In den letzten Jahrzehnten haben neue Technologien und moderne Verfahren – insbesondere der Lebenswissenschaften – den Menschen in die Lage versetzt, seine biologische Evolution zu beschleunigen, die physische und kognitive „Ausstattung“ zu verändern und zu „optimieren“ sowie an die Herausforderungen anzupassen, die das Leben in komplexen, hoch technisierten Gesellschaften mit sich bringt. Der rasante Fortschritt in den Lebenswissenschaften, der unter an- derem auf der Entschlüsselung der menschlichen DNA durch das Human Genome Project beruht, weckt sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen. Dass der Mensch in bisher ungeahntem Ausmaß in seine eigene Evolution eingreift, scheint keineswegs mehr bloße Utopie angesichts der Versuche, organisches Leben zu planen, zu gestalten und im Labor zu züchten. In welche Szenarien diese Entwicklung in der Zukunft münden wird, zum Beispiel in eine Biologie 2.0, lässt sich heute nur schwer erahnen. Jedoch zeigen die aktuellen Auseinandersetzungen mit dieser Thematik, vor welchen Herausforderungen wir bereits heute stehen. Dabei drängt sich die Frage nach den Konsequenzen des menschlichen Eingriffs in die Evolution und den damit verbundenen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unser Menschenbild auf.

Samuel Thoma will dem vielfach beklagten Theoriemangel der Sozial- psychiatrie entgegenwirken. Hierfür entwirft er einen phänomenologisch-anthropologischen Grundriss und beleuchtet das Zusammenspiel von Common Sense, Verrücktheit und sozialem Raum. Die Phänomenologie stellt die subjektive Welterfahrung ins Zentrum der Analyse. Die phänomenologische Psychiatrie untersucht die »Verrückung« dieser Welt. Der Sozialpsychiatrie wiederum geht es um ein subjektorientiertes, soziales Verständnis dieser »Verrückung« sowie um ihre sozial orientierte Therapie. Samuel Thoma verknüpft diese Denktraditionen und schafft damit einen theoretischen Raum, Sozialpsychiatrie neu zu denken. Mehr noch: er wendet die philosophischen Erkenntnisse an auf praktische Behandlungsansätze wie Hometreatment oder Psychoseseminare. Der anthropologische Blick auf Verrücktheitserfahrungen, auf Sinn und Regeln in sozial geteilten Räumen begründet die praktische Gestaltung der Hilfen für psychisch erkrankte Menschen.

60. Jahrestagung der DGKN (Deutsche Gesellschaft für klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung), 17.03.2016. Poster.