Nichtlineare Funktionalanalysis und
Differentialgleichungen
M. Fuchs, G. Lube
Georg–August–Universität Göttingen
Sommersemester 2008
16. Juli 2008
Inhaltsverzeichnis
0 Einleitung
I
5
Fixpunktsätze und Anwendungen
13
1 Grundlagen der Differentialrechnung
17
2 Fixpunktsatz von Banach
21
2.1 Klassischer Fixpunktsatz von Banach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.2 Parameterabhängige Fixpunktprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.3 Bemerkungen zur Beweistechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3 Anwendungen von Banach
3.1 AWP gewöhnlicher Differentialgleichungen
3.2 Lipschitz-stetig stark monoton . . . . . . .
3.3 Satz über implizite Funktionen . . . . . .
3.4 Newton–Verfahren . . . . . . . . . . . . .
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25
25
28
30
32
4 Fixpunktsatz von Schauder
35
4.1 Fixpunktsatz von Brouwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4.2 Fixpunktsatz von Schauder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
5 Anwendungen von Schauder
41
5.1 AWP gewöhnlicher Diff.-gl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
5.2 Integralgleichungen mit kleinem Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
6 Ausblick auf weitere Anwendungen
6.1 Operator–Differentialgleichungen in Banach–Räumen
6.2 Prinzip der Parameterfortsetzung (Homotopie) . . . .
6.3 Positive Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4 Analytische Bifurkationstheorie . . . . . . . . . . . .
6.5 Fixpunkte mehrdeutiger Abbildungen . . . . . . . . .
6.6 Nichtexpansive Operatoren . . . . . . . . . . . . . . .
3
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47
47
48
4
II
INHALTSVERZEICHNIS
Theorie monotoner Operatoren
49
7 Monotone Operatoren
53
7.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
7.2 Beispiele und Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
8 Stark monoton und Lipschitz-stetig
57
8.1 Abstrakte Aussagen und Näherungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
8.2 Galerkin-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
8.3 Quasilineare elliptische RWP 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
9 Hauptsatz monotoner Operatoren
9.1 Schwache Konvergenz in reflexiven Banach–Räumen
9.2 Stetigkeitsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.3 Hauptsatz über monotone Operatoren . . . . . . .
9.4 Lösung der Galerkin–Gleichungen . . . . . . . . . .
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63
63
64
65
69
10 Anwendungen des Haupsatzes
10.1 Nemyzki–Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.2 Quasilineare elliptische Randwertaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.3 Beispiele und Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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71
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11 Pseudomonotone Operatoren
79
11.1 Anwendung des Hauptsatzes auf lineare stark elliptische Randwertprobleme 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
11.2 Pseudomonotone Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
11.3 Anwendung auf elliptische Randwertprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Kapitel 0
Einleitung
In den vorangegangenen Semestern wurden in einem Vorlesungszyklus zur Theorie und
Numerik partieller Differentialgleichungen lineare Operatorgleichungen in geeigneten linearen Räumen mit topologischer Struktur behandelt. Gegenstand dieser Vorlesung sind
eine Einführung in die nichtlineare Funktionalanalysis und – darauf aufbauend – einige
Anwendungen in der Theorie und Numerik nichtlinearer gewöhnlicher bzw. partieller Differentialgleichungen.
Man sieht bereits an der skalaren algebraischen Gleichung
f : R → R,
f(x) = 0,
daß beim Übergang von linearen Gleichungen mit f(x) := αx + β zu tatsächlich nichtlinearen Gleichungen neue Probleme auftreten. Während im linearen Fall entweder genau
eine (α 6= 0), keine (α = 0, β 6= 0) oder unendlich viele (α = β = 0) Lösungen auftreten,
sind bei tatsächlich nichtlinearen Gleichungen Fälle mit beliebig vielen Nullstellen konstruierbar.
Betrachten wir weiter Zweipunkt–Randwertproblemen gewöhnlicher Differentialgleichungen
F(x, u(x), u ′ (x), u ′′ (x)) = 0, 0 < x < a;
u(0) = u(a) = 0.
Es sei dabei daran erinnert, daß speziell bei linearen Randwertaufgaben
u ′′ (x) + b(x)u ′ (x) + c(x)u(x) = f(x),
0 < x < a;
u(0) = u(a) = 0
der Fredholmsche Alternativsatz gilt: Der Nullraum (bzw. Kern) des Operators ist entweder trivial oder hat die Dimension 1.
Das erste Beispiel zeigt, daß nichtlineare Randwertprobleme unendlich viele verschiedene,
linear unabhängige Lösungen haben können.
Beispiel 0.1. (Nichtlineare Diffusions–Reaktions–Gleichung)
Die Aufgabe
u ′′ (x) + 2[u(x)]3 = 0, 0 < x < a;
5
u(0) = u(a) = 0
(1)
6
KAPITEL 0. EINLEITUNG
kann durch Multiplikation mit u ′ und Integration mit einer beliebigen Konstanten α > 0
umgeformt werden zu
[u ′ (x)]2 + [u(x)]4 = α4
bzw.
u′
= 1.
α4 − u4
Integration und Berücksichtigung der Randbedingung bei x = 0 ergeben
Zu
1
√
x=
dv,
|v| 6 α.
α4 − v4
0
√
(2)
Die durch (0.2) beschriebene ungerade Funktion u 7→ x(u) ist auf [−α, +α] strikt monoton
und daher invertierbar. Sei jetzt
Z
Zα
1 1
I
1
1
√
√
A :=
dv =
dv ≡ .
(3)
4
4
4
α 0 1−v
α
α −v
0
Die auf [−A, A] entstehende (ungerade) Funktion x 7→ u(x) genügt den Beziehungen
u(±A) = ±α sowie u ′ (±A) = ±0.
Man sieht nun, daß mit x 7→ u(x) auch x 7→ u(−x) sowie mit beliebigen reellen β auch
x 7→ u(x + β) der Differentialgleichung genügen. Daher kann man über u(x + A) :=
u(A − x) für 0 6 x 6 2A und u(x + 4A) := u(x) für x ∈ R die Funktion u zu einer
auf R definierten Funktion mit der Periode 4A fortsetzen. Wegen u ′ (±A) = ±0 und der
Differentialgleichung schließt man sogar auf u ∈ C2 (R).
Die Randbedingung bei x = a wird erfüllt unter der Bedingung
a = 2nA,
n ∈ N,
d.h.
αn =
2nI
, n ∈ N.
a
(4)
Somit erhält man über (0.2) eine Folge {un } parameterbehafteter Lösungen des RWP (0.1)
mit der Beziehung
un (x) = nu1 (nx), x ∈ R.
(5)
denn aus
x=
Z un (x)
0
1
p
α4n
− v4
dv
folgt mit der Substitution v = nṽ die Beziehung
nx =
Z un (x)/n
0
1
p
α41
− v4
dv,
damit (0.5).
Die lineare Unabhängigkeit dieser Lösungen sieht man wie folgt: Aus der Beziehung
m
X
n=1
cn un = 0
7
erhalten wir nach mehrfacher Differentiation und Formel (0.5)
(k)
u1 (0)
m
X
cn nk+1 = 0,
n=1
∀k ∈ N.
(6)
Die Funktion u1 ist analytisch, jedoch nicht polynomial. Man findet dann eine Teilfolge
k(j) mit k(j) → ∞, j → ∞ derart, daß
(k(j))
u1
(0) 6= 0,
j ∈ N.
Aus (0.6) folgert man somit
m
X
n=1
cn
n k(j)+1
m
= 0,
j ∈ N.
Durch Grenzübergang j → ∞ schließt man auf cm = 0. Induktiv findet man dann c1 =
... = cm = 0. Wir sehen also, dass die Fredholm-Alternative im nichtlinearen Fall nicht
mehr gilt.
Das folgende Beispiel zeigt, daß im Unterschied zu linearen Randwertaufgaben mit glatten
Koeffizienten bei nichtlinearen Problemen unstetige Lösungen entstehen können.
Beispiel 0.2. (Nichtlineare Diffusions–Konvektions–Gleichung)
Das RWP der elliptisch regularisierten Burgers–Gleichung (vgl. Vorlesung über Theorie
und Numerik zeitabhängiger Probleme, WS 1996/97)
u ′′ (x) + u(x)u ′ (x) = 0, 0 < x < a;
u(0) = u(a) = 0
(7)
wird durch Integration mit einer beliebigen Konstanten y überführt in
2u ′ + u2 = ±y.
Umformung ergibt
2u ′
= 1.
y − u2
Ist y = 0, so erhält man die triviale Lösung. Ist y > 0, so setzen wir y = α2 und erhalten
wir nach Integration und Berücksichtigung der Randbedingung u(0) = 0 bei x = 0
α+u
1
log
= x,
α
α−u
Ist u = 0, so ist x = 0, also kann dies keine Lösung des RWP sein.
Setzen wir also y = −α2 . Dann ist
2u ′
= −1,
α2 + u2
also die Lösung gegeben durch
u
2
arctan = −x,
α
α
8
KAPITEL 0. EINLEITUNG
also
αx
.
2
Die zweite Randbedingung bei x = a ergibt dann die Lösungen
u− (x) = −α tan
un (x) = −
nπx
2nπ
tan
,
a
a
n ∈ N.
mit Singularitäten.
Eine weitere Besonderheit nichtlinearer Randwertprobleme gegenüber dem linearen Fall
ist, dass die Struktur der Lösungsmenge stark durch Parameter beeinflußt werden kann.
Beispiel 0.3 (Nichtlineare Diffusions–Reaktions–Gleichung)
Für das RWP
u ′′ (x) + λeu(x) = 0, 0 < x < a;
u(0) = u(a) = 0
(8)
beschreibt der Parameter λ > 0 die Stärke der Nichtlinearität des Reaktionsterms. Nach
sorgfältiger qualitativer Diskussion der Lösung schließt man auf die Existenz eines kritischen Wertes λ∗ , so daß für die Fälle 0 < λ < λ∗ , λ = λ∗ bzw. λ > λ∗ genau zwei, eine
bzw. gar keine Lösung von (0.8) existieren.
Die Bedeutung der funktionalanalytischen Untersuchung derartiger Gleichungen besteht
gerade darin, daß von der konkreten Gestalt der Operatorgleichung abstrahiert wird und
die wesentlichen Eigenschaften der Gleichung herausgestellt werden. Für nichtlineare Probleme der Form
A(u) = 0,
A : X 7→ Y
mit einem nichtlinearen Operator A und geeigneten Räumen X bzw. Y soll u.a. untersucht
werden, unter welchen Bedingungen die aus der linearen Theorie bekannten Aussagen
über Existenz, Eindeutigkeit und Stabiltät der Lösung erhalten bleiben. Ferner besteht
ein Ziel darin, die in den vorangestellten Beispielen auftretenden neuen Phänomene nach
Möglichkeit zu klassifizieren.
Der Plan der Vorlesung beinhaltet folgende Schwerpunkte:
I: Fixpunktsätze und Anwendungen
Nach der Einführung in elementare Grundlagen der Differentialrechnung in normierten Räumen behandeln wir die Fixpunktsätze von Banach und Schauder. Es schließen sich einige Anwendungen dieser Fixpunktsätze an. Wichtige Anwendungsfälle
sind Anfangswertprobleme gewöhnlicher Differentialgleichungen, die Lax–Milgram–
Theorie (u.a. zur Behandlung linearer elliptischer Randwertprobleme) sowie nichtlineare Gleichungssysteme.
II: Theorie monotoner Operatoren und Anwendungen
Nach einer Verallgemeinerung der Lax-Milgram–Theorie behandeln wir den Hauptsatz für monotone Operatoren und die Anwendung auf quasilineare elliptische Randwertprobleme 2. Ordnung. Schließlich erweitern wir die Theorie noch auf pseudomonotone Operatoren, um für quasilineare elliptische Randwertprobleme 2. Ordnung
eine gewisse Übertragung des Fredholmschen Alternativsatzes zu ermöglichen.
9
Im Rahmen der Vorlesung kann man sich bei grundlegenden Aussagen zur (linearen)
Funktionalanalysis und weiteren Grundlagen orientieren an [1]. Bei den Darlegungen zur
nichtlinearen Funktionalanalysis in Teil I und II folge ich zeitweise [7], [8], [9] bzw. [3].
Für eine etwas andere Darlegung und Schwerpunktsetzung verweise ich gerne auf die
Vorlesung [5], der ich auch die einleitenden Beispiele entnommen habe.
Literaturverzeichnis
[1] H.W. Alt. Lineare Funktionalanalysis. Springer–Verlag 1985
[2] E. Emmrich. Gewhnliche und Operator-Differentialgleichungen. Vieweg, Teubner,
2004
[3] H.Gajewski, K.Gröger, K.Zacharias. Nichtlineare Operatorgleichungen und Operatordifferentialgleichungen. Akademie–Verlag, Berlin 1974
[4] V.Girault, P.A.Raviart. Finite element methods for Navier–Stokes equations. Springer, Berlin–Heidelberg 1986
[5] R. Kreß. Nichtlineare Funktionalanalysis. Vorlesungsskript, Universität Göttingen,
NAM. WS 1995/96,
[6] M. Ruzicka. Nichtlineare Funktionalanalysis. Springer, Berlin 2004
[7] E. Zeidler. Vorlesungen über nichtlineare Funktionalanalysis. Teubner, Leipzig 1976
[8] E. Zeidler. Nonlinear Functional Analysis and its Applications. Springer, Berlin 1986
(2. Auflage 1992, 1995)
[9] E. Zeidler. Applied Functional Analysis: Applications to Mathematical Physics. Springer, New York 1995
[10] E. Zeidler. Applied Functional Analysis: Main Principles and Their Applications.
Springer, New York 1995
11
Teil I
Fixpunktsätze und Anwendungen
13
15
Viele nichtlineare Gleichungen lassen sich als Fixpunktproblem in geeigneten Mengen M
und X schreiben:
Finde x ∈ M ⊆ X :
x = T (x).
(F)
Beispiel:
Ein Anfangswertproblem (AWP) gewöhnlicher Differentialgleichungssyteme hat mit
x : I := [t0 , T ] → Rn ,
f : I × Rn → Rn ,
wobei f ein stetiges Vektorfeld ist, die Form
dx
= f(t, x(t)),
dt
t > t0 ;
x(t0 ) = x0 .
Man erhält ein äquivalentes Fixpunktproblem der Form
Zt
0
x(t) = x +
f(τ, x(τ)) dτ ≡ T (x).
t0
Wir interessieren uns nun für Eigenschaften des Operators T bzw. der Mengen M und X
zur Klärung folgender Fragen
• Lösbarkeit von (F)
• Struktur der Lösungsmenge von (F)
• ggf. Abhängigkeit der Lösung von Parametern
• Näherungsverfahren für die Lösung von (F).
In diesem ersten Teil der Vorlesung betrachten wir die beiden klassischen Fixpunktsätze
von Banach (vgl. Kap. 2) bzw. von Schauder (vgl. Kap. 4) und wichtige Anwendungen (vgl.
Kap. 3 bzw. 5). Insbesondere erhält man bei Anwendung dieser Sätze auf das obige Beispiel die üblichen Existenzsätze von Picard/ Lindelöf bzw. Peano für AWP gewöhnlicher
Differentialgleichungssyteme.
Zur Vorbereitung der weiteren Vorgehensweise werden wir einige elementare Grundlagen
der Differentialrechnung in normierten Räumen bereitstellen.
Kapitel 1
Grundlagen der Differentialrechnung
in normierten Räumen
Bei der Untersuchung nichtlinearer Operatorgleichungen approximiert man die auftretenden nichtlinearen Operatoren lokal durch lineare Operatoren. Dafür benötigt man einen
geeigneten Ableitungsbegriff.
Erinnern wir uns daran, dass wir für Funktionen f : Rn → R entweder die Existenz von
∂f/∂xi für alle Vektorfelder ∂/∂xi in einem Punkt x0 fordernkonnte, oder aber (stärker!)
die Existenz einer totalen Linearisierung df mit
f(x0 + h) − f(x0 ) = df(h) + r(x0 , h),
wobei das Restglied r die Bedingung limh→0 ||h||−1 r(x0 , h) = 0 für alle h mit x0 + h ∈
U(x0 )erfüllt.
Für total differenzierbare Funktionen reicht allerdings die Kenntnis der Richtungsbaleitungen entlang der Basisvektorfelder aus, um die totale Ableitung zu kennen. Im unendlichdimensionalen ist eine sorgfältige Unterscheidung wichtiger.
Wir beginnen also mit folgenden Ableitungsdefinitionen für die Abbildung
f : U ⊆ X → Y,
X, Y − normierte Räume,
wobei U eine offene Teilmenge von X ist.
Definition 1.1. Die Abbildung f : U(x0 ) ⊆ X → Y ist in x0 G(ateaux)–differenzierbar
g.d.w. es eine lineare Abbildung T ∈ L(X, Y) gibt,so dass für alle k ∈ X mit kkkX = 1
f(x0 + tk) − f(x0 ) = t T k + r(x0 , t) mit
r(x0 , t)
= 0.
t→0
t
lim
(1.1)
Die Ausdrücke f ′ (x0 ) := T bzw. δf(x0 ; k) := f ′ (x0 )k heißen G(ateaux)–Ableitung bzw.
G(ateaux)–Differential.
T : U ⊆ X → Y heißt G–differenzierbar auf U, falls T in allen Punkten x0 ∈ U G–
differenzierbar ist.
Achtung: T wird i. a. kein beschränkter Operator sein.
Äquivalent zur Definition des G–Dfifferentials gilt folgende einfache und für praktische
17
18
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER DIFFERENTIALRECHNUNG
Zwecke nützliche Berechnungsformel
f(x0 + tk) − f(x0 )
.
t→0
t
f ′ (x0 )k = lim
(1.2)
Wir kommen nun zum stärkeren Begriff.
Definition 1.2. Die Abbildung f : U(x0 ) ⊆ X → Y ist in x0 F(réchet)–differenzierbar
g.d.w.
∃T ∈ L(X, Y) :
f(x0 + h) − f(x0 ) = T h + r(x0 , h),
r(x0 , h)
= 0.
h→0 khkX
lim
(1.3)
Die Ausdrücke f ′ (x0 ) := T bzw. df(x0 ; h) := f ′ (x0 )h heißen F(réchet)–Ableitung bzw.
F(réchet)–Differential.
T : U ⊆ X → Y heißt F-differenzierbar auf U, falls T in allen Punkten x0 ∈ U Fdifferenzierbar ist.
Beispiel 1.3. (Ableitungsbegriffe im Rn )
Seien jetzt speziell X = Rn und Y = R. Dann ist die Funktion f : U ⊂ Rn → R im Punkt
x ∈ U genau dann G-differenzierbar, wenn es einen Vektor a = (a1, ..., an )∗ ∈ Rn gibt
mit
n
X
1
ai hi ∀h = (h1 , ..., hn )∗ ∈ Rn .
lim [f(x + th) − f(x)] =
t→0 t
i=1
Die Existenz der G–Ableitung sichert die Existenz der partiellen Ableitungen
ai =
∂f
,
∂xi
i = 1, ..., n.
Die G–Ableitung existiert also genau dann, wenn alle Richtungsableitungen von f nach
h ∈ Rn mit khk = 1 (o.B.d.A.) existieren, m. a. W. wenn der Gradient ∇f existiert.
Sei jetzt die Stetigkeit der ersten partiellen Ableitungen von f : U → R auf U vorausgesetzt. Dann ist f auf dieser Menge F–differenzierbar. Die F–Ableitung ist gerade durch
den Gradienten von f definiert
n
X
∂f
(x)hi .
f (x) : h 7→ gradf(x) · h =
∂x
i
i=1
′
Beweis: Folgerung aus dem unten folgenden Satz 1.7 !
Beispiel 1.4. In Verallgemeinerung von Beispiel 1.3 betrachten wir auf der offenen Menge
U ⊂ Rn vektorwertige Funktionen f : Rn → Rm mit
f : x 7→ f(x) = (f1 (x), ..., fm (x))∗ .
Die Funktionen fi : U → R, i = 1, ..., n seien stetig und stetig differenzierbar auf U. Dann
ist f auf U auch F-differenzierbar, für die F–Ableitung gilt
f ′ (x) : h 7→
∂f
(x) · h
∂x
19
mit der Jacobischen Funktionalmatrix
∂f
∂fi
(x), i = 1, ..., m, j = 1, ..., n.
(x)
=
∂x
∂xj
i,j
(Beweis: Übungsaufgabe !)
Ein wichtiges Prinzip der Differentialrechnung in normierten Räumen ist, Beweise für die
eingangs genannte Abbildungskonstellation auf den Fall vektorwertiger Funktionen über
einem Intervall, d.h. den Fall mit X = R zurückzuführen. Man erhält nämlich durch die
Definition
t 7→ hg, u(t)i,
g ∈ Y ∗ , u(t) ∈ Y.
eine Familie reellwertiger Funktionen, und so übertragen sich der Integrations– und Differentiationsbegriff sowie wichtige klassische Sätze in natürlicher Weise. Insbesondere
können auch Ableitungen und Differentiale erklärt und eine geeignete Verallgemeinerung
des Satzes von Taylor formuliert werden (vgl. z.B. E. Zeidler [1976], Kap. 3). Dies wird
zum Beispiel in der Variationsrechnung bzw. der nichtlinearen Optimierung benötigt. Wir
benötigen jedoch hier zunächst nur den Mittelwertsatz.
Lemma 1.5. (Mittelwertsatz)
Für eine stetige Funktion f : [a, b] → Y mit Werten im normierten Raum Y möge die
Ableitung f ′ (t) für alle t ∈ [a, b] (mit einseitigen Grenzwerten f ′ (a) und f ′ (b)) existieren.
Dann gilt
(i) kf(b) − f(a)kY 6 (b − a) supa<t<b kf ′ (t)kY
(ii) kf(b) − f(a) − (b − a)f ′ (t0)kY 6 (b − a) supa<t<b kf ′ (t) − f ′ (t0 )kY
Rb
(iii) f(b) − f(a) = a f ′ (t) dt, falls zusätzlich f ′ ∈ C[a, b].
∀t0 ∈ [a, b]
Beweis: Man wende den bekannten MWS für rellwertige Funktionen auf obige Funktionenfamilie für g ∈ Y ∗ an.
Die Verallgemeinerung gibt der
Satz 1.6. (Mittelwertsatz)
Seien X, Y normierte Räume, U eine offene, konvexe Teilmenge und
f : U ⊆ X → Y.
eine G–differenzierbare Abbildung. Dann gilt
kf(x) − f(y)kY 6 sup kf ′ (x + t(y − x)kL(X,Y) kx − ykX
t∈(0,1)
für alle x, y ∈ U.
Beweis: Man wende den vorhergehenden MWS auf
t 7→ f(x + t(y − y))
an.
Satz 1.7. (Beziehungen zwischen beiden Ableitungsbegriffen)
20
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER DIFFERENTIALRECHNUNG
(i) Jede F–Ableitung in x0 ist auch G–Ableitung in x0 .
(ii) Eine G–Ableitung in x0 , bei der der Grenzübergang (1.2) gleichmäßig für alle k mit
kkkX = 1 verläuft, ist F–Ableitung in x0 .
(iii) Existiert f ′ (x) für alle Punkte x ∈ U(x0 ) als G–Ableitung und ist f ′ in x0 stetig, so
ist f ′ (x0 ) auch F–Ableitung in x0 .
Beweis: (i),(ii): Setze h = tk in (1.1)–(1.3).
(iii): Sei φ(t) := f(x0 + th), d.h. φ ′ (t) := f ′ (x0 + th)h. Daraus folgt nach dem Mittelwertsatz für vektorwertige Funktionen (vgl. Satz 1.5) und wegen der Stetigkeit von f ′ in
x0 , daß
kφ(1) − φ(0) − φ ′ (0)k = kf(x0 + h) − f(x0 ) − f ′ (x0 )hk
6 sup kf ′ (x0 + th) − f ′ (x0 )k khk → 0, h → 0.
t∈(0,1)
Satz 1.8. (Kettenregel)
In normierten Räumen X, Y und Z seien für die Funktionen
f : U(x0 ) ⊆ X → U(f(x0 )) ⊆ Y
g : U(f(x0 )) ⊆ Y → Z
die Ableitungen f ′ (x0 ) bzw. g ′ (f(x0 )) jeweils als F–Ableitungen erklärt. Ferner sei H =
g ◦ f, H(x) = g(f(x)).
Dann ist H in x0 F-differenzierbar mit
H ′ (x0 ) = g ′ (f(x0 )) f ′ (x0 ).
Beweis: Es gilt nach Voraussetzung
g(f(x0 ) + k) = g(f(x0) + g ′ (f(x0 ))k + o(kkk), k → 0
k := f(x0 + h) − f(x0 ) = f ′ (x0 )h + o(khk), h → 0,
damit
g(f(x0 + h)) = g(f(x0 )) + g ′ (f(x0 ))f ′ (x0 )h + o(khk),
h → 0.
Hierbei wurde benutzt: Sei y von Ordnung o(kkk). Dann ist y auch o(khk), denn
|y|
|y|
khk−1 |y|
lim khk−1 |y|
> ′
= ′
→
,
kkk
kf (x0 )kkhk + o(khk)
kf (xo )k + khk−1 o(khk)
kf ′ (x0 )k
also ist auch
lim
|y|
= 0.
khk
Definition 1.8. (Partielle Ableitungen)
Gegeben sei (x, y) 7→ f(x, y). Hat x 7→ g(x) := f(x, y0 ) für festes y0 in x0 eine F–Ableitung
(bzw. G–Ableitung), so heißt
fx (x0 , y0 ) := g ′ (x0 )
partielle F–Ableitung (bzw. partielle G–Ableitung) in (x0 , y0 ).
Kapitel 2
Fixpunktsatz von Banach
Erinnern wir uns daran, dass wir das AWP eines Systems gewöhnlicher Differentialgleichungen lsen wollen:
dxi
= fi (t, x1 (t), . . . , xn (t)),
dt
xi (t0 ) = xi0 , i = 1 . . . n,
bzw.
dx
= f(t, x(t)), x(t0 ) = x0 .
dt
Erinnerung: OBdA kann man annehmen, dass es von erster Ordnung ist.
Zum Beispiel stelle man sich den Lorenz-Attraktor (siehe Beispiel 3.3 unten) vor.
Das AWP ẋ = f(t, x) ist äquivalent zur Fixpunktgleichung
Zt
x(t) = x0 +
dsf(s, x(s))
t0
Wir wollen den auf der rechten Seite auftretenden Integralopertaor T zu einem Iterationsoperator machen, und hoffen, so eine Lösung von T x = x zu gewinnen.
2.1
Klassischer Fixpunktsatz von Banach
Ausgangspunkt ist das Fixpunktproblem in geeigneten Mengen M und X:
Finde x ∈ M ⊆ X :
x = T (x).
(F)
Neben der Fixpunktgleichung (F) wird folgendes Näherungsverfahren (sukzessive Approximation) untersucht:
Finde xn+1 ∈ M ⊆ X : xn+1 = T (xn ). n ∈ N0 ;
x0 ∈ M.
(Fn )
Satz 2.1. (Fixpunktsatz von Banach)
Seien (X, ρ) vollständiger, metrischer Raum und M ⊆ X eine abgeschlossene, nichtleere
Menge. Ferner gelte
T:
M⊆X→M
∃κ ∈ [0, 1) : ρ(T (x), T (y)) 6 κρ(x, y), ∀x, y ∈ M.
21
(2.1)
(2.2)
22
KAPITEL 2. FIXPUNKTSATZ VON BANACH
(T ist also Lipschitz-stetig mit Lpschitzkonstante κ < 1, bzw. eine kontrahierende Abbildung M → M.)
Dann besitzen die Probleme (F) bzw. (Fn ) jeweils eine und nur eine Lösung in M. Ferner
gilt die Fehlerabschätzung
κn
ρ(x0 , x1 ) → 0,
1−κ
ρ(xn , x) 6
n → ∞.
(2.3)
Beweis: (i) Eine Nebenrechnung ergibt zunächst über (Fn ) sowie (2.2)
ρ(xn , xn+1 ) = ρ(T (xn−1 ), T (xn )) 6 κρ(xn−1 , xn )
6 κ2 ρ(xn−2 , xn−1 ) 6 ... 6 κn ρ(x0 , x1 ),
damit nach Dreiecksungleichung
ρ(xn , xn+m ) 6
m−1
X
ρ(xn+j , xn+j+1 ) 6
j=0
6
m−1
X
κn+j ρ(x0 , x1 )
j=0
∞
X
j=0
j
κ
!
κn
κ ρ(x0 , x1 ) =
ρ(x0 , x1 ).
1−κ
n
(2.4)
Also ist {xn } Cauchy–Folge. Wegen der Vollständigkeit von X existiert der Grenzwert
xn → x∗ , n → ∞ in X.
(ii) Existenz: Wegen der Lipschitz–Stetigkeit von T nach (2.2) kann man in (Fn ) den
Grenzübergang n → ∞ ausführen, d.h. x∗ = T (x∗ ). Daraus folgt die Lösbarkeit von (F).
(iii) Eindeutigkeit: Seien xi = T (xi ), i = 1, 2 Lösungen von (Fn ) bzw. (F). Dann gilt mit
(2.2)
ρ(x1 , x2 ) = ρ(T (x1 ), T (x2 )) 6 κρ(x1 , x2 ).
Wegen κ ∈ [0, 1) folgt zwingend x1 = x2 .
(iv) Fehlerabschätzung: Abschätzung (2.3) folgt aus (2.4) für m → ∞.
2.2
Parameterabhängige Fixpunktprobleme
Für Anwendungen sind oft parameterabhängige Fixpunkt–Probleme interessant:
Finde xλ ∈ M ⊆ X :
xλ = Tλ (xλ ). λ ∈ Λ
(F˘ )
Satz 2.2. (Stetige Parameterabhängigkeit)
Sei Λ metrischer Raum, λ0 ∈ Λ. Ferner erfülle Tλ für alle λ ∈ Λ die Voraussetzungen
von Satz 2.1 mit einer von λ unabhängigen Konstanten κ und gelte
lim Tλ (x) = Tλ0 (x)
λ→λ0
∀x ∈ M.
Dann besitzt das Probleme (F˘ ) für alle λ ∈ Λ eine und nur eine Lösung xλ ∈ M. Ferner
gilt
lim xλ = xλ0 .
λ→λ0
23
2.3. BEMERKUNGEN ZUR BEWEISTECHNIK
Beweis: (i) Existenz: Die Existenzaussage ergibt sich nach Satz 2.1 zunächst für festes
λ ∈ Λ.
(ii) Stetigkeit: Nach Dreiecksungleichung und (2.2) folgt
ρ(xλ , xλ0 ) = ρ(Tλ (xλ ), Tλ0 (xλ0 ))
6 ρ(Tλ (xλ ), Tλ (xλ0 )) + ρ(Tλ (xλ0 ), Tλ0 (xλ0 )),
6 κρ(xλ , xλ0 ) + ρ(Tλ (xλ0 ), Tλ0 (xλ0 )),
also
ρ(xλ , xλ0 ) 6
2.3
1
ρ(Tλ (xλ0 ), Tλ0 (xλ0 )) → 0,
1−κ
λ → λ0 .
Bemerkungen zur Beweistechnik
Hauptschwierigkeiten bei der Anwendung der Sätze 2.1 bzw. 2.2 sind
• Wahl der Fixpunktgleichung (damit von T bzw. M und X)
• Nachweis der Selbstabbildungseigenschaft (2.1)
• Nachweis der Kontraktivität (2.2).
Als Beispiel betrachten wir zunächst Kontraktionsoperatoren auf abgeschlossenen Kugeln.
Lemma 2.3. Sei
M := {x : ρ(x, x0 ) 6 R} ⊆ X.
Ferner erfülle der Operator die Kontraktionseigenschaft (2.2) auf M und gelte
ρ(x0 , T (x0 )) 6 (1 − κ)R.
Dann existiert eine und nur eine Lösung x ∈ M des Fixpunktproblems (F).
Beweis: Zu zeigen ist lediglich (2.1), d.h. T (x) ∈ M für alle x ∈ M. Dies folgt aber nach
Dreiecksungleichung und (2.2) aus
ρ(x0 , T (x)) 6 ρ(x0 , T (x0 )) + ρ(T (x0 ), T (x)) 6 (1 − κ)R + κρ(x0 , x) 6 R.
Wir untersuchen nun speziell F(réchet)–differenzierbare Operatoren in Banach–Räumen.
Lemma 2.4. Der Operator T : M ⊆ X → Y sei F−differenzierbar für alle x ∈ M. Ferner
sei M konvex. Dann ist T Lipschitz–stetig auf M mit
kT (x1 ) − T (x2 )kY 6 Lkx1 − x2 kX ,
L := sup kT ′ (x)kL(X,Y) ;
x∈M
Beweis: Folgerung aus dem Mittelwertsatz 1.6.
Bei unseren Anwendungen ist oft
Y = X,
ρX (x1 , x2 ) = kx1 − x2 kX .
∀x1 , x2 ∈ M.
%[
Kapitel 3
Einige Anwendungen des
Fixpunktsatzes von Banach
Im vorliegenden Abschnitt werden wir einige typische Anwendungen des Fixpunktsatzes
von Banach besprechen.
3.1
AWP für Systeme gewöhnlicher Differentialgleichungen
Wir betrachten zunächst das Anfangswertproblem (AWP) gewöhnlicher Differentialgleichungen
dxi (t)
= fi (t, x1 (t), ..., xn (t)), xi (t0 ) = x0i , i = 1, .., n
dt
oder mit x = (x1 , ..., xn )T , f = (f1 , ..., fn )T sowie x0 = (x01 , ..., x0n )T in kompakter Form
dx(t)
= f(t, x(t)), x(t0 ) = x0 ,
dt
Eine geeignete parameterabhängige Fixpunktform ist
Zt
0
x(t) = x +
f(τ, x(τ)) dτ ≡ Tx0 (x(t))
(3.1)
(3.2)
t0
bei fixiertem Anfangspunkt t0 . Der Anfangswert x0 wird als Parameter angesehen. Wir
wählen mit I = [t0 − c, t0 + c] den Banach–Raum
n
X := C0 (I) , kxk := kxkX := max max |xi (t)|
i=1,...,n t∈I
und die Menge M := {x ∈ X : kx − x0 k 6 R} mit R > 0.
Satz 3.1. (Picard–Lindelöf )
Auf der Menge
QR := {(t, y) ∈ R × Rn : |t − t0 | 6 a, ky − x0 kRn 6 R}
gelte mit festen Werten K, L ∈ [0, ∞), a, b ∈ (0, ∞), daß
25
26
KAPITEL 3. ANWENDUNGEN VON BANACH
• f ∈ [C(QR )]n ,
|fi (t, y)| 6 K auf QR
• |fi (t, y1 ) − fi (t, y2 )| 6 Lky1 − y2 kRn auf QR
• 0 < c < a, cK < R, cL < 1
(d.h. c hinreichend klein) .
Dann existiert eine und nur eine Lösung von (3.1) in M mit x(·) ∈ C1 [t0 − c, t0 + c].
Die Lösung x(·) hängt in der Norm von X stetig von den Anfangswerten x0 ab. Ferner
konvergiert das Verfahren der sukzessiven Approximation
Zt
(0)
0
(n+1)
0
f(τ, x(n) (τ)) dτ, n ∈ N0
x (t) = x ; x
(t) = x +
t0
gegen die Lösung von (3.1) mit
lim kx − x(n) k = 0.
n→∞
Beweis: Wir wenden den Satz 2.1 mit Tx0 = T für festen Anfangswert x0 an.
Selbstabbildung (2.1): Die Aussage T : M → M folgt aus
Zt
0
kT (x) − x k = k
f(τ, x(τ)) dτk
t0
Zt
= max max |
fi (τ, x(τ)) dτ|
i=1,...,n t∈I
t0
6 cK < R
Kontraktivität (2.2): Dies ergibt sich aus
Zt
[f(τ, x1 (τ)) − f(τ, x2 (τ))] dτk
kT (x1 ) − T (x2 )k = k
t0
Zt
[fi (τ, x1 (τ)) − fi (τ, x(τ)] dτ|
= max max |
i=1,...,n t∈I
t0
6 cLkx1 − x2 k
≡ κkx1 − x2 k.
Satz 2.1 ergibt Existenz und Eindeutigkeit der Lösung des AWP sowie die Konvergenzaussage für das Verfahren der sukzessiven Approximation.
Stetige Abhängigkeit von Anfangsbedingung:
Hier wenden wir Satz 2.2 mit Λ = Rn an. Sei {x0n } eine Folge in Rn mit x0n → x0 . Wegen
kTx0n (x) − Tx0 (x)k = kx0n − xn k → 0,
n→∞
sind dann die Voraussetzungen von Satz 2.2 (eventuell bei Abänderung der Konstanten
a, R und c) erfüllt. Daraus folgt die Aussage.
Satz 3.1 ist nur ein lokaler Existenzsatz. Das nachfolgende Resultat globalisiert die Aussage.
3.1. AWP GEWÖHNLICHER DIFFERENTIALGLEICHUNGEN
27
Satz 3.2. (Fortsetzbarkeit der Lösung)
Die Voraussetzungen von Satz 3.1 seien für beliebiges R > 0 und von R unabhängige
Lipschitz–Konstante L erfüllt. Ferner entfalle die Einschränkung an die Konstante c.
Dann existiert eine und nur eine Lösung des AWP (3.1) in C0 [t0 − a, t0 + a], d.h. die
Lösung ist fortsetzbar auf das Intervall [t0 − a, t0 + a].
Beweis: Wir setzen M = X = C0 [t0 − a, t0 + a] und wählen mit Ia := [t0 − a, t0 + a] die
modifizierte Norm
k|xk| := max max |xi (t)| e−L|t−t0 | .
i=1,...,n t∈Ia
Sei nun o.B.d.A. t0 = 0. Die modifizierte Norm ist zur im Satz 3.1 verwendeten Norm k · k
äquivalent wegen
e−La kxk 6 k|xk| 6 kxk,
d.h. (X, k| · k|) ist ebenfalls Banach–Raum.
Die Selbstabbildung T (X) = X ist trivial. Die Kontraktivität von T auf X ersieht man aus
Zt
[fi (τ, x1 (τ)) − fi (τ, x2 (τ))] dτ e−L|t|
max
i=1,...,n t∈[−a,a] 0
Zt
6 max L kx1 (τ) − x2 (τ)k dτ e−L|t|
|
{z
}
t∈[−a,a]
0
k|T (x1 ) − T (x2 )k| =
max
max
6
t∈[−a,a]
|
Z t
0
6eL|τ| k|x1 −x2 k|
Le
{z
L(|τ|−|t|)
6 1−e−La
dτ k|x1 − x2 k|.
}
Der Fixpunktsatz von Banach ergibt dann die Behauptung.
Wir betrachten zur Illustration folgendes
Beispiel 3.3. (Lorenz–Attraktor)
Bei der Approximation eines gekoppelten Strömungsproblems (inkompressible Navier–
Stokes–Gleichung mit Energie–Gleichung) aus der Metereologie kam Lorenz mit Hilfe der
ersten Ansatzfunktionen eines Separationsansatzes auf das folgende AWP
dx1
= f1 (x) := −σx1 + σx2
dt
dx2
= f2 (x) := rx1 − x2 − x1 x3
dt
dx3
= f3 (x) := −bx3 + x1 x2
dt
mit (festen) positiven Parametern b, r, σ und der Anfangsbedingung
x(t0 ) = x0 ∈ R3 .
28
KAPITEL 3. ANWENDUNGEN VON BANACH
40
30
20
50
10
0
y
10
5
0 15
−5
−10
10
0
20
−10
x
Abbildung: Ein mit MuPAD erstellte Simulation des Lorenz-Attraktors für die Parameterwerte b = 1, r = 28, σ = 10.
Wir diskutieren die Anwendbarkeit der Sätze 3.1 bzw. 3.2: Sei mit beliebigem a > 0
bzw. R > 0
QR := {(t, y) ∈ R × R3 : |t − t0 | 6 a, ky − x0 kR3 6 R}.
Zunächst sind auf QR die dort auftretenden Konstanten L und K endlich wegen der Polynomialität der Funktionen fi . Damit ist zunächst der Satz von Picard/ Lindelöf anwendbar, d.h. es existiert bei beliebigem Anfangswert x0 ∈ R3 lokal eine und nur eine Lösung
3
x ∈ (C1 [t0 − c, t0 + c]) . Diese hängt auch stetig von x0 ab, also
x0n → x0 , n → ∞ =⇒ x(n) (t) → x(t) in C[t0 − c, t0 + c].
Eine genauere Analyse der Voraussetzungen des Fortsetzungssatzes 3.2 zeigt die Abhängigkeit
L = L(R) vom Radius der Lösungsmenge. Die Aussage des Satzes bleibt richtig mit Fortsetzbarkeit der Lösungstrajektorien auf [t0 − a, t0 + a] mit beliebigem a ∈ R oder bis zum
Rand der Kugel kx − x0 k 6 R.
In bestimmten Parameterbereichen von b, r und σ beobachtet man, daß die Lösungstrajektorien
auch bei eng benachbarten Anfangspunkten eventuell beliebig weit (sogar exponentiell)
auseinanderlaufen. Dies ist kein Widerspruch zur Aussage von Satz 3.2, der nur eine Aussage über ein endliches Intervall [t0 − a, t0 + a] und nicht für |t| → ∞ trifft. Vielmehr
deutet die im Beweis verwendete exponentielle gewichtete Norm an, daß ein exponentiell
schnelles Auseinanderdriften der Lösungstrajektorien für |t| ≫ 1 möglich ist.
3.2
Gleichungen mit Lipschitz–stetigen, stark monotonen Operatoren
Wir behandeln jetzt eine Verallgemeinerung der Lax–Milgram–Theorie für lineare elliptische Operatorgleichungen (vgl. Vorlesung (Lineare) Funktionalanalysis und partielle Dif-
29
3.2. LIPSCHITZ-STETIG STARK MONOTON
ferentialgleichungen, WS 1995/96, Kap. 12).
p
Sei jetzt H Hilbert–Raum mit Skalarprodukt (·, ·) und der induzierten Norm k·k := (·, ·).
Wir betrachten für einen Operator B ∈ (H → H) mit den Eigenschaften
• (i) ∃L > 0 : kB(u) − B(v)k 6 Lku − vk ∀u, v ∈ H
(L(ipschitz)–Stetigkeit)
• (ii) ∃γ > 0 : (B(u) − B(v), u − v) > γku − vk2 ∀u, v ∈ H (starke Monotonie)
die Operatorgleichung
Finde u ∈ H :
B(u) = f in H.
(3.3)
Satz 3.4. Der Operator B ∈ (H → H) sei L–stetig und stark monoton auf dem Hilbert–
Raum H. Dann existiert eine und nur eine Lösung u ∈ H der Operatorgleichung (2.3).
Das (pseudostationäre) Iterationsverfahren
u(n+1) − u(n)
+ B(u(n) ) = f,
τ
n ∈ N0
(3.4)
konvergiert
bei beliebigem Startwert u(0) ∈ H gegen die Lösung von (3.3), sofern τ ∈
2γ
0, L2 . Es gilt mit κ(τ) := 1 − 2τγ + τ2 L2 die Fehlerabschätzung
ku − u(n) k 6
κ(τ)n/2
p
ku(1) − u(0) k.
1 − κ(τ)
Bemerkung 3.5. Das Verfahren (3.4) kann als explizites Euler–Verfahren für das zum
stationären Problem (3.3) gehörige instationäre Problem interpretiert werden. Satz 3.4
stellt somit auch eine Konvergenzaussage des expliziten Zeitschrittverfahrens gegen die
stationäre Lösung u dar, wobei die angegebene Bedingung an τ als Schranke an die
Zeitschritte anzusehen ist.
Andererseits kann (3.4) auch als Defektkorrektur–Verfahren geschrieben werden in der
Form
u(n+1) = u(n) + τ f − B(u(n) ) .
Beweis von Satz 3.4. Wir wenden den Fixpunktsatz 2.1 von Banach auf den Operator
Tτ (u) := u + τ (f − B(u))
an. Offenbar ist die Selbstabbildungseigenschaft Tτ ∈ (H → H) erfüllt.
Zum Nachweis der Kontraktivität führen wir unter Beachtung der L–Stetigkeit und starken Monotonie von B folgende Nebenrechnung aus:
kTτ (u) − Tτ (v)k2 = ku − v − τ[B(u) − B(v)]k2
= (u − v − τ[B(u) − B(v)], u − v − τ[B(u) − B(v)])
= ku − vk2 − 2τ (B(u) − B(v), u − v) +τ2 kB(u) − B(v)k2
{z
}
|
{z
}
|
>γku−vk2
2 2
6
|
2
1 − 2τγ + τ L ku − vk .
{z
}
=:κ(τ)
6L2 ku−vk2
30
KAPITEL 3. ANWENDUNGEN VON BANACH
Eine einfache Kurvendiskussion zeigt, daß |κ(τ)| < 1 wird, falls 0 < τ <
Daraus ergibt sich die Kontraktivität von Tτ .
2γ
L2
gewählt wird.
Man kann nun die Aussage des letzten Satzes auf Operatorgleichungen der Form
Finde u ∈ X :
A(u) = f ∈ X∗
(3.5)
mit einem Hilbert–Raum X sowie unter Verwendung der (linearen) Dualitätsabbildung
J ∈ L(X, X∗ ) anwenden. Wir gehen darauf im Teil II über monotone Operatoren in Kapitel
8 ein.
3.3
Satz über implizite Funktionen
Wir betrachten jetzt das Problem der (theoretischen) Auflösbarkeit der implizit gegebenen
Funktion
F(x, y) = 0
nach y in Umgebung von (x0 , y0 ) mit F(x0 , y0 ) = 0.
Satz 3.6. (Satz über implizite Funktionen)
Seien X, Y und Z Banach–Räume und U(x0 , y0 ) eine offene Umgebung von (x0 , y0 ). Ferner
gelte
• F : U(x0 , y0 ) ⊆ X × Y → Z mit F(x0 , y0 ) = 0
• Es existiert Fy als F–Ableitung in U(x0 , y0 ).
• F und Fy sind stetig in (x0 , y0 ).
• Es existiert [Fy (x0 , y0 )]−1 ∈ L(Z, Y).
Dann gelten folgende Aussagen
(i) Es gibt Zahlen r1 , r > 0, so daß für alle x ∈ B(x0 ; r1 ) := {x : kx − x0 kX < r1 } die
Funktion
y(x) ∈ B(y0 ; r) := {y : ky − y0 kY < r}
mit F(x, y(x)) = 0 existiert.
(ii) Ist ferner F stetig in U(x0 , y0 ), so ist auch y(·) stetig in B(x0 ; r1 ).
Beweis: (1) Wir setzen o.B.d.A. x0 = 0 und y0 = 0. Statt der impliziten Gleichung
F(x, y) = 0 betrachten wir die folgende Fixpunktgleichung
−1
y = [Fy (0, 0)]
(Fy (0, 0)y − F(x, y)) =: Tx (y).
{z
}
|
=:g(x,y)
(2) Wir führen einige vorbereitende Nebenrechnungen durch. Sei dazu kxkX , kykY , kyi kY 6
ρ mit hinreichend kleinem ρ > 0. Dann gilt
gy (x, y) = Fy (0, 0) − Fy (x, y).
31
3.3. SATZ ÜBER IMPLIZITE FUNKTIONEN
Der Mittelwertsatz und die vorausgesetzte Stetigkeit der partiellen Ableitung Fy (und
damit von gy ) ergeben
kg(x, y1 ) − g(x, y2 )kZ 6
=
sup kgy (x, y1 + τ(y2 − y1 )kZ ky1 − y2 kY
{z
}
0<τ<1 |
=o(1)
o(1) ky1 − y2 kY ,
ρ → 0.
Weiterhin ist nach Dreiecksungleichung bzw. wegen der vorausgesetzten Stetigkeit von F
kg(x, y)kZ 6 kg(x, y) − g(x, 0)kZ + kg(x, 0)kZ
kg(x, 0)kZ = k − F(x, 0)kZ = k F(0, 0) +o(1)kxkkZ.
| {z }
=0
(3) Wir untersuchen nun die erforderlichen Fixpunkteigenschaften des Operators Tx :
Die Selbstabbildungseigenschaft folgt aus
kTx (y)kY = kFy (0, 0)−1g(x, y)kY
6 Ckg(x, y)kZ
6 C{o(1)kykY + o(1)kxkX } 6 r,
falls kxkX , 6 r1 , kykY 6 r. Damit bildet Tx die Kugel B(0; r) auf sich selbst ab.
Die Kontraktionseigenschaft von Tx auf der Kugel B(0; r) sieht man aus
kTx (y1 ) − Tx (y2 )kY = kFy (0, 0)−1 [g(x, y1 ) − g(x, y2 )] kY
6 C o(1) ky1 − y2 kY
1
6
ky1 − y2 kY ,
2
falls kyi kY 6 r bei hinreichend kleinem r.
(4) Für festes x liefert der Satz 2.1 die Behauptung (i).
(5) Die Stetigkeit der Abbildung (x, y) 7→ Tx (y) sowie Schritt (3) ergeben nach dem Satz
2.2 die Stetigkeit der Abbildung x 7→ y(x), damit die Behauptung (ii).
Beispiel 3.7. (Auflösbarkeit nichtlinearer Gleichungssysteme)
Untersucht wird die Auflösbarkeit des Systems nichtlinearer Gleichungen
fi (x, y) = 0,
i = 1, ..., n
nach y ∈ Rn mit Parametern x ∈ Rm . Wir setzen X := Rm sowie Y = Z := Rn und
verwenden jeweils die Maximum–Norm, z.B.
kxkX := max |xi |.
i=1,...,m
Mit dem Vektor F = (fi )n
i=1 kann das Problem kompakt geschrieben werden als
F(x, y) = 0 mit F : D(F) ⊆ Rm × Rn → Rn .
Dann ist der Satz über implizite Funktionen anwendbar, falls
32
KAPITEL 3. ANWENDUNGEN VON BANACH
∂fi
• fi , ∂y
stetig in U(x0 , y0 ), i, j = 1, ..., n
j
• det
3.4
∂fi
(x0 , y0 )
∂yj
= det Fy (x0 , y0 ) 6= 0, d.h. ∃[Fy (x0 , y0 )]−1 .
Newton–Verfahren
Wir betrachten Banach–Räume X, Y sowie eine stetige Abbildung F : X → Y. Zur iterativen Lösung der Aufgabe
Finde x ∈ X : F(x) = 0
(3.6)
untersuchen wir das Newton–Verfahren
x(n+1) = x(n) − [F ′ (x(n) )]−1 F(x(n) ),
n ∈ N0
(3.7)
n ∈ N0 .
(3.8)
sowie das vereinfachte Newton–Verfahren
x(n+1) = x(n) − [F ′ (x(0) )]−1 F(x(n) ),
Zur Vereinfachung führen wir die folgenden Bezeichnungen ein:
L(x) := [F ′ (x)]−1 ;
L0 := L(x(0) )
sowie
B(x(0) ; R) := {x ∈ X : kx − x(0) kX 6 R}.
Satz 3.8. (Konvergenz des vereinfachten Newton–Verfahrens)
Seien folgende Voraussetzungen erfüllt
• F : B(x(0) ; R) ⊆ X → Y sei F–differenzierbar mit einer M-Lipschitz-stetigen Ableitung F ′
kF ′ (x1 ) − F ′ (x2 )kY 6 Mkx1 − x2 kX auf B(x(0) ; R).
• Es existiert L0 mit
kL0 kL(Y,X) 6 α0 ,
• Es gilt: h0 := α0 β0 M < 21 ,
r−
0 :=
kL0 F(x(0) )kX 6 β0 .
√
1− 1−2h0
β0
h0
=
√
1− 1−2h0
α0 M
6 R.
Dann konvergieren die Lösungen {x(n) } des vereinfachten Newton–Verfahrens (3.8) gegen
eine Lösung x∗ von (3.6), die in der Kugel B(x(0) ; r−
0 ) eindeutig bestimmt ist.
Beweis: Die Idee des Beweises besteht in der Anwendung des Fixpunktsatzes 3.1 auf die
Fixpunktgleichung
x = T̃ (x) := x − L0 F(x).
(3.9)
33
3.4. NEWTON–VERFAHREN
(1) Zum Nachweis der Kontraktivität ergibt sich mittels Mittelwertsatz
T̃ (x1 ) − T̃ (x2 ) = x1 − x2 − L0 [F(x1 ) − F(x2 )]
= L0 F ′ (x0 ) − L0 (x1 − x2 )(F(x2 ) − F(x1 ))
Z1
′ (0)
= L0
F (x ) − F ′ (x2 + τ(x1 − x2 )) ·
0
·(x1 − x2 ) dτ
(3.10)
für alle x1 , x2 ∈ B(x(0) ; r) und r 6 R. Über die L-Stetigkeit von F folgt dann
kT̃ (x1 ) − T̃ (x2 )k 6 α0 Mrkx1 − x2 kX .
Auf der Menge B(x(0) ; r−
0 ) ist dann
α0 Mr 6 α0 Mr−
0 6 1−
p
1 − 2h0 =: κ < 1
(0) −
per Definition von r−
; r0 ).
0 , d.h. T̃ ist kontraktiv auf B(x
(2) Die Selbstabbildungseigenschaft ersieht man unter Beachtung von (3.8) aus
kT̃ (x) − x(0) kX
6 kT̃ (x) − T̃ (x(0) )kX + kT̃ (x(0) ) − x(0) kX
Z1
′ (0)
6 kL0
F (x ) − F ′ (x(0) + τ(x − x(0) )) (x − x(0) ) dτkX + kL0 F(x(0) )kX
{z
}
|
0
{z
}
|
6β0
6α0 M
α0 M
kx − x(0) k2X + β0
2
α0 M − 2
6
(r0 ) + β0 ≡ r−
0 .
2
6
R1
0
τdτ kx−x(0) k2X
Die Richtigkeit der letzten Zeile ersieht man nach Auflösung der quadratischen Gleichung
r20 −
mit
r±
0 =
1±
√
2
2β0
r0 +
=0
α0 M
α0 M
√
1 − 2β0 α0 M
1 ± 1 − 2h0
β0
=
α0 M
h0
(0) −
in Übereinstimmung mit der Definition von r0 und h0 . Damit gilt T̃ B(x(0) ; r−
; r0 ).
0 ) ⊆ B(x
(3) Satz 3.1 ergibt dann die Behauptung.
Bemerkung 3.9. (i) Genauer gilt für das vereinfachte Newton–Verfahren die Fehlerabschätzung
√
κn
(1 − 1 − 2h0 )n
∗
(n)
(1)
(0)
√
kx − x kX 6
kx − x kX =
kL0 F(x(0) )kX .
1−κ
1 − 2h0
34
KAPITEL 3. ANWENDUNGEN VON BANACH
(ii) Aus der Analyse in Schritt (2) des Beweises folgt sogar die Eindeutigkeit der Lösung
x∗ von (3.8) in der Kugel B(x(0) ; r+
0 ) mit dem Radius
√
1 + 1 − 2h0
+
r0 =
β0 .
h0
Satz 3.10. (Konvergenz des Newton–Verfahrens (3.7)
Unter den Voraussetzungen von Satz 3.8 konvergiert das Newton–Verfahren (3.7) gegen
die in der Kugel U(x(0) ; r0 ) eindeutige Lösung x∗ von (3.6).
Beweis: vgl. zum Beispiel Krasnoselski u.a. Näherungsverfahren zur Lösung von Operatorgleichungen, Akademie–Verlag Berlin 1973, S. 124 ff.
−1
(Insbesondere ist die Existenz von F ′ (x(n)
für alle n ∈ n0 zu zeigen.)
Bemerkung 3.11. Das Newton–Verfahren hat im Einzugsbereich der Lösung x∗ quadratische Konvergenz, d.h.
kx(n+1) − x∗ kX 6 Ckx(n) − x∗ k2X .
Beispiel 3.12. (Lösung nichtlinearer Gleichungssysteme)
Zu lösen sei das nichtlineare Gleichungssystem
F(y) = 0,
F : Rm → Rm .
Mit der Jacobischen Funktionalmatrix
F ′ (y) =
∂F(y)
∂y
lautet das Newton–Verfahren
F ′ (y(n) ) y(n+1) − y(n) = −F(y(n) ),
n ∈ N0 ,
d.h. in jedem Schritt ist ein lineares Gleichungssytem zu lösen. Die Matrix ändert sich
jedoch im allgemeinen Fall von Schritt zu Schritt.
Kapitel 4
Fixpunktsatz von Schauder
Wir betrachten jetzt erneut Fixpunkt–Gleichungen
Finde x ∈ M ⊆ X :
x = T (x)
(4.1)
unter Abschwächung der Voraussetzungen gegenüber dem Fixpunktsatz von Banach. Dies
zieht beim Fixpunktsatz von Schauder im allgemeinen Fall den Verlust einer Eindeutigkeitsaussage nach sich. Von eigenständiger Bedeutung etwa bei der Behandlung nichtlinearer partieller Differentialgleichungsprobleme ist der Fixpunktsatz von Brouwer.
Definition 4.1. Seien X Teilmenge eines Banach–Raumes (oder allgemeiner X ein topologischer Raum) und
r : X → M stetig, M ⊆ X.
Dann heißt r Retraktion genau dann, wenn r(x) = x für alle x ∈ M. M heißt Retrakt
von X.
Beispiel 4.2. Seien X = Rn , M = {x : kxk 6 R} mit R > 0 sowie
r(x) :=
x,
Rx
,
kxk
Dann ist M Retrakt des Rn .
kxk 6 R
kxk > R
Eine Retraktion r zieht die Menge X stetig auf M zusammen, wobei M punktweise fest
bleibt. Die Idee für spätere Anwendungen ist, Fixpunktaussagen auf “komplizierteren”
Mengen auf Untersuchungen auf “einfacheren” Mengen zurückzuführen.
35
36
KAPITEL 4. FIXPUNKTSATZ VON SCHAUDER
Lemma 4.3. (Retrakt–Prinzipien)
(i) Seien X normierter Raum und M ⊂ X eine abgeschlossene und konvexe Menge.
Dann ist M Retrakt von X.
(ii) Sei B(x0 ; R) ⊂ Rn abgeschlossene Kugel mit R > 0. Dann ist der Rand ∂B(x0 ; R)
nicht Retrakt von B(x0 ; R).
Beweis: (i): Nehmen wir zunächst an, das innere M0 von M sei nichtleer. Sei x ∈ M0 .
Setzen wir für h ∈ X, khk = 1
th := max{t ∈ R : x + th ∈ M}.
Dann ist h 7→ th eine stetige Abbildung auf der Sphäre {h : khk = 1}. Denn andernfalls
gäbe es h, t, s mit khk = 1, t 6= s und x + th ∈ ∂M, x + sh ∈ ∂M, und daraus würde mit
der Abgeschlossenheit und Konvexität folgen, dass x ein Randpunkt wäre.
Also ist auch h 7→ x + th h eine stetige Abbildung. Wir definieren nun
y−x (y − x)
für y ∈
/M
x + t ky−xk
,
y 7→
y
für y ∈ M
und dies ist eine stetige Retraktion.
Falls M0 = ∅, so ist M in einem echten affinen Unterraum enthalten.
Dieser Unterraum ist offensichtlich ein Retrakt, und ebenso folgt unmittelbar aus der Definition, dass ein Retrakt eines Retrakts wiederum ein Retrakt ist. Damit können wir das
Problem solange auf Unterräume reduzieren, bis M ein Inneres besitzt.
(ii): Es gibt verschiedene Beweismethoden für diesen anschaulich relativ klaren Sachverhalt. Einen Beweis findet man zum Beispiel bei E. Zeidler Nichtlineare Funktionalanalysis I, Fixpunktsätze (1986), Kap. 12. Wir verzichten hier auf die technisch aufwendige
Einführung des Begriffes Fixpunktindex, die Zeidlers Beweis erfordert, und präsentieren
stattdessen einen topologischen Beweis. Hierfür benötigen wir nur die Existenz der singulären Homologie. Dies ist eine Familie von Abbildungen
Hi : {Isomorphie-Klassen von metrischen Räumen} → R -Vektorräume,
für i ∈ N. (Für eine elementare Einführung der singulären Homologie siehe William S.
Massey, A Basic Course in Algebraic Topology, Springer, Berlin 1991.) Diese Abbildungen
erfüllen Hj (i − Sphäre) = R für j ∈ {0, i} und 0 für j ∈
/ {0, i}.
Ausserdem ist einer stetigen Abbildung f : X → Y ein Familie von Abbildungen fk :
Hk (X) → Hk (Y) zugeordnet, sodass
(f ◦ g)k = fk ◦ gk
und fk (id) = id für alle k, m. a. W. fk ist eine Familie von Funktoren. Wir benutzen
ausserdem die Eigenschaft Hj (B) = Hj (Punkt) = R für j = 0 und 0 ansonsten.
Nehmen wir nun an, es gäbe eine Retraktion r : B → ∂B. Sei i : ∂B → B die Inklusion.
Es ist
id = (r ◦ i)n : Hn (∂B) → Hn (B) = rn ◦ in
Diese Abbildung ist aber Null, da Hn (B) = 0. Damit haben wir einen Widerspruch
erreicht.
37
4.1. FIXPUNKTSATZ VON BROUWER
4.1
Fixpunktsatz von Brouwer
Satz 4.4. (Fixpunktsatz von Brouwer)
Die Abbildung f : M ⊂ Rn → M sei stetig. Ferner sei M kompakt, konvex und nichtleer.
Dann besitzt f einen Fixpunkt.
Beweis: (1) Wir führen hier den (indirekten) Beweis für den Spezialfall M = B(0; R)
mit R > 0. Dazu nehmen wir an, f habe keinen Fixpunkt, d.h. für alle Punkte x ∈ B(0; R)
gilt f(x) 6= x.
Für alle Punkte x ∈ B(0; R) wird nun r(x) so konstruiert, daß r(x) ∈ ∂B(0; R) und auf
der Geraden durch die Punkte x und f(x) sowie der Punkt x auf dieser Geraden zwischen
r(x) und f(x) liegt.
Damit ist die Abbildung r : B(0; R) → ∂B(0; R) Retraktion im Widerspruch zu Lemma
4.5 (2). Damit hat f doch einen Fixpunkt in der Menge M.
(ii) Für allgemeinere Mengen M betrachten wir eine abgeschlossene Kugel B ⊇ M.
Nach Lemma 4.5 (i) existiert eine Retraktion r : B → M. Für die stetige Abbildung
f ◦ r : B → M → B gilt nach Beweisschritt (1), daß f ◦ r einen Fixpunkt x = f(r(x)) hat.
Wegen x ∈ M ist aber r(x) = x, d.h. x = f(x).
Beispiel 4.5. Eine stetige Funktion f : [0, R] → [0, R] besitzt stets einen Fixpunkt.
Das nachfolgende Beispiel ist von großer Bedeutung für unsere späteren Untersuchungen
nichtlinearer Operatorgleichungen im Teil II der Vorlesung.
Beispiel 4.6. (Nichtlineare Gleichungssysteme)
Wir betrachten in der Kugel B(0; R) := {x : x ∈ Rn , kxk 6 R} das nichtlineare Gleichungssystem
g(x) = (gi(x))n
i=1 = 0,
gi ∈ C(B(0; R)), i = 1, ..., n
unter der Bedingung
g · x :=
n
X
i=1
gi (x)xi > 0 ∀x : kxk 6 R.
Dann besitzt das Gleichungssystem mindestens eine Lösung x mit kxk 6 R. Zum Nachweis
nehmen wir an, es wäre g(x) 6= 0 für alle x ∈ B(0; R). Dann ist die durch
f(x) := −R
g(x)
kg(x)k
definierte Funktion f : B(0; R) → B(0; R) stetig. Ferner ist U kompakt, konvex und
nichtleer. Nach dem Fixpunktsatz von Brouwer existiert mindestens ein Fixpunkt x = f(x)
mit kxk 6 R. Dann ist aber
1
1
g · x = − kg(x)k (x · f(x)) = − kg(x)k (x · x) < 0
R
R
im Widerspruch zur Annahme. Somit hat das System g(x) = 0 tatsächlich eine Lösung
in B(0; R).
Die Aussage dieses Beispiels wird im Teil II der Vorlesung beim Beweis des Hauptsatzes
über monotone Operatoren wesentlich benutzt.
38
4.2
KAPITEL 4. FIXPUNKTSATZ VON SCHAUDER
Fixpunktsatz von Schauder
Ziel ist jetzt die Erweiterung des Fixpunktsatzes von Brouwer auf unendlich–dimensionale
Banach–Räume durch geeignete Approximation. Man kann zeigen, daß sich der Fixpunktsatz von Brouwer im allgemeinen Fall nicht auf den unendlich–dimensionalen Fall
überträgt (vgl. Übungsaufgabe). Man benötigt eine Verschärfung der Forderung an den
Operator. Dies führt uns auf den Begriff des vollstetigen Operators.
Definition 4.7. (Relative Kompaktheit)
Eine Teilmenge M ⊆ X eines Banach–Raumes X heißt relativ kompakt genau dann,
wenn für alle ǫ > 0 ein endliches ǫ−Netz für M existiert, d.h. es existieren Punkte
x1 , ..., xn(ǫ) ∈ M mit
min kxi − xkX < ǫ ∀x ∈ M.
i
Definition 4.8. (Vollstetige Operatoren)
Ein Operator T : D(T ) ⊆ X → Y mit Banach–Räumen X und Y heißt vollstetig genau
dann, wenn T stetig ist und für beschränkte Mengen M ⊆ D(T ) das Bild T (M) jeweils
relativ kompakt ist.
Ein solcher Operator könnte auch “kompakt” heißen oder zumindest “lokal kompakt”,
um die Nichtlinearität zu betonen. Wir werden allerdings nur den Begriff “vollstetig”
benutzen.
Lemma 4.9 (Charakterisierung vollstetiger Operatoren)
Seien X, Y Banach–Räume, der Operator T : M ⊂ X → Y beschränkt und die Menge
M nichtleer. Dann ist der Operator T vollstetig genau dann, wenn für alle n ∈ N ein
vollstetiger Operator Pn : M → Y existiert mit den Eigenschaften
sup kT (x) − Pn (x)kY <
M
1
n
∀x ∈ M
und dim {span Pn (M)} < ∞.
(4.2)
Beweis: (1) ⇒:
Wegen der Vollstetigkeit von T ist die Menge T (M) relativ kompakt. Nach Definition
existieren dann Punkte yi ∈ T (M), i = 1, ..., m mit
min kT (x) − yi kY <
i
1
,
n
∀x ∈ M.
Wir konstruieren jetzt den Schauder–Operator Pn gemäß
P
ai (x)yi
1
Pn (x) := Pi
, ai (x) := max{0; − kT (x) − yi k|Y } > 0.
n
i ai (x)
P
Per Konstruktion ist i ai (x) > 0. Weiterhin gilt
P
P
ai (x) n1
1
(x){yi − T (x)}
i aiP
< Pi
= .
kPn (x) − T (x)kY =
n
i ai (x)
i ai (x)
Y
39
4.2. FIXPUNKTSATZ VON SCHAUDER
Aus der Beschränktheit von T (M) folgt dann die Beschränktheit von Pn (M). Da Pn (M)
endlich–dimensional ist, ist Pn (M) auch relativ kompakt. Daraus folgt die Vollstetigkeit
von Pn .
(2) ⇐:
Der Operator T ist stetig, denn für hinreichend großes n ∈ N und für kx − ykX < δ(ǫ)
gilt
kT (x) − T (y)kY 6 kT (x) − Pn (x)kY + kPn (x) − Pn (y)kY + kPn (y) − T (y)kY
2
6
+ kPn (x) − Pn (y)kY < ǫ.
n
Weiterhin ist T (M) relativ kompakt, denn T (M) besitzt für jedes n ∈ N nach (4.3) ein
ǫ–Netz (vgl. Definition 4.9).
Wir formulieren nun zwei Varianten des Fixpunktsatzes von Schauder.
Satz 4.10.a (Fixpunktsatz von Schauder – 1. Variante)
Seien X Banach–Raum, M eine abgeschlossene, beschränkte, konvexe und nichtleere Menge sowie T : M ⊂ X → M ein vollstetiger Operator. Dann besitzt T (mindestens) einen
Fixpunkt.
Satz 4.10.b (Fixpunktsatz von Schauder – 2. Variante)
Seien X Banach–Raum, M eine kompakte, konvexe und nichtleere Menge sowie T : M ⊂
X → M ein stetiger Operator. Dann besitzt T (mindestens) einen Fixpunkt.
Bemerkung 4.11. (i) Die 2. Variante des Satzes übertragt die Aussage des Fixpunktsatez von Brouwer auf Banach–Räume. Die 1. Variante wird hingegen häufig für Kugeln
M verwendet.
(ii) Wesentliche Unterschiede zum Fixpunktsatz von Banach sind wie folgt: Die Forderung der Kontraktivität beim Satz von Banach ist stärker als die Forderung der Stetigkeit.
Andererseits sind die Forderungen an die Menge M im Satz von Schauder stärker als im
Satz von Banach.
Beweis von Satz 4.10.b.
(1) Sei Mn := co{y1 , ..., ym } mit den im Beweisschritt (1) von Lemma 4.11 benutzten
Größen yi . Wegen der Konvexität von M gilt Mn ⊆ co T (M) ⊆ M. Der in Lemma 4.11 konstruierte Schauder–Operator Pn : Mn → Mn ist stetig. Identifiziert man
span{y1 , ..., ym } mit einem Unterraum des Rm , so ist Mn endlich–dimensional. Dann ist
Mn kompakt und konvex. Damit existiert nach dem Fixpunktsatz von Brouwer ein Fixpunkt xn = Pn (xn ) in Mn ⊆ M.
(2) Wegen der Kompaktheit von M gibt es eine Teilfolge (xn ′ ) mit xn ′ → x ∈ M, n → ∞.
Nach Dreiecksungleichung, Lemma 4.11 und wegen der Stetigkeit von T folgt
kxn ′ − T (x)kX 6 kPn ′ (xn ′ ) − T (xn ′ )kX + kT (xn ′ ) − T (x)kX → 0,
damit
kx − T (x)kX 6 kx − xn ′ kX + kxn ′ − T (x)kX → 0,
also ist x Fixpunkt von T ..
n ′ → ∞,
n ′ → ∞,
40
KAPITEL 4. FIXPUNKTSATZ VON SCHAUDER
Zum Beweis von Variante 1 des Fixpunktsatzes von Schauder benötigen wir noch das
Lemma 4.11. (Satz von Mazur)
Ist die Menge M ⊆ X relativ kompakt, so ist die konvexe Hülle co (M) relativ kompakt
und konvex.
Beweis: Übungsaufgabe !
Beweis von Satz 4.10.a.
Die Menge N := co T (M)) ⊆ M ist kompakt und konvex (nach Lemma 4.14). Wegen T (M) ⊆ M gilt T (T (M)) ⊆ T (M), ferner ist T (co(T (M)) ⊆ co T (M). Wegen der
Vollstetigkeit von T kann man zum Abschluß übergehen, d.h. T (N) ⊆ N. Dann hat die
Einschränkung T |N : N → N nach Satz 4.12.b einen Fixpunkt, der dann auch Fixpunkt
von T ist.
Kapitel 5
Einige Anwendungen des
Fixpunktsatzes von Schauder
Das Hauptproblem bei der Anwendung des Fixpunktsatzes von Schauder ist der Nachweis der Vollstetigkeit des jeweiligen Operators. Wir betrachten hier exemplarisch zwei
Anwendungen.
5.1
AWP für gewöhnliche Differentialgleichungen
Wir kommen zurück auf das Anfangswertproblem (AWP) für gewöhnliche Differentialgleichungen:
dx
= f(t, x(t)),
x(t0 ) = x0 ∈ R.
(5.1)
dt
Bekanntlich gilt hier der
Satz 5.1. (Satz von Peano)
Auf der Menge
QR = {(t, y) ∈ R × R : |t − t0 | 6 a, |y − x0 | 6 R}
gelte
• f ∈ C(QR ),
|f(t, x)| 6 K auf QR
• 0 < c 6 a,
cK 6 R,
K, a, R ∈ (0, ∞) fest.
Dann gibt es mindestens eine Lösung x(·) ∈ C1 [t0 − c, t0 + c] des AWP (5.1).
Vor Ausführung des Beweises erinnern wir noch an die
Definition 5.2. (Gleichgradige Stetigkeit)
Eine Menge O ⊆ C(G) heißt gleichgradig stetig genau dann, wenn für alle ǫ > 0 und alle
f ∈ O sowie x ∈ G eine Zahl δ(ǫ) > 0 existiert mit
|f(x) − f(x̃)| < ǫ ∀x, x̃ ∈ G mit kx − x̃kX < δ(ǫ).
41
42
KAPITEL 5. ANWENDUNGEN VON SCHAUDER
Beweis von Satz 5.1: Wir verwenden die gleichen Bezeichnungen wie beim Beweis des
Satzes von Picard–Lindelöf (vgl. Satz 3.1), also
X := C0 [t0 − c, t0 + c],
M := {x ∈ X : kx − x0 k 6 R}, R > 0,
und die Fixpunkt–Formulierung
0
x(t) = Tx0 (x(t)) := x +
Zt
f(τ, x(τ)) dτ.
t0
Wir prüfen jetzt die Voraussetzungen des Fixpunktsatzes von Schauder in der Formulierung von Satz 4.12.a.
(1) Die Kugel M ist abgeschlossen, beschränkt und konvex.
(2) Die Selbstabbildungseigenschaft T : M → M folgt wie im Beweis des Satzes von Picard/Lindelöf.
(3) Die Stetigkeit von T sieht man wie folgt: Die Konvergenzaussage xn → x, n → ∞ in
X bedeutet, daß xn (·) → x(·), n → ∞ gleichmäßig auf [t0 − c, t0 + c] gilt. Dann gilt wegen
der gleichmäßigen Stetigkeit von f, daß
kT (xn ) − T (x)kX =
max
t0 −c6t6t0 +c
Zt
[f(τ, xn (τ)) − f(τ, x(τ))] dτ
t0
6 max 2c|f(τ, xn (τ)) − f(τ, x(τ))| → 0, n → ∞.
τ
(4) Wir zeigen die relative Kompaktheit von T (M), d.h. die Kompaktheit von T (M):
Seien x ∈ M und z := T (x). Dann ist
0
kz − x kX :=
max
t0 −c6t6t0 +c
sowie
|z(t) − z(t̃)| 6
Zt
Zt
f(τ, x(τ)) dτ 6 Kc
t0
f(τ, x(τ)) dτ 6 K|t − t̃|,
t̃
d.h. die Menge {T (x) : x ∈ M} ist in X beschränkt sowie gleichgradig stetig. Nach dem
Satz von Arzela/ Ascoli (vgl. Vorlesung Funktionalanalysis und partielle Differenntialgleichungen, WS1995/96, Satz 3.14) ist die Menge T (M) genau in diesem Fall relativ
kompakt, ein vollstetiger Operator bldet also den Einheitsball auf eine gleichgradig stteige Menge ab. Nach Definition ist T dann vollstetig.
(5) Wegen (1)–(4) ist Satz 4.12.a anwendbar.
Das folgende Beispiel zeigt, daß die Voraussetzung der Lipschitz–Stetigkeit an f im Satz
von Picard–Lindelöf wesentlich ist.
Beispiel 5.3. Wir betrachten das AWP
dx
= f(x) := x2/3 ,
dt
x(0) = 0
5.2. INTEGRALGLEICHUNGEN MIT KLEINEM PARAMETER
43
mit f ∈ C[−1, 1], jedoch sei f nicht Lipschitz–stetig. Dann gibt es für t > 0 mindestens
3
die zwei Lösungen x1 (t) ≡ 0 und x2 (t) = 3t . Das Beispiel zeigt, daß bei Verletzung der
Lipschitz–Stetigkeit von f ggf. die Eindeutigkeit der Lösung des AWP verloren geht.
Bemerkung 5.4. D Die Aussage des Satzes von Peano kann auch auf den wesentlich
allgemeineren Fall von Operatordifferentialgleichungen
dx
= f(t, x(t)),
dt
x(t0 ) = x0 ∈ Y
in Banach–Räumen Y erweitert werden (vgl. dazu Abschnitt 6.1). Insbesondere überträgt
sich die Aussage mit Y = Rn auch auf AWP für Systeme gewöhnlicher Differentialgleichungen.
5.2
Integralgleichungen mit kleinem Parameter
Wir betrachten zur Motivation das
Beispiel 5.5. Die nichtlineare Bewegung eines Federschwingers läßt sich beschreiben
durch das Randwertproblem (RWP)
d2 x
+ ω2 x(t) = µf(t, x(t)),
dt2
x(a) = x(b) = 0
a<t<b
(5.2)
mit den Parametern ω, µ ∈ R. Dann kann die Aufgabe mittels der Greenschen Funktion
G aus
(b − t)(s − a), s 6 t
G(t, s) :=
(b − s)(t − a), t 6 s
als Integralgleichung
x(t) = µ
Zb
G(t, s) f(s, x(s)) ds
(5.3)
a
umformuliert werden (Nachrechnen !).
Wir betrachten jetzt sogar allgemeiner die Integralgleichung
x(t) = µ
Zb
F(t, s, x(s)) ds +
a
Zb
H(t, s, x(s)) ds + αg(t).
a
Satz 5.6. (Lösbarkeit von Integralgleichungen mit kleinem Parameter)
Mit Konstanten a, b, r0, K ∈ (0, ∞) sei
Q := {(t, s, y) ∈ R3 : a 6 t, s 6 b, |y| 6 r0 }.
Ferner gelte
• F, H ∈ C(Q)
g ∈ C[a, b]
(5.4)
44
KAPITEL 5. ANWENDUNGEN VON SCHAUDER
• H(t, s, y) 6 K|y|ρ auf Q mit ρ > 1
(Wachstumsbedingung).
Dann existieren positive Konstanten µ0 , α0, so daß die Integralgleichung (5.4) für feste
Werte von µ und α mit |µ| 6 µ0 , α| 6 α0 mindestens eine Lösung besitzt.
Beweis: Wir setzen
X := C[a, b],
sowie
T (x(t)) := µ
Zb
M := {x ∈ X : kxk := max |x(t)| 6 r}
t∈[a,b]
F(t, s, x(s)) ds +
a
Zb
H(t, s, x(s)) ds + αg(t).
a
(1) Die Selbstabbildungseigenschaft T : M → M sieht man für hinreichend kleine Werte
von µ0 , α0 sowie von r wie folgt:
Zb
r
max
H(t, s, x(s)) ds 6 (b − a)Krρ 6 ,
t∈[a,b] a
2
Zb
r
max µ F(t, s, x(s)) ds 6 µ0 (b − a) max |F| 6 ,
Q
t∈[a,b]
4
a
r
max |αg(t)| 6 α0 max |g| 6 ,
t∈[a,b]
[a,b]
2
also
r r r
+ + = r.
2 4 2
(2) Die Vollstetigkeit von T folgt analog wie im Beweis des Satzes von Peano.
(3) Der Fixpunktsatz von Schauder ergibt dann die Behauptung.
kT (x)k 6
Bemerkung 5.7. Man prüft unmittelbar nach, daß für hinreichend kleine Parameterwerte µ die Integralgleichung und damit das RWP in Beispiel 5.3 mindestens eine Lösung
besitzt.
Kapitel 6
Ausblick auf weitere Anwendungen
beider Fixpunktsätze
Wir wollen zum Abschluß des Teils I dieser Vorlesung nur kurz einige wichtige Anwendungen der Fixpunktsätze von Banach und Schauder skizzieren, die wir aus Zeitgründen
nicht genauer behandeln können. Weitere Aussagen zu den Problemen findet man zum
Beispiel bei E. Zeidler Nonlinear Functional Analyysis and Applications, Teil I.
6.1
Operator–Differentialgleichungen in Banach–Räumen
Die Aussagen der Sätze von Picard/ Lindelöf bzw. Peano kann man wesentlich allgemeiner
formulieren für Anfangswertprobleme (AWP) von Operator–Differentialgleichungen
dx(t)
= f(t, x(t)),
dt
x(t0 ) = x0 ∈ Y
(6.1)
für eine gesuchte Funktion
x : [t0 − c, t0 + c] → Y,
falls Y ein Banach–Raum ist. Man vergleiche hierzu das Kapitel 3 in der o.a. Literaturstelle. Die Vorgehensweise ist wie bei AWP für gewöhnliche Differentialgleichungen. Man
muß dazu den Integrationsbegriff geeignet anpassen.
Insbesondere überträgt sich im Spezialfall Y = Rn die Aussage des Satzes von Peano (vgl.
Satz 5.1) auf AWP für Systeme gewöhnlicher Differentialgleichungen. Ferner findet man
bei Zeidler a.a.O. auch Aussagen zur Stabilitätstheorie (Ljapunov–Stabilität) sowie über
periodische Lösungen für Systeme gewöhnlicher Differentialgleichungen .
6.2
Prinzip der Parameterfortsetzung (Homotopie)
Betrachtet wird die nichtlineare Operatorgleichung
F(x) = 0.
45
(6.2)
46
KAPITEL 6. AUSBLICK AUF WEITERE ANWENDUNGEN
Diese wird in die folgende parameterabhängige Schar von Problemen eingebettet
H(x, t) = 0,
0 6 t 6 1 mit H(x, 1) = F(x).
(6.3)
Man fordert ferner, daß die Gleichung
H(x, 0) = 0
”leicht” lösbar sein möge. Das Problem besteht jetzt in der Fortsetzung der Lösung für
den Fall t = 0 bis zum eigentlich interessierenden Fall t = 1. Als Hilfsmittel benutzt man
wesentlich a–priori Abschätzungen, die gleichmäßig für t ∈ [0, 1] gelten.
Ein wichtiges Anwendungsbeispiel sind lineare Operatorgleichungen
Au = f,
A ∈ L(X, Y)
mit der typischen Einbettung ist
Dt u := tAu + (1 − t)Bu = f,
B ∈ L(X, Y)
(Pt )
Dann gilt folgende Aussage, die mittels Fixpunktsatz von Banach bewiesen wird:
Satz 6.1. Sei die Aufgabe (P0 ) für alle f ∈ Y eindeutig lösbar. Gelte ferner die a–priori
Abschätzung: Es existiert eine Konstante C > 0, die fest und von t unabhängig ist, so daß
für jede Lösung u von (Pt ) bei 0 6 t 6 1 gilt kuk 6 Ckfk. Dann ist (P1 ) für alle f ∈ Y
eindeutig lösbar.
Die Verallgemeinerung auf den nichtlinearen Fall (6.2), (6.3) macht Gebrauch vom Satz
über implizite Funktionen, benötigt aber die Existenz der Frechet–Ableitung Hx und
deren Invertierbarkeit.
Eine andere Anwendung ist das Leray–Schauder–Prinzip, bei dem die Lösbarkeit von
x = tT (x),
T vollstetig
im Banach–Raum X untersucht wird. Der Beweis benutzt den Fixpunktsatz von Schauder
und kommt ohne Differenzierbarkeitsforderungen an T aus.
Weitere Einzelheiten findet man a.a.O. im Abschnitt 6.
6.3
Positive Operatoren
Betrachtet werden Eigenwertprobleme der Form
(6.4)
x = µT (x),
wobei Paare (µ, x) ∈ (C, X) mit x 6= 0 gesucht werden. Sei X Banach–Raum.
Speziell sucht man Lösungen x ∈ K ⊂ X, wobei K ein Ordnungskegel sei. Letzteres bedeutet, daß auf der abgeschlossenen, nichtleeren Menge K mit K 6= {0} gilt
a, b ∈ R, a, b > 0, x, y ∈ K
=⇒
ax + by ∈ K,
47
6.4. ANALYTISCHE BIFURKATIONSTHEORIE
sowie daß aus x, −x ∈ K die Aussage x = 0 folgt. Auf K wird dann eine Halbordnungsrelation erklärt durch
x6y
⇐⇒ y − x ∈ K.
Ein Operator T : D(T ) ⊂ X → X heißt dann K−monoton, falls auf D(T ) aus x 6 y auch
T (x) 6 T (y) folgt, sowie positiv, falls x > 0 die Aussage T (x) > 0 impliziert.
Für µ = 1 und x ∈ [x0 , v0 ] liefert dann das Iterationsverfahren
un+1 := T (un ),
vn+1 := T (vn ),
n ∈ N0
bei vollstetigem und K−monotonem Operator T eine monotone Einschließung der Lösung
mit un → u, vn → u gegen eine Lösung des Problems.
Für das Eigenwertproblem der Form
λx = T (x),
λ > 0, x > 0,
kxk = a > 0
(6.5)
bei vollstetigem Operator T kann die Lösbarkeit von (6.5) bei Erfüllung einer Halbbeschränktheitsrelation (Minorantenbedingung) für den Operator T gezeigt werden.
Weitere Einzelheiten findet man a.a.O. im Abschnitt 7.
6.4
Analytische Bifurkationstheorie
Untersucht wird hier die parameterabhängige Operatorgleichung
F(µ, x) = 0
(6.6)
mit Lösungen x ∈ X für Banach–Räume X und reelle oder komplexe Parameter µ. In den
Anwendungen zum Fixpunktsatz von Schauder (vgl. Abschnitt 5.2) hatten wir exemplarisch die Lösbarkeit von Operatorgleichungen mit kleinen Parametern untersucht.
In der Bifurkationstheorie interessiert man sich gerade für den Fall beliebiger, d.h. nicht
notwendig kleiner Parameter. Insbesondere sucht man nach sogenannten Bifurkationspunkten (µ̃, x̃) im (µ, x)−Diagramm, in denen sich Lösungszweige schneiden.
Weitere Einzelheiten findet man a.a.O. im Abschnitt 8.
6.5
Fixpunkte mehrdeutiger Abbildungen
Hier untersucht man Lösungen mehrdeutiger Abbildungen
T : X → 2Y
(6.7)
der Operatorgleichung
x = T (x).
Dabei ist 2Y die Potenzmenge von Y, d.h. die Menge aller Teilmengen von Y. Bei einer
mehrdeutigen Abbildung wird jedem x ∈ X eine Teilmenge T (x) ⊆ Y zugeordnet.
Die Fixpunktsätze von Banach und Schauder können geeignet verallgemeinert werden.
Weitere Einzelheiten findet man a.a.O. im Abschnitt 9.
48
6.6
KAPITEL 6. AUSBLICK AUF WEITERE ANWENDUNGEN
Nichtexpansive Operatoren
Untersucht werden in Erweiterung des Fixpunktsatzes von Banach Operatorgleichungen
x = T (x),
T : D(T ) ⊆ X → X
in Banach–Räumen X, bei denen statt der Kontraktivität lediglich die Eigenschaft der
Nichtexpansitivität
kT (x) − T (y)k 6 kx − yk
(6.8)
gestellt wird. Für nichtexpansive Operatoren T : M ⊆ X → X mit uniform konvexem
Banach–Raum X und abgeschlossener, beschränkter, konvexer und nichtleerer Menge M
hat man noch die Existenz eines Fixpunktes. Ferner ist die Fixpunktmenge abgeschlossen und beschränkt. Ferner kann das Verfahren der sukzessiven Approximation geeignet
modifiziert werden.
Weitere Einzelheiten findet man a.a.O. im Abschnitt 10.
Teil II
Theorie monotoner Operatoren
49
51
Betrachtet werden in diesem Teil der Vorlesung stationäre Operatorgleichungen der Form
Finde u ∈ X :
A(u) = f ∈ X∗
(E)
für monotone Operatoren A : X → X∗ . In Teil I, Abschnitt 3.2 hatten wir bereits in Verallgemeinerung der Theorie von Lax/ Milgram den Spezialfall linearer, stark monotoner
Operatoren behandelt.
Wichtige Hilfsmittel für die hier darzustellende Theorie monotoner Operatoren sind die
Fixpunktsätze von Banach und Brouwer. Gesucht sind insbesondere hinreichende Eigenschaften an den Operator A und den Raum X zur Klärung folgender Fragen
• Lösbarkeit der Operatorgleichung (E)
• Struktur der Lösungsmenge
• Konstruktion und Konvergenz von Näherungsverfahren (z.B. Galerkin–Verfahren).
Genauer behandeln wir nach einer Einführung in Monotoniebegriffe (vgl. Kap. 7) die
Spezialfälle
• stark monotoner, Lipschitz–stetiger Operatoren A auf Hilbert–Räumen X (vgl. Kapitel 8)
• monotoner, koerzitiver und hemistetiger Operatoren auf reflexiven Banach–Räumen
X (vgl. Kapitel 9 und 10) und
• pseudomonotoner Operatoren (vgl. Kapitel 11).
Kapitel 7
Monotone Operatoren
7.1
Definitionen
Seien X Banach–Raum, X∗ der zugehörige Dualraum sowie h·, ·i das entsprechende Dualitätsprodukt zwischen X∗ und X.
Definition 7.1. (Monotonie–Begriffe)
Ein Operator A ∈ (X, X∗ ) heißt
(i) monoton genau dann, wenn
hA(u) − A(v), u − vi > 0
∀u, v ∈ X,
(ii) streng (strikt) monoton genau dann, wenn
hA(u) − A(v), u − vi > 0
∀u, v ∈ X, u 6= v,
(iii) gleichmäßig monoton genau dann, wenn
hA(u) − A(v), u − vi > ρ(ku − vkX )ku − vkX
∀u, v ∈ X
mit einer streng monoton wachsenden, stetigen Funktion ρ : R+ → R mit ρ(0) = 0
und ρ(∞) = ∞,
(iv) stark monoton genau dann, wenn eine Zahl γ > 0 existiert mit
hA(u) − A(v), u − vi > γku − vk2X
(v) koerzitiv genau dann, wenn
hA(u), ui
= ∞.
kukX →∞
kukX
lim
53
∀u, v ∈ X,
54
KAPITEL 7. MONOTONE OPERATOREN
Lemma 7.2. (Zusammenhang der Monotonie–Begriffe)
Es gelten die folgende Zusammenhänge zwischen den Monotonie–Begriffen nach Definition
7.1.: (iv) ⇒ (iii) ⇒ (ii) ⇒ (i) sowie (iii) ⇒ (v) .
Beweis: (1) (iv) ⇒ (iii): Setze ρ(t) := γt.
(2) (iii) ⇒ (v): Dies folgt wegen
hA(u), ui
kukX
hA(u) − A(0), u − 0i + hA(0)), ui
kukX
ρ(kukX)kukX − kA(0)kX∗ kukX
>
kukX
→ ∞, kuk → ∞.
=
(3) (iii) ⇒ (ii) ⇒ (i) Folgerung aus Definitionen.
7.2
Beispiele und Kriterien
Wir betrachten zur Illustration einige Beispiele.
Beispiel 7.3. Seien A ∈ L(X, X∗ ) und X Hilbert–Raum. Dann gilt wegen der Linearität
von A, daß
A(u) − A(v) = A(u − v).
Damit ist der Operator (streng) monoton bzw. stark monoton genau dann, wenn er
(streng) positiv bzw. stark positiv ist.
Beispiel 7.4. Für skalare Funktionen f ∈ (R → R) gelten folgende Aussagen:
f (streng) monoton ⇐⇒ f (streng) monoton wachsend
f(u) − f(v)
f stark monoton ⇐⇒
> γ > 0 ∀u, v ∈ R, u 6= v
u−v
f koerzitiv ⇐⇒ lim f(u) = ±∞,
u→±∞
denn es ist X∗ = R sowie
hf(u) − f(v), u − vi = (f(u) − f(v)) · (u − v).
Beispiel 7.5. (Spezialfall von Beispiel 7.4)
Die Funktion
|u|p−2 u,
f(u) =
0,
u 6= 0
u=0
ist für p > 1 streng monoton, für p = 2 stark monoton und für p > 2 gleichmäßig monoton
und koerzitiv. Dies sieht man für p > 2 so: Zunächst gilt für 0 6 v 6 u, daß
Z u−v
Z u−v
p−1
p−1
p−2
u
−v
=
(p − 1)(t + v)
dt >
(p − 1)tp−2 dt = (u − v)p−1 .
0
0
55
7.2. BEISPIELE UND KRITERIEN
Für v 6 0 6 u ist
up−1 + |v|p−1 > C(u + |v|)p−1 .
Alle anderem Fälle lassen sich auf diese beiden Situationen zurückführen. Damit ist
|u|p−2 u − |v|p−2 v (u − v) > C|u − v|p .
Für p > 1 ist f ′ (·) eine ungerade Funktion sowie
f ′ (u) = (p − 1)|u|p−2 > 0,
u 6= 0,
also f streng monoton wachsend auf R.
Lemma 7.6. Ein Operator A ∈ (X → X∗ ) ist monoton genau dann, wenn
t 7→ f(t) := hA(u + tv), vi
monoton wachsend auf [0, 1] und alle Punkte u, v ∈ X ist.
Beweis: (1) ⇒: Sei 0 6 s < t. Dann folgt die Behauptung aus
f(t) − f(s) =
hA(u + tv) − A(u + sv), (t − s)vi
> 0.
t−s
(2) ⇐: Die Aussage folgt aus der Abschätzung
hA(u + v) − A(u), vi = f(1) − f(0) > 0 ∀u, v ∈ X.
Lemma 7.7. Ein Operator A : X → X∗ sei G–differenzierbar. Ferner sei für alle u, v ∈ X
die Funktion
t 7→ hA ′ (u + tv)v, vi
stetig auf [0, 1]. Dann ist A monoton genau dann, wenn A ′ (u) positiv auf X ist, d.h.
hA ′ (u)v, vi > 0 ∀u, v ∈ X.
Beweis: Übungsaufgabe !
Kapitel 8
Stark monotone und
Lipschitz–stetige Operatoren
Wir behandeln jetzt eine Verallgemeinerung der theoretische Resultate aus Kap. 3.2 (vgl.
Satz 3.4). Dort hatten wir für stark monotone und Lipschitz–stetige Operatoren B : X → X
im Hilbert–Raum X die Lösbarkeit der Operatorgleichung
Finde u ∈ X : B(u) = f ∈ X
und die Konvergenz des zugehörigen Verfahrens der sukzessiven Approximation diskutiert.
8.1
Abstrakte Aussagen und Näherungsverfahren
Sei jetzt X reeller,
p separabler Hilbert–Raum mit Skalarprodukt (·, ·) und der induzierten
Norm k · k := (·, ·). Separabilität von X bedeutet, daß eine abzählbare Menge M mit
M = X existiert. Wir betrachten einen Operator A ∈ (X → X∗ ) mit den Eigenschaften
• (i) ∃L > 0 : kA(u) − A(v)kX∗ 6 Lku − vkX ∀u, v ∈ X (L(ipschitz)–Stetigkeit)
• (ii) ∃γ > 0 : hA(u) − A(v), u − vi > γku − vk2X ∀u, v ∈ X (starke Monotonie).
Mit der Linearform (bezüglich des 2. Argumentes !)
a(u, v) := hA(u), vi
∀u, v ∈ X
betrachten wir die Variationsformulierung
Finde u ∈ X :
a(u, v) = hf, vi ∀v ∈ X.
(E)
Nachfolgend wollen wir den Existenz– und Eindeutigkeitssatz aus Kap. 3.2 (vgl. Satz 3.4)
für stark monotone und L–stetige Operatoren B : X → X anwenden. Dazu nutzen wir die
Dualitätsabbildung J : X → X∗ und erinnern an
Lemma 8.1. (Darstellungssatz von Riesz)
(i) : ∀u ∈ X ∃! Ju ∈ X∗ : hJu, vi = (u, v) ∀v ∈ X;
57
kJukX∗ = kuk
58
KAPITEL 8. STARK MONOTON UND LIPSCHITZ-STETIG
(ii) : ∀u∗ ∈ X∗ existiert Darstellung nach (i), d.h. ∃ J−1 ∈ L(X∗ , X).
Die Idee ist jetzt, die zu (E) äquivalente Operatorgleichung A(u) = f in X∗ durch die
Fixpunktgleichung
u = Tκ (u) := u − κJ−1 [A(u) − f] mit Tκ : X → X
zu ersetzen und die Kontraktivität von Tκ für geeignete Werte von κ nach Satz 3.4 zu
nutzen.
Das entsprechende Iterationsverfahren (sukzessive Approximation) lautet dann
Finde u(n+1) ∈ X : < u(n+1) , v >=< u(n) , v > −κ[a(u(n) , v)−hf, vi] ∀v ∈ X, ∀n ∈ N0 . (E1n )
Es gilt folgendes Existenz–, Eindeutigkeits– und Konvergenzresultat.
Satz 8.2. Der Operator A : X → X∗ sei auf dem reellen, separablen Hilbert–Raum X stark
monoton und L–stetig (vgl. (i), (ii) oben). Dann besitzt das Variationsproblem (E) eine
und nur eine Lösung u ∈ X. Ferner konvergiert die Lösungsfolge {un }n aus (E1n ) stark in
X gegen die Lösung u von (E), sofern 0 < κ < γ2L2 gilt.
Beweis: (1) Mit dem Operator B := J−1 A gilt dann
(B(u) − B(v), u − v) = hA(u) − A(v), u − vi.
Die Eigenschaften des Operators A übertragen sich wegen kJ−1 k = 1 auch auf den Operator B. Satz 3.4 aus Abschnitt 3.2 zeigt dann auch die eindeutige Lösbarkeit des Variationsproblems (E).
(2) Für das Iterationsverfahren (E1n ) überträgt sich ebenfalls bei geeigneten Parameterwerten von κ das Konvergenzresultat von Satz 3.4 in Kap. 3.2.
Der Vorteil des Verfahrens (E1n ) ist, daß das ggf. nichtlineare Problem durch eine Folge
linearer Probleme ersetzt werden kann. Zur praktischen Realisierung muß man dazu aber
den inversen Riesz–Operator J−1 kennen. Man beachte, daß für den Fall dim(X) = ∞ (E1n )
ein unendlichdimensionales Problem ist.
8.2
Galerkin-Verfahren
Wir betrachten jetzt eine endlichdimensionale Approximation des (i.a. Fall nichtlinearen)
Problems (E). Sei dabei X reeller, separabler Hilbert–Raum mit dim(X) = ∞.
Definition 8.3. (Galerkin–Schema)
(i) Die Menge {φi } heißt Basis in X, falls jeweils endlich viele Elemente φi linear unabhängig sind und gilt
X = ∪n Xn
mit Xn := span{φ1 , ..., φn }.
(ii) Die Folge {Xn } mit Xn := span{φ1 , ..., φn } ⊆ X und
lim inf ku − vkX = 0
n→∞ v∈Xn
∀u ∈ X
59
8.2. GALERKIN-VERFAHREN
heißt Galerkin–Schema in X.
Das zur Variationsgleichung (E) gehörige Galerkin–Problem lautet
Finde un =
n
X
j=1
(n)
cj φj ∈ Xn : a(un , φi ) = hf, φi i ∀φi ∈ Xn , i = 1, ..., n.
(E2n )
Dies ist ein (i.a. Fall) nichtlineares Gleichungssystem zur Bestimmung der Koeffizienten
(n)
cj , j = 1, ..., n. Hierfür gilt nun das folgende Existenz–, Eindeutigkeits– und Konvergenzresultat.
Satz 8.4. (Verallgemeinertes Lemma von Cea)
Seien {Xn } Galerkin–Schema im separablen Hilbert–Raum X und A ∈ (X → X∗ ) ein stark
monotoner und L–stetiger Operator.
(i) Für jedes n ∈ N existiert eine und nur eine Lösung un ∈ Xn des Galerkin–
Verfahrens (E2n ).
(ii) Es gilt die Fehlerabschätzung
ku − un kX 6
L
inf ku − vkX → 0,
γ v∈Xn
n → ∞.
Beweis: (1) Aussage (i) folgt wegen Xn ⊆ X unter Beachtung der Ausführungen in
Abschnitt 8.1 aus Satz 3.4 in Kap. 3.2.
(2) Aus der Fehlergleichung (Galerkin–Orthogonalität)
hA(u) − A(un ), wi = 0
∀w ∈ Xn
folgt in Verbindung mit Nullergänzung sowie der Eigenschaften des Operators A, daß
γku − un k2X 6 hA(u) − A(un ), u − un i
= hA(u) − A(un ), u − (un − w)i
| {z }
=v
6 Lku − un kX ku − vkX
∀v ∈ Xn .
Wir kombinieren jetzt die Verfahren (E1n ) und (E2n ) zu einem Projektions–Iterationsverfahren. Dabei ist eine Folge linearer Probleme mit endlicher (jedoch aufsteigender) Dimension
Pn (n)
zu lösen: Finde eine Folge {un }n mit un = j=1 cj φj ∈ Xn , n ∈ N, so daß:
(E3n )
(un+1 , φi ) = (un , φi ) − κ[a(un , φi ) − hf, φi i]. i = 1, ..., n + 1.
Satz 8.5. (Konvergenz des Projektions–Iterationsverfahrens)
Unter den Voraussetzungen von Satz 8.4 und für Parameterwerte 0 < κ <
Lösungsfolge {un } von (E3n ), daß
lim ku − un kX = 0.
n→∞
2L
γ2
gilt für eine
60
KAPITEL 8. STARK MONOTON UND LIPSCHITZ-STETIG
Beweis: Übungsaufgabe !
Bemerkung 8.6. Praktisch wird man eventuell das Projektions–Iterations–Verfahren
nicht in der angegebenen Form realisieren. Wendet man zum Beispiel bei der Behandlung
elliptischer Randwertaufgaben 2. Ordnung Finite–Elemente–Methoden an, so betrachtet
man etwa eine Multilevel–Version von (E3n ) auf einer Folge von ineinander geschachtelten
Gittern.
8.3
Anwendung auf quasilineare elliptische RWP 2.
Ordnung
Wir betrachten in einem beschränkten, L–stetigen Gebiet Ω ⊂ RN folgendes (vereinfachend homogene Dirichletsche) Randwertproblem
N
X
∂
∂u
−
φ(x, k∇u(x)k)
= f(x)
∂x
∂x
i
i
i=1
u(x) = 0
mit
2
k∇uk :=
2
N
X
∂u
i=1
∂xi
in Ω
(8.1)
auf ∂Ω
(8.2)
.
Im Spezialfall φ(x, t) ≡ φ(t) beschreibt das Problem (8.1) – eventuell bei Übergang zu
gemischten Randbedingungen in (8.2) – ein stationäres Magnetfeld mit dem Potential u
und der Durchlässigkeit (bzw. Permeabilität) φ(·) oder elastisch–plastische Deformationsverhalten eines ebenen Körpers Ω, wobei u die Deformation, f eine Last sowie φ(·)
Materialeigenschaften des Körpers repräsentieren.
Eine Variationsformulierung von (8.1), (8.2) erhält man formal durch Multiplikation von
(8.1) mit einer beliebigen Testfunktion v ∈ C∞
0 (Ω), Integration über das Gebiet Ω, partielle Integration auf der linken Seite und Berücksichtigung der verschwindenden Randwerte
der Testfunktion.
Sei X := W01,2 (Ω) Sobolev–Raum mit der Norm
kukX :=
N
X
∂u
∂xi
i=1
2
L2 (Ω)
!1/2
.
Mit den Bezeichnungen
a(u, v) :=
N Z
X
i=1
∂u ∂v
dx;
φ(x, k∇u(x)k)
∂xi ∂xi
Ω
b(v) :=
Z
fv dx
Ω
ergibt sich formal das Variationsproblem
Finde u ∈ X :
a(u, v) = b(v) ∀v ∈ X.
(8.3)
61
8.3. QUASILINEARE ELLIPTISCHE RWP 2. ORDNUNG
Bei anderen Randbedingungen sind a(·, ·) und b(·) wie üblich abzuändern.
Es muß jetzt geklärt werden, unter welchen (hinreichenden) Bedingungen die Formulierung (8.3) wohldefiniert ist. Vorbereitend betrachten wir das
Beispiel 8.7. Wir betrachten im folgenden Satz 8.8 eine stetige (Material–)Funktion
φ ∈ C(Ω × R+ ), für die (feste) positive Konstanten α und L existieren, so daß
φ(x, t1 )t1 − φ(x, t2 )t2 > α(t1 − t2 ) ∀x ∈ Ω, ∀t1 > t2 > 0
|φ(x, t1 )t1 − φ(x, t2 )t2 | 6 L|t1 − t2 | ∀x ∈ Ω, ∀t1 , t2 > 0.
(8.4)
(8.5)
Ferner sei g : R+ → R eine Funktion mit g ∈ C1 (R+ ) sowie
0 < γ 6 g ′ (t) ∀t ∈ R+ ,
g(0) = 0.
Dann erfüllt speziell die Funktion
g(t)
,
t
′
φ(x, t) :=
g (+0),
t>0
t=0
die obigen Voraussetzungen (8.4), (8.5).
Satz 8.8. (Existenz und Eindeutigkeit)
Seien für das RWP (8.1), (8.2) die Voraussetzungen (8.4), (8.5) an die Materialfunktion
φ(·) erfüllt und gelte f ∈ L2 (Ω).
(i) Dann existiert genau ein Operator A ∈ (X → X∗ ) mit
hA(u), vi = a(u, v)
∀u, v ∈ X.
(ii) Die Variationsgleichung (8.3) ist äquivalent zur Operatorgleichung
Finde u ∈ X :
A(u) = b
in X∗ .
(8.6)
(iii) Der Operator A ist stark monoton und L–stetig mit A(0) = 0. Somit existiert eine
und nur eine Lösung von (8.6). Ferner konvergieren die Näherungsverfahren (E1n ) −
(E3n ) gegen die Lösung von (8.3) bzw. (8.6).
Beweis: (i) Die Meßbarkeit von φ(x, k∇uk)∇u · ∇v ergibt sich aus einem allgemeineren
Resultat in Abschnitt 10.1.
Aus (8.5) mit t2 = 0 folgt
|φ(x, t)| 6 L ∀x ∈ Ω, ∀t ∈ R+
und
|H(x)| := φ(x, k∇u(x)k)
∂u(x)
∂u(x) ∂v(x)
6L
∂xi ∂xi
∂xi
∂v(x)
.
∂xi
Nach dem Majoranten–Kriterium für Lebesgue—integrierbare Funktionen existiert der
Ausdruck a(u, v) für u, v ∈ X. Andererseits gilt mittels Ungleichung von Hölder
|a(u, v)| 6 LNkukXkvkX
∀u, v ∈ X,
62
KAPITEL 8. STARK MONOTON UND LIPSCHITZ-STETIG
d.h. (v → a(u, v)) ∈ X∗ und für alle u ∈ X existiert ein und nur ein Element A(u) ∈ X∗
mit hA(u), vi = a(u, v) für alle u, v ∈ X.
(ii) Wegen f ∈ L2 (Ω) ist nach Friedrichscher Ungleichung
|b(v)| 6 kfkL2 (Ω) kvkL2 (Ω) 6 CkfkL2 (Ω) kvkX ,
also b ∈ X∗ . Damit ist (8.3) äquivalent zu der Operatorgleichung in (ii).
(iii) Wir zeigen die starke Monotonie von A.P
Vorbereitend betrachten wir mit y, z ∈ RN ,
dem Euklidischen Skalarprodukt < y, z >:= i yi zi und der entsprechenden Norm |y| :=
√
< y, y > folgende Hilfsabschätzungen. Zunächst ist mittels Ungleichung von Schwarz
−|y| |z| 6 ± < y, z >6 |y| |z|.
(8.7)
Mit der Funktion ψ(x, t) := φ(x, t) − α ergibt sich nach Voraussetzung (8.4), daß
ψ(x, t)t − ψ(x, s)s = φ(x, t)t − φ(x, s)s − α(t − s) > 0
(8.8)
für alle x ∈ Ω sowie t > s > 0. Mit y, z ∈ RN folgt nach (8.7) bzw. (8.8)
D(y, z) := ψ(x, |y|) < y, y − z > −ψ(x, |z|) < z, y − z >
> (ψ(x, |y|)|y| − ψ(x, |z|)|z|) (|y| − |z|)
> 0.
(8.9)
Damit folgt speziell für u, v ∈ X, daß
=
=
=
>
a(u, u − v) − a(v, u − v)
N Z
X
∂u
∂v ∂(u − v)
φ(x, k∇uk)
− φ(x, k∇vk)
dx
∂xi
∂xi
∂xi
i=1 Ω
Z
[φ(x, k∇uk)∇u · ∇(u − v) − φ(x, k∇vk)∇v · ∇(u − v)] dx.
ZΩ
([φ(x, k∇uk) − α]∇u · ∇(u − v) − [φ(x, k∇vk) − α]∇v · ∇(u − v)
Ω
+αk∇(u − v)k2 dx
Z
[ψ(x, k∇uk)k∇uk − ψ(x, k∇vk)k∇vk] (k∇uk − k∇vk) dx + αku − vk2X
{z
}
Ω|
>0 wegen (8.9)
> αku − vk2X .
Die L–Stetigkeit von A in der Form
kA(u) − A(v)kX∗ 6 3Lku − vkX
folgt mittels analoger Abschätzungtechnik. Dann ergibt Satz 3.4 aus Kap. 3.2 in Verbindung mit Satz 8.3 die Behauptung
Kapitel 9
Hauptsatz monotoner Operatoren
Ziel dieses Kapitels ist eine weitere Abschwächung der Voraussetzungen an den Operator
A in der Operatorgleichung
A : X → X∗ .
A(u) = f,
Dabei sei X Banach–Raum, X∗ der zugehörige Dualraum. Das wesentliche Resultat dieses
Kapitels ist der Hauptsatz monotoner Operatoren von Browder/ Minty. Dieser ermöglicht
dann auch speziell in Kapitel 10 eine Erweiterung der Klasse zugelassener Nichtlinearitäten bei elliptischen Randwertaufgaben.
9.1
Schwache Konvergenz in reflexiven Banach–Räumen
Für unsere weiteren Darlegungen erinnern wir an die Ausführungen zur schwachen Konvergenz in reflexiven Räumen in Kap. 15 der Vorlesung ”Lineare Funktionsalnalysis” (WS
95/96).
Definition 9.1. (Bidualraum)
Der Dualraum X∗∗ := (X∗ )∗ des Dualraums X∗ eines normierten Raumes X heißt Bidualraum.
Die durch
u ∈ X, f ∈ X∗
(Eu)(f) := f(u),
definierte kanonische Einbettung E : X → X∗∗ eines normierten Raumes X in seinen
Bidualraum X∗∗ ist ein isometrischer Isomorphismus von X auf E(X) (vgl. Satz 15.2 a.a.O.).
Definition 9.2. (Reflexiver Raum)
Ein normierter Raum X heißt reflexiv genau dann, wenn die kanonische Einbettung
E : X → X∗∗ surjektiv ist.
Definition 9.3. (Schwache Konvergenz)
Eine Folge (un )n von Elementen in einem normierten Raum X heißt schwach konvergent
genau dann, wenn ein Grenzelement u ∈ X mit der Eigenschaft
lim f(un ) = f(u)
n→∞
63
64
KAPITEL 9. HAUPTSATZ MONOTONER OPERATOREN
für alle stetigen und beschränkten Funktionale f ∈ X∗ existiert. Man schreibt un ⇀ u.
Insbesondere benötigen wir folgende Aussage (vgl. Satz 15.19 a.a.O.).
Satz 9.4. (Beschränkte Folgen in reflexiven Räumen)
In einem reflexiven normierten Raum enthält jede beschränkte Folge eine schwach konvergente Teilfolge.
Ein notwendiges und hinreichendes Kriterium für schwache Konvergenz gibt
Lemma 9.5. (Kriterium für schwache Konvergenz)
Eine Folge (un ) in einem normierten, reflexiven Raum X konvergiert genau dann schwach
gegen u ∈ X, wenn die Folge (kun kX ) beschränkt ist und wenn f(un ) → f(u), n → ∞ für
alle Elemente f einer in X∗ dichten Menge von Funktionalen gilt.
Beweis: Folgerung aus dem Satz von Banach–Steinhaus bei Anwendung auf kanonische
Einbettung von un in X∗∗ .
9.2
Stetigkeitsbegriffe
Für den Hauptsatz monotoner Operatoren kann man die Stetigkeitsvoraussetzungen an
den Operator erheblich abschwächen. Nachfolgend geben wir einige Definitionen von Stetigkeitsbegriffen und deren Beziehung untereinander an.
Definition 9.6. (Stetigkeitsbegriffe)
Ein Operator A : X → X∗ auf einem Banach–Raum X heißt
(i) radialstetig genau dann, wenn t → hA(u + tv), vi stetig auf [0, 1] für alle u, v ∈ X
(fest)
(ii) hemistetig genau dann, wenn t → hA(u+tv), wi stetig auf [0, 1] für alle u, v, w ∈ X
(fest)
(iii) demistetig genau dann, wenn aus un → u in X folgt, daß A(un ) ⇀ A(u) in X∗ .
(iv) L(ipschitz)—stetig genau dann, wenn eine Zahl M > 0 existiert mit
kA(u) − A(v)kX∗ 6 Mku − vkX ,
∀u, v ∈ X.
(v) beschränkt L(ipschitz)—stetig genau dann, wenn eine monoton wachsende Funktion
ρ : R+ → R+ existiert, so daß für alle u, x ∈ X gilt
kA(u) − A(v)kX∗ 6 ρ(R)ku − vkX ,
R := max{kukX , kvkX }.
Den Zusammenhang zwischen diesen und anderen Stetigkeitsbegriffen beschreibt
Lemma 9.7. (Zusammenhang zwischen den Stetigkeitsbegriffen)
65
9.3. HAUPTSATZ ÜBER MONOTONE OPERATOREN
A vollstetig
A radialstetig
+ monoton
⇓
⇓
A demi–
⇒ A hemi– ⇒ A radial–
stetig
stetig
stetig
Ferner folgt aus der L-Stetigkeit die beschränkte L–Stetigkeit von A.
A L-stetig
⇒
⇒
A stetig
Beweis: Übungsaufgabe !
Wir benötigen noch folgenden Begriff.
Definition 9.8. (Lokale Beschränktheit)
Ein Operator A : X → X∗ auf einem Banach–Raum X heißt lokal beschränkt genau
dann, wenn für alle v ∈ X eine Umgebung U(v) existiert, so daß A(U(v)) beschränkt ist.
Insbesondere gibt es Zahlen r, δ > 0, so daß aus kvk 6 r folgt kA(v)kX∗ 6 δ.
Lemma 9.9. Ein demistetiger Operator A ist auch lokal beschränkt.
Beweis: Wäre A nicht lokal beschränkt, so gäbe es ein Element v ∈ X und eine Folge
(un ) mit un → v mit kA(un )k → ∞. Das ist ein Widerspruch zu der aus der schwachen
Konvergenzaussage A(un ) ⇀ A(v) folgenden (Übungsaufgabe: Warum ?) Beschränktheit
der Bildfolge (A(un ))n .
9.3
Hauptsatz über monotone Operatoren
Wir betrachten jetzt mit dem Operator A : X → X∗ und gegebenem f ∈ X∗ neben dem
kontinuierlichen Problem
hA(u), vi = hf, vi,
.
∀v ∈ X
(E)
über den Ansatz
un :=
n
X
j=1
(n)
cj φj ∈ Xn := span{φ1 , ...., φn } ⊆ X
das zugehörige diskrete oder Galerkin–Problem
.
a(un , φi ) = hf, φi i,
i = 1, ..., n.
a(u, v) := hA(u), vi,
∀u, v ∈ X.
(En )
Dabei ist
Satz 9.9. (Browder/ Minty – Hauptsatz über monotone Operatoren)
Seien X reeller, separabler und reflexiver Banach–Raum sowie A : X → X∗ ein monotoner, koerzitiver und radialstetiger Operator. Ferner sei {φi }i Basis in X sowie Xn =
span{φ1 , ..., φn }. Dann gelten folgende Aussagen
66
KAPITEL 9. HAUPTSATZ MONOTONER OPERATOREN
(i) Für alle f ∈ X∗ existiert eine Lösung u ∈ X von (E). Die Lösungsmenge ist abgeschlossen und konvex.
(ii) Im Fall dim(X) = ∞ existiert eine Zahl R > 0, so daß das diskrete Problem (En )
für alle n ∈ N lösbar ist mit kun kX 6 R. Es existiert eine Teilfolge {un ′ }n ′ mit
un ′ ⇀ u, n ′ → ∞. Dabei ist u eine Lösung von (E).
(iii) Ist A zusätzlich streng monoton, so sind (E) und (En ) eindeutig lösbar. Es gilt
un ⇀ u, n → ∞ bei dim(X) = ∞. Der inverse Operator A−1 : X∗ → X ist streng
monoton, beschränkt und demistetig.
(iv) Ist A gleichmäßig monoton, so ist A−1 stetig und es gilt
lim ku − un kX = 0
n→∞
(v) Ist A stark monoton, so ist A−1 L–stetig.
bei dim(X) = ∞.
Beweis:
(1) Vorbereitungsschritt I: Nach Lemma 9.7 ist der monotone und radialstetige Operator
A auch demistetig. Nach Lemma 9.9 ist dann A lokalbeschränkt.
(2) Vorbereitungsschritt II: Wir zeigen, daß
∀v ∈ X : 0 6 hf − A(v), u − vi
=⇒
f = A(u).
Für v := u − tw mit t ∈ R+ folgt für alle w ∈ X wegen der Hemistetigkeit von A, daß
nach Voraussetzung
hf − A(u − tw), twi
= hf − A(u), wi.
t→+0
t
0 6 lim
Analog folgt für v := u + tw, daß
hf − A(u + tw), twi
= hf − A(u), wi.
t→+0
t
0 > lim
Damit ist 0 = hf−A(u), wi für alle w ∈ X. Nach den Eigenschaften des Dualitätsproduktes
impliziert dies A(u) = f in X∗ .
(3) Existenzaussage für (En ): Sei
g(u) := hA(u), ui − hf, ui.
(9.1)
Wegen der Koerzitivität von A ist
g(u)
= ∞,
kukX →∞ kukX
lim
d.h. es existiert eine Zahl R > 0 mit g(u) > 0 für alle u mit kukX > R. Für Lösungen von
(E), d.h. g(u) = 0 bzw. (En ) ist daher kukX < R bzw. kun kX < R.
67
9.3. HAUPTSATZ ÜBER MONOTONE OPERATOREN
Für un :=
Pn
j=1
(n)
cj φj sei
gi (un ) := hA(un ) − f, φi i,
i = 1, ..., n.
(9.2)
Die Demistetigkeit von A ergibt nach Beweisschritt (1), daß un 7→ gi (un ) stetig ist.
Ferner ist
n
X
i=1
(n)
gi (un )ci
= hA(un ), un i − hf, un i = g(un ) > 0 ∀un ∈ Xn , kun kX = R.
Nach der wichtigen Anwendung des Fixpunktsatzes von Brouwer (vgl. Beispiel 4.8 zu Satz
4.6) existiert dann eine Lösung un ∈ Xn von (En ) mit kun kX 6 R.
(4) Beschränktheit der Bildfolge {A(un )}:
Wegen der Monotonie von A folgt
hA(un ), vi 6 hA(un ), vi + hA(un ) − A(v), un − vi
|
{z
}
>0
= hA(un ), un i + hA(v), vi − hA(v), un i.
Daraus ergibt sich wegen der lokalen Beschränktheit von A nach Beweisschritt (1)
kA(un )kX∗ =
hA(un ), vi
r
kvkX =r
sup
hA(v), vi + hA(un ), un i − hA(v), un i
r
kvkX =r
1
6
(δr + kfkX∗ kun kX + δR)
r
δr + kfkX∗ R + δR
.
6
r
6
sup
(5) Schwache Konvergenz einer Teilfolge. Existenz für (E):
Wegen kun kX 6 R (unabhängig von n !) existiert nach Satz 9.4 im reflexiven Banach–
Raum X eine Teilfolge (un ′ ) mit un ′ ⇀ ũ ∈ X, n ′ → ∞. Für die Folge gilt
[
′ ), wi = hf, wi,
∀w
∈
Xn .
lim
hA(u
n
′
n →∞
n
S
Aus der Dichtheit von n Xn in X und wegen Beweisschritt (4) ist Lemma 9.5 anwendbar,
d.h. es folgt A(un ′ ) ⇀ f, n ′ → ∞. Weiter gilt wegen un ′ ⇀ ũ über die Definition von
(En ), daß
hA(un ′ ), un ′ i = hf, un ′ i → hf, ũi, n ′ → ∞.
Die Monotonie von A impliziert
0 6 hA(un ′ ) − A(v), un ′ − vi
→ hf, ũ − vi − hA(v), ũ − vi,
= hf − A(v), ũ − vi (> 0).
n′ → ∞
68
KAPITEL 9. HAUPTSATZ MONOTONER OPERATOREN
Beweisschritt (2) ergibt dann A(ũ) = f in X∗ , d.h. ũ ist Lösung von (E). Wir schreiben
daher u statt ũ. Damit ist die Teilaussage (ii) des Satzes bewiesen.
(6) Struktur der Lösungsmenge: Sei A(ui ) = f, i = 1, 2 sowie
u=
2
X
αi ∈ [0, 1],
αi ui ,
i=1
2
X
αi = 1.
i=1
Unter Beachtung der Monotonie von A folgt
hf − A(v), u − vi = hf − A(v), (
=
2
X
i=1
> 0,
2
X
αi )ui − (
i=1
2
X
αi)vi
i=1
αihA(ui ) − A(v), ui − vi
∀v ∈ X.
Nach Beweisschritt (2) bedeutet dies, daß A(u) = f in X∗ . Damit ist die Lösungsmenge
L von (E) konvex.
Wir zeigen noch die Abgeschlossenheit von L. Sei dazu (ûn ) eine Folge mit A(ûn ) = f
und ûn → u für n → ∞. Dann ergibt sich
hf − A(v), u − vi = lim hA(ûn ) − A(v), ûn − vi > 0,
n→∞
damit erneut nach Beweisschritt (2) die gesuchte Aussage f = A(u). Damit ist auch die
Teilaussage (i) des Satzes bewiesen.
(7) Eigenschaften bei strenger Monotonie von A:
Sei A(ui ) = f für i = 1, 2. Dann impliziert
hA(u1) − A(u2 ), u1 − u2 i = 0
wegen der strengen Monotonie von A die Eindeutigkeitsaussage u1 = u2 . Für die diskreten
Probleme (En ) schließt man analog.
Im Fall dim(X) = ∞ nehmen wir jetzt an, daß un 6⇀ u. Dann gibt es eine Teilfolge (un ′ )
und ein Funktional f̃ ∈ X∗ derart, daß
|hf̃, u − un ′ i| > ǫ > 0 ∀n ∈ N.
Dies führt aber auf einen Widerspruch, denn im reflexiven Banach–Raum existiert eine
schwach konvergente Teilfolge (un ′′ ) mit un ′′ ⇀ u. Also gilt un ⇀ u für n → ∞.
Die strenge Monotonie des inversen Operators A−1 : X∗ → X sieht man aus
hf − f̃, A−1 (f) − A−1 (f̃)i = hA(u) − A(ũ), u − ũi > 0.
Die Beschränktheit des inversen Operators ersieht man ähnlich wie in Beweisschritt (3).
Zum Nachweis der Demistetigkeit von A−1 sei ũn = A−1 fn mit fn → f, n → ∞.Wegen
69
9.4. LÖSUNG DER GALERKIN–GLEICHUNGEN
der Beschränktheit von A−1 folgt die Beschränktheit der Folge (ũn ). Dann konvergiert
eine Teilfolge (ũn ′ ) schwach gegen ũ. Man überlegt sich jetzt, daß
( fn → f, un ⇀ u )
⇒
hfn , un i → hf, ui.
Daraus und wegen der strengen Monotonie von A folgt dann
hf − A(v), ũ − vi = lim
hA(ũn ′ ) − A(v), ũn ′ − vi > 0,
′
n →∞
∀v ∈ X.
Nach Beweisschritt (2) impliziert dies erneut A(ũ) = f. Wegen der Eindeutigkeit des
schwachen Grenzwertes ist dann aber ũn ⇀ ũ, d.h. der inverse Operator ist demistetig.
(8) Fall gleichmäßiger Monotonie von A: Übungsaufgabe !
(9) Fall starker Monotonie von A: Übungsaufgabe !
9.4
Lösung der Galerkin–Gleichungen
Nachfolgend untersuchen wir die Lösbarkeit der Galerkin–Gleichungen, d.h. des nichtlinearen Gleichungssystems (mit der Notation (9.1), bzw. (9.2))
Finde x ∈ Rn :
gi (x) = 0,
i = 1, ..., n.
(En )
Für den Fall eines gleichmäßig monotonen, beschränkt L–stetigen Operators gilt die folgende Verallgemeinerung des Lemmas von Cea.
Satz 9.10. (Lösbarkeit der Galerkin–Gleichungen)
Zusätzlich zu den Voraussetzungen des Hauptsatzes monotoner Operatoren (vgl. Satz 9.9)
sei A gleichmäßig monoton, d.h. es gibt eine streng monoton wachsende Funktion ρ :
R+ → R mit
hA(u) − A(v), u − vi > ρ(ku − vkX )ku − vkX ,
und beschränkt L–stetig, d.h. es gibt eine monoton wachsende Funktion L : R+ → R+ mit
kA(u) − A(v)k 6 L(R)ku − vkX ,
R := max{kukX , kvkX }.
Dann existiert eine von n unabhängige Konstante C so, daß
ρ(ku − un kX ) 6 C inf ku − wkX .
v∈Xn
Beweis: (1) Zunächst gilt
ρ(kukX)kukX 6 hA(u) − A(0), u − 0i
= hf, ui − hA(0), ui
6 (kfkX∗ + kA(0)kX∗ ) kukX
die a–priori Abschätzung
kukX 6 ρ−1 (kfkX∗ + kA(0)kX∗ ) =: R.
70
KAPITEL 9. HAUPTSATZ MONOTONER OPERATOREN
((2) Aus der Fehlergleichung (Galerkin–Orthogonalität)
hA(u) − A(un ), wn i = 0,
∀wn ∈ Xn
folgert man über die Voraussetzungen an den Operator
ρ(ku − un kX )ku − un kX 6
=
6
6
hA(u) − A(un ), u − un i
hA(u) − A(un ), u − wi,
∀w ∈ Xn
kA(u) − A(un )kX∗ ku − wkX
L(R)ku − un kX ku − wkX
mit R aus Beweisschritt (1). Daraus folgt die gesuchte Fehlerabschätzung.
Zur praktischen Lösung des Systems der Galerkin–Gleichungen betrachten wir folgendes
Verfahren vom Gradienten–Typ
(k+1)
Finde xi
∈ Rn :
(k+1)
xi
(k)
= xi −τgi (x(k) ),
i = 1, ..., n
(Ekn )
mit Startwert x(0) := 0. Im Spezialfall eines stark monotonen und L–stetigen Operators
A gilt
Satz 9.11. (Konvergenz des Gradienten–Verfahrens)
Die Funktionen gi , i = 1, ..., n seien lokal L–stetig oder stetig differenzierbar auf Rn .
Ferner existiere eine stark positive Bilinearform γ(·, ·) auf Rn mit
n
X
i=1
[gi (x) − gi (x̃)] · (xi − x̃i ) > γ(x, x̃)
∀x, x̃ ∈ Rn .
Dann existiert eine und nur eine Lösung x ∈ Rn der Galerkin–Gleichungen (En ). Für hinreichend kleine Parameterwerte τ konvergiert dann die Lösungsfolge x(k) des Gradienten–
Verfahrens (Ekn ) gegen die (eindeutige) Lösung x ∈ Rn von (En ).
Beweis: (1) Die Existenz– und Eindeutigkeitsaussage für das Galerkin–Verfahren (En )
folgt bereits aus dem Hauptsatz über monotone Operatoren.
(2) Die Konvergenzaussage für das Gradienten–Verfahren findet man bei E. Zeidler, Nonlinear Functional Analysis, Bd. II B, S. ... f.
Kapitel 10
Anwendung des Haupsatzes auf
quasilineare elliptische Probleme
Gegenstand des vorliegenden Abschnittes ist die Anwendung des Hauptsatzes über monotone Operatoren auf quasilineare elliptische Differentialgleichungen 2. Ordnung. Wir
hatten bereits in Abschnitt 8.3 eine gewisse Klasse derartiger Aufgaben betrachtet. Hier
soll nun der Grad der zugelassenen Nichtlinearitäten erweitert werden.
10.1
Nemyzki–Operator
Definition 10.1. (Nemyzki–Operator)
Für ui = ui (x), i = 1, ..., m und h(x, u1 , ..., um ) heißt die durch
H(u)(x) := h(x, u1 (x), ..., um (x)),
u = (u1 , ..., um )
(10.1)
erklärte Abbildung Nemyzki–Operator.
Lemma 10.2. (Eigenschaften des Nemyzki–Operators)
Sei Ω ⊂ RN eine nichtleere und meßbare Punktmenge. Die Funktion h : Ω × RN → R
genüge folgenden Eigenschaften
• Caratheodory–Bedingung: h ∈ CAR, d.h.
x 7→ h(x, u) meßbar auf Ω, ∀u ∈ Rm
u 7→ h(x, u) stetig auf Rm , x ∈ Ω f.ü..
• Wachstumsbedingung: Es existieren Zahlen b > 0 und q, pi > 1, i = 1, ..., m sowie
eine Funktion a ∈ Lq (Ω) mit
|h(x, u)| 6 a(x) + b
m
X
|ui |pi /q ,
i=1
71
∀ (x, u) ∈ Ω × Rm .
(10.2)
72
KAPITEL 10. ANWENDUNGEN DES HAUPSATZES
Dann ist der Nemyzki–Operator
H:
m
Y
i=1
Lpi (Ω) → Lq (Ω)
(10.3)
stetig und beschränkt gemäß
kH(u)kLq (Ω) 6 C kakLq (Ω) +
m
X
p /q
!
kui kLpi i (Ω) .
i=1
(10.4)
Beweis: Einen vollständigen Beweis findert man z.B. bei E. Zeidler Nonlinear Functional
Analysis Bd. II B, S. .. f. , Es werden vor allem maßtheoretische Kenntnisse benutzt. Wir
beschränken uns hier auf den Nachweis von Ungleichung (10.4):
Für beliebiges r ∈ (0, ∞) und m ∈ N findet man eine Konstante C = C(r), so daß
!r
X
X
m
|ξi | 6 C
|ξi |r , ∀ξ = (ξi )m
i=1 ∈ R .
i
i
Speziell ergibt sich mit r = q die Aussage
|h(x, u)|q 6 C |a(x)|q + bq
m
X
|ui (x)|pi
i=1
somit nach Integration über Ω auch
Z
Z
q
|h(x, u)| dx 6 C1
Ω
|a(x)|q +
Ω
m
X
!
|ui (x)|pi
i=1
,
!
dx.
Nach Definition von H und nach erneuter Anwendung der zu Beginn des Beweises angeführten Ungleichung mit r = 1/q folgt
"Z
!
#1/q
m
X
kH(u)kLq (Ω) 6 C2
|a(x)|q +
|ui (x)|pi dx
Ω
6 C3
"Z
i=1
1/q
|a(x)|q dx
Ω
"
6 C3 kakLq (Ω) +
m
X
i=1
+
m Z
X
Ω
i=1
p /q
|ui (x)|pi
1/q #
dx
#
kui kLpi i (Ω) .
Dies ist die gesuchte Aussage.
Wir betrachten jetzt eine spezielle Situation.
Lemma 10.3.
Seien die Voraussetzungen von Lemma 10.2 speziell mit N = 1 und p = p1 ∈ (1, ∞)
erfüllt. Ferner seien
X := Lp (Ω),
X∗ = Lq (Ω),
1
1
+ = 1.
p q
10.2. QUASILINEARE ELLIPTISCHE RANDWERTAUFGABEN
73
(i) Ist zusätzlich
h(x, u1 ) 6 h(x, u2 ),
∀u1 6 u2 , x ∈ Ω,
so ist H : X → X∗ monoton, stetig und beschränkt. Gilt sogar eine strenge Ungleichung,
so ist H auch streng monoton.
(ii) Existieren eine Konstante C > 0 und eine Funktion g ∈ L1 (Ω) mit
h(x, u)u > C|u|p − g(x),
(x, u) ∈ Ω × R,
so ist H : X → X∗ koerzitiv.
Beweis: Man charakterisiert nach dem Identifizierungsprinzip in den zueinander dualen
Räumen Lp (Ω) und Lq (Ω) das Dualitätsprodukt durch
Z
hH(u), vi =
h(x, u(x)) v(x) dx
Ω
(vgl. hierzu H. W. Alt Lineare Funktionalanalysis (1985), S. 105 ff. bzw. Vorlesung Lineare
Funktionalanalysis und partielle Differentialgleichungen, WS 1995/96, Kap. 10.4, speziell
Satz 10.8) und schließt dann auf die genannten Aussagen.
10.2
Anwendung auf quasilineare elliptische Randwertaufgaben
Wir betrachten jetzt das folgende Randwertproblem für quasilineare elliptische Differentialgleichungen 2. Ordnung
N
X
∂
(Au)(x) := −
Ai (x, u(x), ∇u(x)) + A0 (x, u(x), ∇u(x)) = f(x), x ∈ Ω
(10.5)
∂xi
i=1
u(x) = 0,
x ∈ ∂Ω.
(10.6)
Dabei werden hier nur vereinfachend homogene Dirichlet–Bedingungen gestellt.
Zur (zunächst formalen) Herleitung einer verallgemeinerten Aufgabenstellung zu (10.5),(10.6)
seien
1
1
f ∈ Lq (Ω), p, q ∈ (1, ∞),
+ = 1.
p q
Ferner verwenden wir den Sobolev–Raum X := W01,p (Ω).
Zunächst multipliziert man wie üblich die Differentialgleichung (10.5) mit einer beliebigen Testfunktion v ∈ C∞
0 (Ω) und integriert die Gleichung über Ω. Dann wendet man die
Formel der partiellen Integration auf den in Divergenzform gegebenen elliptischen Hauptteil an und beachtet die Randbedingung für die Testfunktion v. Durch Grenzübergang
in C∞
0 (Ω) zu X gelangt man schließlich (formal) zu der folgenden Variationsformulierung
zum Randwertproblem (10.5), (10.6)
Finde u ∈ X :
a(u, v) = b(v) ∀v ∈ X
(10.7)
74
KAPITEL 10. ANWENDUNGEN DES HAUPSATZES
mit
a(u, v) :=
Z
N
X
Ω
b(v) :=
Z
i=1
Ai (x, u, ∇u)
!
∂v
+ A0 (x, u, ∇u)v
∂xi
dx
fv dx.
Ω
Der folgende Satz stellt sicher, daß diese Aufgabe unter geeigneten Voraussetzungen an
die Daten wohldefiniert und lösbar ist.
Satz 10.4. (Lösbarkeit des Variationsproblems)
Seien a ∈ Lq (Ω) mit q ∈ (1, ∞) und b ∈ L1 (Ω). Für die Funktionen
Ai : Ω × RN+1 → R,
i = 0, 1, ..., N
und die Vektoren ξ := (ξ1 , ...ξN )∗ , η := (η1 , ...ηN )∗ gelte
• Caratheodory–Bedingung: Ai ∈ CAR
• Wachstumsbedingung:
|Ai (x, ξ0 , ξ)| 6 C a(x) +
N
X
|ξi |p/q
i=0
!
,
p
=p−1
q
• Monotonie–Bedingung:
N
X
(Ai (x, ξ0 , ξ) − Ai (x, η0 , η)) (ξi − ηi ) > 0,
i=0
∀(ξ0 , ξ), (η0, η) ∈ RN+1
• Koerzitivitäts–Bedingung: Es gibt eine positive Konstante C0 mit
N
X
Ai (x, ξ0 , ξ)ξi > C0
i=0
N
X
|ξi |p − b(x).
i=1
Dann gelten folgende Aussagen:
(i) Es gibt genau einen Operator A : X = W01,p (Ω) → X∗ mit
hA(u), vi = a(u, v)
∀u, v ∈ X.
und es gilt b ∈ X∗ .
(ii) Die Variationsformulierung (10.7) ist äquivalent zur Operatorgleichung A(u) = b
in X∗ . Dabei ist A ein monotoner, stetiger, koerzitiver und beschränkter Operator.
Folgerung 10.5.
10.2. QUASILINEARE ELLIPTISCHE RANDWERTAUFGABEN
75
1. Unter den Voraussetzungen des Satzes 10.4 gelten alle Aussagen des Hauptsatzes
über monotone Operatoren (vgl. Satz 9.9). Insbesondere ist die Aufgabe (10.7) wohldefiniert und sie besitzt (mindestens) eine Lösung u ∈ X.
2. Gilt sogar mit einer positiven Konstanten C1 , daß
N
X
(Ai (x, ξ0 , ξ) − Ai (x, η0 , η)) (ξi −ηi ) > C1
N
X
|ξi −ηi |p ,
i=1
i=0
∀(ξ0 , ξ), (η0, η) ∈ RN+1 ,
so ist der Operator A gleichmäßig monoton. Insbesondere hat dann nach Satz
9.10 das zu (10.7) gehörige Galerkin–Verfahren genau eine Lösung. Die so erzeugte
Lösungsfolge konvergiert gegen die (eindeutige) Lösung u ∈ X von (10.7).
Beweis von Satz 10.4: Sei X := W01,p (Ω) mit der Norm
k · kX := k · kW 1,p (Ω)
(1) Für Hi (u)(x) := Ai (x, u(x), ∇u(x)), i = 0, 1, ..., N gilt nach Lemma 10.2
p/q
kHi (u)kLq (Ω) 6 C kakLq(Ω) + kukW 1,p (Ω) =: C m(kukX ).
Die Höldersche Ungleichung ergibt daraus
|a(u, v)| 6 (N + 1)C m(kukX ) kvkX .
(10.8)
Damit ist (v → a(u, v)) ∈ X∗ , d.h. für alle u ∈ X existiert eindeutig ein Element A(u) ∈
X∗ mit
hA(u), vi = a(u, v) ∀v ∈ X.
(2) Wegen (10.8) ist
kA(u)kX∗ 6 (N + 1)C m(kukX ),
d.h. A ist beschränkt.
(3) Wir zeigen die Stetigkeit von A: Zunächst ist
kA(u) − A(un )k =
6
sup |a(u, v) − a(un , v)|
kvkX =1
N
X
i=0
kHi (u) − Hi (un )kLq (Ω) .
Bei starker Konvergenz, d.h. limn→∞ kun − ukX = 0 folgt
lim kDα un − Dα ukLp (Ω) = 0,
n→∞
∀α : |α| 6 1.
Dies impliziert nach Lemma 10.2 die Aussage
lim kA(un ) − A(u)k = 0,
n→∞
76
KAPITEL 10. ANWENDUNGEN DES HAUPSATZES
d.h. A ist stetig.
(4) Die Monotonie von A folgt gemäß Voraussetzung aus
hA(u) − A(v), u − vi = a(u, u − v) − a(v, u − v) > 0 ∀u, v ∈ X.
(5) Schließlich ergibt sich die Koerzitivität von A nach Voraussetzung sowie unter Beachtung der Äquivalenz der Semi– und Standard–Norm auf W01,p (Ω) aus
hA(u), ui >
N Z
X
i=1
Ω
∂u(x)
∂xi
p
dx −
Z
fv dx >
Ω
C0 kukpX
−
Z
fv dx.
Ω
(6) Mittels Ungleichung von Hölder folgt
|b(v)| 6 kfkLq(Ω) kvkLp (Ω) 6 kfkLq(Ω) kvkX
∀v ∈ X,
d.h. b ∈ X∗ .
Damit wurden die Aussagen (i) und (ii) des Satzes gezeigt.
10.3
Beispiele und Bemerkungen
Beispiel 10.6. (Gleichungen mit nichtlinearem Diffusionsterm I)
Betrachtet wird das Problem
!
N
p−2
X
∂
∂u
∂u
−
+ c(x)u(x) = f(x), x ∈ Ω,
∂x
∂x
∂x
i
i
i
i=1
u(x) = 0,
x ∈ ∂Ω.
Mit den Festsetzungen
X := W01,p (Ω),
f ∈ Lq (Ω),
1
1
+ = 1, p > 2
p q
sowie
Ai (x, ξ0 , ξ) := |ξi |p−2 ξi , i = 1, ..., N,
A0 (x, ξ0 , ξ) := c(x)ξ0
folgen unter der Annnahme von c(x) > 0 f.ü. in Ω im einzelnen die
• Monotonie–Bedingung:
N
X
=
i=0
N
X
i=1
[Ai (x, ξ0 , ξ) − Ai (x, η0 , η)] (ξi − ηi )
|ξi |p−2 ξi − |ηi |p−2 ηi (ξi − ηi ) + c(x)(ξ0 − η0 )2
> C(p)|ξi − ηi |p + c(x)(ξ0 − η0 )2 > 0.
(Man vergleiche hier zum Beweis der vorletzten Ungleichung den Nachweis zu Beispiel 7.5 aus Abschnitt 7.2.)
77
10.3. BEISPIELE UND BEMERKUNGEN
• Koerzitivitäts–Bedingung:
N
X
Ai (x, ξ0 , ξ)ξi =
i=0
N
X
|ξi |p−2 ξ2i
+
c(x)ξ20
i=1
>
N
X
|ξi |p .
i=1
• Wachstums–Bedingung:
|Ai (x, ξ0 , ξ)| = |ξi |p−2 ξi 6 |ξi |p−1 , i = 1, ..., N
|c(x)ξ0 | 6 kckL∞ (Ω) (ξp−1
+ 1), p > 2.
0
Damit sind Satz 10.4 und Folgerung 10.5 anwendbar.
Beispiel 10.7. (Gleichungen mit nichtlinearem Diffusions– und Reaktionsterm)
Betrachtet wird das Problem
!
N
p−2
X
∂
∂u
∂u
−
+ g(u(x)) = f(x), x ∈ Ω,
∂x
∂x
∂x
i
i
i
i=1
u(x) = 0,
x ∈ ∂Ω
mit den Annahmen
(i)
[g(ξ0 ) − g(η0 )] (ξ0 − η0 ) > 0 ∀ξ0 , η0 ∈ R
(ii)
∃M > 0, p > 2 : |g(ξ0 )| 6 M|ξ0 |p−1
(iii)
∃γ ∈ R : g(ξ0 )ξ0 > γ ∀ξ0 ∈ R,
(iv)
f ∈ Lq (Ω),
1
p
+
1
q
∀ξ0 ∈ R,
= 1.
Man kann zeigen, daß dann die Monotonie–, Koerzitivitäts–, Wachstums–Voraussetzungen
von Satz 10.4 erfüllt sind (Übungsaufgabe !). Die über den Parameter p bestehende Kopplung der Wachstumsbedingungen an die Diffusionskoeffizienten und den Reaktionsterm
ist unnatürlich. Sie wird im Kap. 11 abgeschwächt.
Bemerkung 10.8. Die Wachstumsannahme an g stellt oft eine starke Einschränkung
dar. So ist der Fall g(u) := exp(u) nicht erlaubt. Kennt man a–priori die Aussage
|u(x)| 6 K f. ü. (oder ist sie vom Modell her motiviert), kann man die Daten für |ξ0 | > K
so abändern, daß die Voraussetzungen erzwungen werden.
78
KAPITEL 10. ANWENDUNGEN DES HAUPSATZES
Beispiel 10.9. (Gleichungen mit nichtlinearem Diffusionsterm II)
Betrachtet wird das Problem
N
X
∂
p−2 ∂u
−
+ c(x)u(x) = f(x),
ν0 + ν1 k∇uk
∂xi
∂xi
i=1
u(x) = 0,
x ∈ Ω,
x ∈ ∂Ω
mit Parametern ν0 , ν1 > 0 und ν20 +ν21 > 1 sowie c(x) > 0 f.ü. in Ω. Mit den Festsetzungen
X := W01,p (Ω),
f ∈ Lq (Ω),
1
1
+ = 1, p > 2
p q
sowie
Ai (x, ξ0 , ξ) := (ν0 + ν1 |
n
X
|ξi |p−2 )ξi , i = 1, ..., N,
A0 (x, ξ0 , ξ) := c(x)ξ0
j=1
folgen im einzelnen die
• Wachstums–Bedingung:
|Ai (x, ξ0 , ξ)| 6 (ν0 + Cν1
N
X
|ξj |p−2 )ξi ,
i = 1, ..., N
j=1
• Monotonie–Bedingung:
N
X
[Ai (x, ξ0 , ξ) − Ai (x, η0 , η)] (ξi − ηi )
i=0
> ν0 |ξ − η|2 + Cν1 |ξ − η|p
• Koerzitivitäts–Bedingung:
N
X
i=0
Ai (x, ξ0 , ξ)ξi =
N
X
i=1
ν0 + ν1
N
X
ξ2j
j=1
> (C + ν0 )|ξ|2 + ν1 |ξ|p .
Damit ist Satz 10.4 anwendbar (Übungsaufgabe !).
! p−2
2
|ξi |2 + c(x)ξ20
Kapitel 11
Pseudomonotone Operatoren
Die Anwendung des Hauptsatzes über monotone Operatoren auf Randwertprobleme linearer elliptischer Differentialgleichungen zeigt, daß nicht die volle Aussage des Fredholmschen
Alternativsatzes erreicht wird (vgl. Abschnitt 11.1). Durch Verallgemeinerung der Aussage
des Hauptsatzes über monotone Operatoren auf sogenannte pseudomonotone Operatoren
kann dieser Mangel abgeschwächt werden (vgl. Abschnitt 11.2). Schließlich erfolgt in Abschnitt 11.3 eine Anwendung auf quasilineare elliptische Randwertprobleme 2. Ordnung
und das stationäre inkompressible Navier-Stokes-Problem.
11.1
Anwendung des Hauptsatzes auf lineare stark
elliptische Randwertprobleme 2. Ordnung
Ausgehend von den Resultaten von Kapitel 10 soll am linearen Speziallfall der in Abschnitt
10.2 betrachteten Problemklasse (10.5), (10.6) die Aussagekraft des Hauptsatzes über
monotone Operatoren mit der des Fredholmschen Alternativsatzes verglichen werden.
Mit den Festsetzungen
N
X
∂u
, i = 1, ..., N;
Ai (x, u, ∇u) :=
aij (x)
∂x
j
j=1
A0 (x, u, ∇u) :=
N
X
ai (x)
i=1
∂u
+[a0 (x)−µ]u
∂xi
erhält man aus (10.5), (10.6) das homogene Dirichlet–Problem
N
X
∂
∂u
(Au)(x) := −
aij (x)
∂x
∂xj
i
i,j=1
+
N
X
i=1
ai (x)
∂u
+ a0 (x)u(x) − µu(x) = f(x), x ∈ Ω
∂xi
(11.1)
x ∈ ∂Ω.
(11.2)
u(x) = 0,
Das zugehörige Variationsproblem lautet
Finde u ∈ X := W01,2 (Ω) : a(u, v) := a2 (u, v)+a1 (u, v)−µc(u, v) = b(v) ∀v ∈ X (11.3)
79
80
KAPITEL 11. PSEUDOMONOTONE OPERATOREN
mit
Z
a2 (u, v) :=
Z
a1 (u, v) :=
N
X
Ω i,j=1
Ω
Z
c(u, v) :=
∂u ∂v
dx,
∂xj ∂xi
!
∂u
+ a0 (x)u(x) v(x) dx,
ai (x)
∂xi
i=1
N
X
u(x)v(x) dx,
ZΩ
b(v) :=
aij (x)
fv dx.
Ω
Das entsprechende adjungierte Problem zu (11.3) ist
Finde u∗ ∈ X := W01,2 (Ω) : a(v, u∗ ) = 0 ∀v ∈ X.
(11.4)
Aus der linearen Funktionalanalysis (Fredholm–Alternative) gewinnt man die folgende
Charakterisierung der Lösbarkeit der Variationsleichung (11.3).
Satz 11.1. (Lösbarkeit von (11.3) )
Sei Ω ⊂ RN beschränktes Gebiet mit Lipschitz–stetigem Rand ∂Ω. Für die Daten gelte
f ∈ L2 (Ω) und die Koeffizienten aij , ai, a0 : Ω → R mit i, j = 1, ..., N seien meßbar und
beschränkt. Die Matrix A = (aij )N
i,j=1 sei streng positiv definit auf Ω, d.h.
∃γ > 0 :
N
X
i,j=1
aij (x)ξi ξj > γ|ξ|2 , x ∈ Ω f.ü., ∀ξ ∈ RN .
Dann gelten folgende Aussagen:
(i) Es existieren vom Parameter µ unabhängige Konstanten α1 , α2 > 0 und β > 0 so,
daß gilt
a(u, v) > α1 kuk2W 1,2 (Ω) − (µ + β)kuk2L2 (Ω) ∀u ∈ X (Garding)
|a(u, v)| 6 (α2 + |µ|)kukW 1,2 (Ω) kvkW 1,2 (Ω) ∀u, v ∈ X.
(ii) Es existieren eindeutig Operatoren A2 , A1 , C ∈ L(X, X∗ ) mit
a2 (u, v) = hA2 u, vi, a1 (u, v) = hA1 u, vi, c(u, v) = hCu, vi, ∀u, v ∈ X,
wobei A2 stark monoton, sowie A1 , C vollstetig (bzw. kompakt) sind.
R
(iii) Es ist b ∈ X∗ mit hb, vi = Ω fv dx. Dann ist die Variationsgleichung (11.3)
äquivalent zur Operatorgleichung
Au := A2 u + A1 u − µCu = b ∈ X∗ .
(iv) Falls −β > µ, so ist A stark monoton (vgl. (i)), d.h. für alle f ∈ L2 (Ω) existiert
eine und nur eine Lösung u ∈ X von (11.3).
81
11.2. PSEUDOMONOTONE OPERATOREN
(v) Ist µ kein Eigenwert von A, d.h. (11.3) ist für f = 0 nur trivial lösbar (also z.B.
für −β > µ), so existiert für alle f ∈ L2 (Ω) eine und nur eine Lösung u ∈ X von
(11.3).
(vi) Ist µ Eigenwert von A, dann hat µ endliche Vielfachheit s. Dann hat das adjungierte
Problem (11.4) s linear abhängige Lösungen u∗1 , ..., u∗s . Problem (11.3) ist genau
dann lösbar wenn
Z
∗
b(ui ) =
fu∗i dx = 0, i = 1, ..., s.
Ω
Beweis: vgl. Vorlesung Lineare Funktionalanalysis und partielle Differentialgleichungen, WS 2005/06, Kap. 20.2)
Der Hauptsatz über monotone Operatoren entspricht im Prinzip gerade der Aussage (iv),
d.h. dem Ergebnis der Lax/ Milgram–Theorie. Insbesondere ist die Monotonie–Bedingung
an den gesamten Operator A im Satz 9.9 (bzw. 10.4) viel zu einschneidend. Ziel ist somit
eine Abschwächung der Forderungen an die Terme von niederer Ordnung, die also nicht
zum elliptischen Hauptteil (d.h. zu A2 ) gehören. Speziell sollen auch nach Möglichkeit
die einschneidenden Wachstumsbeschränkungen an die Terme niederer Ordnung abgeschwächt werden.
11.2
Pseudomonotone Operatoren
Angeregt durch die Betrachtung in Abschnitt 11.1 zerlegen wir nachfolgend den (pseudomonotonen) Operator A gemäß A = A2 + A1 mit monotonem, hemistetigem Operator
A2 : X → X∗ und möglichst geringen Forderungen an A1 .
Definition 11.2. Ein Operator A : X → X∗ auf einem reflexiven Banach–Raum X
(i) heißt verstärkt stetig genau dann, wenn aus un ⇀ u, n → ∞ folgt A(un ) →
A(u), n → ∞.
(ii) hat die Eigenschaft (M) genau dann, wenn aus
un ⇀ u, A(un ) ⇀ v, lim suphA(un ), un i 6 hv.ui,
die Aussage A(u) = v folgt.
n→∞
(iii) heißt pseudomonoton, falls aus un ⇀ u, lim suphA(un ), un − ui 6 0, n → ∞ die
Aussage
hA(u), u − wi 6 lim infhA(un ), un − wi,
folgt.
∀w ∈ X,
n→∞
Lemma 11.3. (Eigenschaften pseudomonotoner Operatoren)
Betrachtet werden auf dem reflexiven Banach–Raum X die Operatoren A, B : X → X∗ . Es
gelten folgende Aussagen:
82
KAPITEL 11. PSEUDOMONOTONE OPERATOREN
(i) Sind A monoton und hemistetig sowie B verstärkt stetig, so ist A + B pseudomonoton.
(ii) Sind A monoton und hemistetig und B pseudomonoton, so ist A+B pseudomonoton.
(iii) Ein pseudomonotoner Operator genügt auch der Eigenschaft (M).
(iv) Ein pseudomonotoner und lokalbeschränkter Operator ist auch demistetig.
Beweis:
Übungsaufgabe !
Wir können nun das Hauptresultat dieses Abschnitts formulieren.
Satz 11.4. (Hauptsatz über pseudomonotone Operatoren – H. Brezis 1968)
Seien X reeller, separabler und reflexiver Banach–Raum mit dim X = ∞ und A : X → X∗
ein pseudomonotoner, beschränkter und koerzitiver Operator. Ferner bezeichne {φi }∞
i=1
eine Basis in X. Dann gelten folgende Aussagen:
(i) Die Galerkin–Gleichungen
Finde un ∈ Xn := span{φ1 , ...φn } :
hA(un ), φi i = hf, φi i,
i = 1, ..., n
(En )
sind für jede Zahl n ∈ N lösbar. Es gilt bei hinreichend großer, jedoch von n unabhängiger Zahl R die a–priori Abschätzung kun kX 6 R.
(ii) Es existiert (mindestens) eine Lösung u ∈ X der Operatorgleichung
Finde u ∈ X :
A(u) = b
in X∗
(E)
(iii) Es gibt eine Teilfolge {un ′ }n ′ der Galerkin–Lösungen, die in X schwach gegen eine
Lösung u ∈ X der Operatorgleichung (E) konvergiert.
Beweisskizze: Der Beweis ist ähnlich wie der Beweis des Hauptsatzes monotoner Operatoren aufgebaut. Wir beschränken uns daher auf eine Skizze des Beweises.
(1) Nach Lemma 11.3 (iii) folgt aus der Pseudomonotonie von A die Eigenschaft (M) für
A. Beschränktheit und Pseudomonotonie von A implizieren nach Lemma 11.3 (iv) die
Demistetigkeit von A.
(2) Die Koerzitivität von A zieht für hinreichend große, jedoch von n unabhängige Konstante R nach sich, daß
hA(u) − b, ui > 0,
∀u ∈ X : kukX = R.
Da nach (1) A ferner demistetig ist, kann der Fixpunktsatz von Brouwer (vgl. Beispiel zu
Satz 4.6) angewendet werden. Daher existiert für jedes n ∈ N eine Lösung un ∈ Xn .
(3) Wegen der Reflexivität von X und der gleichmäßigen Abschätzung kun kX 6 R folgt
die Existenz einer schwach konvergenten Teilfolge {un ′ } mit un ′ ⇀ ũ.
Wie beim Beweis des Hauptsatzes monotoner Operatoren (vgl. dort Schritte (4) und (5))
folgt
(4)
A(un ′ ) ⇀ b in X∗ ;
(5)
hA(un ′ ), un ′ i = hf, un ′ i → hf, ũi.
Eigenschaft (M) ergibt schließlich A(ũ) = b in X∗ , d.h. ũ löst die Operatorgleichung.
11.3. ANWENDUNG AUF ELLIPTISCHE RANDWERTPROBLEME
11.3
83
Anwendung auf quasilineare elliptische Randwertprobleme 2. Ordnung
Wir betrachten erneut Variationsprobleme für quasilineare elliptische Randwertprobleme
2. Ordnung der Form
Finde u ∈ X := W01,p (Ω) :
R
mit b(v) := Ω fv dx und
a2 (u, v) :=
Z
Ω
a(u, v) := a2 (u, v) + a1 (u, v) = b(v) ∀v ∈ X
N
X
∂v
Ai (x, u, ∇u)
∂xi
i=1
!
;
a1 (u, v) :=
Z
Ω
A0 (x, u, ∇u)v dx
(11.5)
(11.6)
Unter Beachtung der Überlegungen aus Abschnitt 11.1 wurde eine Zerlegung der Linearform a(·, ·) vorgenommen. Nach diesen Überlegungen reicht es aus, wenn a(·, ·) koerzitiv
ist und a2 (·, ·) monoton und hemistetig sowie a1 (·, ·) verstärkt stetig oder pseudomonoton
sind.
Wesentliches Hilfsmitteil zum Beweis der verstärkten Stetigkeit von a1 (·, ·) ist der folgende Einbettungssatz.
Lemma 11.5. (Einbettungssatz von Sobolev)
Seien Ω ⊂ RN beschränktes Gebiet und der Rand ∂Ω Lipschitz–stetig. Ferner gelte für
ganze Zahlen j, k sowie reelle Zahlen p, q, daß 0 6 j < k; 1 6 p, q < ∞. Dann sind die
Einbettungen
(i) W k,p (Ω) ⊆ W j,q (Ω);
(ii) W0k,p (Ω) ⊆ W0j,q (Ω)
stetig für
1 k−j
1
−
6
p
N
q
und vollstetig für d < q1 . Im Fall (ii) ist die Randregularität nicht erforderlich. (Für j = 0
wird W0j,p (Ω) = Lp (Ω) vereinbart.)
d :=
Beweis: vgl. z.B. H.W. Alt Lineare Funktionalanalysis, (1985), S. 217 f.
Von Interesse ist bereits folgendes spezielle Resultat.
Lemma 11.6. (Verstärkte Stetigkeit)
Der Koeffizient A0 in (11.6) sei unabhängig vom Gradienten ∇u. Dann ist der der Linearform a1 (·, ·) entsprechende Operator A1 : X := W01,p (Ω) → X∗ , verstärkt stetig.
Beweis: (1) Der (lineare) Einbettungsoperator E : X := W01,p (Ω) → Lp (Ω) ist nach dem
Einbettungssatz für 1 6 p < ∞ vollstetig. Dann ist E auch verstärkt stetig (vgl Vorlesung
”Lineare Funktionalanalysis”, WS 2005/06, Kap. 16.3)). Aus un ⇀ u in X folgt daher
Eun → Eu = u in Lp (Ω).
(2) Wir betrachten den Operator zu a1 . Hier gilt wegen der Stetigkeit des Nemyzki–
Operators nach Lemma 10.2, daß
Z
[A0 (x, u) − A0 (x, un )] v dx → 0, n → ∞.
|a1 (u, v) − a1 (un , v)| 6
Ω
84
KAPITEL 11. PSEUDOMONOTONE OPERATOREN
Damit ist der zu a1 (·, ·) gehörige Operator verstärkt stetig.
Beispiel 11.7. (Diffusions–Reaktions–Gleichung)
Wir betrachten erneut die bereits in Beispiel 10.8 mit p > 2 untersuchte Situation mit
∂u
∂xi
A0 (x, u, ∇u) := g(u)
p−2
Ai (x, u, ∇u) :=
∂u
,
∂xi
i = 1, ..., N
mit
|g(u)| 6 α|u|p−1 + β, ∀u ∈ R, α, β > 0.
g(u)u > 0, ∀u ∈ R;
Der Operator A2 zu
Z X
N
∂u
a2 (u, v) :=
Ω i=1 ∂xi
p−2
∂u ∂v
dx
∂xi ∂xi
ist nach Beispiel 10.7 monoton, stetig und koerzitiv. Andererseits ist der Operator A1 zu
Z
a1 (u, v) :=
g(u)v dx
Ω
nach Lemma 11.6 verstärkt stetig. Die Koerzitivität von a(·, ·) folgt aus der von a2 (·, ·)
wegen
a(v, v) = a2 (v, v) + a1 (v, v) > a2 (v, v).
Damit ist der Satz über pseudomonotone Operatoren anwendbar.
Andererseits kann man nun die Beschränkungen an den Term niederer Ordnung erheblich
abschwächen zu
1
1
1
g(u)u > 0, ∀u ∈ R;
|g(u)| 6 α|u|r/q + β, ∀u ∈ R, α, β > 0, −
< (< 1).
p N
r
Letzteres bedeutet für Raumdimension N 6 2, daß die Zahl r beliebig groß sein kann. Nach
dem Lemma 11.5 ist die Einbettung X := W01,p (Ω) ⊂ Lr (Ω) vollstetig, damit verstärkt
stetig. Wie im Beweis von Satz 10.4 kann man nun zeigen, daß
a1 (u, v) = hA1 (u), vi,
∀u ∈ Lr (Ω), ∀v ∈ X = W01,p (Ω)
sowie daß die Abbildung A1 : Lr (Ω) → X∗ stetig ist (Übung !). Damit ist auch die Abbildung A1 : X → Lr (Ω) → X∗ verstärkt stetig. Daher kann die Wachstumbedingung an
g(·) wie angegeben abgeschwächt werden.
Beispiel 11.8. (Inkompressibles Navier–Stokes Problem)
Als Beispiel für ein sogenanntes gemischtes Problemen betrachten wir das sogenannte inkompressible Navier–Stokes Problem im stationären Fall. Gesucht werden das Geschwindigkeitsfeld u = (u1 , ..., uN )∗ und der Druck p aus dem folgenden Gleichungssystem
−ν
N
X
∂2 ui
∂x2j
j=1
+
N
X
j=1
uj
∂p
∂ui
+
=
∂xj
∂xj
div u ≡
N
X
∂ui
i=1
∂xi
fi ;
= 0;
i = 1, ..., N,
x∈Ω
x∈Ω
(NS)
85
11.3. ANWENDUNG AUF ELLIPTISCHE RANDWERTPROBLEME
im Strömungsgebiet Ω ⊂ RN . Die ersten N Gleichungen werden als Geschwindigkeitsgleichungen bezeichnet, die letzte Gleichung ist die Kontinuitätsgleichung bzw. Inkompressibilitätsbedingung. Sie stellt eine Nebenbedingung dar. Vereinfachend stellen wir auf dem
Rand ∂Ω homogene Dirichlet–Randbedingungen ui = 0, i = 1, ..., N (Haftbedingung).
Wir leiten zunächst formal eine Variationsformulierung ab. Dazu werden die Geschwindigkeitsgleichungen jeweils mit einer beliebigen Testfunktion vi ∈ C∞
0 (Ω) multipliziert
und über Ω integriert. Dann integriert man die Terme mit den höchsten Ableitungen der
∂p
gesuchten Größen, also mit ∆ui bzw. ∂x
, partiell und berücksichtigt die Randbedingung
i
für die Testfunktionen. Dies führt unter Vewendung des äußeren Normaleneinheitsvektors
n = (n1 , ..., nN ) auf ∂Ω und der Randbedingungen an vi zu
Z X
Z X
Z X
N
N
N
∂ui
∂ui ∂vi
∂ui ∂vi
dx −
nj vi dx =
dx
−
∆ui vi dx =
∂Ω j=1 ∂xj
Ω j=1 ∂xj ∂xj
Ω
Ω j=1 ∂xj ∂xj
Z
bzw.
Z
Ω
∂p
vi dx = −
∂xi
Z
∂vi
p
dx +
Ω ∂xi
Bei Summation über i = 1, ..., N folgt
ν
N Z
X
i,j=1 Ω
∂ui ∂vi
dx +
∂xj ∂xj
Z
∂Ω
Z X
N
Ω
pni vi ds = −
∂ui
uj
vi dx −
∂xj
j=1
Z
p
Ω
N
X
∂vi
∂xi
| {z }
Z
p
Ω
∂vi
dx.
∂xi
dx =
N Z
X
i=1
i=1
=div v
fi vi dx.
Ω
1,2
Wegen der Dichtheit von C∞
0 (Ω) im Hilbert–Raum W0 (Ω) gehen wir unter Berücksichtigung
der Nebenbedingung (im Distributionssinn) über zum Raum
X := {v = (v1 , ..., vN )∗ ∈ W01,2 (Ω)N : div v = 0 }.
Mit dem unten definierten Skalarprodukt ist X als abgeschlossener Unterraum von W01,2 (Ω)N
ebenfalls Hilbert–Raum. Somit gelangt zu dem folgenden Variationsproblem
Finde u = (u1 , ..., uN )∗ ∈ X : a(u, v) := a2 (u, v) + a1 (u, v) = b(v) ∀v ∈ X
mit
a2 (u, v) := ν
N Z
X
i,j=1 Ω
∂ui ∂vi
dx;
∂xj ∂xj
b(v) :=
Z X
N
fi vi dx
(11.7)
(11.8)
Ω i=1
und dem nichtlinearen Term
a1 (u, v) := c(u, u, v);
c(u, v, w) :=
N Z
X
i,j=1 Ω
uj
∂vi
wi dx.
∂xj
(11.9)
Man beachte, daß aufgrund der in den Raum X eingearbeiteten Nebenbedingung der
Druck p in der Variationsformulierung nicht mehr explizit auftritt.
86
KAPITEL 11. PSEUDOMONOTONE OPERATOREN
Als Skalarprodukt bzw. Norm auf X verwendet man (·, ·) := a2 (·, ·) bzw. k·kX := a2 (·, ·)1/2.
Der zu a2 (·, ·) gehörende Operator A2 : X → X∗ mit
hA2 (u), vi = a2 (u, v) ∀u, v ∈ X
(11.10)
ist dann offenbar stark monoton, damit monoton und koerzitiv.
Zur Untersuchung des zu a1 (·, ·) gehörenden Operators A1 schätzen wir unter Beachtung
der vollstetigen Einbettung W01,2 (Ω) ⊂ L4 (Ω) und der verallgemeinerten Hölderschen
Ungleichung ab
Z
∂vi
∂vi
uj
kwi kL4 (Ω)
wi dx 6 kuj kL4 (Ω)
∂xj
∂xj L2 (Ω)
Ω
6 Ckuj kW 1,2 (Ω) kvi kW 1,2 (Ω) kvi kW 1,2 (Ω)
0
0
0
und damit
|c(u, v, w)| 6 CkukL4 (Ω)N kvkX kwkL4 (Ω)N 6 CkukX kvkX kwkX .
(11.11)
Wegen der daraus folgenden Stetigkeit von a1 (u, ·) existiert eindeutig ein Operator A1 :
X → X∗ mit
hA1 (u), vi = a1 (u, v) = c(u, u, v) ∀u, v ∈ X.
(11.12)
Partielle Integration ergibt nun
c(u, v, v) =
N Z
X
uj
i,j=1 Ω
= −
N Z
X
i,j=1
= −
∂vi
vi dx
∂xj
∂
vi
(uj vi ) dx +
∂xj
Ω
N Z
X
i,j=1
∂vi
vi dx −
uj
∂xj
Ω
Z
Ω
Z
N
X
uj nj v2i ds
∂Ω i,j=1
|
{z
!
=0
N
X
i=1
v2i
= 0,
}
N
X
∂uj
!
∂xj
}
| i=1{z
dx
=div u=0
(11.13)
d.h. speziell
a1 (u, u) = c(u, u, u) = 0 ∀u ∈ X.
Damit folgt aus a(u, u) = a2 (u, u) + a1 (u, u) = a2 (u, u) die Koerzitivität von a(·, ·).
Zur Untersuchung der verstärkten Stetigkeit von A1 sei {un } eine schwach konvergente
Folge in X mit un ⇀ u. Wegen der vollstetigen Einbettung X ⊂ L4 (Ω)N gilt sogar un → u
in L4 (Ω)N . Zu zeigen ist die Aussage
kA1 (un ) − A1 (u)kX∗ = sup |hA1 (un ) − A1 (u), vi| → 0,
kvkX =1
n → ∞.
(11.14)
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11.3. ANWENDUNG AUF ELLIPTISCHE RANDWERTPROBLEME
Es sei angenommen, daß (11.14) falsch ist. Dann findet man eine Zahl ǫ0 > 0 und eine
Folge {vn } mit kvn kX 6 1 in X so, daß
|hA1 (un ) − A1 (u), vn i| > ǫ0
∀n ∈ N.
Wegen der Reflexivität von X und der vollstetigen Einbettung X ⊂ L4 (Ω)N gibt es eine
Teilfolge vn ′ ⇀ v in X mit
vn ′ → v in L4 (Ω)N ,
sup kvn ′ kX < ∞.
n′
Nullergänzung und mehrfache Anwendung von (11.11) ergeben
|hA1 (un ) − A1 (u), vn ′ |i =
4
X
Si
j=1
:= | c(un ′ − u, un ′ , vn ′ ) + c(u, un ′ , vn ′ − v) + c(u, un ′ − u, v) + c(u, u, v − vn ′ ) |
|
{z
} |
{z
} |
{z
} |
{z
}
=:S1
=:S2
=:S3
=:S4
6 C kun ′ − ukL4 (Ω)N kun ′ kX kvn ′ kX + kukL4 (Ω)N kun ′ kX kvn ′ − vkL4 (Ω)N
+|c(u, un ′ − u, v)| + kukXkukX kv − vn ′ kL4 (Ω)N
Die Terme Si streben mit Ausnahme von S3 für n → ∞ aufgrund der getroffenen Annahmen gegen Null.
Für den kritischen Term S3 argumentiert man wie folgt: Der Term d(v) := b(u, v, w)
gehört wegen (11.11) für feste u, w ∈ X zu X∗ . Daher ist auch
S3 = c(u, un ′ − u, v) = hd, un ′ − ui → 0,
Insgesamt ist also in (11.14)
|hA1 (un ′ ) − A1 (u), vn ′ i| → 0,
n ′ → ∞.
n→∞
im Widerspruch zur Annahme. Damit ist die Annahme falsch, also A1 verstärkt stetig.
Damit ist der Operator A := A2 + A1 beschränkt und koerzitiv. A2 ist (pseudo)monoton,
A1 ist verstärkt stetig. Nach Lemma 11.3, (ii) ist A pseudomonoton. Damit schließt man
auf die Existenz mindestens einer verallgemeinerten Lösung u ∈ X von (11.7).
Auf die Existenz des (verallgemeinerten) Drucks p und damit der (verallgemeinerten)
Lösbarkeit des inkompressiblen Navier–Stokes Problems können wir hier aus Zeitgründe
nicht eingehen. Hierzu sei auf die Spezialliteratur, z.B. [4] verwiesen.
Bemerkung 11.9. Die Beispiele 11.7 und 11.8 zeigen, daß die Wachstumsbedingungen
an die Terme niederer Ordnung durch Nachweis der verstärkten Stetigkeit des entsprechenden Operators niederer Ordnung (z.B. über Einbettungssatz von Sobolev) gegenüber
dem Hauptsatz über monotone Operatoren (vgl. Kap. 10) deutlich abgeschwächt werden
können. In Beispiel 11.8 ist etwa
N
X
j=1
uj
∂ui
6 C |u|2 + |∇ui |2 .
∂xj
88
KAPITEL 11. PSEUDOMONOTONE OPERATOREN
Nach Satz 10.4 war aber bei X ⊂ W 1,2 (Ω)N nur lineares Wachstum erlaubt.
Bemerkung 11.10. Der Hauptsatz über pseudomonotone Operatoren deckt im speziellen Fall linearer elliptischer Randwertprobleme 2. Ordnung noch nicht die Aussage der
Fredholm–Alternative ab (vgl. Abschn. 11.1). Hierzu kann man die Theorie nichtlineare
Fredholm–Operatoren benutzen, vgl. [10].
11.3. ANWENDUNG AUF ELLIPTISCHE RANDWERTPROBLEME
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