglich, Ermenfrieds Wirken in seiner eigenen Diözese zu rekonstruieren. Fest steht, dass sich der Bischof von Sitten bis zum Tod seines Mentors Hugo von Besançon im Jahr 1066 sehr stark an dessen Handlungen orientierte. Ermenfrieds Wirken als Bischof von Sitten ist bis zu dieser Zeit also in den Kontext von Hugos Burgundpolitik sowie dessen Auslegung der frühen Kìrchenreform einzuordnen. Nach dem Tod der Päpste Leo IX. und Viktor II. in den Jahren 1054 beziehungsweise 1057 und besonders nach dem Ableben Kaiser Heinrichs III. im Jah¡ 1056 schwand der Einfluss Hugos beträchtlich. Gemäss de Vregille rückte Ermenfried für den alternden Erzbischof allm¿ihlich zur Kontaktperson zum salischen Hof und zum apostolischen Stuhl auf.r32 So hielt sich Ermenfried Ende des Jahres 1057 eine Zeitlang am Hoider Kaiserin Agnes auf, die für ihren minderjährigen Sohn Heinrich IV. die Regentschaft übernommen hatte. Am 5. Oktober 1057 wohnte er in Speyer zusammen mit vielen anderen Prälaten der Ernennung und am 27. Dezember desselben Jah:es in der kaiserlichen Pfalz zl Pöhlde der Weihe des Hofkaplans Gundekar zum Bischof von Eichstätt bei.'33 Bei diesen Versammlungen traf der Bischof von Sitten auf zahlreiche Vertreter des Reichsepiskopats;r3a entscheidend ist sicherlich das TreÊ fen auf die p?ipstlichen Gesandten Bischof Anselm I. von Lucca und Subdiakon Hildebrand, die beiden späteren Pãpste Alexander II. und Gregor VII.Ì:'5 Zu Ersterem unterhielt Ermenfried während seines Pontifikats (1061-1073) einen guten Kontakt. Vielleicht beruhte ihr einvernehmliches Verhâltnis auf dem Treffen in der Pfalz zu Pöhlde. Der Grund für dìe Anwesenheit der vielen kirchlichen Würdenträger ist wohl mit der Neukonsolidierung der salischen Herrschaft nach dem Tod Heinrichs III. zu suchen. Der Reichsepiskopat versammelte sich am königlichen Hof. Die Tatsache, dass kein kirchiicher Vertreter der Erhebung Gundekars widersprach, ist als 131 YgL Huber, Der sogenannte (Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4), S. 33. 132 Y gl. D e Vreg ille, Hugues (Anm. 13), Bd. 1, S. 259. 133 Ernennung, Inthronisation und Weihe Gundekars von Eichstâtt finden sich im <Liber pontificalis Eichstetensis). Ygl. Gundelcar von Eichslätt, Liber pontificales Eicilstentensis, hg. ton Ludwig Konrad Betltmann (MGH SS 7), Hannover 1846,5.245,2.39-5.246, Z. 18. Es handelt sich dabei um eine der detailliertesten Darstellungen einer Bischofserhebung. Gundekar erhielt Ring und Stab aus der Hand des Königs; eine Praxis, die in den folgenden zwei Jahrzehnten von der Kirche verdammt wurde. Vgl. Alf'ed Wendehorst, Das Bistum Eichstätt. Die Bischofsreihe bis 1535 (Germania Sacra NF 45), Berlin/New York 2006, S. 64f. 134 So trafder Bischof<Ennenfridus Situnensis> aufdie Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier, Bremen, Magdeburg, Mailand und Bremen sowie auf die Bischöfe von Regensburg, Würzburg, Worms, Speyer, Strassburg, Konstanz, Chur, Verdun, Pavia, Bamberg, Hildesheim, Paderborn, Verden, Meissen, Merseburg und Polen. Vgl. Gundekar von EichsrdtL Lìber (Aïim. 133), S. 245, z. 43-5.246, Z. 18. 135 Anselm und Hildebrand hielten sich im Dezember am Königshof auf, um dort die offizielle Wahlmitteilung Papst Stephans IX. zu überbringen. Vgl. Sclntidt, Alexander I1. (Anr. I9), S. 62. 196 Zustimmung für den Fortbestand der salischen Herrschaft zu werten. Jene Prälaten, die',vie Ermenfried Vasallen des deutschen Königs vr'aren, erneuerten sicherlich ihrel Treueeid und emptngen ihr Lehen. Ermenfried war der einzige Bischof aus dem Reichsteil Burgund. Es ist möglich, dass er auch im Namen des burgundischen Erzkatzlers und Erzbischofs Hugo von Besançon vorstellig wurde. Die nâchsten vierzehn Jahre lâsst sich Ermenfried nicht mehr im Umfeld der Kaiserin Agnes und des jungen Salierkönigs nachweisen. In diese Zeit fallen seine päpstlichen Legationen, die den Bischofvon Sitten fast ausschliesslich in Regionen führten, die westlich seiner Diözese lagen. 3.4 hn Umfeld der Refornepäpste 3.4.1 Das Kon:il von Lisieux Zwischen 1055 und 1070 wurde Ermenfried mindestens fünf Mal ais päpstlicher Legat eingesetzt. Die <Acta archiepiscoporum Rotomagensium> berichten, dass der Bischofvon Sitten bereits im August 1055, also zu Beginn seines Episkopats, a1s päpstlicher Gesandter am Konzil von Lisieux zugegen war.136 Entgegen der in der Quelle festgehaltenen Umstände wurde Ermenfried nicht von dem zu dtesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Papst Leo IX., sondern von dessen Nachfoiger Viktor II. mit der Legation betraut. Sie betraf die von Herzog Wilhelm von der Normandie geforderte Absetzung seines rebeliischen Onkels Mauger als Erzbischof von Rouen.r3? 136 <Et ideo auctore papa Leone, Willelmus dux Norrnannorum postea effectus rex Anglorum, asis- tente prefati pâpg legato, scilicet Hermenfrido Sedunensi episcopo, cçterisque cumprovintiaIibus episcopis in Luxoviensi æcclesia ab episcopatu eum destituit.) Richard Allen, The Acta archiepiscoporum Rotomagensium, in: Tabuiaria. Documents 9 (2009), S. 1-66, hier: S.38f. (künftig unter der Sigle (AAR)|. William von Poitiers berichtet in seinen <Gesta Guillelmi> ebenfalls von dem Ereignis, nenntjedoch Ermenfrieds Namen nicht: <Princeps [...] deposuit pâtruum in publico sanctae sinodi, apostolici uicario cunctisque Normanniae episcopis, iuxta canonum auctoritatem sententiam dantibus unanirni consensu.>> Ralph Henry Carless Davis, Matjorie Chibnall, The Gesta Guillelmi of William of Poitiers (Oxford Medieval Texts), Oxford 1998, S. 88. 137 Da die Legation Ermenfrieds gleichzeitig seire erste Nennung als Bischofvon Sítten mit siclt fùhrt, wurde sie von der Forschung bereils breit rezipiert. Meist fehltjedoch der lconkrete Ver- weis auf die <Acta archiepiscoporum Rotonagensium>> als Quelle. Besonders hervo¡zuheben ist die Besprecliung der Rolle Ermenfrieds bei Cowdrey, Bishop (Anm. 12), S. 227f., tqd De Vregille, Hugues (Anm. 13), Bd. 1, S.250f. Für allgemeine Informationen zum Konzil von Lisieuxvg{ Schieffe¡i Legaten (Anm. 19), S. 53-55; Pt¿rre Bouet, MonÌque Dosdat, Les évêques normands de 985 à 1150, in'. Pierre Bouel, François Neveux (Hg), Les évêques normands du XI" siècle. Colloque de Cerisy-la-Salle (30 septernbre-3 octobre 1993), Caen 1995, S.19-37, hier: S. l9f"; .Riclr ard AIIen, Avant Lanfranc. Un réexamen de la carrière Mauger, archevêque de Rouen (1037-1054155),in: Gazeau/Barrow/Delivré, Autour de Lanfranc (Anrn. 16), S. 131-151, hier: S. 145f. 191 Johannes Luther Ñach dem Tod des ersten Reformpapstes Leo IX. waren Päpste in der ftsgs1 nicht mehr selbst unterwegs, um auf Synoden den Reformgedanken, also die Durchsetzung der moralischen Erneuerung des klerikalen Lebens und der no¡mativen Rolle des Papsttums, voranzuireiben. Diese Aufgabe fiel nun den ande_ ren Mitgliedern der Reformgruppe um den jeweiligen Papst zu. Schmidt bringt dies wie folgt auf den Punkt: <Sobald der Papst nicht mehr selbst herumreiste [...], wurde folgerichtig das Instrument der Legationen ausgebaut und entwickelt. Zumeist wurden Angehörige der römischen Kirche als Vertreter des Papstes entsandt und hatten in seinem Auftrag lokale Angelegenheiten anderer BistÍimer, aber auch politische Auftrãge an weltliche Machthaber zu erledigen.>r38 Nach Claudia Zey warcn wichtige Legationen während der Zeit der frühen Reformpäpste <einer kleinen Gruppe hochrangiger Kardinäle, besonders Kardinalbischöfen vorbehalten, die mit umfangreichen Legationsvollmachten ausgestattet waren>>.l3e Bischöfe wurden nur vereinzelt und <<vornehmlich aus Gründen persönlicher Eignung>l4o eingesetzt, wobei sie la:otZey in der Regel von Kardinälen oder römischen Klerikern begleitet wurden. In Lisieux erscheint Ermenfried jedoch nicht in Begleitung eines weiteren Gesandten aus Rom. Es stellt sich also die Frage, warum gerade ein kürzlich eingesetzter Bischofaus Sitten ohne (bekannte) Erfahrung alleine als pâpstlicher Legat ausgesandt wurde; zumal es sich bei der Legation in Lisieux um die erste in der Normandie handelte.r4r Laut de Vregille ist Ermenfrieds Mento¡ der Erzbischof Hugo von Besançon, als treibende Kraft hinter dieser Gesandtschaftsverleihung anzusehen. Der bei den Reformpäpsten in hohem Ansehen stehende Erzbischof hatte im Mai/Juni an dern von Papst Viktor II. einberufenen Konzil von Florenz teilgenommen.ia2 Dort baten die Gesandten Herzog Wilhelms von der Normandie Papst Viktor II. um eine Legation, um Erzbischof Mauger von Rouen abzusetzen.t4 Diesem wurde eine Reihe von Verfehlungen zu Last gelegt, darunter Güterhäufung, politische Intrigen, unenthaltsames Leben, Missachtung des Papstes und - was Wilhelm wohl am meisten störte - persönlicher Hader mit dem Herzog. Hinzu kam, dass Mauger in jungen Jahren nicht wegen seiner besonderen Verdienste, sondern schlicht durch Verwandtschaft in sein Amt gekommen wat.t44 Damttzog sich der Erzbischof auch das Missfallen der Kirchenreformer zu. Nach de Vregille soll nun Hugo von Besançon während des Konzils seinen Schtiler Ermenfried als geeígneienlegaten in Position gebracht haben.las Womöglich war er selbst gebeten worden, die wichtige Gesandtschaft in die Normandie zu übernehmen, hatte dies jedoch aus unbekannten Gründen ausgeschlagen. Es lässt sich nicht ermitteln; was Viktor II. letztendlich dazu bewog, den Bischof von Sitten für diese wichtige Mission einzusetzen. Fest steht, dass Ermenfried in die Normandie reiste und sich dort für zuküuftige Legationen empfahl. In Lisieux selbst spielte er nur eine <verhältnismäßig untergeordnete Rolle>;ra6 Wilhelm tibernahm die entscheidende Aufgabe, setzte seinen Onkel Mauger ab und verbannte ihn auf die Insel Guernsey. Als Nachfolger berief der den Mönch Maurilius, der wegen seines Wissens und frommen Lebenswandels einen guten Ruf genoss.raT Auch wenn Ermenfried diese Ab- und Einsetzungen nur noch legitimieren konnte und damit mehr oder weniger als willfähriger Vollstrecker Herzogs avftrat, hatte das für die Normandie nach Cowdrey weitreichende Folgen. Nicht nur die herzogliche Gewalt war dadurch gefestigt worden.ras Mit der Einsetzung des frommen Maurilius wurde die Kirchenreform in der Normandie entscheidend vorangetrieben. Zudem hatte sich Ermenfried als ein Anhänger der frühen Kirchenreform bewiesen, der die Erneuerung der Kirche in Einvernehmen mit weltlichen Machthabern betrieb. 3.4.2 Die Krönung König Philipps von Frankreich Ermenfrieds zweite Legation führte ihn 1059 nach Frankreich, wo er am 23. Mai in der Kathedrale von Reims der Krönung des siebenjährigen Kronprinzen Philipp I. von Frankreich beiwohnte.rae Auch an dieser Mission war Hugo von Besançon 144 So heisst és 138 Schmidt, AlexanderlL (Anm. l9), S. 148. 139 Claudia Zey, Die Augen des Papstes. Zu Eigenschaften und Vollmachten pâpstlicher Legaten, \¡: Jochen Johrendt, Harald M¡¡ller (Hg.), Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz iII- (Neue Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 2), Berlin/New York 2008, S. 77-108, hier: S. 85. r40 Ebd. 141 Ygl. Schieffer, Legaten (Anm. l9), S. 54; De Vregille, Hugtes (Anm. 13), Bd. 1, S. 25i. 142 Ygl. Georg Gresser, Die Synoden und Konzllien d,er Zeit des Reformpapsttums ia Deutschland und Italien von Leo IX. bis Calixt II. (10a9-1123) (Konziliengeschichte Reihe B: Untersuchungen), Paderborn 2006, S. 30f. 143 ZuMauger von Rouen vgl. Bouet/Dosdat, Les évêques (Anm. 137), S. i9f. 198 in den <Acta archiepiscoporum Rotomagensium>>: <Qui quia non electione meriti, pontifi calem, omni destitutus tutela. Potius adquievit carni, et sanguini, quam divinis mandatis.) Vgl. AAR (Anm. 136), S.38. 145 Ygl. De Vregille, Hugues (Anm. 13), Bd. 1, S. 251. 146 Schieffer, Legâten (Anm. 19), S. 54. 147 Bouet/Dosdait, Les évêques (Anrn. 137), S.20. 148 Zudem sah Wilhelm nun die Möglichkeit, seine Interessen mit Hilfe von Kirchenkonzilien durchzusetzen. D azu Cowdrey,Bishop (Anm. 12), S. 228, wörtlich: <It gave William experience ofhow ecclesiastical councils, when they were held at his own will, might promote his ends, and ofhow papal legates, when they were âs serviceable as Ermenfrid, might reinforce his authority in his lands.> 149 Ermenfrieds Name wird in diesem Zusammenhang in zwei Quellen elwähnt: Einem von Erzbischof Gervais von Reims zusammengestellten, als <<Krönungso¡do) befitelten Memorandum sed cârnali parêntum amore, et adulatorum suffragio, in pueritia sedem adeptus est 199 Johannes LuÍher _ beteiligt, diesmal allerdings selbst als Legat. Um seine Erbfolge zu sichern, plante König Heinrich I. von Frankreich seinen Sohn Philipp zum Mitkönig zu krönen. Papst Nikolaus II., dem sehr daran gelegen war, das zerruttete Verhältnis zwischen dem französischen Kõnig und Rom zu verbessern, erteilte deshalb dem an der grossen Lateransynode von 1059 an¡¡,/esenden Erzbischofvon Besançon den Auftrag, als päpstlicher Gesandter an der Krönung teilzunehmen. Die Legation stellte gegenüber König Heinrich I. eine ehrenvolle Geste dar und symbolisierte Nikolaus' Bereitschaft zur Versöhnung.lso Hugo reiste nach der Synode, wohl in Begleitung Bischof Aganons von Autun, von Rom über die Alpen, rekrutierte in Sitten Bischof Ermenfried als seinen Assistenten und begab sich mit diesem nach Reims.rsi Bei der von Erzbischof Gervais von Reims durchgeführten Zeremonie erhielten die Legaten die Gelegenheit, ihre Zustimmung zu geben - dies allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Krönung eigentlich keiner Legitimation vonseiten des Papstes bedurfte.r52 Ausser Prestige und einer durch die Anwesenheit vieler Fürsten, Bischöfe und Äbte ermöglichten Vernetzung konnten also sowohl Hugo als auch Ermenfried nicht viel aus dieser Gesandtschaft mitnehmen. 3.4.3 Díe erste Englandmission Ermenfrieds dritte Mission im Auftrag des Papstes führte ihn in das noch nicht von den Normannen eroberte England.r53 Der Bischof von Sitten stand mit dieser Gesandtschaft erstmals im Dienste Papst Alexanders IL Z¡rsammen mit einem sowie in der im 12- Jh. verfassten <Modernum Regum francorum actum>> des Hugo von Fleury. YgL Richard A. Jackson, Ordines Coronationis Franciae. Texts and Ordines for the Coronation ofFrankish and French Kings and Queens in the Middle Ages, Bd. 1, Philadelphia 1995, XVII A, S. 228; Hugo von Fleury, Liber qui modernorum regum Francorum continet actus, hg. von Georg \faitz (MGHSS 9), Hannover 1851,5.389,2.24. Die meisten Forschungsbeiträge zu Ermenfrieds Aufenthalt in Reims machen nicht klar, aus welcher der beiden Quellen sie schöpfen. Eine hervorzuhebende Ausnahme bildet De Vregille, Httgtes (Anm. 13), Bd. I,5.271¿76. 150 De Vregille, Hugues (Anrn. 13), Bd. 1, S. 272: Mit den Worten de Vregilles gesprochen war die Legation <inusitée, mais flatteuse pour les deux cours¡r. 151 Ebd., s.272f. 152 Wörtlich: <Tunc annuente patre eius Heinrico elegit eum in regem. Post eum legati Romane sedis, cum id sine pape nutu fieri licitum esse disertum ibi sit, honoris tamen et amoris gratia, tantum eius ibi affuerunt legati.>> Jackson, Ordines Coronationis Franciae (Anm. 149), XVII A, S. 231. 153 Von dieser Legation berichten mit einem Abstand von über einem halben Jahrhundert die Chronik des Johannes von Worcester sowie die <<Vita Wulfstani>> des Wilhelm von Malmesbury, wobei nur ersterer Ermenfried (<Armenfredus Sedunensem episcopus>) namentlich erwähnt. Vgl. Reginald Ralph DarlingÍon, Patrick McGurk, Jennder Bray, The Chronicle ofJohn ofWorcester, 3 Bde. (Oxford medieval texts), Oxford 1995-1998, hier: Bd. 2,5.590-592; Reginald Ralph Darlington (Hg), The Vita of William of Mahnesbury (Camden Third Series 40), London 1928, S. l7f. Für Ermenfrieds Rolle in seiner ersten Englandreise vgl. v.a. -/oiler, Hermenfrid (Anm. 9), . S. 367f.; Cowdrey,Bishop (Anm. 12), 5.228f.; Liebeskind,Unprélat(Anm. 1l), S. 135-138. 200 weiteren Legaten, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um eine kirchliche Autoriøt aus Roin handelte, kam Ermenfried im Frühjahr 1062 auf die Insel. Über den ursprünglichen Grund der Legation sind die Quellen uneinig. Cowdrey sieht Ermenfrieds Besuch vor dem Hintergrund der reformpäpstlichen Interventionen gegen den angelsächsischen Erzbischof Stigand von Canterbr¡ry, der seinen nor- mannischen vorgåinger Robert von Jumièges im Jahr 1051 vertrieben und sich die Erzbischofswürde widerrechtlich angeeignet hatte. Alle Reformpäpste seit Leo IX. hatten diese usurpation verurteilt und Stigand exkommuniziert, Ermenfried kam nun nach England, um diese Verurteilung zu erneuern.rs4 Nach Johannes von worcester hielten sich die Legaten die gesamte Fastenzeit über am HofKönig Eduards des Bekenners auf.r55 Neben dem Fall des Stigand beschäftigten sie sich auch mit der Nachfolge Bischof Aldreds von Worcester. Dieser hattekurzzuvor den Metropolitenstuhl von York erlangt und versuchte nun nach der <ð/ita \\¡ulfstani> beide Bischofssítze nr behalten. Der Papst ordnete darauÊ hin an, dass Aldred den Sitz York nur erhalten dürfe, wenn er fär Worcester einen geeigneten Nachfolger fände.i56 Dieser Nachfolger fand sich in Prior Vy'ulfstan von Worcester. Nach Johannes von Worcestel war Wulfstan ein Kandidat von Klerus und volk, nach withelm von lVlalmesbury vr'afen es die päpstlichen Legaten, welche Wulfstans frommen Lebensstil erkannten und ihn deswegen zum Bischof erhoben.ls? Im Ergebnis der Legation stimmen beide Quellen überein: Wulfstan wurde zum Bischof von Worcester erhoben, Aldred als Erzbischof von York bestätigt. Stigand beliess die Legaten trotz Verurteilungen in seinem Amt.158 Da Alexander II. den Bischof von sitten im Jahr 1070 ein rÃieiteres Mal nach England schickte, muss Ermenfried seine Aufgabe zum Wohlwollen des Papstes aus- geführt haben. Ygl. Cowdrey, Bishop (Anm. 12), 5.228. Zu Stigands Usurpation vgl. Hanna Vollrath, Der Investifurstreit begann im Jahr 1100, in: Bemd SchneidmüIler, Stefan Weinfurter (Hg.), Sali sches Kâisertum und neues Europa. Die Zeil Heinrichs IV. und Heinrichs v., Darmstadt 2007, s.217-244,hier s.222f-; Roland Zingg Die Briefsammlungen der Erzbischöfe von canterbury 1070-1170. Kommunikation und Argumenfation im Zeitalter der Investiturkonflikte (Zürcher Beiträge zur Geschichtswissenschaft 1), Köln 2012, S' 40f. 155 Ygl. Darlington/McGurk/Bray, The Chronicle (Anm. 153), Bd' 2, S. 590. 156 Für Wilhelm von Malmesbury ist dies sogar der ursprüngliche Grund, warum die päpstlichen Legaten nach England reisten. Ygl. Darlingtcn, The Vita (Anm. 153), S. 17. 157 Ygl. Darlington/McGurk/Bray, The Chronicle (Anm. 153), Bd. 2, S. 590-592; Darlington' The Vita (Anm. 153), S. 17f. 158 Ein Umstand, der bis zu Ermenfrieds zweiter England-Mission im Jahr 1070 bestehen bleiben sollte. über die Gründe der Beibehaltung des Erzbischofs lässt sich nur spekulieren. Vielleicht war es die Macht der Herzöge Godwin und Harold, die den Angelsachsen Stigand im Amt hielt. Ygl. Zingg, Die Briefsammlungen (Anm. 154), S. 40. 154 201 Luther 3.4.4 Von Chalon-sur-Saône nach Besançon Für den Rest des Jahrzehnts ist der Bischof von Sitten im Umfeld des Reformpapsttums zu verorten. Vom 16. bis zum 17. August 1063 nahm Ermenfried, wieder an der Seite Hugos von Besançon, an einer von KardinalbischofPetrus Damiani geleiteten Synode im burgundischen Chalon-sur-Saône teil.rse An der Synode waren viele französische und burgundische Prälaten zugegen. In der vom Kardinalbischof ausgestellten Abschlussurkunde unterschrieb Ermenfried an vierter Stelle, nach Hugo von Besançon und noch vor Erzbischof Haimon von Bourges.tóo Das Konzil von Chalon-sur-Saône behandelte die Klage des Abtes Hugo von Cluny gegen Bischof Drogo von Mâcon, der gewaltsam versucht hatte, Besitztümer des Klosters unter seine Kontrolle zu bringen.r6t An der Ostersynode des Jahres 1063 hatte der Abt beim Papst Klage eingereicht, dieser schickte nun seinen Legaten Petrus Damiani nach Frankreich, um den StreitfaÏl zu klären. Ein bereits am 10. Mai 1063 ausgestelltes Privileg für Cluny, in welchem der Papst die Rechte des Klosters bestätigte und jeden Angriffunter Strafe stellte, griff zwar einer Untersuchung vor Ort voraus, trotzdem bot sich mit der Legation für Petrus Damiani die Gelegenheit, die französischen und burgundischen Prälaten auf den Kurs der Kirchenreform einzuschwören.162 Schon während der Versammlung hatte sich Hugo von Besançon als Verfechter der Privilegien für das Reformkloster Cluny hervorgetan.r63 Nach der Synode begleitete der Erzbischof Petrus Damiani auf seinem Rückweg bis nach Besançon, wo er ihm Ende August Obdach gewâhrte.r6a Joller, Eggs und de Vregilie 159 Die betreffenden Konzilsakten sind verloren und nur noch als Bestätigung angehängt an eine von BischofHugo von Nevers ausgestellte Urkunde vom 5. Márz 1063 in der <Gallia christia- erhalten. Denis de Sainte-Marthø Gallia christiana in provincia ecclesiasticas distributa, 16 Bde., hier: Bd. 12: Ubi de Provinciis Senonensi et Tarentasiensi agitur, Paris 1770, Instr. 328f. (künftig unter der Sigle <Gallia christianar>). 160 <+ Petrus Ostiensis episcopus legatus Romanæ ecclesiæ trmavit. + Richerius Sennensis archiepisc. firmavit. + Ugo archiepiscopus Bisuntinus ûrmavit- Ermenfredus Sedunensis episcopus ûrmavit. Signum Haimonis archipræsulis Bituricensis.> Gallia christiana (Anm. 159), Bd. 12, na>> Instr. 328. (Anm. 19), S. 66f. 162 Ygl. Gresser, Die Synoden (Anm. 142), S. 70. 1.61 Ygl. Schieffel, Legaten des Kardinalbischofs, dass es sich bei dem bisontinischen Erzbischof um einen ehrwürdigen und sehr eloquenten Mann handle, der unter den anwesenden Prälaten dem Kloster Cluny als einziger seinen Besitz nicht missgönnte. Ygl. Gerhard Schwartz, Adolf Hofmeister, De Gàllicâ.Petri Damiani profectione (MGH SS 30/2), Leipzig 193 4, S. I 034-1046, hier: S. 104 4, Z. 33 17. 164 In einem Briefan Hugo aus dem Jahr 1064 erinnert Petrus Damiani an seinen Aufenthalt, lobf den Erzbischoffür seinen Lebenswandel und seine sakralen Bauten und ruft dazu auf, der Unsitte von Klerikern und Mönchen, w?ihrend der Messe nt sitzen, entgegenzuwirken. YgL Kurt Reindel (Hg.),Die Briefe des Petrus Damiani, Tl. 3: Nr. 91-150 (MGH Briefe der dt. Kaiserszeit 4,3), München i989, Ep. 111,5.246-258. i63 So heisst in einem Bericht eines mitreisenden Schülers . 202 gehen davon aus, dass sich auch Ermenfried den beiden Prälaten anschloss.r65 Zu dieser Zeit spaltete das Schisma des Bischofs Cadalus von Parma, der vom deutschen Hof zum Gegenpapst Honorius II. erhoben worden war, die Kirche. Da dieser versuchte, seinen Anspruch gegenüber Alexander II. mit Gewalt durchzusetzen, konnte Petrus Damiani nur unter Geleitschutz nach Italien zurückkehren.r66 Nach de Vregille verfasste er in Besançon, vielleicht sogar auf Initiative Hugos und Ermenfrieds hin, einen Brief an Erzbischof Anno von Köln, in dem er diesen dantaufríef, für die Beendigung des Schismas zu sorgen.r6T Auf seinem Räckweg über die Alpen soll ihm der Bischof von Sitten zum Schutz vor Angriffen von Anhängern des Cadalus sein Geleit gegeben haben.r68 Dies lässt sich jedoch erstens von keiner Quelle belegen,r6e zweitens hielt sich Ermenfried auch nach der Abreise des Kardinalbischofs in Besançon auf, um dort mit den Bischöfen Quiriac von Nantes und Hugo von Troyes der Gründung des Kapitels von Sainte-Madeleine de Besançon beizuwohnen.lTo Wenn er Petrus Damiani also sein Geleit gab, tat er dies nicht persönlich. Die Ereignisse im Gefolge der Synode von Chalon-surSaône verleiteten einige Exponenten der älteren Forschung dazu, Ermenfried von Sitten einen vertrauten Umgang mit Petrus Damiani zuzuschreiben, der durch die Queilen so nicht bestätigt werden kann. Die Geschehnisse im Sommer des Jahres 1063 zeigenjedoch, dass Ermenfried nach'wie vor als Begleiter seines Mentors Hugo auftrat und sich wie dieser nicht mit dem Gegenpapst Honorius, sondern mit den Kirchenreformern um Papst Alexander II. solidarisierte. Ermenfrieds Aufenthalt in Besançon \Ã/ar das letzte verbürgte Treffen mif Erzbischof Hugo, der am 27. Juli 1066 verstarb.t7t Kurz zuvor hâtte Ermenfried im 165 Ygl. Joller, Hermenfrid (Anm . 9), S. 369; ESSs, Bischof Ermenfried (Anm. 7), S. 4l; De Vregille, Hugues (Anm. 13), Bd. 1, S. 304f. 166 ZumCandalus-Schismavgl. Schmidt, Alexa¡derII. (Anm. 19), S. 104-133. 167 Ygl. De Vregille, Hugues (Anm. 13), Bd. 1, S. 317f. In dem betreffenden Brief schrcibt Reindel, Die Briefe (Anm. 164), Ep. 99, S. 98,2.3 nrr, dass zu dieser Zeit <In expeditionis exercitio> war. Die Annahme, dass auch Ermenfried aufdiesen BriefEinfluss genommen hatte, wi¡d von Coutaz,Ermenfroi (Anm. 14), S. 150, bekräftigt: (Il parâît avoi¡ été à lbrigine avec Hugues de Salins de la lettre que Pierre Damien écrivit en 1063 à Anno, archevêque de Cologne, et inspi- rateur de la politique impériale.> AufBestrebe:r Annos wurde Alexander IL schliesslich vom deutschen Episkopat âls legitimer Papst anerkannt. Das Cadalus-Schisma war damit beendet. Ygl. Schmidt, Alexander II. (Anm. 19), S. 132f. 168 Ygl. Joller, Hermenfrid (Anm. 9), S. 369. 169 In einer.r Brief an die Mönche von Cluny beschreibt Petrus Damiani ruckblickend lediglich die Mühen bei der Uberquerung der Alpen und die ständige Gefahr, von Anhängern des Cadalus angegriffen zu werden.Ygl. Reindel, Die Briefe iAnm. 16a), Ep. 100, S. 101,2.22 - S. 102, Z. 17. 170 Auguste Castan, Les origines de la commune de Besançon, Besançon 1858, Doc. IV S. 143f. Diese Tatsache ist nur durch eine im 12. Jh. ve¡fasste Beglâubigungsurkunde nachzuweisen. Vgl. De Vregille, Hugues (Anm. l3), Bd. 1, S.323-t25; Huber, Der sogenannte <Grosse Reliquienschreinri (Anm.4), S. l5; Coutaz,Ermenfroi (Anm. 14), S. 150. 171 Ygl. De Vregille, Hlgtes (Anm. l3), Bd. 1, S. 335. 203 F" ¡ Johannes Luther April/Mai 1066 als einer der wenigen burgundischen Bischöfe an der Ostersynode Papst Alexanders II. in Rom teilgenommen - nach de Vregille in Vertretung für den nicht mehr reisefähigen Hugo.t?2 Nach dessen Tod musste Ermenfried ohne seinen Förderer auskommen, die Ereignisse nach 1066 zetgen allerdings, dass sich der Bischof von Sitten in der Reformgruppe um Papst Alexander II. etabliert hatte. Er gehörte nun quasi als <<Nachfolger> Hugos von Besançon zu den wenigen de¡ Papst nahestehenden Prälaten, die ihren Aufgabenbereich nicht direkt in Rom hat_ ten.173 In den Jahren 1066 bis 1070 sollte nun Ermenfried mit der grossen Aufgabe betraut werden, die englische Kirche nach der Eroberung der Insel durch die Normannen im Sinne der Kirchenreform neu zu ordnen. 3.5 Beziehung zu den Anglonormannen Bereits am Konzil in Lisieux war der Bischof von Sitten mit den kirchenpolitischen Verhältnissen in der Normandie vertraut geworden. Herzog Wilhetm, der sich naeh seinem Sieg über Harold Godwinson in der Schlacht von Hastings im Dezember des Jahres 1066 ntm König von England krönen liess, stand der normannischen Kirche als Fürst vor.rTa AIle wichtigen kirchenpolitischen Entscheidungen liefen über ihn, die Stimmen des Papstes und seiner Legaten zâhlten in dem Umfang, wie sie dem Eroberer von Nutzen vr'aren. Hanna Vollrath umschreibt die Situation treffend: <Als Herzog der Normandie hatte sich Wilhelm sehr aufgeschlossen gegenüber Forderungen gezeigt, die aufeine moraiische Besserung von Kirche, Klerus und Klosterwesen zielten.In diesem Sinne hatte er sich den Ruf eines Reformers der normannischen Kirche erworben. Allerdings sollte nach seinen Vorstellungen <Reform> ihre Grenzen dort finden, so seine Rechte als Herrscher berührt wurden.>>17s Wilhelm nutzte die Kirchenreform zur Stabilisierung seiner Herrschaft. Er verfolgte dabei die Idee einer partiell reformierten Eigenkirche.iT6 So hatte es der Herzog bereits in der Normandie gehandhabt, so versuchte er es nun auch als König in England durchzusetzên. Dieser Umstand muss beachtet werden, wenn Ermenfrieds wirken als päpstlicher Gesandter in der Normandie (1067) und England (1070) korrekt bewertet werden soll. 3.5.1 Die Kirchenreform in der Normandie von der Legation in der Normandie berichtet ein in den <Acta archiepiscoporum Rotomagensium> überlieferter Brief von papst Alexander II. an Bischãf Johannes von Avranches.rT? Im August r06i war Erzbischof Maurilius von Rouen verstor_ ben, den wilhelm nach der Deposition des Mauger in Lisieux zum Metropoliten ernaîrrthatte. Nun bat der HerzogAbt LanfranJvon Saint-Étieno. ¿. cuãn, ¿i" würde des Erzbischofs anzunehmen. Lanfranc wies die Ernennung zurück und schlug stattdessen den Bischof von Avranches vor. Dieser nahm die wahl nur unter der Bedingung an, dass sie vom papst legitimiert werde. Darauftrin reisten Lanfranc und Ermenfried, der sich zu dieser Zeit aus unbekannten Gründen in der Normandie aufhielt, nach Rom und erstatteten dem papst Bericht.lTs Dieser for_ derte den Bischof von Avranches zur übernahme des Amtes auf und sandte ihm Legaten', die ihm <über unsere übrigen geheimen Begierden und wünsche>y'7egemeint sind sicherlich die Ideen der Kirchenreform unterrichten sollten. Nach Schieffer kann Ermenfried <mit großer wahrscheinlichkeit)y's0 zu diesen Legaten, die mit allen Aspekten der päpstlichen Reformpläne vertraut waren, gezählt werden. Johannes von Avranches nahm in der Folge die wahl an und konnte spätes^ tens seit Dezerrber 7067 seine Aufgabe wahrnehmen.rsr 'wohl in dieser Zeit entstand auch die <penitential ordinance of Ermenfrid of sion>,182 eine StraÊ und Bussordnung für die Invasionstruppen unter wilhelm AAR (Anm. 136), S' 40f. In de¡ Literatur zu Bischof Ermenfried berichten nr De Vregille, Hugues (Anm. l3), Bd. 1, 3.253, und Huber, Der sogenannte <Grosse Reliquienschreinr> (Ann.4), S. 15, von der Legarion. Für Weiterfüh¡endes zur Legation vgt. Sclri;ff"i, i;gúen (Anm- 19), s.79f.; Richard Ailen, <aproud and headstrong Man>.lohn ofivry, Bisr,opof Åranches and Archbishop ofRouen, 1060-1079, in: Historical Research g3 (2010j, s . ßí-zzl,bier: 177 Vgl. 178 Mai 1066 von Papst Alexander II. ausgestelltes Exemtionsprivileg für die Abtei Saint-Denis belegt. Vgl. Rolf Grofe, Papsturkunden in Frankreich, Neue Folge 9. Diözese Paris II: Abtei Saint-Denis (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, philol.-hist. Klasse III/225), Göttingen 1998, Nr. 18b, S. 121124. Gemeinhin dâtiert die Forschung die Synode auf das Jahr 1065. Gresser, Die Synoden (Anm.142), S. 77f., kannjedoch überzeugend vorrechnen, dass 1066 wahrscheinlicher ist. 773 Ygl. Schnzidt, AlexanderII. (Anm. l9), S. 154. 174 Ygl. Barlow, The English Church 1066*1154, London 1979, S. 56f. 175 Vollrath, Der Investiturstreit (Anm. 154), S. 227. 176 Ygl. Díeter Berg England und de¡ Kontinent. Studien zur auswärtigen Politik der anglonormannischen Könige im 1 I. und 12. Jahrhundert, Bochum 1981 5.439-441. 172 YgL ebd. Ermenfrieds Teilnahme ist durch ein am 6. 204 s.203¿07. In dem Brief an den designierten Erzbischof von Rouen schreibt Arexander iI., dass ihn der Bischofvon Sitten uüd Abt Lanfranc über die Geschehnisse informiert haben: <Dåstituta Rothomagensi Ecclesia pastore, comperimus Sedunensis episcopi et Lanfranci abbatis relatione te ex electione principis tui dilectissimi ûlii nostri Guillelmi relis Anglorum, ob vitae et morum probitatem, ad majorem sedem promovendum, si ex âuctoritatã sedisãpostolicae fuerit assensus, cui Deo auctore praesidemus.> AAR (Anm. 136), S. 40. 179 Ebd.: (De caetero secretiorem animi nostri voluntatem [..1.> übersetzung des Verfassers. 180 Schieffer, Legaten (Anm. 19), S. S0. 181 Ygl. Allen, John of lvry (Anm. 177), S. 203. 182 Garnett,.Conquered Engrand (Anm. 2r), s. 5. Die Strafordnung wurde von cowdrey ediert und _ lgsnrochen' YgL cowdrev,Bishop (Anm. r2),s.233-2.42(Ediiion: s.24rf.). vgl. auch Gerrard, The Military (Anm. 2t), S. 108, 147f.,225,235f. 20s Johannes Luther dem Eroberer, die im Zuge der Eroberung Englands aufenglischem Boden BIut vergossen hatten. urheber der strafordnung waren die Bischöfe der Normandie. Sie hatten den normannischen Truppen Bussen für die Tötungen auferlegt, die während der Schlacht von Hastings sowie vor und nach der Krönung Withelms im Dezember 1066 begangen worden waren, wobeije nach Zeitpunkt der Tat unterschiedlich harte beziehungsweise milde Bussen auferlegt wurden. Ziel der <pe_ .wilhelms nitentiab) war es, nach Krönung die öffentliche ordnung wiederherzustellen und die Herrschaft der Normannen zu stärken. Tötungen wurden nun härter bestraft, ausser wenn ihnen Angelsachsen zum Opfer fieten, die sich gegen die Herrschaft des normannischen Königs gestellt hatten.ts3 Ermenfried bestatlgte die Strafordnung kraft seines Amtes als päpstlicher Legat nach Garnett wohl schon während seines Normandie-Aufenthaltes im Jahr 1067, da sie 1068 in Eng_ land bereits Anwendung fànd.184 3.5.2 <Das Werkzeug des Eroberers>: Die zweite Englandmíssion Aufgrund seiner Erfahrung, die er bei seinen Legationen in der Normandie und auf seiner Englandmission 1062 gesammelt hatte, war es dann auch Ermenfried von Sitten, der von Papst Alexander II. im Frühling des Jahres 1070 in Begleitung von zwei weiteren päpstlichen Gesandten zwecks einer neuerlichen Legation nach England geschickt wurde. Dort wohnte er am 4. April in der Kirche zu'Winchester zunächst der zweiten Krönung Kõnig Wilhelms und am 11. April am selben Ort einem Konzil bei.rss Am 23.Mai folgte ein weiteres Konzil in Windsor,'86 danach reiste Ermenfried im Auftrag von Pápst und König in die Normandie, um dort im 183 Ygl. Garnett, Conquered England (Anm. 2Ð, S. 5f. 184 Vgl. ebd., S.. 5: <According to William of Jumièges [...] the English conspired to slay the Norman troops in a surprise attack during Lent 1068, <while the soldiers according to the custom ofpe- nance in Christian religion, incautiously and barefooted hastened to church>.> 185 Fär die K¡önung in Winchester vgl. Marjorie Chibnall (Hg.), The Ecclesiastical History of Orderic Vitalis, 6 Bde. (Oxford Medieval Tëxts), hier: Bd. 2: Books III and IV Oxford 1969,5.236; Margaret Gibson, Vita Lanfranci, in: Onofrio,Lanfuanco (Anm. 21), S. 682f. Für das Konzil von Winchester vgl. Helen Clover, Margaret Gibson (Hg), The Letters ofLanfranc Archbishop of Canterbury (Oxford Medieval Texts), Oxford 1979,F;p.2; Chibnall, O¡deric Vitaiis (Anm. 185), Bd. 2, S. 236-238; Darlington/McGurk/Bray, The Chronìcle (Anm. i53), Bd. 3, S. 10-1.2, Nîcolas E.S.A. Hamilton (Hg), William of Malmesbury, De Gestis Pontificum Anglorum Libri quinque (Rerum Britannìcarum medii aevi scriptores 52), London 1870, S. 37. 186 YgL Clover/Gibson, The Letters (Anm. 185), Ep. 7; Darlington/McGurk/Bray, The Chronicle (Anm. 153), Bd. 3, S. 13-19; Chibnall, Orderic Vitalis (Anm. 185), Bd. 2, S. 236: Gibson, Yita Lanfranci (Anm. 185), S. 682f. Ordericus Vitalis und die <Vita Lanfrancir> unterscheiden nicht kla¡ zwischen den beiden Konzilien- 206 [ugust aufeiner Synode Abt Lanfranc von Saint-Étienne de Caen zum Erzbischof y6¡ Canterbury zu ernennen.187 Die Quetlen zu dieser z\ileiten Englandmission sind ungleich zahlreicher als die zu den vorhergehenden Gesandtschaften; entsprechend breit wurde diese von der Forschung besprochen.rs8 Vor allem die Walliser Historiographie bescheinigt Ermenfried, dass er mit der Legation von 1070 den Höhepunkt seiner kirchenpo- ltischen Karriere erreichte und während der Ereignisse eine ausserordentliche Roile spielte.r8e Dem ist entgegenzusetzen, dass Ermenfried nicht alleine nach England reiste, sondern zeitweilig von zwei Autoritäten aus Rom, den Kardinal- priestern Petrus und Johannes Minutus begleitet wurde.leo Zumindest zu Beginn der Legation spielte Ermenfried wohl eine untergeordnete Rolle.'e' Hinzu kommt die Bemerkung Cowdreys, dass die wenigen zeitgenössischen Quellen zu den Ereignissen, mit Ausnahme eines Briefes von Lanfranc, den Namen Ermenfrieds nicht nennen. Erst die Chroniken aus dem 12. Jahrhundert sprechen von einer Teilnahme des Sittener Bischofs an der Mission.le2 Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass Ermenfrieds Anwesenheit in England erst im Nachhinein hinzugedichtet wurde, sondern dass sein Anteil an der Legation aufgrund der späten Überlieferung zumindest vorsichtig ber.vertet werden mus s. Ygl.Cloven/Gibson,TheLetters(Anm. 185),Ep. 1;Chîbnall, Orde¡icVitalis(Anm. 185),8d.2, s.2s2¿54. 188 Für Literatur.mit Fokus auf das Wirken Ermenfrieds bei dieser Legation vgl. bes. Joller, Hermenfrid (Anm. 9), S. 41Sf.; Cowdrey, Bishop (Anm. 12), 5.229J.31; Liebeskind, Un prélat 187 189 190 191 192 (Anm. 11), S. 418f. Fùr allgemeine Úberblicke zu den Konzilien und Beschlüssen der päpstlichen Legation in England vgl. Barlow, TheBnglish Church (Anm. 174), S. 57-62, 105-107; Dorothy llhitelock, Martin Bretî, Christopher N.L. Brooke, Cowclls & Synods with other Documents relating to the English Church. A.D. 87t-1204,2 Bde., hier: B'd.2: 1066-.1204, Oxford 1981, S. 563-581 (mit Quellenauszigen); Berg, England (Anm. 176),5.439-443; Cowdrey, Lanfranc (Anm. 21), S. 447-456; Vollrath, Der Investiturstreit (Anm. I 54), S. 222-227. So schreiben z.B. sowohl Eggs, BischofErmenfried (Anm. 1), S. 41, als auch Carlen, Bischöfe (Anm. 5), S. 201, dass es mit grosser Wahrscheinlichkeit Ermenfried war, der dem Eroberer im Namen des Papstes die Krone aufden Kopf setzte. Ygl. Ilhitelock/Brett/Brooke, Councils (Ann. 188), S. 564. Bei Johannes Minutus handelte es sich höchstwahrscheinlich um den Kardinalpriester von Santa Maria in Trastevere, während Petrus mögiicherweise mit Kanzler Petrus von San Grisogono in Trastevere zu identitzie¡en istZu diesen Persönlichkeiten vgl. Rudolf Hüls- Kardinäle, Klerus und Kirchen Roms, i049-1130 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instrtuts in Rom 48), Tùbingen 1,977, S. 170f., 187f. YgL Whitelock/Brett/Brooke, Councils (Anm. 188), S. 564. Ygl. Cowdrey, Bishop (Anm. 12), 5.229. Dem entspricht die Tatsache, <iass in der ältesten erhaltenen Quelle, die aufdas Konzil von Winchester rekurriert, einem Briefan BischofWulfstan von Worcester, nur von den beiden Kardinälen Johannes und Petrus die Rede ist. Vgl. Whitelock/ Bretî/Brooke, Councils (Anm. 188), S. 564. Selbst der BriefLanfrancs aus dem Jahr 1012/73,in dem er dem Papst von seiner Ernennung durch den Bischof von Sitten berichtet, erwähnt nícht explizit, dass die Legaten aus England in die Normandie kamen. Vgl. Clover/Gibson, The Letters (Anm. 185), Ep. 1, Z. 9-17. 207 Johannes Luther wilhelm der Eroberer hatte über drei Jahre ge¡¡/afiet, bevor er den papst bat, Legaten nach England zu schicken, um ihm bei der Neuordnung der englìschen Kirche zu helfen. Papst Alexander IL unterstützte die sache des ErobÃrs. Im Jahr 1066 hatte er diesem als Zeichen seines Beistandes noch die petersfahne zu_ gesandt.re3 Nach seiner ersten Krönung im Dezember 1066 stützte sich wilheÌm bei der organisation der englischen Kirche zunächst aufdie alten Eliten. solange er mit Aldred von York noch über einen angelsächsischen Erzbischof in England verfügte, beliess er den für die Reformpäpste untragbaren stigand von canteibury im Amt. Nach dem Tod Aldreds am 11. september 1069 wurde die ambivalente Rolle Stigands offenbar zu schwierig, und der König liess die Legaten des papstes ins Land, um die Reorganisation der englischen Kirche einzuleiten.rea Nach den an ostern abgehaltenen Krönungsfeierrichkeiten in winchester, bei denen <ihm [wilhelm] die Kardinäle der Römischen Kirche feierlich die Krone aufsetzten>>,1es erfolgte eine woche später auf dem Konzil von winchester die Absetzung einer Reihe von angelsächsischen prälaten. Neben dem unzumutbar gewordenen stigandre. wurden auch die Bisch<ife Leofwine von LichfieldreT und Æthelmær von Elmhamres sowie einige Äbte ihres Amtes enthoben. Johannes von worcester berichtet überdies, dass Bischof wulfstan von worcester während die_ ser synode Ländereien einforderte, welche sein Bistum unter Aldred. von york verloren hatte, und diese auch tatsächlich zurückerstattet erhielt.iee Nach der Absetzung Stigands war fìir die beiden Kardinäle Petrus und Johannes der für die Kirchenreform wichtigste Teil ihrer Mission abgeschlossen. Sie kehrten nach dem 1 1. April nach Rom zurück und überliessen es dem Bischofvon Sitten, rveitere Absetzungen vorzunehmen. ZumKonzil, das unter Ermenfrieds Leitung am 23. Mai 1070 in windsor ab- gehalten wurde, liefert Johannes von worcester die präzisesten Informationen.2o0 Anscheinend war es wilhelm, der trotz der formalen Leitung Ermenfrieds die Abund Einsetzungen an der synode durchsetzte. zahlreiche angelsächsische prälaten wie etwa Bischof Æthelric von selsey wurden ihres Amtes enthoben. Durch 193 Yg1. Cowdrey, Lanfranc (Anm. 21), S. 449. 194Ygl. dazu Barlow the English church (Anm. 174), s.57; whitelock/Brett/Brooke, councils (.A.nm. 188), S. 564. 195 ([...] ubi cardinales Romanæ æcclesiæ coronam ei solieniter irnpsosuerunt.) Chibnall, Orderic Vitalis (Anm. 185), Bd. 2, S. 236. übersetzung des Ve¡fassers. vgl. ebd., s- 236; Darlington/McGurk/Bray, The chronicle (Anm. 153), Bd. 3, s. 12; Hamirton, william of Malmesbury (Anm. 185), S. 37; Gibson, yitaLanfranci (Anm. 1g5), s. 6-g3. ordeÈ cus Vitalis verlegt die Absetzung Stigands aufdas Konzil von Windsor. 197 YgL C I ove r / G ib s on, The Letters (Anm. 1 85), Ep. 2, S. 3 6, Z. 3217. r98 Ygl. Darlington/McGurk/Bray, The chronicle (Anm. 153), Bd. 3, S. 12. Æthelmær war der Bru196 der Stìgands. 199 Vgl. ebd. 200Vgl. ebd., S. 12-14. 208 diese Absetzungen hatte wilhelm nun die Möglichkeit, loyale Kleriker aus seiner umgebung, die er für ihre Dienste belohnen wollte, zu Bischöfen zu erheben.2'r So ernannte er - über Ermenfrieds Zustimmung mit päpstlichem segen - den Ka- noniker Thomas von Bayeux zum Erzbischof von york, seinen Kapelan walkelin zum Bischof von winchester sowie die Kapelane Arfast und stigand zu Bischöfen von Elmham und Selsey (später chicester). papst Alexander II. zeigte sich in einem Briefdurch diese raschen Ab- und Einsetzungen wenig erfreut, da sie nicht nach kanonischem Recht erfolgt waren.202 wilhelm wusste die Einstellung des Legaten Ermenfried, wonach die Kirchenreform in enger Absprache mit dem w-eltlichen Machthaber erfolgen sollte, geschickt auszunutzen. so lautete schon das urteil Jollers, dass der Bischof von sitten und seine synode aus Sicht der Kirche <<von dem vorwurfe kaum freizusprechen [sind], zu geschmeidige werkzeuge in der Hand des gewaltigen Erobe- rers gewesen zu sein>>.203 3.5.3 Die Ernennung ErzbischofLanfrancs von Canterbury Die Zusammenarbeit zwischen König und Legat fand ihren Höhepunkt schliesslich darin, dass Ermenfried in die Normandie reiste, um dort an einem im August 1070 abgehaltenen Konzil Lanfratc zur ûbernahme der Metropolitenwürde von canterbury zu überreden. wie bereits erwähnt, hatte wilhelm den Abt von saint-Étienne de caen schon 1067 zum Erzbischof von Rouen erheben wollen, nun forderte er ihn auf, Erzbischof von canterbury zu werden. Die Erhebung des reformfreundlichen Lanfrancs muss im sinne des papstes gewesen sein. An Ermenfrieds Seite reiste auch der subdiakon Hubert mit in die Normandie.2,a Ein Brief Lanfrancs an Papst Alexander IL berichtet anschaulich, wie Ermenfried und Hubert den Abt dazu brachten, das Erzbischofsamt zu übernehmen: <[s]ie versammelten die Bischöfe, Äbte und die Adligen des Landes und befahlen mir 201 Zu dieser <<Nonnannisierung> der englische:i Kirche vgl. etvr'a Barlow, The English church (Anm. 174), S. s7-62. 202 So schrieb der Papst im Oktober 1071 in einem Brief an König Wilhelm, dass Bischof Æthelric von Selsey nicht gemàss kanonischem Recht âbgesetzt wurde und somit wiede¡ in sein Amt eingesetzt werden sollte- Ygl. clover/Gibson, The Letters (Anm. 1g5), Ep. 7, s. 62,2.3016. Auch bei Johannes von worcesterfindet sich der Vorwur! wilhelm habe Æthelric <non canonice> abgesetzt. Darlington/McGurk/Bray, The chronicle (Anm. 153), S. 14. ungeachtet dessen wurde Ermenfried seine Rolle in der anglonormannischen Kirchenpolitik von pãpstlicher Seite nie zur Lâst gelegt. YgL Gerrard, Ermenfroi (Anm. 16), S. 309. 203 Joller, Hermenfrid (Anm. 9), S.419. 204 Hubert war vielleicht schon im Mai 1070 nach England gekommen, um dort mit ihm die Synode von Windsor zu leiten- Der Schluss liegt nahe, dass Ermenfried die Synode von Windsoi nicht ohne Untersrürzung aus Rom abhielt.ygl Cowdrey, Bishop (Anm. lZi,S. ZZO. 209 Luthq in ihrer Anwesenheit im Namen des apostolischen Stuhls, die Herrschaft über zur Hauptsache Streitfragen der Abtei Romans mit dem Kloster Saint-Chaffre du 2r0 Ermenfried traf in dieser Monastier sowie dem Bischof von Valence behandelt. alten Bekannten aus seiseines Mentors und einen auf den Nachfolger Synode nem präepiskopalen Leben: ErzbischofHugo II. von Besançon. Ob der Bischof von Sitten, wie auch der Suffraganbischof Gauceran von Belley, auf Anordnung des Metropoliten von Besançon an der Synode teilnahm, lässt sich nicht mehr ermitteln. Es ist die letzte Erwåihnung Ermenfrieds an der Seite eines Erzbischofs von Besançon. Nach dem Tod Papst Alexanders II. im Jahr 1073 hatte sich Ermenfrieds Rolle im päpstlichen Umfeld ausgespielt. Unter Papst Gregor VII. scheint er mit einer noch zu behandelnden Ausnahme keinen päpstlichen Auftrag mehr wahrgenomrîen nr haben. Dem Geist des frühen Reformpapsttums indes blieb Ermenfried auch im nun ausbrechendeo.Iivestiturkonflikt zwischen König und Papst treu. 3.5.4 Das Ende von Ermenfrieds Legatentätigkeit 3.6 Im Umfeid Heinríchs IV 3.6.1 Der Fürstentag von Liìttich und die Synode von Mainz die Kirche von Canterbury zu übernehmen. Es nätzte nichts, dass ich gegen dies die Schwäche meiner Kräfte und die Nichtswürdigkeit meines Charakters hervorbrachte; die Entschuldigung, dass die Sprache unbekannt war und das Volk 'Was mehr? Ich stimmte zu, ich kam Barbaren waren, bewirkte bei ihnen nichts. und i.ibernahm die Aufgabe.>>205 Trotz seiner anfãnglichen Ablehnung avancierte Lanfranc zu einem politisch klug agierenden Erzbischof, der sich sowohl der Unterstützung des Papstes, als auch derNähe zu König Wilhelm sicher sein konnte. Behutsam nutzte er das gute Einvernehmen mit dem Eroberer, um den Primatialanspruch Canterburys zu sichern und behutsame Reformen einzuleiten.206 Nach dem Bruch Wilhelms mit Papst Gregor VIL im Jahr i080 unterstützte der Erzbischofdie Defensions- und Isolationsstrategie seines Königs.207 Zu diesemZeitpunkt war Ermenfried nicht mehr für die päpstliche Englandpolitik zuständig. Nach dem Konzil in der Normandie wurde der Bischof von Sitten mit keiner neuen Legation mehr betraut. Der Subdiakon Hubert, der mit ihm in die Normandie gereist war, wurde fortan an Ermenfrieds statt als päpstlicher Legat in Wilhelms Reich geschickr. 1072 nahm er am Osterkonzil von Winchester teil, in den folgenden Jahren war er einige Male im Herrschaftsgebiet Wilhelms des Eroberers unterwegs, bis er 1080 in der Abtei Le Bec verstarb.2o8 Im Mãrz 1072, als der Subdiakon wohl schon auf dem Weg nach England war, lässt sich Ermenfried zum letzten Mal namentlich im Umfeld des Papstes nachweisen. Gemeinsam mit weiteren wichtigen burgundischen und französischen Prälaten nahm er an der zweiten, diesmal von Kardinalbischof Gerald von Ostia geleiteten, Synode von Chalon-sur-Saône teil.2oe Bei diesem Konzil wurden Seit Beginn der 1070er Jahre ûndet sich Eimenfried von Sitten nicht mehr im Umfeld des Papstes, dafürjedoch vermehrt in demjenigen des jungen Salierkönigs Heinrich IV. Der Bischof von Sitten schlug sich in dem allmählich eskalierenden Investiturkonflikt zwischen dem König und Papst Gregor VII. - anders als seine transjurassischen Mitbischöfe Burchard von Lausanne und Burchard von Basel - nur zögernd auf die Seite des Salierherrschers. Bereits bei der Ernennung und Weihe Bisc-hof Gundekars von Eichstätt im Jahr 1057 waren sich Ermenfried und der damals siebenjlihrige Heinrich begegnet. Seit 1065 herrschte der Salier ohne Vormundschaft.2r' Ermenfried, der nach seinen intensiven Legatentätigkeiten im Dienste des Papstes jetzt seinem Amt als Bischof von Sitten und Graf des Wallis nachkommen musste, versuchte nun vielleicht bei seinem mündig gewordenen Lehnsherrn vorstellig zu werden. 205 <[E]piscopus abbates eiusdemque patriae nobiles conueire fecerunt, atque in eorum presentiå ut Cantuariensem aecclesiam regendam susciperem ex apostolicae sedis auctoritate preceperunt. Aduersus hoc imbecillitas mearum uirium morumque indignitas prolata in medium nichil profuit, excusatio incognitae linguae gentiumque barbararum nullum apud eos locum i:ruenire praeualuit. Quid plura? Assensum prebui, ueni, suscepi.> Clover/Gibson, The Letters (Anm. 185), Ep. l, S. 30, 2.14-5.32,2.21. Übersetzung des Verfassers. 206 YgL Vollrath, Der Investiturstreit (Anm. 154), 5. 228f. 207 Ygl. Berg, England (Anm. 176), S. 448. 208 Zu Huberts Legationen vgl. Cowdrey, Lanfranc (Anm. 21), S. 450. 209 Die Konzilsakten sind durch Mansi mit dem VerrÃieis <<Ex Chartario Romanensi) überliefert. Vgl. Joannes Dominicus Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, 53 Bde., hier: Bd. 20: Ab anno MLXX. usque ad ann. MCIX. inclusive, Paris 1903, Sp. 47f' Ferner berichtet eine von Papst Alexander II. ausgestellte Urkunde zugunsten der Kathedrale Sainf-Vincent de 210 Chalon-sur-Saône von der Synode. Vgl. Papst Alexander II., Epistolae etDiplomata,in: Jacques Paui Migne, Patrologiae cursus completus seu bibliotåeca universalis, integra, uniformis, commoda, oeconomica, omnium ss. patrum, doctorum scriptorum que ecclesiasticorum qui ab aevo âpostolico ad usque Innocentii III tempora floruertnt,22l Bde., hier: Bd. 146, Paris 1853, col. L379A-8. Obwohl Ermenfried die den Geschehnissen wahrscheinlich näher stehende Urkunde noch vor dem zweiten Legaten Raimbaldus unterzeichnete, war er nicht als päpstlicher Legat zugegen. 210 Ygl. Schieffe¡i Legaten (Anm. 19), S. 8i. 211 Ygl. Gerd Althoff, Heinrich lV., Darmstadt 2û06, S. 60. 21t Johannes Luther _ Im Jahr 1071 nahm Ermenfried an zwei Versammlungen im Reich teil: dem im Mai veranstalteten Fürstentag zu Lüttich2'2 und der vom 15. bis zum 18. August abgehaltenen Synode von Mainz.2r3 Im Rahmen des Fürstentags traf der Bischof von Sitten nicht nur auf König Heinrich IV., sondern auch auf eine Reihe von wichtigen Fürsten, darunter Rudolf von Rheinfelden, der in Burgund und vielleicht auch im Wallis begütert war.2la Nach Liebeskind wurde der Bischof in Lüttich Zeuge eines bei Lampert von Hersfeld geschilderten Reliquienwunders, auÊ grund dessen der König dem Kloster Stablo die unrechtmässig entzogene Abtei von Malmedy zurückgab.2rs Folgt man den Jahrbüchern von Meyer von Knonau lässt sich Ermenfried zwischen dem Fürstentag von Lüttich und der Synode von Mainz nicht im Gefolge Heinrichs IV. verorten.216 Ob und wo der Bischof bis zum August im Reich weilte, lässt sich nicht rekonstruieren. Die vom Mainzer Erzbischof Siegfried abgehaltene Synode von Mainz war eine grosse Versammlung, zu der sich neben Heinrich IV. und dem päpstlichen Legafen, ErzbischofGebhard von Salzburg, viele Vertreter des Reichsepiskopats einfanden.2tT Es wurde der Fall des Kanonikers Karl von Magdeburg behandelt, der von Heinrich IV. zum Bischof von Konstanz erhoben worden war. Dieser Erhebung haftete der Verdacht der Simonie an, weshalb der Papst nun daraufdrängte, den Vorwurf zu untersuchen. Während der Synode wurde die Verdammung von Simonie und Häresie bekräftigt, Karl verzichtete schliesslich auf seinen Bischofssitz. König Heinrich schaffte es, den Vorwurf der Simonie von sich zu weisen. Noch arbeiteten König und Kirche einvernehmlich im Sinne der frühen 11. Mai intervenierte Ermenfried als einziger Burgunder gemeinsam mit einer Handvoll Bischöfe und Fürsten in einer Schenkungsurkunde Heinrichs IV. zugunsten der Kirche von Lúttich, die als Abschrift aus dem 13. Jh. erhalten isf.Ygl. DieÍrich von Gladiss, Alfred Gawlik, Die Urkunden Heinrichs IV. (Heinrici IV. Diplomata), 3 Bde. (MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 6), Hannover 1941-1978, Nr. 242 (künftig unter der Sigle (MGH D H IV))). 2i3 Vgl. Codex Udalrici, in: Philipp Jaffé, Monumenta Bambergensia (Bibliotheca rerum Germanicarum 5), Berlin 1869, Nr. 37. Die Synodalakten fanden Eingang in den von einem Bamberger Kleriker im 12. Jh. zusammengestellten <Codex Udalrici>. Dieser wurde im 19. Jh. von Philipp Jaffé ediert und von den <<Monumenta Germaniae Historiu in die Annalen Lamperts von Hersfeld übernommen. Auf diese Version stützen sich die Forschungsbeiträge zu Ermenfried, meist jedoch ohne Verweis aufden <Codex Udalricir>. Die Originalquelle ist vorzuziehen. 214 Ygl. Heinemarn, Untersuchungen (Anm. 17), S. 95. 215 Ygl. Liebeskird, Un préIat (Anm. 11), S. 144. Die von den Mô¡chen von Stablo herbeigetragenen Gebeine des heiligen Remaclus liessen unter anderem die königliche Tafel zusammenbrechen und heilten kurz danach die dadurch zertrümmerten Beine und Füsse eines Hofbeamten. Für die Einzelheiten dieses Wunders vg7. Lampert von Hersfeld, Annalen, hg. von Oswald Holderfgg¿r unter Mitwirkungvon Adolf Schmid u:r'd Wolfuang Dielrich Fritz (Atsgewáhlte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Ged¿ichtnisausgabe 13), Darm212 Am sødr 1962, S. 142-144. 216 Ygl. Gerold Meyer von Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich rich V., 7 Bde., hier: Bd. 2: 1070-1077,Leipzig 1894, S. 69-:76. 217 Ygl. Gresser, Die Synoden (Anm. 142), S. 99-103. 2t2 IV und Hein- Kirchenreform zusammen. So schreibt Gresser treffend: <Die synodalen ziehen in keiner Weise die Worte des Königs in Zweifel und es werden auch keineriei Reinigungseide geleistet. Die allgemeine Stimmung im Verhâltnis König - Bischöfe ist (noch) sehr gut.>>218 3.6.2 Der Ausbruch des Investiturstreits Dieses einvernehmliche Klima sollte sich bald ändern. Während des Pontifikats des radikalreformerischen Papstes Gregor VII. kam es zwischen Papst und König über die Frage der Laieninvestitur zu dem Bruch, der als Investiturstreit in die .Geschichte eingegangen ist.2le Zunächst stand das Reichsepiskopat aufder Seite des saliers, an der wormser synode von 1076, an dem das Absageschreiben an papst Gregor VII. verabschiedet wurde, nahmen 26 von 34 Reichsbischöfen tei1.220 Es folgte die verhängung des Kirchenbanns über Heinrich IV. durch den Papst. Die Opposition der von den Herzögen Rudolf von Rheinfelden, Welf IV. von Bayern und Berthold von Kârnten angeführten Reichsfürsten gegen die Politik des Königs bewegte Heinrich IV. schliesstich dazu, die Loslösung vom Kirchenbann anzustreben. Es folgte der detailreich bei Lampert von Hersfeld geschilderte berühmte Gang nach Canossa in Oberit¿lien, wo sich Papst und König vorläufig wieder versöhnten.22r An diesen Ereignissen nahm Ermenfried von Sitten entgegen der von der älteren Forschung tradierten Ansichten keinen belegbaren Anteil. Im Gegensatz zu seinen burgundischen Mitbischöfen Burchard von Lausanne und Burchard von Basel ist der Bischof von Sitten zwischen den Jahren 1071 und 1079 nicht im Umfeld Heinrichs IV. nachweisbar;222 er nahm auch 1076 nicht an der besagten 218 Ebd., s. 103. 219 Grundlegend zur Frage nach dem Ausbruch des streits: Johannes Laudage, Nochmals. wie kam es zum Investiturstreit?, in'. Jarnul/Ilemhof Vom Umbruch (Anm. 128), S. 133-150' Für überblicke über den Konflikt zwischen Hein¡ich IV. und Gregor VIl. vgl. Robinson, Henry IV (Anm. 129), 5.107-170;Althoff Heinrich IV. (Anm.2i1), S- 116-195. 220YgI. Gresser, Die Synoden (Anm. 142), S. 142-147; Althoff Heinrich IV (Anm. 211), S' 135-139' 2Zl Ygl. Lampert von Hersfeld, Annalen (Anm' 215), S. 394-412222 E¡menfried tritt zwar mit anderen Prälaten und Fürsten als Intervenient in einer auf ðen27. Mà12 i076 datierten Bestätigungsurkunde Heinrichs IV. für die Ùbertragung der Kirche Rüeggisberg an das Kloster Cluny auf; dabei handelt es sichjedoch um eine ziemlich ungeschickte Fâlschung, bei der die genannten Orte und Personen nicht kompatibel sind' Vgl. MGH D H IV (Anm. 212), Nr. 281. Siehe dazu auch die Diskussion bei Heinemann, Untersuchungen (Anm. 17), S'16-82' In der Forschung zu Ermenfried von Sitten wird das Ereignis f?ilschlicherweise vielfach als aufunstimmig. Tatsache anges ehen. Liebeskind,un prélat (enm. 11), S. i45-147 weist als erstel keiten hin und versucht, die Urkunde umzudatie¡en. Huber, Der sogenannte (Grosse Reliqùienschrein> (Anm. 4), S. 16f., rekurriert auf den Befund der Fälschung. 213 Johannes LuÍher Wormser Synode teil.223 Als Vertreter der frühen Kirchenreform,',velcher die Zu_ sammenarbeit von weltlichen und geistlichen Herrschern in Kirchenfragen befürlvortete, scheint Ermenfried eine ambivalente Rolle zwischen König und Papst eingenommen zu haben. Nach Joller zog sich der Bischof von Sitten zunächst in seine Diözese zurück, um es sich u/eder mit dem Salierherrscher noch mit dem Reformpapst zu verderben.22a Huber nahm sogar an, dass sich Ermenfried zwischen 1072 und 1079 auf eine Pilgerfahrt nach Jerusalem begab und von dort Reliquien für den Theodulsschrein in Sitten mitbrachte. Diese Vermutung lässt sich jedoch mit keiner schriftlichen Quelle belegen.22s Ebenso wenig beweisen lässt sich die bereits von Furrer aufgestellte These, Ermenfried von Sitten habe Heinrich IV. im Winter 1076177 auf seinem Weg nacþ Canossa bei der Überquerung der Alpen Hilfe geleistet.226 Joller nahm Furrers These aufund behauptete überdies, es wäre der Grosse Sankt Bernhard gewesen, den Heinrich IV. überquert habe.227 Die Forschung nimmt heute einstimmig an, dass es der schneebedeckte Mont Cenis war, den der Salier überquerte; dies vielleicht deshalb, weil ihm der Zugang zum Grossen Sankt Bernhard versperrt war.228 Nach Lampert von Hersfeld war es die Familie von Heinrichs Gattin Bertha, welche den König bei seiner Alpenüberquerung unterstätzte. Seine Schwiegermutter Markgräfln Adelheid von Turin, die Vy'itwe des Humbertiners Odo I., und ihr Sohn Amadeus gestatteten dem Salier die Reise durch ihr Gebiet und über den Pass. AIs 2238r gehörte damit wie die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen, Magdeburg und Salzburg zu dem Drittel des Reichsepiskopats, das nicht in Worms erschien. Ygl. Gresser, Die Synoden (Anm. 142), 5.143f., 147. Eine Edition des Absageschreibens von Worms findet stch,bei Carl Erdmann, Die Briefe Kaiser Heinrichs IV. (MGH Dt. MA l), Leipzig 1937 [ND: Stuttgart 1978], s. 6s-68. 224YgL Joller, Hermenfrid (Anm .9), S. 422. 225Nach Huber, Der sogenannte <Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4), S. 33, ergibt sich die These aus der Tatsache, dass das Heilige Grab aufdem Silberreliefdes wahrscheinlich während des Episkopats von Ermenfried entstandenen Reliquienschreins aussergewöhnlich prãzise dargestellt ist. 226Ygl. Furrer, Geschichte (Anm. 8), 5.65f.; Huber, Der sogenannte <Grosse Reliquiensch¡ein>> (Anm.4), S.33, merkte an, dass Furrers Behauptung einer Quellengrundlage entbehre, grúndsätzlich jedoch denkbar wäre. 227Ygl. Joller, Hermenfrid (Anm. 9), 5.422. Dies behauptet auch Eggs, Bischof Ermenfried (Anm. l), S.43. 228 Zur Route Heinrichs IV. von Speyer über Strassburg, Besançon, Gex, Genfund den Mont Cenis nach Canossa vgl. Stefan Weinfurter, Canossa. Die Entzauberung der Welt, München 22006, S. 10-15. Der Gewährsmann der Alpenüberquerung, LampeÍ von Hersfeld, schreibt indes lediglich von der Ûberquerung eines namenlosen Berges, der in der Editionjedoch als Mont Cenis ausgewiesen wird. Vgl. Lampert von Hersfeld, Annalen (Anm. 215), 5.398 Ripart, Les fondements (Anm. 20),5.452-455 vertritt die These, dass Heinrich IV. den komfortableren Grossen Sankt Bernhârd nicht überqueren konnte, da ihm die Truppen Rudolfs von Rheinfelden, der aufdem Weg dorthin Besitzungen hatte, den Weg versperrten. Die ôstlichen Alpenpässe waren nachweislich von den Herzögen von Kärnten und Bayern geschlossen worden. 2t4 Gegenleistung erhielten sie <eine überaus reiche Provinz Burgunds>>ze - gemäss Ripart handelte es dabei um den <pagus caput lacensis>, der damit endgültig in die Hande der Humbertiner fie1.230 Ermenfrieds Anteilnahme an diesen Geschehnissen lässt sich nicht ermessen, vielleicht stellte er dem König die bei Lampert erwähnten ortskundigen, mit den Alpengipfeln vertrauten Einheimischen, die diesen bei der Alpenüberquerung führten.23r 3.6.3 Die Schenkung der Höfe Leuk und Naters Die Vermutung, dass Ermenfried den König bei seinem Gang nach Canossa in irgendeiner Art und Weise unterstützt haben muss, wird in der Forschung meist mit einer Schenkung verbunden, die Heinrich IV. dem Bischof von Sitten zukommen liess. Einer am 30. Dezember 7A79 in Mainz ausgestellten Urkunde zufolge übertrug der König der bischöflichen Kirche von Sitten die Oberwalliser Höfe Leuk und Naters, welche der Bischof bisher zu Lehen gehabt hatte, mit allen Besitztümern zum freien Eigen.232 Die Schenkung erfolgte auf Intervention der Königin Bertha sowie der Bischöfe Burchard von Lausanne und Huozman von Speyer hin. Ob Ermenfried diese Höfe aufgrund geleisteter Dienste bei der Alpenüberquerung erhielt, ist fraglich; möglicherweise wurde sie dem Bischof aufgrund seiner Funktion als Vermittler zrtrischen den Anhängern von Papst und König nÍe11.233 Wahrscheinlich sind es jedoch andere Gründe, welche Heinrich zu dieser Schenkung veranlassten. Zum einen wollte sich der König dadurch den Verbindungsweg nach Italien sichern, rveshalb er treue Prälaten aus Alpenbistümern wie Altwin von Brixen, Burchard von Basel, Burchard von Lausanne oder eben Ermenfried von Sitten durch derartige Schenkungen gewogen hielt.234 Vy'omöglich hatte ihm die beschwerliche Reise über die Alpen gezeigt, wie wichtig der freieZtgangzu den Alpenpässen in Krisensituationen war. Zum anderen erfolgte die Schenkung der beiden Höfe aufgrund von Besitzansprüchen, die der Bischof von Sitten nun geltend machen konnte. Im ersten Viertel des Jahres 1079 hatte Lampert von Hersfeld, Annalen (Anm. 215), S.396: <provintiam quandam Burgundiae, bonis omnibus locupletissimam [...].> Übersetzung Adolf Schmidt. 230Ygl. Ripart, Les fondements (Anm. 20), S. 457f. 231 Lampert von Hersfeld, Annalen (Anm. 215), S. 396. 232 Die Urkunde ist als Abschrift des 16. Jhs. erhalten, allerdings mehrfach verderbt und ve¡besserungswürdig. Vgl. MGH D H IV (Anm. 212). Nr. 321. Diese Schenkung wurde von der Literatur eingehend behan delt. Ygl. v.a. Heínemann,Unterstchungen (Anm. 17), S. 95-99; Ammann, Der Hof(Anm. 20),5.123-129; Heidrich, Beobachtungen (Anm. 18), S. 270f. 233 So heisst es in der U¡kunde: <fideli nostrorum charorum fidelium defunctorum apud dominum intercessori Ermefrido Sedunensi episcopo [-..]-> Nach einer anderen Lesart muss es allerdings intercessorum stâtt intercessori heissen. MGH D H IV (Anm. 212), Nr. 321,5.421,2.32f234Ygl. Heidrich, Beobachtungen (Anm. 18), S.270f. 229 21s Johannes Luther Heinrich die besagten Höfe mit vielen weiteren Besitztümern Herzog Rudolfs von Rheinfelden an den treuen BischofBurchard von Lausanne vergeben, der in der entscheidenden Phase des Investiturkonflikts nicht von der Seite des Königs gewichen war. Das Bistum Sitten und das Kloster Saint-Maurice dAgaune lagen schon seit geraumer Zeit im Streit über den Besitz der Höfe, vielleicht nutzte Ermenfried nun die Chance, die Ansprüche Sittens auf Leuk und Naters geltend zumachen.z3s Die Tatsache, dass der Bischof von Sitten diese Höfe beanspruchte, ftigt sich nahtlos in die bereits angesprochene Phase der Pfarreigründungen im Oberwallis und legt nahe, dass sie vor allem vom Sittener Bischof gefördert wurde. Der Stuhl von Sitten vermochte allerdings die Höfe Leuk und Naters nicht zu halten, denn gegen Ende des 11. Jahrhunderts scheinen sie wieder an Saint-Maurice und damit in die Hände der Humbertiner gefallen zu sein.236 3.6.4 Ermenfried von Sitten als Vermittler zwíschen Papst und König? Auch nach dieser Schenkung ist bei Ermenfried von Sitten im Konflikt zwischen Papst und König keineswegs eine unumschränkt königstreue, sondern vielmehr eine ambivalente Haltung zu attestieren. Dies steht im Gegensatz zur Behauptung Liebeskinds, wonach Ermenfried von Papst Gregor VII. wegen seiner saliertreuen Haltung sogar von seinem Arnt entfernt wurde.237 Ausgangspunkt dieser These ist ein Vertrag zwischen den Äbten der Reformklöster Saint-Bénigne in Dijon und Fruttuaria bei Vercelli, wonach sich Anfang des Jahres 1080 ein päpstliches Schiedsgericht in Turin einfand, um einen Streitfall zwischen den beiden Abteien zu schlichten. Bei den Verhandlungen waren neben dem Kardinalpriester Herimann von Santi Quattro Coronati sowie der Markgräfin Adelheid von Turín auch Bischof Hugo von Die und die namenlosen Bischöfe von Grenoble, Maurienne und Sitten anwesend. Es ist unklar, ob es sich bei dem genannten Bischof von Sitten um Ermenfried oder um einen Gegenbischof handelte.238 235 YgL Heinemanr, Untersuchungen (Anm. 17), 5.95f.; Ammann, Der Hof (Anm. 20), S. 127 ver- wirft diese These mit dem Verweis, dass die an Bu¡chard vergebenen Orte Levco und Natres nicht mit den genannten Höfen idenîisch sind. Zudem gehörten diese Höfe noch bis zur Mitte des 12. Jhs. zum Besitz der Kirche von Lausanne. 236 Zumindest verfügte GrafArnadeus III. im 12. Jh. über die beiden H<ife. Erst 1142 fielen sie endgültig an die Kirche von Sitten und vr'urden Zentren der bischöflichen Verwaltung.Ygl. Ammann, Der Hof (Anm. 20), S. 130. 237 Ygl. Liebeskind,Unprélat(Anm. 11), S. 149. 238 In dem im 17. Jh. aus einem Kopialbuch der Abtei Fruttuaria entnommenem Vertrag sind sowohl der Bischofvon Sitten als auch die Bischöfe von Grenoble und Maurienne namenlos: <Scilicei He¡imanno Sanctæ Romanæ Ecclesiæ Cardinaii, & Hugone Episcopo Diensi, & Gratianopolitano, & Sedunensi, & Moriensi, & Cornitissa Adeleida, & ejus nuru, & Marchione Frederico, aliisque compluribus, ita prædictiorum Abbatum causa dilata est.> Saruuel Guichenon, Hisloire 216 Liebeskind berief sich bei seiner Behauptung auf die 1744 plblizierte Kirchengeschichte des Wallis aus der Feder des Sittener Kanonikers Sébastian Briguet, der als Nachfolger Ermenfrieds einen gewissen <Geraldus, oder Giraldus>23e aufführte, der von Gregor VII. zu den genannten Vorgängen in Turin einen Brief erhielt. Nur führte Briguet erstens an, dass dieser Bischof nach Ermenfrieds Tod im Jabr 10'74 in sein Amt gelangt war, was nicht korrekt sein kann. Zweitens hat sich der angebliche Brief Gregors VII. nicht erhalten und schon die <Gallia christiana)) fragt nach der Existenz dieser Quelle.2ao Die Annahme eines Gegenbischofs zu Ermenfried entbehrt also jeglicher Quellengrundlage, ntmal Ermenfried auch weiterhin als Bischof von Sitten auftrat. Vielmehr ist in diesem Sachverhalt die Aussage Cowdreys zu teilen, wonach <Ermenfrid's presence at Turin suggests that, as yet, he was prudently balancing his loyalties between the emperor and the papalist house of Savoy>.24r Dies deckt sich mit dem Befund, dass Ermenfried wohl auch an der im Juni 1080 abgehaltenen Synode von Brixen nicht zugegen war. Mit dieser Versammlung im südlichsten deutschen Bistum reagierte Heinrich IV. auf die wenige Monate zuvor verhängte Exkommunikation durch Papst Gregor VII. Zusammen mit zahlreichen Bischöfen erklärte der Salierherrscher den Papst für abgesetztund nominierte mit dem Erzbischof Wibert von Ravenna einen Gegenpapst.2a2 Auf dem abschliessenden Synodaldekret finden sich die Unterschriften der Bischöfe von Chur und Lausanne; diejenige des Bischofs von Sitten fèh1t.243 Vielleicht war Ermenfried anwesend und entzog sich, ähnlich wie Bischof Benno II. von Osnabrück, der Unterzeichnung des Dekrets, um weder König noch Papst zu verprellen.2aa Für généalogique de la royale maison de Savoie,4 Bde., hier: Bd. 4, Lyon 1660 IND Turin 1780], S. 19. Liebeskind ausgenommen nimmt kein Forscher an, dass es sich bei dem genannten Bischofnicht um Ermenfried von Sitten handelte. 239 Sébastien Briguet, Yallesia christiana seu dioecesis sedunensis historia sacra, vallensium episcoporum serie observâtâ, addito in ûne eorumdern syllabo, Sitten 1744, S. 143: <Gerardus, alijs Giraldus>. 240 So heisst es dort: <Sed ubinam est illa epistola. quam nullibi reperire potuimus?> Gallia christiana (Anm. 159), Bd. 12, Sp.74I. 241 Cowdrey, Bishop (Anm. 12), 5.233. Ob sich die Humbertine¡ zu dieser Zeit in der Tat als <papalist house> definieren lassen, ist fraglich. So strich Elke Goez jüngst heraus, dass Adelheid von Turin im Umgang mit den Kirchenreformern eine sehr individuelle Haltung einzunehmen pflegte und sich, wie Ermenfried, auch Kontaktkanäle zu saliertreuen Prälaten offenhielt. Vgl. Elke Goez, Mìt den Mitteln einer Frau? Zur Bedeutung der Fürstinnen in der späten Salierzeit, in: Clauãia Zey (Hg.), Mächtige Frauen? Königinnen und Fürstinnen im europäischen Mittelalter (1I.-14. Jahrhundert) (Vorträge und Forschungen 81), Ostfildern 20i5, S. 307-335, hier: S. 320f. 242 Zur B¡ixener Synode und ihrer Vorgeschichte vgl. Gresser, Die Synoden (Anm. 142), S. 193¿10. 243 Vgl. das Synodaldekret bei Erdmann, Die Briefe (Anm. 223),5.72. 244 Gemäss seinem Biographen Norbert von Iburg versteckte sich de¡ Bischof von Osnabrück unter dein Altar der Brixener Domkirche, um keine Unterschrift leisten zu müssen. Vgl. ly'oråerf von Ibung, Vita s. Bennonis II episcopi Osnabrugensis, hg. von Hatry Biesslaz (MGH SS rer. Germ.56), Hannover 1902 IND 19771,5.24. 217 Johannes Gresser wäre dies ohne weiteres möglich, scheint die Unterzeichnungszeremonie angesichts der wirren Reihenfolge aufdem Synodaldekret doch sehr unordentlich verlaufen zu sein.245 Nach den Ereignissen in Turin und Brixen hielt sich Ermenfried wieder im umfeld des Salierkönigs auf. Zwei Urkunden - eine ausgestellt im April 1082 in Albano, die andere am 13. september 1087 in Vevey2a6 - berichten, dass Heinrich IV. den Bischof von Sitten Anfang der 1080er Jahre zum Kanzler von Burgund ernannt hatte. Damit übernahm der Bischof von sitten eine Aufgabe, die seit dem Tod seines Mentors Hugo von Besançon im Jahr 1066 vakant gewesen war. In beiden Urkunden wird Burchard von Lausanne als Kanzler von Italien genannt. Dieser hatte das Amt wegen seiner unerschütterlichen Treue im Konflikt zwischen Papst und König erhalten.2aT Es ist also anzunehmen, dass auch Ermenfried die würde des Kanzlers aus Grtinden der Loyalität erhalten hatte. Môglich ist auch, dass der Bischof von sitten dieses Amt erhielt, um als vermittler zwischen den burgundischen Grossen und dem Salierkönig zu fungieren. Sowohl der burgundische Adel als auch die burgundische Geistlichkeit stand mehrheitlich auf der Seite Gregors VII.248 Im Gegensatz zu Burchard, der sich zusammen mit den Bischöfen von Basel und strassburg auch als Heerführer in den Dienst des Salierkönigs steilte24e und sich aufgrund seiner Taten in den Chroniken propäpstlicher Zeitgenossen sogar den Titel eines Antichristen auf dem Bischofsstuhl zuzog,250 fand Ermenfrieds saliertreues Handeln keinen Eingang in die Aufzeichnungen der Chronisten. Der Bischofvon Sitten scheint zurückhaltender als der Bischofvon Lausanne gewesen zu sein, vielleicht haben sich deswegen auch keine Polemiken gegen ihn erhalten. Burchard von Lausanne verteidigte die Sache seines Königs bis zum Letzfen, er starb exkommunizieft am24. Dezember 1089 in der schlacht von Gleichen.25r 245 So Gresser, Die Synoden (Anrn. 142), S. 210 wörtlich: <<In dem Gedrânge um das Dekret konnte sich der eine oder anclere wohl von der Bildfläche stehlen, ohne daß dies bei den ande¡en Bischöfen auf Widerspruch gestoßen wäre.> 246 Vgl. MGH D IIIV (Anm. 212), Nr. 344, 397. Beide Urkunden sind nur in Abschriften überliefert. 247 y!1. Jean-Daniel Morerod, Genèse d'une principauté épiscopale. La politique des évêques de Láusanne (IX"-XI\¡ siècle), Diss. Lausanne 1995 (Bibliothèque historique vaudoise 116), Lausanne 2000, S. 123. 248Ygl. Jacob, Le royaume (Anm. 17), S. 80. 249yll. Morerod, Genèse (¡nm.247),5. IZ3.Im Kampf Heinrichs IV. mit dem Gegenkönig Rudolf ro¡ Rh"inf.ld"n belagerten und eroberten die drei genannten Bischöfe mit Zùrich einen der \Ã/ichtigsten Orte des Gegenkönigs. 250 So heisst es bei Bernold von Konstanz, Chronik, in lan Stuart Robinson, Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bernolds von Konstanz. 1054-1100 (MGH SS rer. Germ. N.S, 14), Hannover 2003, S. 385-540, hier: s. 474,2.1f.: <Losannenis non tam episcopus quam antichristus). et 251Ygl. Gilbert coutaz,B:urcard d'oltingen, 1056-1089, in: Helvetia sacra I/4: Archidiocèses diocèses. Le diocèse de Lausanne (VI; siècle-1821), de Lausanne et Genève (1821-1925) etde 218 3.6.5 Der Kanzlervon Burgund Trotz Ermenfrieds behutsamen Taktierens im Konflikt zwischen Papst und König impliziert die Nennung seines Namens in der Urkunde in Albano, dass sich der Bischof von Sitten zumindest zeitweilig in der Umgebung des Salierkönigs aufgehalten haben muss, als dieser Kriegszüge gegen den Papst unternahm. Bei besagtem Diplom handelt es sich um eine Schenkungsurkunde an einen Grafen Cono, die Heinrich IV. während seines zweiten Feldzugs auf Rom ausgestellt hatte. Seit Mârz 1081 befand sich Heinrich IV. in Italien. Während dieses Zeitraums marschierte er zweimal auf Rom, das er während der Fastenzeit des Jahres 1082 erneut belagerte.252 Ostern feierte der Salierkönig in Albano, gemäss Meyer von Knonau und Gresser in Anwesenheit seiner treuesten Begleiteq darunter Ermenfried von Sitten.2s3 Die Chronik von Montecassino berichtet, dass Heinrich von Prälaten umgeben war, als er an Ostern den päpstlichen Gesandten Desiderius von Montecassino empfing. Dieser weigerte sich, die in der Quelle namenlosen Bischöfe zu begrüssen und mit ihnen zu speisen, da Gregor VIL den Kirchenbann gegen sie verhängt hatte.25a Auch wenn Ermenfrieds Name hier nicht genannt wird, sein Aufleuchten in der in Albano ausgestellten Schenkungsurkunde räumt in den Bereich des Möglichen, dass auch er zumindest zeitweise unter Kirchenbann stand. Vielleicht hielt sich der Bischof von Sitten aber auch nur in Albano auf, um bei den Vermittlungen zwischen Papst und König behilflich zu sein; Desiderius schied jedenfalls trotz des angespânnten Verhältnisses in Freundschaft vom König, woraufhin dieser wohl aus Freude über diesen diplomatischen Sieg die Urkunde für den Grafen Cono ausstellte.255 Die am 13. September 1087 in Vevey ausgestellte Urkunde stellt das einzige von Ermenfried während seiner burgundischen Kanzlerschaft rekognoszierte Diplom dar.256 Das Ausstellungsdatum der Urkunde bereitete in der Forschung einige Probleme. Seit Cowdrey gilt es als sicher, dass sie tatsächlich im Jahr 1087 ausgestellt wurde.257 Die Urkunde selbst behandelt die Zurückstellung der Kirche zvLvtry im heutigen'Waadtland an das Kloster Savigny durch Heinrich IV. Dass Lausanne, Genève etFribourg (depuis 1925). Basel 1988, S. 107-109, hier: S. 108. 252ZlrHeinríchs Romzug vgl. Meyervon Knonau, Jahrbucher (Anm. 216),8d.3: 1077 (Schluß)I}8{,Leípzig 1900, S. 432-446; Robinson, Henry IV (Anm. 129),5.211¿35. 253Ygl.MeyervonKnonau, Jahrbücher(Anm.2i6),Fð.3,5.441;Gresser,DieSynoden(Anm. 142), s.219. 254Ygl. Hartmut Hoffmann, Die Chronik von Montecassino (Chronica monâsterii Casinensis) (MGH SS 34), Hannover 1980, S.432. 255 Ygl. Meyer von Knonau, Jahrbücher (Anm. 216), Bd. 3, S. 444-446. 256Ygl. Alfred Gawlik, kúervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV. (10561105). Der Ûbergang von der Interventions- ár Zeugenformel, KallmünzlOberpfalz 1970, S. 68. 257 YgL Cowdrey, Bishop (Anm. 12),5.233. 219 Johannes Luther sich der Salier während dieser Schenkung in Burgund aufhielt, ist möglich.258 þ¡s Beglaubigung <Ich, Kanzler Ermenfried, habe es geprüftfse stellt das letzte Lebenszeichen des Bischofs von Sitten dar. Erverstarb zwischen dem 13. september 1087 und dem 11. Dezember 1091. 3.7 Religiöse Pflege, Kult und Objekte Es wurde bereits erwähnt, dass Ermenfried von sitten nach seiner letzten grossen Legation im Jahr 1070 die Gelegenheit ergreifen konnte (und wohl auch musste), sich um die Angelegenheiten in seiner eigenen Diözese zu kümmern. Neben den behandelten Pfarreigründungen und dem damit mit grosser wahrscheinlichkeit verbundenen Bau von Kirchen haben sich bis heute einige objekte und Kulte erhalten, deren ursprung ebenfalls in der Amtszeit dieses Prälaten zu vermuten ist. Diese wurden in den Ermenfried betreffenden überblicksdarstellungen zwar nur am Rande behandelt, helfenjedoch, die von Ermenfried vorangetriebene religiöse Pflege seines Bistums besser zu verstehen. Es handelt es dabei um die Theodulslegende und den mit ihr verbundenen Theodulskult, den <Grossen Reliquienschrein im Domschatz zu Sitten>160 sowie eine Riesenbibel aus dem Kapitelsarchiv von Sitten. 3.7.1 Ermenfried von Sitten und der heilige Theodul Bei der sogenannten Theodulslegende handelt es sich um eine Legende mit <vitaãhnlichem Charakter>,26r die drei Episoden aus dem Leben des heiligen Bischofs behandelt. Verfasst wurde sie von einem Wandermönch mit Namen Ruodpert oder Robert.262 Dieser stammte wohl nicht aus dem Wallis, dem Namen nach kann man ihn jedoch im alemannischen Raum verorten. Die älteste bekannte Handschrift ist eine in Turin überlieferte Kopie aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts.263 Die massgebliche Edition fand sich bis vor wenigen Jahren in den <Acta Sanctorumi>. Hans Foerster besorgte 1919 die bei den Bollandisten nicht 258 Vgl. dazu die einleitenden Vy'orre zu¡ U¡kunde in: MGH D H 259 Ebd., S. 526, Z. 17: <Ermenfredus cancellarius recognovi.> IV (Anm. 212), Nr. 397. 260 So bezeichnet von Huber diesen im Titel seiner Dissertation. Vgl. .Ilaåe¡, Der sogenamte (Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4).. 267 I|lerder, Das Nachleben (Anm. 20), 5. 327. 262Die <<Acta sânctorum) weisen den urheber als <Ruodperto vel Roberto, monacho peregrino> aus. Actâ Sanctorum, 68 Bde., hier: Bd. 37: Augusti tomus tertius quo dies XIII, XIV XV XVI, XVII, XVIIi, XIX, Paris/Rom 1867,5.278 (künfrig unter der Sigle <AASS>). 263 YgI. Werder, Das Nachleben (Anm. 20), S. 325. 220 wiedergegebenen Teile, den Prolog und den Schlussteil.26a 2005 legte François Huot die für diese Studie massgebliche Edition vor, welche erstmals alle Texte und Manuskripte versammelt.26s Die Theodulslegende wurde lange als Werk des 12. Jahrhunderts angesehen. Nach Dubuis lässt sich die Entstehungszeit der Legende jedoch bereits ins 11. Jahrhundert vordatieren,266 eine These, der sich sowohl Werder als auch Huber anschlossen. Die beiden letztgenannten Forscher brachten Bischof Ermenfried denn auch mit der Legende in Verbindung.26T Vor allem die erste Episode, die den Kern der Theodulslegende darstellt, weist mitzwei Stellen auf einen Entstehungszeitpunkt während Ermenfrieds Episkopat hin. Sie behandelt das anachronistische Zusammentreffen des sagenhaften èrsten Walliser Bischofs Theodul mit Karl dem Grossen.268 Da der fromme Bischof für eine unbekannte Sünde des Kaisers gebetet hatte, wollte sich Karl mit Gunstbezeugungen bedanken. Daraufantwortete der Bischof: <Schenke der Kirche fder heiligen Marial von Sitten die Prâfektur über das Wallis, das in unserer Diözese liegt; Gott wird dir daftir immer gnädig sein. Denn es ist ungünstig und der Ruhe der kirchlichen Freiheit gânzlich widersprechend, dass diejenigen, welche dem Gottesdienst im' Innern verpflichtet sind und nt .Nltar und Mysterium Sorge tragen müssen, durch weltliche Belästigung beunruhigt werden. Doch wird, wie es oft vorkommt unter dem gewöhnlichen Volk, was geistlich ist, manchmal weniger geachtet. Wenn aber ein Geistlicher das zweischneidige Schwert in der Hand führt, so schneidet er mit dem weltlichen nicht, um zu töten, sondern um abzuschrecken; mit dem geistlichen aber legt er die Salbe der Heilung als Linde- rung auf.>26e S. 278-280; Heínrích Foerster, Ztr Yita sancti Theodori Sedunensis episcopi, in: Zeitschrift fiir schweizerische Kirchengeschichte 33 (1939), 5.233-240. Für massgebliche Inforrnationen zu Hintergrund und Überlieferung der Theodulslegende vgl. Werder, Das Nachleben (Anm. 20), S. 317-360. 265 François Huol (Hg.), ((Vita beati Theodori episcopi sedunensis>. Légende de saint Théodule. introduction, édition et notes, in: Klllan Anheuser (Hg.\ La Grande Châsse de Sion. CheÊd'oeuvre d'orfèvrerie du XI" siècle, Paris 2005, S. 17-36. 264 Vgl. AASS (Anm. 262), 266Yg1. François-Olívier Dubuis, Archéologie, tradition et légende. Saint Théodore, évêque d'Octodure. Son souvenir et son culte en Valais jusqu'au XVI" siècle, in: Rudolf Degen, Walter Drack, Renë \rlyss (Hg.), Helvetia antiqua. Festschrift Emil Vogl. Beifrâge zur Prähistorie und Archäologie der Schweiz, Zürich 1966, S.317-326,hier S.321124. 267 Ygt. Werder, Das Nachleben (Anm. 20), S. 323125; Huber, Der sogenânnte <Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4) S. 26-28. Werder, DasNachleben (Anm. 20), S. 328, erachtet die Datierung auf das li. Jh. als kritisch und merkt an, dass für eine sichere Zuweisung <eine philologischkodikologische Analyse erforderlich> wäre. Mindestens die Ausarbeitung der Legende sei aber im 12. Jh. erfolgt. 268 Zur Person des heiligen Theodul, der auf Theodorus, den ersten Bischofvon Octodurus zurückzuführen is! vgl. Nachbqur, BischofTheodul (Anm. 1). 269 HuoL Légende (Anm. 265), S.29: <Vallensium prefecturam que in nostra diocesi est sita, sancte Marie Sedunensi gratânter donatg, r.rt ipsam cum Deo, et Deum cum ipsa propicios semper habeatis. Importunum est et ecclesiastice libertatis quieti omnino contrarium, ut seculari 22r r Johannes Luther Der Kaiser entsprach der Bitte unverzüglich. Theodul kehrte in seine Diöze_ zurück. Fortan konnte er in der Haltung leben, <dass er zujener Zeit so hohe göttliche Gnaden verdiente und er deshalb nicht nur mit reinem Gew'issen urtei_ len konnte, sondern auch für würdig gerug erachtet wurde, für das Reich Unterschrift zu machen>.2i0 Fär Huber sprechen die beiden zitierten Stellen dafür, dass die Entstehung der Theodulslegende in der Zeit der Investiturkonflikte zu verorten ist. Das Motiv des zweischneidigen Schwerts in der Hand des Bischoß, so Huber, spricht fìir die Situation des Bischofs von Sitten nach der Grafschaftsverleihung von 999.27r Bereits Werder schreibt, dass der Bischofvon Sitten nach dem Ende des Rudolfingerreiches im Jahr 1032 Legitimationsprobleme hatte, seine Doppelherrschaft zu rechtfertigen. Dies allerdings nicht wegen weltlicher Konkurrenz - mit den Humbertinern schien Ermenfried in gutem Einvernehmen zu stehen - sondern wegen kirchlicher Kritik an der weltlichen Macht des Bischofs von Sitten. Aus diesem Grund wurden König Rudolf III. und Bischof Hugo von Sitten, die Protagonisten der tatsächlichen Graßchaftverleihung vor999" heroisierend zu Kaiser Karl dem Grossen und dem heiligen Bischof Theodul stilisiert. Die beiden Letztgenannten die im Übrigen nicht Zeitgenossen waren, vermittelten der ewigen Grafschaft des Sittener Bischofs eine rückwirkende Legitimafion.2T2 Der Verdacht, dass es Ermenfried war, der die Bischofsrechte über diese Legende bestätigen und bekräftigen lassen wollte, erhärtet sich laut Huber durch das zweite Zitaf. Der Passus, dass Theodul <würdig genug erachtet wurde, für das Reich Unterschrift zu machen>>, könnte sich nach Huber als eine Anspielung air die Erhebung Ermenfrieds zum Kanzler von Burgund lesen lassen.2i3 Auf diese Vermutung würde folgen, dass die Legende zwischen 1079 und 1165 verfasst se wurde.27a exactione vexentur, qui altaris et mysteriorum. Deis officiis addicti, internorum curam gerere debent. Sed, ut sepe contingit interplebeios, quod spiritale est, aliquando minus perpenditur, qui ecclesiasticus est, si bicipitem gladium in manu portat, in cârnâli quidem non occidendo, sed terendo indicit, in spiritali autem quasi blandiendo unguentum curationis imponit.) Ùbersetzung nach llerder, Das Nachleben (4nm..20), S. 318f. 270 Huot, Légende (Anm.265), S.29: <ut divine pietatis augmentum illo in tempore in tantum percipere meruisset, quo non solum pure conscientie frueretur arbitrio, sed etiam faciendorum signorum ¡on modico dignus haberetur imperio.> Übersetzung nach Werder, Das Nachleben (Anm.20), S.3i9. 271 YgL Huber, Der sogenannte (Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4), S. 28. 272Ygl. LTerder, Das Nachleben (Anm. 20), S. 319125. 273 Ygl. Huber, Der sogenânnte (Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4), S. 29. 274Das ztt¡eil"e Datum errechnet Huber ausgehend von der Tatsache, dass Karl der G¡osse in der Legende noch nicht als Heiliger aufgeführt wird. Die Erhebung Karls zum Heiligen erfolgte im Jahr 1165. Vgl. ebd., S.27. 222 In der sogenannten Theodulslegende liegen die Wurzeln für die Karlsverehrung sowie die Theodulsverehrung im Wallis begründet.27s Ab 1200 ûnden sich erste Aufzeichnungen zum Theodulfest, das am 16. August begangen wird.276 Die präsentierten Thesen lassenjedoch vermuten, dass sich bereits Ermenfried, vielleicht aus Gränden der Herrschaftslegitimation, um die Pflege eines Theodulskultes bemühte. 3.7.2 Der <Grosse Reliquienschrein im Domschatz zu Sitten> Mit dem Kult in Zusammenhang zu bringen ist der <Grosse Reliquienschrein im Domschatz zu Sitten>>, ein teilweise mit Silberreliefs verzierter Schrein, der sich heute im Diözesanmuseum des Bistums Sitten befindet.277 Dendrochronologische Untersuchungen datieren den Kern des Schreins aufdas 11. Jahrhundert, die Silberschmiedearbeiten an der Aussenseite lassen vom Stil her ebenfalls auf eine Entstehung in diesem Säkulum schliessen.2Ts Dargestellt finden sich Stationen der Passions- und Ostergeschichte sowie Apostel.2Te Die Funktion des Objektes bestand in der Aufbewahnrng von Reliquien, darunter vermutlich auch Reliquien des heiligen Theodul. Für Huber ist es sehr wahrscheinlich, dass der Schrein während des Episkopats von Bischof Ermenfried entstanden ist; er betrachtet ihn als Bestandteil des Versuchs, einen umfassenden Theodulskult zu etablieren.28o Die Fertigung des Schreins fiele also mit der Entstehung der Theodulslegende zusammen, zumal die Untersuchungen der Materialien eine Verortung im 11. Jahrhundert zulassen. Hinzu kommt, dass der Schrein früher offenbar eine ganze Reihe von Reliquien, zum Teil aus Rom und sogar dem Heiligen Land stammend beherbergte, die nur ein weitgereister Prälat mit guten Kontakten zusammentragen konnte.2sr Dies alles lässt eine Verbindung Ermenfrieds mit der Entstehung des Theodulskultes zumindest im Bereich des Möglichen erscheinen. Ygl. llterder, Das Nachleben (Anm. 20), S. 317. 276Ygl. Huber, Der sogenannte (Grosse Reìiquienschrein>r (Anm.4), S.26. 277 Für grundiegende Informationen zu Beschaffenheit, Geschichte und Deutung des Schreins vgl. ebd.- S.43-160. Weitere Informationen zur Restaurierung sowie Abbildungen ûnden sich bei Anheuser, La Grande Châsse (Anm. 265). 278Y91. Huber, Der sogenannte (Grosse Reliquienschrein> (Anm. 4), S. 158. 279 YgI. ebô.., S. 6l-70. 280 Vgl. das Fazit ebd., S. 159f. 281 Vgl. ebd., S.31f. Zu den im Jahr 1364 erstmals in einem Inventar aufgeführten Reliquien aus Rom zählen auch Sekundärreliquien aus dem Heiligen Land wie Partikel vom Kreuz, vom Essigschwamm und vom Heiligen Brot. 275 223 Johannes Abb- 2: Grosser Reliquienschrein im Diözesanmuseum von Sitlen, Foto: Domherr Josef Sarbach, Archivar des Domkapítels 3.7.3 Reform u.nd Riesenbibel Ein weiteres Objekt, eine <<bible atlantique> (dt. <Riesenbibel>), lässt sich ebenfalls mit Ermenfrieds Nähe zur Kirchenreform in Einklang bringen. Zwischen 1065 und 1120 wurden in Rom und spãter in Zerftalitalien <<eine neue Art monnmentaler Vollbibeln, die Riesenbibeln entwickelt>>.282 Ziel dieser Bibeln, die auf Grundlage der Vulgata hergestellt wurden, ',var es, die kirchliche Reform zu fõrdern und zu verbreiten.283 Aus diesem Grund wurden auch einige Exemplare nach Norden exportiert. Bekannt sind die Riesenbibeln aus Hirsau, Admont, Genfund Sitten.284 Letzfere befindet sich in unvollständig überlieferter Form im Abb. 224 I: Grosser Reliquienschrein im Diözesanmuseum von Sitten, DeÍail; Foto: Domherr JosefSarbach, Archivar des Domkapitels Die Bibel auf Latein - unantastbar? (Mediâvistische Perspektiven 3), Ziirich 2011, s.27. 283 Vgl. ebd.; Zagzr, Les Bibles (Anm. 15), S. 29. 284Ygl. dies., La Bible atlantique de la cathédrale de Sion (Archives du Chapitre de Sion, Ms. 15), in: VallesiaLXIV (2009), S. 153-192, hier: S. 155f. 282 Petey Stotz, 225 otu1r pqtñd)'D¿ ¡¡¿lrh-i- Lù. (:,':!r.) g;,ùt; rA . -rì/q ffi tr) lf\ ¡ I 't: il koìü'¡r'r,.'cl¡,.1uñ F.,Ðr \ri¡ñ¡d-'rr,¡. a¡¡,¡crrr.,,,Ê prñ [:¡Llrñtr,mtl,¡-rtfn., O cp.rr arnpø "ndq,,r'r '"rai .F-,,'1..,,,'il-.r,',,,'.',, ú,',t:,tr¡..r.P¡.!u-{¿!"' rf, noßr 9¡rr¡ro,r,,ø,6tuL,'ûñ I it ji tl ln'f..rt-ùùr'r\,, orlm.C. ñ*tr/.crÉrp.&ht €.a'r V¡ (¡.{'ñg,,ôdrÞ,Ito,'-14'tñ.ò | ,n :'',.,-tt.r.,lr obt,.rurllulcrrm'.u.¡'rt /.quú'; õ.1¡@d.ryoÀ{ fprùrt <ñ<f¡cû p14 Lú1 ú t@r d e, qú t j ù ñ oó¡r' ¡¡.¡cornlulr cnônur ¡ù.ocf'¿Dr \/t tu Ëtut¿tfua"rn¿clll'ç ,4" - yø.7 t fr.; raçø ".r .nnruerpÇl.øo,on.o,i"""nø tu"',or y, t,.ln r&,^j,iry! h,f. 7,;@'.t, ùur t'uf É'rr Lt'ø¡lÈ dct ad'a q tt'nø¡g"try" gLnt Lfu.afnoãí.-$ø,l¡tudw¡r æqttcllt a"n.urra.iû.qwruænt jdro¡ec.ru¡ f rr.dÂ., ñr Ñuñ iblrt¡rtqurrq' dd,.krnmt ¿dudobc¿, t ,d,¡@¡rárm.' b'ø -'.1,,ôrù16,,7,düdiú}lñ.ì.r;' ',d .'n-r*r.Ê ío'.,-.¡,",¡¡dm D {ì,",Fd,"¡øld! q:r.r'na.e:oÉ"¡ç:,pr-" o,l' ",r@r.,', pñ å@t -tl,ñuro ( .cl¡L'op¿¡øt qúa'p,Éfrñn,r 6"¡sdr,r#¡!@, dúi rd ñ",,,6"d!".d".-,d 'd."r Ä.¡1fl Vh.,rd t.Lf, !La+ n."'rl ñfl\'úr'ú" .Jcf,c6øt æL t&ltrf'ñ1btuAt^eñ?tfpm¡ ."' . n1.,,r 9' rc. r. l<l,r 'r:6rf- ¡dcíou¡noum 1." - l,'*rÊ..cloðo ilfd þùLtLr .. tu Nà( Ègrhri"*F dd,r dftnÍ."r¿ ¡¡r'4rdqr. ¡r 'Dr''phqæ thor," .ilu i/,rr!e,F.,,, Itu .ñ.''gdrf$t' ùht.pía'r Ê tgr'ndtqgt ñchdrr.dd., H . e¡..cL,rc.t,cl¡orc.r,,,,¡ ...,,,'-'5 -¡d¡dn,a,,,ó.ì,'rb; hfrc_a,facif ..,iì,.[.:ir r:¡b4nr.,,,.¡,.{ '4 ...1.,-" ú..1"""..¿i",*--d ,'n .,ü údtt'pi<thoù.rlt.,a n"q,,rj. ,,,4r '',,:, ' -.'..'''' rrl ¡! r.t ¡. ,r.,.,r fdlÁâ o¿úñdtrffi . ñ;+rù1øñ,.. tg. :,. ù,. tr, h ..,,.,1-, etuhr¡¡r ...ub .i,,!,{¿d,.íh. LJ rÈ-,-.;-.,i \ tt'.rr .-,.¡ ¡1! rri,: j....,, ri' l¡"D# ,k.û.r,@ry'rd. ^1 ''l .r"..,æ, -': .'*"ø,- ru r.a i.-,,,, iLl-'-lll,' :¡;. ^_: -_,.._",.-,.r,,,.., _À,,d'ú,""-rd.,-.1",^..'-l. -,LF'i.lËl.úrh. _-_"., -nh. ¿á,: \'ryti,.l"r,tç{Ár r;ñr..,"., ..,.' .. ,,¡ F.rn r'û{ ì,r'ry' rrqt[tÈ,J,. t*W+'l r1 "n ?," v ,,.Á.'..:,.. 1,. -n-;.. J...,1¡' -,, h.4., .r. ? ,, 'Fa, ..(uú" d;¡-1'".i_i1"1 ¡","'',a.i, ¡-..r,.,/ Ps,À .. ! ..*..., .¿ rta,-"--.." '., ' ''i: .... t :tt|t':- ¿ ..' n.r ' '' " t lg xPt NoMJNE i\CrPrroR.J60 L Mo RY M I i t (- --.,.-.- ll t fr ti li t: ll I a Y : ,ì ,¡ t{ ,l Ì t ); t Einerseits versuchte er seine vom Salierherrscher garantierten Gralenrechte durch die Berufung auf den heiligen Theodul zu legitimieren und sich damit gegen Anschuldigungen von kirchiicher Seite rechtfertigen zu können. Andererseits zeigt das Zusammentragen von \Ã/ertvollen Reliquien und der Export der im Zeichen der gregorianischen Reform gefertigten Riesenbibel, dass Ermenfried versuchte, kirchenreformerische Ideen in seiner Diözese zu verbreiten. il '.1 $ ìi ¡ I ,l ,i \ I Kapitelsarchiv von Sitten.265 Von dem ursprünglich zweibändigen Werk ist nur der erste Teil, bestehend aus Oktateucr, Königen, grossen und kleinen Propheten, Hiob und einem Teil der Psalmen, erhalten.286 Gemäss Nadia Togni handelt es sich um ein wichtiges Zeugnis der Sittener Bistumsgeschichte.28T Da sich die Bibel ins dritte Viertel des 11. Jahrhunderts datieren lässt, fällt es nicht schwer, zum Schluss zu kommen, dass sie wâhrend Ermenfrieds Episkopat ihren Weg nach Sitten fand. Ausser Togni hat bis anhin kein Autor aufdiese naheliegende Verbindung aufmerksam gemacht. Bischof Friedrich von Genf vergab eine solche Riesenbibel einer Notiz zufolge mit einer Bibliothek von 25 Bùchern zu den Themenbereichen Liturgie, Exegese, Patristik, Recht und Literatur an das Domkapitel der Kathedrale von Genf, um dort die Ideen der Kirchenreform zu festigen.288 Sowohl Friedrich als auch Ermenfried stammten aus dem Urnfeld des Erzbischofs Hugo von Besançon, und beide waren entschiedene Verfechter der frûhen Kirchenreform.2se Gleichzeitig suchten sie, wie der Erzbischof, in Kirchenfragen die Zusammenarbeit mit weltlichen Herrschern. Die Riesenbibel hatte der Bischof von Sitten vielieicht auf einer seiner Romreisen er\¡úorben und wie Friedrich von Genf nach seiner Rückkehr an das Domkapitel übergeben. Die beschriebenen Objekte verdeutlichen den Zwiespalt, in dem sich Ermenfried in den letzten beiden Jahrzehnten seines Episkopats befunden haben muss. T in der virtuellen Handschriftenbibliothek der Schweiz. Vgl. E-Codices, Sion/Sitten, Archives du Chapitre/Kapitelsarchiv, Ms. 15: Riesenbibel, [http://www.e-codices.unifr.chlde/list/one/acs/0015],29.10.2015. 286Ygl. Togni, Les Bibles (Anm. 15), S. 56f. Für die detaillierte Analyse der Riesenbibel vgl. ebd., 285 Eine vollständig digitalisierte Version der Riesenbibel findet sich s.6)6J14. 287 Ebd., S. 53f., 86-99. 288 Vgl. ebd., S. 82184, 138f. Die Abb. 3: <La Bible atlanriquer, Riesenbibel (Sion/Sitten, Archives du Chapitre/Kapitelsarchiv, Ms. 15, f. 20Jv - Riesenhibel [h t tp : //www. e - c o d i c e s. u n ifr. c h /d e / I i s t /o n e /a c s / 0 0 Ì 5]) Notiz ist in der Riesenbibel selbst vermerkt. Zu einer aktuellen Kurzbiographie Bischof Fried¡ichs (frz. Frédéric) von Genf vgl. Nathanaël Nimmegeers, Evêques entre Bourgogne et Provence. \ -l{I" siècle. La province ecclésiastique de Vienne au haut Moyen Age (Collection <Histoire>>), Rennes 2014, S. 348. 289 Ygl. Bernard de Vregille, Hugues (Anrn. I3). Bd. 1, S. 367f. 227 Johannes 3.8 Tod und Nachwirken Das ei'zige heute erhaltene Dokument, das vom^Tod Er'renfrieds von sitten zeugr, ist der Nekroros der Kathedrar" íon iitt"n.r.,Er weist nach, dass der schof an einem t. Dezlember verstorben Bi_ irii" îir.-l"irreszahl rarrt ,i"r, nu. oog._ fähr eingrenzen. Es ist bekannt, dass et*"n¡riJ, i" d;; i092 bereits versrorben war, da in einer urkunde aus dem Raum Neuenburg d;;;;'r- Nacrrforger Gausbertus im Jahr Jahr auslestertr", i;;;k""gr_ von das seerenhe' dieses präraten die Rede isr.2ez Da Ermenfriedle*ars ¿.. u.LunJ.;"* zu diesem zeitpunkt noch unter ¿å r"¡aoi"n *e'te, muss uo èin"* 1r.,ou, De_ zember zwischen den Jahren 10g7 und rosiu".rioru"n sein.2e3", Die Frage, wie lange Bischof Ermerrti"¿ sirten in der kolrektiven Erìn_ nerung der Nachwert präsent blieb, ist ou, zu beantworten. Es ist nicht bekannt, wo er begraben liegt; es iaben keine Legenden zum Bischof erhalten' der das watis imrnerhi"-üb".;;;;rigîån." ung geprägr harte. Huber sieht in der Tatsache, dass Ermenfried in ¿erãwischen i10g und i115 gefârschten Gründungsurkunde der Kirche vo" nu"ggiso;g im umfeid H.i";;ñ-i;. nannt wird, ein Indiz fürdie dem e._ nir"rrorri"e"giìn des 12. Jahrhunrlerts anhar_ tend entgegengebrachte wertschätzung.rr.ãh;iiä riesse sich mit der zwischen 1102 und i107 entstandenen Beglaubiãr"g ¡ur ãr" Gründung des Kapitels von Sainte-Madereine de Besançon argumentieien, dass Ermenfried als TÞil des um*,Or_u?: Erzbischof HuCo Béruoçoo ,ro.il -war _ auch we'n in die_ r^f.ar.rrt :o1 sem ä.i"'å,,ioi l"r ,",*". il;of Fall ohne Aufführung des Narnens.rn, 290 Der Nekrolog entstand zwischen dem 11. und fùhrten personen und den 13. Jh. Für Info¡mationen zurEditionsge;.h";tt.;;;'är"uroud,Nécroroges zu den dort drares de Lausanne er de Sjo, " er d'un caTarogue des évéoues de Suisse Romande 4 Fazit aufge- des égrises catrré_ pr.i'tjri"'oi'o*rr.s suivis de charre; sédunorses sion ("Mém;i;., *äã""-""o pubriés par ra socié:é d,Hisroire ¿"i'¿giir. I8r. Lausanne ISO¡, S.2+i_l;;""" zyt Lbo., S.289: (Decetnber t ..] ll. "", 9:1, III id. O. Errnenfredus episcopus Sedunensis.r¡ 292 Auguste Bernard Atexand're'Brr"¡. n".u"ir ¿å, .ïï*r i"i r¡urre de cr uny" 1091-1210 (Coltection .de documents irJãi,, .rî f;ir*"i., s. rs, np.oì"-.ì;;;;;.r,, [...] Gausberti s"duoensii trorum.) Die senânnte urkunde ll,Iï:'-.t! 6 Bde., h ier: Bd. 5: Paris 1903, Nr.3665, r,å..r,i"i"ï"ã.iä;":!,:::l::r:,i:'ä;.:å::räiî:: *^ Uberstellung an Cluny durch einen gewissen -Hu;;.;. ^^293 Auch der Nekrorog vån prüm bezeigt den r"¿ ei;h"r e..enfrieds, gibt als Todesjahr arerdings 1082 ao'ygr'GeorswaierHe;. An:na,"i 188r. S. 2:2. Z. 45: Hublr "*.åì"gr"it.umienses(MGHSS I3l, iruoouu., qg1 ,"e".".""," äi"ìr.'^?iiår,*r.hrein>, 1Anm.4). S. l8: Huber tùhrt dieses Srerbedatur¡ *r¿;. tL Dezember 1087 als mÕgtiche, r"¿"rárürlll"rLi"i] 2 und zurück.Enrsprechend wäre 9-.1 ^^. Vgl. ebd., S. t6f. 294 v?.*".ììììñ'Ëilili 295 Castan' Les origines (Anm' 170), Doc. rV, S. 144: Eine Durchsicht der insgesamt zum Leben von Emenfried überlieferten Quelmehrheitlich um Abschriften handelt. Die wenigsten auf den Bischof von die Sitten rekurrieren, sind im Original vorhanden.2eó Texte, Die vielen verstreuten Nennungen lassen zwar erahnen, was für einen Einfluss und Horizont der Bischofvon Sitten gehabt haben muss. Die historiographische ¡lberlieferung lässt sich in ihrer Bedeutsamkeit aber kaum mit dem schriftlichen Nachlass gleichwertiger Prälaten wie Lanfranc von Canterbury und Burchard von Lausanne messen. Auch die Nachwirkung Ermenfrieds auf das Bistum Sitten ist nur ansatzweise zu ermitteln. Sein kirchenpolitisches Erbe bestand wohl in erster Linie in der Verteidigung von Rechten und Besitztümern sowie der Förderung der Kirchenreform. Nach Ermenfrieds Tod verschwanden sowohl die Region als auch die Kanzlei aus dem Blickfeld der Salier; der nächste bekannte Kanzler von Burgund erscheint mit Gerold von Lausanne unter Kaiser Heinrich V.2e7 Dass es sich bei Ermenfried von Sitten um einen Ausnahmeprälaten gehandelt haben muss, verdeutlicht allein die Tatsache, <iass die Region für die nächsten fùnfzig Jahre in relativer Bedeutungsiosigkeit versank. Von Ermenfrieds unmittelbarem Nachfolger Gausbertus ist nur bekannt, dass er 1092 bereits verstorben war; bis zur Ersterwähnung Bischofs Vilencus vc,n Sitten im Jahr 1107 ist die Walliser Geschichte an und für sich überhaupt nicht mehr greifbar.2es Über das Wallis hinaus eriangte erst wieder der heilige Bischof Guérin von Sitten - nach dem in der Kantonshauptstadt eine Strasse benannt ist-wieder ein gewisses Mass an Bekanntheit und Einfluss.2ee Ien zetgt, dass es sich dabei t Im Gegensatz zu Quiriac von Nantes und ii::åJff,Ïï'"ï,,'.".,i:SU,:;*::;'r';r*il*:ITi.¿e.-"nri"J,"iri"r,i",aiìia"¡ Die verfügbaren Quellen zu Ermenfrìed von Sitten, des Bischofs von unbekannter Herkunft, vermitteln das Bild einer weitgereisten und ambivalenten Persönlichkeit des hohen Mittelalters. Zunächst fungierte er als Kanzler und Archidiakon des E¡zbischofs Hugo von Besançon, der denjungen Kleriker nachhaltig prägte und förderte. Um 1055 zum Bischof von Sitten erhoben, stieg Ermenfried-wohl auf das Engagement seines Mentors Hugo hin - rasch zum Legaten der Reformpäpste 296 So ist auch die grosse Spannbreite an Namensvarianten bei Ermenfried zu erklären. in Originaldokumenten wird der Bischof fast durchgeìrend <<Ermenfredus>> oder germanisiert <Ermenf¡idus> genannt. \'ariationen wie <Armenfredus>> oder <<Hermenfredus> treten erst in späteren Abschriften auf. 297 YgL Heinentann, Untersuchungen (Anm. 17), Tl. 2, S. 150. 298Ygl. Gilbert Coufaz,Ytlencrs,ll0T*1116, in: HS I/5 (Anm. 14), S. 152. 299 Guérins Episkopat dauerte von 1138 bis 1150. Ygl. Ansehne Dimler, Saint Guérin. Abbé dAulps et évêque de Sion, in: Ders., Benoît Chauvír (Hg.), Mélanges à la mémoire du Père Anselme Dirnier. Arbois 1987. S. 689 -692. 228 229 Joltannes Luther besonders Alexander II. auf. Mehrere Legationsrei_ sen führten den Sittener Bischof nach Reims, in die Normandie und nach Eng_ Viktor II., Nikolaus II. und land. Als päpstlicher Gesandter prägte Ermenfried die Kirchenreform im von Wiihelm dem Eroberer beherrschten anglonormannischen Raum massgeblich mit, vermochte sichjedoch dabei nicht gegen diesen mächtigen Fürsten durchzusetzen. Vielleicht war es gerade diese Überforderung, die Ermenfried nach 1070 aus dem päpstlichen Dienst ausscheiden liess. Im Investiturkonflikt zwischen Papst und König nahm der Bischof eine ambivalente Rolle ein. Als Reichsfürst diente er seinem Lehnsherrn Heinrich IV., stieg unter diesem sogar zum Kanzler von Burgund auf, jedoch suchte er vermutlich nie den offenen Bruch mit Rom. So lassen sich in seiner Diözese selbst Ansâtze für ein Bemühen Ermenfrieds um kirchiiche Erneuerung im Sinne des Reformpapsttums erkennen. Die Quellen lassen vermuten, dass Ermenfried von Sitten versuchte, eine Vermittlerposition zwischen König und Papst einzunehmen. Nach seinem zwischen 1087 und 1091 zl verortenden Tod verschwand das Bistum Sitten wieder von der Bühne der grossen Politik. Ein detailliertes Studium von Ermenfrieds Biographie erlaubt trotz Quellenarmut wichtige Einblicke in die Geschichte des Wallis im hohen Mittelalter. Darüber hinaus ermöglichen die unternommenen Reisen und gepflegten Beziehungen des Bischofs, Ereignisse, die von der lokalen Historiographie bereits ergiebig abgehandelt wurden, in einen grôsseren Zusammenhang zu setzen und somit für bekannte Forschungsfelder neue Perspektiven zu eröffnen. Vor allem die Bezugschaffung zu dem von der Forschung bisher vergleichsweise wenig beachteten burgundischen Raum konnte so vorangetrieben werden. Ebenso wurde es möglich, das Episkopat Ermenfrieds von Sitten in einen grösseren Kontext der Walliser Geschichte einzuordnen. Fest steht, dass es sich bei BischofErmenfried von Sitten um einen Prâlaten handelte, der sicherlich bereits aufgrund seiner umfassenden Vernetzung sowie der vergleichsweise guten Quellenlage unter den mitteialterlichen Bischöfen des Wallis heraussticht. In diesem Sinne erhob er sich in der Tat wie die eingangs von Julius Eggs beschworene <Wettertanne> über die Sittener Bischöfe, die vor und nach ihm kamen, jedoch wahrscheinlich weniger über seine Zeitgenossen. Hier stiess er, wie etwa die zweite Legation nach England zeigt, aî seine Grenzen und nahm mitunter eine ambivalente Haltung ein. Dabei war er, um weiter Eggs' Metapher nt bemühen, weniger eine Wettertanne, allerdings aber auch keine zitternde Alpenprimel. Ermenfried von Sitten war ein burgundischer Prá,'lat, der wie viele weitere Mitbischöfe und Mitfürsten versuchte, sich <in einelrl Zeit tiefgreifender Gegensätze und Umbrüche als auch bedeutender Reformen und Neuansâtze [...]>'oo zurechtzufinden. 300 Jörg Jarnut, )?o MatÍhias Wemhoff, Vorwofi, ín'. Dies., Vom Umbruch (Anm. 128), S. 9. 5 Anhang 5.1 Zeittafel zum Episkopat Ermenfrieds von SÌften3ol 999 König Rudolf III. von Burgund verleiht Bischof Hugo von Sitten (ca.993/994-10i8/20) und der Kirche von Sitren das Grafenrecht im Wallis. Im selben Jahr trifft Hugo vielleicht in Lausanne und Orbe auf Kaiserin Adetheid. 11. Jh. Die Humbertiner (die späteren Grafen von Savoyen) bringen die Besitzungen des Klosters Saint-Maurice d Agaune unter ihre Kontrolle und bilden damit die Grundlage für ihren Griff nach der Herrschaft im Wallis. Bis zum 13. Jahrhundert formieren sich allmählich die herrschaftlichen Schichten im Wallis. 1032t33 Nach dem Tod Rudolß III. sotl der salische Kaiser Konrad Il. das Königreich Burgund erben. Graf Odo IL von Blois-Champagne erhebtjedoch Anspruch aufdie burgundische Krone und besetzt unter anderem Teile des Wallis. Nach zähem Ringen wird er 1034 von Konrad geschlagen. Der Salierkaiser lässt sich bereits i032 in peterlingen und nochmals 1033 in Genf zum König von Burgund ausrufen. Der Bischof von Sitten wird somit reichsunmittelbarer Vasall der salischen Herrscher. 1041 Erste Erwähnung des Kanzleis Ermenfried von Besançon. 1043 Erste Erwähnung von Kanonikern in der Kathedrale von Sitten. 1044 Bischof Aimon von Sitten isr bei der Gründung des Kapitels von Sainte-Marie-et-Saint-Paul de Besançon anwesend und unterschreibt neben 18 burgundischen Prälaten das sogenannte <Têstament des Erzbischof Hugo von Besançon>. Ermenfried prüft die Urkunde ais Kanzler von Besançon. 1049 Papst Leo IX. überquert den <Mont Joux> (Grosser St. Bernhard) und passiert Saint-Maurice. Mitte 11. Jh. Erste bekannte Liste der Besirzungen des Domkapitels von Sitten. Bernhard von Aosta gründet das Kirchenhospiz von Saint-Nicolas auf dem <Mont Joux>. Die erste Erwâhnung erfolgt jedoch erst im Jahr 1125. Der Mönch Ruodpert redigiert die Theodulslegende und erwähnt zum ersten Mai die Carolina 1'evtl. erst in der Mitte des 12. Jhs.). 301 DieZusammenstellungderZeittafelrichtetsichinersterLinienachJean-LucRouilter,Leya\ais par les dates. une chronologie des origines à nos jours, Sion 2000, s. i0g-1 1 sie wurde um den 1. in diesern Aufsatz rekonstruierten Lebensweg Errnenfrieds von Sitten und Informationen aus der Sammlung von Jean Gremaud sowie der Helvetia Sacra ergänzt. Johannes Lulher 1054 1055 Bischof Aimon stirbt am 13. Juli. Sein Nachfolger wird Ermenfried von Sitten, der Kanzler und Archidiakon von Besançon. Im August Teilnahme Bischof Ermenfrieds am Konzil von Lisieux 23. ly'rai Synode von Windsor. Vor August: Zusammen mit Subdiakon Hubert hält Ermenfried eine Synode in der Normandie ab und überredet Lanfranc dazt, Erzbischof von Canterbury zu werden. als Gesandter Papst Viktors IL 1057 1059 r062 1063 1065 Anwesenheit Ermenfrieds bei der Ernennung (5. Oktober 1057 i¡ Speyer) und Weihe (27. Dezember in Pöhlde) Bischof Gundekars von Eichstätt. Kaiserin Agnes überträgt Rudolf von Rheinfelden die Reichsrechte in Burgund. Im Mai Anwesenheit Ermenfrieds als Begleiter des päpstlichen Le_ gaten, Erzbischofs Hugo von Besançon, bei der Krönung König Phiiipps I. von Frankreich in Reims. Im Frühjahr erster England-Aufenthalt Ermenfrieds als päpstlicher Gesandter. Bestätigung der Wahl des Heiligen Wulfstan zum Bischof von Worcester. Auf dem Konzil von Chalon-sur-Saône vom 16.117. August trilft Ermenfried mit seinem Mentor Erzbischof Hugo von Besançon auf Kardinalpriester Petrus Damiani, der auf seiner Rückreise nach Rom Ende August/Anfang September wahrscheinlich das Wallis passiert. Zum Jahresende häit sich Ermenfried von Sitten wegen der Gründung des Kapitels von Sainte-Madeleine in Besançon auf. Aufenthalt Ermenfrieds in Rom, rvo er am 6. Mai zusammen mit einer Vielzahl von Bischöfen eine Bulle Papst Alexanders II. unterzeichnet. Mögiicherweise nahm er auch an einem im April in Rom abgehaltenen Konzil teil. t066 Am 27. Juii verstirbt Ermenfi'ieds Mentor Erzbischof Hugo von Be- 1067 Ermenfried hâlt sich im Auftrag des Papstes Alexander II. in Rouen auf, um die Nachfolge des Erzbischofs von Rouen zu regeln. Vermutlich verabschiedet er die Buss- und Strafordnung der normannischen Bischöfe für die Truppen Wilhelms des Eroberers. Ermenfried wird in einer am 19. Juli ausgestellten Urkunde als Kanoniker der Abtei Saint-Maurice bezeichnet. In einem Brief an Bischof Johannes von Avranches erwähnt Papst Alexander II. den Bischof von Sitten zusammen mit Abt Lanfranc von Saint-Étienne de Caen. Zweite England-Mission Ermenfrieds als Legat Papst Alexanders II. mit den Kardinalpriestern Petrus und Johannes Minutus. 4. April: Krönung König Wilhelms des Eroberers in Vy'inchester. 11. April: Synode von Winchester (u.a. Absetzung Erzbischof Stigands von Canterbury). Auf seiner Rùckreise aus Rom entwendet Erzbischof Anno von Köln die Reliquien der Heiligen Innozenz und Vitalis aus der Abtei Saint-Maurice. 1071 r072 1070 /,1 / am Fürstentag Heinrichs IV. in Lüttich teil. Teilnahme Ermenfrieds an der Synode von Mainz (15.-18. August)' Teilnahme Errnenfrieds an einer Synode in Chalon-sur-Saône im März. Ermenfried lässt sich zum letzten Mal gesichert im päpstlichen Umfeld nachweisen. 1015185 1011 Einrichtung des Reliquiensschreins von Sitten. In diese Zeit fàllt auch die Aushändigung einer Riesenbibel aus Italien an die Domherren von Sitten. Heinrich IV. überquert aufseinem Gang nach Canossa den von seiner Schwiegermutter Adelheid von Turin kontrollierten Mont Cenis' Den Grossen Sankt Bernhard schlägt er aus unbekannten Gründen aus. r077180 Im Bürgerkrieg zwischen Heinrich IV. und Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden wird auch in Teilen Burgunds gekämpft. 1079 gehen weite Gebiete der burgundischen Besitzungen Rudolfs an Bischof Burchard von Lausanne. 1079 sançon. 1068 Im Mai nimmt Ermenfried als einziger burgundischer Präiat 1080 1081/86 1082 1 087 1089 Heinrich IV. schenkt Bischof Ermenfried und seinen Nachfolgern am 30. Dezember die Höfe Leuk und Naters zu freiem Eigen' Im selben Jahr hat der König diese Höfe an Bischof Burchard von Lausanne übetgeben, der nun a1s Intervenient für Ermenfried auftritt' Im Auftrag Papst Gregors VII. hält sich der Bischof von Sitten zu Beginn des Jahres wegen einer Streitfrage in Turin auf. Tod des heiligen Bernhard von Aosta. Erste Nennung Errnenfrieds als Kanzler von Burgund in Albano beim Romfeldzug Heinrichs IV. Er feiert mit dem König in Albano das Osterfest und wird dort Zeuge eines Treffens zwischen Abt Desiderius von Montecassin'c und Heinrich IV. Am 13. September stellt Errnenfried als Kanzler von Burgund eine Urkunde in Vevey aus. Danach stirbt der Bischofvor dem Jahr 1092 an einem i1. Dezember. Sein Nachfolger als Bischof von Sitten wird Gausbertus. Bisclrof Burchard von Lausanne fä111 am 24. Dezember in der Schlacht von Gleichen. 233 :) , Þ ÞwÞrúrú\, tssËÉsv sa6grÐtrqw AN v)Ø gg oo ÞtÉ d B ¿ci: R (DsPôôbôõ trEBÈ: Ø Þ, . O.O-: {-/ ü < gÞ, "oä õØ ^^jv HHN .i Y? E ã{eg. ã s ì" -¡ iØ :H tÞ ù\ Þ -"' 6p þ 6 f'.r bu iio ;,;-s @ a¡ O V) .o: ø Þt Øo è; q ãJ- HÉ lvt o t!--! ¡Jv I I cÐ I i=}| ì-=oi?\1 ô .r, S.Þ ilt .Þ .N_ ÊËH so)Õ =p Y'=€Q? gfl HØ +o\d Ë.v o Foq ä €õ.F = s'Þ o o LJÀ ^6 +d .oØÞ' o"ïh" v1 aiÁ À\ ô w-o l-l ô tsl s. (\ 3 þ I EO N.J ü (\ r>: trÒr rß Õ9 pb øË. 3 Ñ: Pà\ -o oió oN) 8 A à: H B EB S H þ 4å" *, oOÕH\ô oo(Jìa' f=otÈtsè !-?r =O I S? ðãssâ3 or =S i='Ì Ès ;õo | o \t\)= oo o Ø \ (D 4 s,' lÚ (\ o o ,-ò l^ ì-) a = Þ ô ì* (A s I \ N a) o Ø CJ (\ p \s Ft) ?iØ (\ ¡HHÊ\ô -d Þ o E o 5.3 Stammtafeln3oa 5.3.1 Die ersten Humbertiner t RudolfIII. Kg. von Burgund * um 970 t urn 1032 - Ermengard Odo Burchard Kgn. von Burgund t um 1057 Bf. von Belley t um i003 11022/23 tum Humbert L Gf, von Maulienne, Aosta u. Belley; Vogt von Vienne Ancilia 11042/48 Airnon Amadeus I. Gf. von Maurienne u. Belley T Ennengard Witwe des Manasse von Genf Bf. von Aosta, Ebf. von Lyon, Abt von Saint-Maurice Airnon Bf. von Sitten, Abt von Saint-Maurice tto46/70 T1054 Burchard Adela 1051 Odo Gf. von Maurienne Belley, Mgf. vonTurin u. Adelheid von Susa Mgfn. von Turin T1091 t1060 t Humbert vor 1051 Aimon Bf. von Belley r10s? Tetburga 1. Ludwig von Faucigny 2. Gf. Gerold II. von Genf - 304 Die Stammtafeln zu den ersten Humbertinern und den Grafen von Maurienne richten sich nach den Geschleclrtsregistern bei Charles Williarn Previté Orton und Laurent .Ripart. Vgl. Charles Willíam Previté-Orton, The Early History of the House of Savoy (1000-1233), Cambridge 1912 [ND: Cambridge 2013], S. 480f.; Ripart, Les fondements (Anm. 20), S. 188. Die Stammtafel zu den Sires von Salins ist aufGrundlage der Forschungen von Bernard de Vregille zusammengestellt.Ygl. De Vregille, Hugues (Anrn. 13), S. 3-10, 625-630. Bei den beiden Stamrntaleln zu den Humbertinern sind die Grafen von Maurienne und die Markgrafen von Turin fett markiert. 5.3.2 Die Grafenvon Maurienne und Markgrafen von Turin Odo Adelheid von Susa Mgfn. von Turin Gf, von Maurienne, Mgf. von Turin t 'f 1060 Peter Gf. von Maurienne, Mgf. von Turin Agnes von Poitou Amadeus II. Johanna von Genf Gf. von Maurienne Heinrich IV. dt. Kg./I(s. *1050 u. Belley, Mgf. von Turin T1078 Friedrich Montbéliard Mgf. von Turin t Berta I 1087 11106 I1080 von 1091 Rudolf Rheinfelden - Odo T1080 Bf. vonAsti t1060 I1080 Agnes Humbert II. t1091 Gf. von Maurienne Gisela von Burgund Manasse von Coligny Agnes t10e0 t1 103 nach 1080 Adelheid von Hzg. von Schwaben, dt. Gegenkg. Amadeus III. Gf. von Savoyen, Laienabt von Saint-Maurice T1 148 5.3.3 Die Sires von Sølins HumbeúIL Ermenbourg Tochter d. Gf Lambert t nach 1028 Sire von Salins t Gaucher L Sire von Salins t nach I 044 Arembourg vor 1028 Liétaud t Anseau von Navilly miles nach 1044 I vor 1073 Ermenbourg t vor 1066 Hugo I. Ebf. von Besançon, Ordensfrau i. Baume Erzkanzler von Burgund I iung Anna t1066 --T-------l tl ll Gaucher IL Sire von Salins t nach 1 100 Humbert III. Sire von Salins f um 1132 Aubri Gérard Archidiakon von Saint-Etienne Hugo von Salins Kanoniker in Besançon nach 1114 f Humbert Hugo Kleriker in Raimodis von Navilly t nach 1 073 Besançon II. Navilly Anseau von Humbert II. von Navilly Guichard von Navilly Kanoniker u. Archidiakon von Saint-Etienne T1087 Hugo von Navilly Hugo (Kleriker) Blättel aus der Walliser Geschichte XLVIII. BAND 2016 Herausgegeben vom Geschichtsforschenden Verein Oberwallis