V.IRAT
Veröffentlichungen
der Ideagora für Religionsgeschichte,
Altertumswissenschaften & Theologie
herausgegeben / bereitgestellt
von Florian Lippke
SLM
Press
ﺳﻼم
שלום
Jerusalem
TOBIASlib
Tübingen
2014
Impressum:
Florian Lippke
Liebermeisterstraße 12
D-72076 Tübingen
Germany
V.IRAT
III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
MAX KÜCHLER
Frühjüdische
Weisheitstraditionen
Zum Fortgang
weisheitlichen Denkens
im Bereich des frühjüdischen
Jahweglaubens
(seitenidentisch mit der Erstausgabe)
digitalisiert und optisch nachbearbeitet von Florian Lippke
Zum Autor:
Max Küchler (1944) studierte Theologie in Passau/D und Freiburg/CH,
wo er 1972 mit dem Lizentiat biblischer Ausrichtung abschloss. Nach
dem biblischen Bakkalaureat in Rom setzte er seine Studien mit den
'Schwerpunkten Biblische Landeskunde und Frühjüdische Literatur an
der Ecole Biblique et Archeologique Fran~aise in Jerusalem fort. Seitdem ist er wissenschaftlicher Assistent am Biblischen Institut t.ind
wissenschaftlicher Mitarbeiter des Propädeutikums der Theologischen
Fakultät der Universität Freiburg/CH. Mit der vorliegenden Arbeit
promovierte er am 29~ Januar 1979 in Freiburg/CH. Von Max Küchler
(z.usammen mit Othmar Keel) ist 1971 «Synoptische Texte aus der
Genesis» I + II (2. Aufl. 1975) erschienen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
MEINER FRAU
BERNADETTE KÜCHLER-SCHWARZEN
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
11
Das Problem und die Aufgaben .••..•....•...•..
Einleitung
I.
WEISHEITSREFLEXION UND WEISHEITSMATERIALIEN
IN DEN FRUEHJUEDISCHEN BEKENNTNISGRUPPEN
1. DIE TORA-WEISHEIT
13
31
33
1.1 Von der hi1h als Weisung zur 'Weisheit' als Tara....
33
1.2 Die Folgen der Identifizierung von 'Weisheit'
und Gesetz. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • . • • •
40
1.3 Texte und Materialien zur Tara-Weisheit und
Weisheitsspekulation in Palästina und der
Diaspora............................................
46
A.
'Weisheit' als Personifikation, mythische Gestalt
oder Hypostase •...•.• ,............................
a)
b)
c)
d)
e)
Zwei Paralleltexte aus dem Umkreis
Israels (TEXTE 1-2)...........................
Die 'Weisheit' vor und bei der Erschaffung
der Welt (TEXTE 3-5)..........................
Die kostbare, nur von Gott findbare 'Weisheit'
als Gabe an die Menschen, bzw. an Israel
(TEXTE 3-5) • . . . . • . . • • • • • . . • • . . • • • . • . • • . • • . . • . .
Werberufe und Busspredigten von "Frau
Weisheit".. • . . . • • • • • • • • • . . . • • • . • • . • • • • • • • • . • . .
'Weisheit' als geschichtswirkende Kraft.......
46
46
47
48
51
52
B. Die 'Weisheit' als Gesetz........................
52
a) Biblische Grundtexte (TEXTE 9-14).............
52
(1)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
2
b) Die klassischen Identifikationstexte
(TEXTE 11-14).................................
53
C. Die Tara im Gewande der 'Weisheit' in der
rabbinischen Literatur...........................
54
a)
b)
c)
d)
e)
Präexistenz und Sein bei Gott (TEXTE 15-16)...
Schöpfungsmittlerschaft (TEXT 17) ... ..... ... ..
"Tochter Gottes" (TEXT 17a)...................
Universales Angebot und exklusiver Besitz.....
Synonymer Gebrauch von hlln und hDjn ........
55
55
56
56
57
D. Alexandrinische Weisheitstraditionen.............
57
a) Aristobulos (TEXT 18) • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Aus den alexandrinischen Weisheitsschriften (TEXTE 19-20) ..•........•.........••
c) Philo.........................................
57
2. DIE WEISHEIT DER APOKALYPTIKER
58
60
62
2.1 Geschichtliche Situierung der apokalyptischen
Bewegung. • . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
2.2 Grundzüge der apokalyptischen Weisheitslehre .......•
65
2.3 Texte und Materialien zur apokalyptischen Weisheit................................................
72
A. Herroch - der wahre Vermittler apokalyptischer Weisheit und Wissenschaft ......•......•....
72
a)
"Der Schreiber aller Wunder der Weisheit"
(äthHen 92,1) (TEXTE 21-23)...................
b) Der Ursprung der widergöttlichen Weisheit
(TEXTE 24-25).................................
72
74
B. Die'Weisheit' als Person, mythische Gestalt
oder Hypostase und als eschatologische Gabe......
76
a) Bei der Schöpfung (TEXTE 26-29) .. .......•..•..
b) In der jetzigen Unheilszeit (TEXTE 30-31) ••...
c) In der Endzeit (TEXTE 32-36) .••.... .....•.•...
76
77
78
'Weisheit' als Gesetz (TEXTE 37-40)................
80
D. Weisheitliehe Paränesen und Lehrtexte
(TEXTE 41-46) . . . • . • . . • • . . . . • . • • . . • • . . . • . • • • • . . . . .
81
E. Weisheitliehe Lehrerzählungen (Texte 47-50) ......
85
c.
3. WEISHEIT IN QUMRAN
3.1 "Weisheitliche" Sprache und Lebensweise in
der heiligen Gemeinschaft...........................
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
88
89
3
3.2 Das apokalyptische Geheimnis und dessen Vermittlung.
92
3.3 Weisheitliehe Formen und Inhalte ..•••.....•.........
96
3.4 Texte und Materialien zur Weisheit in Qumran •..•.••.
98
A. Der "Lehrer der Gerechtigkeit" als wahrer Vermittler der "wunderbaren Geheimnisse" (lQH 2,13)
für die "Erwählten Gottes" (lQS 11,7) (TEXTE
51-56)...........................................
98
B. 'Weisheit' und Schöpfung in hymnischen
Texten (TEXTE 57-60) • • • • • • • • • • • • • . • • • • • . . • • . • • • • • 100
C. Personifizierte 'Weisheit' und 'Torheit'
(TEXTE 61-64)....................................
102
D. Andere Weisheitsschriften belehrender Art
(TEXTE 65-66)....................................
106,
E. Astronomisch-astrologische Fragmente. MagischMantisches. • . . . . . . • . . • . . . . • . • . • . . • . . . . . . . . • . • . . • . 108
Zusammenfassender Ueberblick. • . . • . • . • . . . . . • • . . . • . . . . . . . . . . • 110
II,
DIE GROSSEN WEISEN ISRAELS NACH DEN FRUEHJUEDISCHEN
EXEGETEN, HISTORIKERN, ROMANCIERS UND POETEN
1. ISRAEL - DIE MUTTER ALLER WEISHEIT
115
117
1.1 Demetrios : Der Beginn des jüdisch-hellenisti.schen Midraschs. . • . . . • . • . . • • • • . • . • • . • . . • . . . . . . • • • . • . 117
1.2 Pseudo-Eupolemos (Samaritanus) : Abraham als
Ersterfinder der "chaldäischen Kunst" ..•...•..•...•. 119
1.3 Eupolemos (Iudaeus) : Mose als "erster Weiser" .....• 121
1.4 Artapanos : Abraham, Josef und Mose als Initatoren der zivilisatorischen Entwicklung ...•..•••.•..•. 123
1.5 Aristobulos :Die Griechen als Schüler des Mose .•••. 125
2. SALOMO - DER PROTOTYP DER FRUEHJUEDISCHEN
WEISEN-BIOGRAPHIEN
128
2.1 Salomonische Weisheit als grösstmögliches
Wissen schwerster Wissensgebiete (von lKÖn
bis Sir) • • • • • . . • . • . . . • . • • • • • • . • . • . . . . • . • • . • • • . . . . . . . 128
2.2 Die Ausweitung bis in die Magie (von Weish
bis Josephus) •••......•...••...•..•........•.•...•.• · 13 2
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
4
2.3 Die Zentrierung auf das Gesetz (von EpAr bis
Josephus) •.•.•....•....••••.•.•..•...••••.••••.•.••. 136
140
3. DIE WEISEN ISRAELS IM MUSISCHEN KAMPF
3 .1 Rätselwettkämpfe. . . . . . . . . . • . • . • • . . ... • . . • . • . . . • . . • . • .
3.1.1 Simsen und die Philister ..•.....•...•.....••••
3.1.2 Salomo, die Königin von Saba und Eiromos
von Tyros. . • . . • . . • . . • . . . . . . . . . . . . . • • • . • . . . . • . .
3.1.3 Die Schulkinder von Jerusalem und der
Athener. . • • . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . • . . . • . . .
3.1.4 Jehoschuac ben Chananja und die Weisen
des Athenäums// Achikar und der Pharao .•.•.••
14 4
144
14 5
148
149
3. 2 Sympotische Wettspiele .......•.••..••.•.••.•..••...• 150
3.2.1 Die Leibpagen des Darius ..........•.•..•••.•.. 151
3.2.2 Die Jerusalemer Gelehrten bei Ptolemaios II
Philadelphos .••.•••••••..•.• ·• . . . . . . . . • • • . . . • . . 152
Zusammenfassender Ueberblick...............................
154
II I
157
I
LOGO I SOPHON IN FRUEHJUED I SCHER ZEIT
l. FRAGEN ZU FORM UND GATTUNG
157
l. l Das Weisheitslogion. . • • • . . . . • . . . . . . • . . • . . • • • • • • . . • . .
l. l. l Spruch. . . • • • • • • • • • . • • . . • • • • • . . • . • • • • • • • . • • • • • .
1.1. 2 Mahnwort •••••.•••.••.•••.• ~·. . • • . • . . • • • • . • • • • . •
1.1.3 Rätsel •.•...•. · .•..•..••..••.•.•.•..••••••.•••.
15 7
15 9
163
164
1.2 Die Gattung der AOYO~ ao~&v und ihr Fortbestehen in
frühjÜdischer Zeit. • . • • . • • • • . . . • . • • . . • . • • • . . . . • . • . . •
16 7
2. DIE TRAKTATE ABOT UND ABOT DE RABBI NATAN A.B
176
2.1 Kollektion l : Die Tradentenkette Ab l,l-15 Par
AbRN A l-13, B l-27.................................
180
2.2 Kollektion I/1 : Die Hillelsprüche Ab 2,4b-7 Par
AbRN A 12,26-28, B 27.31.33 ........•..••..••.••••.•.•
186
2.3 Kollektion I I : R. Jochanan b.'Zakkai und seine
SchÜler in Ab 2,8-14 Par AbRN A 14-17, B 2830.31 (Beginn)......................................
189
2.4 Weitere Logienkollektion aus den Abot-Traktaten ••...
193
~.
196
Zusammenfassende Ueberleitung ••...•.••...••.•.•..•••..
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
5
3. WEITERE LOGIENKOLLEKTIONEN IM RABBINISCHEN
SCHRIFTTUM
199
4. JUEDISCH-HELLENISTISCHE PRA~ZEPTE IN DEN GESETZESAPOLOGIEN DES PHILO UND JOSEPHUS
207
4.1 Die Gesetzesepitome bei JOSEPHUS, Ap 2,190-219 ••••••
210
4.2 Die Gesetzesepitome bei PHILO, Hyp 7,1-9 ••••••••••.•
222
5. DIE "GNOMEN DES PHOKYLIDES" IM RAHMEN DER
GRIECHISCHEN GNOMOLOGIEN
5.1 Griechische Anthologien und Gnomologien •••••••••••••
5.1.1 Die "Anthologia Graeca" und die gefälschten
jÜdischen Klassikerverse •.••••••.••.•••••••.•
5.1.2 Zur griechischen "Gnomik" : Einige griechische Gnomologien..............................
a) Praecepta Delphica, Worte der 7 Weisen,
ungeschriebene Gesetze, buzygische Verwünschungen. • • • • . • • • • • • • • • • • • • • • • . • • • . • • • • •
b) Die Hypotheken des Chiron.. • • • • • • • • • • • • • • • •
c) Die Gnomen des Axiopistos ••••.•••.••••.•.••
d) Die Gnomen des Chare·s............... • • • • • • •
e) Pseudo-Isokrates, Ad Demonicum 13-43 •••••••
f) Die Gnomen des Demokritos ••••••••••••••••••
g) Die Chrien des Kleitarchos •••••••••••••••.•
h) Die Goldenen Worte des Pythagoras (u.Parr).
i) Die Massgebendsten Ansichten des Epikur
(u.Parr)...................................
k) VitAes 109f ••••••••••••••••••••••••••••••••.
1) Die monostichischen Gnomen des Menandros
(u.Parr)...................................
m) Ein Gnomologium Epicteteum (u.Parr) ••••••••
n) Die Gnomen des Sextus ••••••••••••••••••••••
5.1.3 Zu Form, Zielsetzung und Einbettung der '
griechischen Logiensammlungen ••••••••.••••••••
5.2 Die pseudo-phokylideische Sentenzensammlung •••••••••
5.2.1 PseuPhok als einheitliche Sammlung von
Logoi· Sophon. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • . • • • • • • • • •
a) Rahmung ••••••••••••••• ·• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
b) Sprache~ ••• ·••••••••••••••••••••••••• • • • • . • •
c) Verteilung der Logi.enformen................
d) Komposition ••••••••••••••••••••••••••••••••
5.2.2 Die Präsenz biblisch-frühjüdischer Weisheits tr adi tionen ••••••••••••••• · •• · • • · • · • • · • • • •
a) Abhängigkeit des PseuPhok von der LXX •.••••
b) Abhängigkeit des PseuPhok von der mit
. JOSEPHUS, Ap 2,190-219, und PHILO, Hyp
7,1-9, gemeinsamen Quelle des "Apologeticums ......................................
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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261
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272
27 4
280
281
6
c) Präsenz typisch jüdischer Anliegen •....•.•. 283
d) Anspielungen auf frühjÜdische "Dogmen"? ... 284
5.2.3 Das Verhältnis von jüdisch-hellenistischen
und griechischen Elementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
a) Die Themen (in Stichworten) . . . . . . . . . . . • . . . . 288
b) Die Adressaten............................. 290
c) Das Arbeitsethos von PseuPhok 153-174
als Testfall ..•..........•...•............. 292
d) Die Dominanz popularethisch~Begründungen .. 298
5.2.4 Pseudo-Phokylides ~ Ein Lehrbuch - und eine
"Lehre" ......••.............•.........•••.•... 301
6. DIE "WORTE DES WEISEN MENANDER"
303
6.1 Themen und Adressaten...............................
305
6. 2 Formen und Gattung..................................
306
6.3 Traditionsgeschichtliche Ortung ..................•.. 309
6.3.1 Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
6.3.2 Die Präsenz biblisch-frühjüdischer
Weisheitstraditionen ......•................•.. 312
IV,
6.4 Pseudo-Menander : Der Abschluss der jüdischalexandrinischen Weisheitsbewegung ....•..•...•.•....
316
FRUEHJUEDISCHE WEISHEIT IN DEN ACHIKAR-TRADITIONEN?
319
0. ZUR UEBERSICHT.........................................
319
1. DIE JUEDISCH-ARAMAEISCHEN PAPYRI VON ELEPHANTINE
AUS DEM 5. JHD.V. (=aramAch) •.......•..•....•...•.......
325
2. DEMOTISCHE FRAGMENTE AUS ROEMISCHER ZEIT (=demAch) .•••..
333
3. DIE ORIENTALISCHE EPISODE IM GRIECHISCHEN AESOPROMAN
AUS DEM 1. JHD.N. (=aesAch) GRIECHISCHE ACHIKAR-NOTIZEN ..•......•.........•....••..•
338
4. DIE ORIENTALISCHEN VERSIONEN (=orVers) MIT DEM SYRER
ALS HAUPTZEUGEN (=syrAch) AUS CHRISTLICHER ZEIT ••••••.••
348
ANHANG: Das Mosaik des Monnus in Trier (3.Jhd.n.) ..•...
352
5. ARAMACH IN SEINEM VERHAELTNIS ZU SYR ACH UND
DEN qR VERS... • • • • • . . • • . • . . . • . . • . . • . . • • . • . . • • • • • . . . . • • • .
358
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
7
6. ACH! KAR IM TOBlASBUCH. . • • . • • . . • . . • . • . • . . . • . . • • . . . . . . . . . .
364
7. DIE BIBLISCHE UND FRUEHJUEDISCHE WEISHEITSLITERATUR
IN IHREM VERHAELTNIS ZU ARAMACH UND DEN OR VERS .•..•...
380
8. ACHIKAR UND DIE NEUTESTAMENTLICHEN SCHRIFTEN •...•.......
386
8.1 Präsenz des aramAch im ntl. Schrifttum? •.•.•.•••...
387
8.2 Beziehungen zwischen dem ntl. Schrifttum und
den orVers ? .........•.••....•...•.•..••.••.••.•....
391
9. ACHIKAR IM RABBINISCHEN SCHRIFTTUM .•...•....•......•..••
403
10. ZUSAMMENFASSUNG.........................................
411
V,
WEISHEITLICHE PARAENESEN UND LEHREN
IN DEN TESTAMENTEN DER ZWOELF PATRIARCHEN
415
1. DAS LITERARISCHE TESTAMENT ALS SPEZIFISCH FRUEHJUEDISCHE
GATTUNG PARAENETISCHER TENDENZ
415
1.1 Das literarische Testament in der griechischen
und römischen Literatur.. • . • . • . • . • • . . • . • • • . • . . • . . . . .
415
1.2 Die frÜhjüdische und christliche Testamentenliteratur.................................................
419
1. 3 Die Gattung "Testament".............................
425
2. FRUEHJUEDISCHE WEISHEITSTRADITIONEN IN DEN TESTAMENTEN
DER ZWOELF PATRIARCHEN (Test XIIPatr)
2.1 Die Test XIIPatr und ihre Probleme ••••••••••.••.•..•
2.1.1 Der Stand der Forschung ....•....••.•..•••..•••
2 .1. 2 Die Analyse von J. BECKER. • . . . • • • • • . . . • . . • . • • .
a) Zur Entstehungsgeschichte und
Schichtentrennung ••.••...•.••.•••.•.•.•.•.•
b) zur Charakterisierung der Grundschrift ..•••
c) Zur Charakterisierung der weisheitliehen
Einschübe..................................
d) Zur Charakterisierung der apokalyptischen Einschübe •••••.•.•..•.•. ·• • • • • • • . . • . . •
e) Zur Frage nach Entstehungsort und -zeit ••..
2.2 Fragmente weisheitlicher Lehrvorträge I :
Lasterparänesen.....................................
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
431
431
431
434
434
437
438
4 38
439
442
8
2.2.1 TRub 4,6-6,4 : Unzucht bringt VerderbenFrauen bringen Unzucht •....•.....••••••••..•.. 442
2.2.2 TSim 3,1-3.5-6 : Besessenheit und Befreiung
von Neid...................................... 447
2.2.3 TJud 14,1-4.7-8; 16,1-3 : Vom Weintrinken. . • • • • . . . • . • • . . • • • . . • . . • • . • • . . • . . . . . • • • 451
2.2.4 TJud 18,3-5 : Die bösen Wirkungen der
Geldgier ••••.•............••.•• ; • • • • • • • • . . • . • . 458
2.2.5 TDan 2,1-5,1 : Das doppelköpfige Uebel
von Zorn und Lüge. • . • . • . . . . . • . • • . . • • . • • • • . • • . • 4 61
2.2.6 TGad 3,1-5,5 : Vom schlechten und todbringenden Hass •....••.....••..•.•.•••.•••.... 469
2.3 Fragmente weisheitlicher Lehrvorträge II :
Tugendparänesen. • • • . . • • . • . . . . . . . . • . . . • . . . . • . . . • . • • . • 4 7 8
2.3.1 TBen 3,1; 4,1-5,3; 6,1-6; 8,2-3: Vom gu- ·
ten Menschen. • . • . • . . . . • • • • • • • • . • . • • • . . • • • . . . . . 4 7 9
2.3.2 Tiss 4,2-6a: Vom einfachen Menschen .•••.•.... 487
2.4 Ein weisheitliches Mahngedicht in zwei Versionen :
grTLev 13,1-9a Par arTLev 84-89.91-95 .•....•...•.•••
2.5 Lehrtexte Über die Ordnungen in der Welt der Natur
und des Menschen in TNaf und TAsch •.•.•.•.••• ; .•..•.
2.5.1 TNaf 2,2-7 (=Frgt 1) : Die göttliche Macht
durchdachten Gestaltens ••.••••.••••..•••••••..
2.5.2 TNaf 2,8-9; 3,2-5 (=Frgt 2) : Die göttliche
-r6.ELG und die menschliche cha.!;Ca...............
2.5.3 TNaf 8,7-10 (=Frgt 4) : Die doppelte -r~EtG
der Gebote. . . . • • . . • • • . • • . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . .
2.5.4 TAsch 1,3-6,6 (ohne 5,4) : Die Doppelgestalt
des Weges, des Wesens und des Endes der
Menschen •..•..•..•.•...••.. ~. • . • . . • • . • • . • • • • . .
3. FRUEHJUEDISCHE WEISE IN DEN PARAENESEN UND LEHRTEXTEN
DER TEST XIIPATR
3.1 Die Paränesen und Lehrtexte der Test XIIPatr, ein
Zeugnis frühjüdischer Laienfrömmigkeit ••••••..•.....
491
499
504
507
513
515
526
526
3.2 Der klassische und der radikale Weise in TLev 13 ··· 535
VI.
3. 3 Ein subtiler Denker in TAsch........................
536
3.4 Die psychologisierenden und kosmologisierenden
Moralisten ••. 1• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
537
RUECKBLICK
1. RUECKBLICK
WEISE
UND
AUSBLICK
547
FRUEHJUEDISCHE WEISHEIT, FRUEHJUEDISCHE
547
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
9
1~1
Reflexion über Offenbaren und Erkennen anhand
der Weisheitsspekulation (Kap. I) •••••••••••••••••••
547
1.2 Weisheitliehe Interpretation des Volkes Israel
und seiner grossen Gestalten (Kap. II) • • • • • • • • • • • • • • 549
1. 3 Pflege der Logienweisheit (Kap. III und IV) ••••·•••••
550
1.4 Weisheitliehe Paränese und Lehre in der
Testamentenliteratur (Kap. V) • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 551
2. AUSBLICK : CHRISTLICHE WEISHEIT, JESUANISCHE WEISHEIT
2.1 Christliche Weisheit ••••••••••••••••••••••••••••••• -.
2 .1. 1 Weishei tliche Christologie. • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
a) Texte aus der Quelle Q und in deren
Interpretation durch Mt und Lk •••••••••••••
b) Sophia-Mythologie in alten Christushymnen ••
c) Jesus Christus als "Weisheit Gottes"
im paulinischen Schrifttum •••••••••••••••••
2.1.2 Christliche A.oyoL ao<P@v •••••••••••••••••••••••
2.1.3 Weisheitliehe Paränesen und Lehrtexte im
frühen Christentum ••••••••••••••••••••••••••••
2.2 Jesuanische Weisheit ••••••••••••••••••••••••••••••••
2.2.1 Jesus als frühjüdischer Weisheitslehrer •••••••
a) Die jesuanische Gruppe als Lehr- und
Lerngemeinschaft. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
b) Praesenz und Bedeutung der synoptischen
Weishei tslogien. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
2.2.2 Jesus- eine endgültige Weisheitsgestalt ? .•..
553
554
556
556
558
561
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574
57 4
57 6
583
Anhang : Die weisheitliehen Logien Jesu bei den
Synoptikern. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 58 7
VERZEICHNISSE
593
1. Literaturverzeichnis ••••••••• ; •••••••••••••••••••••••••• 593
1.1 Hauptsächliche Quellen und Uebersetzungen •••••••••••
1.1.1 Frühjüdisch...................................
1.1. 2 Rabbinisch •••••••••••••••••••••.••••••••••.•••• ·
1.1. 3 Christlich ••••••••••••••••••••••••••••••••••••
1. 1. 4 Griechisch/RÖmisch. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
1.1.5 Anderes •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
593
593
595
596
59 7
599
1. 2 Zitierte Literatur. • • • • • • • • •. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 600
2. Abkürzungsverz-eichnis. • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 67 3
3. Tabellenverzeichnis •••••••••••••••• •.................... 675
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REGISTER
676
1. Stellenregister (eine Auswahl) . • • . • . . . • . • • . . • . . • • . • . . . .
676
Biblia Hebraica (Stutt.)...........................
Septuaginta (Ralphs)...............................
Frühjüdisches Schrifttum (pal. und alexandr.) •..•..
Qumrantexte ....•...... ·.•.........•....••...••••....
Rabbinisches Schrifttum. . • . . . . . • . • • • . . . . . . • • . . . . • . .
Neues Testament....................................
Frühchristliches Schrifttum .•......•...•......••••.
Griechen und Römer (nicht-christlich) . • . . • . . • . . . . . .
Anderes..... . . . • . • • • • . • • .. . . . . . . . . • . • . . . • . • . . . . . . . . •
2. Namen- und Sachregister (eine Auswahl).................
676
679
680
688
6 90
692
693
695
696
69.7
1.1
1.2
1.3
1.4
1. 5
1.6
1.7
1. 8
1. 9
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VORWORT
Die vorliegende Studie ist die überarbeitete Fassung einer Untersuchung, die zu Beginn dieses Jahres von der Theologischen
Fakultät der Universität Freiburg (CH) als Doktoratsdissertation
angenommen wurde.
Auf das Thema gebracht wurde ich durch eine Vorlesung von Prof.
Dr. 0. Keel Über biblische Weisheitstexte, in welcher ausblickshaft auch die Frage nach dem Weitergang der Themen und Anliegen
der "alten Weisheit" in die frühjüdische und neutestamentliche
Zeit gestellt wurde. In einem Methodenseminar bei Prof. G. Schelbert untersuchte ich in der Folge BULTMANN's Umgang mit den synoptischen Weisheitslogien. Dies wiederum konnte als Vorarbeit
für die breiter angelegte theologische Lizentiatsarbeit mit dem
Titel
Die weisheitliehen Logien Jesu nach den Synoptikern (Um-
fang, Echtheit und Bedeutung), dienen.
Bei einer Diskussion des
Th~mas
mit den Teilnehmern des Freibur-
ger "Souper Biblique" wurde mir dann von Prof. J.-D. Barthelemy
das Frühjudentum für eine aufmerksamere Behandlung ans Herz gelegt. Dieser Vorschlag erwies sich als Anstiftung zu einem Unternehmen, das mich für die folgenden Jahre in Beschlag nahm
und das mich jetzt zu vielfachem Dank verpflichtet.
Während eines einjährigen Studienaufenthaltes an der Ecole Biblique et Archeologique
Fran~aise
in Jerusalem (1974/74), den mir
der Schweizerische Nationalfonds ermöglichte, konnte ich Literatur und Archäologie des Frühjudentums aus nächster Nähe kennen
lernen und nachher mit der mehrmaligen Unterstützung durch die
Administration des Bistums Basel, durch meine Eltern und Schwiegereltern ein Jahr lang vertiefen. Aber auch danach gab mir die
Arbeit als Assistent am Biblischen Institut der Universität Freiburg (CH) - dank einer dynamischen Anwendung des Zeitbegriffs
durch die Herren Professoren H.-J. Venetz und A. Schenker genügend Zeit für die persönliche Arbeit.
Obwohl nach gängiger Weisheit "guter Rat teuer ist", war ich immer wieder erstaunt, mit welcher Grosszügigkeit mich Fachleute
an ihren Forschungsergebnissen teilnehmen liessen. Es seien hier
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nur die besonderen Ueberraschungen erwähnt : Herr Dr. Karl-Th.
ZAUZICH (Berlin-Charlottenburg) stellte mir einen Vorabdruck
seiner demotischen Achikarfragmente zur Verfügung. Prof. Dr.
N. WALTER (Naumburg, DDR) verschaffte mir, neben anderen besten
Hinweisen zum Thema, die Verbindung zu Herrn Dr. P. VAN DER HORST
(Utrecht), der mir ein Manuskript seiner grossen Pseudo-Phokylides - Studie schenkte. Prof. J.-T. MILIK (Paris) gab mir Einsicht
in die zwei noch nicht publizierten Qumranfragmente 4QTobarama.d;
und PD Dr. D. ZELLER (Freiburg, BRD), den ich bewusst an der semantisch wichtigen Schlussposition erwähne, hat mir im freundlichen Gespräch und mit der Zustellung seiner für mich thematisch
wichtigen Arbeiten nicht nur Mut zur Weiterarbeit, sondern auch
zur Beschränkung auf die Literatur der frühjüdischen Zeit gemacht.
Ihnen und allen nicht genannten Helfern, besonders meinen Freunden in Freiburg (CH) und Jerusalem, sei hier mein herzlichster
Dank ausgesprochen.
Was die Drucklegung angeht habe ich gesondert zu danken für die
namhaften Zuschüsse des Hochschulrates der Universität Freiburg
und der Administration des Bistums Basel, wie auch für die diskrete Hilfe meiner Eltern und des Herausgebers des ORBIS BIBLICUS
ET ORIENTALIS, Prof. Dr. 0. Keel. Das schwierige Geschäft der
Herstellung des Manuskripts besorgte Frl. Bernadette Schacher
mit solcher Sorgfalt und Schnelligkeit, dass mir fast der Dank
wegblieb. Als besonders erwähnenswerte Unterstützung erachte ich
es, dass mir die Paulusdruckerei einen nächtlichen Arbeitsplatz
mit den notwendigen technischen Geräten für den Umbruch zur Verfügung stellte.
Gewidmet ist die Arbeit meiner Frau. Nicht weil sie sich durch
die Üblichen Sekretärinnendienste oder die bekannte Langmut gegen
den vom Thema besessenen Doktoranden in meine Schuld gebracht
hätte
vielmehr weil sie den Mut und die Zähigkeit besass,
unterdessen etwas Eigenes, ihr Germanistikstudium, durchzuführen
und im gleichen heurigen Frühling abzuschliessen.
Freiburg (CH) , FrÜhling 1979
Max
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KÜchler
EINLEITUNG
DAS PROBLEM UND DIE AUFGABEN
Mit dem Titel "Frühjüdische Weisheitstraditionen" sind jene literarischen Produkte im Bereich des Jahweglaubens gemeint, in
welchen während der Zeit des FrÜhjudentums Weise zu Worte kamen.
Jeder Ausdruck dieser Umschreibung des Titels hat seine eigenen
Probleme und bedarf einer kurzen Erläuterung :
"Zeit des FrÜhjudentums" :
Der Ausdruck umschreibt den historischen, durch politische Fakten geschaffenen Zeitraum.von ca. 200 v. bis 135 n.
Die Schlacht
bei Panion (198 v.) mit dem Wechsel von der ptolemäischen zur
seleukidischen Oberherrschaft Über das nachexilische Judentum
kann als dramatischer Auftakt mit epochemachendem Signalwert angesehen werden. Der Makkabäeraufstand (Beginn 167 v.) als Gegenreaktion gegen die seleukidischen Hellenisierungsbestrebungen
führte in der Folge zur Bildung des frühjüdischen Staatsgebildes.
Dessen Untergang im Jahre 70 n.
(1. röm. Krieg) und 135 n.
(2.
röm. Kriegr bildet den dramatischen politischen Schlusspunkt, der
eine Gesamtverschiebung der religiösen und literarischen Kräfte
mit sich brachte und das eigentliche klassische oder rabbinische
Judentum heraufführte.
"Literarische Produkte (dieser Zeit)"
Der Ausdruck bestimmt den kulturellen Ausschnitt, der innerhalb
der Gesamtkultur des Frühjudentums hier als Formalobjekt gewählt
ist.
Der Katalog der Schriften, die in Frage kommen, findet sich
(13)
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14
Einleitung
in den beiden Bibliographien von DELLING und besonders CHARLESWORTH (s. Anm. 1). Die vielfachen Verflechtungen dieses schwierigen Schrifttums, die mehrstufige Tradierung durch verschiedene
Religions- und Kulturbereiche und die damit verbundenen Uebersetzungen und RÜckübersetzungen bringen es mit sich, dass der
oben genannte historische Zeitraum des FrÜhjudentums gesprengt
ist. Die frühjüdische Literatur umfasst Schriften, die nachweislich in der heute vorliegenden Form in die Zeit zwischen 200 v.
und 135 n. fallen (bes. Qumrantexte, einige atl. Apokryphen und
Pseudepigraphen, die Historiker und Exegeten, Philo, Josephus)
u n d
solche, deren gesamter Entstehungsprozess diesen Zeitraum
nach rückwärts (bes. Achikar, voressenische Qumrantexte) oder
nach vorwärts (rabbinische Texte, christliche Ueberarbeitungen,
orientalische Sammlungen) Überschreiten.
"Bereich des Jahweglatibens"
Der Ausdruck umschreibt den religiös-weltanschaulichen Bereich
gegenüber anderen griechischen und orientalischen Religionsbewegungen. Diese weiträumige Formulierung wurde gewählt, um politisch-nationale und geographische Grenzziehungen zu vermeiden
und die gesamten Phänomene innerhalb der religiösen Bezugswelt
zu Jahwe einzubeziehen. Er umfasst also das palästinische Judentum samt allen Bekenntnisgruppen (doch s. Anm. 3) ebenso wie dasjenige der Diaspora und lässt sich auch auf die jesuanische und
urchristliche Bewegung anwenden.
"Weise" :
Dieser Ausdruck ist am problematischsten, ja er stellt ein Grundproblem der vorliegenden Arbeit dar, da sich an seiner näheren
Bestimmung die Auswahl der Texte entscheidet. Aus gleich anzugehenden Gründen kann der Ausdruck hier zu Beginn nicht eindeutig
definiert werden. Er
s t e 1 1 t
gerade das Problem und damit
die Aufgaben.
Zur Sprachregelung
Weisheit
Haltung (Geistesbeschäftigung), Bewegung, Literatur
'Weisheit'
Personifikation, Hypostase, "reflective wisdom"
"Weisheit"
Wort, Begriff
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Einlei·tung
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In der intensiven Erforschung der frühjüdischen und urchristlichen Literatur der letzten Jahrzehnte 1 haben sich in dieser Hinsicht zwei fundamentale Einsichten ergeben :
Einmal zeigte sich, dass der Anspruch auf Weisheitsbesitz ein
Charakteristikum aller frühjüdischen Bekenntnisgruppen war.
Der.Weise ist eine allgegenwärtige Gestalt. Die weisheitliehe
Terminologie geht quer durch alle Schul- und Meinungsrichtungen.
Der Anspruch auf die entscheidende Weisheit wird sowohl von den
angesehenen
b~i~1b
apokalyptischen
von Gesetz und Sitte als auch von den
b~'1~bl1
aller Schattierungen
eingeschlossen
die Extremisten in Qumran und die Jesuaner in Galiläa und
Jerusalem -, sowohl von den pharisäischen Schulen Hillels und
Schammais als auch von den christlichen Theologen und Predigern
erhoben. Mit Recht kann man deshalb von einem "sapientialen
Milieu" 2 sprechen, von einem Klima des Eros nach nVI/yvwo~~,
in welchem sich die jüdische Gruppenbildung vollzog. Die Auseinandersetzungen zwischen den genannten Gruppen 3 gingen immer
1} Die Literatur seit 1900 ist von einem Einzelnen nicht mehr zu bewältigen:
DELLING, Bibliographie zur jüdisch-hellenistischen und intertestamentarischen
Literatur (1900-1970}, umfasst 3650 Titel. CHARLESWORTH, The Pseudepigrapha
and Modern Research (1976} bringt nur schon für die Zeit von 1960-1975
1494 Nummern, die sich jedoch z. T. mit DELLING ·überschneiden. - Zu den "Handschriftenfunden vom Toten Meer" weist BURCHARD's Bibliographie 4459 Nummern
auf (bis 1963}; vgl. die Weiterführung durch FITZMYER, The Dead Sea Scrolls
(1977}. -Bezeichnendste literarische Ereignisse mit Signalwert sind wohl die
Neuauflage und Erweiterung von SCHUERER's klassischer "Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi" durch VERMES/MILLER, A History of the
Jewish People I, Edinburgh 1973, und das gemeinsame, jüdisch-christliche Werk
der "Compendia Rerum Iudaicarum ad Novum Testamentum", Assen, Amsterdam I/1,
1974; I/2, 1976 ff.- Im Augenblick laufen zudem mehrere Editions-, Uebersetzungs- und Kommentarprojekte.
2} WORRELL, Concepts of Wisdom 108: "The essence of this 'milieu' is that it is
not a movement,restricted to a formal group or sect. It is an understanding
of life which has existed from antiquity, but which only in the post-exilic
and Hellenistic periods secred a major breakthrough in acceptance to the point
of becoming a major determinative in shaping things sacred as well as secular,
theological as well as practical. As such it became the spirit of the times."
3} Es wird hier abgesehen von den vollständig politisierten Gruppen der Widerstandskämpfer (Galiläer, Zeloten, Sikarier u. ä.}, von denen wir sowieso keine
literarischen Selbstzeugnisse haben. Nur am Rande berücksichtigt werden die
beiden bedeutsamen Bewegungen, welche jedoch wegen ihrer stark tara-konservierenden Tendenz und ihrer ganz auf die priesterlich/politischen würden und
Bürden zentrierten Haltung nicht zu den weisheitsgeschichtlich wirksamen Kräften gehörten, nämlich die Samaritaner und die Sadduzäer; vgl. BOWMAN, Samaritanische Probleme, bes. 30-53; LE MOYNE, Les Saduceens, bes. 381-399. HEIDENHEIM, Der Commentar Marqah's XIIIf., vermutet zwar mit dem Verweis auf
ein samaritanisches Buch "Moschlim", "dass bei den Samaritanern auch Spruchsammlungen sich vorgefunden haben" (XIII} , doch ist mir davon nichts zu Gesicht gekommen. GASTER, Samaritan Proverbs 228-24.2, bringt nur moderne arabi-
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Einleitung
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auch um den Anspruch und die Durchsetzunq der eigenen, je
grösseren Weisheit.
Damit hängt die zweite Einsicht zusammen : Unter dem gleichen
Wort "Weisheit" verstecken ·sich sehr unterschiedliche Inhalte,
welche es unmöglich machen, das auf einen klaren und einzigen
Nenner zu bringen, was die frühjüdischen Weisen charakterisierte. Mit der Differenzierung der alten Schreiberschulen,
welche doch eine recht einheitliche Funktion und Zielsetzung
hatten, in rivalisieri:mde Gruppen gegensätzlicher ideeller und
politischer Ausrichtung teilte sich auch die alte israelitische
Weisheit, in der es doch immer um allgemein menschliche Welterfahrung und Weltbemächtigung innerhalb eines homogenen Erlebnisraumes ging, in verschiedene Weisheiten auf, die sich auf
ihre speziellen Erfahrungen beriefen und schnell auch im politischen Machtkampf standen.
Was VON.RAD von der alttestamentlichen Weisheit gesagt hat,
gilt auch hier : "Mit der wachsenden Zahl der Arbeiten auf
diesem Feld ist der Begriff 'Weisheit' immer undeutlicher geworden •••• Entfernt man nämlich das verbindende Deckwort, so
steht man vor literarischen Dokumenten von allergrösster Verschiedenheit. Die Bezeichnung eines Textes als 'weisheitlich'
ist ja in den Quellen keineswegs unmittelbar verankert."
Weisheit gehört also "zu der nicht ganz kleinen Zahl biblischtheologischer Sammelbegriffe, ••• die sich von Zeit zu Zeit
auf die Sinnhaftigkeit ihrer Anwendung befragen lassen müssen" 4
Dieser Schwierigkeit ist nicht abzuhelfen, indem man den Begriff meidet 5 • Er ist in den Texten so reichlich und in einem
sehe Sprichwörter aus Codex Gaster 2051, geschr, 1938. Besonders LEBRAM, Nachbiblische Weisheitstraditionen 167-237; Theologie der späten Chokma und häretisches Judenturn 20, hat auch einige samaritanische Texte für unsere Fragestellung fruchtbar gemacht. Gerade MEMAR MARQA, dessen Autor (Markus) von den
Samaritanern "Fundament" und "Quelle der Wedsheit" genannt wird, sollte - obwohl erst nach 350 n; entstanden- noch aufmerksamer beigezogen werden; Ed. +
engl. Uebers.: MACDONALD, Mernar Marqah, 2 Bde.
4) VON RAD, Weisheit in Israel 18f.; vgl. die ähnlichen kritischen Fragen bei
SCHMID, Wesen und Geschichte 7.185; HERMISSON, Studien 12f.140.190, .Anrn. 2;
GESE, Art.: Weisheitsdichtung, RGG 6 (1962)· 1577.
'
5) Vgi. den Vorschlag für die ägyptische Maat-Literatur bei BRUNNER, Die Weisheitsliteratur 90, Anrn. 1.
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Einleitung
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so breiten semantischen Spektrum belegt, dass eine radikale
Beschneidung der Sprache auch den Sachverhalten Gewalt antäte.
Man muss sich aber auch davor hÜten, dem Unbehagen dadurch zu
begegnen, dass man sich vorschnell auf tiefer oder höher liegende
Ordnungsschemata zurückzieht und mit deren plakativen Gesamtlinien und handlichen Definitionen die tatsächliche Vielfalt
6
verdeckt • Es kann nur darum gehen, das Wort in seiner Bedeutungsvielfalt zu erkennen, zu beschreiben, und in aller
Differenziertheit (weiter) zu gebrauchen.
Die alttestamentliche Weisheitsforschung gibt uns dabei einige
Hilfen in die Hand. Eines ihrer gesicherten Ergebnisse, das
aus vielen Versuchen resultiert, Weisheit als Eigenschaft des
Weisen oder als geistig-literarische Bewegung zu beschreiben,
besteht darin, dass 'Weisheit' nicht mehr mit den Schlagworten
individualistisch, utilitaristisch, eudaimonistisch, profan,
7
rationalistisch usw. verbunden werden kann • Zwar geht es immer
noch um '"das Bemühen des Menschen, das Leben, die menschliche
und natürliche Welt, in die er sich gestellt sieht, als Ordnung
8
auf empirischem Weg zu verstehen" , "um sich der Welt zu bemächtigen, die Aufgaben des Lebens und letztlich dieses selbst
zu meistern" 9 ; in diesem Bemühen geschieht aber "der immer neu
zu vollziehende Akt frommer Einordnung in eine göttliche Ordnung,
die dem Menschen auferlegt ist und in der allein er Segen finden kann" 10 . Diese Neudimensionierung der Weisheit, welche durch
6) GERSTENBERGER, Zur alttestamentlichen Weisheit 35f, zeigte schon 1969 auf,
wie dies in den vorausgehenden Publikationen allzu oft der Fall war. VON
RAD's grosse Arbeit zur "Weisheit in Israel" versuchte, diesem Malaise abzuhelfen (bes. 22f.); vgl. TIMM, "Das weite Herz" 224-237, bes. 234f.
7) Vgl. SKLADNY, Die ältesten Spruchsammlungen 86-95, mit ausführlichen Literaturangaben zu solchen Missinterpretationen; neben vielen anderen auch SCHMID,
Wesen und Geschichte 1-7.
8) GESE, Art.: Weisheit, RGG 6 (1962) 1574.
9) SELLIN/FOHRER, Einleitung 332. Die Definition von GESE (Anm. 8) vergisst den
praktischen Aspekt. SELLIN/FOHRER ihrerseits unterschätzen den eigentümlichen
Selbstwert weisheitliehen Verstehens. Aehnlich KELLER, Art.: Weisheit, BHH
3 (1966) 2154: "Fähigkeit eine Aufgabe geschickt zu lösen". MERKEL, Die Predigt weisheitlicher Texte 199, bringt beide Aspekte gut zusammen: Die Haltung der Weisheit ist "die Tiefe der Einsicht in die Welt- und Sachzusammenhänge, es ist die Einsicht in das Wesen der Dinge, aus der das Vermögen entspringt zu regieren, zu raten und Recht zu sprechen".
10) VON RAD, Weisheit in Israel l09f.
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18
..
.
f orsc h ung ausge 1"
.
die agyptische
Weis h e~ts
ost 11 un d d ann ~n
.
e~ner
immensen Forschungstätigkeit bis in die sechziger Jahre herausgearbeitet wurde 12 , rückte die theologische Dimension allen
weisheitliehen Bemühens im altorientalischen Raum ins richtige
Licht : Weisheit ist die wirklichkeitsgerechte Einsicht und
das dieser Einsicht entsprechende Verhalten in einem von Gott
gestifteten Kosmos.
Damit ist zwar ein weiter Verstehenshorizont für eine sachgerechtere Interpretation der
altisrae~itischen
Weisheit gewonnen,
unsere anfängliche Frage nach der frÜhjÜdischen Weisheitsliteratur jedoch erst in ihren äussersten Schichten, nämlich ihrer
Vor-geschichte berührt. Für die Weisheitsliteratur der frühjüdischen Zeit kommen Faktoren ins Spiel, die nicht einfach
in der Verlängerung der am altorientalisch-biblischen Material
gewonnenen Vorstellungen liegen.
An der Studie von Hans Heinrich SCHMID über "Wesen und Geschichte der Weisheit"
(1966), lässt sich das Problem deutlicher
formulieren :
Der Autor setzt sich zum Ziel, "das Verhältnis der Weisheit zu
Zeit und Geschichte" (4) zu klären, "und von daher das in der
Weisheit zum Ausdruck kommende Welt- und Wirklichkeitsverständnis nachzuzeichnen"
(7). Aus der Analyse der ägyptischen Weis-
heitsliteratur von drei Jahrtausenden ergibt sich ihm die
Einsicht, dass die Weisheit "weder eine geschichtliche noch
eine ungeschichtliche Grösse" sei, sondern sich "in einem sehr
komplexen Spiel zwischen Geschichtsbezogenheit und Ungeschichtlichkeit" vollziehe, nämlich in einem "Dreitakt von zeit- und
geschichtsbezogener Konzipierung, ungeschichtlicher Tradierung
und neuer geschichtlicher Anwendung"
(80).
11) Konkreter Anlass war die Veröffentlichung der Lehre des Amenemope durch
BUDGE,·Facsimiles of Egyptian Hieratic Papyri (1923), 10-18.41-51; Taf. I-XV,
und deren dt. Uebers. durch ERMAN, Das Weisheitsbuch des Amenemope (1924),
242-252, und LANGE, Das Weisheitsbuch des Amenemope (1925) 24-135.
12)
s.
SCOTT, The Study of Wisdom Literature 23f;
1-3.
SC~!ID,
Wesen und Geschichte
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Einleitung
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Auch in der israelitischen Weisheitsliteratur findet SCHMID
dieses gleiche Wechselspiel von geschichtsbezogenem Ursprung
(ältere Weisheit : Spr 10-29) und der Geschichte entfliehender
Systematisierung, welche im biblischen Bereich besonders stark
gediehen sei. "Die Mehrzahl der israelitischen Texte ••. spiegelt eine Spätform von Weisheit wieder, die auch hier als geschichtslose, dogmatisierende Systematik zu bezeichnen ist.
Denn in der Neigung zur Systembildung trifft sich die Theologisierung mit der Anthropologisierung der Weisheit"
(196). Gegen
diese Bastionen etablierter Weisheit traten nun Ijob und Kohelet an, die eine vehemente, aus persönlicher Erfahrung kommende
Kritik an die weisheitliehen Schulevidenzen von einem notwendigen Tun-Ergehen-Zusammenhang (Ijob) und von der Einsichtigkeit
der göttlichen Pläne und der Welt (Koh) richteten. Doch :
"Hiob und Kohelet sind Verlierer ••. " (199). Die zum Dogma
erstarrte Weisheit bleibt Siegerin. Die Gegenoffensive war
zwar grassartig formuliert, aber sie wurde von den restaurativen Kräften der Zeit der entstehenden Synagoge durch Vereinnahmunq unwirksam gemacht. Die zweite Gottesrede Ijob 40,641,26 und der zweite Nachtrag Koh 12,13f., die beide redaktionell seien, entschärften die Anfrage und Infragestellung und
machten diese sogar kanonfähig (vgl. 183f.l95f.).
Der grosse weisheitsgeschichtliche Dreitakt fand in der biblisehen Literatur
n i c h t
statt. Er trieb die theologische
Reflexion der nachexilischen Zeit nicht in neue Räume menschlicher Erfahrung, sondern unterlag als amputierter Zweitakt
ohne kritischen Elan der vereinnahmenden, theologisierten und
anthropologisierten Weisheit. Die Bilanz der Untersuchung von
SCHMID ist negs:ttiv : Wenn "Weisheit ••. dort lebendig (ist),
wo sie in konstitutivem Kontakt zu Zeit und Geschichte steht"
(199), dann ist die biblische Weisheit in nachexilischer Zeit
gestorben, da sie den konstitutiven Kontakt zu Zeit und Geschichte verloren hat.
Doch gerade dieser "Kontakt zu Zeit und Geschichte" ist so
eine Sache :
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20
Einleitung
Ijob und Kohelet hatten anscheinend nicht die Kraft, "das Weltverständnis des späteren Israel einer Revision zu unterziehen" 13
Weisheitliches Denken und Schreiben ging in frühjüdischer Zeit
weiter, als ob es nie im Feuer einer so vehementen Kritik gestanden hätte. Ijob und Kohelet mussten verlieren, weil sie
zwar sehr existenzbezogen sprachen, ihre Fragen aber nicht aus
dem breiten Erfahrungsbereich ihrer Zeitgenossen formulierten
und so den Kontakt zur konkreten zeitgeschichtlichen Situation
n i
c h t
finden konnten.
Wenn hingegen Jesus ben Sira aus Jerusalem in der Zeit des
Kampfes gegen die Hellenisierungsbestrebungen zu Beginn des
2. vorchristlichen Jahrhunderts seine "Lehre voll Weisheit
und Einsicht" (50,27a) in den Dienst seiner Nation stellt,
die Geschichte der "hochberühmten Männer"
(44,1) von Henoch
bis zum Hohenpriester Sirnon II (ca. 220-195 v.) heranzieht und
die Betonung auf die priesterliche, mit der Tradition verbindende Linie legt (vgl. 24,1.15; 45,6-22.23-26; 50,1-21),
wenn er deshalb als erster die personifizierte Weisheit (24,3-22)
mit dem Gesetz identifiziert (24,23; vgl. 6;37; 15,1-6; 19,20;
32,18), so bindet er die Weisheit gerade an die akutesten Zeitprobleme (Bewahrung des religiösen Gutes) zurück und spricht
als Weiser ein gewichtiges Wort an der geschichtlichen Ent. kl ung d es F ru-h·JUd en t ums m1' t 14
w1q
Oder wenn sich der hellenistische Verfasser der Weisheit Salomos
(um 50 v.) plato.nischer Begrifflichkei t nicht ganz enthält, sondern sich alexandrinischer Wissenschaftlichkeit und Weisheit
bedient, uin seinen jüdischen Zeitgenossen, die sich "durch die
Hochleistungen alexandrinischer Bildung : den Glanz der Philosophenschulen, die Entwicklung der Wissenschaften, den Lockruf
der Mysterienreligionen, der Astrologie, der Hermetik oder
13) VON RAD, Weisheit in Israel 306; vgl. RANKIN, Israel's Wisdom Literature 8897, bes. 97. GESE, Die Krisis der Weisheit 14lf. u. ö., zeigt gut die Distanziertheit, ja Beziehungslosigkeit auf, in welcher Kohelets Weisheit
(nicht d i e Weisheit, wie der Titel irreführen könnte) steht. Dem entspricht
die Wirkungslosigkeit auf der literaturgeschichtlichen Ebene.
14)
s.
u. Kap. r.l.l, Ziff. b.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Einleitung
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durch den sinnlichen Reiz der volkstümlichen Kulte" 15 in Frage
gestellt sahen, eine weisheitliehe Glaubenslehre für Erwachsene
anzubieten, wenn deshalb seine oo~Ca
halbidentisch zu nvEÜ~a
wird und schon in die Logosspekulation hineinreicht - so hat
er gerade das getan, was lebendige Weisheit in seiner geschichtlichen Situation zu tun hatte.
Wenn einzelne Visionäre in einer Zeit, als sich in palästinischen Kreisen voll ursprünglicher national-religiöser Hoffnungen
die Einsicht in den katastrophalen Verlauf der Entwicklung
durchsetzte und damit die vermeintliche Einsichtigkeit geschichtlicher Abläufe, bisheriger Erfahrungen und Ratschläge durch
politische Fakten grundsätzlich in Frage gestellt wurde, eine
neue "Weisheit von oben" verkündeten, diese als Geschenk des
all-wissenden und geschiehts-rnächtigen Gottes priesen und
höhere Einsichtigkeit für von Gott Privilegierte propagierten,
- haben sie dann nicht, nach der "Grossmutation der lokalen
Zukunftshoffnungen" 16 , hartnäckig weiter und apokalyptisch
neu das alte weisheitliehe Anliegen von der Einsichtigkeit
der Welt hochgehalten ? Waren nicht ihre JÜnger die geschichtlich wirksamsten, wenn auch das Land bis zur römischen "Endlösung" treibenden Kräfte des nachexilischen Judentums ? 17
Oder wenn jüdische Moralisten und Prediger in der gleichen
Situation ihren Zuhörern oder Lesern das paränetische Material,
das die zeitlich vorausgehenden Weisheitsschulen erarbeitet
hatten oder die zeitgenössische Popularethik anbot, zu einer
Zwei-Geisterlehre systematisierten und dadurch mit der allgegenwärtigen
apokalyptischen Denkart verbanden, indem sie sie
psychologisierend entschärften und praktizierbar machten, so
erreichte diese Weisheit eine grössere Unmittelbarkeit und
15) Bible de Jerusalern (Ed. 1973), 961; COLLINS, Cosrnos and Salvation 121-142,
betont gerade die Kontinuität und Weiterentwicklung der frühjüdischen Weisheit und Apokalyptik in Weish, trotz und auch gerade wegen des Einbezugs
hellenistischer Kategorien.
16) MUELLER, Die Ansätze der Apokalyptik 42.
17)
s. u. Kap. I.2.
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Einleitung
Ueberzeugungskraft, als wenn sie in der ästhetisch reineren
und weisheitlieh "genuineren" Darbietung kluger Sinnsprüche
..
18
b estan d en h atte
•
Diese vier Beispiele kommen aus vier verschiedenen religiösen
Gruppierungen des Frühjudentums und weisen deshalb eine Weisheitlichkeit ganz eigenen
Gepr~ges
auf. Gemeinsam ist jedoch
allen die Tendenz, .eine Übergreifende gedankliche Struktur
zu finden, die dem weisheitliehen Material Ordnung gibt, zwischen den losen literarischen Einheiten Zusammenhänge herstellt
und dadurch dem behäbigen weisheitliehen Gut geschichtliche
Brisanz zu geben versucht. Jesus ben Sira nimmt die Tora zu
Hilfe, der Verfasser der Weisheit Salomos den Begriff des
nv1u~a, die Apokalyptiker den geheimen Plan Gottes, die Mora-
listen das geläufige Schema von den guten und bösen Geistern.
In den beiden letzten vorchristlichen Jahrhunderten war es anscheinend den jüdischen Weisen kaum mehr möglich, an den Versuchen systematischer Welt- und Geschichtsbewältigung, wie
sie sich Überall in Religion, Philosophie und Wissenschaft
zeigten, unberührt vorbeizugehen. Sie dachten und sprachen
eben, wie man in einer Zeit denken musste, in der neben dem
empirischen Material des Alltags auch die Kohärenz innerhalb
des Welt- oder Gedankenganzen Verifikationswert hatte 19 • Gerade weil sie lebendig in ihrer Zeit und Geschichte standen,
veränderte sich ihre Weisheitlichkeit 20 •
Solche Strukturverschiebungen der Weisheit sind deshalb schon
unvermeidlich, weil weisheitliches Denken ebenso wie alles
18) S. u. Kap. V.2.2-5.
19) Vgl. die Karikierung bei SCHMID, Wesen und Geschichte 196f.: "Dort tritt
eine Strukturverschiebung weisheitliehen Denkens ein, wo die Verifikation
an der empirischen Wirklichkeit unterlassen wird und wo aus Beobachtungen,
denen grundsätzlich nur je und dann Gültigkeit zukommt, in einem abstraktlogischen, rationalistischen Schlussverfahren Folgerungen gezogen werden,
die allgemeine, überzeitliche Geltung beanspruchen und denen sich dann die
begegnende Wirklichkeit zu unterziehen hat."
20) Aehnliche Fragen richtet VON RAD, Weisheit in Israel 382, Anm. 16, an SCHMID:
"Könnte man nicht in der 'Theologisierung' der Weisheit, das heisst in dem
Bestreben, das Leben des Einzelnen und die Bewegungen seiner umwelt wieder
mehr in das Zentrum des Wirkungsfeldes Jahwes zurückzuholen, geradezu einen
neuen Vorstoss sehen hin auf eine neue Form existenzbezogener Lehre ?"
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Einleitung
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andere Denken im grossen, unweigerlichen Prozess der Geistesgeschichte steht. Ist für die israelitische Weisheitsdichtung
der Vergleich mit dem ägyptischen und rnesopotarnischen Ordnungsdenken durchaus arn Platz, so kann dies in der persischen Zeit
kaum mehr, in der hellenistischen sicher nicht mehr ausreichen.
Der iranische Dualismus und besonders die griechische oo~(a
sind ebensosehr als Gestaltungskräfte mit ihrer eigenen Wirkungsgeschichte anzuerkennen. Der von ihnen bewirkte Strukturwandel im weisheitliehen Denken darf deshalb nicht als Verfallserscheinung gewertet werden, weil er nicht mehr dem ägyptisch-rnesopotarnischen Ursprung entspricht.
Die Studie von SCHMID kann zur Vorstellung von einem idealen Ursprung verleiten, dessen genuine Leistungen in den späteren Zeiten nicht mehr erreicht werden, obwohl sie normativ bleiben. In
einer solchen Perspektive wären die frühjÜdischen Weisheitsreflexionen und -traditionen als dekadente Formen der altorientalischen und altisraelitischen Weisheit zu werten. Das ist auch
oftmals bewusst und unbewusst getan worden. Das, was genuine
Weisheit ist, darf jedoch nicht an einer primären Entwicklungsstufe erhoben und darauf festgelegt werden. Die beiden Worte
"genuin" und "primär" und die damit verbundenen Vorstellungsbereiche müssen klar getrennt werden. Das Kriterium vorn "Kontakt
der Weisheit zu Zeit und Geschichte" darf dann nur mit "genuin"
im folgenden Sinn verbunden werden :
So wie schon in der altorientalischen und altisraelitischen
Weisheit grosse theologische, kosmologische und weltgeschichtliche Zusammenhänge das weisheitliehe Einzelwort - und sei es
noch so "empirisch" - umfingen, so ist dies auch bei der frühjüdischen Weisheit. Nur sind die Zusammenhänge anders erfahren
und formuliert. Wo
i rn rn e r
jedoch diese Formulierung gut
geschieht, die Erfahrungen der jeweiligen Zeit also adäquat formuliert, dort ereignet sich immer wieder "genuine" Weisheit, d.
h. geschieht immer wieder der "Akt frommer Einordnung" in eine
göttliche Ordnung durch Verstehen und Bewältigen dieser Welt
und dieses Lebens.
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Einleitung
Die vorliegende Arbeit versucht nun zu belegen und zu erläutern,
d a s s
und
w i e
weisheitliches Denken und Sprechen in
frühjüdischer Zeit weiterging und in Kontinuität und schöpferischem Widerspruch zur altisraelitisch-biblischen Weisheit eine
lebendige, vielgestaltige Literatur hervorbrachte, in welcher
die Geschichte der Weisheit zu neuen geschichtlichen Gestalten
kam. Es geht dabei nicht darum, eine neue Formel von Weisheit
in die Welt zu setzen, welche biblische und frühjüdische "Weisheit" definitorisch .umgreift, sondern darum, einen möglichst
unverstellten Blick auf die frühjÜdische Literatur 2 zu werfen,
um :
a) die vorhandenen weisheitliehen Texte überhaupt zu erkennen,
sei es als selbständige Schriften, sei es als Stücke innerhalb nicht-weisheitlicher Schriften; ihre Traditionsträger,
ihre Anliegen und ihr Zielpublikum zu bestimmen und von dort
her den Zusammenhang von Weisheit mit Zeit und Geschichte
(als konkretem Kampf ums Leben, um Interessen und Ideale) in
frühjüdischer Zeit zu beschreiben,
b) die Bedeutungsfelder der Begriffe "Weisheit", "Einsicht",
"Erkenntnis" und Aehnlichem in ihrer frÜhjüdischen Ausprägung
zu erfassen, die entsprechenden Textgruppen auf ihren historischen und soziologischen Hintergrund zu befragen und von
dort her die damals umgehenden Weisheitstheorien in ihren
Funktionen und Zielsetzungen zu erkennen.
Aus dieser doppelten Bestandesaufnahme lässt sich erst ersehen,
was frühjüdische Weisheit ist, welche hauptsächlichen Inhalte sie
aufweist und welche literarischen Formen sie kennt. Im Vergleich
mit der altisraelitischen Literatur sollten sich dann jene Elemente erkennen lassen, die traditionell sind und somit Faktoren
der Kontinuität darstellen, und ebenso jene Elemente, die neu
21) Zu den Einleitungsfragen s. bes. die Einführungskapitel zu den einzelnen
Schriften bei KAUTZSCH, APAT I+II; CHARLES, APOT I+II, und der fortlaufend
erscheinenden Reihe JSHRZ unter der Herausgabe von KUEMMEL. SCHUERER III,
188-629, DENIS, Introduction, ROST, Einleitung, und CHARLESWORTH, The Pseudepigrapha,bieten die wichtigsten Informationen. Zu den in den folgenden Kap.
näher behandelten Werken werden jeweils die genauen bibliographischen Angaben am betreffenden Ort gegeben.
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sind, weil sie aus der veränderten zeitgeschichtlichen Situation
konunen und somit Faktoren der Diskontinuität oder - positiv gewendet - der Neuschöpfung darstellen. Der zu Beginn genannte und
befragte Begriff des "Weisen" im Bereich des Jahweglaubens wäre
dann in seiner Vielfalt beschrieben und in seiner Eigenart geortet.
Den Fragen, die sich bei dieser Bestandesaufnahme und Ortung der
frÜhjüdischenWeisheitstexteergeben, muss in gesonderten methodischen Schritten nachgegangen werden. Grundsätzlich sind zwei
weisheitliehe Textsorten zu unterscheiden : Jene Texte, in welchen Über die Weisheit nachgedacht wird, und jene, in welchen
weisheitlicher Rat und Zuspruch gegeben werden. Die zweite Gruppe
umfasst ihrerseits zwei formal verschiedene Textgruppen : Jene,
die aus aneinandergereihten Einzelworten bestehen, und jene, die
sich als grössere kompositorische Gebilde darstellen. Die vorliegende Untersuchung ist deshalb nach den drei entsprechenden
Bereichen aufgebaut :
1. Weisheitsreflexionen : Kap. I und II
2. Weisheitliehe Logientraditionen : Kap. III und IV
22
3. Weisheitliehe Paränesen : Kap. V.
Wollte man eine Geschichte der gesamten nachbiblischen Weisheit
oder Weisheiten schreiben, so müsste man Kontinuität und kreative Transformation dieser drei Bereiche auch in den beiden grossen Corpora der rabbinischen und frühchristlichen Literatur verfolgen, in welchen uns jene Weisheitskonzeptionen voll ausgebildet entgegentreten, welche in frühjüdischer Zeit nur in ihren
weitläufigen Anfängen zu erfassen sind. Es ist ja gerade in den
letzten Jahren, in welchen sich die progranunatische Verschiebung
von der "Spätjudentums-" zur "Frühjudentums"-Forschung vollzogen
22) Die methodischen Fragen, die besonders der zweite und dritte Bereich aufwerfe~ werden jeweils zu Beginn der entsprechenden Teile behandelt. Dass die Gesamtausrichtung dieser Arbeit traditionsgeschichtlich ist, ergibt sich aus
der im Titel gestellten Aufgabe, den Fortgang weisheitliehen Denkens in
frühjÜdischer Zeit zu beschreiben.
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Einleitung
hat 23 , deutlich geworden,
wie konstitutiv diese Zeit zwischen
den Zeiten sowohl für das Judentum wie für das Christentum war.
In beiden Richtungen wären die wichtigsten Bindeglieder, Verschiebungen und Brüche aufzuzeigen, welche für die grosse Zweiteilung der Geschichte der Weisheit bedeutsam waren.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist bescheidener. Es geht hier
"nur" um den ersten, fundamentalen Bereich der frühjüdischen
Weisheitstraditionen. Ausweitungen in das rabbinische Schrifttum wurden zwar mehrfach gewagt (vgl. zur Tora-Weisheit; zur
Logientradierung) , doch muss eine eingehende Behandlung der angesprochenen Themen berufeneren Leuten Überlassen werden. Auch
die Fragen nach der frühchristlichen und von dort her (als RÜckfrage) nach der jesuanischen Weisheit konnten nicht in der gebührenden Ausführlichkeit gestellt und behandelt werden. Sie sind
nurmehr im summarischen Ausblick von Kap. VI.2 erfasst.
Auch wenn wir· uns auf die frühjüdischen Weisheitstexte beschränken, betreten wir keineswegs allseitiges Neuland. Zu jedem der
drei Gebiete und zu jedem der darin zitierten Werke ist schon
Wichtiges gesagt worden. Die folgenden Kapitel arbeiten jeweils
den status quaestionis am betreffenden Ort auf. Hier sei deshalb
als Einleitung nur eine bibliographische Gesamtübersicht Über
die Hauptkapitel angefügt
Besonders stark haben der Begriff "Weisheit" und die Gestalt der
'Weisheit' seit Beginn dieses Jahrhunderts (bes. SCHENCKE, WINDISCH; s. u. S.
36) bis in die letzten Jahre (bes. WILCKENS,
HENGEL, FIORENZA; s. u. S.
556) die Forschung beschäftigt, wobei
seit einigen Jahren die Texte aus Qumran (bes. NOETSCHER, DENIS,
HENGEL, WORRELL; s. u. S.
88) eine weitere Bereicherung des
Spektrums gebracht haben. Kap. I konnte deshalb recht kurz ge23) Vgl. MAIER, Geschichte der jüd. Religion 4ff.l89; Kontinuität und Neuanfang
l; THOMA, Christliche Theologie des Judentums 56f.: "Dass man das Judentum,
das man doch als gerade neugeboren erklärte, bereits in seiner ersten und
zweiten Entwicklungsphase als eine späte, d. h. als dem baldigen Hinsterben
geweihte Grösse bezeichnen konnte',, war nur auf dem Hintergrund massiver Voreingenommenheiten möglich . . . . Um jeden Geruch des Antijudaismus aus der
Forschung zu vertreiben, sollte der Ausdruck Spätjudentum vermieden und an
seine Stelle der zutreffendere Begriff Frühjudentum gesetzt werden."
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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halten werden. Es stellt die von der Wort- und Motivforschung
bis heute erbrachten Einsichten in den Kontext der frühjüdischen
Konfessionsgruppen und beleuchtet so kurz die Notwendigkeit und
die Typik der wichtigsten Weisheitskonzepte.
[Die Beifügung der
wichtigsten Materialien ist als Hilfeleistung gedacht.]
Kap. II stützt sich auf die einschlägige Literatur zu den frühjüdischen Exegeten, Historikern, Romanciers und Poeten (bes.
FREUDENTHAL, WACHOLDER, WALTER, DENIS; s. u. S. ll7ff.), bezieht
diese Literatur aber, soweit ich sehe, erstmals systematisch in
diesen Kontext mit ein.
Den Hauptteil der vorliegenden Untersuchung bestreiten die Kap.
III und IV mit der Behandlung der weisheitliehen Logienkollektionen. Dies nicht nur, weil in diesen Logienkollektionen an bis
jetzt zu wenig berücksichtigten Materialien der Weitergang der
Weisheit beobachtet werden kann, vielmehr auch, weil HARNACK's
bald hundertjähriger Ruf nach einer "Untersuchung der jüdischgriechisch-christlichen Gnomen- und Sittenregeln-Litteratur" 24
bis jetzt viel zu wenig Gehör fand. Zwar existiert viel Spezialliteratur zu den einzelnen Autoren, wie im Lauf der Arbeit deutlich wird, eine Berücksichtigung der gesamten Materialien unter
Aufarbeitunq der seit Beginn dieses Jahrhunderts geschehenen Forschung, stellt aber für die Erforschung der frühjüdischen Weisheitstraditioneneine unumgängliche Aufgabe dar. 25
24) Lehrbuch der Dogmengeschichte I (3. Aufl. 1894), 145, Anm. l : "Eine Untersuchung der jüdisch-griechisch-christlichen Gnomen- und Sittenregeln-Litteratur,
anhebend bei der ATlichen Weisheitslehre einerseits und den stoischen Sammlungen andererseits, nun Über die alexandrinischen und evangelischen Gnomen
hinwegschreitend bis zur ßLoaxn, den paulinischen Haustafeln, den Sibyllensprüchen, Phokylides, den neupythagoräischen Regeln und bis zu den Gnomen des
rätselhaften Xystus (Sextus), ist eine noch ungelöste Aufgabe. Auch die Sittenregeln der pharisäischen Rabbi's wären herbeizuziehen."
25) KLEIN, Der älteste christliche-Katechismus (1909), hat dieses Postulat aufgenommen (vgl. S. X) und viele Materialien aus dem neutestamentlichen Schrifttum, der Didache, den Derek-Ere~-Traktaten, Tanna debe Eliahu (10. Jhd. n.),
Philo, Josephus, Orchot Chaijim (11. Jhd. n.) und PseuPhok (und zwar in dieser Reihenfolge) in diese Perspektive eingeordnet. Leider werden diese z. T.
sehr späten Materialien (vgl. ABRAHAMS, Hebrew Ethical Wills 32) wegen der
Katechismus-Hypothese nicht an ihrem geschichtlichen Ort belassen und oft
ins Korsett der Beweisführung gesteckt (s. u. Kap. VI.2.1.3, Anm. 39). - RANKIN, Israels Wisdom Literature 1/2, Anm. 1, zieht zwar den Rahmen von Achikar
bis PseuMen, in seiner ideengeschichtlich ausgerichteten Studie kann dann aber
das weniger bekannte Logiengut nicht recht zum Zuge kommen, vgl. sein Register
zu Achikar, Phocylides, Menander (Ab fehlt).
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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28
Einleitung
Anhand von PseuPhok und PseuMen konnte so die Ortung frühjüdischhellenistischer Weisheitslehren besonders in der griechischen
Gnomelegien-Literatur (Kap. III.S und 6), anhand von Achikar
(Kap. IV) in der gesamten antiken Literatur (wenn auch anfangshaft und unvollständig) gemacht werden. Es liegt hier aber, was
Textausgaben, Vergleichsarbeit und Sprachgeschichte angeht, ein
noch viel zu bearbeitendes Feld vor.
Kap. V macht sich eine der neueren Arbeiten zu den Test XIIPatr
zu nutze (BECKER, Untersuchungen), um innerhalb dieses weitläufigen Pseudepigraphons jüdisch/christlicher Prägung Fortgang und
Umwandlung der alten "Lebenslehren" zu verfolgen. Eine Situierung der Forschung zur Testamenten-Literatur ist wegen der aktuellen Diskussion etwas ausführlicher in Kap. V.l und 2.1 gegeben.
Die einzige Arbeit zum ganzen Gebiet der weisheitliehen Reflexionen, Logienköllektionen und Paränesen im jüdischen und christlichen Bereich 26 , die ich kenne, ist die Aufsatzsammlung "Aspects
of Wisdom in Judaism and Early Christianity", die WILKEN 1975
herausgegeben hat, "in the hope that they will encourage others
to explore some of the questions we have only raised"
(XXI) .
Die vorliegende Arbeit, reiht sich in diese Perspektive ein. Während ihrer Herstellung sind stets neue Studien zu Einzelaspekten
erschienen, welche vom Wiedererwachen des Interesses an weisheit26) Die unveröffentlichte Dissertation von THEOCHARIS, La sagesse dans le Judaisme palestinien (1963) , behandelt im Teil I folgende apokalyptische Schriften
Dan (S. 9-24), äthHen (S. 25-76), Jub (S. 77-93), slavHen (S. 94-104) ,. 4Esr
(S. 105-120) und syrApkBar (S. 121-130), und im Teil II ·Sir (S. 132-168) und
PsSal (S. 169-207). An diesem Schriftencorpus, das in seiner Beschränkung nur
einen Ausschnitt aus dem literarischen Schaffen des palästinischen Judentums
bieten kann, hat THEOCHARIS vor allem folgende, wichtige Punkte aufgezeigt:
a) dass im apk Schrifttum eine starke Rezeption der atl Weisheitstexte und
bes. von Sir festzustellen ist (vgl. die Auflistung zu äthHen, s. 46ff.57f.);
b) dass die Gestalt der 'Weisheit' im apk Schrifttum mit neuen apk/eschatologischen Heilsgestalten in Verbindung gesetzt wurde und so messianisch umgeformt werden konnte, ja sich überhaupt als Verbindungsprinzip zwischen Himmel
und Erde (vgl. 64.75) darstellte;
c) dass Sir als "dernier t!moin du courant sapientiel palestinien" (46; vgl.
193) (!) eine wichtige Rolle in der Vermittlung weisheitlicher Traditionen
(vgl. 62) sowohl in die Apokalyptik wie auch für die PsSal gespielt hat;
d) dass PsSal eine "relecture .•• pietiste du corpus sapientiel canonique"
(196) darstellt (Auflistung S. 186-192). -Die ebenfalls unveröffentlichte
Dissertation von HAILSON, ~okmah - Sophia. A Study af Wisdom in the Hellenistic Age (Liverpaal 1972/73), konnte ich leider nicht zur Einsidht bekommen.
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licher Literatur biblischer, frühjüdischer, neutestamentlicher,
griechischer und
orientalischer Eigenart zeugen und das grosse
Kontinuum der weisheitliehen Grundevidenzen, welche das antike
Leben prägten zur Geltung bringen wollen.
Die Frage nach dem, was innerhalb dieses komplexen Ganzen christliche Weisheit sei, ist die für einen christlichen Theologen
wohl dringlichste Angelegenheit. Sie ist hier nicht beantwortet.
Meines Erachtens ist aber auch mit diesem dem Frühjudentum geltenden, notwendigen ersten Schritt schon einiges gewonnen, was
über die bisherigen Beobachtungen und Einsichten hinausführt. Jedenfalls ist die Engführung, welche die Studie von SCHMID bewirken könnte, Überwunden und ein Anliegen, das auf den letzten
Seiten seiner Studie deutlich wird, weitergeführt. Es scheint
ja, dass die Todesanzeige der Weisheit bei SCHMID für einmal
nicht so endgültig gemeint ist. Die Häufung der Fragezeichen,
welche SCHMID's Suche nach Ausläufern der Weisheit bei den
Propheten oder in den gesetzlichen Partien des Alten Testamentes kennzeichnet, deutet auf eine zu hoffende Auferstehung
des "genuin" weisheitliehen Anliegens hin ! Erstaunlicherweise
wird jedoch in einem grossen Sprung Über die frühjüdische Literatur hinweg die Frage direkt an das Neue Testament weitergereicht :
"Was geschieht im Rahmen von Jesu Verhältnis zu Welt,
Zeit und Geschichte mit der Weisheit ? Vermag sie allenfalls dort im wahrsten Sinn Weisheit zu bleiben, vermag
sie vielleicht allein da, wo in radikaler Weise die Existenz
des Menschen ausserhalb der Welt gegründet ist, wirklich
offen zu sein für die begegnende Wirklichkeit ?"(201).
Erst das Frühjudentum bildet jedoch den Boden, auf welchem
man diese Fragen stellen und auch eine Antwort darauf erwarten kann. Sonst bleibt es beim rhetorischen Aufriss des
Alten Testaments durch den christlichen Exegeten, bei einer
perspektivischen Ausweitung, die ins Vage geht.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
30
Einleitung
Wenn die folgenden Ausführungen es ermöglichen, die Frage von
c
/
c
Mk 6,2b Par Mt 13,54b : "t"LG 11 OOCjlLa 11 6o8e:'Lcra "t"OU"t<t>; richtig:er
zu stellen, haben sie einen Schritt weiter in der Erforschung
/
/
des "Wesens und der Geschichte der Weisheit" getan.
Und da
es dabei nicht nur um "einen in der Luft schwebenden Turm" wie
in bSanh l06b (s.u.
s.
409), sondern um ein unersetzbares
"Fundament" (vgl. 1 Kor 3,10f.) geht, ist auch die kritische
Gegenfrage von.Raba (Bab., gest. 352 n.) zu ertragen : "Ist denn
das Stellen von Fragen etwas Grosses ?"
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
I. WEISHEITSREFLEXION UND WEISHEITSMATERIALIEN
IN DEN FRUEHJUEDISCHEN BEKENNTNISGRUPPEN
Besondere Einsichten sind meist der Ursprung von Gruppenbildungen, sei es, dass eine Einzelperson ihre individuelle Erfahrung
als Offenbarerische Evidenz darzulegen vermag, sei es, dass eine
Gruppe in der Auseinandersetzung sich auf konstituierende Elemente ihres Selbstverständnisses besinnt und diese im ideologischen Rekurs zur inneren Stärkung und zur äusseren Abgrenzung
formuliert.
Beide Phänomene lassen sich in frühjüdischer Zeit an konkreten
Gruppen und Personen beobachten. Der Begriff "Weisheit" spielt
dabei, wie aus seiner alttestamentlichen Vorgeschichte zu erwarten ist, eine zentrale Rolle, weil sich in seinem Gebrauch
das Selbstverständnis der jeweiligen Gruppe darstellt und weil
sich in der Transformation der Inhalte die neuartigen Aspekte
der Erkenntnislehre dieser Gruppe zu erkennen geben. Mit der
erkenntnistheoretischen Reflexion der Bekenntnisgruppe geht Hand
in Hand der Versuch, Anleitungen für die Bewältigung des Lebens
im Sinn und Geist des gewählten Bekenntnisses zu formulieren •
. Weisheitliche "Materialien" in Logienform, als Lehrrede oder als
Paränese spiegeln somit in vielfacher Brechung die Grundoptionen
der Gruppe.
In diesem ersten Kapitel geht es deshalb darum, in einem Ueberblick die wichtigsten Elemente der frühjüdischen Weisheitsreflexion
(31)
http://hdl.handle.net/10900/56118
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32
Kap. I
und einige Materialien der entsprechenden Weisheitspraxis zu erfassen. Die beiden Hochformen solch frühjüdischer Weisheit (als
Theorie und Praxis) sind bekannt : Es sind dies die Tora - Weisheit und die apokalyptische Weisheit.
http://hdl.handle.net/10900/56118
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l,
DIE TORA - WEISHEIT
Das Schlagwort "Tara-Weisheit" fasst jene Weisheitsvorstellungen
zusammen, die sich seit dem Exil bei der intellektuellen Elite der
Schriftgelehrten, Pharisäer und Rabbinen
herausbildeten. In die-
ser grossendenkerischen Bemühung, welcher es keineswegs nur um
eine richtige Praxis geht, erfährt die altorientalische Schöpfungsund Lebensweisheit eine organische Weiterentwicklung, ja kraftvolle Synthetisierung. Diese grundsätzlich positive Wertung Übersieht keineswegs, dass die Verbindung vorn "Gesetz Mose" .rni t der
rm:::m
den Weisheitsbegriff wesentlich beeinflusst und verändert
hat, doch hütet sie sich davor, diesen zu einer erstarrten, geschichtsenthobenen Form dekadenten Weisheitsbernühens im "Bündnis
zwischen Nornisrnus und Weisheit" 1 zu erklären.
Dies kann sowohl an einigen typischen Sachverhalten betreffs
Gesetz und Weisheit in israelitisch-frühjüdischer Zeit wie auch
an der inner-frÜhjÜdischen Denkentwicklung und Problernbewältigung aufgezeigt werden.
1.1 Von der hilh als Weisung zur'Weisheit' als Tora
a) Die Grundbedeutung von hilh als "Weisung", "Belehrung" des
Weisen (Spr 13,14; 7,2), des Vaters (Spr 4,lf.), der Mutter
(Spr 1,8; 6,20) und die Parallelsetzunq des Wortes mit dem ganzen Spektrum weisheitlicher Begriffe
nn~n,
hi~D,
ibiD, iJI
usw.) zeigen, "dass die weisheitliehe törä ••. als ein von prie-
l) FICHTNER, Die altorientalische Weisheit 93; vgl. BAUMGARTNER, Israelitische
und altor. Weisheit 29f.; SCHMID, Wesen und Geschichte l52f.l95f. Dagegen:
VON RAD, Weisheit in Israel 314ff.38l, Anm. 16; WORRELL, Concepts of Wisdom
388ff.; ZENGER, Die späte Weisheit 54. - Vgl. auch AUDET, Origines comparees
de la double tradition de la loi et de la sagesse 355ff., der die ursprüngliche Zusammengehörigkeit weisheitlicher und gesetzgeberischer Tätigkeit
in vorstaatlicher Zeit betont.
(33)
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. I.l.l, Ziff. a
sterlieber und prophetischer törä unabhängiges Geschehen betrachtet werden" muss 2 . Oie priesterlichen und prophetischen Weisungen
sind vielmehr ihrerseits im weiteren Kontext weisheitlieber Belehrung zu sehen. Nur und erst in der deuteronomistischen und
Chronistischen Literatur verbindet sich der Begriff n11n fest
mit dem Namen Mose (s. TEXT 9) und bezeichnet in den späteren
Erweiterungen den "schriftlich fixierten Jahwewillen" 3 • Spr,
Ijob und Koh brauchen aber die Termini "Gesetz", "Bestimmungen"
usw. weiterhin im weisheitliehen Sinn 4 • In den Tara-Psalmen
1; 19 und 119 sind dann die beiden Komponenten von n11n als
Weisung und Gesetz hymnusartig (Ps 1.19) und meditativ ausholend
(Ps 119) dargelegt und zu einer "Einladung, die Tora als Hilfe
zur Jahwe wohlgefälligen Lebens- und Weltbewältigung zu akzeptieren"5, gestaltet (s. TEXT 10).
Weisheit bezeichnet ja schon von alters her eine exzellente Art,
auf die von Gott herkommenden Welt- und Lebensordnungen zu hören; schon seit je legte sie sich damit als "Gottesfurcht" aus
(s. TEXTE nach 10), auch wenn die konkreten Weisungen (nliln)
über die Kommunikationskanäle der Eltern, der Weisen, des KÖnigs,
des Priesters oder Propheten vermittelt wurden. Weisheitlieber
Gehorsam aufgrund von eigener Einsicht in die gottgewollte Ordnun oder Befolgung eines Gesetzes, in welchem der Gotteswillen
präsent geglaubt wurde, sind zwei mögliche Formen der Annahme von
n11n, die sich nicht auszuschliessen brauchen, auch wenn die Geschichte ihres gegenseitigen Verhältnisses voller Antagonien
ist.
Es ist nun äusserst bedeutsam, dass in der nachexilischen Zeit
sowohl in der weisheitliehen Reflexion, wie auch in der Schriftgelehrten Beschäftigung mit dem Gesetz neue, für das spätere Ju-
2) LIEDKE/PETERSEN, Art.: n,1n, ThHWAT 2 (1976) 1034.
3) Ebd. 1041.
4) Vgl. FICHTNER, Die altorientalische Weisheit 81-90; WORRELL, Concepts of
Wisdom 20-25.
5) ZENGER, Die späte Weisheit 51.
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Kap. I.l.l, Ziff. b/c
35
denturn entscheidende Aspekte hervortraten, die die Geschichte
der Weisheit weithin mit ihrer Prägung versahen :
b) Seit der nachexilischen Reform durch Esra (ca. 450 v.) und
6
dem Erlass des Artaxerxes (Esr 7,11-26)
war die in der Tora
zusammengefasste mosaische "Weisung" die von den persischen
Herrschern genehmigte Verfassung der jüdischen Heirnkehrergemeinden. Dadurch hatte sie eine eminente Bedeutung als volksbildender
und gegen aussen abschirmender Faktor und wurde immer mehr die
alles regulierende Grösse im praktischen Leben. Die Verheissungen
von Wohlergehen und nationalem Bestand waren an das "Halten
des Gesetzes" gebunden - wie das Deuteronomium unablässig verkündet, - und seit Esra hiess dies : an den konkreten, bürgerlichen Gehorsam. "Die Torah galt allen Richtungen als •••
Norm des menschlichen Verhaltens, als segens- und gnadenreiche
Willensoffenbarung Gottes, in der man für alle Lebensbereiche
Weisungen zu finden meinte" 7 • Sie war die beherrschende theologische und innenpolitische Grösse, welche zwar unter der
Realpolitik der Hasmonäer ihre theokratische Tendenz aufgeben
musste, aber immerhin im entstehenden Grassreich - dem versprochenen Idealbild des Dtn - zum alle privaten und sozialen Bereiche umfassenden Programm werden konnte.
E) Andererseits hat das alte Weisheitsdenken mit seiner Hauptaufgabe, die göttlichen Grundordnungen der Welt zu erfassen
und in der sozialen und privaten Sphäre zur Geltung zu bringen,
in der gleichen Zeit einen tiefgehenden Wandel erfahren : Die
Spekulation
ü. b e r
die Weisheit wurde zu einem eigenen
Denkbereich auch der frühjüdischen Weisen; die "reflektive
6) Zum geschichtlichen Kontext s. FOHRER, Geschichte der israel. Religion
363-4o2 (Lit.).
7) MAlER, Geschichte der jüd. Religion 20f.23, Anm. 12 (Lit.); MANTEL, The
Development of the oral Law 42: "There can be little doubt that by the time
of the Maccabean period the Halaka had penetrated every aspect of life, individual, social, and national."
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Kap. I.l. 1, Ziff. c
Weisheit"
(als Hypostase, mythische Gestalt oder Personifika-
tion)8, möge sie nun Über aramAch 54,1 (s. TEXT 1) in die kanaanäische,mesopotamische oder ägyptische Welt zurückverbunden
9
werden , gehört seit den Lehrgedichten in Ijob 28 (spätestens
3. Jhd.v.) und Spr 8,22-31 (um 300 v.)
zu den gängigen Specula-
tiva des Frühjudentums, sowohl im palästinischen Mutterland
wie in der Diaspora. Wie die ZuBarnmenstellung der wichtigsten
Texte zeigt, wurden der
zahlreiche theologische, kosmo-
logische und anthropologische Funktionen zugeschrieben, die
sie zu einer der farbenreichsten Gestalten des frühjüdischen
Denkens machten, der sich nicht einmal die qurnranischen Mönche
entziehen konnten 10 .
Sie war vorweltliches GeschÖpf Gottes :
pal.:
aeg.:
Spr 8,22-26; Sir 24,9
ARISTOBULOS, Frgt 5 (Beginn); PHILO, Virt 62; Ebr 31,
Weltplan und Schöpfungshilfe
pal.: Ijob 28,25ff.; Spr 3,19f.; Fragm.-Targum und Neofiti
I zu Gen 1,1
aeg.: Weish 9,2; PHILO, Det Pot Ins 54.116; Fuga 109; slav
Hen 30,8 (A),
vielgestaltige Eigenschaft, Gefährtin, Geliebte, Tochter, ja
Gattin Gottes
pal.: Spr 8,30f.; Sir 24,3
aeg.: Weish 7,22-26; 9,4; PHILO, Cher 49; LegAll 1,64,
8) Das Problem der Bezeichnung dieser Weisheitsgestalt ist, auch wegen seiner
Bedeutung für die Weisheitschristologie (s. u. Kap. VI.2.l.l), schon so viel
erörtert worden, dass WORRELL mit Grund von einer "obsessive fixation" sprechen kann (vgl. Concepts of Wisdom 57). Um die vielfachen Bedeutungen, welche die Einzelanalyse der einschlägigen Texte (s. u. TEXTE l-8.15-l7a.26-36)
erheben kan~ nicht zu pressen, habe ich in Anlehnung an FIORENZA, Wisdom
Mythology 29.33f. (s. Anm. 13), die neutrale Wendung "reflective wisdom" gewählt. Damit sei zugleich angedeutet, dass hier die Gesamtinterpretation der
Weisheitstexte n i c h t
im Sinne eines kompletten Weisheitsmythos (BULTMANN, WILCKENS, WINDISCH u.v.a.) oder einer progressiven Mythisierung (DUERR,
SCHENCKE), sondern vielmehr als Aspekt einer allgemeinen, jüdisches und
christliches Denken umfassenden Denkbewegung verstanden wird, welche FIORENZA
als"reflective mythology" bezeichnet hat. -- Ausführlicher u. Kap. VI. 2.1.
9) Kanaanäisch: ALBRIGHT, Same Canaanite-Phoenician Sources of Hebrew Wisdom 7f.;
STORY, The Book of Proverbs 333-337. Assyrisch: LANG, Frau Weisheit 149-152.
Aegyptisch: DONNER, Die religionsgeschichtlichen Ursprünge. Zum griechischen
Einfluss: HENGEL, Judentum und Hellenismus 277f. Weitere religionsgeschichtliche Herleitungen bei MACK, Logos und Sophia 14-16. Zu Achikar Pap 54,1
s. u. Kap. IV.l und 8.
10) Zum auffallend häufigen Vorkommen von F r a u Weisheit in Qumran s. u. Kap.
3, TEXTE 61-63. - Die folgenden Stellen sind nur eine Auswahl.
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Kap. I.l.l, Ziff. c
geschichtswirkende Kraft
pal.: Sir 44-50
aeg.: Weish 10-12.16-19,
manchmal verweigertes Geschenk an die Menschen
pal.: Sir 1,9b-10; 24,7-10; Bar 3,37.38
aeg.: Weish 6,12-16,
(un}auffindbares, hÖchstes Gut :
pal.: Sir 1,2-8; Bar 3,15-37; Ijob 28,1-23
aeg.: Weish 6,12-16 (!}; 9,13; auch aramAch 54,1.
Die Gestalt der
ilb~TI
als lebendige Neuform der altorientalischen Ordnungs-Personifizierungen (Maat/Me} 11 erlangte in der
frühjüdischen Reflexion jene the.oretische Bedeutung, welche im
praktischen, sozia-politischen Leben, doch auch schon in eini12 , d.1e '',..,...,.,
. h en Ansatzen
..
.
gen d en k er1sc
, ll inne h atte. D1ese
Tora a 1 s
das nachexilische "Gesetz vom Himmelsgott"
(Esr 7,12.21} hatte
in der neubelebten 'Weisheit', die "aus dem Mund des Allerhöchsten
hervorging"
unangenehmen
(Sir 24,3} und sich in einer Vielzahl von z.T. recht
weisheitliehen Schriften (Ijob, Koh} dokumentierte,
eine reelle Konkurrentin bekommen, umso mehr als dann in hellenistischer Zeit die Tarafrömmigkeit starke Einbussen erlitt und
weisheitlieh-einsichtige Weisungen grösseres Verständnis fan13
den •
11) Hierzu s. vor allem SCHMID, Wesen und Geschichte 17-22.115-118; auch KEEL,
Die Weisheit spielt 63-72, zu Spr 8,30f und der ägyptischen Maat-Ikonographia
12) Die Verbindung von Schöpfungsordnung und (Sabbat-)Gesetz betonte schon der
priesterschriftliche Schöpfungsbericht, vgl. die verstärkende Darstellung in
Jub 2f. Die Theorie vom Tun-Ergehen-Zusammenhang ist im dtn Geschichtswerk
durchgehend am Verhalten der israelitischen Könige exemplifiziert.
13) Der Kampf gegen den Polytheismus, den KNOX, St,Paul and the Church of the
Gentiles 55-89, an den Anfang seiner kurzen Geschichte der frühjüdischen
Weisheitsgestalt stellt, ist ein weiterer Grund ganz anderer Art, welcher
die Verbindung von'Weisheit'und Gesetz förderte und zu einer propagandistischen und apologetischen Nutzung trieb, vgl. CAUSSE, La Sagesse et la propagande juive 148ff. FIORENZA, Wisdom mythology 33, fasst die theologischen
Gründe für die Entstehung der weisheitli.chen "reflective mythology" in vier
Punkte zusammen: "The post-exilic conununity's problern of theodicy and its
missionary interests in the face of the renewed Isis-cult, Philo's concern
for the transcendence of God, or the gnostic longing for salvation."
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Kap. I.l.l, Ziff. d
~
Es ist die geniale, wenn auch noch unvollkommen gelungene
Leistung des Jeschua• ben Elcazar ben Sira,
beiden Grössen
das Ueberleben ermöglicht zu haben, indem er in seinem Weisheitslied Sir 24 die eine (3-22) mit der anderen (23-29) verband (s. TEXTE 8.11). Wohl unter dem Einfluss der umlaufenden
Isis-Aretalogien 14 , möglicherweise nach stoischem Vorbild 15 ,
sicher aber auch im Weiterdenken von Ijob 28
3,19f.
(s. TEXT 3), Spr
(s. TEXT 4); 8,22-31 (s. TEXT 5) und Dtn 4,6ff.
(s. TEXT
9) identifiziert er "die Weisheit als das 'Urbild' und das
'Ordnungsprinzip' der von Gott geschaffenen Welt, die 'auf alle
Werke (Gottes) ausgegossen' wurde (Sir 1,9), mit der fest umrissenen sittlichen Norm des jüdischen Frommen, der Israel am
Sinai exklusiv mitgeteilten Tara . • . • Damit wurde die vielscqichtige und missdeutbare Vorstellung der kosmischen Weisheit
untrennbar mit der Geschichte Israels verbunden und umgekehrt
der zur Zeit Ben-Siras in Jerusalem angefochtenen Tara eine
übergeschichtliche und zugleich rationale Basis gegeben" 16
Der neue Einsatz in Sir 24,23, welcher zusammenfassend auf die
lange Weisheitsrede (24,1-22) zurückblickt und deren gesamte
Selbstprädikationen (•au•a nttv•a) , ob diese nun passen oder
nicht, in das "Bundesbuch des höchsten Gottes" investiert, verrät deutlich die Anstrengung dessen, der hier einen bedeutungsschweren denkerischen Kraftakt vollführt. Durch das Bild von
der bei allen VÖlkern wohnungssuchenden 'Weisheit', das Sirach
als erster vorlegt (24,6f.; vgl. äthHen 42,lf. = TEXT31) ver-
14) Texte bei DITTENBERGER, Sylloge Inscriptionurn Graecorurn III, 390ff., Nr.
1267 (von los); PEEK, Der Isishymnos von Andros 15-22 (von Andros); 122-125
(von Kyme und los); 129 (von Kyrene); 135 (von Gomphoi in Thessalien);BERGMAN, Ich bin Isis 301-304 (von Kyme und Esna). Vgl. CONZELMANN, Die Mutter
der Weisheit 225-234.
15) WORRELL, Concepts of Wisdom 70; HENGEL, Judentum und Hellenismus 308f.;
WEISS, Untersuchungen 282ff.
16) HENGEL, Judenturn und Hellenismus 289. Er vermutet zudem (290), dass "in dem
Kreis von 'soferim' um Sirnon den Gerechten, ... dem Ben Sira nahestand", diese Gleichsetzung erstmals zustande kam; vgl. MOORE, Judaism 1,265. Dagegen
könnte FICHTNER's Beobachtung sprechen, "dass wir die ersten Spuren dieses
BÜndnisses gerade in den Pss finden", dass sich Gesetz und'Weisheit' also
"zuerst im Glauben und Denken des einzelnen Frommen (nicht in der Schulweisheit) gefunden haben" (Die altorientalische Weisheit 97, Anm. 1). Die Weisheitspsalmen sind jedoch spät zu datieren und stellen sicher keine Volksdichtung dar. Auch Dtn 4,6ff. (s. TEXT 9) ist ein Schultext.
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Kap. I.l.l, Ziff. d
mag er - mittels göttlichem Befehl (24,8)
Zion/Jerusalem "Wurzeln fassen lassen"
die'Weisheit' zwar in
(24,12), aber damit war
die Identifizierung mit dem "Buch des Bundes" noch keineswegs
gegeben. "Im heiligen Zelt diensttuend"
(10) erinnert ja an
das Handeln eines Liturgen, wie überhaupt die Schilderung von
Fruchtbarkeit und Lebensfülle (24,11-22) auf den Tempel und seinen heiligen Berg verweisen. Es brauchte die deutliche "Identifikationsformel" "ta{h;a nav"ta von 24 I 23 I um die Buchwerdung der
'Weisheit' plausibel zu machen.
Auch bei Baruch, der wahrscheinlich von Sir 24 abhängig ist,
kann man in 3,15-38 + 4,1 (s. TEXTE 7.12) die Bemühung um eine
möglichste Ineinssetzung noch sehen. Die wiederholten Fragen nach
dem "Ort" der 'Weisheit', welche er aus Ijob 28 (s. TEXT 3) und
Sir 1,2-6 (s. TEXT 6) aufnimmt, beantwortet er zwar vorerst genau gleich mit Gottes alleiniger Allwissenheit (vgl. Ijob 28,28
und Sir 1,11-20 mit Bar 32.37a), weist "dem Menschen" dann aber
nicht wie jene die Gottesfurcht zu, sondern macht die 'Weisheit',
Sir 24,8b in den Indikativ Übersetzend, zur Gabe (~OWKEV) Gottes
an "seinen Knecht Jakob und seinen Liebling Israel" (3,37).
Damit wäre der Gedankengang abgeschlossen. Der folgende Vers 38
17
ist evident nachklappend
unÖ. TOUTO ~TtL TTl!; y]k ~8n,
KaL
TOLl; &vap~TtOL!; cruvavEcr"tpawn.
ev
Nach der Einschränkung auf Israel in v. 37 wird damit anhand des
Bildes von der 'Weisheit', die auf Erden erscheint und mit den
Menschen verkehrt (vgl. Spr 8,3lc;
äthHen 42,la.2a) nochmals
die alte Vorstellung von der universalen Präsenz der'Weisheit'
(vgl. Sir l,9c.l0a; 24,6b; llQPsa 145, Kol. XVIII, 5b.6b) angeführt. So ist denn die "Identifikationsformel"
athn
n ß(ßA.o!;
doppelt nötig, damit endlich das eigentliche Anliegen Baruchs
17) CHRIST, Jesus Sophia 33, Anm. 78. ~ach ROTHSTEIN, Das Buch Baruch 221, Anm.
g, ist Vers 38 ein "Einschub von christlicher Hand". Selbst wenn diese Auffassung "nicht zwingend" (GUNNEWEG, Das Buch Barucl1, 177, Anm. 1) ist, so hat jedenfalls die Vulgata den Schritt zur Sophia-Christologie getan: "Post haec,
in terris visus est, et euro hominibus conversatus est." -Weshalb die Bible
de Jerusalem 1242, Anm. a, behaupten kann, "ce ll'est pas une pensee universaliste", ist mir nicht einsichtig.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. I.l.2, Ziff. a
40
zum Ausdruck kommen kann: der exklusive Besitz der'Weisheit'
durch Israel im "Gesetzbuch Gottes". Seinetwegen sind die Israeliten glÜcklich zu preisen, da sie die &pEcr'~ •ou &EoÜ (vgl.
Weish 9,18) kennen und sich deshalb Gott wohlgefällig verhalten
können ( 4 ,3f.) •
Diese zwei exemplarischen Texte haben in allen Gruppierungen des
Frühjudentums Schule gemacht. Zahlreiche Stellen in den Pseudepigraphen, den Targumim, der rabbinischen Haggada, bei Philo und
Josephus, in den Schriften von Qumran (s. TEXT 64), aber auch
bei den historisierenden Exegeten und Romanciers 18 zeigen, dass
diese strikte Gleichsetzung von n11n und
nn~n
zu den gängigen
Theologumena des ganzen nachfolgenden Denkens im Bereich des
Jahweglaubens gehörte. Welche tiefgreifenden Veränderungen für
das Verständnis sowohl von "Weisheit" wie auch für "Gesetz"
diese Identifizierung hervorgerufen hat, soll das nächste Kapitel kurz aufweisen 19 .
1.2 Die Folgen der Identifizierung von'Weisheit'und Gesetz
a) Mit der Identifizierung von Schöpfungsordnung ('Weisheit') und
Gesetzesordnung (Tora) , welche in Sirachs Identifikationsformel
ihren präzisen Ausdruck bekam, aber schon längst in den nachexilischen Denkbemühungen angelegt war, wurde "jene Entwicklung
eingeleitet, in welcher der Berufsstand des 'Weisen' als des
Weisheitslehrers mit dem Berufsstand des nachexilischen 'Schreibers' als des Tradenten und Interpreten der Tora mehr und mehr
zusammenfällt . • . • Aus dieser Verbindung des 'Weisen' und
'Schreibers' als den vom Geist erfüllten Lehrern der Weisheit
=
Tora entsteht der komplexe Begriff des Schriftgelehrten, sei
18) S. u. Kap. II.l, bes. zu EUPOLEMOS und ARTAPANOS.
19) HENGEL, Judentum und Hellenismus 309-318, gibt eine eindrückliche Darstellung
dieses Prozesse~ Als Korrektiv zu seiner doch etwas massiv geratenen Betonung der Vergesetzlichung der Weisheits. ZENGER, Die späte Weisheit 50f.;
WORRELL, Concepts of Wisdom 65-70.
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Kap. I.l.2, Ziff. b
es in dem konservativ-engeren Sinn der Sadduzäer, nach denen
die Torader deutenden Lehre des 'Weiserrvorgeordnet bleibt, sei
es in dem 'progressiven' Sinn pharisäischer Schriftgelehrsamkeit, die um die Tora ihren weisheitliehen 'Zaun' errichtet"
(Ab 3,2) 20 •
Dies ist eine erste, soziologische "Folge" des weisheitliehen
Denkprozesses. Die Entstehung eines neuen Gelehrtentyps, eines
neuen Weisheitsideals ist eine konkrete Begleiterscheinung des
Bundes von Gesetz und'Weisheit'und demonstriert dessen innergeschichtliche und innerzeitliche Bedeutsamkeit. Die geglaubte
Präsenz des Gotteswillens in den Buchstaben, Worten, Sätzen und
Zusammenhängen des Mosegesetzes trägt dann auch ihr
Gewichtiges
bei sowohl zur rigorosen Befolgung des Gesetzes, dessen kasuistischer Absicherung und schriftlicher Fixierung, als auch zur Hochachtung all jener Personen, die dieses Gesetz auslegten und aktualisierten (Schriftgelehrte), in der Kult- und Rechtspraxis
handhabten (Priester und Richter) oder auf vorbildliche Weise
in ihrem privaten Leben verwirklichten (die
b~P~i~).
b) Die Tora selbst hat vor allem durch die Uebertragung chokmatischer Aussagen wie jene von der Vorweltlichkeit, des Weltenplanes, der Schöpfungsmittlerschaft, der Geschichtswirksamkeit
und der heilvollen Geborgenheit bei Gott (s. TEXTE 3-8) ihre
eigentliche spekulative Fundierung erfahren, welche ihre schon
länger erkannten
heilsgeschichtlichen Dimensionen mit ganz
neuen Aspekten anreicherte. Ueber das Motiv der Wohnungssuche
der
universalen'Weisheit~
welche im mosaischen Gesetz ihre Er-
füllung und ihr Ende fand, bekommt Israels Gesetzgebung eine
Begründung in einem der stärksten Mythologeme jener Zeit. Die
das Volk der nachexilischen Juden konstituierende Staats-Tora
wurde dadurch als welt- und geschichtsstiftende, Israel vorausgehende, aber auf Israel ausgerichtete Grösse erkannt. Als
Plan der Welt wurde die Tora sowohl zum zentralen ontologischen
20) ZENGER, Die späte Weisheit 55f.
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Kap. I.l.2, Ziff. b
Prinzip alles Seienden, wie auch zum zentralen erkenntnistheoretischen Prinzip aller menschlichen Denkbemühungen um Welt,
Geschichte und Mensch. "Sie wurde so zum Schöpfungs- und Offenbarungsmittler zwischen Gott und der Welt. Die Ausbildung einer
massiven Inspirations- öder besser 'Mitteilungslehre' war dabei
im Grunde selbstverständlich:
'Die ganze Tora ist vom Himmel',
und kein Vers durfte davon ausgeschlossen werden" 21 • Wer einen
Vers veränderte oder vergass, "hat die Welt zerstört"
(bErub
13a) - das ist die richtige spekulative Folgerung : Das Fortbestehen der Welt und ihrer Ordnungen hing von der Einhaltung
der Tora unmittelbar ab. Die Schriftgelehrten waren die "Väter
der Welt" 22 ; die jüdischen Frommen hielten den Weltengang aufrecht (vgl. Ab 1,2).
Durch diesen Zusammenschluss von Mosegesetz und Weltordnung
wurde nicht nur die Welt ein sinnvolles, prinzipiell erkennbares
Ganzes, auch die in sich selbst nur lose zusammenhängenden zahlreichen Einzelbestimmungen des Gesetzes bekamen von der "guten"
Welt Gottes (Gen 1), wie sie sich in ihren geheimnisvollen, aber
harmonischen Abläufen zeigt, eine einzigartige Kohärenz. Die
Tora war deshalb für das Schriftgelehrte Judentum eine ebenso
einheitliche, welt- und heilsgeschichtliche Grösse wie für die
apokalyptischen Bewegungen (s. Kap. 2) 23 • Diese Kohärenz wird
jedoch erst erkennbar, wenn man die chokmatischen Dimensionen
im Auge behält und in ihrem Geist die rabbinischen Argumentationen, welche verwickeltste Formen annehmen können, als Aufdeckung der in der Tora verborgenen göttlichen Logik zu verstehen sucht.
21) HENGEL, Judentum und Hellenismus 312.
22) Der Titel 0~1yn h1~~ ist ein Ehrenname, den bBer 1Gb auf die drei Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob beschränken möchte (vgl. Weish 10,1: Adam),
der jedoch auch für Hillel und Schammai (<Edu 1,4) und für Jischma•el und
•Aqiba (jRhasch 1,56d,21; jScheq 3,47b,22) gebraucht wurde, vgl. BILLERBECK
I, 918. Das ist nicht nur "übertreibende Verherrlichung" (SCHRENK/QUELL, Art.:
naTnp, ThWNT 5 (1954) 959).
23) Vgl. WEISS, Untersuchungen 286ff; ZENGER, Die späte Weisheit 54; NISSEN, Tcra und Geschichte 250-258. Alle drei gegen ROESSLER, Gesetz und Geschichte,
bes. 15-20, wo das Gesetz für den Rabbinen "ein BÜndel von mehreren hundert
göttlichen Einzelgeboten und -verboten", für die Apokalyptiker jedoch "eine
grundsätzlich einheitliche Grösse" mit "spezifisch heilsgeschichtliche(r)
Funktion" ist.
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Kap. I.l.2, Ziff. c
43
c) Dass dadurch allerdings die Chokma ihr Wesentlichstes an
spekulativer Substanz abgegeben hat, ist die andere Seite dieser Uebertragung. Die Identifikation geschah eindeutig auf
Kosten der traditionellen 'Weisheit', welche zur Umschreibung der
24
Tora wurde, und nicht umgekehrt
Der entscheidende Begriff
war
Hll~,
dem auch der andere Name der
H~~H
gegeben werden
konnte. Weisheit als "Haltung" war deshalb notwendigerweise
Schriftgelehrtheit. Diese darf allerdings nicht auf ihre engste
Form, die gelehrte
Schriftauslegung, fixiert werden. Da die
Schrift ja wegen ihrer Identität mit der'Weisheit'die Zusammenfassung des Kosmos und der Menschenwelt, zugleich aber die Anleitung zu entsprechendem Verhalten und das Angebot von adäquater Erkenntnis war, waren ihre Gelehrten, je nach der Schärfe
ihres Erkenntnisvermögens, in allen Sparten menschlicher Weisheit überragend zuhause. Die verbalen Wettkämpfe zwischen TaraGelehrten und ägyptischen und griechischen Weisen (vgl. Kap. II.
3), die apologetischen Ausführungen der jÜdisch-hellenistischen
Exegeten und Historiker (vgl. Kap. II.l und 2 ) und die Betonung
der salomonisch anmutenden Gelehrsamkeit der Rabbinen, zeigen,
dass in der Verbindung von Gesetzeskenntnis und universalem
Wissen nicht nur in den apokalyptischen Geschichtssynthesen,
sondern auch im nicht-apokalyptischen Judentum Palästinas wie
der Diaspora die umfassendste Weisheit beansprucht wurde.
Gerade bei den Wettkämpfen fällt auf, dass auf jüdischer Seite
oft Aussagen, die aus rein weisheitlicher Tradition stammen 25 ,
mit einem ideologischen Mehranspruch vorgetragen werden, der
24) Vgl. VON RAD, Weisheit in Israel 314ff., und MARBOECK, 1-leisheit und Gesetz
6-9, welche eher die gegenteilige Bewegung annehmen. Es mag für Sir noch
stimmen, dass er "die Tara vom Verstehanshorizont der Weisheit her zu legitimieren und zu interpretieren" (Weisheit in Israel 316) versuchte, post
factum- das zeigen alle Texte - "hat die 'Weisheit' im Sinne einer Grösse,
die in entscheidender Weise bei der Erschaffung der Welt wie auch bei der
Erhaltung und Regierung der,Welt mitbeteiligt ist, grundsätzlich alle Bedeutung verloren und ihre kosmischen Funktionen - je später desto deutlicher an die Tara abgegeben" (WEISS, Untersuchungen 289); vgl. HENGEL, Judentum
und Hellenismus 309.
25) Siehe nur die künstliche Rückführung auf Gott der jÜdischen Weisheit im
m:pl. ßac:nÄe:CaG des EpAr 187-294; auch die Anfügung an 4. Stelle der "Wahrheit" als höchstes Gut im ,( ~ÄLO<CL - Wettkampf der drei Pagen bei 3Esr
3,10-12; 4,13-40.- S. u. Kap. II.3.2.
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Kap. I.l.2, Ziff. d
sich nur von der Berufung auf eine eigene, höchstqualifizierte
Weisheitsquelle her verstehen lässt. Es stellt sich dabei für
den frühjüdischen Weisen ein ähnliches Problem wie für den alttestamentlichen Propheten, der weisheitliehe Erkenntnisse mit
dem Plus seiner prophetischen Vehemenz vorträgt, ohne jene Erkenntnisse inhaltlich zu verändern. Weisheit ist auch dort präsent, aber unter einer neuen Qualifikation und mit einem neuen
Anspruch.
Dieser Sachverhalt spiegelt sich auch auf der Ebene des Verhältnisses von spätbiblischen Weisheitsschriften·und mosaischer
Tora. Je weiter die Integration der "späteren" Schriften zum
Offenbarungsgut des jüdischen Denkens fortschritt, umso stärkeren
Anteil erhielten jene am Offenbarungsanspruch der Mosetora. Damit ergab sich die paradoxe, aber für diese Art Weisheit typische Situation, dass genuin weisheitliehe Texte wie Spr, Ijob,
Koh (und auch .manchmal Sir) Über ihre Einordnung in das Corpus
der kanonischen Schriften. zu Offenbarungstexten wurden. Der
Kreis der "Weisheit aus Offenbarung" war damit geschlossen, ohne
dass man in die apokalyptische Esoterik verfiel. Weisheit im
traditionellen Sinn hatte deshalb auch nach der Investitur der
Tora noch ihren Platz, auf dem sie sich entfalten und weiterentwickeln konnte, doch stand sie seither stets unter dem (oft
unausgesprochene~ Primat der Tora-Offenbarung 26 •
d) Es wäre eine allzu einseitige Beurteilung der Sachverhalte,
wenn man die Weisheitsspekulation innerhalb des Schriftgelehrten
Judentums auf die strikte T.oraweisheit reduzieren wollte. Sie
stellt vor allem jene Umformung der Weisheitsgestalt dar, welche
im inneren Kern des orthodoxen, in den Rahbinismus ausmündenden
Frühjudentums geschah. Während die völlige Bindung der Weisheit
an die Tora (vgl. TEXTE 13.14) bei den Schriftgelehrten seit
Jesus Sirach zum unbestrittenen Dogma wurde, konnte sie bei den
26) Ein ähnliches Phänomen wird in der "christlichen Weisheit" -festzustellen sein,
wo frühjüdische Weisheitstraditionen als Herrenworte ihre frühere Funktion,
wichtige, den Gotteswillen formulierende Weisung zu.sein, in eminentem Masse
zurückgewinnen.
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Kap. I.l.2, Ziff. d
jüdischen Religionsphilosophen Alexandriens seit Aristobulos, einem ungefähren Zeitgenossen Sirachs, nie zur eigentlichen
dog-
matischen Festigkeit gedeihen. Die ao~Ca war in Alexandrien aufs
'
Stärkste mit dem griechischen AOYO~
verbunden 27 , und stand im
Dienst einer letztlich griechischen Erkenntnis-, Tugend- und
Erlösungstheorie. Innerhalb des so gearteten Umwandlungsprozesses kann deshalb PHILO den ganzen biblischen Gestaltenfundus
mit der ao~Ca in Verbindung bringen, wobei die Tora eine Grösse
unter anderen bleibt 28 •
Eine ganz andere Umformung tritt uns in der christlichen Weisheitsreflexion entgegen, welche doch auch als im "Bereich des
Jahweglaubens" geschehend beurteilt werden muss. Von der Quelle
Q bis in die frühchristliche Hymnik und die Texte von Nag Hammadi
(Lehren des Silvanos) sind sichere Spuren vorhanden, die von
einer einzigartigen Konzentration der palästinischen wie alexandrinischen Weisheitstheoreme auf Jesus als die endgültige Weisheits-, Offenbarungs- und Erlösergestalt zeugen.
Die Zusammenstellung von Kap. 1.3 folgt dem bis jetzt gebotenen Gedankengang : An die TEXTE 3-12, welche aus biblischen Büchern stammen und die
gemeinsame Grundlage aller .folgenden frühjüdischen und christlichen Reflexionen sind, schliessen sich in zwei weiteren Abschnitten einige Texte und
Materialien. einerseits aus der strikten rabbinischen Fortsetzung der chokmatischen Toralehre (TEXTE 13-17a), andererseits aus der letztlich platonisch
und stoisch inspirierten Weisheitsspekulation in Alexandrien (TEXTE 18-20)
an. Für die Frage nach der christlichen Verarbeitung der reflektiven Weisheit sei auf den Ausblick von Kap. VI.2.1.1 verwiesen.
27) Vgl. MACK, Logos und Sophia 108-195; GOODENOUGH, By Light, Light 22.158.273
u. Ö.; SCHENCKE, Die Chokma 50-73; PFEIFER, Ursprung und Wesen 5lf.; WILCKEN~
Weisheit und Torheit 139-159; Art.: oo~Ca, C. Judentum, ThWNT 7 (1964) 50lf.
(Funktion in einem alexandrinischen Mysterium); WEISS, Untersuchungen 204211 (mythologische und atl. Elemente).
28) LAPORTE, Philo in the Tradition of Biblical Wisdom Literature 114-127, stellt
Verbindungen mit verschiedenen Frauengestalten, dem Geist, dem Gesetz, dem
Tabernakel, Eden und dem verheissenen Land heraus. Vgl. auch die Uebersicht
bei FRUECHTEL, Die kosmologischen Vorstellungen 172-183 (Exkurs: Die Sophia
im Philenisehen Denken) •
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Kap. I.l.3, Ziff. A.a
1.3 Texte und Materialien zur Tara-Weisheit und
Weisheitsspekulation in Palästina und der Diaspora
A. 'Weisheit' als Personifikation, mythische
Hypostase
Gestalt oder
a) Zwei Paralleltexte aus dem Umkreis Israels:
TEXT 1
AramAch Pap 54,1 (COWLEY 125, Z. 95)
Auch für die Götter ist sie wertvoll,
auf immer ist für sie die Herrschaft,
im Himmel ist sie (ein)gesetzt (b~W),
9
denn der Herr der Heiligkeit hat sie erhöht. 2
Der Text wird unten Kap. IV.8, Ziff. 2 besprochen. Hier seien
nur auf die mit den folgenden Texten gemeinsamen Elemente hingewiesen: Kostbarkeit (vgl. Ijob 28,1-23Parr), Herrschaft (vgl.
bes. Sir 24,6.10), Aufenthalt im Himmel (vgl. Sir 24,4; Bar 3,29;
äthHen 42,1).
TEXT 2
Ijob 15,7f.
Elifas der Temanite verweist Ijob in die Schranken seiner menschlichen Weisheit, indem er ihn ironisierend mit dem Urmenschen
vergleicht. In diesem Vergleich melden sich mythologische Inhalte,
die eng mit der Weisheitsspekulation verbunden gewesen sein müssen (vgl. auch Sir 49,16; Weish lO,lf.) •30
Bist als der Menschen erster du geboren ?
Kamst du zur Welt schon vor den Hügeln ?
Hast du im Ratskreis Gottes zugehört ?
Und konntest dort du Weisheit an dich bringen ?
29) Aramäischer Text u. S. 388.
30) Vgl. SCHENCKE, Die Chokma 7ff. 73f.; COLPE, Art.
8 (1969) 414.
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Kap. I.l.3, Ziff. A.b
b) Die'Weisheit'vor und bei der Erschaffung der Welt:
TEXT 3
Ijob 28,25-28
Ein Lied von der für Menschen unauffindbaren, .überaus kostbaren
'Weisheit', zu der nur Gott den Weg kennt {1-23; s. u. bei TEXT 7),
und von der bei der Schöpfung von Gott als Bauplan benutzten
'Weisheit' {25-28)
:
25 Als er dem Wind Gewicht gab,
und die Wasser ordnete mit einem Mass,
26 als er dem Regen Ordnung gab,
und einen Weg dem Strahl des Donners,
27 da sah er sie und zählte sie nach,
stellte sie hin {1~~)31 und erforschte sie.
<28 Dann sprach er zum Menschen : Sieh,
Furcht des Herrn ist Weisheit,
32
und Enthaltung vom Bösen Einsicht.>
TEXT 4
Spr 3,19f.
Zwischen der Makarismus-Komposition 3,13-18 mit der Inklusion
~iiDM
{13) und iiDMO {18) und der Mahnrede an den Sohn
{~)~}
in
3,21-34 steht das kurze Lehrstück 3,19f.
19 Jahwe hat durch Weisheit begründet die Erde,
hat gefestigt die Himmel durch Einsicht.
20 Durch seine Erkenntnis spalten sich die Urfluten,
und träufeln die Wolken Tau.
Vgl. Weish 9,lf.; Ps 104,24; Jer 10,12.
TEXT 5
Spr 8,22-31
Innerhalb der dreifachen Selbstempfehlung der'Weisheit'in 8,4-11.
12-21.32-36 steht das selbständige Lehrstück von der'Weisheit'
als "Erstgeborene der Schöpfung" {22-26) und als spielendes,
weibliches Wesen bei der Erschaffung der Welt {27-3lb).
22 Jahwe erschuf mich als Erstling {n~IDMi) seines Waltens,
als Uranfang seiner Werke von damals.
23 Seit jeher bin ich geformt,
seit Anbeginn, seit den Urzeiten der Erde.
24 Als es noch keine Urfluten gab, wurde ich geboren,
als es noch keine Quellgründe gab, schwer vom Wasser.
31) SMSS haben
1~~;
doch ergibt
1,~
genügend Sinn, vgl. aramAch Pap
54,1:
c~w.
32) Vers 28 ist eine formal und thematisch abweichende Präzisierung eines TaraTheologen, vgl. PFEIFER, Ursprung und Wesen 24, Anm. 88 (mit Lit.); FOHRER,
Hieb I, 392; dagegen WEISER, Das Buch Hieb 199.
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Kap. I.l.3, Ziff. A.c
48
25 Bevor Gebirge eingesenkt wurden,
vor den HÜgelzügen wurde ich geboren,
26 als er noch keine Erde gemacht hatte und keine Steppen
und nicht die Masse des losen Erdreichs.
27 Als er (dann) den Himmel festmachte, war ich dabei,
als er den Horizont abgrenzte Über der Urflut,
28 als er den Wolken droben Kraft verlieh,
als die Quellen der Urflut mächtig wurden,
29 als er dem Meer seine Grenze setzte ( ••. ),
als er die Fundamente der Erde festlegte.
30 Ich war bei ihm, einem Meister (110~),
ich war (nicht als) Wonne Tag für Tag (01, 01,),
31 lachend und scherzend vor ihm die ganze Zeit,
lachend und scherzend auf dem Festland seiner Erde.
<c und meine Freude ist es, bei den Menschen zu sein> 33
Vgl. Fragmenten-Targum zu Gen 1,1 (GINSBURGER 3; vgl.l9),
das n,W~i~ mit no~n~ Übersetzt, aber am Rand als zweite Lesart die richtige aramäische Uebersetzung
I ,OiP7 I ,o gibt.
Vgl. TargNeofiti I (DIEZ MACHO 3), das beide MÖglichkeiten in Gen 1,1 kombiniert no~n~ I,OiP'?O und zusätzlich mit nlh,i [~iO~O] ~~~ ergänzt.
Vgl. auch Samaritanische Liturgie XIV,l (HEIDENHEIM 25):
"Am Anfang schuf Gott den Himmel mit seiner Weisheit."34
Vgl. PHILO, Op Mund 17f. (Gleichnis vom Architekt)
Sir 1, 4 (npo•e:pa ncxv•wv ); 24,9 (npo •oO at&\vo~) ~
bes. 24,3-6 (Weisheitsaretalogie; s. TEXT 8);
Weish. 9,9f. (cro~Ca e:tou~a ••. napoucra)~ lO,lf.
c) Die kostbare, nur von Gott findbare'Weisheit' als Gabe
an die Menschen, bzw. an Israel :
TEXT 6
Sir 1,1-10
Die Eröffnungsstrophe des Sirachbuches verbindet das Bild von
der vorzeitlichen'Weisheit' (4f.) mit einer eindringlichen Fragereihe (2.3.6), welche in Gott als dem Kenner und Geber der'Weisheit' gipfelt. Die Gabe ergeht dabei in dreifacher Stufung an
33) Ein ähnlicher Zusatz wie bei Ijob 28,28, vgl. KEEL, Die Weisheit spielt 15,
Anm. 23. - Uebersetzt nach Ebd. 13; zu den wichtigsten anderen Deutemöglichkeiten vgl. schon GenR 1,1 (zu (10M).
34) Ausführliche"Diskussion dieser targumischen und samaritanischen Stellen bei
WEISS, Untersuchungen 75-92.115-118.129-138.238-304.
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49
Kap. 1.1,3, Ziff. A.c
"alle Werke (9b) , "alles Fleisch"
(lOa) und "die ihn lieben" (lOb) .
1 Alle Weisheit stammt von Gott und ist bei ihm für immer.
2
Den Sand der Meere
und die Tropfen des Regens
und die Tage der Vorzeit
- wer kann sie aufzählen ?
3
Die HÖhe des Himmels
und die Breite der Erde 35
und die Tiefe des Meeres
- wer kann sie erforschen ?
4 Vor allen Dingen ist die Weisheit erschaffen
und die verständige Einsicht seit ewig
(5)
Die Wurzel der Weisheit
6
- wem ward sie enthÜllt ?
und ihre Machenschaften
- wer kennt sie ?
(7)
8 Einer ist weise, äusserst furchtbar,
sitzend auf seinem Thron : Der Herr
9 Er selbst hat sie erschaffen,
er hat sie gesehen und gezählt,
und er hat sie ausgeschüttet Über alle seine Werke,
10 bei allem Fleisch nach seiner Gabe,
und er hat sie jenen verliehen, die ihn lieben.
(Dann folgt in 1,11-20 eine neue formale Einheit : Der Hymnus
auf die Gottesfurcht, dessen Bilder ebenso aus 1,1-10 entwickelt
sind wie die vielleicht christlichen Zusätze der Verse 5 und 7.
Tora-Weisheit und Christus-Weisheit hapen hier gute Ansatzpunkte.)
TEXT 7
IVgl. Ijob
Bar 3,15-38
28
Durch die Rahmung (3,9-14 und 4,2-4) als Mahnrede gestaltet bildet 3,15-38 (+4,1) in Anlehnung an Sir 1 und 24 und bes. Ijob 28
ein Lied, das alle bisherigen Motive zusammenfügt und ausgestaltet und schliesslich - über das Lob der Gottesfurcht bei Sir
hinaus - in der Identifizierung mit dem Gesetz
(s. TEXT 12) endet
15 Wer fand ihren Ort,
und wer drang zu ihren Schätzen vor ?
28,12.20
(Weder die Mächtigen, noch die Reichen, noch
die Kunstfertigen aller Generationen (16-21) ,
noch die Weisen Kanaans, Midians und Temans
(22f.), noch die Riesen der Vorzeit (26ff.)
fanden "den Weg der Weisheit".)
35) Nach Vulg: profundum abyssi; LXX hat: ~ßuooov Ka\ 'nv oo~Cav.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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28,23
Kap. !.1.3, Ziff. A.c
50
29 Wer stieg zum Himmel hinauf und nahm sie,
und brachte sie von den Wolken herab ?
28,2lb
30 Wer fuhr Übers Meer und fand sie,
und wer wird sie (heim)bringen für erlesenes
Gold ?
31 Keiner ist, der ihren Weg kennt,
und keiner, der ihren Pfad ausdenkt,
32a Nur er, der alles weiss, kennt sie,
ausfindig gemacht hat er sie mit seiner
Einsicht
28,14
(32b-36 : hymnische Preisung des
gottes)
Schöpfer~
37 Ausfindig hat er jeden Weg der Erkenntnis
gemacht,
und er hat sie gegeben Jakob seinem Sohn
und Israel, dem von ihm Geliebten.
<38 Darauf erschien sie auf der Erde 36
und verkehrte mit den Menschen.>
28,15-19
28,13
28 '23f.
(28,25f.)
28,28
(Sir -1, 7)
Vgl. Ijob 28,1-23 (s. bei TEXT 3).
Vgl. Weish 9,13-19; und die gegenteilige Aussage von
der leicht zu findenden 'Weisheit', Weish 6,12-16.
Vgl. bSchab 89a (Anfang)
TEXT 8
Sir 24,3-10
Dieser Text stellt das magistrale Stück sirazidischer Weisheitstheologie dar : Die Ueberweltlichkeit (3f.) und die universale
Präsenz
(Sf.) der'Weisheit' werden zuerst in der Form der "Areta-
logie" besungen. Darauf wird die in den vorausgehenden Texten
immer wieder behauptete Gabe der'Weisheit'mit dem erstmals bezeugten Bild von der wohnungssuchenden und -findend·en (!) 'Weisheit' literarisch dargestellt (7-10; auch 13-22, s.u.). Die Identifizierung mit dem Gesetz (s. TEXT 11) bringt dann den HÖhepunkt der Komposition, welche im Bild von der Paradiesesflüssen
und vom Flussarm (= Weisheitslehre Sirachs) ausklingt :
(Aretalogie)
3
4
Ich
und
Ich
und
kam aus dem Munde des HÖchsten hervor
wie Nebel bedeckte ich die Erde.
schlug auf den Höhen mein Zelt auf,
mein Thron (war) auf einer Wolkensäule.
36) Ein ähnlicher Zusatz wie Ijob 28,28 und Spr 8,31c; s. o. Anrn. 17.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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51
Kap. I.l.3, Ziff. A.d
5
6
Den Kreis des Himmels umschritt ich allein,
und in der Tiefe der Urflut ging ich einher,
in den Fluten des Meers und auf der ganzen Erde,
und in jedem Volk und (jeder) Nation herrschte ich.
(Wohnungssuche und -findung)
7
Bei all diesen suchte ich eine Ruhestatt,
doch : "In wessen Erbland soll ich eine Lagerstätte
finden ?"
8
Da beorderte mich der Schöpfer des Alls,
und der mich erschuf, gab meinem Zelt Ruhe
und sagte : "In Jakob schlag dein Zelt auf,
und in Israel erwirb dir einen Erbbesitz !"
9
Vor der Weltzeit, von Anfang an hat er mich erschaffen,
und solange Weltzeit (ist) werde ich nicht aufhören.
Im heiligen Zelt tat ich vor ihm Dienst,
und so wurde ich in Zion fest eingesetzt.
In der wie ich selbst geliebten Stadt fand ich Ruhe
Nun ist Jerusalem mein Herrschaftsgebiet,
ich bin verwurzelt in einem geehrten Volk,
im Anteil des Herrn,
i~ seinem Erbbesitz !
10
(Es folgt dann ein vielfacher Vergleich mit erlesenen
Baum- und Pflanzensorten : 13-17, und ein Einladungsruf mit Verheissungen
18-22. Dann mit neuem Ansatz
TEXT 11).
d) Werberufe und Busspredigten von "Frau Weisheit"
Spr 1,20-33 :
Eine Busspredigt der 'Weisheit', gehalten auf öffentlichen Plätzen,
für Einfältige, Spötter und Toren, die sie schon einmal (vgl.
24-32) abgewiesen haben. Erst in der letzten Strophe folgt eine
kurze Verheissung ·von Sicherheit und Ruhe für jene, die "hören".
Spr 8,1-21.32-36 :
Eine lange Selbstanpreisung, in welche das Lied von der vorzeitlichen, spielenden'Weisheit' (22-31 =TEXT 5) eingefügt ist. Verheissen werden Besitz (21), Wohlgefallen
Jah~es
und Leben (35).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I.l.3, Ziff. A.e/B.a
52
Spr 9,1-6 :
Lockruf der'Weisheit' an die Unerfahrenen und Unverständigen,
anlässlich des Aufrichtefestes ihres Hauses. Damit kontrastiert
der Ruf von Frau Torheit, Spr 9,13-18, an der Tür ihres eigenen
Hauses.
Vgl. die damit verwandten Personifizierungen der tugendhaften
Frau und der Dirne : Spr 5
und~.
e) 'Weisheit' als geschichtswirkende Kraft
Sir 44-50 :
"Lob der Vorfahren" von Henoch bis Sirnon II (ca. 220-195 v.).
Weish'l0-12.16-19 :
Die'Weisheit'von Adam bis Mose (10,1-4) und beim Exodus (10,1512,27; 16-19).
B. Die'Weisheit'als Gesetz
a) Biblische Grundtexte
Die Tora als grössere Weisheit
TEXT 9
Dtn 4,6-8
In der ersten Rede des Mose, im Anschluss an die Erwähnung der
Bestrafung in Baal-Peor
6
Beobachtet und befolgt sie (die Gesetzesbestimmungen)
Denn das wird in den Augen der VÖlker, die von all
diesen Bestimmungen hören, eure Weisheit und Klugheit
ausmachen. Sie werden sagen': "Wahrlich, ein weises und
kluges Volk ist diese grosse Nation !"
7
Denn wo gibt es eine so grosse Nation, die Götter hat,
welche so nahe bei ihr sind wie Jahwe unser Gott ·(uns
nahe ist) 1 wenn immer wir zu ihm rufen ?
8
Und wo gibt es eine so grosse Nation, die so vollkommene Bestimmungen und Rechtssatzungen hat wie dieses
ganze Gesetz <niln), das ich euch heute gebe ?
http://hdl.handle.net/10900/56118
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53
Kap. !.1.3, Ziff. B.b
TEXT 10
I
Ps 119,97-100
97
Wie liebe ich deine nilh !
Den ganzen Tag bedenke ich sie.
98
Weiser als meine Feinde macht mich dein Gebot,
denn es ist immer bei mir.
99
KlÜger als alle meine Lehrer,
denn deinen Zeugnissen gilt mein Sinnen.
100
Einsichtiger als Greise bin ich,
denn deine Ordnungen beachte ich.
Gottesfurcht als wahre Weisheit
Spr 15,33a : Furcht Jahwe's ist Ausbildung (in) Weisheit
Cnnjn ibiO); vgl. Sir 2,27a.
Ps 111,10
: Furcht Jahwe's ist Anfang der Weisheit (nnjn
- Spr 1,7; 9,10.
h~W~i);
Sir 1,11-20, einen Hymnus auf den ~ÖßoG xup{ou als Anfang
(apxn), Fülle, Krone und Wurzel der Weisheit.
Sir 19,20
: Jegliche Weisheit ist Furcht des Herrn.
b) Die klassischen Identifikationstexte
I TEXT
11
I
Sir 24,23-29
Voraus geht die Aretalogie (3-6) und die Wohnungssuche und -findung der 'Weisheit' (7-10.13-17.18-22); s. TEXT 8.
23
Dies alles (ist) die ßCßAOG ÖLa8nxnG des höchsten Gottes,
der vo~oG, den Mose uns auftrug,
als Erbteil für die Gemeinden Jakobs.
25
Er ist voll von ao~{a wie der Pischon,
und wie der Tigris in den Tagen der Erstlinge.
26
Er bringt zur Fülle die aÜvEOLG wie der Euphrat,
und wie der Jordan in den Tagen der Ernte.
27
Er bringt zum Vorschein die naLöECa wie 'der Nil',
wie der Gichon in den Tagen der Weinlese.
28
Nicht fertig ward damit der Erste, sie (ganz) zu kennen,
und so forschte sie auch der Letzte nicht aus,
denn voller als das Meer ist ihr ÖLav6n~a
und ihre
ßouAn
(voller) als der grosse Abgrund.
29
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TEXT 12
Kap. I.l.3, Ziff. C
Bar 4,1
Voraus geht das Lied von der nur von Gott findbaren und
Israel geschenkten 'Weisheit' (3,15-37) und ein sekundäres Fragment (3,38); s. TEXT 7.
Diese ist die ß(ß~ob der Gebote Gottes,
und der vo~ob, der für immer Bestand hat.
Alle, die sie festhalten - zum Leben (wird sie),
die sie aber verlasse~ 1 verfallen dem Tod.
Es folgt ein doppelter Aufruf (2f.) und ein Makarismus auf
Israel (4).
Obwohl aus späterer Zeit seien die beiden folgenden Texte wegen
ihrer präzisen Identifikationsaussage angeführt :
TEXT 13
Midrasch 1"11'{
ib~
nn:Jn::J.
(JELLINEK V, 67,
z.
9f.)
Es schuf der Heilige, gepriesen sei er, seine Welt mit
Weisheit.
Es gibt aber keine Weisheit ausser die Tora
(ili'lllJ! W?l'{ J!n:Jn
~~!'{)
Der Text erklärt Spr 3,19. Begründet wird er anschliessend mit
Dtn 4,6 (= TEXT 9).
TEXT 14
Midrasch
p
'1 :J
(JELLINEK II, 23, Z.l)
'Mit Weisheit gründete er die Erde'
das heisst mit der Tora (ili'lll 'lt).
(= zit.
Spr 3,19),
C. Die Tora im Gewande der 'Weisheit' in der rabbinischen
Literatur
Im rabbinischen Schrifttum gibt es unüberblickbar viele Texte, in welchen
die selbstverständlich gewordene Verbindung von Mosegesetz und 'Weisheit'
zum Ausdruck kommt. Hier sollen nur einige bezeichnende Auswahlstellen zu
den vorausgehend genannten Hauptthemen angeführt werden.
Weitere Texte bei BILLERBECK II, 353-358.335 und III, 115-118.126-133, bes.
128f.; WEISS, Untersuchungen 289-300; HENGEL, Judentum und Hellenismus 309f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I.l.3, Ziff. C.a/b
55
a) Präexistenz und Sein bei Gott :
TEXT 15
SDtn 11,10 Par. 37 (FINKELSTEIN 70)
Weil die Tora geliebt ist vor allem, wurde sie vor
allem erschaffen, wie es heisst : Jahwe erschuf mich
als Erstling seines Waltens (Spr 8,22 =TEXT 5).
TEXT 16
bPes 54a = bNed 39b
Sieben Dinge wurden geschaffen, bevor die Welt geschaffen wurde, nämlich die Tora, die Busse, der
Garten Eden, der Gehinnom, der Thron der Herrlichkeit,
das Heiligtum und der Name des Messias. Die Tora,
wie es heisst: Jahwe erschuf mich als Erstling .•.
(Spr 8,22).
Vgl. Pirqe de Rabbi Eli 'ezer 3 (Anfang) ; GenR 1, 4
(sechs Dinge), wobei Spr 8,22 als Beweisstelle gebraucht wird.
Vgl. auch bSchab 88b : Entstehung der Tora 974 Generationen vor Erschaffung der Welt; HldR 5,11 Par. 1
(2000 Jahre vorher, s.u. bei e).
b) Schöpfungsmittlerschaft
TEXT 17
Ab 3,14
R.'Aqiba hat gesagt: Geliebt sind die Israeliten
von Gott, denn es ist ihnen ein Gerät (~7~) gegeben
worden, durch welches die Welt erschaffen worden ist;
als besondere Liebe wurde es ihnen kundgetan, dass
ihnen ein Gerät gegeben worden ist, durch welches die
Welt erschaffen worden ist.
Vgl. GenR 1,1 : R. Hoscha'ja (um 225 n.) bezeichnet
anhand von Spr 8,30 (110~) die Tora als Handwerkszeug (~7~) Gottes und identifiziert anschliessend
die beiden n~W~i von Gen 1,1 und Spr 8,22.
Vgl. SDtn 11,22 Par. 48 (FINKELSTEIN 114); bNed 62a
(Tora als Krone) .
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
56
c)
Kap. I.l.3, Ziff. C.c/d
"Tochter Gottes"
TEXT 17~
ExR 33,1 zu Ex 25,2
Dies ist gleich einem KÖnig, der eine einzige Tochter
hatte. Es kam einer von den KÖnigen und nahm sie
(zum Weib); er wollte in sein Land ziehen und sein
Weib mit sich nehmen. Da sprach der KÖnig zu ihm :
Meine Tochter, die ich dir gegeben habe, ist meine
einzige Tochter, Mich von ihr zu trennen, vermag-ich
nicht; dir zu sagen : Nimm sie nicht mit, vermag ich
auch nicht, denn sie ist dein Weib; aber diese Güte
erweise mir, dass du mir überall, wohin du auch
ziehst, ein Gemach bereitest, dass ich bei euch wohnen kann, denn ich kann von meiner Tochter nicht
lassen. So hat auch Gott zu Israel gesagt : Ich habe
euch die Tora gegeben; mich von ihr zu trennen, vermag ich auch nicht; aber überall, wohin ih~ zieht,
bereitet mir eine Stätte, darin ich wohnen kann, wie
es heisst ••• (Ex 25,8).
Vgl. NumR 2,25; bSanh lOla (Beginn); als Hintergrund
auch LevR 25,1.
d) Universales Angebot und exklusiver Besitz
Eine Transposition von typischen Weisheits-Vorstellungen liegt
auch da vor, wo die Tora zwar allen VÖlkern angeboten wird
(vgl. Sir l,lOa; 24,6; Bar 3,38 u.a.), von diesen aber abgelehnt
und deshalb Israel zum Eigentum gegeben wird (vgl. Sir l,lOb;
24,7-10; Bar 3,37 u.a.)
MekEx 20,2 (HOROVITZ/RABIN 221), vgl. SDtn 22,2 PaL 343 (PINKELSTEIN 395f.)
: Nur Israel bejaht das Gesetzesangebot Jahwes.
Sot 7,5, vgl. TSot 8,6ff.
7,2ld,33
(ZUCKERMANDEL 310f.), bSot 35b Par
jSo~
Die Worte der Tora auf den Altarsteinen auf dem
Ebal (vgl. Dtn 27,8) waren in den 70 Sprachen der Weltvölker
geschrieben, und hätten von deren Schnellschreibern kopiert
werden können, wenn sie gewollt hätten,bevor der Altar wieder
abgebaut wurde (BILLERBECK III,40f.).
SDtn 32,8 Par. 311 (FINKELSTEIN 352), vgl. LevR 13,2 : Alle Völker wurden von Jahwe geprüft, nur Israel wurde würdig für die
Tora gefunden.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
57
Kap. 1.1.3, Ziff. C.e/D.a
e) Synonymer Gebrauch von Jiil ll und l!O:Jil
Diesen Niederschlag der Weisheitsreflexion im Sprachgebrauch
mögen folgende Stellen illustrieren
GenR 43,6; 70,5; NumR 2,3; 13,15/16 beziehen Spr 9,5 auf die
Tora. - LevR 11,3 benutzt Spr 2,6; 8,22; 9,1. - LevR 25,1 und
NumR 5, 8 argumentieren mit Spr 3,18;
NumR 13,17 mit Spr 8, 15. -
HldR 5,11 Par. 1 legt Hld 5,11 mit Hilfe von Spr 8,22
(ll~~~~
=
Haupt) auf die Tora, dann auf die Worte, Rollen und Buchstaben
aus; Ebd. das Kalkül eines 2000-jährigen Vorausbestehens der Tora
vor der Welt durch Kombination des
01~
01~
von Spr 8,30 mit
Ps 90,4 (1000 Jahre= 1 Tag); vgl. Ab 6,11; AssMos 1,13.
Auch bMqat 25b und 26a (Anfang), wo "Rabbi" mit dem Ausdruck
umschrieben ist "der die Weisheit lehrt".
D. Alexandrinische Weisheitstraditionen
a) ARISTOBULOS
TEXT 18
Frgt 5 (aus EUSEBIUS, PE 13.12,9-lla)
Es geht um eine allegorische Auslegung von Gen 1,3-5; 2,lf.
mit Hilfe von Spr 3,19f. oder 8,22-31 (=TEXTE 4.5). Der Gedankengang ist nur verständlich, wenn der Ausdruck "siebter Tag" allegorisch als das kosmische und noetische Ordnungsprinzip der
pythagoräischen Siebenzahl (vgl. Z. 12b) verstanden wird. So
"schliesst sich der Ring : Das göttlich-universale Strukturprinzip der Sieben, das als 'siebenfacher Logos' dem Menschen
die rechte Erkenntnis schenkt, ist identisch mit der Weisheit,
'aus der alles Licht kommt', die nach Salomo, dem jüdischen
Weisen,
'vor Himmel und Erde war', die die peripatetischen
Philosophen mit einer Leuchte vergleichen, und die den Menschen,
die ihr nachfolgen, die wahre 'Sabbatruhe' schenkt, indem sie
sie zu '&..-Ö.paxo~ macht"
(HENGEL, Judentum und Hellenismus 303).
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
58
Kap. !.1.3, Ziff. D.b
9
Es hat seinen inneren Zusammenhang, dass Gott die
ganze Welt geschaffen und uns zur Ruhe den siebten Tag
gegeben hat •.• , der im eigentlichen Sinn {~UOLXW~)
"erster" genannt werden könnte {und) ''Entstehung des
Lichtes", durch welches alles im Zusammenhang erkannt
werden kann.
Dieselbe Aussage kÖnnte man auch auf die Weisheit
Übertragen, denn : Alles Licht kommt von ihr.,
10
So haben einige aus der peripatetischen Schulrichtung
gesagt, sie habe die Rolle einer Fackel : wer ihr
nämlich beständig nachfolge, befinde sich sein Leben
lang im Zustand der Ruhe.
lla Klarer aber und schöner hat sich einer unserer Vorfahren, Salomo, ausgedrückt, {indem er sagte,) sie habe
vor Himmel und Erde bestanden.
Dies stimmt mit dem oben Gesagten Überein.
b) Aus den alexandrinischen Weisheitsschriften
4Makk 1,15-19
TEXT 19
In den anfänglichen
definitorischen Abschnitten seines
~LAOOO~~•a•o~ AÖyo~ {1,1) bestimmt der Verfasser durch einen
Kettenschluss, was Vernunft {AOYL~Ö~) und was
Trieb
{n~&o~)
ist. Dabei gelingt ihm eine Verbindung von griechischer Definition {16) und jüdischem Dogma {17a), welche in einem Dreierschritt die Weisheit mit dem Gesetz zusammenschliesst :
15
16
17
18
TEXT 20
I
Vernunft ist also Verstand, der mit richtiger Ueberlegung das Leben der Weisheit erwählt.
Weisheit aber ist Erkenntnis {yvwoL~) göttlicher
und menschlicher Dinge und deren Gründe.
Diese {Erkenntnis) wiederum ist die durch das Gesetz
erlangte Bildung {n •ou v6~ou naLÖELa), durch welche wir das Göttliche in würdiger und das Menschliche
in nützlicher Weise erlernen.
Arten {töeaL) der Weisheit sind Klugheit und Gerechtigkeit, Mannhaftigkeit und Besonnenheit. 19. Die
wichtigste von allen ist die Klugheit, durch welche
die Vernunft die Triebe beherrscht ••.
Weish 6-9
Dieses Kompendium jüdisch-alexandrinischer Weisheitslehre weist
die meisten aus den palästinischen Schriften bekannten Themen,
wie Vorwel tlichkei t der 'Weisheit' {vgl. 9 ,9) , die 'Weishei t• als
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Kap. I.l.3, Ziff. D.b
59
Schöpfungshilfe (vgl. 9,2), vielfältige Eigenschaft Gottes
(vgl. 7,23-26; 9,4), Überaus kostbares Gut (vgl. 7,8-14), Lebensgefährtin des Weisen (8,2.9-21), Gabe Gottes an den Menschen
(vgl. 7,15.17; 8,21) auf. Zahlreiche neue Bezüge ('Weisheit' als
Licht, als Pneuma, als Weg; 'Weisheit' und Logos) bezeugen den
Einfluss der Isis-Theologie und vermitteln zu Philo hin (s. MACK,
Logos und Sophia 63-107).
Neben der einleitenden Mahnrede (6,1-11), den "autobiographischen
Partien" von Salomos Gebet um Synusie mit der 'Weisheit' (7 ,1-21;
8,2-21) und dem Gebet um Weisheit selbst (9,1-12) stehen drei
relativ selbständige Lehrstücke :
6,12-19 :
Die'Weisheit' ist leicht (!) von denen zu finden, die sie
suchen, da sie selbst umhergeht und die ihrer WÜrdigen sucht
(12-16).
- Kettenschluss von der Weisheit zu Unsterblichkeit :
17
18
19
Anfang der Weisheit ist das aufrichtige Verlangen
nach Bildung, Sorge um Bildung (ist) Liebe (zu ihr),
Liebe aber ist Bewahren ihrer Gebote,
Halten der Gebote aber ist Sicherstellung der Unsterblichkeit,
Unsterblichkeit aber bringt in die Nähe Gottes.
7,22- 8,1 :
Lob
der'Weishei~
als göttliche Eigenschaft (22-26) mit pneuma-
hafter Wirkkraft auf die Welt und den Menschen (7,27-8,1).
9,13-19
Welcher Mensch vermag Gottes Rat zu erkennen ?
Nur durch die gottgeschenkte Weisheit und den aus der HÖhe gesandten heiligen Geist wurden die &pEcr•~ Gottes .einsichtig und
dadurch die Menschen gerettet.
Vgl. Ijob 28,1~23; Sir 1,2-10 (=TEXTE 3.6).
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I.l.3, Ziff. D.c
60
c) PHILO von Alexandrien
Obwohl bei Philo die Gestalt der Sophia stark von der LogosLehre überdeckt ist, sodass sich oftmals ein promiskuer Gebrauch
der beiden Begriffe feststellen lässt, kann an einigen Stellen
die'Weisheit' noch als selbständige Grösse, die z.T. aus biblischen Vorstellungen herausentwickelt ist, gesehen werden.
Wichtige Texte sind
'Weisheit' als Gemahlin Gottes :
Cher 49 (interpr. Jer 3,4, eigener Text) : Gott ist der
"Vater von allem" und der "Mann der Weisheit", der für
den sterblichen Menschen den Samen der EÖ6aL~ovCa in guten und jungfräulichen Boden fallen lässt.
Vgl. Fuga 109; Det Pot Ins 54; Leg All 2,49.
'Weisheit' als Tochter Gottes :
Leg All 1,64 (interpr. Gen 2,11) : Der Garten "Eden" ist
die "Weisheit Gottes, die sich freut und sich ergötzt und
in Frohsinn lebt" (vgl. Spr. 8, 30f. ! ) bei "ihrem einzigen Vater".
S. auch 1,77; 2,86.
Fug 50 : (interpr. Gen 28,2 : das Haus Betuels). Bathouel
ist übersetzt "Tochter Gottes"·, d.h. also die 'Weisheit',
welche ja "die edle und stets jungfräuliche Tochter"
Gottes ist.
Vgl. auch Sacr AC 6 4; Det Pot Ins 11 T : W. als Ausfluss
Gottes. Quaest in Gen 4,97 : filia dei, primogenita mater
universorum.
'Weishei~
und SchÖpfung
'Weisheit' ist vor all·er Schöpfung und vor dem Menschengeschlecht : Virt 62, vgl. Ehr 31 (interpr. Spr 8,22 nach
A S und Th).
Sie ist Mutter und Amme von allem : Det Pot Ins 116; zugleich Gemahlin Gottes in Leg All 2,49; "durch welche das
Ganze zur Entstehung kam" (Fuga 109) oder "durch welche
das All zur Vollendung kam" (Det Pot Ins 54).
'Weisheit'-Gestalten sind Sara: Det Pot Ins 124; Aaron: Immut 5;
Mose : Immut 110; das Stiftszelt : Heres 112; vgl. auch
die Frauengestalten in Plant 65.169.
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Kap. I.l.3, Ziff. D.c
61
'Weisheit' als Erkenntnisprinzip
LegAll 2,71-75 : Bei der Interpretation des Felsens in der
WÜste (Ex 17,1-7) wird die "scharfgeschnittene Weisheit"
Gottes mit dem "scharfgeschnittenen Felsen" (Dtn 8,15 LXX)
gleichgesetzt, aus welchem Gott dem Menschen, der in der
Versucherischen Situation der Zuwendung zur Sinnlichkeit
steht, den "besten Trank" anbietet, nämlich "Weisheit aus
der Quelle, welche er selbst herausgeführt hat aus seiner
eigenen Weisheit" (LegAll 2,87).
Vgl. DetPotins 114-118;
Vgl. Fug 177-201, bes. 195-198.
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2,
DIE WEISHEIT DER APOKALYPTIKER
2.1 Geschichtliche Situierung der apokalyptischen Bewegung
Dieneueren Bemühungen um eine Wesensbestimmung von "Apokalyptik" 1 ,
sowohl in ihrer Abgrenzung zu Prophetie, Weisheit, Gnosis und
Mystik im innerjüdischen Raum, wie auch ihre Situierung gegenüber iranischen Einflüssen 2 und parallelen hellenistischen Erscheinungen3, besonders aber die Erforschung der Lehren und der
Lebensweise der frühjüdischen Konfessionsgemeinschaften 4 haben
der apokalyptischen Bewegung im FrÜhjudentum ein recht starkes
Profil zu geben vermocht :
In Reaktion gegen die fortschreitende Hellenisierung des nachexilischen Judenstaates 5 , welche die Tara als Staatsgesetz durch
eine hellenistische Polis-Verfassung zu ersetzen und damit die
Grundlage gläubiger jüdischer Existenz zu eliminieren drohte,
formierten sich seit dem 4./3. Jhd.v. die,"Frommen des Landes"
1) RUSSEL, The Methode and Language of Jewish Apocalyptic (1969); SCHMIDT, Die
jüdische Apokalyptik (1969; 2. Aufl. 1976; eine Forschungsgeschichte bis
Qurnran); SCHREINER, Atl.-jüdische Apokalyptik (1969); ~OCH, Ratlos vor der
Apokalyptik (1970); SCHMITHALS, Die Apokalyptik (1973); HENGEL, Judentum
und Hellenismus (1973, 2. Aufl.), 319-394; DEXINGER, Henochs 10 WApk (1977),
bes. 3-94; RAPHAEL, L'Apocalyptique (1977), bes. 12-38.
2) Siehe bes. KUHN, Die Sektenschrift 296-316; WIDENGREN, Iran and Israel 139177; HENGEL, Judentum und Hellenismus 353.418; MUELLER, Die Ansätze der Apokalyptik 33-36 (Vergleich mit dem Orakel des Hystaspes); SCHMITHALS, Die
Apokalyptik 83~95; SCHMIDT, Die jÜdische Apokalyptik 206-209. KAMLAH, Die
Form der katalogischen Paränese, weist iranischen Einfluss auch in lQS 3,124,26 (S. 39-50.166.168); bei Philo, Quaestin Ex 1,23 (S. 50-56) und bei
PLUTARCH, Is et Os 47 (S. 57-65) nach; ähnlich MICHAUD, Un mythe Zervanite
133-147 (zu lQS und Plutarch). - Interessant in dieser Hinsicht ist MURPHYO'CONNOR's These vom babylonischen Ursprung der Essener, The Essenes in Palestine 103-109.
3) HENGEL, Judentum und Hellenismus 418ff.
4) Ein Ueberblick mit der wichtigsten Literatur in MAlER/SCHREINER, Literatur
und Religion 201-319 (Religiöse Gruppierungen und Tendenzen im Mutterland).
5) HEKATAIOS v. Abdera, Aegyptiaca 8 (STERN, Greek and Latin Authors I, 27),
stellte schon um 300 v. einen tiefgreifenden Wandel der väterlichen Gebräuche (v6]..1.Luet) wegen der Vermischung der Juden mit Persern und Mak'edonen fest.
(62)
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63
(D~i~bn= &oL6aLOL
=
Essener) zu vielen Konventikeln der Ortho-
doxie6. DieToraals oberstes Anliegen verfechtend 7 und die
prophetische Eschatologie weitertragend, dadurch sowohl der
Tradition verbunden als auch auf die grosse Zukunft wartend,
bildeten sie jene früh-chasidische Schicht~welche vorerst
als politische Grösse noch schwer greifbar war, in welcher aber
zahlreiche Traditionen spätprophetischer und sapientialer Art,
Gebetstexte, Legenden und Geschichten, Paränesen und Predigten
weitergereicht wurden und eine Religiosität hervorbrachten, die
sich immer klarer von der Kompromiss-Religion der politischen
und religiösen Oberschicht abhob. Als die sogenannten "Stillen
im Land" lebten sie vorerst in der Peripherie der Stände und
Parteiungen 9 , ihr Feuer konnte aber jederzeit entfacht werden.
Unmittelbar vor dem Makkabäeraufstand, also vor 167/166 v., so
erfahren wir aus lMakk 2,42, zeigte sich dann die ouvaywyn
•wv
aoLoa(wv als "eine(r) fest umrissene(n) jÜdische(n) Partei,
die sich zum gemeinsamen Kampf um die Erhaltung des jüdischen
10
Glaubens mit Mattathias und seinen Söhnen zusammenschloss"
•
Damit waren die "Frommen" aus dem Bereich der Pflege des religiösen Traditionsgutes herausgetreten und hatten den Schritt zur
politischen Aktion hin gemacht, welcher sie bis zur nationalen
Zerstörung verpflichtet blieben. In diesem Zeitraum entstanden
die meisten apokalyptischen Schriften, die zugleich ein religiöses Bekenntnis chasidischen Glaubens und der ideologische
Fonds der meisten nationalen Widerstandsgruppen waren.
6) Vgl. PLOEGER, Theokratie und Eschatologie 37f.; HENGEL, Judentum und Hellenismus 321-324; THOMA, Der Pharisäismus 255-258; DEXINGER, Henochs loWApk
45-57.187ff.
7) Vgl. die Tara-Verschärfungen in lMakk 2,32.36.38 (kein Widerstand am Schabbat);
bNid 38a (Geschlechtsverkehr nur am Mittwoch); Ber 5,1 (Sammlung vor dem Gebet); vielleicht auch bSchab 12lb (gegen das Töten einer Schlange am Schabbat). Weitere Beispiele bei THOMA, Der Pharisäismus 256; EH, Art.: ~asidim,
Encyclopaedia Iudaica 7 (1972) 1384.
8) Vgl. äthHen 90,6-16 (Schafsvision); MORGENSTERN, The CHASIDIM 59-73.
9) THOMA, Das jüdische Volk-Gottes-Verständnis 99-105. Zur Kritik des gefährlichen Begriffs, vgl. MAlER, Geschichte der jüd. Religion 97, und u. Kap. v.
3.1, Anm. 14.
10) HENGEL, Judentum und Hellenismus 319.
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Kap. I.2.l
64
Die Essener waren aber keineswegs eine geschlossene Gruppe, wie
man aus dem synthetisierenden Bericht des Josephus über die
"dritte Philosophensekte" den Eindruck bekommen kÖnnte 11 • Sie
unterschieden sich nicht nur intern nach verschiedenen Klassen
und verschiedenen Lebensformen, auch in der Aktion gegen Aussen
entstanden mehrmals Neugruppierungen.
Die eindrücklichste Aufspaltung der Chasidim geschah unter dem
makkabäischen Hohenpriester Jonathan (152-143 v.), als das ursprüngliche chasidische Anliegen in der hasmonäischen Realpolitik des Matthatias-Sohnes und durch die hellenistische Influenza
der Priesteraristokratie erneut unterzugehen drohte. "Die Pharisäer traten in dieser Situation als eine Gruppe auf, die MÖglichkeiten erörterte, wie man treu zu Gesetz und Tradition stehen
und doch auch in schwerer Zeit sein .Leben und seine menschliche
Würde bewahren könnte" 12 , die Qumran-Leute unter der charismatischen FÜhrung des Lehrers der Gerechtigkeit hingegen zogen
sich unter Protest gegen die Verflachung der Tora-Gläubigkeit
und unter Berufung auf den nahen Anbruch der Heilszeit in die
WÜste Juda zurück. Sie wurden dadurch - mit weiteren essenistischradikalen Gruppierung~n anderer Lebensform13 - zu den Bewahrern
der apokalyptischen Tradition par excellence, während die "nach
Glattem
(nip~n)
Suchenden"
(= Pharisäer, vgl.
CD 1,18; lQpHab 1,2
u.ö.) im Bunde mit den nomistisch-sapientialen Kräften eine sich
in mündlicher Tradition stets neu auslegende Tora-Treue erarbeiteten : Hatte Jesus ben Sira's Identifikation von Tora und
Chokma und die sich daraus ergebende Wissenschaft ihren soziologischen Hintergrund in den Pharisäern gefunden (s. Kap. 1), so
bekamen die in den Gestalten Henoch und Daniel inkarnierten
Ideen in den verschiedenen Formen des Chasidismus-Essenismus
ihren Griff in der konkreten Geschichte.
11) Bell 2,119-161; Ant 18,11.18-22.
12) THOMA, Der Pharisäismus 264.
13) Nach JOSEPHUS, Bell 2,160, und CD 4,12-5,11 gab es verheiratete Essener. Auch
in 4Q ist neuestens von BAILLET, Le volume VII des "DJD" 85, ein "Rituel de
mariage" (4Q 502) signalisiert worden. Zu weiteren Gruppen im Umkreis vom
Qumran, wie z. B. Johannes der Täufer und seine Jünger vgl. SCHREINER, Die
apokalyptische Bewegung 252f.
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Kap. I. 2. 2
65
2.2 Grundzüge der apokalyptischen Weisheitslehre
Von den ältesten apk Texten an, welche wir in der in die
persische Zeit zurückreichenden Henoch/Noach-Literatur 14 und
im Danielbuch vor uns haben, dessen erzählende Partien aus dem
15
3. Jhd. v. stammen , tritt uns ein fundamentales Charakteristi-
14) Nach MILIK, The Bocks of Enoch, welcher erstmals die Qumranfragmente in eine
Gesamtuntersuchung der Henochliteratur einbezieh~ stellt sich die Geschichte
dieser Literatur so dar: Gegen Ende. des 1. Jhd.s v. lässt sich ein henoch'scher Pentateuch aufweisen. Dieser bestand:
l) Aus dem Buch der Wächter (äthHen l-36; 4QHena-e), das um 250 v. in Jerusalem entstanden ist.
2) Aus dem Buch der Giganten (4QHenGiga-c; dazu lQ23; lQ24?; 2Q26?; 4QHene2+3?
4QStarcky unveröffentlicht; 6Q8), entstanden um 100 v.
3) Aus dem astrologischen Buch (äthHen 72-82; 4QHenastra-d), einem sehr umfangreichen werk monotoner Berechnungen der Gestirnsläufe aus persischer
Zeit.
4) Aus dem Buch der .Träume (äthHen 83-90; 4QHenc-f), geschrieben im Jahre
164 v.
5) Aus dem Brief des Henoch (äthHen 91-107; 4QHenc.g), sicher vor 100 v.
Das Buch der Parabeln (äthHen 37-72) , welches in keinem semitischen oder
griechischen Fragment oder Papyrus und im l.-4. Jhd. n. von keinem christlichen Schriftsteller zitiert wird, ist nach MILIK christlichen Ursprungs. Es
ersetzte das Buch der Giganten,· welches unterdessen bei den Manichäern grosse
Bedeutung erlangt hatte. In äthHen 6-19 ist ein aus persischer Zeit stammendes Stück Vision des Henoch in das Wächterbuch verarbeitet , und in äthHen
l06f. ist ein R<lsum!l eines Noach-Buches (um 100 v.) an den Henochpentateuch
angefügt worden, von welchem auch Spuren in lQGenAp l-5; 1Ql9; 4Qmessa-dar ?;
4Ql86? zu finden sind.
AethHen ist dabei die Uebersetzung eines grHen, welcher schon den christlichen Pentateuch (mit dem Parabelbuch) aufwies, und darf deshalb nach MILIK
frühestens ins 5./6. Jhd. n. datiert werden. SlavHen muss nach MILIK aus lexikalischen Gründen ins 9. ·oder· 10. Jhd. n. verwiesen werden. - Wenn man diesen Datierungen auch rechtgibt, hat man noch nicht viel über die Herkunft
der Materialien entschieden, welche sich im Parabelbuch,-aber auch in den von
Qumran nicht gedeckten anderen stücke aus äthHen und slavHen finden (vgl.
FITZMYER, Implications 332-345). Stücke, welche keine christlichen Spuren aufweisen, werden deshalb im folgenden trotzdem als frühjüdisches Traditionsgut
behandelt, was sie von ihrer Entstehung her tatsächlich j·a auch meist sind.
Die Uebernahme von Henochschriften frühjüdischer Prägung in ein christlich
erweitertes Henochcorpus kann zugleich jenen anderen Aspekt deutlich machen,
der unseren ganzen Gedankengang begleitet und der bei der Diskussion der Test
XIIPatr (s. u. Kap. V.2.l) gerade heute sehr umstritten ist, dass nämlich
frühjüdische Weisheitstraditionen in ungeahnter Intensität in der frühchristlichen Literatur präsent sind und sich diese Präsenz in der Ueberarbeitung
frühjüdischer Schriften dokumentiert.
15) Es ist ein sich in den neueren Arbeiten klar abzeichnender Konsens in der Datierung von Dan l-6 :i.n die vormakkabäische Zeit, während die Endredaktion
sicher zwischen 168-185 v. geschah, vgl. die Forschungsübersichten von DEXINGER, Das Buch Daniel 15-21; LEBRAM, Perspektiven der gegenwärtigen Danielforschung 4f; HUONDER, Daniel 37-43. HENGEL, Judentum und Hellenismus 56f.,
situiert Dan l-6 innerhalb der gerade im 3. Jhd. aufkommenden "im palästinischen Judentum erhaltenen 'Hofgeschichten'", zu denen auch 4QOrNab, Achikar,
Tob, Est, die 3 Pagen-Erzählung 3Esr 3,1-5,6, und wohl auch die von STARCKY,
RB 63 (1956) 66, signalisierte Erzählung 4Q"Devin a la cour perse" gehören. In Dan l-6 kommt aber erstmals eine Terminologie zum Durchbruch, welche typisch ist für den 'apokalyptischen Erkenntnisgewinn von oben' und die erzählenden Kap. l-6 mit den anschliesse~den Visionen verbindet (s. TEXT 47).
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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kum apokalyptischer Denkweise entgegen, das alle anderen Charakteristika zu bedingen scheint. Es ist das Bewusstsein von einem
radikalen Bruch, welcher die Geschichte der Menschen in definitives Unheil ausgehen lässt und den ganzen Bereich der natürlichen Erkenntnis und des ethischen Lebensvollzugs, also des kulturellen und moralischen Lebens, in ein Feld gottwidriger Mächte
verwandelt, aber auch die entsprechende Vorstellung des Überweltlichen Einbruchs Gottes sowohl in diese Geschichte, welche
dadurch, und nurmehr dadurch, doch noch Heil für die Auserwählten bringen kann, wie auch in die menschlichen Bereiche des Erkennens und der Lebensgestaltung. So wie der kommende Umsturz
der gottfeindlichen Verhältnisse ist auch das Wissen des Apokalyptikers grundsätzlich "nicht von dieser Welt". Es hebt sich
durch seine Neuheit, göttliche Herkunft und individuelle
Einmaligkeit klar von dem extensiven Wissensschatz der hellenistischen Kultur und den Weisheitstraditionen des eigenen Volkes ab, welche auf menschlicher Einsicht gründen, behauptet
sich aber auch gegenüber dem Wissen der nicht-essenistischen
Tara-Gelehrten, welche eine umfassende Kenntnis von allem auf
grund des einmal ergangenen Gotteswortes und ohne neue Offenbarungsquellen für sich beanspruchen.
Untersuchungen an den apokalyptischen Schriften sind zu einem
recht deutlichen Konsens gelangt, was Wissen und Weisheit sowohl
im weiteren Kreis der essenischen Apokalyptiker 16 als auch im
exemplarischen abgeschlossenen Zirkel der Qurnranleute (s. Kap.
3) bedeutete. Auch hier können nur wesentlichste Punkte kurz
angesprochen und die bezeichnendsten Materialien zusammengestellt werden :
a) Die absolute Bedeutung der Tara als Gotteswille für die Gestaltung des individuellen, sozialen und politischen Lebens
bildet sowohl für die pharisäische wie für die apk Bewegung
einen gemeinsamen
fundamentalen Glaubenssatz, der aus ihrer
16) Die folgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf THEOCHARIS, La sagesse
dans le judaisme palestinien 8-130 (über.die Apokalypsen), und COUGHENOUR,
Enoch and Wisdom 34-174.
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Kap. I.2.2, Ziff. b
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gemeinsamen Vorgeschichte stammt. Es ist bis jetzt jedoch zu
wenig gesehen worden, dass ausdrückliche Verbindungen von Tara
und'Weishei~
in typisch apk Schriften erst in Texten zu finden
sind, welche auf das grosse Scheitern der apk Hoffnungen zurückblicken : bes. syrApkBar, 4Esr (s. TEXTE 37-40). Der RÜckgriff
auf die
~mosaische
und YQEpatriarchalische Gestalt des Henoch
ist ja gerade für die frühe Apokalyptik typisch, wenn es um die
Benennung der eigentlichen Quellen der Weisheit des Apokalyptikers geht (s. TEXTE 21-25) 17 • Für den apk Weisheitsbegriff ist
dieser zusätzliche Anspruch auf eine legitime und globale Kenntnis charakteristisch, und zwar eine Kenntnis, die aus dem privilegierten Einblick in Gottes geheime Absichten mit der Welt und
den Menschen kommt.
~
Apokalyptische Weisheit überspringt dadurch den Bruch, der
die menschlichen Wissensschätze zur gottfernen "Kultur" werden
lässt, dass sie Weisheit auf neuen, gottgewirkten Wegen erschlossen bekommt. Visionen, Hirnmelsreisen, Auditionen, Träume und
Mittlergestalten ermöglichen dem auserwählten Apokalyptiker den
Zugang zu Übermenschlichen Erkenntnissen; neu entdeckte Worte
uralter Weiser (s. TEXTE 21-23; vgl. Anm. 14) situieren seine
Aussagen in vorgeschichtliche Zeit oder in Überweltliche Sphären.
Apokalyptische Weisheit ist deshalb nicht mehr erarbeitetes Wissen - ausser durch Gebet und Fasten (häufig in Test XIIPatr;
4Esr) - sondern göttliches Geschenk und zwar in stets neuer,
sich wiederholender Offenbarung. Dadurch hebt sie sich deutlich
sowohl von der traditionellen Weisheit ab, welche neben dem
Lobpreis auf die Weisheit als Gabe Gottes (vgl. Spr 2,6; Ijob
22,8; Weish 7,21; 9,4.10) auch die Anfeuerung zur mühsamen
Weisheitssuche,kennt, wie auch von der Tara-Weisheit, welche aus
17) Die frühjüdischen Historiker und Exegeten (s. u. Kap. II.l) greifen bei ihren
literarischen Beweisführungen normalerweise auf die Patriarchen und auf Mose
zurück (jedoch als Ausnahme PseuEupol F 1,8.9b; s. u. Kap. II.l, Anm. 18).
In der spätbiblischen Weisheit wird Henoch nur zweimal genannt: Sir 46,16
Hebr wird er als ein "Zeichen der Erkenntnis (LXX: der Umkehr) für die Ge-'
schlechter" gepriesen. Sir 49,14 Hebr heisst es: "Nur wenige wurden erschaffen wie Henoch", während it, den LXX-Text verstärkend, übersetzt: "Niemand
auf Erden wurde gleich wie Henoch erschaffen, und er wurde von der Erde hinweggenommen". - Vgl. VOLZ, Die Eschatologie der jüd. Gemeinde Sf.; DEXINGER,
Henochs 10 WApk 86f.
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Kap. I.2.2, Ziff. c
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dem einmaligen Geschenk der Tora ihre gesamte Wissenschaft
herausholt.
Die Bindung der Erkenntnisvermittlung nicht an eine objektive
Grösse wie die seit Ewigkeit präexistente .Tora und deren methodisch möglichst richtigen Auslegung, sondern an die subjektive
Erfahrung des Visionärs zeigt
~ich
darin, dass sich alle apo-
kalyptischen Gruppen auf spezielle Offenbarergestalten beziehen,
die sich qualitativ von blossen "Auslegern" heiliger Texte unterscheiden (vgl. TEXTE 2lf. 47; auch 51-57; auch QMt 11,25ff.
Par; Mt 11,28ff.). Die Zentrierung der'Weisheit' auf eine zukünftige Rettergestalt (vgl. Jes 11,2; TEXT 36) ist eine eschatologische Verlängerung dieses Ansatzes.
~
Apokalyptische Weisheit weist eine starke Tendenz zur en-
zyklopädischen Erfassung aller Dinge der Welt und Ueberwelt
auf; sie beansprucht ein totales Wissen, das alle anderen, partiellen Wissenschaften und deren Errungenschaften eminenter beinhaltet18. Die Problematik dieses Anspruchs spiegelt sich
deutlich darin, dass die apokalyptische Uroffenbarung an Henoch
und Noach in der gleichen mythologischen Zeitspanne stattfand,
in welcher auch jene Wissensvermittlung durch die ·"Gottessöhne"
(Gen 6,1-4), welche in gr+äthHen 8,1-4 Par 4QHena.b (s. TEXTE
in 24) als die grundlegende Transgression des menschlichen Wissensbereiches geschildert wird. Darin zeigt sich genau das
Selbstverständnis apokalyptischer Weisheit : Die eigene Weisheit sind die auf den himmlischen Tafeln gelesenen "Geheimnisse
des Herrn"
(4QHenc 5.II,25f.; vgl. äthHen 106,19), welcheHenoch
Überbrachte; die Weisheit der Menschen aber stammt aus der ille18) VON RAD, ThAT II, 318-320 (Verbindung von Weisheit und Apokalyptik); HENGEL,
Judentum und Hellenismus 379-381; bei Henoci:J: "Wisdom in Enoch is ... of a
speculative sort which includes a cosmological frame of reference in which
all realities of world, communal and personal life are placed. A total worldview emerges in Enoch including an overview of History. Here is a wisdom
which seeks an erdering not merely of the present way of life for its constituents, though it does this as well, but which gives ideational framewerk
for understanding the community's relation to God, the Lord of Wisdom; a
framewerk reaching back to creation, and moving forward to an imminent historical End; a framewerk for understanding the ethical demands of personal
and communal life and for understanding one's own and the community's destiny according the way of rigthousness or the way of wickedness" (COUGHENOUR,
Enoch and Wisdom 181) .
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Kap. I.2.2, Ziff. d
gitirnen Vermittlung von "ewigen Geheimnissen"
69
(4QHena l.IV,20;
vgl. äthHen 9,6) durch die "Himmelssöhne" an die Frauen. Obwohl
sich einige Inhalte dieser beiden Wissenvermittlungen überschneiden (bes. die Astrologie), behauptet der Apokalyptiker
einen fundamentalen Unterschied zwischen seinem Wissen und
demjenigen der Menschen ausserhalb seiner Gruppe. Apokalyptisches Wissen liegt eben legitim jenseits des Bruches, der wegen der prometheischen Usurpation der göttlichen Geheimnisse
durch jedes andere menschliche Wissen geht. Wenn paränetische
und lehrhafte Texte durchaus weisheitliehen Zuschnitt zeigen
(s. TEXTE 41-46.48), vermag das zwar den Apokalyptiker nicht zu
erschüttern; es zeigt aber auf, dass im weisen Mahn- und Lehrwort die alte Weisheit immer wieder zum Zuge zu kommen vermag.
Das Schriftturn von Qurnran wird hierzu viele Belege liefern.
~
Apokalyptische Weisheit hat aber - trotz ihrer immensen
Wissensverarbeitung - als ihr eigentliches Objekt die verborgenen Geheimnisse der göttlichen Pläne und Absichten mit der Welt
und der Geschichte. Aehnlich wie für die Gesetzesweisheit hiln
zum zentralen Begriff wurde, so haben die apokalyptischen Weisen den Begriff li in die Mitte ihres Denkens gestellt 19
Die erneut undurchsichtig gewordene Welt und Geschichte, besonders aber die für den Gläubigen dem äusseren Erscheinungsbild nach völlig unverständliche Entwicklung des nationalen
Schicksals, bekamen in diesen "Mysterien" eine heils-unheilsgeschichtliche Erklärung, welche durch die Teilnahme an Gottes
Ratsgerneinschaft, also einer zutiefst individuellen Erfahrung,
19) Das persische Fremdwort l, hat, da aramAch Pap 56.!,16 ('~ln ~~ 1'[l,; vgl.
COWLEY, Aramaie Pap. 217, mit UNGNAD, Aramäische Pap. 76) unsicher ist, seinen ältesten Beleg in 4QHenal.IV,5 (= Hen 8,3: uucr•npLa ) und 4QGiga 9,3
(vgl. weitere Angaben bei MILIK, The Bocks of Enoch 393), dann erst bei Dan.
2,18f. (u. ö.) und wird in der Folgezeit häufig gebraucht: vgl. äthHen 92,1;
101,8; 104,10-13; 105,1 (Brief des Henoch); syrApkBar 81,4; 4Esr 14,5 usw.;
für die Verbindung mit 110 in der Literatur von Qumran s, u. Kap. 3.2a; vgl.
BORNKAMM, Art.: uucr•nPLOV 1 ThWNT 4 (1942) 1 bes. 82lff. (Die Apokalyptik);
BROWN, The Semitic Background; The Pre-Christian Concept of "Mystery"; WILLIPLEIN, Das Geheimnis der Apokalyptik 68-78. - Einen guten Ueberblick über
den Gebrauch in den hellenistischen Mysterien, der Hermetik und im Gnostizismus gibt BAUMANN, Mitte und Norm 185-192.
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Kap. I.2.2, Ziff. e
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dem Berufenen und Auserwählten zukornrnt 20 • Es ist ja bezeichnend,
dass sich in den apokalyptischen Texten (äthHen, 4Esr,
syrApk-
Bar) die Gestalt der'Weisheit'von den Menschen- auch von den
Israeliten - zurückzieht, und die Weisen schweigen (s. TEXTE
30.31). Unheil ist Abwesenheit von Weisheit, und erst am Ende
der Zeiten werden die "Brunnen der Weisheit"
(äthHen 48,1) wie-
der zu fliessen beginnen (s. TEXTE 32-36). Vorerst gibt es nur
das Wissen aus mystischer Intimität zu Gott und dessen Offenbarergestalten. Die 'Weisheit', die zugleich Attribut Gottes, der Engel und derAuserwählten ist, ist somit das einzige "principe de
l'union du ciel et de la terre" 21 , sie erfüllt somit auch
reinste
soteriologische Funktionen. Dass sie zwar den Weisen
zur entscheidenden Erleuchtung verhilft, aber den Toren zum
"Fe,uerofen" (äthHen 98,3) gereicht, zeigt dabei nur jenen Aspekt
des scheidenden Gerichts, welcher jeder Erlöser-Gestalt zu eigen
ist.
Neben diesen neuen Aspekten, welche die Weisheitsgestalt im
apokalyptischen Kontext erhält, bleibt ihr aber auch ihre kosmologische Dimension als Schöpfungshilfe und Throngenossin Gottes
erhalten (s. TEXTE 26-29). Ebenso lassen sich noch Spuren von
der Vorstellung einer universalen Präsenz der'Weisheit' unter den
Menschen (vgl. TEXTE 30.31) finden. Die farbige Gestalt der
in der Weisheitsliteratur viel beschriebenen "Frau Weisheit"
(s.o. Kap. 1.3, Ziff. A.d) hingegen hat im viel vehementeren
eschatologisch-apokalyptischen Bilderwerk ihre Bedeutung praktisch verloren. Dass jedoch in Qumran die Gestalt häufiger auftritt (s. TEXTE 61-64), muss vor einem allzu entschiedenen Urteil warnen.
~
Grund für die Intensivierung und Radikalisierung des Weis-
heitsdenkens, ist die aus der Bedrohung der Glaubensgrundlagen
20) Meisterhaft hat HENGEL, Judentum und Hellenismus 381-394, diesen Aspekt als
"Wesensmerkmal spätantiker Religiosität" in der griechischen Religionsgeschichte seit dem 4./3. Jhd. v. herausgestellt. Gerade in ihrem Exklusivitätsanspruch tri~ft sich die Apokalyptik am breitesten mit den religiösen
Gruppierungen der Spätantike
21) THEOCHARIS, La sagesse 64.
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Kap. I.2.2, Ziff. e
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erwachsene Hoffnung auf eine baldige Beendigung der Unheilsge-_
schichte durch göttlichen Eingriff, ein Gedanke, der ebenso
sehr - aus prophetischer Tradition gespiesen - zum Lebensnerv
der Apokalyptik gehört, wie er der alten Weisheit fremd ist.
Es sind diese "endzeitlichen Vorzeichen" 22 , welche die Kontinui""'
tät der Welt und des Denkens zugunsten einer Intensivierung des
Weltenlaufes und der Reflexion brechen, also eine Grundvoraussetzung traditioneller Weisheitlichkeit zerstören, welcher es
immer um Kontinuität von Geschichte, Welt und Einzelleben innerhalb des naiv-kausalen Zusammenhangs der Erfahrungsauswertung geht.
Der Verlust des Vertrauens in die Welt - welcher bei Kohelet
seine weisheitlieh-immanente Variante hat - wird hier durch Einbezug der Ueberwelt anhand allein vertrauenswürdiger Mitteilungen Gottes kompensiert.
Diese "Wende der Weisheit", welche weit Über den Einbezug der
Tara als neue Erkenntnisquelle "von oben" hinausgeht, vermochte
als Ausdruck und Darstellung der Situation der um ihre Glaubensüberzeugungen kämpfenden Frühjuden viele Kräfte des Volkes zu
mobilisieren. Es war die Weisheit, welche die Gläubigen brauchten, wenn sie gegen den Anschein der realen Umwelt des Hellenismus die notwendige Kohärenz der Sicht behalten wollten, die sie
so unbedingt für Aktion und Kontemplation benötigten. So "sammelten die chasidischen Weisen mit ihrer rational unangreifbaren Gegenthese 'höhere Weisheit durch Offenbarung' die aktiven,
gesetzestreuen Kräfte, schufen ein universales, auf das nahe
Eschaton bezogenes Welt- und Geschichtsbild, in dem die Erwählung Israels die Grundlage bildete" 23 • Weisheit hatte auf neue
Weise geschichtliche Relevanz bekommen.
22) HENGEL, Judentum und Hellenismus 379; vgl. DEXINGER, Renochs lo WApk 184;
WILLI-PLEIN, Das Geheimnis der Apokalyptik 78-81, hat d"en guten Ausdruck
"Beschreibungsapokalyptik" geprägt, in welcher weisheitliehe Traditionen
weitergehen, im Unterschied zu der mehr der Prophetie verpflichteten "Er.eignisapokalyptik" und der "Zeichen- oder Umstandsapokalyptik" (wie Mk 13 Parr) •
23) HENGEL, Judentum und Hellenismus 379f.
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Kap. I.2.3, Ziff. A.a
72
2.3 Texte und Materialien zur apokalyptischen Weisheit
A. Henoch - der wahre Vermittler apokalyptischer Weisheit
und Wissenschaft
a)
"Der Schreiber aller Wunder der Weisheit"
TEXT 21
(äthHen 92,1)
äthHen 82,1-3 (vgl. 4QHenastrb 27)
Astrologisches
Buch
1 Und jetzt, mein Sohn, erzähle ich dir dies
alles und schreibe es für dich auf; ich habe.dir
alles enthÜllt, und dir die Bücher, die alle diese
Dinge betreffen, Übergeben. Bewahre, mein Sohn
Methusala, die BÜcher von deines Vaters Hand und
Übergib sie den (kommenden) Geschlechtern der Welt.
2 Ich habe Weisheit dir, deinem Sohn und deinen zukünftigen Söhnen (darin) Übergeben, damit sie sie
ihren Kindern (und) den Geschlechtern bis in Ewigkeit Übergeben, diese Weisheit(, die) Über ihre
Gedanken (geht).
3 Die sie verstehen, werden nicht schlafen, (sondern)
mit ihrem Ohr horchen, um die Weisheit zu lernen, und
sie wird denen, die (von ihr) essen, besser gefallen
als gute Speisen.
TEXT 22
4QHenc 5.II,25f. Par äthHen 106,19
Brief des Henoch
25 Und nachher (scl. nach der Flut) wird noch grösseres Unrecht kommen <als in ihren (scl. Noachs und
seiner SÖhne)> 26 Tagen <geschehen sind>. Denn ich
kenne die Geheimnisse (~t~~ n~~ Vi~) <des Herrn,
welche> die "Heiligen" mir erzählten und zeigten,
<und welche ich auf den Tafeln> des Himmels gelesen
habe.
Vgl. äthHen 80,lf.; 81,1: Enthüllung der kosmischen
Kräfte und "der Taten der Menschen .•• bis zum letzten
Geschlecht . 11
Vgl. äthHen 104, lff. Par 4QHen c 5. I, 20f.: von der genauen Abschrift und der Uebergabe der BÜcher an die
"Gerechten und.Weisen".
Neben diese Texte muss auch Jub 4,17-23 gesetzt werden, welches
schon auf ein Corpus von Henoch-Schriften zurückblickt (vgl.
MILIK, The Books of Enoch 11 u.ö.) und den bei den jüdisch-hel-
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-Kap. I.2.3, Ziff. A.a
73
lenistischen Autoren beliebten Topos vom "Ersterfinder" (s.u.
Kap. II.lf.) grundsätzlich Überbietet :
TEXT 23
Jub 4,15b.l7-23; vgl. 4Q 227 (MILIK, Enoch 12)
lSb (Malalel nannte seinen Sohn Jared;)
In seinen Tagen stiegen nämlich die Engel
Gottes, welche die Wächter heissen, auf
die Erde herab, um die Menschenkinder zu
lehren, Recht und Gerechtigkeit auf der
Erde zu Üben.
(16 Jared zeugt Henoch)
17 (Henoch) ist der erste unter den erdgeborenen Menschenkindern, der Schrift,
Wissenschaft und Weisheit lernte,
und der in einem Buch die Zeichen des
Himmels nach der Ordnung ihrer Monate beschrieb, damit die Menschenkinder die
Perioden des Jahres wüssten, nach der
Ordnung je ihrer Monate (vgl. 4Q 277,5f.).
18a Er war auch der erste, der ein Zeugnis aufschrieb; und er gab dieses Zeugnis den Menschenkindern unter den Geschlechtern der Erde
Vgl.Gen
6,1-4;
äthHen 6f.
( 69) •
Vgl. PseuEupol
F 1,8.9b
=Astrol.
Buch (äthHen 72-82
Par 4QHenastra-d)
Vgl.äthHen
SOff. ,bes.
80,1.
18b und er sagte die Jahrwochen der
Jubiläen, machte die Berechnung der
Jahre bekannt_, ordnete die Monate
und verkündete die Sabbate der
Jahre, 'wie wir (scl. die Engel) es
ihm lehrten' (= 4Q 227, 1) •
Vgl. die
astrol. + kalendarischen
TEXTE bei
2.4 E.
19 Und er sah in einem Traumgesicht
die Vergangenheit und die Zukunft,
was den Menschen geschehen wird bis
zum Tag des Gerichts; er sah es, verstand alles, und er schrieb sein
Zeugnis auf und legte es zum Zeugnis
auf die Erde nieder für alle Menschenkinder und für ihre Nachkommen.
= Buch der
Träume
(äthHen 83-90
Par 4QHenC-e)
21 Und er war dann bei den Engeln
Gottes während 'sechs Jubiläen von
Jahren'(= 4Q 277,2), und sie zeigten ihm alles, was auf der Erde
und im Himmel ist, ••• und er
schrieb alles auf. 22 Und er zeugte
'gegen die Wächter', die mit den
Menschentöchtern sündigten .•• 'und
er zeugte gegen sie alle ' (vgl.
4Q 277,3-4; 4QTestLevia 8.III,6).
= Buch der
Wächter: angelol. (äthHen
6-16 Par 4QHena-cl
und kosmograph.
(äthHen 17-36
Par 4QHenc-e)
Teil.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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vgl. äthHen 1-5
Par 4QHena-c.
Kap. I.2.3, Ziff. A.b
74
b) Der Ursprung der widergöttlichen Weisheit
Obwohl die Engel nach Jub 4,15b (s. TEXT 23) zur Belehrung über
"Recht und Gerechtigkeit" auf die Erde kamen, und Henoch von
ihnen seine Weisheit empfangen hat (Jub 4,21), verkehrte sich
- nur bei äthHen Par 4QHen - ihre Wissensvermittlung in ein
frevlerisches Tun, sobald sie mit den Menschentöchtern zu verkehren begannen.
Eine Liste der Engel und ihrer Wissensgebiete lässt sich nun
dank der Qumranfunde, jedoch nur in Kombination mit griech und
äthHen 8,1-4, in ihrer originalen Form aufstellen 24 .
[TEXT 24
4QHena 1. IV,l-5 Par 4QHenbl.II,26 + l.III,l-5 Par
gr+äthHen 8,1-4 Wächterbuch
(1)
'Asa'el (=Gott hat gemacht) lehrte die Fabrikation
von Schwertern, Messingbrustplatten, Metallgegenständen, die Bearbeitung von Gold, Silber
und Edelsteinen, die Herstellung und Anwendung
von Kosmetika und Farbstoffen.
(2)
Schemichaza (= Mein Name hat wahrgenommen) lehrte
die Beschwörung und das Wurzelschneiden.
(3)
Chermoni (= der vom Hermon) lehrte das Lösen von Beschwörungen, Magie, Zauberei und Weisheit
(n~w)n = cro~Ca !).
(4}
Barag'el (= Blitz Gottes) lehrte die Zeichen des
Donners.
(5)
Kokab'el (= Stern Gottes) lehrte die Zeichen der
Sterne.
(6)
Zegi'el (=Blitzstrahl Gottes) lehrte die Zeichen der
Blitze25.
(8)
'Ar'tagof (= Kraft der Erde) lehrte die Zeichen der
Erde.
(9)
Schamschi'el (= Sonne Gottes) lehrte die Zeichen der
Sonne.
(10)
Sahri'el (= Mond Gottes) lehrte die Zeichen des Mondes.
24) Siehe MILIK, The Bocks of Enoch 152 (Table of angels, chiefs and decadarchoi);
159 (Liste der Engel/Lehrer) , jeweils synoptisch angeordnet nach 4QHenb ß
4QHena // Syncellus-Zitate // Pap. Kairo // äth Hen.
25) Der 7. Engel ist nach keinem der in Anm. 24 genannten Texte rekonstruierbar.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. I,2.3, Ziff. A.b
Vgl.
75
a
b
gr+äthHen 7,1 Par 4QHen l.III,l5; 4QHen l.II,l9f.,
ein vorausgehendes Resume, bei welchem zusätzlich
die Planzenkunde genannt wird; dazu vgl. wiederum
Jub l0,12ff., wo Noach von den Engeln in "der Heilung
ihrer Krankheiten samt ihren Verführungskünsten" unterrichtet wird.
Vgl.
äthHen 69,8-11 (nachchristl. Parabelbuch), eine sekundäre Ueberarbeitung von Hen 8. Inkonsequent neu ist,
dass der Engel Penemue die Menschen in "alle Geheimnisse ihrer Weisheit" (8) einweiht, was dann näher
mit "Schreiben mit Tinte und auf Papier" (9) bezeichnet wird : " ... und der alles vernichtende Tod hätte
sie nicht berührt, aber durch dieses ihr Wissen gehen
sie zugrunde .•• " (11).
Vgl.
gr+äthHen 104,10 .: von den schlechten, nicht-henoch'sehen BÜchern.
Eine selbständige Tradition Über die Entstehung des unheilvollen Wissens stützt sich auf Gen 2,9b.l7; 3,1-7 :
TEXT 25
gr+äthHen 32,3-6; vgl. 4QHene l.XXVI,21 + l.XXVII,
1-11
wächterbuch
3 Da kam ich in den Garten der Gerechtigkeit und
schaute von ferne Bäume darin, viele und grosse
Bäume, die dort wuchsen, wohlduftend, gross, sehr
schön und herrlich; und ich sah den Baum der Weisheit,
von dessen Frucht die Heiligen essen und grosser Weisheit kundig werden . • . . 6 "Dies ist der Baum der
Weisheit, von dem dein greiser Vater und deine betagte Mutter die vor dir waren gegessen haben; da
erkannten sie die Weisheit und ihre Augen wurden aufgetan, und sie erkannten, dass sie nackt waren, und
sie wurden aus dem Garten fortgetrieben."
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76
Kap. I.2.3, Ziff. B.a
B. Die'Weisheit' als Person, mythische Gestalt oder Hypostase
und als eschatologische Gabe
a) Bei der Schöpfung
TEXT 26
äthHen 84,3
Buch der Träume
Im Lobpreis auf den Schöpfer am Schluss der Sintflutvision
(Kap. 83f.) wird die Gestalt der'Weisheit' als Throngenossin
Gottes und wohl auch als Schöpfungshilfe Gottes beschrieben
Denn du hast alles erschaffen und regierst es; nichts
ist dir zu schwer. Keinerlei Weisheit entgeht dir,
noch wendet sie sich weg von deinem Thron. Du weisst,
siehst und hörst alles, und da ist nichts, das vor
dir verborgen wäre, denn du siehst alles.
Vgl. syrApkBar 54,13, wo die Schätze der'Weisheit'
unter Gottes Thron bereitet sind.
syrApkBar 14,8-10
TEXT 27
Im Gebet des Sehers (14,1-15) steht die kleine Komposition,
welche die weishei tliche Fragereihe nach der 'Weisheit' (vgl.
TEXTE 6.7) mit resignierenden Aussagen aus Kohelet verbindet
und apokalyptisch abwandelt
8
9
10
TEXT 28
Aber wer, o Herr mein Gott, versteht dein Gericht ?
Oder wer erforscht die Tiefe deines Weges ?
Oder wer denkt nach Über die beschwerliche Last deines Pfades ?
Oder wer vermag nachzudenken über deinen unerfassbaren Ratschluss ?
Oder wer hat jemals von den (Staub-)Geborenen Anfang
und Ende deiner Weisheit ~efunden ?
Denn wir alle gleichen einem Hauche.
slavHen A 30,8
Innerhalb des ausladenden Schöpfungsberichtes (Kap. 25-30)
heisst es
Am sechsten Tag befahl ich meiner Weisheit, den
Menschen zu machen aus sieben Bestandteilen
(Es folgt die Zusammenstellung) •
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. I.2.3, Ziff. B.b
77
slavHen A 33,3b-4a
TEXT 29
Nach der Vollendung der Schöpfung am achten (!) Tag rühmt sich
Gott selbst :
3b
Durch meine Weisheit habe ich dieses alles ersonnen
und geschaffen von der obersten Grundlegung bis
zur untersten und bis zum Ende,
4a
und nicht ist ein Berater noch ein Nachfolger meinen
Schöpfungen.
Ich bin selbst ewig und nicht mit Händen erschaffen,
ohne Veränderung.
Mein Gedanke ist mir Berater, meine Weisheit (B om),
und mein Wort ist Taten.
b) In der jetzigen Unheilszeit
TEXT 30
I
4Esr 5,9b-l0
In der langen Liste der "Zeichen", die den letzten Tagen vorausgehen (5,1-12), findet sich das mit äthHen 42 recht nah verwandte Bild :
9b
10
Da verbirgt sich die Vernunft,
und die Weisheit flieht in ihre Kammer;
viele suchen sie und finden sie nicht.
Der Ungerechtigkeit aber und der Zuchtlosigkeit
wird viel sein auf Erden.
Vgl. die ähnlichen Personifikationen in syrApkBar
48,36 ("Wohin ist entwichen die viele Einsicht ?");
auch äthHen 91,10 Par 4QHeng (s. TEXT 33) und äthHen
94,5 ("keine Stätte wird für sie gefunden werden").
TEXT 31
äthHen 42
Parabelbuch 26
Eingesprengt in die astronomischen Geheimnisse (Kap. 41.43f.)
des Parabelbuches stehen Stücke einer typisch jüdischen (vgl.
den Gegensatz : Weisheit - Ungerechtigkeit) und typisch apokalyptischen (die'Weisheit' findet keinen Platz) Weisheitsreflexion.
26)
Zur Datierung s. o. Anm. 14. - Text nach BEER, Das Buch Herroch 261. Zur
Strukturierung vg1. CHRIST, Jesus Sophia 48ff.; WILCKENS, Weisheit und Torheit 124.160.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
78
Kap. I.2.3, Ziff. B.c
Die Nähe zu 4Esr 5,9b-10 in beiden Punkten erlaubt es, äthHen 42
hier aufzuführen, obwohl er im späten Parabelbuch steht.
1
Da die Weisheit keinen Platz fand, wo sie wohnen sollte,
wurde ihr in den Himmeln eine Wohnung zuteil.
2
Als die Weisheit kam, um unter den Menschen Wohnung
zu machen, und keine Wohnung fand, kehrte die Weisheit an ihren Ort zurück und nahm unter den Engeln
ihren Sitz.27
3
Als die Ungerechtigkeit aus ihren Behältern hervortrat, fand sie die, die sie nicht suchte, und liess
sich unter ihnen nieder (so willkommen) wie der Regen in der WÜste und.wie der Tau auf durstigem Lande.
c) In der Endzeit
I TEXT
32
gr+äthHen 5, 7f.;
(vgl. 4QHen
b
l.I)
Buch der Wächter
7 Den Auserwählten aber wird Licht, Freude und Friede zuteil werden, und sie werden das Land erben !
Euch aber, ihr Gottlosen, wird Fluch treffen.
8 Danach wird den Auserwählten Weisheit verliehen
werden; alle diese werden leben und nicht mehr sündi-.
gen, weder aus Versehen noch aus Uebermut, 'und in
dem erleuchteten Menschen wird Licht und in dem verständigen Verstand sein' (gr; äth : 'sondern die
da Weisheit haben, werden sich demütigen').
TEXT 33
äthHen 91,10 Par 4QHeng l.II,l3f.
Brief des Henoch
(In den Tagen des grossen Strafgerichtes ••• ) werden
die Gerechten vom Todesschlaf (?) auferstehen, und
die Weisheit wird sich erheben und gehen (1'7il) und
jenen verliehen werden (nach 4QHeng) •
TEXT 34
äthHen 93,10 Par 4QHeng l.IV, 12f. 10-Wochen-Apokalypse
(Am Ende der 7. Woche) werden Auserwählte auserwählt
zu Zeugnissen der Wahrheit (~WP) aus der ewigen
Planzung der Wahrheit, denen siebenfache Weisheit
und Kenntnis gegeben wird (nach 4QHeng).
27) Verse 1 und 2 scheinen Dubletten zu sein; s. PFEIFER, Ursprung und Wesen
39, Anm. 37; CHRIST, Jesus Sophia 48, Arun. 48.
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Kap. !.2.3, ·Ziff. B.c
Vgl. 4Esr 8,52; syrApkBar 54,13
"bereitet".
79
Die'Weisheit' ist
Vgl. auch folgende christlich beeinflusste Stellen
aus dem Parabelbuch, in welchen neben den Auserwählten vor allem der messianische Auserwählte mit der
eschatologischen Gabe der Weisheit ausgestattet ist :
TEXT 35
äthHen 48,1
Parabelbuch
An jenem Ort sah ich einen Brunnen der Gerechtigkeit,
der unerschöpflich war. Rings umgaben ihn viele Brunnen der Weisheit. Alle Durstigen tranken daraus und
wurden voll von Weisheit, und sie hatten ihre Wohnungen bei den Gerechten, Heiligen und Auserwählten.
Vgl. äthHen 61,6f.ll.
TEXT 36
äthHen 51,3
Parabelbuch
Der Auserwählte wird in jenen Tagen auf meinem Thron
sitzen und alle Geheimnisse der Weisheit werden aus
den Gedanken seines Mundes hervorkommen, denn der
Herr der Geister hat es ihm verliehen und hat ihn
verherrlicht.
Vgl. äthHen 49,1-4; 46,3; slavHen A 30,12.
Vgl. PsSal 17,23.29. Der "Sohn Davids" richtet die
Sünder mit "Weisheit und Gerechtigkeit"; 14,35
"segnet das Volk des Herrn mit Weisheit in Freude";
vgl. 18,7.
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Kap. !.2.3, Ziff. C
C. 'Weisheit' als Gesetz
Obwohl die Verbindung von'Weisheit'und Gesetz zu den Grundvoraussetzungen apokalyptischen Denkens gehört (s.o. Kap. 2.2,
Ziff.a), wird sie erst in jenen Texten thematisch, welche auf
das grosse Scheitern der apokalyptischen Hoffnungen zurückblicken. Das Vertrauen auf die nur dem Begnadeten zugänglichen
"Geheimnisse" scheint der Zuwendung zum rationaleren Weisheitsschatz der traditionellen Texte zu weichen.
TEXT 37
syrApkBar 38,1-4
1 Da betete ich und sprach : "Herr, mein Gott, du
erleuchtest zu aller Zeit jene, die sich verständig
aufführen, 2 und dein Gesetz ist Leben, und deine
Weisheit ist Redlichkeit. 3 Tu mir nun kund die
Deutung dieses Gesichts (scl. Kap. 35-37) ! 4 Denn
du weisst, dass sich meine Seele allzeit mit deinem
Gesetz beschäftigte, und dass ich mich, solange ich
lebe, nicht von deiner Weisheit losgesagt habe."
TEXT 38
syrApkBar 48,24
Wir alle sind ein Volk, das einen berühmten Namen
trägt, da wir von Einern ein Gesetz empfangen haben
(vgl. Dtn 4,6-8; TEXT 9).
Und jenes Gesetz, das unter uns weilt, hilft uns,
und die vortreffliche Weisheit, die in uns ist,
wird uns helfen.
TEXT 39
syrApkBar 51,3
Die herrliche Erscheinung derer, die auf grundmeines
Gesetzes gerecht gehandelt haben, die Einsicht in
ihrem Leben hatten, und die die Wurzel der Weisheit
in ihr Herz eingepflanzt hatten, deren Glanz wird
alsdann in verschiedener Gestalt erstrahlen •••
Vgl. auch syrApkBar 44,14; 46,5; 59,7; 61,3f.; 77,15f.
TEXT 40
4Esr 8,12
(Du hast dem Menschen gegeben) Unterricht durch dein
Gesetz und Belehrung in deiner Weisheit.
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81
Kap. I.2.3, Ziff. D
D. Weisheitliehe Paränesen und Lehrtexte
Die Test XIIPatr schliessen zahlreiche Texte solcher Art in sich.
Kap. V.2+3 sind vollständig der Weisheit und den Weisen von Test
XIIPatr gewidmet, sodass hier nur auf einige weitere Texte verwiesen werden soll, die z.T. deutliche Aehnlichkeiten aufweisen.
äthHen 91,1-lO.lSf. Par 4QHeng l.II,l3-21
des Henoch, I. Teil28
TEXT 41
Brief
zu Beginn des "Briefes an Henoch" steht eine Abschiedsrede
Henochs, deren typische Elemente eine inhaltlich und formal
geschlossene Einheit bilden: lf.: Versammlung der Kinder; 3f.:
Mahnung; 5-10 : Weissagung; 18f.
(s.TEXT 33)
abschliessende
Zusammenfassung. Die Mahnworte lauten :
3b
4
Geliebte, liebt die Rechtschaffenheit und wandelt in
ihr !
Naht euch nicht der Rechtschaffenheit mit zwiespältigem Herzen und werdet keine Genossen derer, die
ein zwiespältiges Herz haben,
sondern wandelt in Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit
meine Söhne, und sie wird euch auf guten Wegen leiten.
Und die Gerechtigkeit wird eure Genossin sein.
slavHen B29 2,1-4
TEXT 42
Eine kleine
exemplarische Abschiedsrede vor der Aufnahme
Henochs in den ersten Himmel (vgl. 3.1)
28) Nach den Fragmenten von Qumran hatte äthHen 91-105, dessen Reihenfolge schon
lange als gestört angesehen wurde (vgl. BEER, Das Buch Henoch, bes. 298301), diese Textabfolge:
I:
91,1-10+18f.:
II:
92,1-5:
Einleitung
93,1-10 + 91,11-17: lo WApk
93,11-14:
Fragereihe
III:
94,1-105,2:
Abschiedsrede
Mahnreden
Auch die Textgestalt in äthHen ist besonders zur Glättung der schwierig
gewordenen Uebergänge stark verändert worden; vgl. zu allem MILIK, The Bocks
of Enoch 207-217.247.260-272. DEXINGER, Renochs 10 WApk 102-109, geht einen
Schritt weiter und weist eine dreistufige redaktionsgeschichtliche Entwicklung auf.
29) Die längere Rezension A hat in Vers 2 eine LÜcke, vgl. BONWETSCH, SlawHenoch
10.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. I.2.3, Ziff. D
82
1
2
3
4
Und siehe-, meine Kinder,
ich weiss nicht, wohin ich gehe, oder was mir begegnet.
Und jetzt, meine Kinder,
weichet nicht von Gott !
vor dem Angesicht des Herrn wandelt
und bewahret seine Urteile !
und betet nicht an eitle Götter !
"Götter, welche weder den Himmel noch die Erde
gemacht haben", sie vergehen (= Jer 10,11).
Machet treu euer Herz in der Furcht Gottes
Und jetzt, meine Kinder,
suche niemand mich, bis dass mich der Herr zu euch
zurückbringt.
Vgl. Jub 10,1-11
TEXT 43
Abschiedsrede Abrahams.
slavHen 39-66
In der "Unterweisung Henochs an seine SÖhne"
(Titel nach B) sind
viele kleine Paränesen typisch weisheitlicher Art zusammengetragen. Die wichtigsten und.formal besten sind :
42,6-14(B) : Paränetische Miniatur mit sieben Makarismen
zur frühjüdischen Armenfrömmigkeit.
43,2-3(A.B) : Paränetische Miniatur in der Form des Vergleichs und der Steigerung : Nichts ist grösser als
Gottesfurcht.
45,3f.(A): Zwei Merksätze für das rechte Verständnis des
kultischen Opfers.
50,2-51,1.3(B) : Sechs Mahnworte (mit Erweiterungen)
zur frühjüdischen Frömmigkeit.
52(A.B) :Alternierende Reihe von Seligpreisungen und
Verfluchungen.
61-63(A.B) : Kleine Paränesen über verdienstvolles Rechttun, Einhalten von Opfern und Werken der Nächstenliebe, eröffnet durch den Ruf "meine Kinder", abgeschlossen durch eine Sentenz (in B) •
I TEXT
44
äthHen 94-105 Par 4QHeng l.V,24ff. + 4QHenc S.I,20-24
Brief des Henoch, III. Teil (vgl. Anm. 28)
Der Abschluss des Henochpentateuchs besteht aus einer langen
Mahnrede, in welcher zahlreiche weisheitliehe Traditionen der
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83
Kap. I.2.3, Ziff. D
Tugend- und Lasterparänese in die apokalyptischen Gerichtsdrohungen und Segensverheissungen verarbeitet sind.
94-97 : Mahn- und Trostworte für die Gerechten alternieren mit Weherufen Über die Gewalttätigen, Reichen,
LÜgner, Uebeltäter, Mächtigen, Sünder u.a.
98-102,3 : Scheltrede an die Toren, die "zusammen mit
ihren Schätzen, mit all ihrer Herrlichkeit und Ehre
untergehen und in Schmach, durch Mord und in grosser
Armut in den Feuerofen geworfen werden", "weil ihnen
Wissen und Weisbei t fehlt" (98, 3; vgl. 98,9; 99, 10).
102,4-105 : Hauptsächlich Trost und Verheissungsworte
an die Gerechten : Leidvollem Leben und schmählichem
Tod werden Auferstehung und himmlische Freuden folgen.
Die Henoch-"Bücher werden den Gerechten und Weisen
Übergeben werden und viel Freude, Rechtschaffenheit
und Weisheit verursachen" (104,12); diese werden dadurch zu den "FÜhrern" der Menschen und zur Belohnung
für die ganze Erde.
TEXT 45
gr+äthHen 2-5; 4QHen
Buch der Wächter
a
b
l.II + 4QHen
c
l.II,l + 4QHen l.I
Eine lehrhafte Komposition, welche den unveränderlichen Ordnungen
(llb I -rÖ.E q;;) der Gestirnswelt
und der irdischen Naturabläufe
(2,1-5,3) das ungeordnete Verhalten der Menschen entgegenstellt
(5,4) und mit dem Doppelgemälde vom Los der Verdammten (5,4ff.)
und der Auserwählten (5,7ff. TEXT 32) abschliesst.
(Wegen der nahen Verwandschaft dieses Textes mit TNaf 2,8f., 3,2-5
griechische Text in Kap. V.2.5.2 übersetzt und kurz besprochen.)
ist der
Vgl. PsSal 18,10-12; lKlem 20, und die apokalyptische Verkehrung
dieser Naturordnungen in äthHen 80 (Astronomisches Buch); 4Esr
5,1-7; AssMos 10,3-7 u. a.
TEXT 46
syrApkBar 48,2-10
Ein langes Gebet Baruchs, das in seinem ersten, preisenden Teil
(2-10) Gottes souveräne Macht über die ganze Schöpfung in weisheitlieber Art beschreibt, aber in den Versen 3 und 7
Kontext verrät.
2
0 Herr, du rufst dem Kommen der Zeiten
- und sie stehen vor dir.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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den apk
84
Kap. I.2.3, Ziff. D
Du lässt die Herrschaft der Welten vergehen,
- und sie widersetzen sich dir nicht.
Du verfügst Über den Lauf der Perioden,
- und sie gehorchen dir.
3
Du allein kennst die Dauer der Geschlechter
und nicht vielen offenbarst du ·deine Geheimnisse.
4
Du gibst die Menge des Feuers an
und wägst die Leichtigkeit des Windes.
5
Du untersuchst den Saum der (Himmels-)HÖhen,
und ergründest die Tiefen der Finsternis.
6
Du bestimmst die Zahl (der Menschen) , die vergeht und
fortbesteht,
und bereitest eine Wohnung für die, die sein werden.
7
Du erinnerst dich des Anfangs, den du geschaffen hast,
und vergisst nicht die kommende Vernichtung
8
Mit Winken der Furcht und der Drohung befiehlst du den
Flammen,
und sie wandeln sich in Wind.
Und mit dem Wort rufst du ins Leben, was nicht war,
und mit grosser Macht hälst du fest, was noch nicht ist.
9
10
11
Du lehrst durch deine Einsicht das Geschöpf und machst
die Sphären weise, dass sie dienstfertig sind nach ihrem Rang.
Unzählbare Heerscharen stehen vor dir und dienen ruhig
deinem Wink nach ihrem Rang.
HÖr doch auf deinen Knecht ...
Vgl. auch 21,4-26; 54,1-4 (Gebete Baruchs).
Vgl. auch die lange Reihe rhetorischer Fragen äthHen 93,11-14
welche nicht nur nicht christlicher Zusatz ist
(vgl. BEER, Das Buch Henoch 300), sondern in 4QHeng
l.V,l5-26 in ungefähr dreifacher Länge (fragmentarisch) vorliegt (vgl. MILIK, Enoch 269).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. I.2.3, Ziff.
~
85
E. Weisheitliehe Lehrerzählungen
TEXT 47
Dan 1-6
Die Gestalt Daniels lässt sich zwar, ähnlich wie die Gestalt
Henochs, in graue Vorzeit hinauf verfolgen 30 , als apokalyptischer Weiser erscheint er aber erst in den erzählenden Partien
von Dan. Daniel ist nicht wie Henoch ein vorsintflutlicher
Erstvermittler der apk Geheimnisse
sondern ein in historischer
Zeit vorgestelltes Paradigma des jüdischen Weisen typisch apokalyptischer Prägung :
Daniels menschliche und göttliche Weisheit :
Die Hebräerknaben am Hofe Nabuchodonosors entsprechen durchaus
dem höfischen Bildungsstandard (vgl. 1,4), sie werden aber zusätzlich von Gott selbst mit "Kenntnis und Einsicht in jegliche
Schrift und Weisheit" beschenkt, und Daniel zusätzlich mit der
Gabe, "den Sinn jeglicher Vision und von Träumen zu finden"
1,17). Darauf kennen sich die vier Kinder in jedem "Wort der
Weisheit und Einsicht" zehn Mal besser aus als alle Magier und
Seher (1,20).
In Bedrängnis wegen des kÖniglichen Traumes beten Daniel und
seine Gefährten um Einsicht in den l'1 (2,18), "und das Geheimnis wurde Daniel enthÜllt in einer Nachtschau" (2,19) :
nl'1 ~~?~?-~, ~iln~ ?~~),?
Durch diese neue, mit den bezeichnenden WÖrtern l'1 und n?l
bestimmte Erkenntnisweise wird Daniel zum "Würdenträger der
Weisen Babels" (2,48); sein Idealporträt im Munde des assyrischen KÖnigs :
4,6 Der Geist der heiligen Götter wohnt in dir,
und kein Geheimnis ist dir zu schwierig.
~?l
Vgl. 5 ,llf. :
11
Erleuchtung, Kenntnis und Weisheit wie die Weisheit
der Götter ist in ihm •••
12
Ein ausserordentlicher Geist ist in ihm,
Kenntnis und Einsicht, die Kunst, Träume auszulegen,
Rätsel zu lösen und Knoten aufzutun.
Vgl. auch 5,14-16.
30) Vgl. den weisen und gerechten Danel in Ez 14,14.20; 28,3; Daniel, einen der
Anführer der Engel in 4QHenal.III,8 Par 4QHencl.V,26 (= äthHen 6,7; auch
69,2), und Danel als Schwiegervater Henochs in Jub 4,20, besonders aber
den ugaritischen König Dnil, den gerechten Richter und magischen Weisen, s.
MUELLER, Magisch-rnantisehe Weisheit 87-94.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. I.2.3, Ziff. E
86
Daniels Gott der Weisheit
Das Lob- und Dankgebet Daniels nach der "Enthüllung des Geheimnisses"
(2,19) nennt die zentralen Eigenschaften :
2,20-23
,20
21
22
23
Es sei der Name Gottes gepriesen von Ewigkeit zu
Ewigkeit,
denn die Weisheit und die Macht gehören ihm.
Er wechselt Perioden und Zeiten,
stürzt KÖnige und richtet KÖnige auf.
Er gibt die Weisheit den Weisen und den Verstand den
Verständigen
er enthÜllt die tiefen und verborgenen (Dinge).
Er kennt, was in der Finsternis (ist), während das
Licht bei ihm wohnt.
Dich, Gott meiner Väter, lobe und preise ich,
denn Weisheit und Macht hast du mir gegeben.
Nach der Traumdeutung bekennt sich Nabuchodonosor zu Daniels
Gott und gibt ihm dabei seinen eigentlichen "apokalyptischen"
Namen : "EnthÜller der Geheimnisse"
TEXT 48
(l~ti
l17:!)
(2,47).
slavApkAbr 1-7(8)
Besonders interessant ist in diesem Text die deutliche Zusammenfügung einer weisheitliehen Lehrerzählung mit einer typisch
apk Offenbarungsrede.
Kap. 1-7 sind die autobiographische Erzählung von Erfahrungen
Abrahams mit den Götzen seines VatersTerach (1.2), Abrahams
kritischen Fragen (3,1-4). Es folgt eine Erfahrungsrekapitulation (3,5-8), dann die Auseinandersetzung mit dem Vater, der
von der Herstellung der Götter seinen Lebensunterhalt bestreitet
(4), ein weiteres, von Abraham selbst veranstaltetes "Experiment"
(Verbrennen des Holzgottes) (5) , und eine erneute Diskussion
mit Terach (6) Über die drei vorherigen Erfahrungen (6,7-12)
und schliesslich Abrahams Bekenntnisrede von seinem unvergleichlichen Gott, der "alles schuf" (7,9).
Dann ein bezeichnender abschliessender Ruf : MÖcht Gott sich
durch sich selbst uns offenbaren ! (7,12), worauf der Einbruch
Gottes folgt : "da fiel die Stimme eines Starken vom Himmel"
(8,1) ! Damit ist der Uebergang bewerkstelligt, es folgt eine
Offenbarungsrede und dann die apokalyptischen Kap. 9-32.
Vgl. Jer lO,l-9;'Jes 44,9-20; Ps 115,4-8; 135,15-18; Jub llf.;
Weish 13-15; PseuHek II, F 1, 154b-157.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. I.2.3, Ziff. E
I TEXT
49
I
87
slavHen 24-30
Diese Schöpfungsgeschichte, von Gott in autobiographischer Form
erzählt, vermischt Gen 1 mit mythologischen Gestalten zu einer
einheitlichen Komposition.
TEXT 50
slavHen 58,1-3
Märchenhafte Nacherzählung der Erschaffung und Benennung der
Tiere (Gen 2,19f.), verbunden mit der priesterschriftlichen
Aussage von der Herrschaft des Menschen (Gen 1,28). In 58,4 60,3 folgt eine paränetische Auswertung.
http://hdl.handle.net/10900/56118
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3. WEISHEIT IN QUMRAN
Dass die Texte von Qumran ausserordentlich oft von Erkennen,
Wissen, Einsicht und Klugheit sprechen, hat schon lange die
Aufmerksamkeit der Exegeten auf sich gelenkt
1
WORRELL hat in
seiner Dissertation "Concepts of Wisdom in the Dead Sea Scrolls" 2
den Fragenkomplex als Ganzes angegangen
und den zentralen Stel-
lenwert dieses Wortfeldes für das Selbstverständnis der Qumrangemeinde herausgestellt. Er nutzte die Schriften vom Toten Meer
als "Fenster", welches einen direkteren Einblick ins "weisheitliehe Milieu"
ermöglicht
als die meisten anderen, in diffizile
Einleitungsfragen verwickelten frühjüdischen Schriften. Da die
Qumranleute zudem innerhalb der apk Bewegung die greifbarste
und prominenteste Gruppe darstellen 3 , die Über vielfältige literarische und archäologische Wege zugänglich ist, kann sich an
ihr exemplarisch zeigen, was "Weisheit" in apk Kreisen bedeutete,
und in welchen literarischen Formen sie zum Ausdruck kam. Auch
hier können nur wesentlichste Punkte genannt und einige besonders charakteristische Texte vorgeführt werden :
1) KUHN, Die in Palästinagefundenen hebr. Texte 203-205; NOETSCHER, Theol. Terminologie 38-79; WAGNER, VI' in den Lobliedern 232-252; DENIS, Themes de connaissance dans Dam, bes. 78-82.123-130.197ff.; DE CAEVEL, La connaissance
religieuse 435-446; SHARVIT, Virtue of Wisdom 526-530; ROMANIUK, Le Theme de
la sagesse 429-435; auch HENGEL, Judentum und Hellenismus 415ff.401-404.
2) Ann Arbor 1968/1971 (unveröffentlicht).
3) Auf die historische Situierung soll hier nicht weiter eingegangen werden,
vgl. o. Kap. 2.1. Ich halte mich an die,gängige Interpretation der historischen, archäologischen und literarischen Fakten; vgl. neuestens DEXINGER,
Henochs 10 WApk 23-57; jedoch MURPHY-O'CONNOR, The Essenes in Palestine 100124, der babylonische Herkunft der Essenergruppe annimmt und aufgrund literarischer und redaktionsgeschichtlicher Untersuchungen ein detaillierteres
Bild der inneren. und äusseren Geschichte von Qumran zu entwerfen vermag.
(88)
http://hdl.handle.net/10900/56118
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I.3.1, Ziff. a
89
3.1 "Weisheitliche" Sprache und Lebensweise in der heiligen Gemeinschaft
~
Als erstes muss auf die starke Präsenz des weisheitliehen
- wohl in
4
Reaktion auf den offiziell-pharisäischen Gebrauch - eher ver-
Vokabulars hingewiesen werden. Obwohl das Wort
MO~M
mieden wird, lässt sich das ganze Spektrum jener Worte finden,
welche zur frühjüdischen "Erkenntnistheorie" gehören.
Ein Blick auf die Konkordanz 5 kann die Häufigkeit und die Verteilung der Termini deutlich machen :
lQS
lQH
lQSa
2
2
1
5
1
13
15
1
1
23
10
14
1
1
7~~wo
3
1
i1Vi
6
7
tl~M
lQM
adj.
i10~M
4
7~tll
verb.
7~tll
subst.
5
8
1
llVi
17
1
17
Vi~
7
4
71
i1) ~ :J
2
2
16
,~:::!
5
ilOiV
4
i1:Jtl/MO
8
lQSb
16
10
3
CD
lQpHab alii total
1
2
2
2
3
1
19
2
16
4
45
24
12
6
41
4
37
1
1
1
1
178
11 117
2
2
Vi~,
1
2
13
Eindeutig bevorzugte Wortgruppe ist
59
9
2
3
27
~
65
8
auch wenn man die Stel-
len mit profanem Gebrauch (zur Kenntnis nehmen, sexuell 'erken-
4) WORRELL, Concepts of Wisdom 181-186; vgl. NOETSCHER, Theol. Terminologie 62.
HENGEL, Judentum und Hellenismus 402, Artm. 651, erklärt diesen Sachverhalt
durch eine "weitere Differenzierung des geoffenbarten Wissens".
5) KUHN, Konkordanz; Nachträge zur 'Konkordanz' 175-234; auch MILIK, The Books
of Enoch 367-407.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
90
Kap. !.3.1,
Z~ff.
b
nen' u.a.) weglässt. Sie wirdsowohl auf Gott (lQS 3,15; lQH
1,26; 12,10; CD 2,3.7-10; lQM 18,10) als auch auf die Gemeinde
als Ganzes (CD 20,4f.) und einzelne Mitglieder (lQSb 4,27 : Priester;
lQpHab 7,4f. =
TEXT 52) bezogen, und beschreibt, da es
ja um ein qualifiziertes Wissen geht, die Qumrangemeinde als den
Ort, an dem entscheidendes Wissen von Gott geschenkt, von den
MÖnchen aufgenommen und gehütet und miteinander im "Weisheitsrat"
(lQS 10,24) erwogen wird.
Die beiden Wortgruppen
7~W
Häufigkeit. Zusammen mit
und
VI~
~
folgen mit ungefähr gleicher
finden sie sich vor allem in lQH,
dessen Hymnen dem Beter vorzüglich Gelegenheit bieten 1 dem Gott
seiner Einsicht und seines Verstehens seine eigene Teilnahme und
den überfliessenden Besitz an Erkenntnis preisend zu schildern 6 .
Die Hymnik als locus der Erkenntnis-Reflexion ist typisch für
die geschenkte Weisheit des Apokalyptikers, welche erst als
freudiger Besitz und unterscheidendes Privileg im betenden Lob
bewusst wird.
FÜr die nuancierten Bedeutungen der einzelnen Ausdrücke muss
auf die speziellen Arbeiten verwiesen werden 7 , doch darf wohl
die Differenzierung nicht zu weit getrieben werden. Vielfache
Kombinationen der betreffenden Begriffe (vgl. lQH 11,28 :
~~~n7
7~W
nV'i) zeigen 1 dass hier ähnlich wie in der biblischen Weis-
heit, durch Häufung synonymer Vokabeln jener Bereich abgesteckt'
werden soll, in welchem alles Wichtige an Wissen und Erkenntnis
vor sich geht. Die Gruppe von Qumran stellt sich darin als "Weisheitsgemeinde" dar, als
~'ilb
~w:J~
7~
'in~
(lQH 14,18.21), die
ihre geheimnisvolle Weisheit in der "Ratsversammlung" Gottes
(vgl. Jer 23,18.22; Ijob 15,8 : TEXT 2) zu hören bekommen.
El_ Die "Weisheitlichkeit" der Qumranmönche lässt sich auch an
einigen Eigenheiten ihrer Gemeindestruktur und ihrer Lebensweise
6) Vgl. WAGNER,
V1'
in den Lobliedern, bes. 243f.250f.
7) Bes. NOETSCHER, Theol. Terminologie 44-47.52-63; WORRELL, Concepts of Wisdom
186-212.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
91
Kap. I.3.1, Ziff. b
illustrieren : Da gibt es den "Intensivkurs" für die Neueintretenden, das Amt des "Einsichtig-machers" ('7 ~ :Jt!ln) , also eine
eigentliche ideologische Richterinstanz; es gibt den "Rat der
Gemeinde" (vgl. lQS 3,2; 5,7 u.ö.; vgl. lQpHab 5,12; 12,4), in
welchem wichtige Dinge diskutiert wurden; es wurde eine eigene
Art des Midraschs Über die Tora und die Propheten gepflegt, unter
der Kontrolle eines speziellen Ueberwachers (IPJn) und mit einer
strikten Arkandisziplin 8 . Auch die Selbstbezeichnung der Gemeinde
als
n~v
und ilb sowie die Betonung des Lehrens und Lernens, des
Schriftstudiums und der Schriftauslegung weisen auf das gleiche
intensive Streben nach dem Erfassen der der Gemeinde geschenkten
Wahrheit, und es ist bezeichnend, dass der Begründer und Inspirator der Gemeinde ein "Lehrer der Gerechtigkeit" genannt wird. Mit der nötigen Vorsicht und als Echo-Zeugnis können hierzu auch
die bewundernden Schilderungen der Essener als "Athleten der Tugend" und unermüdlich Lernende von PHILO und deren Vorstellung
als jüdische "Philosophenschule" bei JOSEPHUS 9 beigezogen werden.
Die Mönchsgemeinde von Qumran war für die damalige Zeit eine
demonstrative Verwirklichung - profiliert durch aszetische Loslösung und extreme
kultische Reinheitspraktiken - einer apo-
kalyptisch-weisheitlichen Gruppe, welche in der Bemühung um die
"Einsicht des Lebens" und das "Wissen der Ewigkeit" verharrte
(vgl. lQS 2,3) und so "Zeuge(n) der Wahrheit"
(lQS 8,6) sein
wollte.
8) Vgl. CD l5,lf.; lQS 4,6; auch JOSEPHUS, Bell 2,141, und die Kryptograwme
4Q 186 und 4Q 317 (s. bei Ziff. E). Vielleicht ist das Buch 'ln (lQSa 1,6;
CD 10,6; 13,2) dieser Geheimhaltung zum Opfer gefallen. s. auch NOETSCHER,
Theol. Terminologie 77-79.
9) PHILO, Oron Prob Lib 72-91, bes. 88; JOSEPHUS, Ant 18,11.18~22; Bell 2,119-161,
zit. 119. Zusammenstellung der Texte bei ADAM/BURCHARD, Antike Texte l-5.26-34.
36f. Die völlig negative Wertung, welche (MAIER)/SCHUBERT, Die Qumran-Essener
69-72, Über diese Zeugnisse abgibt, ist mit Recht von WORRELL, Concepts of
Wisdoro 123-129, korrigiert worden.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
92
Kap. I.3.2, Ziff. a
3.2 Das apokalyptische Geheimnis und dessen Vermittlung
~
Ziel qumranischer Weisheitsbemühung bilden die Geheimnisse
Gottes. Der typisch apk Begriff l } kommt hier, zusammen mit dem
oft synonym gebrauchten '1'10, zu seiner vollen Entfaltung. "Das
ganze Tun und Wirken Gottes ist ein solches, wunderbares Geheimnis, oder, was dasselbe wäre, ein geheimnisvolles Wunder, ob es
für den Menschen Glück oder Unglück bringt. Zu den geheimnisvollen Wundern gehört die Barmherzigkeit Gottes, die die Sünde
vergibt (Dam 3,18); ein Geheimnis Gottes sind die Prüfungen für
die (doch treuen) SÖhne des Bundes (lQM 17,9), die im Kampfe gegen die SÖhne der Finsternis zu fallen beginnen (lQM 16,11). Es
gibt Geheimnisse der göttlichen Gnade (lQH frgt
und des göttlichen Wissens (lQH 12,12f.; 13,13)
3,7)
'l~~h
'l'?.:Jtll(~)~i
~~~
oder
der göttlichen Weisheit. Alle Pläne Gottes sind Geheimnisse
In geheimnisvoller Klugheit 'lhOiV
~~~~
hat Gott die Endzeit fest-
gesetzt (lQpHab 7,14) und in geheimnisvoller Weisheit ein Ende
bestimmt für die Zeit, da die Bosheit existieren kann
(lQS
4,18)." 10 - Den Qumran-Weisen sind nun aber diese Geheimnisse
eröffnet, enthÜllt.
Dem~~
entspricht das göttliche n7), das
sich einerseits in der charismatischen Schriftauslegung, andererseits aber in der "Schau des Wissens"
(lQH 4,18), also einer vi-
sionären Form der Einsichtsvermittlung konkretisiert. Zentralste
"Offenbarer"-Rolle 11 spielt hierbei die überragende Gestalt
des Lehrers der Gerechtigkeit, der mit seiner Kenntnis von
b~H~~n
'l~i~V
~~~~
~~~
';>.:J (lQpHab 7,5 =TEXT 52) die "20 Jahre
Blinden und nach dem Weg Tastenden" (CD l,9f.) zur auserwählten
10) NOETSCHER, Theol. Terminologie 72; s. auch SAEBO, Art.: 1~0, ThHWAT 2 (1976)
144-148; DE CAEVEL, La connaissance religieuse 442ff.; - ti kommt 54 mal vor,
davon je 7 mal in lQS und lQM und 24 mal in lQH; zusätzlich 3 mal in den
Fragmenten von aramHen. 1~0 44 mal, davon 10 mal in lQS und 29 mal in lQH;
dazu jetzt FABRY, 1~0, Der himmlische Thronrat als ekklesiologisches Modell,
bes. 122-125 : "söd bezeichnet die 'Gemeinde', verstanden als innerweltliche
Realisation des himmlischen Thronrates, bestimmt zur Verherrlichung Gottes,
zur Befreiung des Menschen aus seiner SÜndenverfallenheit und zur Befähigung,
Gottes Willen zu erkennen (Unterstreichung von mir) und zu befolgen" (125) .
11) Die Priester hatten wohl häufig als Deuter und Lehrer
(vgl. lQSb 3,22-24;
4,27) zu walten, und auch der "Unterweiser" (s. bei TEXT 53) hatte revelatorische Aufgaben, aber dies geschah doch in der institutionalisierten Ableitung vom Lehrer der Gerechtigkeit. BRUCE, The Book of Daniel 228, vergleicht
die beiden letzteren mit Daniels apokalyptischer Weisheit (s. o: TEXT 47).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I.3.2, Ziff. b
93
"Einigung" zusammenbrachte 12 . In seiner Erleuchtung besteht die
eigentliche Verbindung der Gemeinde mit den Geheimnissen Gottes
(s. die TEXTE 51-55) und an der Anerkennung seiner prophetischweisheitliehen Funktion und Botschaft trennt sich denn auch die
Menschheit in Nachfolger und Abtrünnige (vgl. lQS 4,24), in
Licht und Finsternis.
Der Lehrer der Gerechtigkeit ist die klassische Gestalt des
apokalyptischen Weisen, der die göttlichen Geheimnisse - wohl
meist Über die Schriftinterpretation (vgl. lQS 5,11 12 a) - autoritativ auslegt und mit diesen entscheidenden Einsichten eine
Gruppe Auserwählter an der Weisheit und am Heil Gottes, welche
beide vor den Menschen verborgen sind (s. TEXT 54), teilnehmen
lässt, dadurch aber auch zum "Mann des Haders" für alle jene
wird, die nicht im auserwählten Kreis stehen, und zum "Zelot"
gegen die "Glattes suchenden" Schriftgelehrten (s. TEXT 51). Als
Dolmetsch
(f~~b)
und Vermittler der ewigen Geheimnisse steht er
am Angelpunkt qumranischer Weisheitsvermittlung und Heilsgabe.
Er zeigt somit exemplarisch auf, wie apk Weisheit auf Charisma,
prophetische Vision und eigenwillige Interpretation der Schrift
aufbaut und einen exklusiven Kreis von ausgewählten Wissenden bildet. Die Verbindung dieser vier Elemente grenzt den Lehrer der
Gerechtigkeit deutlich von den beiden anderen exemplarischen
Gestalten des frühjüdischen Weisen, von Hillel im Lager der TaraWeisheit und von Jesus als allen Menschen zugewandter Wanderprediger, ab.
~
Dieses prononcierte Bewusstsein der eigenen Weisheit aus
privilegierter Einsicht zeigt sich in allen wesentlichen Schriften, welche das Leben und das Selbstverständnis der Gemeinde betreffen. Es hat seinen ideologischen Haftpunkt in der Gestalt
Henochs, dessen apk Pentateuch allem Anschein nach im Qumran
12) Vgl. DELCOR, Les hymnes 62-71, bes. 63f. ("Le docteur, 1e mediateur, 1e nouveau Moise); JEREMIAS, Der Lehrer der Gerechtigkeit 141.150-166; WORRELL,
Concepts of Wisdom 163-169.379-385.
12a)Vg1. BETZ, Offenbarung und Schriftforschung, bes. 23-35.82-88.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
94
Kap. I.3.2, Ziff. b
zusammengestellt wurde (s. o. TEXTE il-24) 13 • Henoch ist die
urzeitliehe Darstellung dessen, was der Lehrer der Gerechtigkeit
für die Jetzt-Zeit bedeutete. Die Schau des vorsintflutlichen
Weisen auf den Kosmos und die Weltgeschichte als Ur-Offenbarung
der apk Geheimnisse bot den Leuten von Qumran, sicher aber auch
anderen Apokalyptikern vor und parallel zu ihnen, ein viel breiteres und zugleich geheimeres Weisheitsangebot als etwa die
Patriarchen mit ihrer Lebenserfahrung (s. Kap. V) oder Mose
mit seiner schriftlich fixierten Gottesweisung. Sowohl Mose wie
die Patriarchen gehörten in den inneren Denkbereich der Qumranleute, die ja auch in der Gesamttradition frühjüdischen Glaubens
lebten; Henoch aber symbolisiert das Plus an Erkenntnis, das
der Apokalyptiker für sich und seine Gruppe beansprucht.
Andere Mittlergestalten kennt man in Qumran deshalb nicht (vgl.
lQH 6,13). Mir scheint, dass darin mitbegründet liegt, weshalb
die 'Weisheit' als mythische Gestalt oder Hyp,ostase in Qumran
inexistent ist. In den Schöpfungsliedern von lQH und lQS (s.
TEXTE 58-60)
wi~d
zwar die Weisheit des Schöpfergottes hoch ge-
priesen, doch fehlt nie. der gewaltige Kontrast zum lehmgeformten,
hinfälligen Menschen. Die Weisheit, mit welcher Gott "die Welt
aufrichtete"
(llQPsaxxvr ,13f. Creat = TEXT 57),
ist nicht. mehr die
freundliche Gestalt von Spr 8,22-31 und Sir 24,6 (s.o. TEXTE 5.8),
sondern jene machtvolle Qualität Gottes (s. bes. TEXT 60), vor
welcher der Mensch zum armen Häufchen Staub, .zum "Wurm der Toten"
(lQH 6,34; 11,12) wird. Eine universale Präsenz der'Weisheit'bei
den Menschen wie in Sir 1,10; 24,6; Bar 3,38 (s.o. TEXTE 6-8)
ist undenkbar. Die Jetzt-Zeit steht unter dem fundamentalen
Mangel an Weisheit (s.o. TEXTE 32-34), in der Unheilssituation.
Nur im heiligen
~lb
tut sich das geheimnisvolle Geschehen gött-
licher Wissensvermittlung, welche in der Endzeit zur'Vollendung
kommt (vgl. 1Q27, Z.7 und TEXT 56).
13) S. o. Kap. 2, Anm. 14.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I.3.2, Ziff. c
.~
95
Umso erstaunlicher ist die starke Präsenz von Frau'Weisheit'
und Frau Torheit (TEXTE 61-63), welche in sonst für Qumran unbekannter Beredsamkeit geschildert werden. Wenn auch in diesen
Texten eher "Frau Psyche" etwas zu selbständig mitgewirkt hat, die
personifizierte'Weisheit~
wie wir sie aus den biblischen
Texten kennen (s. TEXTE bei Kap. I.l.3 A.d), bekommt in ihnen
eine neue Lebendigkeit und wird damit zum mystischen Bild der
vitalen Synusie des Apokalyptikers mit "seiner" 'Weisheit'. Die
gleitenden Uebergänge in den Bildinhalten z.B. inllQPsaxviii=Ps
154 (TEXT 61) zeigen, wie eng erotisch tönende Beschreibungen
mit dem Preis auf Gottes Heilsgabe und auf das Gesetz verwandt
sind. 4Q 185 (TEXT 64), ein Text der vielleicht besser in Kap. V
(Test XIIPatr) erörtert würde, ist wohl das beste Beispiel für
die gelungene Verbindung von Weisheits- und Gesetzesreflexion,
welche in Qumran gefunden wurde 14 . Pessimistische Gedanken Über
den Menschen, die an Kohelet erinnern (I,7b-13a), mit der Geschichte Israels verwobene Paränesen (I.l3b-II,8a) und zwei Seligpreisungen auf den Menschen, dem SIE (die 'Weisheit'; vgl. die
Randvermerke auf Spr, Sir und Bar) gegeben wurde (Sb), und der
SIE (die Tara, vgl. die
nlv7n
der Pharisäer in 14) vollbringt
(13b)1 verbinden sich zu einer Abschiedsrede von grosser Eindringlichkeit. Dass die Paränesen von Test XIIPatr sich hier gut anschliessen kÖnnten, zeigt deutlich, wie wenig in Qumran die Gestalt der'Weisheit'als selbständige Grösse irgendwelcher Art verstanden wurde. Dass sie sich aber in der verfÜhrerischen Gestalt
der Geliebten (TEXT 62) oder der fremden Frau (TEXT 63) dort finden liess, zeugt von ihrer suggestiven Kraft auch in dieser späten und harten Zeit.
14) In CD A/1 6,2-11 wird die bei PHILO (s. Kap. 1.3 D.d), Paulus, lKor 10,1-4,
und bei den Rabbinen (TosSuk 3,11; ZUCKERMANDEL 196) immer wieder herangezogene Szene vom Felsen und vom Brunnen in der WÜste ebenfalls benutzt und
allegorisierend ausgelegt. Es entsteht daraus ein Abriss der Geschichte der
Tora-Weisheit von Aaren bis zum Lehrer der Gerechtigkeit. In 6,4 wird dabei
eine explizite Identifikation vorgenommen: ni,nn H'n iH~n. - DE CAEVEL, La
connaissance religieuse 44f., sieht in der Tora das zweite grosse Objekt
qumranischer Wissensbemühung.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
96
Kap. I.3.3, Ziff.a/b
3.3 Weisheitliehe Formen und Inhalte
~
Fragmente weiterer Weisheitsschriften erzählender und beleh-
render Art (s. TEXTE unter D), die meist noch unveröffentlicht
sind, weisen darauf hin, dass in Qumran auch eine Art "religiöser Unterhaltungsliteratur" existierte, in welcher die apokalyptische Vehemenz und der aszetische Ernst etwas zurücktraten.
Natürlich kannte man auch die grossen Weisheitsbücher Ijob, Spr,
Koh und Sir, auch Tob, EpJer und Bar, von denen allen Fragmente
erhalten sind 15 • Die Bibliothek von Qumran ist weitläufiger angelegt gewesen, als man es aus theoretischen Erwägungen für eine
apk Gruppe von Auserwählten der Endzeit annehmen könnte. FÜr
genauere Aussagen muss jedoch zuerst die Veröffentlichung der
vielfältigen Texte abgewartet werden.
Ei
In allen bis jetzt veröffentlichten oder angekündigten Texten
fehlt ganz deutlich ein spezifisch weisheitliches Genus : Die
Spruchkollektion. Für die Lebensweisheit der Sprüche und überhaupt für eine geschliffenere Formulierung der Lebensregulative
in Sentenzen und Bildworten 16 , welche aus sich selbst sprechen
und kontextunabhängig sind, scheint Qumran keinen Platz zu haben, da sich seine Bewohner in einem durch "Regeln" eines "Manuale" geordneten Gemeinschaftslebens und stets im grossen Kontext der Endzeit bewegten. Diese "Ordensregeln" und der drängende
Bezug
alle~
Einzelhandlungen auf die grossen Entscheidungen der
nahen Zukunft waren der Spruchweisheit nicht günstig. Dass der
Gründer und die Leiter der grossen Siedlung von Qumran über
viel Lebenserfahrung und Menschenkenntnis verfügen mussten, ist
dadurch nicht in Frage gestellt, nur lässt sich dies durch keine
weisheitliehen Spruchsammlung belegen.
15) Vgl. die Uebersichten bei BURCHARD, Bibliographie 321-329; STEGEMANN, Anhang
95-101; bes. FITZMYER, The Dead Sea Scrolls 152-170.
16) WORRELL, Concepts of Wisdom 260', findet in lQH 2,9 "a terse sapiential sentence": "Klugheit (ist) für die Einfältigen (tl''l"'!:l) und Festigkeit für alle
mit voreiligem Herz." Die Isolierung aus dem Kontext, welche für einen Spruch
unerlässlich ist, ist jedoch schwer zu machen, da der Satz von der 1. Pers.
Sing. in 2,8 abhängig ist. In lQH 1,35 werden zudem die meisten Ausdrücke in
einer Reihe von Mahnworten wieder gebraucht: "Hört, ihr Weisen, und sinnt
nach Erkenntnis, ihr Voreiligen, und werdet festen Sinnes; (all ihr Einfältigen ? ) mehret die Klugheit ! " Vgl. auch 4Q 185 I, 14.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I.3.3, Ziff. c/d
fl
97
Paränetische Texte in der Form der Tugend- und Lasterparäne-
sen sind selten (vgl. CD A/1 2,14-21 mit TRub 5,5-7, s.u.
Kap.~
2.2.1) und zudem immer in einen kontinuierlichen Lehr- oder Regeltext eingebunden, vgl. lQS 5, 25-6,1
(Zurechtweisung). An ih-
rer Stelle stehen indikativische Programmworte wie etwa zu Beginn von lQS oder lange, kasuistisch formulierte Bestimmungen
für· die vielfaqhen Fragen der konkreten Lebensgestaltung (lQS
und CD). Die grosse
entscheidende Weisheit bestand nach der
Meinung der Qumranleute darin, diese ihre Lebensform als Gesamtes zu wählen; einmal dazu gehörend wurde die erprobte Regel
zum bestimmenden Faktor für die Verhaltensweisen. Eine strenge
Strafdisziplin ersetzte dabei jenen von den Weisen Israels immer betonten Zusammenhang von Schuld und sicherer Strafe, welcher jedoch für eine straff organisierte Gruppe zu langatmig
war.
~
Was schon in Kap. 2 Über die apk Wissenschaft gesagt wurde,
gilt in etwa auch von Qumran. Der apk Zeitplan, der möglichst
genau erkannt werden musste, und die dringliche Kalenderfrage,
welche fast zum Selbstbewusstsein und damit zur zentralen Polemik der Qumranleute gehörte, zwang diese förmlich, sich mit
"den Zeitanfängen, den Grundlagen der Zeit und der Wendung der
Festzeiten in ihrer Ordnung" (lQH 12,8) zu beschäftigen. So liessen sich tatsächlich viele Stücke astronomischen Inhalts finden,
welche zwar ohne wissenschaftliches Niveau sind 17 , aber doch eine intensive Beschäftigung mit diesem antiken Wissenschaftszweig
verraten. Dass darin auch ein von der Kalenderfrage recht unabhängiges Interesse an esoterischen Wissensinhalten zum Ausdruck
kommt, zeigen verschlÜsselte Kalendertexte, horoskopartigeAbhandlungen, Donnerinterpretationen, Beschwörungsformeln, mantische
Praktiken u.Ae., siehe die Texte und Materialien u. Ziff.E. Die
apk Geheimnistheorie, welche im Zentrum qumranischen Denkens
steht, hat hierin ihren "wissenschaftlichen" Ableger bekommen} 7 a
17) Vgl. NEUGEBAUER, Notes on Ethiopic Astronomy 58; MILIK, The Books of Enoch 277.
17a)HENGEL, Qumran und der Hellenismus 367-371, sieht in der Uebernahme horoskopischer und' astrologischer Elemente (bes. von 4Q 186 <AstrCryptDoc>) aus der
Stoa den deutlichsten Einfluss des Hellenismus auf die Leute v9n Qumran.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
98
Kap. I.3.4, Ziff. A
3.4 Texte und Materialien zur Weisheit in Qumran
Die folgenden Texte sind alle in Qumran gefunden worden. Das will nicht heissen, dass sie auch zu den in Qumran geschaffenen Texten gehören. Eine genauere Analyse müsste zwischen voressenischen (vgl. jetzt MILIK, Ecrits preesseniens), vorqumranischen (vgl. z. B. LICHTENBERGER's Kriterien, Eine weisheitliehe Mahnrede 101) und qumranischen Texten unterscheiden. Dies ist hier, wo
es um einen Ueberblick über die in Qumran vorkommenden, und also dort gelesenen und bekannten Weisheitstexte und den damit verbundenen Vorstellungen
der 'Weisheit' geht, nicht unbedingt nötig, obwohl eine detailliertere "Geschichte der weisheitliehen Literatur in Qumran" ohne diese Unterscheidungen
nicht auskommen könnte. Für ein solches Unternehmen muss aber die jetzt wieder anlaufende Publikation der weiteren Texte aus 4Q abgewartet werden.
A. Der "Lehrer der Gerechtigkeit" als wahrer Vermittler ''der
wunderbaren Geheimnisse" (lQH 2,13) für die "Erwählten
Gottes" (lQS 11,7)
TEXT 51
lQH 2,13-15 18
(13) Du setztest mich zum Zeichen (bJ) den Erwählten
der Gerechtigkeit und zum Dolmetsch der Erkenntnis
(ny~ ~~~0)
in wunderbaren Geheimnissen (M~~ ~l~~),
um zu prüfen (14) die <Männer> der Wahrheit
und zu erproben die Freunde der Zucht.
Ein Mann des Haders bin ich allen Dolmetschern des
Irrtums,
<aber ein Mann (15) des Frie>dens allen Sehern des
Rechten.
Ein Geist des Eifers bin ich gegen alle, die Glattes
(n'1v~11) suchen.
TEXT 52
lQpHab 7,3-5
(3) Und wenn es heisst : 'Damit eilen kann, der darin
liest' (Hab 2;lf.), (4) so geht seine Deutung auf den
Lehrer der Gerechtigkeit, den Gott (5) alle Geheimnisse der Worte seiner Knechte, der Propheten, wissen
liess.
18) Die Uebersetzungen sind in Anlehnung bes. an LOHSE, Die Texte aus Qurnran,
und MAIER/(SCHUBERT), Die Qumran-Essener.l43-312, gernacht worden.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I.3.4, Ziff. A
TEXT 53
99
lQH 12,llb-13
(llb) Als Einsichtiger (7~~WO)
habe ich dich erkannt,
mein Gott, durch den Geist, (12) den du in mich gegeben hast,
und Zuverlässiges habe ich gehört betreffs deinen
wunderbaren Rat (n~K7~ 1)b7) durch deinen heiligen
Geist.
(13) Du hast mir Erkenntnis in das Geheimnis deiner
Einsicht eröffnet und die Quelle deiner Stärke~Vgl. lQH 2,8ff.l3.17; 4,27ff.; 7,26; l0,4.6f.; 11,4
u.ö.
Vgl. auch die an der Einsicht des Lehrers der Gerechtigkeit partizipierende Begabung des "Unterweisers" (7~~won) in lQS 9,12-2la, dessen Kontrollund Leitungsfunktionen zum Ziel hatten, die Gemeindeglieder "mit Erkenntnis zu leiten und sie so Einsicht
zu lehren in die Geheimnisse des Wunders und der Wahrheit •.. , dass sie vollkommen wandeln, jeder mit seinem Nächsten in allem, was ihnen offenbart ist"
(18b-20a).
TEXT 54
lQS 11,5-7
Im ersten, an die eigentliche "Regel" angefügten Loblied 10,911,9 findet sich eine kleine Erkenntnislehre für den Auserwählten. Selbst wenn das hymnische "Ich" einmal auf den Lehrer der
Gerechtigkeit bezogen war, so zeigt der Wechsel zum Plural in
Vers 7, dass sich die ganze Gemeinde in diesen geheimnisvollen
Erkenntnisprozesse miteingelassen verstand _:
(5) Aus dem Quell seiner Gerechtigkeit - mein Recht !
Licht in meinem Herzen - aus seiner Geheimnisse Wunder
Auf ewig Seiendes (6} schaute mein Auge :
Einsicht,
die verborgen ist vor Menschen,
Erkenntnis und kluge Gedanken,
(verborgen) vor den Menschenkindern,
eine Quelle der Gerechtigkeit und ein Hort der
(7) Kraft ••• ,
(verborgen) vor dem Kreis des Fleisches.
Welche Gott erwählt hat,
denen gab er sie (Plur.) zu ewigem Besitz •••
Vgl. QMt 11,27 Par Lk 10,22.
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Kap. !.3.4, Ziff. B
100
TEXT 55
I
lQS 2,2-4
Dieser Segensspruch der Priester über die Neueintretenden hebt
in präziser Form die Hauptwerte qumranischer Existenz hervor.
Programmatisch wird dabei jedem einzelnen "ewiges Wissen" segnend zugesprochen :
(2b) "ER segne dich mit allem (3) Guten
und bewahre dich vor allem Bösen !
ER erleuchte dein Herz mit dem Verstand
(~~W)
des Lebens,
und begnade dich mit ewigem Wissen (b~O~~V nv~~
(4a) Und ER erhebe sein gnädiges Antlitz auf dich zu
ewigem Frieden ! "
TEXT 56
lQS 4,2lb-22
Innerhalb des grossen, selbständigen Lehrstücks "Über die Herkunft aller Menschen nach allen Arten ihrer Geister"
(3,13 -
4,26), der sogenannten Lehre von den beiden Geistern, steht die
Verheissung der vollendeten Weisheit als Heilsbesitz für die
Auserwählten nach dem "Zeitpunkt des bestimmten Gerichts"
(4,20)
2lb Er wird den Geist der Wahrheit Über ihn sprengen
wie Reinigungswasser (zur Reinigung) von allen
Greueln des Truges und vom Si~~-Wälzen (22) im
Geist der Unreinheit,
um Einsicht zu schenken (1~~n~) den Rechtschaffenen
im Wissen des HÖchsten (ji~~V nv~~),
und Weisheit der HimmelssÖhne (b~OW ~)~ no~n)
denen zu lehren (~~~wn~), die vollkommene Wege gehen.
Denn sie hat Gott erwählt zum ewigen Bund.
Vgl. auch 4QMess ar z. 4-10 : das messianische Wissen
des zukünftigen "Fürsten der Gemeinschaft".
B. 'Weisheit' und Schöpfung in hymnischen Texten
TEXT 57
llQPsaxxvi,9-15 Creat
(DJD IV ,47)
Ein Hymnus auf den Schöpfergott, der "mit der Erkenntnis seines Herzens" Licht und Finsternis schied (llf.)
und "mit Weisheit und Einsicht" (M)I~n, no~n> die
Welt aufrichtete und die Himmel ausspannte.
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Kap. I.3.4, Ziff. B
101
TEXT 58
Ein Hymnus auf den Schöpfergott, der Himmel (9-13),
Erde (13-20) und den sündigen Menschen (21-34) in
Weisheit (no~n~; vgl. 7 und 19) für immer vorherbestimmte. In 27b-31 ist ein "Lied von der Erschaffung der Sprache"l9 eingeflochten. Anschliessend
folgen Aufrufe an die "Weisen und Gerechten" (35f.).
Vgl. zu beiden : lQH 13; CD A/1 2,3f.9f.
TEXT 59
lQH 10,2-7.8-lO.llf.
Ein Hymnus auf Gottes uneinsehbare Weisheit und
deren Mitteilung an den Menschen aus Erde, Staub
und Asche (3f.). Eingeschoben ist ein hymnisches
Lied auf den Schöpfergott, den 0~7~ iW
(8-10}.
Aehnliche Texte, in denen die nur durch gnadenhafte Mitteilung
Gottes Überbrückbare Kluft zwischen Gott und Mensch besungen
und befragt wird, sind: lQH 11,3-14 (Preisung); lQH ll,27f.
(Segensspruch); lQH 12,24b-35 (Fragereihe); lQH 13,7-19 (Hymnus);
lQS 11,15-22 (Preis- und Fragelied) u.v.a.
TEXT 60
I
lQH 9,15b-17
In stilistisch kunstvoller Steigerung stellt diese Strophe
Gottes.Stärke und Weisheit als Über alles Mehr oder Weniger
menschlicher Einsicht und Kraft erhaben vor :
(Zwar) ist ein Mensch gerechter als der andere
und ein Mann klüger< ••• >.
Ein Fleisch würdiger als ein (anderes) Gebilde <von Ton>
und ein Geist stärker als der andere;
Doch wie deine Machttaten gibt es nichts an Kraft
und für deine Ehre gibt es nichts< •••
Für deine Weisheit gibt es kein Mass,
und für deine Wa<hrheit
19) Titel des Aufsatzes von BERGMEIER/PABST.
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Kap. I.3.4, Ziff. C
C. Personifizierte'Weisheit'und 'Torheit'
TEXT 61
llQPsaxviii = Ps 154 II syrPs II
(DJD IV,64-70)
Ein Weisheitspsalm. "Die Weisheit erscheint in den
Versen 5-7 als Heilsgabe, als Charisma des Verkündigens, Erzählens und Lehrens. Als Besitzerin eines
Hauses mit Toren und Portalen (8), Sprecherin (12a.
15a) und Sängerin (12b) tritt sie zugleich als Person auf .•. In Vers 20 wird sie mit der Schekina
und in 14a mit dem Gesetz identifiziert."20
TEXT 62
llQPsaxxi,ll-XXII,l Sir II Sir 51,13-19
(DJD IV, 79-85)
Alphabetischer Psalm in stark erotischer Sprache
(vgl. Sir !) Über den verliebten Weisheitssucher
und die geliebte 'Weisheit', welche sich finden und
lieben.
TEXT 63
4Q 184
("Wiles of the Wicked Woman")
(DJD V,82-85) 21
Ein vieldiskutiertes Lehrstück Über die Verführungskünste und Schlechtigkeit der "Dirne" (ALLEGRO) oder
der Frau Überhaupt (DUPONT-SOMMER), das sexuell ausschmückend das Motiv von der fremden Frau (LICHT)
als Verführerin (Spr 7,6-27) oder von Frau Torheit
(Spr 9,13-18) variiert und vielleicht auf eine rivalisierende Gruppe (CARMIGNAC) oder eine feindliche
Person (BURGMANN) anspielt22.
20) CHRIST, Jesus Sophia 41. Vollständige Bibliographie (auch zu TEXT 62) bei
MAGNE, Recherehes 503-507; SANDERS, The Dead Sea Psalms Scroll 1967, 151-153.
21) Zum Text der schlechten Edition von ALLEGRO in DJD V ist unbedingt die kritische Ueberarbeitung von STRUGNELL, Notes en marge 263-268, beizuziehen;
vgl. FITZMYER, The Dead Sea Scrolls 26.
22) ALLEGRO, The Wiles of the Wicked Woman 53-55; DUPONT-SOMMER, Explication de
textes hebreux et arameens 353f.; CARMIGNAC, Poeme allegorique 361-374; BURGMANN, The Wicked 'woman 323-359. Siehe auch GAZOV-GINZBERG, Double Meaning
279-285; HOENIG, Another satirical Qumran Fragment 256-259, und LICHT, nnVi
nitn n~Kn 7~ 289-296.XXVIIIf. -Weitere bibliographische Angaben bei FITZMYER,
A Bibliographical Aid 70.
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103
Kap. I.3.4, Ziff. C
TEXT 64
4Q 185
(DJD V, 85-87)
4Q 185 "est sapientiel dans sa langue et dans ses themes, et ••.
il appartient au genre 'instruction' ou peut-etre meme 'testament', d'un sage (ou d'un personnagehistorique) adresse ä 'mes
fils' ou 'mon Peuple'" (STRUGNELL, Notesenmarge 269).
Die ungenügende Edition und Uebersetzung von ALLEGRO in DJD V
verhinderte auch hier ein adäquates Verständnis des Textes.
STRUGNELL, Ebd. 269-273, hat beide wesentlich verbessert. Die
folgende eigene Uebersetzung, bei der mir E. PUECH
an der
Ecole Biblique in Jerusalem mit seinem guten Rat beigestanden
ist, versucht, noch einen Schritt weiter zu einem kohärenten Verständnis zu gehen. Auf den Text selbst konnte oben nur kurz eingegangen werden, obwohl eine weitergehende Untersuchung lohnend
.. 22a
ware
Die Strukturierung in thematische Strophen und die Verwendung von MAJUSKELN
für die Verweise auf Gott (ER, SEIN usw.) und die nie erhaltene feminine
Grösse Weisheit/Gesetz (SIE, IHR usw.) geben einige Hinweise für das Verständnis. Die Textgestalt ist möglichst getreu wiedergegeben. Unterstreichungen bedeuten dabei unsichere Interpretation einer vorhandenen oder unsichere Rekonstruktion einer ausgefallenen Konsonantengruppe.
1. Die Nichtigkeit des Menschen
(I,7b)23 und keine Kraft, um vor IHR zu stehen, 24
und keine Hoffnung (8) für den Unwillen< ••.•• >
Und wer erträgt es, vor SEINEN Engeln zu stehen,
da <sie> mit Feuer- (9)flammen richten, <de>nn
SEINE Geister (sind sie).
22a)Die Studie von LICHTENBERGER, Eine weisheitliehe Mahnrede in den Qumranfunden
(4Q 185), wurde mir erst nach Abschluss der Arbeit zugänglich. Trotz weiterer zahlreicher Verbesserungen des Textes im Einzelnen (bes. die Weiterführung von Kol. III, s. u. Anm. 33) bleibt die Gesamtwertung von 4Q 185 als
Mahnrede mit der zentralen Referenzgrösse der Weisheit und/oder des Gesetzes
bestehen. Der Text stammt aus vorqumranischer Zeit (vgl~6lf.), wurde aber
in Qumran kopiert (späthasmonäische Schrift).
23) Verse l-3 sind nicht erhalten; 4-7a sind sehr fragmentarisch:(4) .... ] rein
und heilig[ ..... (5) .... ] sein .•. und gernäss seinem Zorn[ ..... (6) ..... ]
und bis zu zehn Mal [ •.. (7a) ..•
24) ALLEGRO liest ] . . '7 (8) rnvtJ pXI ("and no hope to"). STRUGNELL liest "mit
Sicherheit" Jovr7(8) (=zum Unwillen, um zu erzürnen) und rekurriert deshalb
für Mll>tl auf die syrisch-aramäische Wurzel Mll> = ertragen. Er übersetzt:
"and none to support the indignation of her wrath [ ...... ]".Wegen des Parallelismus "keine Kraft" - "keine Hoffnung" und dem gleichen Ausdruck in Z. 12
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Kap. I.3.4, Ziff. C
Aber ihr, Menschenkinder, w<ehe euch> ! denn siehe :
(10) wie Gras sprosst er hervor aus seinem Boden,
und seine Rechtschaffenheit blüht auf wie eine Blume da setzt sein Atem aus2 5 , (11) und schon verdorrt sein
Blattwerk (?),
und der Wind trägt seine Blume weg ins Nichts,
zum Ver<schwinden - und er ver>geht.
(12) Und er wird nicht mehr gefunden, denn (er ist)
Hauch.
Man wird ihn suchen, aber wird ihn nicht finden,
und es gibt keine Hoffnung.
(13) Und er, .wie ein Schatten sind seine Tage auf der
Er<de>.
2. Zwei Paränesen zu Weisheit (a) und Gottesfurcht (b)
a)
Und.
und
und
und
b)
Hört auf mich, meine Kinder,
und widersteht nicht den Worten Jahwes,
(4) und geht nicht< •.•••
• • • • • • • • • . J>akob28,
·
und auf dem Weg, den ER bestimmt hat für Isaak.
Ist nicht besser ein (5) Tag< •.. > ••
als zeh<n •...••.
••.•••.• >IHN zu fürchten,
und nicht von Schrecken und Falle des Vogelfängers
befallen (?) zu werden ....•..••
jetzt, hört doch zu, mein Volk,
gebt acht (14) auf mich, Einfältige~ 6
,
werdet weise aus <der Kr>aft Gottes
erinnert euch der Wundertaten, die ER getan hat
(15) in Aegypten,
und SEINER Grasstaten im <Lande Cham>s27,
und lasst erzittern euer Herz vor SEINEM Schrecken
(II,l) und handelt (nach) <SEINEM> Wohl<gefallen •.••. >
•.••. e>ure Seelen nach SEINEN guten Gnadenerweisen,
und erforscht für euch einen Weg (2) zum Leben,
eine Strasse< ••.....••. >,
als Rest für eure Kinder nach euch.
Warum gebt ihr (3) eure <Seele> an Nichtigkeit,
< •.••.. G>ericht?
wird hier l11vO
Hoffnung übersetzt. Der Beginn der Z. 8 wäre dann zu Übersetzen: "dem (oder: ihrem/seinem} Unwillen [zu entgehen]", doch erwartet man
ein Verb.
ovr, Pi. = erzürnen, ist sonst nicht belegt und ergibt auch keinen
richtigen Sinn. Die Uebersetzung bleibt unbefriedigend.
25} l :JWJ kann auch als Nif. fern. von l1:JW
= aufhören gelesen werden.
26} Vgl. STRUGNELL 270.273: "and draw wisdorn frorn the rnighty wisdorn of god".
27} Sinngernäss ergänzt nach Ps 105,27; 106,22.
28} Wie STRUGNELL 273 sinngernäss etwa zu ergänzen: "[in Schlechtem, sondern auf
dem Weg, den er gelegt hat für J]akob".
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105
Kap. I.3.4, Ziff. C
3. Zwei Makarismen: Die'WeisheitYdas Gesetz als Gab.e{a)
und Aufgabe {b)
a)
{Sb) Selig der Mensch, dem SIE gegeben wurde
{9) deshalb .•• < ••••• > •••
und lass nicht die BÖsen sich rühmen,
die sagen : SIE wurde mir nicht gegeben,
{10) und nicht< ••••••
• • • • • ·• •• > Israel29,
und mit gu<tem Mas>se misst ER SIE zu,
und SEIN ganzes Volk wird ER erlösen. 30
{11) aber ER wird töten ••• < •••••••••
•••• > ••• <••••••• >
.• sagt der •.•.•. : So haben wir SIE gefunden
Sir 1,10
Bar 3,37
Spr 3,13
31
•
I
Sir 51,27b
{Hebr B).
<Su>che SIE {12) und finde SIE,
j Sir 6,27
und ha<lte dich fes>t an IHR und ererbe SIE,
Spr 3,16.18;
denn mit IHR ist <die Länge der T>age,
4,22; 8,17b.
und Fett der Knochen, und Freude fürs Herz •• < •• >
j 35.
{13) und SEINE Wohltaten {sind) IHRE Jugend,
und Heilshandlungen für< •••••• > •
I
b)
Selig der Mensch, der SIE vollbringt
und nicht handelt gegen <SIE ••••• >32
<und mit (dem Geist)> (14) des Truges SIE nicht sucht,
und sich mit Schmeichelei (n'lv'7n) an IHR festhält.
So wie SIE seinen Vätern gegeben wird,
so wird er SIE ererben <und •• > ••
{15) mit aller Kraft SEINER Stärke,
und mit all SEINER <Mac>ht ohne Mass.
Und ER wird SIE zum Erbe geben seinen Sprösslingen.
4. Erfahrungsrückblick
Ich habe erkannt, mich zu müh<en für das Gu>te {III,l)
für SIE,
denn ••• 33
29) Ebd.: "[wurde SIE mir zugemessen.- Denn ER gibt sie] Israel".
30) STRUGNELL 271 ergänzt: 1ill0::J[il ]'tl)tll l1i11 ("avec aleph, yod, kaf et mem douteux"). Diese Konjektur ist leider unmöglich weil sicher zu lang.
31) Die Rekonstruktion der zweiten Vershälfte durch STRUGNELL 271 hat kaum Anhaltspunkte am sichtbaren Text: "He destroys [ .•••. Nor] let the self-glorious say: thus have we found Her."
32) Die Buchstabenspuren können ebenso gut mit ~V~ wie mit
~l, (STRUGNELL: "play tricks") gedeutet werden.
~tl'
(ALLEGRO) oder
33) Die Reste von Kol. III ergeben nach DJD V,87 keinen ersichtlichen Zusammenhang mehr. LICHTENBERGER, Eine weisheitliehe Mahnrede 160f., rekonstruiert
III,ll-13 :
<G>o<tt hat> die Zunge <gemacht>
Hat G<ot>t nicht die Herzen gemacht,
und er wei~s ihre Gedanken> ?
und er kennt ihr Wort.
<Gott sieht> in alle Kammern des Innersten
Gott hat die Hände gemacht
und prüft seine Nieren.
<und er kennt ihre Taten>.
I
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. !.3.4, Ziff. D
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D. Andere Weisheitsschriften belehrender Art
TEXT 65
4QOrNab ar
(JONGELING/LABUSCHAGNE/VAN DER WOUDE 126131)
Fragmentarische Bezeugung einer alten Weisheitserzählung (wohl schon aus persischer Zeit), die in
starkem Parallelismus urid wohl als Vorbild zur Episode Dan 3,31-5,34 (Der Wahnsinn Nabuchodonosors)
den Themenkreis Ueberheblichkeit-Leiden als StrafeBusse und Besserung behandelt und propagandistisch
auswertet.34.
Eine vielleicht ähnliche Lehrerzählung mag auch hinter 4Q
"Devin ä la cour perse" stecken, doch sind die vorläufigen Angaben von STARCKY nicht weiter ergiebig (vgl. RB 63 (1956) 66).
Neben der Gestalt Daniels (vgl. die Dan.Frgte 35 ) war in Qumran
auch Achikar bekannt, wenn auch nur Über Tob (4QTob arama.d;
s. u. Kap. V. 6) •
Als Weisheitsschriften können noch folgende, meist unveröffentlichte Texte genannt werden :
lQ 26
5 Frgte einer testamentähnlichen Schrift in dtn und
Weisheitliehern Stil, ohne dass sich jedoch ein Zusammenhang ergäbe (DJD I, lOlf.).
pap4Q "H" (= 4Q 487 ?)
54 Frgte eines "document de caractere .sapientiel"
(BAILLET, RB 71 (1964) 365).
34) MEYER, Das Gebet des Nabonid Slf.; doch vergleiche jetzt VAN DER WOUDE, Bemerkungen zum Gebet des Nabonides 121-129, bes. 127 : "Formkritisch ist der
Text weder eine Weisheitserzählung noch ein biographischer Bericht, sondern
ein in eine Proklamation eingekleidetes Gebet."- Vollständige Bibliographie
bei FITZMYER/HARRINGTON, A Manual of Palestine Aramaie Texts l9lff.
35) lQDana.b (DJD I, 150-152); 6QDan (DJD III,ll4f.); 4QFlor 1-3, Kol. II (DJD
V, 54); auch 4QPseuDan ara-c, bei MILIK, "Friere de Nabonide" bes. 411-415
und 4QPseuDan Aa (= 4QPseuDand = 4Q 246), nach FITZMYER, The Contribution
391-394; FITZMYER/HARRINGTON, A Manual of Palestine Aramaie Texts 194 (beide
referieren einen Vortrag von MILIK in Harvard 1972) . - Das Buch Jona, dieses
Plädoyer für die Toleranz (der Rechtgläubigen gegen das Erbarmen Gottes auch
für die Ungläubigen) findet sich paradoxerweise nur in den HÖhlen der Widerstandskämpfer : Mur 88,X.XI (DJD II, l90f.); 8ij:ev XII gr Kol. I.II (BARTHELEMY, Les devanciers d'Aquila l70f.), und Bl,lev XII gr Frgt 4 (LIFSHITZ, The
Greek Documents 203) .
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I.3.4, Ziff. D
107
pap4Q "B" (= 4Q 485 ?) 35a)
15 Frgte "de caractere moral et prophetique", die
an Dtn erinnern (BAILLET, RB 71 (1964) 365).
4Q (Weisheitsschrift)
"doit appartenir a un ecrit sapientiel, non encore
identifie. L'ecriture se presente en tres bon etat
de conservation et le texte est de lecture facile.
Il semble dater des environs de 30-60 ap.J.-C."36
Nach STRUGNELL, RB 63 (1956) 64 1 soll in 4Q eine Handschrift
(und vielleicht vier weitere) einer "composition sapientielle"
vorliegen.
STARCKY, RB 63 (1956) 66, nennt zudem eine "composition parenetique" mit SchÖpfungs- und Sintfluttexten.
In diese Textgruppe gehört auch der Prosa-Einschub Über David
TEXT 66
llQPsaxxvrr,2-ll DavComp
(DJD IV,92f.)
Ein Lobpreis auf David, der "weise war und ein Licht
wie das Licht der Sonne, gelehrt (l~b)
und einsichtig ( ji:J.) )", beschenkt mit dem ,;Geist der
Einsicht und des Lichtes" (Z.4), und 4050 Psalmen
und Gesänge in Prophetie ( 11~1 :J.) ) verfasst hatte.
Zur Testamentenliteratur, die in Qumran anscheinend gut vertreten war, s.u. bei Kap. V.l.2; auch schon TEXT 64.
35a)Vgl. die neuesten Angaben ohne klare
Le volume VII des "DJD" 78.
Identifikationsmögli~hkeit
bei BAILLET,
36) So beschrieben von SPIJKERMAN, Chronique du Musee 325. Das Fragment ist nach der mündlichen Uebersetzung von Pere J.-D. Barthelemy- eher eine apokalyptische Heilsprophezeiung vom Ende der Tage.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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108
Kap. I.3.4, Ziff. E
E. Astronomisch-astrologische Fragmente. Magisch-Mantisches
·· h Hen 7 2- 8 2 (MILIK, Enoch 273-297 )
4 QHenastr a-d Par at
Fragmente einer umfangreichen Rolle, die "einen detailliert ausgearbeiteten, monotonen Kalender" bot,
"auf welchem die Mondphasen (354 Tage), Tag für Tag,
mit den Bewegungen der Sonne innerhalb eines Jahres
von 364 Tagen synchronisiert werden" (HENGEL, Judentum und Hellenismus 436) •
4Q 180 und 181 (DJD V, 77-80) 37
Ein Peseher auf eine 70-Wochen-Apokalypse (4QChronology ?) , auf welche auch äthHen lO,llf. (vgl. 4QHenb
l.IV,8-ll) hinweist.
4Q 247 (vorl. publ. MILIK, Enoch 256)
Eine Art Kommentar zur 10-Wochen-Apokalypse in äthHen
93,1-10 + 91,11-17 Par 4QHeng l.III,l8-25 + l.IV,l-26.
4Q 260B (z.T. publ, MILIK, Enoch 61-65)
Ein Zyklus von 7 Jubiläen mit den Zeichen für die
Priesterschaften, welche den Tempeldienst zu verrichten hatten.
Aehnliche Fragmente sind 4Q 293.319-337 (alle unveröffentlicht; vgl. MILIK, Enoch 61, Anm.l) und ~
(DJD III, 132f.).
.
4Q 317 {4QAstrCrypt hebr) (z.T. publ. MILIK, Enoch 68f.)
76 Fragmente eines lunisolaren Kalenders, ähnlich wie
in äthHen 72-74.
4Q 384-390 (unpubl.; vgl. MILIK, Enoch 254f.)
Eine 10-Jubiläen-Apokalypse unter dem Pseudonym
Ezechiels; vgl. llQMelch, z. 7 (VAN DER WOUDE, Melchisedek 358f.).
38
4Q 186 (4QAstrCrypt Doc) (DJD V, 88-91)
Physiognomische Horoskope auf grund der Konstellationen
des Tierkreises, ähnlich wie in 4QMess ar, z. 1-3
(STARCKY, Un texte messianique 52ff.64). Nach MILIK,
Enoch 56, der noch drei weitere Paralleltexte zu
4QMess ar signalisiert, handelt es sich um Fragmente
37) Siehe wiederum die Korrekturen bei STRUGNELL, Notes en marge 252.255; auch
MI~IK, The Books of Enoch 248-252.
38) Vgl.
STRUGNELL, Notes en marge 274ff.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
109
Kap. I.3.4, Ziff. E
aus einem Noachbuch, "in which the birth of the
Patriarch (with an astrological section giving a
series of horoscopes), and probably his hole life,
was narrated' in great detail".
Vgl. gr+äthHen l06f. Par 4QHene5.I,26-30 + 5.II;
lQGenAp 1-4; lQ 19.
4Q Brontologion (unpubl.; vgl. MILIK, Dix ans 38)
"Voraussagen auf Grund einer astrologischen Deutung
des Donners" (HENGEL, Judentum und Hellenismus 436).
4Q Zodiak ar
(unpubl.; vgl. MILIK, Enoch 187)
"contains the traditional list of the names of the
Signs of the Zodiap, divided according to the months
..• and to their distribution within each month"
(Ebd.).
Zu den beiden henochischen BÜchern "Buch der Wächter"
1-36 Par 4QHena-e) und "Buch der Giganten"
(äthHen
(lQ 23; 4QHenGiga.b.c;
6Q 8 u.a.), welche beide in vorqumranische Zeit zurückreichen,
s.o. TEXTE 23.24, und Kap. 2.2, Anm. 14.
Vgl. auch die Andeutungen inllQPsaxxVII,lO DavComp (Beschwörungspsalmen39); 4QOrNab, z. 4 (jüdischer Thaumaturg) und l,QGenAp
20,16b-30 (Abraham als Arzt und Zauberer). Dazu JOSEPHUS, Bell
2,159 :
Unter ihnen finden sich auch solche, die sich anheischig
machen, das Zukünftige vorauszuwissen ... , und es geschieht
selten, dass sie in ihren Vorhersagen fehlgehen
(Uebers.
v. MICHEL/BAUERNFEIND 213).
Vgl. dazu die Exempel des Judas (um 104 v.) : Bell 1,78ff.; Ant
13,311-313; des Manaemos (um 20 v.)
Ant 15,371-379, und des
Sirnon (um 6 n.) : Bell 2,111-113; Ant 17,345-348.
39) BAILLET, Le volume VII des "DJD" 84, signalisiert zwei Gesänge des '?'::Jlll7:l
(4Q 510-511), welche Gotteslob und Exorzismen gegen böse Geister bringen und
vielleicht zu den in llQPsaDavComp genannten Beschwörungspsalmen gehören (vgL
Ebd. 84, Anm. 34).
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I
llO
z
u s a m m e n f a s s e n d e r
u
e b e r b 1 i
c
k
1. In der frühjüdischen Literatur zeigen sich in der TaraWeisheit und in der apokalyptischen Weisheit inner- und ausserhalb von Qumran zwei neue Formen von Weisheit, die sich
wirkungsvoll an die Stelle der "alten" Weisheit zu setzen
versuchen. Sie bedeuten insofern einen Fortschritt in der
Geschichte der Weisheit, als es beiden gelang, neue Quellen
zu erschliessen, .aus welchen Einsichten in "Zeit und Geschichte" geschöpft werden konnten.
Dadurch wurde allerdings der Rahmen traditioneller Weisheit
gesprengt : Erfahrung, menschliches Wissen und Tradition
reichten nicht mehr aus. Die höhere Weisheit, welche die
drängende Lage des Judentums in nachexilisch-hellenistischer
Zeit verlangte, bedingte eine intensivere, göttliche Gabe
als nur jene der menschlichen Weisheit. So konnte die n1~n
Gottes im Gesetzbuch des Mose für die Tara-Gelehrten und
darüber hinaus der
ll
Gottes in der EnthÜllung seiner Visio-
näre für die Apokalyptiker zum Inbegriff des Wissens und der
Weisheit werden.
Als profilierte Gruppen entsprechen ihnen einerseits die sich
seit der RÜckkehr aus dem babylonischen Ex~l anbahnende Schriftgelehrte Bewegung mit ihrem um die Tara angelegten Bildungsprogramm, andererseits die durch den hellenistischen Kulturschock
erweckte apokalyptische Bewegung mit ihrem neuen Offenbarungsanspruch und der Tendenz, ihre geheimen Einsichten in die Geschichtsläufe mit den realpolitischen Eigengesetzlichkeiten in
Konflikt zu bringen. Hier steht zu Beginn exemplqrisch der historische Jesus ben Sira in seinem Lehrhaus, mit seinem traditionellen Angebot an naLöe(a und seiner persönlichen Errungenschaft,
der Verbindung von Tara und Weisheit, dort die halbmythischen
Gestalten Henoch und Daniel mit ihren Einsichten in die tiefen
und dunklen b'll und ihren apokalyptischen Gemälden. Hier bildete sich der Typus des Rabbi-Weisen dort der Typus'des Visionär-
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
111
Kap. I, Ueberblick
. Weisen heraus, welchen als charakteristische Persönlichkeiten
in einem gut fassbaren historischen Kontext Palästinas während
der BlÜtezeit der beiden Bewegungen hier Hillel, dieser Weise
unter den Schriftgelehrten, entspricht, dort der Lehrer der Gerechtigkeit, dieser "Dolmetsch der Erkenntnis"
(lQH 2,13) für
die apokalyptische Qumrangemelnde. Ihre Lebensart, ihre Lehre
und ihr Schicksal (und oft auch ihre Schüler und Nachfolger)
sind exemplarisch für Lehre und Schicksal der beiden Geistesrichtungen : Aus der ersten entwickelte sich die alle politische
Wirren Überlebende Schriftgelehrsamkeit mit ihrer weitläufigen
haggadischen und halachischen Literatur; die anderen jedoch,
die apokalyptischen Gruppen, die von der nefasten Realpolitik
zutiefst getroffen und in ihren Erkenntnisgrundlagen erschüttert
wurden, liessen sich endgültig in jene transmundane Weisheit ein,
um welche sich - die Apokalyptik ausweitend und umwandelnd die Gnosis mit ihren zahlreichen Traktaten bemühte.
2. Die
Ausweitung des Weisheitsbegriffes war von der geschieht-
liehen Situation gefordert, wollte die Weisheit nicht in geschichtsenthobenen Kollektionen erstarren. Die frühjüdischen
Weisen mussten die neuen Erfahrungen und die unbekannten
Geisteswelten der persischen Zeit und des Hellenismus einbeziehen und ihren eigenen, adäquaten, sie alle Übersteigenden
Beitrag leisten, wollten sie nicht von der Weisheit der VÖlker Überfahren werden.
Gerade dies bezweckten die Ineinsetzung von Tora und'Weisheit'
und die Enthüllung der Geheimnisse Gottes
Als unanfechtbare
Instanzen göttlicher Weisheit konnten sie dem frühjüdischen
Denken und Glauben in den Auseinandersetzungen des hellenistischen Kulturkampfes Stärke und Widerstandskraft geben. Die
umfassenden Ordnungsstrukturen, um welche es der alten Weisheit
in all ihrer Suche nach Gesetzmässigkeiten und Regulativen ging,
wurden als im unendlich weisen Gesetz oder Geheimnis Gottes
festgehalten geglaubt. Unüberbietbare Weisheit war somit die
Einsicht in das Gesetz, war die Teilnahme an Gottes Ratsgemeinschaft. In diesen beiden Grössen bekam die Fülle divergierender
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
112
Kap. I, Ueberblick
Einzelerscheinungen Kohärenz und damit die frühjüdische Weis~
heitsreflexion ihre innere Einheit.
3. In Alexandrien lief der Prozess der hellenistischen Assimilation weniger vehement ab und erlaubte eine geruhsamere
denkerische Verbindung der jüdischen Weisheitsreflexion mit
griechischem Gedankengut. Aristobulos, das Weisheitsbuch und
Philo sind die drei grossen Stationen im langen Verschmelzungsprozess von platonischen und stoischen Vorstellungen mit
biblisch-frÜhjüdischen Tora- und Weisheitsreflexionen zu
einem Logos- Pneuma- Sophia Amalgam, in welchem die'Weisheit'
kaum je mehr jene zentrale Heilsrolle spielte, wie dies in
der palästinischen Kampfsituation der Fall war. Die Figur
der'Weisheit'blieb zwar weiterhin eine heilsvolle Gestalt,
sie wurde aber immer stärker in ein komplexes System von
Offenbarungs- und Erlösungsvorstellungen eingebunden, in welchem die Allegorese spielerisch stets neue Verbindungen herstellen konnte. Bei Philo ist die Gestalt der'Weisheit'dann
so stark zu einer akademischen Grösse geworden; dass sie dem
Judentum entglitt. Die christliche Reflexion hatte - von
einem neuen Konzentrationspunkt her denkend - hier dann einen
neuen interpretativen Ausgangspunkt.
4. Dies alles betrifft vor allem die Theorie der Weisheit und
und spielt sich auf der Ebene der Übergeordneten, umfassenden Gedankengebilde ab,
denen es um innere Be-gründung und
um Rechtfertigung nach aussen geht. In der Praxis der Weisheit, also den inhaltlichen Ausformulierungen, den konkreten
Anweisungen, Geboten und Verboten, zeigte sich neben den typisch Schriftgelehrten oder apokalyptischen Stoffen die vielfache Präsenz traditioneller Weisheit. Unter dem Anspruch
höherer Weisheit aus niln und li liefen viele Traditionen
aus der gängigen
den
nn~n
• Gewiss sind diese Traditionen von
Leitideen in den Griff genommen und bekommen oft von dort-
her ihre ZÜgigkeit und ihren Situationsbezug, aber sie weisen
doch beharrlich darauf hin, dass es in frÜhjÜdischer Zeit
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
113
Kap. I, Ueberblick
auch andere Arten zu denken, zu reden und zu schreiben gab;
Arten, die nicht so offiziös waren und so explizit im Kampf
der Geister standen, die aber aus dem alltäglichen Kampf
des Lebens erwuchsen und den Grundstock des täglichen Erfahrens, Sprechens und Handelns ausmachten; Arten auch, die
weniger in den Kategorienhllhund r1 dachten, sondern Wissen
und Weisheit im innerweltlichen, positiven Sinn von umfassender und Überragender Bildung hochschrieben.
Solchen Traditionen und Materialien
nachzugehe~
unternehmen
die folgenden Kap. II-V.
Kap. II weist eine eigene denkerische Linie salomonischer Weisheit bei den
historisierenden Schriftstellern der frühjüdischen Zeit auf, welche die
mosaische Gesetzesweisheit und die henoch'sche Visionärsweisheit ergänzt.
Die Kap. III-V gehen dann Worte-Kollektionen, Lehrerzählungen und Paränesen
nach, in welchen praktische
Weisheit als Spruch, Mahnwort, Fragewort
und in grösseren literarischen Kompositionen weitertradiert wurde.
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II.
DIE GROSSEN WEISEN ISRAELS NACH DEN FRUEHJUEDISCHEN
EXEGETEN, HISTORIKERN, ROMANCIERS UND POETEN
Die literarischen Erzeugnisse der jüdisch-hellenistischen Historiker und Exegeten Demetrios, Eupolemos, Pseudo-Eupolemus (= Samaritanischer Anonymus), Artapanos, Theophilos, Kleodemos Malchas
und Aristeas sind uns grösstenteils nur Über Exzerpte des Clemens von Alexandrien (ca. 150-215 n.) und
rer
Form -
~meist
in originalgetreue-
des Eusebius von Caesarea (260-340 n.) erhalten.
Diese beiden Apologeten und Kirchenhistoriker haben aber nicht
aus den Quellen selbst geschöpft, sondern fast alles aus dem
Werk ITEpL ~ou6aCwv des Heiden Alexandros (Cornelius) Polyhistor
von Milet Übernommen, der zwischen 80 und 30 v. als Freigelassener in Rom eine ausgedehnte literarische Sammeltätigkeit ausÜbte1. Pseudo-Hekataios I und Pseudo-Hekataios II F l finden
sich bei Josephus 2 ; von Philo dem Aelteren-sind nur zwei Testimonien erhalten 3 •
1) zu Person und Werk des Polyhistors : FREUDENTHAL, Hell. Studien 16-35;
SCHWARTZ, Art. : Alexandros (88) von Milet, PRE 1 (1894) 1449-1452; WALTER,
Untersuchungen 2-10, und JSHRZ I/2, 93f.; DENIS, Introduction 244f. - Das
Fragment von Kleedemos Malchas, das JOSEPHUS, Ant 1, 239-241, ebenfalls
dem Polyhistor zuschreibt, stammt dem Inhalt nach wohl am besten aus dessen Werk A(ßuKa. Demetrios F 6 und Eupolemos F 5 kommen aus dem chronographischen Werk eines alexandrinischen Historikers unbekannten Namens um
40 v. (vgl. WALTER, Untersuchungen 10-14).
2) Ap 1,183b-205a (213b-214a).2,43 (=PseuHek I F 1.2); Ant 1,154b-157.159a.
161.165b-168 (=PseuHek II F 1). F 2 von PseuHek II findet sich, als
Sophokles-Zitat, bei CLEMENS, Strom 5.113,1-2, und ist ein Hymnus auf den
einzig wahren Gott.
3) Er wird sowohl von JOSEPHUS, Ap 1,218, als auch von CLEMENS, Strom 1.141,3
zwischen Demetrios und Eupolemos erwähnt. Wie diese hat er über die jÜdischen KÖnige geschrieben, und ist deshalb nicht mit Philo dem Epiker, dem
(115)
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
116
Kap. II
Die vielfachen Fragen, die sich aus dieser mehrstufigen Tradierung ergeben,
hat FREUDENTHAL, Hellenistische Studien
(1874/75), erstmals aufgeworfen und
in vielen Fällen gültig zu beantworten vermocht. Ihn und alle Autoren seither
hat die Habilitationsschrift von WALTER, Untersuchungen zu den Fragmenten der
jüdisch-hellenistischen Historiker (1968, unveröffentlicht), zu einer neuen
Synthese zusammengefasst. Seine Ergebnisse sind nun in JSHRZ I/2 und III/2
verarbeitet und leicht zugänglich gemacht. Das folg'i'nde Kapitel schliesst
sich in den Fragen der Datierung, Zuschreibunq und Abgrenzung der Fragmente
weitgehend diesen beiden Autoren an. - Die griechischen Texte bietet am
handlichsten DENIS, Fragmenta Pseudepigraphorum 175-2024, und mit einer anderen Auswahl FGrHist 722-737.
Verfasser des ITEpcciEpocr6Au~a {bei EUSEBIUS, PE 9.20,1; 9.24,1; 9.37,1-3;
DENIS 203f.) zu verwechseln; vgl. WALTER, Untersuchungen 10-14.108f.; Der
Thoraausleger 54, Anm. 3. Zu weiteren jüdisch-hellenistischen Autoren,
s.u. Anm. 31.
4) Zitiert wird hier nach JSHRZ mit F~agment {F) und§ {wenn vorhanden); der
griech~sche Text wird nach DENIS mit Seitenzahl angeführt.
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l,
ISRAEL - DIE_ MUTTER ALLER WEISHEIT
1. 1 DEMETRIOS
Der Beginn des hellenistischen Midraschs
Zu Beginn der jüdisch-hellenistischen Geschichtsschreibung
steht, soweit es die sehr lÜckenhafte Ueberlieferung zu sehen
erlaubt, Demetrios, der Exeget und Chronograph 5 , der am Ausgang
des dritten vorchristlichen
Jahrhunderts, nach dem chronologi-
schen Summarium von F 6 unter Ptolemaios IV. Philopator I.
(reg.
221-205 v.), in Alexandrien lebte. Sein vielleicht ITEPL~IouoaCwv
.
6
genanntes Werk bietet eine schmucklose, zum Teil pedantische
Chronologie der biblischen Geschichte von der Genesis bis zu den
Königsbüchern. Eine offensichtliche propagandistische Tendenz,
z.B. eine Auseinandersetzung mit der Kultur und den Weisen anderer VÖlker, ist aus den überlieferten Fragmenten nicht zu ersehen7. Doch wie der Aegypter Manethan von Sebennytos 8 und sein
priesterlicher Kollege und Zeitgenosse Berossos von Babylon 9
(beide zwischen 300 und 250 v.) legt etwas später der Jude Dernetrios Wert darauf, die Geschichte seiner eigenen Nation chronikartig und in griechischer Sprache einem weiteren Publikum zu-
5) FREUDENTHAL, Hell. Studien 35-82.205ff.219-223; s. 80 nennt er Demetrios
"den ersten selbständigen Schriftsteller und den einzigen Chror)ographen
unter den jüdischen Hellenisten"; vgl. dazu WALTER, Untersuchungen 15-36;
JSHRZ III/2, 280-292; HENGEL, JuH l28f.; DENIS, Introduction 248-269;
Fragmenta 175-179; BICKERMAN, The Jewish Historian D. 72-84.
6) FREUDENTHAL, Hell. Studien 205f.; in F 6 wird.jedoch von einem Werk des
Demetrios mit dem Titel nep\ •~v ~v
~ou5aC~ ßao~ÄEoov gesprochen. Dieser
Titel ist durchaus möglich (gegen WALTER, JSHRZ III/2, 280), da ja auch
Eupolemos (s. u. Kap. 1.4) die Patriarchen in seine "Königsgeschichte" einbezieht. PHILO nennt Mose ausdrücklich "König" (Vit Mos 2,292) und noch
Justus von Tiberias nannte sein Geschichtswerk, das von Mose bis Agrippa II
ging, ("Geschichte) der jüdischen .Könige" (FGrHist 734 F 2); vgl. SCHUERER
III, 472; DALBERT, Die Theologie der jüd.-hell. Missionsliteratur 27.
•ß
7) Es werden auch keine Synchronismen oder genealogische Ableitungen geboten,
wie etwa bei PseuEupol F l § 9 urid Kleod F l.
8) FGrHist 609.
9) FGrHist 680.
(11()
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118
Kap. II.l.l
..
1"1c h zu mac h en 10 . Man k ann sie h d es h al b mit Rec h t f ragen,
gang
"ob nicht schon bei diesem ersten chronographischen Versuch die
Absicht im Hintergrund stand, das hohe Alter des jüdischen Volkes
und sei.ner Religion zu erweisen" 11 , wie dies bei seinen Nachfolgern dann nicht mehr zweifelhaft ist.
Demetrius ist zudem der erste Zeuge für eine Interpretationsmethode, welche die biblischen Texte in der griechischen Manier
der &~op(aL xaL AOOELG angeht 12 . Er steht somit am Ursprung des
hellenistischen Midraschs, der bei den jüdisch-hellenistischen
Autoren der folgenden Jahrhunderte zur beliebten Form ihrer Darlegungen über Geschichte und Literatur des jüdischen Volkes wird
und deshalb "die bunteste FÜlle echt jüdischer und griechischer
Elemente, nationaler Gedanken und fremder Anschauungen, biblischer Lehren und hellenischer Formen, äusserer Einflüsse und
eigener Forschungen aufweist" 13 "Auffällig ist die NÜchternheit
und Redlichkeit seiner Ueberlegungen, für die er seine Gründe
oft genau angibt .•• , sowie die Schmucklosigkeit seines Stils und
die Enthaltsamkeit gegenüber jeder Uebertreibung und propagandistischen Verherrlichung seines Volkes" 14 .
10) Die Griechen selbst haben in alter Zeit keine starken chronographischen
Interessen gehabt, wie dies der Mangel an Werken·. .zeigt. Erst im 3. Jhd.v.
mit dem MARMOR PÄRIUM (FGrHist 239 u. !3d IID 665-702
(Komm.) ; vgl. WACHOLDER,
Eupolemos ll7f.) erweitern sich die griechischen Lokalchroniken zu einer
nationalen Chronographie. Dass Manetho, Berossos und Demetrios im gleichen Jahrhundert lebten, weist auf ein gleichzeitig erwachendes Interesse
dieser nicht-griechischen VÖlker an einer systematischen und allgemein
verständlichen Darlegung ihrer Nationalgeschichte hin.
11) WALTER, Untersuchungen 23. JOSEPHUS, Ap 1,218, hat dies jedenfalls so
verstanden, auch EUSEBIUS, HE 6.13,7.
'
Ebenso DALBERT, Missionsliteratur 29; HENGEL, JuH 128. In JSHRZ III/2,
263 und I/2, 97, Anm. 14 (mit Lit.), betont WALTER hingegen mehrmals die
nicht apologetische, sondern erbauliche Grundtendenz dieses Schrifttums •.
12) Vgl. besonders F 5 § 16 (DENIS 179) : ITWG ot "IcrpanA~•aL ~nAa ~crxov ~vonAOL
t!;e:Aa6v•e:G; (dazu JOSEPHUS, Ant 2,349); auch in F 2, § 14 (DENIS 177). Diese Hilfen zum Verständnis der Texte, die ja auch PHILO in seinen 6 BÜchern
Quaestiones zu Genesis und Exodus beigezogen hat, sollten nicht einfach
als "rationalistische Oberflächlichkeit ihres Verfassers" (DALBERT, Missionsliteratur 32) qualifiziert werden. Vgl. auch BARDY, La litterature
patristique des "Quaestiones et responsiones", bes. 212-217 (Philo).
13) FREUDENTHAL, Hell. Studien 67-76 (Zit.: 67).
14) WALTER, JSHRZ III/2, 282.
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Kap. II.l. 2
1. 2 PSEUDO-EUPOLEMOS
(Samaritanus)
der "chaldäischen Kunst"
119
: Abraham als Erste'rfinder
Schon der Demetrios zeitlich am nächsten stehende samaritanische
Pseudo-Eupolemos (ca. 200-170 v.) 15 kennt diese Zurückhaltung
nicht mehr. Sein zu Tage liegendes Ziel ist der "BrÜckenschlag
zwischen babylonischer und griechischer Kultur auf der zugleich
vermittelnden und prägenden Ebene der biblischen Tradition" 16 •
Eine literarische Manier der Griechen, den Topos des npw•o~
"
" 17, benutzend, stellt er kuhn
..
..
eupe•n~
einen judischen
Ahnen an
den Beginn der gesamten kulturellen Entwicklung :
In der zehnten Generation (nach der Sintflut) sei in der
babylonischen Stadt Kamarine, die einige die Stadt Urie •••
nennen< ..• > Abraham geboren worden, der an Adel und Weisheit (euyeveCa xaL oo~Ca) alle übertroffen habe, der auch
die Astrologi~ und die ~haldäische Kunst erfunden (EUpE~v)
und als Bahnbrecher der (wahren) Frömmigkeit bei Gott Wohlgefallen erlangt habe (F 1 § 3b).
Von Gott in das Land an der Mittelmeerküste geschickt, das der
Samaritaner nicht Kanaan sondern Phönizien nennt, bringt Abraham
den Phöniziern "die Umläufe der Sonne und des Mondes und alles
andere (,was zur Astrologie gehört)" bei (F 1 § 4). Durch die
Hungersnot nach Aegypten getrieben, nimmt Abraham auch dort wieder seine Lehrtätigkeit auf :
15} FREUDENTHAL, Hell. Studien 82-90, hat das schon von EUSEBIUS "meisterlos"
(aö€crno•oG} genannte Stück F 2 (=PE 9.18,2; DENIS 197f.}, und das vom
Polyhistor fälschlicherweise dem Eupolemos zugeschriebene F 1 als zusammengehörig und von einem samaritanischen Historiker der vormakkabäischen
Zeit geschrieben erkannt. WALTER, Untersuchungen 112-127.236-257; JSHRZ
I/2, 137-143; HENGEL, JuH, bes. 162-169; WACHOLDER, Pseudo-Eupolemos 84f.;
DENIS, Introduction 26lf.; MILIK, The Books of Enoch 8-10, und viele an-·
dere folgen ihm. Bei RIESSLER steht F 2 falsch auf S. 186 bei Artapanos.
16} WALTER, zu Pseudo-Eupolemos 289f.
17} Die Frage nach Ersterfindern wird schon in vorhellenistischer Zeit gestellt und ist seither ein weitverbreitetes Mittel, die Grösse der eigenen Nation oder Stadt hervorzuheben; Viele Beispiele bei : KLEINGUENTHER,
ITpw•oG EOpE•nG 152f.; THRAEDE, Erfinder·II, geistesgeschichtliche,RAC 5
(1962}, bes. 1194-1224 (griech.} und 1241-1246 (jüd.}; vgl. BOUSSET/
GRESSMANN, Rel. des Judentums 72ff.; HENGEL, JuH 658, s.v. "Erfinder,
erste". - Josephus, der den Kunstgriff auch bei Mose und dessen Gesetz
anwendet, weiss sehr gut, dass dieser ein recht unglaubwürdiges Argument
im Munde vieler Apologeten darstellt, vgl. Ap 2,152f.
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120
Kap. II.l. 2
Abraam habe in Heliupolis mit den Priestern der Aegypte~ zusammengelebt und habe sie in vielen Dingen umgeschult. Er
habe bei ihnen die Astrologie und das Uebrige eingeführt,
indem er erklärte, die Babylonier und er selbst hätten diese Dinge erfunden (gupnx€vaL); die Erfindung (g~pgcrL~) fÜhre
er aber auf Henoch ·zurück, denn dieser habe die Astrologie als
erster erfunden (gOpnx€vaL npw•ov) - nicht die Aegypter (F 1
§ 8)18.
Abraham steht so nicht nur am Ursprung der phönizisch-kanaanäischen Sternkunde, sondern auch der sagenhaften
ägyptischen Ge-
heimwissenschaften19.
Angeschlossen sei hier PSEUDO-HEKATAIOS II, F 1, der in seinem
Werk "Ueber Abramos und die Aegypter"
(vgl. F 2 § 1) , das nur
mit einiger MÜhe aus der Ueberarbeitung des Josephus herauszulösen ist 20 , einem so ähnlichen Gedankengang folgt, dass eine
Abhängigkeit nahe liegt. Er gestaltet aber die beiden Episoden
in Chaldäa und in Aegypten weiter aus, sodass sie einerseits
(F 1
§
154b-157) zu einem Lehrstück Über Abraham als den
"ersten Monotheistenn (vgl. § 155), andererseits zu einer Bildungsreise Abrahams zu den ägyptischen Priestern (§ 161-168)
18) §8b macht den Eindruck einer Korrektur, welche das Bild von Abraham als
erstem Astrologen mit den palästinischen Traditionen von Henoch (s.o. Kap.
I.2.1 und 3.2) mühsam harmonisiert (vgl. MILIK, The Books of Enoch 9). In
§9b ist dann die Henoch-Tradition vorrangig : "Die Griechen aber sagten,
dass Atlas die Astrologie erfunden habe (EOpnx~va~). Atlas ist aber derselbe wie Henoch. Der Sohn des Henoch war Mathusala, der alles durch Engel
Gottes·erfahren hat; auf diese Weise haben auch wir es erfahren" (vgl. gr
+ äthHen l06,4ff.; lQGenAp 2,19ff.).- Im Uebrigen ist das, "was
Abraham als Astrologe treibt, unseren Texten ziemlich gleichgültig" (MAYER,
Aspekte des Abrahambildes 124) , da es einzig um den zu demonstrierenden
Wissensvorsprung Abrahams geht. Es fehlt in frühjüdischer Zeit allerdings
auch nicht an negativen Wertungen der astrologischen Tätigkeit Abrahams
Jub 12,15ff.; Sib 3,221-227; PHILO, Abr 82-84; rabbinische Belege bei
BILL. II, 403f.; III, 212f.
19) Siehe das Resurne von F 1 in F 2; vgl. auch di~ weiteren Abraham-Texte bei
Artap F 1; Jub 12,16f. (auch 11,23, wo Abraham den Saatpflug erfindet);
lQGenAp 20,16-21; ApkAbr 1-7 u.a. FÜr den rabbinischen Bereich s. CHASIDAH,
1")l'Jn 'W'M
5-28; GINZBERG, Legends of the Jews 185-308. Zur Gestalt
Abrahams in der frÜhjüdischen Literatur : SANDMEL, Philo's Place in Judaism; HARRINGTON, Abraham Traditions; MAYER, Aspekte des Abrahambildes;
SCHMITZ, Abraham im Spätjudentum; FELDMANN, Abraham the Greek Philosopher
in Josephus; VERMES, Scripture and Tradition 67-126.
20) Ant 1,154-168. WALTER; JSHRZ I/2, 149-141.158f., hat dies mit aller Vorsicht getan. DENIS, Fragmenta, fÜhrt den Text jedoch gar nicht an, vgl.
DERS., Introduction 264; STERN, Authors 22ff. Zur Datierung lässt sich
nur sagen, dass PseuHek II zwischen PseuEupol, den er kennt, und Josephus,
der ihn zitiert, verfasst wurde.
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Kap. II.l. 3
121
werden. Während dieser von den Chaldäern wegen seines ketzerischen Bekenntnisses : "Gott ist der eine Schöpfer aller Dinge"
(§ 155) vertrieben wurde, brachten ihm die "Verständigsten der
Aegypter" grössten Respekt entgegen :
Als er nun bei diesen Zusammenkünften als der Verständigste
(&~ ouvE•~•a•o~) bewundert wurde und als ein Mann mit erstaunlicher Denkfähigkeit und Ueberzeugungskraft in seiner
Rede, (und zwar) bei jeglichem Thema, das er sich zu lehren
anschickte, da schenkte er ihnen die Rechenkunst und Übermittelte ihnen die Dinge, die zur Astronomie gehören (Ant 1,
167).
Daran knüpft Josephus selbst die abschliessende Bemerkung, mit
welcher er das apologetische Bemühen auch der anderen jüdischhellenistischen Historiker vor ihm zusammenfasst und nüanciert
Denn vor der .Ankunft des Abramos wussten die Aegypter von
diesen Dingen nichts; denn diese Kenntnisse sind von den
Chaldäern he.r nach Aegypten gekommen, von wo aus sie dann
auch zu den Griechen gelangten (Ant 1,168).
1.3 EUPOLEMOS (Iudaeus)
Mose
als "erster Weiser"
Eupolemos, der um die Mitte des 2. Jhd.s v. vielleicht in Jerusalem, auf jeden Fall im jüdischen Teil Palästinas lebte 21 und
dort wie sein Zeitgenosse Jason von Kyrene 22 .der pathetischen
Geschichtsschreibung huldigte, greift in seinem Werk IIEp't •&lv
~v •n~ouöaCa
ßacrLA€wv 23 nicht mehr wie PseuEupol und PseuHek II
•
L
21) Die Identität mit dem in lMakk 8,17ff. genannten Eupolemos, Sohn eines
Johannes uild Enkel eines Akkos, liegt nahe und ist durchaus möglich. Vgt.
FREUDENTHAL, Hell. Stud 107-130, bes. l27f.; WALTER, Untersuchungen 3756.156-175, bes. 39f.; JSHRZ I/2, 93-108; DALBERT, Missionsliteratur 3542; DENIS, Introduction 252-255, bes. 252; Fragmenta 179-186; WACHOLDER,
Eupolemos, bes. 5f.
22) Vgl. 2Makk 2,19-23. 2Makk spiegelt. als Epitome des viel Weitläufigeren
Werkes sicher noch dessen Eigenart; EISSFELDT, Einl. 786f.; HENGEL, JuH
176-183.
23) Nach CLEMENS, Strom 1.153,4 (=F la); der bei EUSEBIUS, PE 9. 30,1 (= F 2)
genannte Titel : U&P~ •~G'HACou npo~n•eCaG (DENIS 180) ist völlig unpassend; vgl. FREUDENTHAL, Hell. Studien 208f., und die meisten nach ihm.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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122
Kap. II.l.3
auf Abraham, den "Vater vieler Völker" (Gen 17,4f.) zurück,
sondern beginnt national einengend bei Mose 24 :
<Eupolemos aber sagt : > Mose ist der erste Weise (npiin:oG
crocpO'G) und hat als erster (npw.-oG) den Juden die Buchstaben
beigebracht - von den Juden haben sie dann die Phönizier
bekommen, darauf die Griechen von den Phöniziern -, auch
Gesetze hat Mose als erster (npi3.-oG.) aufgeschrieben (F 1
§ 1)25.
Indem Eupolemos dem Mose die Erfindung der Schrift zuschreibt,
kehrt er das tatsächliche Verhältnis Phönizier/Juden um.und verlängert so die Traditionskette Phönizier/Griechen, die schon im
5. Jhd. v. bekannt war (vgl. HERODOT, Hist 5,57f.; FEIX 696f.)
rückwärts um ein weiteres Glied : Juden/Phönizier/Griechen. Damit steht Mose am Ursprung auch der griechischen Kultur.
Schon die beiden ältesten jüdisch-hellenistischen Historiker
Palästinas sahen also in ihren Ahnen Abraham und Mose Überragende Weise, welche der chaldäischen, phönizischen, ägyptischen und
schliesslich griechischen Weisheit in wichtigen Gebieten den
Anstoss gaben. Sie stehen mit ihren Behauptungen. im Wettstreit
mit anderen Ländern und Städten um die Ehre der Ersterfinder
und teilen mit diesen die Vorstellung von Weisheit als genialer·
kreativer Erkenntnis und kultureller Tat.
24) Zwischen Pseudo-Eupolemos und Eupolemos hat ja die makkabäische Erhebung
stattgefunden, welche eine Hebung des nationalen Selbstbewusstseins begünstigte. HENGEL, JuH 174, kann deshalb Eupolemos mit Recht "ein Bindeglied zwischen dem chronistischen Geschichtswerk - seiner aauptquelle und dem stark national gefärbten Sadduzäismus der hasmonäischen Zeit"
nennen.
25) Nach Jub 47,9 erlernte Mose die Schrift von seinem Vater (vgl. auch
Jub 8,2-4); weitere Texte bei CHASIDAH,
1")hil 'tii'M
275-320. Zur Mose-
Gestalt in dieser Zeit : HALEVY, Meise dans l'histoire et dans la legende,
bes. 43-120; JEREMIAS,· Art. : Moouaf\c, ThWNT 4 (1942) 852-878, bes. 852860; und die neueren Beiträge im S<!-mmelwerk : Moses in Schr,ift und Ueberlieferung, bes. VERMES, Die Gestalt des Moses an der Wende der beiden
Testamente (61-93), und BOTTE, Das Leben des Moses bei Philo (173-181);
MEEKS, The Divine Agent, bes. 45-54.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. II.l. 4
123
1. 4 ARTAPANOS : Abraham, Josef und Mose als Initiatoren der zi-
vilisatorischen Entwicklung
Was bei den beiden vorausgehenden Autoren aus Palästina auf noch
recht einfache Art behauptet wird, führt Artapanos ins Phantastische aus. Er lebte um 100 v. in Alexandrien 26 und schrieb mehrere romanhafte Werke Über die Geschichte und die Eigenarten seiner jüdischen Glaubensgenossen mit den Titeln ITEp~JiouöaCwv (F
2 und F 3) undJEv •o~~~ouöa~xo~~ (F 1), worin er die umlaufenden Traditionen Über die kulturellen Leistungen der Ahnen des
jüdischen Volkes zu einer bunten Sammlung vereint :
Nachdem schon Abraham den ägyptischen KÖnig Pharethothes die
Astrologie gelehrt hat
(F 1; vgl. PseuEupol F 1 § 3 Par PseuHek
II F 1 § 167), entfaltet auch Josef sein kulturelles und politisches Genie :
2 Da zuvor die Aegypter ihren Boden unordentlich bebaut hatten, weil das Land nicht eingeteilt war, und da dabei die
Schwächeren von den Mächtigeren benachteiligt worden waren,
hat dieser (scl. Josef) als erster (npw•o~) das Land aufgeteilt und mit Grenzsteinen gekenntzeichnet, viel Brachliegendes der Bebauung zugeführt und einen gewissen Teil der
Aecker den Priestern zugewiesen. 3 Er hat zudem die Masse
erfunden (~E•pa EDPE~v) und war deshalb bei den Aegyptern
sehr beliebt (F 2 § 2f.).
Den grössten Wissenszuwachs und technischen Fortschritt aber haben die Aegypter durch Mose geschenkt bekommen
Als erwachsener Mann hat er (scl. Mosel den Menschen viele
nützliche Dinge Übergeben : Er hat nämlich die Schiffe, die
Steinhebevorrichtungen, die ägyptischen Waffen, die Bewässerungs- und Kriegsmaschinen und die Philosophie erfunden
(EEEUPELV). Ferner hat er den Staat in 36 Bezirke eingeteilt
und einem jeden Bezirk den Gott zugewiesen, der (in ihm)
verehrt werden sollte, sowie den Priestern die heiligen Buchstaben (Hieroglyphen) (beigebracht) ••• Ausserdem hat er den
Priestern Vorzugsland zugeteilt (F 3 § 4) .
26) Einzige Hilfe zur Datierung ist Alexander Polyhistor, dessen Zitierung
den terminus ante quem bestimmt. FREUDENTHAL, Hell. Studien 146-153,
hat zwar die Historizität des Artapanos wegen der Bejahung des ägyptischen Tierkultes (in F 3 § 4) bestritten, doch hilft dies zum Verständ~
nis des Werkes nicht weiter, vgl. WALTER, Untersuchungen 57-85.176-215,
bes. 60-63; JSHRZ I/2, 121-136, bes. 124, Anm. 13; DALBERT, Missionsliteratur 42-52, bes. 44; DENIS, Introduction 255-257; Fragmenta 186-195.
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124
Kap. II .1. 4
"Bis in Einzelheiten hinein berichtet die hellenistische Literatur Über Aegypten (Hekataios von Abdera; Diodoros von Sizilien)
das gleiche über Thot : Er ist der npw•ob eOpe•nb aller wesentlichen Kulturgüter" 27 . Thot wird nun aber in spätantiker Zeit
mit Hermes Trismegistos gleichgesetzt 28 Dass Artapanos diese
Gleichsetzung des Mose mit Thot = Hermes Trismegistos vor Augen
hatte, wird aus dem Wortspiel von F 3 § 6 klar : Der vom Volk
geliebte und von den Priestern mit "gottgleicher Ehre" beschenkte
Mose sei von diesen letzteren, die sich ja in der ägyptischen
Götterwelt auskannten, "Hermes" genannt worden, wegen der
~punve(a der heiligen Buchstaben 29 . Diese synkretistische Verbindung des Mose mit dem ägyptisch-griechischen Gott des Wissens
bringt somit auf etymologisch-allegorische Weise alle Sparten
spätantiker Wissenschaft in Abhängigkeit von Mose.
Durch eine weitere
phantasievolle Etymologie verbindet Artapa-
nos auch das in jener Zeit bekannte Motiv der Bildungsreisen
30
griechischer Gelehrter nach Aegypten
mit Mose :
3b M~Üoob ist <als erwachsener Mann> von den Griechen mit dem
Beinamen Mouoa~ob versehen worden; 4a Dieser Moysos sei der
Lehrer des Orpheus gewesen (F 3 § 3b-4a).
Selbst eine Umkehrung des traditionellen Lehrer-Schüler Verhältnisses zwischen Orpheus und Musaios wird nicht gescheut, um nochmals die Verbindung der griechischen Weisheit mit dem weisen Mose
zu erreichen.
27) WALTER, JSHRZ I/2, 123.
28) Belege für die Verschmelzung beider Götter Thot und Hermes : FESTUGIERE,
La revelation I, 287-296; WALTER, Untersuchungen 203f.; HENGEL, JuH 167,
Anm. 254; 171.
29) Vgl. den Isishymnus v. Andros, z. lOff.; v. Kyme, Z. 3f. Par Ios z. 2f.
(ebenfalls Gesetze), und von Kyrene, z. lOff. (PEEK, Der Isishymnos 15.
l22f.
129). - Den Titel eines v6uwv lEpwv ~PunvEÜ~ kennen auch PHILO,
Vit Mos l,l,und CLEMENS, Strom 1.150,4. Die Frage, "ob die rabbinische
Lehre über die Präexistenz der Thora nicht schon hier mitspielt" (VERMES,
Die Gestalt des Moses an der Wende der beiden Testamente 68), kann man
sich somit ersparen.
30) Zu Orpheus und Musaios in Aegypten vgl. HEKATAIOS von Abdera, FGrHist
264 F 25; sonst s. ZELLER, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung I, 387, Anm. l (Pythagoras); 185, Anm. 2;
973, Anm. 2; 1029, Anm. 3 (Thales, Anaxagoras); II, 412, Anm. 1.2 (Platon in Hermepolis !) • Zum Wortspiel Mwuoo~-Mouoa'i:o~ s. auch GOODENOUGH,
Jewish Symbols IX, lOlf. 218.
·
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Kap. II.l. 5
125
Pseudo-Eupolemos, Eupolemos und Artapanos sind die drei hellenistischen Juden in vorchristlicher
Zeit, von denen wir mit eini-
ger Ausführlichkeit wissen, dass sie sich selbständig mit der
Geschichte ihres Volkes im Zusammenhang der Weltgeschichte und
Weltkultur auseinandergesetzt haben 31 . Sie kommen aus verschiedenen Bereichen des damaligen Judentums : Pseudo-Eupolemos ist Samaritaner
mit universalistischer Weite der Sicht, Eupolemos ist
palästinischer Jude mit dem Blick auf sein Volk, Artapanos ein
phantasievoller Vertreter alexandrinischer Gläubigkeit; doch sie
bezeugen die gemeinsame Ansicht, dass die ganze kulturelle Entwicklung, wie sie der Über die ganze Oekumene verbreitete Hellenismus faszinierend
dars~ellt,
von einem ihrer jüdischen Vorfah-
ren abhängig, dass also Israel die Mutter aller Weisheit sei,
auch wenn sich ihre Kinder noch so unabhängig gebärden.
1. 5 ARISTOBULOS
Die Griechen als Schüler des Mose
Als "Historiker" bewerkstelligen alle bis jetzt genannten Autoren die kulturelle Vermittlung durch das Motiv der Reise eines
jüdischen Ahnen, wie dies die biblischen Texte nahelegen. Aristobulos hingegen, der sich zwischen 175 und 150
~in
Alexandrien
um eine Verbindung seiner jüdischen Ueberlieferung mit der ari-
31) Demetrios (s. Kap. 1.1) widmet sich nur dem inneren Gerüst der Nationalgeschichte. Von Philo dem Aelteren sind nur Hinweise von anderen Autoren
(s.o. Anm. 3), von Theophilos (um 100 v.) nur ein kurzes titelloses Exzerpt aus einem sagenhaften salomonischen Tempelbaubericht (JSHRZ I/2,
lll) und von Kleedemos Malchas (zwischen LXX und dem Polyhistor) nur eine
synkretistische Genealogie Abrahams (JSHRZ I/2, ll9f.) erhalten. Neben
dem von PseuEupol abhängigen Pseudo-Hekataios II (s. Kap. 1.2) kommt am
ehesten noch Pseudo-Hekataios I (Datierung schwankt vom 3. bis l. Jhd.v.;
vgl. DENIS, Introduction 266f.) in Frage, doch reichen die Fragmente seiner Geschichtsschreibung nur bis zur Schlacht von Gaza, 312 v., zurück
(vgl. F 1 § 186). Nikolaus von Damaskus, der Hofhistoriker Herodes des
Grossen (vgl. WACHOLDER, Nicolaus of Damascus 52-64; Texte : FGrHist 90;
Komm.: II.C, 229-291), ist kein Jude und verarbeitet in seiner Weltgeschichte "zur Darstellung der Vergangenheit lediglich Werke früherer
Autoren" (MICHEL/BAUERNFEIND, De bello Judaico I, S. XXV). Das Werk des
Samaritaners Thallus, eines freigelassenen Sklaven unter Tiberius (1437 n.) ist völlig verschollen; vgl. u.a. die Notizen bei JOSEPHUS, Ant
18,167, und EUSEBIUS, Arm. Chron. 125, 22 (KARST, ebd.). SCHUERER III,
495, identifiziert die beiden dort genannten, während FELDMANN, Josephus
IX, 106, nicht e&AAOG sondern ~AAOG liest (vgl. 107, Anm. f); Diskussion in FGrHist IID 835ff.
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Kap. II.l. 5
stotelischen Philosophie bemühte 32 , verlässt als "Philosoph" die
Vorstellung eines vermittelnden Zweitvolkes (Phönizier, Aegypter)
und macht die grössten griechischen Philosophen zu direkten Lesern und Uebernehmern der Mose-Gesetze. Der vielseitig gebildete
(noAuuaan~) Platon sei auf Grund alter griechischer Uebersetzun-
gen bis in Einzelheiten der mosaischen Gesetzgebung gefolgt 33 ,
und auch Pythagoras habe seiner Dogmatik vieles daraus einverleibt34. Derciepo~ A6yo~ des Orpheus an Musäus 35 zeuge ebenso
wie die Eingangsverse der Phainomena des Epikers Aratos von Solai (1. Hälfte des 3. Jhd.s v.) 36 vom Einfluss des mosaischen
32) Einleitungsworte des EUSEBIUS zu F 2 (PE 8.10,1; DENIS 217) : TnG KaT'
~PLOTOTeAnv ~LAOOO~LaG nP~G Tp naTpL~ ~gTgLAnX~G.
Zu Person und Werk
des Aristobulos siehe die beste Arbeit (wiederum) von WALTER, Der Thoraausleger Aristobulos l-171 (woraus der Artikel in Helikon 3 (1963) 353372 ein Auszug, und die Darbietung in JSHRZ III/2, 261-279 ein handlicher Ertrag ist); auch HENGEL, JuH 295-307; DALBERT, Missionsliteratur
102-106. Die Fragmente sind sowohl bei Clemens (Strom) wie auch bei Eusebius
(PE und HE) zu finden, der sie jedoch vollständiger und wortgetreuer zitiert als ciemens. Die verschiedene Zählung der Fragmente bei DENIS,
Fragmenta 217-228, WALTER, JSHRZ III/2, 269-279, und MRAS, GCS 43, 190197.390.451-454, zeigt folgender Vergleich :
DENIS :
F l
F 2 (a)
(b)
(c)
WALTER
F 2
F 3
F 4
F 5
F 3
F l
MRAS
F 2
F 3
F 4
F 5
F l
EUSEBIUS :
PE 8.10,1-17
PE 13.12,1-2
PE 13.12,3-8
PE 13.12,9-16
(= z.T. PE 7.14,1)
HE 7.32,17-18
Ich zitiere nach WALTER; für den griech. Text wie vorher die Seite bei
DENIS, der die Parallelstellen von Clemens (zu F l und 2) und Rufinus
von Aquileia (zu F 3) synoptisch anordnet.
33) F 3 § la (DENIS 22lf.) : ~avgpbv g,L uaTnuoAoD8ncrgv ß ITA~Twv TTI ua&
nua~ vouo8EcrC~ Kat ~VEPÖh ~cr~L nEPLEPYaoulvo~ ~Kao~a ~wv ~V ~BLD·
34) F 3 § lb (DENIS 222) : Ka8~G KaL ITu8ay6paG noAAa TOOV nap'~~1v ~gTgv~yKaG
glG Tnv ~auToD öoy~aTonoLCav KaTgX~PLcrgv. Vgl. HERMIPPOS von Smyrna
(2. Hälfte des 3. Jhd.s v.) bei JOSEPHUS, Ap l,l64f. (STERN, Greek and
Latin Authors Nrn. 25.26), der von einer Beeinflussung des Pythagoras
durch Juden (und Thraker) weiss. In F 4 § 4 nennt Eusebius zwischen
Pythagoras und Platon noch Sokrates.
35) F 4 § 5 (DENIS 163-167). Zur äusserst komplizierten Traditionsgeschichte
der sechs vorhandenen Versionen (Pseudo-Justin und Clemens je zweimal;
Eusebius; TÜbinger Theosophie) vgl. besonders WALTER, Der Thoraausleger
Aristobulos 103-115.202-261, der annimmt, dass "bei Aristobulos ursprünglich ein ganz anderes orphisches Stück gestanden hat" (112); vgl. JSHRZ
III/2, 275, Anm. 5a; übernommen von HENGEL, Anonymität 292ff.; DENIS,
Introduction 230-238, bes. 234, Anm. 29. Zu diesem "Testament des Orpheus"
s. u. bei Kap. V • l . 2.
36) F 3 § 6
=
Phain l-9 (MAAS 3f.).
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. II.l. 5
127
Gesetzes auf die griechische Welt 37 . Diese und ähnliche Beweisführungen apologetischer Art gehören in der Folgezeit in der
Diaspora und in Palästina zur gängigen gelehrten Manier, wie
Philo und Josephus, und in ihrem Gefolge die christlichen Apolo38
geten belegen werden .
37) Dieser jüdischen Sicht der Dinge entspricht recht gut, dass in einigen paganen Zeugnissen Über die Juden aus dem 4. bis 1. Jhd.v. diese öfters durchaus positiv als "Philosophen" dargestellt werden; so die beiden Aristotelesschüler Theophrastos (FGrHist 737 F 6; STERN, Authors Nr. 4,7) und Klearch
von Solei (bei JOSEPHUS, Ap 176-182; STERN, Authors Nr. 15,14ff.), der
idealisierende, echte Hekataios von Abdera (FGrHist 264 F 6; STERN, Authors
Nr. 11,13f.33), der Indienkenner Megasthenes (FGrHist 737 F 8; STERN,
Authors Nr. 14), der alexandrinische Biograph Herrnippes (s.o. Anm. 34) und
auch noch Strabo (FGrHist 87 F 70; STERN, Authors Nr. 115,14-27). Ausführliche Besprechung bei HENGEL, JuH 464-473; auch schon FREUDENTHAL, Hell.
Studien 177-179.
38) Vgl. FRIEDLAENDER, Geschichte der jüd. Apologetik 417-421.
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2.
SALOMO - DER PROTOTYP DER FRUEHJUEDISCHEN WEISEN-BIOGRAPHIEN
2.1 Salomonische Weisheit als grösstmögliches Wissen schwerster
Wissensgebiete (von 1 KÖn bis Sir)
Die Darlegungen der frühjüdischen Historiker und Exegeten beruhen nicht ausschliesslichauf derUebernahme literarischer Argumentationsweisen aus der hellenistischen Trickkiste. Die eigene
Geschichtsschreibung bot den jüdischen Autoren ebenfalls wichtige
ideelle Ansatzpunkte in der Beschreibung Salomos 39 • Schon der
alte Erzähler der nn?W
~~~1
in 1 KÖn (vgl. 11,41) hat ähnliche
Erzähltechniken gebraucht, wenn er in 10,1-10.13 die KÖnigin
von Saba aus dem weitentlegenen Südarabien zur Bewunderung der
Weisheit Salomos nach Jerusalem reisen und dort - vor Staunen
fast besinnungslos (vgl. 10,5b : nli 11V
n~ n~n-~71)
- ausrufen
lässt :
'Als Wahrheit hat sich die Nachricht erwiesen, die ich in
meinem Land Über deine Taten und deine Weisheit zu Gehör
bekam! ... Siehe, nicht die Hälfte wurde mir gemeldet. Du
hast noch mehr an Weisheit und Wohlstand, Über das Gerücht
hinaus, das ich gehört habe!' (1 KÖn l0,6f.).
Die
ausserordentli~h
gut gestaltete Erzählung kann als Prototyp
der in Kap. 1 angeführten Texte der jüdisch-hellenistischen Historiker und Exegeten angesehen werden. Ihre Aussageintention
lässt sich auf folgenden gemeinsamen Nenner bringen : In Israel,
repräsentiert durch eine seiner grossen Gestalten Abraham, Mose
oder Salomo, ist Übergrosse Weisheit, zu der sich alle fremde
Weisheit drängt und an der sie sich als zweitrangige und abgeleitete Weisheit erweist. Ich möchte diesen Typ Weisheit im Un39) DENIS, Introduction 64-69, hat Überreiches Material zu den Salomo-Traditionen im jüdischen, gesamtsemitischen und christlichen Bereich zusammengestellt. S. noch GINZBERG, The Legends of the Jews IV, 123-176; WUENSCHE,
Aus Israels Lehrhallen II, 1-32; SALZBERGER, Die Salomosage in der semitischen Literatur I (129 S.); neulich: FELDMANN, Josephus as an Apologist
•.. : His Portrait of Solomon, bes. 85-88.
(128)
http://hdl.handle.net/10900/56118
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Kap. II.2.1
terschied zur "mosaischen" Tara-Weisheit und zur "henoch'schen"
Weisheit der Apokalyptik "salomonische Weisheit" nennen, deren
Typik am anschaulichsten mit den Worten des KÖnigsbuches selbst
gegeben werden kann
<Ursprung :>
9 Gott gab Salomo Weisheit und dazu Einsicht in sehr reichem
Masse und Weite des Verstandes vergleichbar mit dem Sand am
Ufer des Meeres.
<Ausmass :>
10 Die Weisheit Salomos Übertraf die Weisheit aller SÖhne
des Ostens und die ganze Weisheit Aegyptens
11 Er war weiser als alle Menschen,
(weiser) als Etan der Esrachit,
(und weiser) als Heman, Kalkol und Darda, die Macholsöhne;
und sein Name war verbreitet unter allen VÖlkern.
<Inhalt :>
12 Er formte 3000 Sprüche,
und seiner Lieder waren 1005.
13 Er redete über die Bäume
- von der Zeder, die auf dem Libanon steht,
bis zum Ysop, der zur Mauer herauswächst -,
und er redete Über die Landtiere und die VÖgel,
Über die Kriechtiere und die Fische.
<Folgen :>
14 So kam man denn aus allen VÖlkern, um die Weisheit Salomos zu hören; <add ex LXX : und er empfing Geschenke> von
seiten aller KÖnige der Erde, die seine Weisheit härten.
(1 KÖn 5,9-14)
Es ist Weisheit im extensiven Sinn, die uns hier in der Häufung
der Vokabel
o~n
begegnet. In beiden Texten (1 Kön 5,9-14 und 10,
1-10.13) geht es ja darum, einen möglichst grossen
inhaltlichen
und geographischen Kreis abzustecken, welchen Salomo mit seiner
Weisheit umgreift : Die Weisheit der östlichen WÜstenvölker, der
Vertreterin Südarabiens, der Grassmacht Aegyptens, ja aller Menschen steht staunend vor Salomo. Dieser beherrscht sämtliche
Sparten orientalischer Weisheit : Rätsel (10,1.3), die "Ordnungswissenschaft"
(5,13), die Sprichwörter (5,12a) und Lieder (5,12b).
Wohlergehen und Prachtentfaltung sind die sichtbaren Begleiter
seiner unübertreffbaren Weisheit.
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Kap. II.2.1
Dass Salorno auch in frÜhjÜdischer Zeit so gesehen wurde, also
das Ideal salomonischer Weisheit auch zur Zeit der jüdisch-hellenistischen Historiker und Exegeten aktuell war, bezeugt arn
klarsten Jesus Sirach. In seinem
"Lob der Väter"
übernimmt er
zur Beschreibung Salornos alle genannten Merkmale und weitet sie
panegyrisch aus :
Sir 47,14-17 (Hebr B)
14 Wie warst du weise (schon) in deiner Jugend,
und strömtest du über wie der (Nil-)Fluss an 'Zucht'.
15 Die Erde bedecktest du mit deiner Einsicht,
und sammeltest in Himmelshöhen Lieder
(LXX: und erfülltest sie mit rätselvollen Gleichnissen).
<16 (nur LXX und S : )
Bis zu den entlegenen Inseln gelangte dein Name,
und du wurdest geliebt in deinem Glück.>
17 Mit Liedern, Sprichwörtern, Rätseln und Sinnsprüchen
brachtest du die VÖlker in (ehrfurchtsvolles) Schaudern.
Obwohl 1 Kön 5,9-14 unzweifelhaft im Hintergrund steht, ist eine
bezeichnende Verschiebung in der geographischen Perspektive zu
erkennen. Der Blick des orientalischen Erzählers von 1 Kön, welcher auf die arabischen wüstenreiche mit ihren alten, längst vergessenen Weisen und auf Aegypten gerichtet war, wird vorn hellenistisch gebildeten Siraziden (Vers 16) auf jene Gegenden gelenkt, aus welchen zu seiner Zeit Bildung, Wissenschaft und Kunst
kamen : die jonische Inselwelt, Griechenland : 40
Soweit die Fragmente es ersehen lassen, hat sich auch Sirach's
Kollege Eupolernos sehr für Salorno interessiert, doch scheint er
sich nur dessen Briefwechsel mit Aegypten und den nördlichen
KÜstenstädten und dann dem prachtvollen Tempel gewidmet zu ha41
ben . Aristobu1os hingegen, der philosophische Zeitgenosse in
Alexandrien, der nicht unbescheiden auf Salorno als seinen Vorfahren hinweist (vgl. F 5 § 11 ) , legt die geographisch dimensionierten Aussagen Sir 47,15-17 von der Ueber1egenheit Salorno's
40) Dass die "fernen Inseln", die in Hebr B vielleicht sogar fehlten (vgl.
RYSSEL, Die Sprüche 461), auf die jonische Inselwelt hinweisen, ergibt sich
schon aus Gen 10,4f.; Jes 66,19; vgl. auch HENGEL, JuH 238.
41) F 2 und F 3 (vgl. Theophilos F 1). Auch hierin zeigt sich der engere Blickwinkel des Eupolemos.
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Kap. II. 2.1
131
an einer philosophischen Thematik dar : Während die Peripatetiker der'Weisheit'die Rolle einer "Fackel" zuschrieben, welche
das menschliche Leben erleuchtet, hat Salomo schon lange vorher
mit seiner Behauptung der Präexistenz der'Weisheit'vor Himmel
und Erde "klarer und schöner" aufgezeigt, dass jegliches (Erkenntnis-)Licht von ihr komme, sie also das noetische Strukturprinzip des Kosmos bilde 42 .
Bevor dieser Gedankengang weiter verfolgt werde.n soll, sei ein
kurzes Fazit gezogen : Im zweiten vorchristlichen Jahrhundert
lässt sich sowohl in Palästina wie in Alexandrien ein Typ von
Weisheit finden, der sich am salomonischen Ideal orientiert :
Es ist Weisheit als grösstmögliches Wissen auf allen dem menschlichen Geist zugänglichen Wissensgebieten. Die jüdisch-hellenistischen Autoren bezeugen dies dadurch, dass sie ihren Ahnen
Abraham, Josef, Mose die grössten Erfindungen wie die Schrift,
die Gesetzgebung, die Masse, den Maschinenbau, oder die Einführung der schwierigsten Wissenschaften wie die Astrologie und die
Philosophie zuschreiben. Dass sie dabei immer auf die Frage nach
dem Ersterfinder und deren Beantwortung im nationalistischen
Sinn ausgehen, ist vor allem als stoffliche Dramatisierung zu
werten, die von der apologetischen Absicht herkommt und einen
hoffnungslosen Versuch darstellt, den Abstand zwischen dem Auslöser und dem Nachahmer einer Geistesbewegung zu Überspringen
oder gar deren Verhältnis umzukehren •. Diese Dramatisierung betont nur den weltlichen Charakter dieses salomonischen Weisheitstyps : Es ist Weisheit, die in reelle Konkurrenz zur griechischen Weisheit gesetzt werden kann, weil sie die gleichen Bereiche wie jene betrifft und von den gleichen menschlichen Fähigkeiten erarbeitet wird. Die jüdisch-hellenistischen Autoren le-
42) F 5 § ~1
(DENIS 224a) : aacplfa-re:pov o€ J<aL J<~AALov -rwv Tll.J.E:-rtpwv npoy6vwv
"ILC e:Lne: EoAOl.J.OOV aO-rnv npo oGpavou J<aL Ync Dn~PXE:LV (vgl. CLEMENS, Strom
6.138,4, bei DENIS 224b, der umschreibend weiterinterpretiert); F 5 § 9-11
sind o. Kap. I.l.3 D.a (TEXT 18) übersetzt und kurz erklärt. Selbst wenn
in diesem Fragment das Schwergewicht auf der Anwendung der allegorischen
Methode liegt und nicht so sehr auf dem Erweis der salomonischen Ueberlegenheit, wie WALTER, JSHRZ III/2, 263,richtig betont, bleibt es beim "nicht
so sehr". Aristobul hat ja über die Allegorie hinaus einen komparativischen
Vergleich zugunsten Salomo's aufgestellt.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. II.2.2
132
gen ja gerade keinen Wert darauf, dass ihre Weisen aus einer
speziellen Über-weltlichen Quelle (wie etwa der n11n oder dem
~~
Gottes) schöpfen, sondern betonen deren menschliche Erfin-
dungsgabe, intellektuelle Fähigkeiten und praktische Begabung.
Dass diese Aussagen zur gleichen Zeit gemacht werden, in welcher
auch die Konzepte der Tara-Weisheit und der apokalyptischen Weisheit ausgebildet wurden, wirft ein bis jetzt wenig beachtetes
Licht auf den apologetischen Grundzug der meisten jüdisch-hellenistischen Autoren. Sie standen in den Auseinandersetzungen mit
der hellenistischen Wissenschaft und dem daraus sich ergebenden Anspruch auf Weisheit und konnten, wenn sie ihre eigenen Ansichten
darlegen und mit Argumenten begründen wollten, nicht die esoterisehen Begriffe
n11n,
~1,
110, n7), IWB usw. brauchen,
son-
dern mussten auch in ihrem eigenen Traditionsbereich Weisheit im
gängigen Sinn aufzuweisen imstande
sein. In der Weisheit des
Königs Salomo fanden sie dafür ein Modell bereitgelegt, das sie
auf verschiedene Ahnen anwenden konnten und so - mit Hilfe hellenistischer Argumentationstechniken - eine frühjüdische Weisheitstradition eigener Art zu entwickeln
vermochten~
2.2 Die Ausweitung bis in die Magie (von Weish bis Josephus)
Die salomonische Tradition erfuhr in der Folgezeit eine Entwicklung, die deutliche Bezüge zu den beiden Hochformen der Weisheitsreflexion, der im vorausgehenden dargelegten Tara-Weisheit
(Kap. I.l) und der apokalyptischen Weisheit (Kap. I.2 und 3)
aufweisen, und deshalb auch innerhalb dieser beiden Bereiche
verstanden werden müssen.
Eine erste Traditionslinie beruht auf einer bezeichnenden Verschiebung in der immer auf 1 KÖn 5,9-14 basierenden extensiven
Auslegung der Weisheit Salomos. In Weish 7,17-21 beschreibt der
alexandrinische Pseudo-Salomo in einer inhaltlichen Liste seine
I
"untrügliche Erkenntnis der seienden Dinge" (v.l7), die er von
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. II. 2.2
133
Gott, "dem FÜhrer der Weisheit und Lenker der Weisen" (v.l5) bekommen hat : Von der philosophischen Kosmologie (v.l7b : oOcr•acrL~
K6~ou xa\ ~vgpyg(a cr•oLxECwv) 43 , der Astronomie (v.l8f.), der
Biologie (~OOEL~ E~v, au~ol 8np(wv), Botanik (öL~opaL ~u•wv,
öuv~~EL~ PLEwv) und Psychologie
(öLaAOYL~ol &vap~nwv) bis zur
Dämonologie (ßLaL nvEu~~•wv) hat ihn die 'Weisheit', diese n&.v•wv
•EXVL•L~,alles gelehrt. Der alte
weise König hatte alles das,
was damalige hellenistische Bildung umfasste, schon in grauer
Vorzeit erkannt; seine noAunELPLU (8,8) entspricht bestens der
griechischen ~YKOKALO~ naLöE(a. Dabei ist nicht zu Übersehen,
wie die deskriptive Liste von 1 KÖn 5,13 eine eigenartige Tiefendimension bekommt. Es geht diesmal nicht mehr nur um eine
FÜlle von Wissensgebieten und eine erschÖpfende Kenntnis der
detailreichen Oberfläche der Welt, sondern vielmehr um vollständige Durchdringung, ja Beherrschung der erkannten Wirklichkeiten.
Josephus macht dies Ant 8,42-44 in grösserer Kürze noch deutlicher. Die frei und verdeutlichend zitierten Verse 1 Kön 5,9-14
interpretiert er anschliessend extensiv auf die Erfassung und
Durchdringung der ganzen Natur
oÖöE~(av y'O.p ~OOLV fiyv6ncrEV,
oÖö€ napnA8Ev &vEEt•aa•ov,
&AN
~V n~craL~ (scl.
~O~EOLV) t~LAocrÖ~ncrE,
Ka\ •nv tnLcr•n~nv •oov tv.aÖ•o1~ löLw~~•wv ~Kpav tnEöECEa•o
(8' 44b).
Was aber in Weish 7,20 als Einzelwissen innerhalb einer ganzen
Liste erwähnt wird, die ß(aL nvEu~~•wv, wird bei Josephus (8,45)
zu einer •~xvn gegen die Dämonen, welche eine besonders wichtige
43) Eine ähnliche kosmische liebersieht spricht EZECHIEL der Tragiker F 2 (DENIS
210 z. 14f.) dem Mose auf dem Sinai zu :
tyili ö'fOE~ÖOV Ynv &naaav ~YKUKAOV
Kat lvEp6E yaCac Kal ~~6nEP6Ev oßpavoÜ,
wovon in syrApkBar 59 eine apk Version zu finden ist; vgl. EpAr
139.
Aehnliches von Josef bei PHILO dem Epiker F 2 (DENIS 204 Z.3), dazu vgl.
·JosAs 6.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. II.2.2
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Gabe Gottes an Salomo und das jüdische Volk sei 44
In seiner
ausführlichen Schilderung einer Dämonenaustreibung durch Eleazar
(8,46-49) verweist er auf
~
/
En~6a~
'
und
/
Tpono~
;::,
..
/
EEopxwoEwv (Beschwo-
rungen und Exorzismen) des Salomo und auf einige magische Utensilien wie Ring, Siegel, Wurzel, Wasserbecher (vgl. Test Sal
1,6-12; 2,9; 22,10; 24,2), die auf eine inzwischen entstandene
Magieliteratur salomonischer Prägung hinweisen 45
Das gerade in
den ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderten in Blüte stehende
Zauberwesen 46 konnte an dieser Stelle einen willkommenen Ansatzpunkt finden, sodass Salomo eine wichtige Rolle in der antiken
Zauberliteratur zu spielen begann. "Die Zahl der ihm zugeschriebenen astrologischen, alchimistischen, iatrornantischen und ähnlichen Traktate, ganz abgesehen von Amuletten und Zaubergemmen,
ist fast unübersehbar" 47 .
Diese Magisierung der Weisheit Salomos ist eine Konsequenz aus
der Über Jesus Sirach, Aristobulos, Weisheit Salomos und Josephus immer extensiver werdenden Auslegung von 1 KÖn 5,9-14 in
einer Zeit, in der man mit der Einsicht in die geheimnisvollen
Eigenschaften der Naturerscheinungen auch die Beherrschung der
ihnen innewohnenden Kräfte verbunden sah 48 • Und da vor allem
n
44) 8,46 : ~al a~•n utXPL vGv na~ ~ULV
&epane(a nAe~cr•ov lcrxDeL; vgl. jedoch die Geschichte von Mosollamos und dem verspotteten Vogelschauer bei
PSEUDO-HEKATAIOS I, F 1 § 201-204; auch die Vorwürfe der Magie, welche späte,
heidnische Autoren dem jüdischen Volk machen : Lukian von Samosata (geb.
125 n.; REINACH, Auteurs Nr. 84); Kelsos (um 150 n.; REINACH, Auteurs Nr.88,
4f.); Numenius von Apameia (2. Hälfte des 2. Jhd.s; REINACH, Auteurs Nr. 95).
45) Eine Parallelerscheinung ist die Magie mosaischer Eigenart, welche jedoch
einen direkten Ansatzpunkt im biblischen Text Ex 7-11 hat, wo die Zauberkräfte des Mose im Kampf mit den ägyptischen Magiern ausführlich geschildert
werden. Dieser Machtkampf lässt sich in frühjÜdischer Zeit vielfach wieder
finden : Artap F 3 § 25-29; Weish 10,16; 16-18; EZECHIEL der Trag. F 2
(DENIS 211 Z. 29 bis 212 Z. 20); AntBibl 10,1; JOSEPHUS, Ant 2,280. Belege
für Mosemagie bei GOODENOUGH, Jewish Symbols, Indexband XII,l3, s.v. Moses;
DENIS, Introduction 140f.; bes. GAGER, Moses in Greco-Roman Paganism 134161.
46) LEIPOLDT/GRUNDMANN, Umwelt I, 77; vgl. Apg 19,19.
47) HENGEL, JuH 239; vgl. SALZBERGER, Die Salomo-Sage 92-129; SCHUERER III, 407fL
413f.418-420 (mit Lit.). Instruktives Material bietet GOODENOUGH, Jewish
Symbols, Indexband XIII, 182, s.v. Solomon; rabbinische Belege bei BILL IV,
533ff.; CHASIDAH,
1"~nn 'tll'l-1
399-416, bes. 403f.; überhaupt die Lexikonartikel zu Salomon/Solomon in JewEnc 11(1905) 436-448 (SELIGSOHN/MONTGOMERY/
PRICE), PRE Suppl. 8(1956) 660-704 (PREISENDANZ) und ThWNT 7 (1962) 459-463
(LOHSE).
48) Eine ganz andersartige Ausweitung ist im rabbinischen Schrifttum zu sehen,
wo lKÖn 5,12 (3000 Maschal, 1005 Lieder) ins Unermessliche gesteigert ist :
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
135
Kap. II.2.2
der Schwierigkeitsgrad, den ein Gebiet des Lebens oder Wissens
aufwies, ausschlaggebend
war für die Grösse der Weisheit dessen,
der das Gebiet beherrschte, wurden schliesslich die undurchsichtigsten Sparten menschlichen Wissens, nämlich der Umgang mit
übernatürlichen Kräften, in Salomos Weisheit eingeschlossen. Am
Ende dieser salomonischen Traditionslinie steht deshalb die
We i s h e i t
als
Ma g i e
49
Weisheit ist jetzt Übergrosses Wissen und Können geheimnisvoller
Art und Herkunft. Es ist deshalb keineswegs mehr wichtig, dass
die Wissensgebiete im Bereich der Erfahrung liegen, vielmehr ist
jemand umso weiser, je weiter sein Wissen vom alltäglichen Bereich entfernt und in den undurchschaubaren Bezirk des Geheimnisses entrückt ist. Damit ist die salomonische Weisheit in eine
seltsame Nähe zur Weisheit der Apokalyptik gerückt, die ja, wie
wir schon in Kap. I.2 aufgezeigt haben, im geoffenbarten Wissen
göttlicher Geheimnisse, also ebenfalls der dem gewöhnlichen Menschen vorenthaltenen, "tiefen und dunklen" Wissensbereiche be50
steht • Dem entsprechen die geheimnisvolle Art der Wissensvermittlung (Traum, Vision, Engel, Himmelsreise) und der meist
in bildlieber Verschlüsselung dargebotene
Inhalt, welche beide
die natürliche Erkenntnisfähigkeit übersteigen. Bei der Weisheit
als Magie kommt zur geheimnisvollen
Ve~mittlung
und zum schwieri-
gen Inhalt noch das bedeutende Moment der Beherrschung und praktischen Anwendung der erkannten Kräfte hinzu - womit das Überweltliche Wissen des salomonischen Magiers direkt in die Praxis
einmündet 51 , während apokalyptische Weisheit-trotz der Tendenz
"Das lehrt, dass Salomo zu jedem Wort der Tora 3000 Sprüche und zu jedem
Wort der Schriftgelehrten 1005 Gründe beigebracht hat" (bEr 2lb} : Anzufügen wäre auch das z.T. christliche TestSal, das in phantastischer
Weise die Macht Salomos Über die bösen Geister Ornias, Epiphas und Abezethibu
als "Beweis der mir verliehenen Weisheit" (24,3} schildert, s.u. Anm. 51;
vgl. auch syrApkBar 77 ,25.
49} Vielleicht spielt dieser Gedanke auch in Mt 12,42 Par mit, wo Jesus im Zusammenhang mit der Forderung einiger pharisäischer Schriftgelehrten nach
einem
Z e i c h e n
auf die grosse Weisheit Salomos hinweist, die aber
von ihm selbst Überboten wird.
50} Dan 2,22; vgl. auch EICHER, Einsicht 126ff.
51} Der salomonische Tempelbau z.B. ist ein Werk der Dämonen : Test Sal 1-2.22,
eine Vorstellung, die nun auch in den Nag-Hammadi Schriften belegt ist,
vgl. GIVERSEN, Solomon und die Dämonen 16-21.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
136
Kap. II.2.3
zur politischen Aktion - die Praxis als Realisierung des Geschauten nur von Gottes geschichtsmächtiger Wirksamkeit her erwarten
kann.
2.3 Die Zentrierung auf das Gesetz (von EpAr bis Josephus)
So wie für Salomo die "Naturwissenschaften" zum typischen Wissensbereich wurden, so gehört zu Mose die Erfindung der Schrift und
des Gesetzes 52 • Ist jedoch das Gesetz in den romanhaften Ausgestaltungen der älteren jüdisch-hellenistischen Historiker
Erfindung des Mose neben
a n d e r e n
e i n e
"nützlichen" (Artap
F 3,4) Erfindungen, so wird es später - wohl im Zusammenhang
mit der sich durchsetzenden Tora-Theolog.ie - zum mosaischen
Weisheitsbeweis par excellence.
Im Aristeasbrief, und zwar in der Apologie des Gesetzes (128-171),
welche die noch tastende Allegorese des Aristobulos (vgl. F 2
und 4) schon selbstverständlich anwendet 53 , kommt der alexandrinische Autor (um 120 v.) auch auf Mose zu sprechen. Die "weisesten Griechen" (137) mit ihrem Götzendienst und die noch "viel
dümmeren Aegypter und ähnlichen Völker" (138) mit ihren Tierkulten (vgl. Weish 13-15) in den Schatten stellend sicherte Mose
den monotheistischen Glauben seines Volkes durch sein weises
Gesetz ab :
52) Texte s.o. bei Eupol, Artap und Aristob; dazu auch Kleod F 1 § 240; hingegen
Jub 4,17 (s.o. TEXT 23).
53) WALTER, Der Thoraausleger Aristobulos 141-148, zeigt die Entwicklungslinie
der allegorischen Auslegung wie folgt auf :
Aristobulos steht unter dem Einfluss der stoisch-pergamenischen und der
alexandrinischen Philologenschule, von denen er einerseits die Allegorese,
andererseits die Konstituierung eines "guten" Textes durch Bereinigung übernimmt. Während bei ihm Allegorese aber noch Ausweg aus seiner Denk- und Gewissensnot über die Anthropomorphismen der Bibel ist, wird in EpAr und
Weish der doppelte Schriftsinn bei Personen und Sachen systematisch eingeführt und unbedenklich angewendet. Bei Philo geschieht dann schon Totalallegorese der Tora als Symbol für religiöse und ethische Wahrheiten.
Vgl. dazu BOTTE, Das Leben des Mose bei Philo 173f.; MEISNER, Aristeasbrief
42, Anm. 26.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. II. 2. 3
137
Da nun der Gesetzgeber als Weiser, der von Gott zur Erkenntnis aller Dinge befähigt wurde (oo~Ö~ ~v Ö vouoö€•n~, Öno
3Eou xa•aoxEuaau8vo~ EL~ ~n(yvwa~v .~v &n~v•wv), alles klar
erkannte, umgab er uns mit undurchdringlichen Wällen und
eisernen Mauern, damit wir uns mit keinem anderen Volk vermischen, sondern rein an Leib und Seele bleiben und - befreit
von den törichten Lehren (&noAEAuu8vo~ ua•aCwv 6o~~v) den einzigen und gewaltigen Gott Überall in der ganzen
Schöpfung verehren (139).
Dieser von höchster Erkenntnis geleiteten Absonderung des Volkes
entspricht die Heiligkeit des göttlichen Gesetzes, das nicht profaniert werden darf. Pseudo-Aristeas findet hierin ein originelles Argument, um den Sachverhalt zu erklären, der den KÖnig
Ptolemaios II. Philadelphos bei der Lektüre der griechischen
Uebersetzung irritiert, nämlich dass ein so vollkommenes Gesetz
bei den heidnischen Historikern und Poeten nicht erwähnt werde
(312-317)
:
Der
als
was
ner
Historiker Theopomp von Chios (geb. 378/6 v.) "sei länger
30 Tage von Sinnen gewesen, als er etwas aus dem Gesetz,
schon früher, aber ungenau Übersetzt worden war, in seiGeschichte (wohl die Philippika; Verf.) verwenden
(npoo~OLOPELV) wollte" (314).
Theodektes von Phasaelis in Lybien (ca. 377-336 v.), ein
Tragiker und Rhetor, "sei erblindet, als er etwas aus dem
Buch in einem Drama verwenden (napa~EPE~v) wollte" (316).
Das Gesetz war also nach EpAr den Griechen der klassischen Zeit
durchaus bekannt - wie ja schon Eupolemos, Artapanos und Aristobulos aufgewiesen hatten - aber es konnte von ihnen nicht zitiert werden.
Die polemische Note von EpAr ist bei Philo von Alexandrien zwar
stark gedämpft, doch wird die inhaltliche Argumentation voll
Übernommen : Mit dem Aufweis der Unerschütterlichkeit der mosaischen Gesetze (Vit Mos 2,12-16) und des Respektes anderer Nationen vor dessen Gesetzeswerk (Vit Mos 2,17-24) zeigt er,
dass Mose der beste (~p~o•o~) aller Gesetzgeber aller Länder war, sei es bei den Griechen oder den Barbaren, und
dass seine Gesetze die besten seien und wahrhaft gÖttlich
(XctAA~OLO~ xal ~~ &Anöw~ ÖE~O~) ••• (2,12).
Mose ist für Philo schlechthin die grösste Gestalt der israeli-
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Kap. II.2.3
tischen Vorgeschichte, der die Eigenschaften des idealen KÖnigs,
Gesetzgebers, Priesters und Richters in sich vereint (vgl. Vit
Mos 2,292). Obwohl Philo die Absicht hat, Mose zu beschreiben,
t;/
'
"En:' a.A.n8ELO.!;)
"
/
54 ,
"wie er wirklich war" (Vit Mos 1,2
ocn;L~; "TJ\1
zeigen seine Ausführungen deutlich auf, dass sein Mosebild "im
Grunde von dem biblischen genauso weit entfernt (ist), wie der
Mosesroman mit all seiner Phantastik : hier wie dort wird Mose
als einzigartige Persönlichkeit gefeiert, er ist der geniale,
der idealisierte Mensch" 55 , der Weise schlechthin, der wie die
aufgehende Sonne das Licht der anderen Sterne verdunkelt (Vit
Mos 2, 44) •
Josephus bezeugt in Palästina die gleiche Tradition, wenn er zu
Beginn der Antiquitates Mose als uneinholbares Vorbild den
anderen Gesetzgebern der Vorzeit gegenüberstellt (vgl. 1,18-26
mit PHILO, Op Mund 1-3) 56 und als Lehrmeister der griechischen
Philosophen anführt : Ap 2,168 sind dies ol cro~~Ta.TOL n:a.~~AATJOL\1
(vgl. 2,281), in 2,223 und 257 ist es Platon selbst; und ebenso
in Ap 2,154-156,. wo ihm vor lauter panegyrischem Eifer "die Lykurge und Solone und Zaleukos der Lokrier und alle von den Griechen bewunderten (Gesetzgeber) wie Kinder von gestern und vorgestern erscheinen".
54) Vgl. BOTTE, Das Leben des Moses bei Philo 176.
Die vormosaischen FÜhrer des Volkes behandelt Philo "nur" als Typen von
Tugenden und gruppiert sie in zwei parallele Triaden : l.Enosch - Henoch Noach I I Hoffnung - Umkehr - Ruhe (vgl. Abr 7-47); darauf folgen in der
2. Triade Abraham- Isaak - Jakob II Studium- Begabung - Uebung, deren
erster Teil in Abr 60-276 vorhanden ist. Der zweite und dritte Teil dieser
Triade sind verloren, doch genügen die Verweise in Abr 48-58; Jos 1; Fraern
Poen 31-48,um den summarischen Inhalt zu erkennen. Josef, der "Zusatz"
(Jos 31) zur Weisheit, bleibt in seiner Bedeutung ambivalent, vgl. die positive Schilderung in Jos mit der negativen in Somn 2.
55) JEREMIAS, Art. : Moouon~. ThWNT 4 (1942) 856; gegen diese Darstellung des
Moses als 8E1o~ &vnp wendet sich VERMES, Die Gestalt des Moses 72; vgl. jedoch neulich wieder MEEKS, The Divine Agent and his Counterfeit, bes. 45-54.
56) THACKERAY, Josephus IV; s. XIII ("clear dependance") und 111 Anm. b. Das
sonstige Mosebild der Antiquitates ist sehr stark nacherzählend (2,2024,331) und "letzten Endes ••• identisch mit dem der palästinensischen Tradition, manchmal ein wenig griechisch zurechtgemacht" (VERMES., Die Gestalt des
Moses 88f.) •
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Kap. II.2.3
In dieser Zeit ist es für den gebildeten und gläubigen Juden im
palästinischen Mutterland und in der ägyptischen Diaspora eine
Evidenz, dass das Gesetz des Mose, in welchem das gesamte menschliche Wissen, der göttliche Bauplan der Welt und der Fahrplan
der Geschichte verborgen lag, einen prinzipiell unübertreffbaren
Schatz von Weisheit darstellt, und Mose somit der prinzipiell unÜbertreffbare Weise ist. Die enge Verbindung von'Weisheit' und
mosaischem Gesetz, welche Sirach mit seiner Identifikationsformel zum festen Bestandteil der frühjüdischen Fundamentaltheologie
gernacht hat (s.o. Kap. I.l.l und 1.2), ist aber bei den jüdischhellenistischen Autoren, dank deren historischen Interessen, auf
originelle Weise zustande gekommen : Indern sie die Gestalt des
Mose in den salomonischen Weisheitstyp integrierten und ihr dessen extensive Auslegung auf dem Gebiete des Gesetzes beilegten,
verbanden sie'Weisheit'und Gesetz narrativ. Es geschah dabei
nicht so sehr die Versöhnung divergierender
innerjüdischer Ten-
denzen wie bei Sirach, sondern eine Verbindung der weisen Gesetzgebung der Juden mit den Gesetzgebungen der Umwelt, welche
aus der apologetischen Perspektive natürlich als weniger weise
angesehen wurden.
So wie Salornos Weisheit an Ex- und Intensität die Weltweisheit
aller anderen Weisen übertraf, so Übertraf auch Mose mit seiner
weisen Gesetzgebung alle anderen Gesetzgeber. Bevor wir jedoch
der salomonischen Spruchweisheit und den mosaischen Gesetzestex57
ten in frühjÜdischer Zeit nachgehen , muss noch eine dritte
Textgruppe beachtet werden, in welcher der salomonische Weisheitstyp explizit in dramatische Auseinandersetzung mit der orientalischen, ägyptischen und griechischen Weisheit gebracht wird.
57) Die Gesetzeszusammenfassungen bei PHILO, Hyp 7,1-9, und bei JOSEPHUS, Ap
2,190-219 versuchen, diesen ideologischen Behauptungen inhaltliche Bestimmungen beizufügen. Wie stark sie dabei auf genuin griechische Traditionen zurückgreifen müssen, wird Kap. III.4 zeigen.
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3, DIE WEISEN ISRAELS IM MUSISCHEN KAMPF
Zur dramatischen Darstellung der grösseren Weisheit eines Vorfahren oder einer wichtigen Gestalt in der Geschichte oder Mythologie gehören von alters her auch verschiedene Formen von verbalen Wettkämpfen, bei welchen knifflige Fragen gestellt und
beantwortet werden. Die entsprechende literarische Form ist das
Rätsel, das wegen seiner sprachlichen Verschlüsselung alltäglichster Dinge an das schnelle Erfassen, die umfassende Kenntnis und
die geistesgegenwärtige Antwort des Helden höchste Anforderungen
stellt. So begegnet uns in der griechischen Literatur seit dem
'"b erse hb are Fu
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..
1 sp~e
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6. J h d. v. e~ne
Im Vorderen Orient lassen sich seit sumerischer Zeit 59 , in
Aegypten nur im Neuen Reich 60 Spuren alter Formen des Rätselra1
58) Viele Belege bei OHLERT, Rätsel und Rätselspiele der alten Griechen, bes.
22-82; SCHULTZ, Rätsel aus dem hellenischen
Kulturkreis I, 22-259, bringt
373 "Rätsel und rätselähnliche Gebilde", nämlich Aenigmatisches, Mantisches,
Gnomisches, Grammatisches und Mathematisches; vgl. DERS., Art. : Rätsel,
PRE 2. R. 1 (1914) 62-125, bes. 88-116. Alle wettkampfartigen Szenen der
griechischen Literatur hat FROLEYKS, Der fiy~v A6yoov in der antiken Literatur (1973), gesammelt, besprochen und gattungsgeschichtlich situiert.Zum Rätsel als literarische Form s. Kap. III.l, Anm. 22.
59) VAN DIJK, La sagesse sumero-accadienne 31-85, stellt als eine wichtige
Gattung die "Adaman- Du1rGa Sapientiaux" (Streitgedich_te) vor; vgl. LAMBERT,
Babylonian Wisdom Literature 150-212 : "Fables or Contest Literature". In aramAch ist wohl auch ein Wettkampf geschildert worden, doch fehlt in
den Fragmenten jegliche Spur (s.u. Kap. IV.l). - Der Wettstreit zwischen
dem babylonischen und dem persischen KÖnig, den BROCK, A Piece of Wisdom
Literatur 212f. vorstellt (vgl. u. Anm. 84), ist nicht datierbar, aber
sicher spät. Ein Ueberblick bei FROLEYKS, Der &voov A6yoov 399-410 (Sumerer);
410-416 (Babylonier).
60) Aus dem ägyptischen Bereich fand ich nur den fragmentarischen Wettstreit
zwischen dem Hyksoskönig Apophis in Avaris und dem thebanischen Herrscher
Seqnen-Re, der auf dem Papyrus Sallier I (um 1230 v.) erhalten ist; vgl.
The LITERATURE OF ANCIENT EGYPT 77-80; ANET 23lf. {bei ERMAN, Die Literatur der Aegypter 214ff., kaum als Wettstreit zu erkennen).- Der Wettkampf
zwischen dem Pharao Amasis (568-526 v.) und dem KÖnig der Aethiopier, den
PLUTARCH, Conv sept sap 151B-D. 152E-153E (BABBITT 374-77.382-91) erzählt,
ist typisch griechisch : Auf die neunfache Frage des Pharao nach dem Aeltesten, Grössten, Weisesten, Schönsten, Allgemeinsten, Nützlichsten, Schädlichsten, StärWsten und Leichtesten antwortet der Aethiopier mit : Zeit,
Welt, Wahrheit, Licht, Tod,Gottheit, Dämon, Glück, Angenehmes, wird dann
aber von Thales, einem der Sieben Weisen, mit den besseren Antworten : Gottheit, Raum, Zeit, Welt, Hoffnung, Tugend, Laster, Notwendigkeit, Naturgemässes, Übertroffen. - Ob dernAch einen Wettstreit aufwies, ist nicht auszumachen (s.u. Kap. IV.2).
(140)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. II. 3
141
tens finden, doch bleiben die literarischen Zeugnisse spärlich.
Im Korpus der biblischen Schriften findet sich nur ein einziger
ausgeführter Rätselwettkampf bei der Hochzeitsfeier des Simson
(s. Kap. 3.1.1), ein Hinweis auf ein Rätselspiel Salomos (s. Kap.
3.1.2)und einige verstreute Rätselworte und Zahlensprüche (bes.
Spr 6,16-19; 23,39f.; 30,15; Sir 22,14; 23,16f.; 25,7-11; 26,5-7.
. hli~n I a~v~y~a•a
" "
..
28; 50,25 f . ) 61 • D1e
ge h oren
zwar zum Wissensbereich des biblischen Weisen (vgl. Spr 1,6; Weish 8,8; Sir 39,3;
47,15), in den Texten lässt sich jedoch nur wenig Rätselartiges
finden. Das biblische Ethos der Verständlichkeit und der nichtpropagandistische Charakter der meisten Texte
standen anschei-
nend dem Spiel der Verrätselunq unfreundlich gegenüber.
In frÜhjÜdischer Zeit hingegen scheuten sich die jüdischen Autoren - sicher unter dem Einfluss der hellenistischen Mode - nicht
mehr, sich bei der Darstellung der grösseren Weisheit ihrer Ahnen
und ihrer Zeitgenossen des musischen Kampfes mit Worten zu bedienen, um in dieser für sie noch unverbrauchten literarischen
Gattung die eigene Weisheit vorzutragen und in Überlegene Auseinandersetzung mit der hellenistischen Weisheit zu bringen. Dabei
bot sich ihnen in der eigenen Tradition wiederum die idealisierte Gestalt des alten, weisen Salomo an. Sein Rätselspiel mit der
Königin von Saba (1 KÖn 10,1.3) hat bezeichnenderweise gerade in
frühjüdischer Zeit erneutes Interesse'und weitere legendarische
Ausschmückungen erfahren. Die Vorstellung von Weisheit als einem
überragenden Wissen in allen irdischen Belangen, konnte hier zu
einer weiteren literarischen Darstellung kommen.
Griechische Rätselspiele endeten oft tödlich : Homer soll aus
Gram darüber gestorben sein, dass er das Rätsel eines Fischer-
61) Auch WUENSCHE, Die Räthseiweisheit bei den Hebräern 11-30, findet keine
anderen; diesen tatsächlichen Befund vermögen auch seine gegenteiligen Be- ,
teuerungen (S. 30) nicht wettzumachen; vgl. NOTH, KÖnige I, 224; WESTERMANN,
Art. :Rätsel, BHH 3 (1966) 1552f.; VON RAD, Weisheit in Israel 53-56 (vgl.
ThAT I, 436, Anm. 19). - SCHULTZ, Rätsel I, S. VII, sagt kategorisch : "Auf
einem dritten Kulturgebiet (scl. neben den alten deutschen und den indischen
Rätseltraditionen), nämlich auf dem der jüdischen Tradition, ist •.. eine
nennenswerte, alte oder originale Rätseltradition Überhaupt nicht zu verzeichnen."
http://hdl.handle.net/10900/56118
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
142
Kap. II. 3
jungen nicht lösen konnte
62
; ebenso starb der Seher Kalchas,
63
weil er im Wettkampf gegen Mopses unterlag • Eigentliche Verkörperung des tragisch endenden Rätselwettkampfes ist die in die
Mythologie hineinragende Sphinx mit ihrer Rätselfrage : "Was
geht am Morgen auf vier, arn Mittag auf zwei, am Abend auf drei
64
Beinen ?" und der unbarmherzigen Vernichtung des Unterlegenen
In diesem Falle gilt JOLLES' Wort : "Ein aufgegebenes Rätsel
nicht lösen können, heisst Untergang - ein Rätsel aufgeben, das
keiner rät, heisst Leben" 65 •
Die vielfachen Abstufungen in der Dramatisierung der verbalen
Wettkämpfe von Rätseln auf Leben und Tod bis zu harmlosen Sinnund Wort-Spielereien
(~Griphen),
wie sie zahlreich in der syrnpo-
tischen Literatur der Antike vorliegen, verbieten es aber, das
Gebiet der Rätselei nur unter dem tragischen Aspekt der Beklemmung und des Leidens 66 zu sehen; vielmehr kommt darin auch das
"Spiel mit der Wahrheitsfindung" 67 zum Wort, welches gerade der
Tragik entbehrt und eine der "urtümlichsten Vergnügungen des
homo ludens" 68 darstellt. Mir scheint, dass diese spielerische
Komponente in den orientalischen Beispielen vorrangig ist, und
62)
56 (DIELS/KRANZ I, 163); es handelt sich um das sogenannte
"Läuserätsel" : "Was wir sahen und fingen, das lassen wir zurück; was wir
weder sahen noch fingen, das tragen wir fort"; vgl. OHLERT, Rätsel und
Rätselspiele 30-32; SCHULTZ, Rätsel I, Nr. 101.102, vgl. Nr. 230; II,74.
HERAKLI~Frgt
63) HESIOD, Frgt 278 (MERKELBACH/WEST 137); vgl. OHLERT, Rätsel und Rätselspiele
27f.; SCHULTZ, Rätsel I, Nr. 340; II, 73; SCHADEWALDT, Legende von Homer
53f.
64) Zu den verschiedenen Formen des Sphinxrätsel; vgl. OHLERT, Rätsel und
Rätselspiele 23-27. -Die drei angeführten tödlichen Wettkämpfe stellennach dem Vorbild von OHLERT - auch HESS, Der Agon zw. Homer und Hesiod 33f.
(vgl. 17), und LUCK, Art. : Rätsel, Lexikon der Antike I/4, 63, zusammen.
Rabbinische varianten in bSchab 152 (NADOR, Jüdische Rätsel Nr. 6.8).
65) Einfache Formen 133. -Diese sogenannten "Hals(lösungs)rätsel sind gesammelt
und besprochen bei MEYER, Das Halslösungsrätsel (1967), bes. 32-80.
66) Ebd. 130.133 ("Im Grunde ... sind alle Rätsel HalsrätseL .. "); PERDUE,
The Riddles of Psa1m 49, 533-542, kommt von dieser Position zu einer abwegigen Ver-rätselung von Ps 49.
67) VON RAD, Weisheit in Israel 56.
68) DERS., ThAT I, 436. Auch OHLERT, Rätsel und Rätselspiele 2f., sieht in der
"heiteren Freude am Lebensgenuss" die Ermöglichung des griechischen Rätsels;
FROLEYKS, Der &yiliv A6yoov 422 ("aus der Freude der Griechen am Wettkampf").
Siehe bes. HUIZINGA, Homo ludens 171-191 (Kap. VI: Spiel und Wissen).
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
143
Kap. II. 3
deshalb auch die biblische und frühjÜdische Rätselei eher im
Zeichen des Spieles steht. Letzte griechische Tragik fehlt auch
dort, wo die Unterlegenen eine Strafe 69 • Es ge h t
..
Kap. 3 . 1 • 4} - er 1 e~. d en mussen
un~
sei es der Tod (vgl.
.
n~rgen d s um d as Le b en
eines Menschen oder gar um die Sinnhaftigkeit menschlichen Lebens Überhaupt, sondern vielmehr um Sachwerte (Tribut} , ums Vergnügen am Rätseln (vgl. u. bei Anm. 72} oder einfach um den Aufweis der eigenen grösseren Weisheit.
Im Folgenden soll diese spezielle Linie salomonischer Weisheit,
ausgehend von den atl. Vorbildtexten Ri 14,12-19 und 1 KÖn 10,1.
3, an einigen Beispielen illustriert werden. Dabei wird der zeitliche Rahmen des Frühjudentums nach vorne bis weit in die rabbinische Literatur hinein gesprengt und es kommen auch Texte in
Sicht, die erst bei der Behandlung der frühjüdischen Logientraditionen (Kap. IV und V} vorgestellt werden. Eine ausführliche
Situierung und eine Behandlung aller im midraschischen Schrifttum vorhandenen Wettstreite ist hier nicht möglich 70
69) SCHULTZ, Rätsel II, 74f., versucht, aus Ijob 37,2; 38,2-4; 42,2-7 einen
"Rätselwettkampf auf Tod und Leben" zwischen Gott und Ijob zu rekonstruieren,
verkennt dabei aber völlig die Struktur der Gespräche. Auch GenR 38,13 (zu
Gen 11,28) : Abraham und Nimrod, der im Feuer umkommt (JELLINEK, Bet ha
Midrasch I, XVf. 25-34), und bBek 8b-9a (s.u. Kap. 3.1.4 und V. 9) entbehren
echter Tragik. -- Die Texte sind gesammelt bei WUENSCHE, Die Räthselweisheit
15-23.31-50; Die Zahlensprüche I : 62-100; II : 414-459; bes. aber NADOR,
Jüdische Rätsel, der mit einem tüchtigen Schuss Phantasie auf 95 "Rätsel"
kommt. - Vgl. auch ZER-KAVOD·, Riddles in the Bock of Proverbs 7-11.176f. (zu
Spr 13,27; 17,12; 22,11-12).
70) Vgl. bes. die in GenR gehäuft auftretenden Wettkampfszenen zwischen Tinnäus
Rufus und•Agiba (11,5), mit Rätselfrage, Gegenfrage und nekromantischem Beweis; zwischen "einem Philosophen" und Gamliel (20,4), wo es um die Tragzeit
der Schlange geht und der Philosoph wegen seiner Niederlage mit dem Kopf
gegen die Wand rennt; zwischen dem Kaiser Diokletian und den Rabbinen von
Tiberias (63,8), welche wunderbar alle unmöglichen Forderungen des Despoten ohne den Sabbat zu verletzen - erfüllen können; und zwischen dem Kaiser
Antoninus (?) und R. Jehuda (67,6; vgl. 11,4) mit einem verrätselten Ratschlag des Rabbis. Interessant ist hier auch die jüdische Version des "Gymnosophistengesprächs" Alexanders in bTam 3lb-32; vgl. bes. WALLACH, Al. the
Great and the Indian Gymnosophists in Hebrew Tradition 47-83. HEER, The
Historical Significance of the Dialogues 123-150, hat den historischen Hintergrund der legendarisch gestalteten Texte aufgewertet und dabei die Materialien weitgehend gesammelt.
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Kap. I I. 3. 1.1
144
3.1 Rätselwettkämpfe
3.1.1 Simsen und die Philister
Ri 14,12-19 ist der einzige Rätselwettkampf, der in der atl.
Literatur ausführlich beschrieben wird. Der starke Simsen wetteifert mit den Philistern um 30 Gewänder und stellt dabei ein
Rätsel, das aus seiner ganz persönlichen Erfahrung (vgl. Ri 14,
5-9 : Honig im erlegten LÖwen) formuliert und deshalb für einen
Aussenstehenden unauflösbar ist 71 :
Vom Fresser ging Speise aus,
vom Starken ging süsses aus.
Die Antwort der Philister besteht aus einem Gegenrätsel :
Was ist süsser als Honig und stärker als der Löwe?,
das die beiden Lösungsworte (Honig, Löwe) aufweist, zugleich
das Spiel weiterführt und erst noch in seiner Antwort ("Liebe")
den schwachen Punkt in der Rätsele.i des starken Simsen trifft.
Die Struktur des Rätselwettkampfes (1) -
(4) ist dabei gut heraus-
gebildet und findet sich in den weiteren Texten immer wieder :
(1)
(2)
(3)
(4)
Gegenseitige Verpflichtung (4,12f.)
Das Rätsel wird gestellt (4,14a)
Das Rätsel wird (nicht) gelöst (4,14b.l8)
Der abgemachte Preis wird ausgehändigt (4,19).
In 4,15-17 ist eine ausschmückende Szene (3a) eingebaut, welche
zeigt, wie die Philister Über die Frau Simsans zur LÖsung des
Rätsels kommen, und damit das Rätselspiel völlig in die Geschichte des stets und nur von Frauen besiegten Simsen einpasst. Ri 14,12-19 ist bis in diese strukturelle Abweichung hinein das
Vorbild
für
KlglR
I.l § 11 (s. u. Kap. 3 .1. 3.) .
71) Solche Rätsel sind durchaus möglich, vgl. die zu Ri 14,12-19 parallelen,
sogenannten "Ilo-Rätsel" bei MEYER, Das Halslösungsrätsel 23-25.48-57, und
noch besser die Rätsel vom "Lebendigen im Toten", Ebd., 32-48, bes. 42-45
(Simson) . Die Rekonstruktionen eines ursprünglichen Sinnes des selbständigen
Rätsels, wie EISSFELDT, Die Rätsel in Jdc 14,132-135; SCHMIDT, Zu Jdc 14,316
(beide :männlicher Same); PERDUE, The Riddles 537 (Erbrochenes); BAUER,
Simsons Rätsel 473f. (Wortspiel mit ,,~), u.a. versucht haben, sind deshalb
nicht nötig. Vgl. schon SCHULTZ, Simsons Rätsel 521-531.
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145
Kap. II.3.1.2
3.1.2 Salorno, die KÖnigin von Saba und Eiromos von Tyros
Auf ein Rätselspiel Salomos mit der Königin von Saba, die ja
nach Jerusalem kam, um Salorno "durch Rätsel auf die Probe zu
stellen (hOJ)"
(1 KÖn 10,1), wird nur hingewiesen, ohne dass
irgendwelche Rätsel vorgeführt würden - eine willkommene Lücke
für spätere Autoren (s.u.). Es geht dem biblischen Erzähler mehr
um einen thesenartigen Aufweis der Weisheit (und des Reichtums)
von Salomo als um eine Rätselsarnrnlung. So heisst es nur mehrfach
beteuernd :
Salomo aber gab ihr auf alle Fragen Bescheid (i)J ); nichts
gab es, was dem KÖnig verborgen war (07V), sodass er ihr
nicht hätte Bescheid geben kÖnnen (i)J) (1 KÖn 10,3).
Darauf wird er mit königlichen Geschenken Überhäuft - und erwidert diese seinerseits mit salomonischer Freizügigkeit. Diese
biblische Geschichte zeigt den Weisheitskampf als Spiel in orientalischer Heiterkeit und ohne jeden tragischen Nebenton. Es fehlen sogar die Verpflichtungen zu Beginn und die Aushändigung
eines entsprechenden "Preises". Salomo und die KÖnigin von Saba
stehen Modell für die sagenhafte Vorstellung vorn königlichen
Wettspiel um grosse Schätze. Dieser "seriöse" Aspekt verhinderte
dabei keineswegs das Vergnügen :
In jener Zeit schrieben sich die KÖnige, die miteinander im
Frieden lebten, zum Vergnügen (-ce:pn61J.E\IOI..) philosophische
Problerne (npoßÄnlJ.a-ca ~1..Äooo~Ca~) und sandten sie sich gegenseitig zu. Die sie nicht lösen konnten zahlten jenen, die
sie ~estellt hatten, Tribut72.
Auch JOSEPHUS, Ant 8, 165-175, erzählt die Szene von 1 KÖn 10,1.
3 mit der gleichen Überlegenen Unbekümmertheit und unterstreicht
zusätzlich die Leichtigkeit (p~öCw~) und Schnelligkeit
(8&-c-cov),
mit der Salomo die vorgelegten verzwickten Fragen (oo~LOlJ.a-ca)
löste. Diese Fähigkeit hatte Salomo (nach Josephus) schon frÜher
im Rätselwettkampf mit dem König von Tyrus, Eirornos (=Hiram),
glänzend bewiesen :
72) VitAes W 102 (PERRY 100); die ältere Rezension G sagt dasselbe auf weniger
präzise Weise.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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146
Kap. II.3.1.2
Der KÖnig der Tyrer sandte Salomo oo~Ccruaca 6t xal Adyou~
alv~yuac~6EL~ und bat ihn, diese für ihn zu klären und ihm
aus der Klemme wegen der in ihnen (versteckten) LÖsungen zu
helfen (Ant 8,143).
Nach Ap 1,111 waren diese Rätselbriefe Zeichen der besonderen
Freundschaft zwischen den beiden KÖnigen, die ja in der gemeinsamen "Passion nach Weisheit"
(n
cfk oo~Ca~ ETu8uuCa) bestand
Salomo erwies sich dabei natürlich stets stärker und weiser
(xpeCccwv, oo~~cepo~).
Zu diesen fast idyllischen Szenen des Josephus kontrastieren die
beiden nicht-jüdischen Texte, welche die eifrige Rätseltätigkeit
in ihrem finanziellen Kontext zeigen und von einer schliesslichen
Unterlegenheit Salomos zu erzählen wissen :
Menander. von Ephesus (um 200 v.) gibt in seiner "Geschichte
der Griechen und Barbaren" (FGrHist 783) einen Hinweis auf
einen Untertan des Eiromos, einen jungen Mann mit Namen Abdemounos, "der stets die Probleme (npoßAnJJ.aca) löste, die
ihm Salomo, der König von Jerusalem, stellte" (Ap 1,120 =
Ant 8,146)73.
Dios, ein sonst unbekannter griechischer Geschichtsschreiber
des 2. Jhd.s v., erzählt in seiner "Geschichte Phöniziens"
(FGrHist 785) ausführlicher, was hinter Menanders Andeutungen
steckt und beschreibt den Briefwechsel als typisch strukturierten Rätselwettkampf :
"Man sagt, dass Salomo, der Tyrann von Jerusalem, Rätsel
(atvCyuaca) zu Eiromos schickte und solche von ihm zu bekommen verlangte, (mit dem Zweck) dass derjenige, der sie nicht
erklären könnte, demjenigen, der sie löste, Geld entrichten
müsse. Eiromos aber, der einverstanden war, vermochte die
Rätsel nicht zu lösen, und zahlte deshalb grosse Summen Geldes
als Strafe. Später aber, mit Hilfe eines gewissen Abdemounos,
eines tyrischen Mannes, lÖste er die vorgetragenen Rätsel und
schlug selbst andere vor, welche Salomo nicht lÖsen konnte und
so Eiromos seinerseits Geld entrichten musste" (Ap l,ll4f. =
Ant 8,148)74.
Diese für den frühjüdischen Leser ungewohnte Sicht der Dinge ist
uns nur zufällig mitüberliefert worden, weil Josephus seinen
Hinweis auf das tyrische Archiv mit den Briefen Salomos bekräftigen wollte (vgl. Ap 1,112).
73) Text auch bei STERN, Authors Nr. 35, S. 119-122.
74) Ebd. Nr. 36, S. 123-125.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. II.3.1.2
147
Bis jetzt wurde uns kein einziges konkretes R ~~
~tsel von Salomo
oder seinen Kontrahenten vorgelegt. Erst im raJ::::.b· . h
1n1sc en Schriftturn werden diese inhaltlichen LÜcken mit Rätse-.
~texten ausgefüllt
Im nachtalmudischen Midrasch Sprüche (ca. 11.
~h
d.n.), der sonst
"auffallend arm an Sagen, Legenden und Parabe~ ~...
...... "75 1. s t , f.1nd en
wir in 1,1 zu 1 KÖn 10 ,1. 3 eine haggadische Au.~ s h .. k
c muc ung. Das
angedeutete Rätselspiel wird mit vier Rätselau. ::f:g b
.
a en 1 11 ustriert
Was ist das ?
(Salomos 4osu
.)
""-----'= ng .
(7 Tage nach
(9 Monate S
der Menstruation)
· Brus
·· t ~ c:hwangerschaft)
(d 1e
.. ,
der Mutter)
(d er S aug.~..:i.:ng)
Sieben gehen hinaus,
neun kommen herein,
zwei schenken ein,
einer trinkt.
Was ist das ?
Eine Mutter sagt zu ihrem Sohn
Dein Vater ist mein Vater,
dein Grassvater ist mein Mann,
du bist mein Sohn,
und ich bin deine Schwester.
(Lot, dessen b· . d
..
.
e1 e Tochter,
d eren 1nzest
..
S"h
und Ammon.
uose o ne Moab
' vgl. Gen 19,30-38)
Dann folgen zwei Unterscheidungsaufgaben : S 1
gleichgekleidete und gleichaussehende Buben ~ ~m~ .. ~u~s
unterscheiden, dann Beschnittene und Unbesc~ ~tt a c en
•tnl ene.
Der 2. Targum zu Ester (Targum Scheni), der
Pctl~
t' . h
1n1sc e Tradition und Sprache verrät, dessen Endredaktion aber erst nach Ab~s
schluss des talmudischen Schrifttum geschah, b~!n t . 1
.
.
..
.
76
g 1n , 3 dre1
we1tere, ausserst verzw1ckte Fragen • SCHECHTE~ zählte zudem
in einem jemenitischen Text 19 Rätselfragen de~ KÖnigin Bilkis 77
die stark aus dem jüdischen Glaubensverständnis h
f
'
eraus ormuliert
78
sind .
75) WUENSCHE, Der t-!idrasch Mischle VIIf.,
leitung 216.
(Text vgl. 2f.); v 91
' STRACK, Ein-
76) Zur Datierung vgl. DALMAN, Grammatik 33f.; LE DEAUT, Introd
.
Die Rätseltexte finden sich bei SULZBACH, Targum Scheni 30 fu~tlon 138f.l4lf.
Die Rätselweisheit 17-23; diskutiert und erklärt bei SILBBb~~~WUENSCHE,
of Sheba 72-74.
=·uu•, The Queen
77) The Riddles of Solomon 349-358 (mir nicht zugänglich); engl
GINZBERG, The Legends of the Jews IV, 145-148.
· Uebers. bei
78) Vgl. auch Koran, Sure 27,16-45/44 (BLACHERE 405-408; V9l, PAR
II, 373f.). Weitere Traditionen bei WUENSCHE, Der Midrascn M'ET I, 310ff.;
vgl. SALZBERGER, Die Salomo-Sage 14f.l6f.; seine versprach lschle VIIIf.;
ene Material.,.
http://hdl.handle.net/10900/56118
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148
Kap. I I. 3. 1. 3
3.1.3 Die Schulkinder von Jerusalem und der .Athener
Dass in den zuletzt genannten späten Kompilationen durchaus
altes Rätselgut verarbeitet ist, kann daraus ersehen werden,
dass z.B.
I.l § 11 das erste Rätsel aus Midr
in
Sprüche 1,1 vorkommt.
KlglR
ist aber "einer der ältesten
Midraschim palästinischen Ursprungs" 79 . Er bringt in r:-1 § 4-19
eine unterhaltsame Reihe alter Anekdoten, welche die überlegene
Weisheit und Scharfsicht der Bewohner Jerusalems gegenüber den
sich gescheit vorkommenden Griechen und Samaritanern schildert.
Als Beispiel sei hier die 9. Anekdote (§ 11) ausgewählt, welche
- wie gesagt - das Rätsel aus Midr Sprüche 1,1 aufweist und zudem
.am deutlichsten die Charakteristiken eines Rätselwettkampfes
trägt. § 11 ist offensichtlich nach Ri 14,12-19 (s.o. Kap. 3.1.1)
konstruiert 80 :
(1) Ein Athener kam nach Jerusalem. Da ging er in eine Schule und fand dort Kinder sitzen, deren Lehrer gerade weg
war. Er richtete eine Frage an sie, worauf diese antworteten : Wir wollen eine Abmachung treffen; wer eine
Frage nicht zu beantworten weiss, dem wird etwas weggenommen. Der Fremde ging auf den Vorschlag ein und verlangte, dass sie als Einheimische den Anfang machen
möchten. Diese lehnten es aber mit den Worten ab : Frag
du zuerst, denn du bist ein alter Mann. Da er aber auf
seinem Willen beharrte, fingen sie an :
(2) Was ist das ?
(R. Jochanans LÖsung :)
Neun gehen fort,
9 Monate Schwangerschaft
acht kommen,
8 Tage bis zur Beschneidung
zwei schenken ein,
die Brüste der Mutter
einer trinkt,
der Säugling
und vierundzwanzig bedienen. 24 Monate des Säugens
(3) Da er das Rätsel nicht lösen konnte,
(4) nahmen sie ihm etwas weg.
sarnmlung zur Szene (vgl. 32) ist nicht erschienen. BROCK, A Piece of Wisdom
Literature 216, Anm. 1, verweist auf ein syrisches Pseudepigraphen mit
Rätselfragen der KÖnigin von Saba, das er herauszugeben hofft. Auch im Armenischen ist ein solches Buch vorhanden, vgl. CHARLESWORTH, The Pseudepigrapha
199. - In PRITCHARD, Solomon and Sheba, ist jetzt ein Ueberblick Über die jüdischen (SILBERMAN : 65-84, bes. 71-76), islamischen (WATSON : 85-103), äthiopischen (ULLENDORFF : 104-114) und christlichen (WATSON : 115-145) Traditionen
geboten; mit erschöpfender Bibliographie : 152-158.
79) STRACK, Einleitung 212.
80) Dt. Text nach WUENSCHE, Der Midrasch Echa 50f.; vgl. NADOR, JÜdische
Rätsel Nr. 82. Auch DALMAN, Aramäische Dialektproben 16-22.
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149
Kap. II.3.1.4
ßa) Nachdem ihm R. Jochanan die Lösung vermittelt hatte,
kehrte der Athener zu den Kindern zurück, .und bekam sein
Pfand zurück, jedoch mit den ironischen Worten, mit denen sich auch Simsen geschlagen gäb :
"Hättet ihr nicht mit meinem Kalbe gepflügt,
mein Rätsel hättet ihr nicht gelöst" (Ri 14,18b).
Die 6. Anekdote des gleichen Midrasch(KlglR I.l § 8) erzählt
von einem jerusalemischen Schneider, dem ein Athener einen zerbrochenen Mörser zum Flicken bringt. Diese Szene findet sich
auch in den beiden folgenden Wettkämpfen und bezeugt die vielfache Verflechtung.solcher Traditionen auch Über den engeren rabbinischen Bereich hinaus.
3.1.4
Jehoschua~ b.Chananja und die Weisen des Athenäums //
Achikar und der Pharao
Der Wettstreit des R. Jehoschuac b.Chananja (Tann. um 90 n.) mit
den Weisen des Athenäums in bBek 8b-9a und der Wettstreit Achikars mit den Weisen des ägyptischen Pharaos in syrAch 27-32 Par
VitAes 112-123 haben Über die Szene von
KlglR.
I.l § 8 hinaus
noch weiteres Rätselgut gemeinsam. Da wir auf beide Texte bei
der Behandlung der Achikartraditionen (s.u. Kap. IV.9) ausführlich zu sprechen kommen, sei hier nur auf den Wettkamp als Ganzes verwiesen
In bBek 8b-9a muss R. Jehoschuar b.Chananja seine grössere Weisheit vor dem Kaiser Hadrian dadurch beweisen, dass er die Weisen des Athenäums im Rätselwettkampf besiegt. Dieser ist ausführlich erzählt und nach dem bekannten Schema aufgebaut
(1) Besiegt ihr mich, so tut mit mir alles, was ihr wollt.
Besiege ich euch, so speiset mit mir auf dem Schiff;
(2/3) ZwÖlf Weisheitsproben, die sich in einer ungezwungenen
Abfolge von Rätselfragen (1.2.4.6.9.11) und Forderungen
von unmöglichen Dingen (aöova•al (3.5.7.8.10.12) darstellen, welche der Rabbi mit e~ner Symbolhandlung (zu 1),
einem Gleichnis (zu 2), mit Gegenfragen (zu 3.4.9), Aufforderungen zu einer Gegenhandlung (zu 5-8.10.12) oder
einem Gegenrätsel (zu 11) beantwortet81.
81) Nr. 7 und 8 haben in KlglR
30,6-11 seine Parallele.
I.l § 8 ihre Vorlage; Nr. 5 hat in syrAch
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
150
Kap. II.3.2
(4) Die besiegten
kommen jedoch
gebracht, der
ihnen, was du
grunde gehen.
Weisen besteigen das Schiff des Rabbi, benichts: zu essen, sondern werden zum Kaiser
sie ihm mit den Worten überlässt : Tu mit
willst! R. Jehoschuaclässt sie elend zu-
Die ägyptische Episode in syrAch 27-32
ist in der gleichen
vierstufig~n
(und Paralleltraditionen)
Steigerung dargeboten 82
(1) Gegenseitige Verpflichtung zur Tributablieferung (16,4).
(2/3) Neun Weisheitsproben in Form von Rätselhandlungen des
Pharao (27,1-16), zwei Rätselfragen (30,12-21) und vier
Rätselaufgaben an Achikar (29,4-30,5; 30,6-11.-22-28.29.
30), welche Achikar mit dem gleichen Repertoire von Argumenten wie R. Jehoschuar zu bestehen vermag83.
(4) Achikar bekommt als Belohnung Aegyptens Tribut von drei
Jahren.
"Letztlich sicher von Achikar inspiriert" 84 ist ein kurzes Stück
in mehreren syrischen Handschriften, welche alle von Rätselbriefen des babylonischen KÖnigs an den persischen KÖnig erzählen.
Es geht dabei um 6 Fragen in der Form "Was ist mehr X als Y ?"
(wie in Ri 4,18), die der persische KÖnig erfolgreich löst- womit er sich ebenfalls den Tribut von 3 Jahren verdient.
3.2 Sympotische Wettspiele
Neben diesen Rätselwettkämpfen im eigentlichen Sinn gibt es in
der frÜhjÜdischen Literatur auch Beispiele für jene leichteren
Arten von verbaler Auseinandersetzung, in welcher sich die Weisen verschiedener Nationalität oder Gruppenzugehörigkeit messen
können. Die griechisch-hellenistische Literatur kennt eine ganze
Reihe solcher intellektueller Spiele, die in ihren Symposien zur
82) Texte s.u. Kap. IV.3 (aesAch) und 4 (orVers); die Fragmente von aram und
dernAch lassen keinen Wettkampf mit Sicherheit erkennen.
83) 30,22-28 hat in KlglR
lele.
·
I.l § 8; 30,6-11 in bBek Sb (Nr. 5) seine Paral-
84) BROCK, A Piece of Wisdom Literature in Syriac 212-217; Text und Uebers.
212f.; Zit.: 217.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I I. 3. 2 .1
151
Unterhaltung gespielt wurden und in der sogenannten "Buntschriftstellerei" ihren literarischen Niederschlag fanden. Plutarch mit
seinen neun BÜchern Quaestiones convivales gegen Ende des ersten
Jahrhunderts und Athaenaios v. Naukratis mit seinen 15 BÜchern
Deipnosophistai gegen Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts geben davon eine reiche Auswahl 85 . Aus frühjüdischer Zeit
kennen wir vor allem zwei solche sympotische Wettspiele : den
Wettstreit der Pagen in 3 Esr 3,1-4,63 und das grosse, siebenfache Tischgespräch in EpAr 187-294. Bei beiden Texten ist eine
ältere Vorlage zu erkennen, an deren Bearbeitung sich die Intention der jüdischen Autoren, die grössere Weisheit ihrer jüdischen Favoriten zu demonstrieren, deutlich ablesen lässt.
3.2.1 Die Leibpagen des Darius
Der Wettstreit der Leibpagen des Darius (3Esr 3,1-5, 63; vgl.
JOSEPHUS, Ant 11,33-63) ist im jetzigen Zustand eine gut frühjüdische Weisheitsschrift, welche jedoch "ursprünglich eine vom
jetzigen Kontext unabhängige, selbständig bestehende Erzählung" 86
war. Diese Vorlage, die wiederum eine noch erkennbare, mehrere
Etappen umfassende Vorgeschichte hatte, antwortete auf die Frage : Wer ist der Mächtigste ? mit der dreifachen, sich steigernden Antwort : KÖnig - Wein - Weib. Mit zahlreichen Anklängen an
Ps(LXX), Dan(LXX), Spr und Tob wird nun dieser Dreischritt, der
den drei Pagen entspricht, durch eine vierte Antwort erweitert.
Der dritte, jüdische Page Überbietet seine erste konventionelle
Antwort ("Weib"), indem er mit einem Lob auf die Wahrheit und
den Gott der Wahrheit nachdoppelt und dadurch den Wiederaufbau
Jerusalems und des Tempels erreicht.
85) Vgl. die Lit.-Angaben bei Anm. 1; bes. FROLEYKS, Der ayoov ~6ywv 40-86
(Weisheitsagone); zudem SCHULTZ, Rätsel I, 1-21; HESS, Der Agon zwischen
Homer und Hesiod 7-26; MARTIN, Symposion 167-184 (npoß~n~a<a cru~nocrCaKa);
MEIER, Art. : Agones, PRE 1 (1894) 839f .•
86) RUDOLPH, Esra und Nehemia VIII; vorher schon LAQUEUR, Ephoros 172; TORREY,
The Story of the Three Youths·l86. Neulich zusammenfassend POHLMANN, Studien zum 3. Esra 37-48 (Lit;). Zum Formalen vgl. ASCHERMANN, Paränetische
Formen 59-62 (Exkurs 1 : Die.Rede Über die 'Wahrheit' in 3 Esr 4,34-40).
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152
Kap. II.3.2.2
Neben diesem vorrangigen ätiologischen Motiv besteht aber noch
ein zweites, didaktisches. Das in der griechischen Symposienliteratur weitverbreitete Kunstmittel der Frage nach dem Besten
(TC ~~ALO.a) oder anderen Superlativen benutzend 87 , hält der
Autor drei wohlgestalte Lobreden auf den Wein, den KÖnig und die
Frauen, in welchen deren gute und schlechte Eigenschaften - wie
sie die
Weish~itsschriften
oftmals beschreiben - unter der Leit-
idee der Macht zusammengestellt werden. Im überschiessenden Lobpreis der Wahrheit aber, vor welcher KÖnig, Wein und Weib als ungerecht entlarvt werden, ist auch der didaktische Zielpunkt erreicht, sind die traditionellen Weisheitslehren durch diese
nach der Meinung des Autors - typisch jüdische Einsicht philosophisch-theologischer Art überstiegen.
3.2.2 Die Jerusalemer Gelehrten bei Ptolemaios II Philadelphos
Die Tischgespräche des Aristesbriefes (EpAr 187-294) demonstrieren diese Ueberbietung dann bis zur Ermüdung. Die neuesten Untersuchungen von MEISNER88 haben deutlich zu zeigen vermocht,
dass dem Autor traditionelles Material aus pseudo-pythagoräischen
Traktaten nEpl ßacrLAE(a~, wie wir sie in Fragmenten von Ekphantös, Diotogenes und Sthenidas kennen 89 und wohl auch einiges
hellenistisches Sprichwortgut, jedoch kaum typisch atl. Spruch-
8.7) Viele Beispiele bei OHLERT, Rätsel und Rätselspiele 107-114. - Vgl. SNELL,
Dichtung und Gesellschaft 103 : "Wie bedeutsam solche Fragen gerade den
Menschen jener Zeit (scl. der Sappho, ca. 600 v.) waren, zeigt sich an
folgendem : Uns sind vier Novellen-Kreise kenntlich, die auf das 6. Jhd.
zurückgehen, die Legenden von Homer, den Sieben Weisen, Aesop und P~thagoras,
und in allen Vieren erscheinen derartige Superlativ-Fragen ••• " (Anm. 77,
weitere Lit.); vgl. DERS., Leben und Meinungen 85-89.103-105; HESS•, Der
Agon zwischen Homer und Hesiod 12-14; LOMMATZSCH, Die stärksten Dinge 236ff.,
FROLEYKS, Der &y~v A6ywv 44; auch NADOR, JÜdische Rätsel Nr. 17.18.31.
88) Untersuchungen, bes. 109-138; auch JSHRZ II/1, 40f.
89) Texte bei DELATTE, Les traites de la royaute 25-46 (gr.).46-56 (fr.); auch
THESLEFF, The-Pythagorean Texts of the Hellenistic Period 71-75; 78-84; l87f.
Vgl. dazu BURKERT, Zur geistesgeschichtlichen Einordnung einiger Pseudopythagorica 46-55, bes. 49f. 53 : "'Ekphantos' gehört nicht mehr in die
'rein griechische Entwicklungslinie', sondern zu der griechischen Literatur, die bereits durch die Berührung mit dem Judentum geprägt ist."; auch
GOODENOUGH, The Political Philosophy 64-73 (Diotogenes).73-5 (Sthenidas).
75-91 (Ekphantos).
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. I I. 3. 2. 2
153
weisheitzur Verfügung stand 90 • Es ist nun aber die mehrfach
erklärte Absicht des Pseudo-Aristeas, diese griechische Weisheit durch seine jüdischen Gelehrtenaus Jerusalem zu entthronen
(vgl. 235). Dies geschieht auf recht stereotype Art in den sogenannten "Gottesschlüssen", welche 69 von den 72 jüdischen
Weisen an den Schluss ihrer Antworten setzen. Diese RÜckverbindung zu Gott wird nach MEISNER auf vier hauptsächliche Arten
bewerkstelligt : 1. Gott schenkt (oCowuL; vgl. bes. 249.274,
280) die besprochene tugendhafte Eigenschaft. 2. Gott vollendet
und bewirkt alles Gute (•EAELOL, XUPLEUEL, nYEL.aL; vgl. 195.
199.237-239 u.ö.). 3. Zu Gott soll man in Gebet und Bitte Zuflucht nehmen (vgl. 193.197.226f.). 4. Gott ist das Vorbild jeder guten
menschlichen Haltung und Tat, und er ruft zu seiner
imitatio auf (vgl. 188.190.192.204-211.281 u.ö.) 91 •
Der Vorrang jüdischer Weisheit ist es also, in allem den theologischen Bezug herzustellen und so die zahllosen vereinzelten
Weisheitslehren in ein kohärentes System zu bringen. Der durch
das ganze Symposion hallende Applaus des KÖnigs und aller Anwesenden, eingeschlossen die ~LA6cro~oL
(vgl. 200.235) griechi-
scher Provenienz, bestätigt eindrÜcklich die Überragende Weisheit der jerusalemischen Gesandten, und einer der Philosophen,
Menedemos der Ereträer (337-263 v.), bestätigt persönlich- wenn
historisch auch unglaubwürdig - ihre hervorragende TÜchtigkeit
und Einsicht
(6La~~PELV
&pn•n
xa\ cruvL~vaL) und fasst ihre Ar-
gumentation in den lockeren Syllogismus zusammen : "Da die Vorsehung das All regiert, und sie der richtigen Auffassung sind,
90) Untersuchungen 40-76. MEISNER wendet sich dabei vor allem gegen FICHTNER,
Die altorientalische Weisheit 10, und ZUNTZ, Aristeas Studies I, 21-36.
Die traditionsgeschichtlichen Verbindungen zum berühmten "Gyrnnosophistengespräch" Alexanders (alle Angaben bei MERKELBACH, Die Quellen des ALRomans 72-75 : Inhalt; 151: Quellen; 156-161 : Exkurs),das wohl griechischen Ursprungs ist (vgl. DERRET, Greece and India 48-571 gegen MERKELBACH,
Ebd. 73ff.; WALLACH, Alexander the Great 47-83), und dem davon abhängigen
Milindapanha (vgl. TARN, The Greeks in Bactria and India 414-436) weisen
ebenfalls in die Welt der griechisc.hen Fragespiele zurück. Neueste Diskussion bei FROLEYKS, Der ay~v A6ywv 63-70. - Der Vortrag von JAEGER, Les
doctrines bibliques et patristiques sur la royaute 413-415, lässt EpAr ganz
aus, wohl weil EpAr sich nicht in die antimonarchistische Linie von JAEGER's
Darlegungen einfügen lässt.
91) Untersuchungen 77-104, bes. 103f.
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154
Kap. II, Ueberblick
dass der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, folgt, dass alle Macht
und Schönheit der Rede mit Gott einsetzt" {201}.
Es ist anzunehmen, dass in frühjÜdischer Zeit noch weitere Texte
dieser Art existierten. Die oben in Anm. 70 angeführten Szenen
bezeugen die Tradition in der klassischen rabbinischen Zeit.
Dazwischen haben wir aber nur einige Spuren, wie etwa die Fragen nach dem hÖchsten Gebot in Mk 12,28 Par Mt, die Schulszene
bei Jochanan ben Zakkai in Ab 2,9 92 , und vielleicht auch in 1
Kor 13 93 . Die Einkleidung der Logien in einen dramatischen
Wettkampf-Rahmen oder in ausgedehnte sympotische Spielsequenzen
wurde anscheinend zu Gunsten des Logienmaterials vernachlässigt
oder als zu künstlich empfunden. Es bildeten sich deshalb - ebenfalls unter salomonischem Patronat - die Logienkollektionen
heraus, in welchen sich die Weisheit des Volkes Israels ohne
einen offensichtlich
propagandistischen und polemischen Rahmen,
vielmehr von ihrer Überbietenden Inhaltlichkeit her auszulegen
versucht. Diese Weiterführung der alten Weisheit wird uns in
Kap. III {und IV) beschäftigen.
Zusammenfassender Ueberblick
Die drei vorausgehenden Kapitel hatten zum Ziel, neben der
mosaischen Tara-Weisheit und der henoch'schen t1-Weisheit die
dritte Linie einer salomonischen Sachweisheit· aufzuzeigen. Diese war bei jenen jüdisch-hellenistischen Autoren zu finden, die
sich in ihren Schriften ins Gespräch mit der hellenistischen
Kultur einliessen und diese mit den eigenen kulturellen Traditionen verglichen. Im Bestreben, Israel zur Mutter aller Weisheit zu erklären, versuchten diese Autoren, alle Sachgebiete
ihrer Zeit zu erfassen und mit verschiedenen literarischen Mit-
92) Vg1. GOLDIN, A Phi1osphica1 Session, bes. 20f.; STEIN, The Inf1uence of
Symposia Literature 198-229 (Pesa~ Haggada).
93) CONZELMANN, Pau1us und die Weisheit 241, Anm. 6, mit Verg1eichsmateria1ien.
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155
Kap. II, Ueberblick
teln in Abhängigkeit zu Israel zu bringen. Innerhalb der frühjüdischen Denkrichtungen bezeugen sie dabei ein Verständnis von
Weisheit im Sinne einer erschöpfenden Kenntnis aller, auch der
schwierigsten Wissensgebiete, welche sich vor allem an der idealen Gestalt des alten, weisen Salomo von 1 KÖn 5,9-14 und 10,1-
13 orientiert. Ein apologetischer Grundzug musste immer wieder
festgestellt werden, obwohl Apologie nicht der einzige Zweck
dieser Darlegungen war. Auferbauung der eigenen, z.T. in schwierigsten Situationen stehenden Gruppen mag ebenso starkes Anliegen der Autoren gewesen sein, doch zeigt sich diese hier vor
allem als eine Art Apologie "nach innen". Die Zuspitzung auf
den Topos des Ersterfinders und die immer extensiver werdende
Auslegung von 1 KÖn 5,11-13, sowie die Uebernahme zahlreicher
hellenistischer Argumentationsweisen wie etwa
das Motiv der Bildungsreisen griechischer
die Erweiterung von Kultur-Genealogien,
etymologische Ableitungen,
pseudonyme Zitate und
sympotische Fragespiele
Gelehrte~
weisen auf diesen Grundzug hin.
Anhand zweier typischer Formen dieser salomonischen Linie liessen sich gewisse Zusammenhänge (und Differenzen) zu den Hochformen frühjüdischer Weisheitsreflexion (Kap. I) erkennen : In
der Weiterführung der Traditionen von Mose und seinem Gesetz
(Kap. 2.3) kam das grosse Dogma der frühjüdisch-rabbinischen
Zeit von der Identität von'Weisheit'und Gesetz in den Blick; in
der Ausweitung der Weisheit Salomos hingegen ergaben sich formale und inhaltliche Berührungspunkte zur apokalyptischen Weisheit hin. Wiesen diese Ausführungen darauf hin, dass der Ursprung
aller Weisheit in Israel zu suchen ist, so betonen die in Kap. 3
angezogenen Texte die Präsenz jener Weisheit auch noch in der
Jetzt-Zeit. Die zum Teil recht unbeholfen gebrauchten Beweismittel lassen den deutlichen Anspruch ihrer Autoren erkennen :
Sal0mo ist immer noch mitten unter uns !
Obwohl apologetische Beteuerungen oft Indizien für Qualitäten
sind, die in der verteidigten Gruppe fehlen, muss die Frage
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
156
Kap. II, Ueberblick
nach jenen Weisheitstraditionen im FrÜhjudenturn gestellt werden,
welche sich im Konzept der "salomonischen Sachweisheit" meldeten.
Vieles deutete schon in Kap. I darauf hin, dass sich frühjüdisches weisheitliebes Bemühen nicht in der taragebundenen oder
prophetisch-apokalyptischen Weisheitsreflexion erschöpfte, sondern in selbstverständlicher Tradierung die alte Spruch- und
Mahnweisheit weitertrug und in die hellenistisch-römische Zeit
hinein weiterentwickelte.
Dies sei an den beiden Gebieten der weisheitliehen Logientradierung und der Paränese zu zeigen versucht, zu welchen je ein Werk
ausführlicher berücksichtigt wird. Es wird sich dabei zeigen,
dass die beiden Genera der A6yoL oo~@v
(Kap. III und IV) und der
öLa8nxn (Kap. V) bruchlos in die christliche Literatur hineinreichen und so schon von ihrer Form her Bausteine des literarischen Kontinuums darstellen, in welchem die weisheitliehen Traditionen des Frühjudenturns und des Frühchristenturn auch inhaltlich stehen.
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III. LOGOI SOPHON IN FRUEHJUEDISCHER ZEIT
1.
FRAGEN ZU FORM UND GATTUNG
1.1 Das Weisheitslogion
Kurze, treffende Worte charakterisieren seit je den Weisen. Das
Weisheitslogion ist deshalb eine der ältesten und wichtigsten
literarischen Formen, welche das weisheitliehe Bemühen um die
Erfassung und Bewältigung der Wirklichkeit hervorgebracht hat 1 .
In ihm haben einige wesentliche Aspekte weisheitlicher Denkund Lebensart ihre adäquate Form gefunden. Es setzt Einsicht in
Sachverhalte voraus, welche sich unter .Umständen erst aus langer,
1) Zur mesopotamischen und ägyptischen Logien-Weisheit vgl. die Literatur,
die Uebersicht und die Proben bei SCHMID, Wesen und Geschichte 9-13 (vgl.
201-223) .89.91-93 (vgl. 226-229.231-234). Die griechische Gnomik reicht
von den grossen Spruchdichtern HESIOD, dem Schöpfer der griechischen
yvw~n (um 700 v.), PHOKYLIDES (7./6. Jhd.v.), THEOGNIS (6./5. Jhd.v.) und
MENANDER (4. Jhd.v.) über die Gnomensammlungen der philosophischen Gruppen
der hellenistischen Zeit (s.u. Kap. 5.1.2,bes. Anm. 12) schliesslich bis
zu den gewaltigen Sammlungen der Byzantiner STOBAIOS (Anthologie; ed.
WACHSMUTH/HENSE; 5. Jhd. n.), JOHANNES von Damaskus (Sacra Parallela; MIGNE,
PG 95.96; ca. 680-750 n.) und ANTONiOS
(Melissa; MIGNE, PG 136; 11./12.
Jhd.n.); weiteres dazu u. Kap. 5.1. Eine umfassende Behandlung des ungeheuer weitläufigen Logienmaterials wird auch von den Parömielogen immer
wieder als Desiderat vorgetragen, ist aber wohl gerade wegen der Weitläufigkeit des Stoffes kaum zu leisten. Die Sprichwörter haben bis jetzt die
beste Behandlung erfahren, vgl. für die griechischen napoL~CaL LEUTSCH/
SCHNEIDEWIND, Corpus Paroemiographorum Graecorum I+II (1839+1851), für
die lateinischen proverbia, vgl. OTTO, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer (1890), und HAEUSSLER, Nachträge zu A. OTTO
(1968). Zum Ganzen s. RUPPRECHT, Art. : napoL~CaL, und Paroimiographoi,
PRE 18/2 (1949) 1707-1735 und 1735-1778. Bibliographie STROEMBERG, Greek
Proverbs 110-122.
(157)
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Kap. III.l.l
beobachtender Erfahrungstradition ergibt; es verlangt gebieterisch eine Reduktion der vielfältigen Aussagemöglichkeiten auf
den wesentlichen, springenden Punkt; es strebt die der Einsicht
und der intensivierenden Reduktion kongeniale Beherrschung des
sprachlichen Ausdrucks an. Einsicht, Treffsicherheit und Sprachgewandtheit des Weisen kommen im Logion auf ihre kürzeste Formel; Einsichtigkeit, Prägnanz und Schönheit charakterisieren
deshalb das weisheitliehe Logion.
Wie lassen sich nun diese Aby~a
formkritisch bestimmen und in
welchem Zusammenhang stehen sie mit der Gattung der Aoyo~ oo~wv ?
BULTMANN's bekannte Unterscheidung von konstitutiven (Indikativ :
Grundsätze; Imperativ : Mahnworte; Interrogativ : Frageworte) und
ornamentalen Motiven (Vergleich, Metapher, Paradoxie, Hyperbel,
Parallelismus der Glieder, Antithese
usw~ 2 trifft trotz der ver-
alteten Terminologie und den Einwänden von HERMISSON 3 und RICHTER4 etwas Richtiges, wenn man nur aus der Unterscheidung keine
Trennung macht. Die Ornamente gehören wesentlich zum Logion, obwohl keines von ihnen, auch nicht der Parallelismus der Glieder,
als stets vorhandenes Merkmal auszumachen ist 5 .
2) Geschichte der syn. Trad. 73; in Korrektur zu WEISS, Art. : Literaturgeschichte des NT, RGG 3 (1. Aufl. 1912) 2176ff., und BAPMGARTNER, Die lite~
rarischen Gattungen 161-165. Angeschlossen haben sich neben vielen anderen
SCHMIDT, Studien zur Stilistik 53-66; SELLIN/FOHRER, Einleitung 341; vgl.
auch SKLADNY, Die ältesten Spruchsammlungen 68, Anm. 3.
3) Studien zur israel. Spruchweisheit 139, sieht zwar darin "ein erstes und
wichtiges Einteilungsprinzip gefunden", warnt aber vor der Gefahr, dass
man "die Formen nur als etwas Aeusserliches betrachte". Seine subtile LÖsung besteht darin, dass er "auf die terminologische Unterscheidung" verzichtet, "ohne dass damit die wesentliche Erkenntnis", welche aus der Unterscheidung resultiert, "aufgegeben wird"
4) RICHTER, Exegese als Literaturwissenschaft 79f., behält zwar die Unterscheidung, ändert aber die Terminologie. Es heisst bei ihm dann "strukturale" und "ornamentale Form" (Anm. 18).
5) Der parallelismus membrorum muss vielmehr als dominantes Element unter
den Stilfiguren der hebräischen Literatur (vgl. BUEHLMANN/SCHERER, Stilfiguren der Bibel 35-39 (mit Lit.); WATTERS, Formula Criticism 40ff.) gesehen werden und zeigt somit "nicht die Gattung als solche, sondern die
dichterische Höhe ihrer jeweiligen Konkretion an" (ZELLER, Die weish. Mahnsprüche 20) • Die neueren Untersuchungen von MILNER, Quadripartite Structures 379-383; DUNDES, On the Structure of the Proverb 961-973, könnten aus
der Fixierung auf die Parallelismusstrukturen etwas heraushelfen.
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Kap. III.l.l.l
159
Die dreifache Unterteilung der Logien, welche BULTMANN nach "der
logischen Form" vornimmt, welche aber besser auf die drei Sprech6
modi des Subjekts, Aussagen, Fordern und Fragen, bezogen werden ,
vermag auf einfache Weise praktisch alle Logien zu gruppieren.
Stilistische und formkritische Untersuchungen haben diese drei
"Grundgattungen" 7 Spruch, Mahnwort und Fragewort weiter differenziert.
l. l. 1 Spruch
Innerhalb des Spruches haben vor allem die Charakterisierung und
8
gegenseitige Abgrenzung von Sprichwort und Lehrspruch den Forschern viel Mühe gemacht. Einige Definitionsversuche mögen zu
den wichtigsten Elementen des Sprichwortes hinführen
GRIMM : "Das echte, volksmässige
absichtliche lehre, es ist nicht
tung, sondern in ihm bricht eine
blitzartig hervor und findet den
sprichwert enthält keine
der ertrag einsamer betrachlängst empfundene wahrheit 9
höheren ausdruck von selbst"
DEUTSCHES WOERTERBUCH
"In verengerter bedeutung eine formelhafte wendung in gleichnisartiger form, die ohne ausgesprochen lehrhaften ton doch lehrhafte wirkung erzielt"l0,
6) SCHWYZER, Griech. Grammatik II, 625-631, definiert die Sätze anhand ihrer
Beziehung zu den "seelischen Grundhaltungen" (625) des Subjekts, und
zählt dabei den Indikativ zu den affektlosen, den Fragesatz und den Befehlssatz zu den affektiven Sätzen. Vgl. FUNK, A Beginning-Intermediate
Grammar 377-394; LYONS, Einführung in die moderne Linguistik 3llff. (nach
der "Einstellung").
7) Vgl. GESE, Art. : Weisheitsdichtung, RGG 6 (1962) 1577. Die Theorie von
den "Einfachen Formen", welche JOLLES (1929) entwickelt hat, wird hier
zwar nicht als Gesamt abgelehnt, aber aus verschiedenen Gründen eher vermieden. Der wichtigste ist, dass in JOLLES' "zur Sprachgestalt verdichteten Sprachgebärden" (RANKE, Art. :· Einfache Formen, Das Fischer Lexikon,
Literatur II/1 (1965) 184) die Gebärde des 'Fordernd-auf-die-Welt-zugehen', welche sich in den Begehrssätzen ausdrückt, nicht vorkommt.
8) Die Terminologie ist hier uneinheitlich : EISSFELDT, Einleitung 110.115,
und VON RAD, Weisheit in Israel 41-53 : "Kunstspruch"; GESE, Art. :
Weisheitsdichtung 1577 : "Maxime"; SELLIN/FOHRER, Einleitung 341 :
"Sentenz oder Kunstweisheitsspruch"; HERMISSON, Studien zur israel. Spruchweisheit 63ff.: "lehrhafte Sprüche". Vgl. die Uebersicht bei SEILER,
Deutsche Sprichwörterkunde 8-11. - MOLL, Parömiologische Fachausdrücke
249, versuchte unter den heutigen Parömiologen die AusdrÜcke "Sprichwort"
und 11 Sentenz'' oder 11 Maxime 11 einzubÜrgern.
9) GRIMM, Ueber Freidank 22.
10) DEUTSCHES WOERTERBUCH X/2,1 (1919), Art.
Sp. 65.
Sprichwort, sprichwörtlich,
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
160
Kap. III.l.l.l
SEILER : "Im Volksmund umlaufende, in sich geschlossene Sprüche von lehrhafter Tendenz und gehobener Form"ll.
JOLLES 12 gibt keine eigentliche Definition, sondern bestimmt
in der Diskussion vor allem mit SEILER's Definition und nach
einer Analyse von Wort, Wortart, Syntax, Stilmittel der
Periode, klanglicher Bewegung und 'Bild' jene Elemente, durch
welche das Sprichwort die Erfordernisse eines Spruches erfüllt : "Die Sprache des Sprichwortes ist so, dass alle seine Teile einzeln, in ihrer Bedeutung, in ihren syntaktischen
und stilistischen Bindungen ••. in Abwehr gegen jede Verallgemeinerung und jede Abstraktion stehen" (167). "Das Sprichwort ist kein Anfang, sondern ein Schluss, eine Gegenzeichnung, ein sichtbares Siegel, das auf etwas aufgedrückt wird
und womit es seine Prägung als Erfahrung erhält" (158). Es
"scheint in allen Schichten des Volkes •.• vorhanden zu sein"
(154).
HERMISSON 13 verweigert sich ebenso eine Definition. Konstitutiv sind für ihn : "Herkunft des Sprichwortes von einer Einzelpersönlichkeit" (30), "Gängigkeit" oder "Volksläufigkeit"
(33) , "dass es der Welt der Erfahrung angehört" und "einen
Schluss aus einer Summe von Erfahrungen zieht, indem es einen gültigen Satz formuliert" (31), und dass es die GÜltigkeit "in sich selbst trägt" (32) .
In diesen Definitionen sind folgende Elemente enthalten :
Das Sprichwort hat eine prägnante, geschlo~sene Form.
Es konstatiert in der Regel. einen Sachverhalt.
Es steht im Zusammenhang mit dem Volk.
Umstritten ist der lehrhafte Charakter oder die lehrhafte
Wirkung.
e) Ebenso wird die Herkunft aus dem Brauchtum oder von einer
Einzelpersönlichkeit verschieden bestimmt.
a)
b)
c)
d)
Zu a und b : Darin sind sich alle Definitionen einig. Die
geprägte Form und die auf die Erfahrungswelt gerichtete
Tendenz gehören wesentlich zum Sprichwort.
Zu c : Da "Volk" immer ein äusserst differenziertes Gebilde
ist, kommt es nur in den seltesten Fällen vor, dass ein Wort
zum Sprichwort des ganzen Volkes wird. Vielmehr sind Sprichworte prägnant formulierte Sätze, die in einer bestimmten
Gruppe, seltener auch über die Gruppe hinaus, recht häufig
gebraucht.werden. Dem entspräche auch die wahrscheinliche
etymologische Erklärung : "spriche" und "Wort" bilden zusammen eine Tautologie, die "vielgesprochenes Wort" besagen
11) Deutsche Sprichwörterkunde 2.
12) Einfache Formen 154.158.164-67; ähnlich HAIN, Das Sprichwort 44.
13) Studien zur israel. Spruchweisheit 30-33.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.l.l.l
. 161
will. Damit ist auch einem romantisierenden Verständnis von
"Volk" mit seiner schöpferischen "Seele" ausgewichen.
Zu d : Nach JOLLES kann einem echten Sprichwort nichts Lehrhaftes zugesprochen werden. Diese Radikalität ist zu schnell
von den theoretisch postulierten Eigenschaften des Spruches
auf das Sprichwort angewendet worden. Dass es keine "absichtliche Lehre" (GRIMM) enthält, muss genügen, denn die "lehrhafte Wirkung" (DEUTSCHES WOERTERBUCH) ist nicht zu bestrei·ten. Selbst wenn man HERMISSON's Unterscheidung zwischen
primärem Fehlen des lehrhaften Zuges und lehrhafter Zweitverwendungl4 zu Hilfe nimmt, kann es nur bei einem Mehr oder
Weniger bleiben. Das Sprichwort hat grundsätzlich rückblickende, konstatierende Funktion, trägt aber gerade dadurch
die Veranlagung in sich, eine Weisung für die Gegenwart zu
werdenlS.
Zu e : Da JOLLES unklar bleibt, was die Herkunft des Sprichwortes betrifft, und GRIMM's Definition zu sehr romantisierend von einem automatischen ("von selbst"), "blitzartigen"
Hervortreten einer längst empfundenen (von wem ?) Wahrheit (!)
spricht, entscheide ich mich fur die Differenzierung von
HERMISSON : Die Formulierung geschah durch eine Einzelpersönlichkeit, und zwar in der Weise, dass es von einer Gruppe
als ansprechend empfunden und in häufigen Gebrauch genommen
wurde. Die Erinnerung an die prägende Person gehört aber,
wenn das Sprichwort einmal im Umlauf ist, nicht mehr wesentlich dazul6. Die Frage nach dem genauen Zeitpunkt der Entstehung ist deshalp für ein Sprichwort zweitrangig.
Damit lässt sich folgende Definition vertreten :
Das Sprichwort ist ein vielgebrauchtes, auf die Erfahrungswelt
gerichtetes Wort in geprägter Form, das grundsätzlich eine Einzelerfahrung konstatiert, gerade durch das Belassen des Gegenstandes in seiner Vereinzelung eine gewisse Allgemeinheit erlangt und meist eine lehrhafte Tendenz aufweist.
14) Ebd. 31; vgl. VON RAD, ThAT I, 446 : "spezielle Sekundärverwendun'g".
15) ZELLER, Die weisheitliehen Mahnsprüche 17, weist auf, dass dieneuere
Proverbienforschung (HAIN, BAUSINGER, HOLBEK, BARLEY; s. Lit~-Verz.);
"in letzter Zeit weithin Einigung darüber zu erzielen" scheint,."was die
Funktion des Sprichworts ist : es formuliert eine gemachte Erfahrung so
bündig, dass dadurch inuner wieder neue Situationen erhellt werden können";
vgl. auch s. 24.
16) Beim "Gef.lügelten Wort" hingegen ist der nachweisbare Verfasser wesentlich; vgl. BUECHMANN, Geflügelte Worte, s. X : Worte, "die sich auf einen
bestimmten literarischen oder historischen Ausgangspunkt zurückführen lassen" (=Zitat aus der Einleitung zur 5. Aufl., 1869).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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162
Kap. III.l.l.l
Der Lehrspruch
Der Lehrspruch lässt sich arn besten in der Abgrenzung zum Sprichwort, dessen Hauptqualitäten er teilt, beschreiben. SEILER nennt
den "Sittenspruch" eine "kleine für sich bestehende dichterische
Schöpfung" 17 , womit auf die geschliffenere Gestalt und eine intensivierte Sinnfülle hingewiesen ist. VON RAD findet den Unterschied in "der veränderten aristokratischen Gestalt", durch welche der Lehrspruch "in einem viel direkteren Sinn didaktisch
ist" 18 • Er steht also zwischen dem Sprichwort und dem Mahnwort,
und zwar so, dass er sich vom Mahnwort durch den Gebrauch des
indikativischen Modus, vom Sprichwort aber dadurch unterscheidet, dass er "sehr deutlich" eine Mahnung oder Bitte impliziert 19 •
Sprichwort und Lehrspruch stehen von ihrer Form und ihrem Inhalt
her mitten in der urtümlichen Beschäftigung des Weisen, welcher
einen Überblickbaren Bereich 20 in seiner Tatsächlichkeit festhält
und einsichtig macht, ihn inhaltlich und formal auf das
"Wesentliche" reduziert, indem er ihn in einem präzisen und schönen Spruch zu Wort bringt. Die weise Bewältigung des so erfassten Lebensbereiches ist dabei im Hintergrund stets präsent, wird
aber mehr (Lehrspruch) oder weniger (Sprichwort) deutlich zum
Ausdruck gebracht.
17) Deutsche Sprichwörterkunde lOf.; GESE, Art.
spricht von einer "gehobeneren Form".
Weisheitsdichtung 1677,
18) ThAT I,445.
19) HERMISSON, Studien zur israel. Spruchweisheit 64 : "Während die Sprichwörter in allen nur denkbaren alltäglichen Situationen ••• verwendet
werden können, ••• gehören die lehrhaften Sprüche in eine besondere Situation. Sie sind nicht rückschauend auf eine soeben wieder einmal eingetretene Erfahrung gerichtet; sie sind Anfang, nicht Abschluss, sie
wollen etwas in die Zukunft Hineinreichendes bewirken : ein bestimmtes
Verhalten oder eine Haltung des Menschen. Sie fügen sich nicht einfach
in das Alltagsgespräch, denn sie wollen Menschen erziehen."
20) Ich vermeide den Ausdruck "empirisch", um weniger Gefahr zu laufen, jene
Bereiche, die wir heute zum Bereich der Empirie zählen, zum ausschliesslichen Objekt weisheitliehen Bemühens zu machen. Doch auch "überblickbar"
ist dieser Gefahr ausgesetzt. Wir müssen uns von den Autoren selbst sagen
lassen, was für sie als prinzipiell überblickbar galt. Aehnliches gilt
vom Ausdruck "Einsichtigkeit" s.u.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.l.l. 2
163
1. 1. 2 Mahnwort
Das Mahnwort ist aufgrund seines Sprechmodus nicht so eindeutig
wie der Spruch mit dem verbunden, was wir "weisheitliche Haltung"
nennen, da es sowohl imperativische Gesetzesworte wie auch imperativische Prophetenworte - um nur die wichtigsten Pole zu
nennen - gibt. ZELLER hat in seiner neuesten Arbeit "Die weisheitliehen Mahnsprüche bei den Synoptikern" 21 diese Abgrenzung
gegen die nicht weisheitliehen Mahnworte so deutlich wie möglich
gemacht und anhand von Spr 10-29 die klassische Form des weisheitliehen Mahnwortes herausgearbeitet : Ein "Satz mit einem
Verbum im volitiven Modus der 2. Person und einem weiteren Satz
mit der Funktion der Begründung"
(31). Bei der Beschreibung der
"sprachlichen Eigenheiten" (17) zieht ZELLER bezeichnenderweise
jene gleichen Elemente bei, welche auch die Welt des Spruchs
charakterisieren (17-20). Das Sprichwort hat "paradigmatische
Funktion" (17); das Mahnwort ist dessen nicht-indikativische
"Variante" (21)
: Die im Spruch noch leicht verdeckte Anweisungs-
funktion wird im Mahnwort zur grammatikalischen Form, ohne dass
aber die "weisheitliche Einsichtigkeit" verloren geht. Der fast
immer vorhandene Begründungssatz leistet diese Arbeit. Der "weniger kategorische Ton" grenzt das Mahnwort von Gebot und Verbot ab; die "individuelle Ausrichtung" unterscheidet es von der
Gebotsparänese und vom prophetischen Bussruf (31).
ZELLER's Katalog "sprachlicher Eigenheiten ... Ü7-20), welche also
für den Spruch und das Mahnwort gelten, ist wohl innerhalb der
exegetischen Literatur die beste Beschreibung dieser beiden Logiensorten. Die von ihm unter Einbezug der neueren Folkloristik
und Literaturwissenschaft
züge des Spruches"
erhobenen "linguistische(n) Grund-
(17) können unter folgende drei Titel zusam-
mengefasst werden
- Selbständigkeit
"unabhängig von weiterer Rede oder literari-
schem Kontext";
"nicht nur im Munde eines bestimmten Sprechers
21) Die folgenden, zwischen Klammern gesetzten Seitenzahlen verweisen auf
dieses Werk. - Herr ZELLER hatte die Freundlichkeit, mir sein Manuskript
zur Einsicht zu geben und anlässlich eines Besuches zu besprechen (vgl.
sein Vorwort) .
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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164
Kap. III.l.l.3
und vor einem singulären Publikum sinnvoll"; "steht nicht in
einem einmaligen 'Situationskontext'" (17f.).
Prägnanz : "Sicherheit der Aeusserung"; ist "syntaktisch ein
geschlossenes Gebilde" (18f.)
- Schönheit : "besondere sprachliche Mi tte·l"; "bildhafte oder
metaphorische Redeweise"; oft "binäre Form"
(18).
Die zu Beginn dieses Kapitels genannte Einsichtigkeit ist eine
inhaltliche Kategorie, welche sich aber besonders in den ersten
beiden Grundzügen (Selbständigkeit und Prägnanz) und bei den
Mahnworten in den Begründungen spiegelt. Der Sachkatalog, welcher der postulierten Einsichtigkeit entspricht, muss aus dem im
jeweiligen sozio-kulturellen Kontext MÖglichen und Tatsächlichen
erhoben werden.
1.1. 3 Rätsel
Zum Fragewort oder Rätsel wurde oben Kap. II.3 schon einiges
gesagt. Es zeichnet sich vor allem daraus aus, dass es mit der
Einsichtigkeit spielt, indem es sprachlich verschlüsselt. Das
Moment der Prüfung des Befragten zeigt aber, dass eine eventuelle Uneinsichtigkeit auf der Seite der befragten Person und nicht
des gefragten Sachverhaltes liegt. Die stilistischen Formen des
Fragewortes reichen je nach dem Grad der Verschlüsselung vom
einfachen Satz bis zu komplexen, sich Überschneidenden Frageserien. Das Rätsel sprengt zudem oftmals die Frageform, indem es
indikativische, imperativische und interrogative Elemente zu
einem Gesamträtsel vereint 22 •
Diese Kurzbeschreibung der Hauptformen des weisheitliehen Logions
soll 'hier genügen. Was ein weisheitliches Logion ist, sollte weder grammatikalisch noch inhaltlich allzu stark eingeengt werden,
wenn man nicht Gefahr laufen will, von unseren heutigen,präzise-
22) zu Stil und literarischen Formen des Rätsels s. JOLLES, Einfache Formen
126-149; HAIN, Rätsel 47-53;
LEROY, Rätsel und Missverständnis
1-47; BERNASCONI, Histoire des Enigmes, bes. 41-121. - Weitere Lit. o.
Kap. II.3, Anm. 58.
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Kap. III.l.l, Ziff. a
ren
165
literarischen Einteilungsmöglichkeiten und unserer engeren
gedanklichen Erfassung dessen, was weisheitlieh ist (und manchmal : sein darf), die formale und inhaltliche Vielfalt weisheitliehen Sprechens einer vergangenen Zeit zu verdecken. Dazu mahnen
uns vor allem drei Sachverhalte :
a) Das im hebr.-aram. Sprachgeprauch meist gebrauchte Worte für
den kurzen Sinnspruch ist
7~n
I (n)7nn. Dieses Wort sprengt aber
in mehrfacher Hinsicht die oben entwickelte Begrifflichkeit und
Inhaltlichkeit des "Weisheitslogions".
Herkunft und Bedeutung des Wortes 7~n haben verschiedene Erklärungen bekommen, die sich nicht auszuschliessen brauchen.
Bei den verschiedenen Versuchen kommt allerdings die Frage
hoch, ob die Eruierung einer "Ur"-Bedeutung notwendig sei. FLEISCHER nimmt 1880 aufgrund des arabischen Aequivalents
die "Grundbedeutung ..• Darstellung im concretel"). Sinn" an,
und zwar "1) was eine Person oder Sache in und an sich selbst
darstellt, ihr Zustand, ihre Handlungsweise oder Beschaffenheit; 2) eine Person oder Sache, die etwas Anderes darstellt,
Beispiel, Sinnbild, Gleichniss, Sinnspruch"23. Im Anschluss
daran, aber vom arabischen Verbalstamm "stehen" ausgehend,
postuliert dann SCHMIDT (1936) für "7~n die beiden Bedeutungen . • • : 1. 'gleichen' = 'für etwas stehen' und 2. 'herrschen'", sodass das Nomen "die in ihrer Wahrheit für das
praktische Leben gültige und feststehende Weisheitslehre"
2
bezeichne24. KOENIG (1900)25 und ausführlicher EISSFELDT{1913) 6
haben eine Grundbedeutung "gleich sein, gleichen" postuliert,
welche den beiden literarischen Formen des Volksprichwortes
und des Gleichnisses zu ihrer Bezeichnung als 7~n verholfen
hätten. Diese beiden hätten sich dann einerseits zum Spottgedicht, Weisheitsspruch und zur Lehrrede, andererseits zum
Typus der Orakelrede weiterentwickelt. Maschal ist somit ein
"Gleichspruch" im rhythmischen, stilistischen oder semantischen Sinn27. BUBER schliesst sich grundsätzlich dieser Deu23) Beiträge zur arab. Sprachkunde 595.
24) SCHMIDT, Studien zur israel. Spruchweisheit
wörterbuch 469; LEVY, Wörterbuch III, 280f.
:3;
vgl. auch GESENIUS, Hand-,
25) Stilistik, Rhetorik, Poetik 80 : " ... der ursprüngliche Sinn von ma~al
ist nach meiner Ansicht der Begriff Gleichheit oder Identität, und weil
die gewöhnlichste Art von Identifizierung die Kombination von Subjekt
und Prädikat ist, so wurde masal ein Ausdruck fÜr Urteil oder Sentenz."
(vgl. auch S. 89-92). Die gleiche Ansicht auch DERS., Hebräisches und
aramäisches Wörterbuch 252.
'
26) DerMaschal im Alten Testament 6; vgl. 43 (Schema).
27) Mit NÜancen schlossen sich neuestens an : HAUCK, Art. napaßoAn,
ThWNT 5 (1954) 744; JENNI, Art. : no,,
THAT I (1971) 452; JOHNSON,
mä~äl 162-169; ZELLER, Die weish. Mahnsprüche 19.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.l.l, Ziff. b
tung an, wagt aber die Vermutung, dass "die Bedeutung im Kal
etwa als
'die einander entsprechenden Dinge zusammenordnen'
zu fassen ist", woraus "sich eine Verzweigung zu einerseits
'regeln, verwalten, walten' und andererseits 'als entsprechend behandeln, vergleichen' wohl verstehen" lasse28.
BOSTROEM {1928) schliesslich stellte die Bedeutung "herrschen"
in den Vordergrund, sodass Maschal besonders ein wirkkräftiges
Wort meine29.
In der Diskussion des Terminus hat sich ein Bedeutungsfeld abgezeichnet, innerhalb dessen zu beschreiben ist, was den 7WD
ausmacht : Er ist ein Wort, das in gültiger Weise {"stehen")
spricht, weil es aus dem wägenden Sinn {"vergleichen")_ und der
ordnenden Hand {"zusammenordnen") des Weisen kommt, und so Einsicht und Tat im Modell birgt {"darstellen") und der Verwirklichung entgegentreibt {"herrschen").
Weises Sprechen in der
Kurzform des Logions ist dadurch in einigen wesentlichen Punkten umschrieben : Selbständigkeit, Prägnanz, Schönheit, Einsichtigkeit und Tendenz zur Weltbewältigung lassen sich in der Semantik, oder mindestens in den möglichen Etymologien des Wortes
wieder finden.
b) Der grossen semantischen Spannweite von 7WD entspricht ein
ebenso grosser Bereich der literarischen Anwendung. Denn
7WD
werden im Alten Testament sprichwörtliche Redensarten {lSam
10,12; 24,14; Ez 12,22f.; 18,2f.), Spottgedichte oder Spottlieder {Jes 14,4; Hab 2,6 : Klagegesang; Dtn 28,37; lKÖn 9,7),
Sprichwörter und Lehrsprüche {Spr 1,1.6; 10,1; 25,1), Gleichnisreden oder -erzählungen {Ez 17; 24,3) und Orakelsprüche oder
Weissagungsreden {Num 23,7.18; 24,3.15.20.21.23) genannt 30
In dieser Vielfalt spiegeln sich zwar meist die unter a) genann-
28) Zur Verdeutschung 11.
29) Paranomasi 23f.; vgl. EISSFELDT, Einleitung 110; SELLIN/FOHRER, Einleitung 339. - In diesen Bereich, obwohl von der Grundbedeutung "gleichen"
ausgehend, gehört auch GODBEY, The Hebrew Masal, der in 7~b
eine rituelle Handlung aufzuweisen sucht, welche in mimisch-symbolischer Art
ein "Gleichbild" (pattern) der zu beschwörenden Sache darstellt. Aus
7~b
"set a pattern" (106) habe sich die Bedeutung herrschen ergeben. Aehnlich HERBERT, The 'Parable' 195 : "The masal of the OT .•. is
a powerful rhetorical or literary device. Its origin ~ be in a spoken
or active spell followed by the words 'so shall it be !'"
30) Vgl. BAUMGARTNER, Die literarischen Gattungen 165-169.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.l.l, Ziff. c
ten Aspekte von
?wn ;
=
167
III.l.2
zugleich wird aber deutlich, dass
?wn
als
literarkritischer terrninus technicus auch nicht-weisheitliche,
kurze, metaphorische Sprachgebilde bezeichnen kann.
c) Ein dritter Grund für eine vorsichtige Handhabung der formalen
Begriffe liegt darin, dass die Sammlungen von Weisheitslogien,
die wir aus dem biblischen und frÜhjÜdischen Bereich kennen, unter dem gleichen Gattungsnamen eine Vielfalt von literarischen
Kurzformen versammeln. Wovor der
?wn
auf der Ebene der Form
warnte, davor warnen auf der Ebene der Gattung die A6yoL ao~v.
Dies soll jedoch im folgenden Kapitel 1.2 weiter erläutert werden.
1.2 Die Gattung der AOYOL ao~~v und ihr Fortbestehen in frühjüdischer Zeit
Weisheitslogien haben die Tendenz, eine möglichst kontextlose
Existenz zu führen, um in immer neuen Kontexten bedeutsam werden zu können. Völlig kontextlose Worte haben aber auf die Länge
wenig Ueberlebenschancen, da menschliche Tradierung ein Mindest31
rnass an Bezugspunkten braucht
Traditionsgeschichtlich hat
sich deshalb fast notwendig eine Gattung entwickelt, welche diesen für die Ueberlieferung wichtigen minimalen Kontext liefert,
andererseits dem Logion aber seine Selbständigkeit belässt, weil
sie es jeden Moment aus dem bewahrenden Rahmen entlassen kann.
Gerneint ist der besondere Typ der Versammlung verschiedener Logienrnaterialien zur losen Form der Logiensarnrnlung.
Obwohl diese Logiensarnrnlungen in der gesamten biblischen und
frühjüdischen Umwelt zu finden sind 32 , beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die biblisch-frühjüdischen Texte. ROBINSON's Untersuchung 33 dient dabei als Leitfaden, doch kommen die
31) Vg1. die Erörterungen bei ZUBER, Vier Studien 73-78 (mit weiterer Lit.).
32) Vg1. die Angaben bei Anm. 1, und Kap. III.5.1.2 •
33) LogoiSophon (1971).
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Kap. III.l.2
christlichen Sammlungen, welche ROBINSON zum Ausgangspunkt nahm,
vorerst nicht in den Blickwinkel.
In der biblischen Literatur ist der Ursprung der israelitischen
Spruchweisheit archetypisch mit der Gestalt Salomos verbunden,
welche dort aufscheint, wo es um die Erfassung schwieriger Sachverhalte, um Schlagfertigkeit und Schönheit des Wortes geht. Es
gibt keinen Grund zu zweifeln, dass den panegyrischen Aussagen
von 1 KÖn 5,12 (3000
b~7~;
1005
b~I~W)
eine wirkliche litera-
rische Tätigkeit am königlichen Hof entsprach, durch welche Salomo sich unter seinesgleichen hervorzutun versuchte 34 • Das
Spruchbuch reicht ja in seinen ältesten Teilen 35 (Kap. 25-29
1000-700 v.; 10-22,16
ca. 950-600 v.) bis weit in die königli-
ehe Zeit hinauf, kann also durchaus salomonische Sprüche enthalten. Die beiden Hauptsammlungen aus königlicher Zeit wurden jedoch durch weitere Spruchsammlungen anonymer Weiser (22,17-24,22
um 600 v.; 24,23-34 ?; 31,10-31 : um 400 v. ?) und zwei Sammlungen der sonst unbekannten
nordarabischen Weisen Agur (Kap.30)
und Lemuel (31,1-9 : beide wohl 5./4.Jhd.v.) erweitert und
schliesslich gegen Ende des 4. Jhd.s.v. mit der Voranstellung
des pseudosalomonischen Lehrgedichtes (Kap. 1-9) abgeschlossen.
Spr ist somit in seinem geschichtlichen Werden der beste Beleg
für das Vorkommen der Gattung der Logiensarnmlungen im israelitischen Bereich bis ins letzte Drittel des ersten Jahrtausends vor
Christus.
Die Gattungsbezeichnungen, welche die Zwischentitel zu den einzelnen Kollektionen ausmachen, erlauben dabei eine interessante
gattungsgeschichtliche Beobachtung :
34) Vgl. NOTH, KÖnige I, 81.
35) Datierungen nach SELLIN/FOHRER, Einleitung 347-352; KAISER, Einleitung
300-303; Jerusalemer-Bibel 827.
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Kap. III.l. 2
A
1.1
-10,1
B
no'7w
~~o~n ~~~i
c 22,17
D 24,23
-25,1
E
~'7wo
Abyo~ ao~v
~~o~n'7 n'7~-~)36 •au•a ö€ AEYE~ t~1v •o1~ oo~o1~
no'7w
~'7wo
n'7~-~.l
F 30,la
~~)~
~~~i
b
~~.ln
~~.:.
'7~10'7
~~~i
G 31,1
H 31,10
om.
ohne Incipit
A~LaL at naLöELaL EaAoopßvLOC
•ou~ E~ou~ A6you~
•aöE
~~r~~
o äv~p
ot l~ol. A6yo~
ohne Incipit
Im hebräischen Text finden sich konstant die beiden
Bezeichnungen
~'7WO
+ Salomo, oder
~~~i
form~lhaften
+ Name eines anderen Au-
tors oder einer Autorengruppe. Obwohl LXX diese Benennungen durch
ihre zum Teil freie Uebersetzung etwas verwischt hat, bleibt die
Doppelbezeichnung klar : ~~'7WO
I napo~~ca~, na~öELa~ wird für Sa-
lomo beansprucht, ~~~~i I A6yo~ (z.T. versteckt im Verb AEYE~V)
steht bei den nicht auf Salomo zurückgeführte Sammlungen. Zeigt
sich vielleicht darin eine gestalterische Kraft, welche beWusst
Unterschiede setzt, um Unterschiedliches voneinander abzuheben ?
Ein Blick auf die frühjÜdischen Texte, welche sich selbst in die
Gattung der Logiensammlung einreihen, ohne weisheitlieh im engsten Sinn zu sein, erhärtet diese Vermutung :
Leider ist das Incipit des aramäischen Achikartextes (5. Jhd.
v.) fragmentarisch; die Platzverhältnisse sprechen aber für
die Rekonstruktion ~p~n~ ~'7[0 n'7~]37.
Das ihm formal und inhaltlich verwandte Tobiasbuch (s.u. Kap.
IV.6), das wohl in seiner aramäischen Gestalt in die persische Zeit zurückreicht38, wird ebenfalls als Buch der A6yoov
Tooß(• (1,1) vorgestellt.
36) Aus dem Verweis auf die vorausgehende Sammlung ist auch hier ein b'i~~
mitzuhören. LXX weist trotz freier Nachgestaltung den gleichen Wortbestand auf.
37) LIDZBARSKI, Rez. : Sachau 2977; NOELDEKE, Untersuchungen 7, und STUMMER,
Der krit. Wert 5, lesen '~lno.l. MONTGOMERY, Some Notes 535, ergänzt
mit '~lno n~K]. Dazu BANETH, Bemerkungen 248, Anm. 2: "'~[0] oder
'~lnol allein füllen den Raum nicht; ·~lno n~Kl scheint schon etwas zu
viel." Er hält deshalb die Ergänzung ''?[0 n~K] für die den Raumverhältnissen entsprechendste LÖsung. - Die getreueste Darstellung der Platzverhältnisse findet sich - ausser auf SACHAU's Tafel 40 - bei UNGNAD,
Aram. Pap. 63 : -~-[••--]. - Vgl. u. Kap. IV.l.
38) MILIK, Brief vom 25. Juli 1976.
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170
Kap. ITI. l. 2
Das Buch des Noach ist nur in dem Resurne äthHen l06f. Par
4QHenc 5.II, spurenhaft in lQGenAp 1-5; lQ 19 und vielleicht
auch in 4 Qmessa-dar und 4Q 186 erhalten39. In Jub 21,10
(vgl. 10,13) wird es "Worte Noachs" genannt. GrTestLev 5,57
hat allerdings den Titel : B(ßAo~ cou NWE nepl cou a~uaco~.
Das Wächterbuch des Renachpentateuchs (Hen 1-36; um 250 v.)
trug als Incipit ••. nn~i~ ~7b =Worte der Segnung (vgl. 4QHena
l.I,l Par äthHen 1,1)40. In 14,1 nennt es sich selbst
~]~WIP ~7b i~b (4QHenc l.VI,9), dem in der hievon erhaltenen
griechischen Version ßCßAo~ A6ywv &.An3eC.a~ genau entspricht
(vgl. Tob 1,1), TBen 9,1 verweist zudem auf A6yoL cEv~x cou
6LxaCou (armenisch : Worte eurer Väter) und Jub 21,10 benennt
ein beim Leser als bekannt voraus gesetztes Buchmit "die Worte Renochs" .
In Qumran sind drei weitere Schriften gefunden worden, welche
sich selbst als Logiensammlungen vorstellen : 4Q (Worte des
Michael) beginnt mit ~,~~7b7 7~~,b ib~ ,, ~~n~ ,7b 41.
4QDibHam trägt seinen Titel n11~nn ,i~i noch auf dem Rücken
von Fragment 3, doch frägt sich BAILLET mit Recht,· ob ,i~i
hier mit "Worte" übersetzt werden dürfe42. 4QAmram ist eine
Kopie eines Buches von n1 Hl ,7b Amrams. vor seinem Tod (s. u.
Kap. V.l.2, Anm.37).- Dem Fragment 1Q22 hat MILIK den hypothetischen Titel hWb ,i~i gegeben, da die Aehnlichkeit zu Dtn
{=n,i~i) sehr gross ist und n,i~i in den erhaltenen Fragmenten
mehrmals vorkommt (vgl. 1,4; 2,6.9; 3,3)43.
Das Incipit des Buches Baruch, das wohl schon zum hebräischen
Grundtext gehörte (1. Jhd. v. I 1. Jhd. n.), lautet : KaL
o~coL o't ACyoL coÜ ßLßACou.
Kohelet's Lehrgedicht (3. Jhd.v.) beginnt mit n7np ,i~i
(LXX : 6~uaca ~XXATJOLacrcou) und endet mit einer Häufung des
39) Nach MILIK, The Books of Enoch 55ff.; ROBINSON sieht die "Worte Henochs"
noch in äthHen 6-ll; 39,l-2a; 54,1-55,2; 60; 65,1-69,25 (= Kleindruck
bei BEER, Das Buch Henoch); vgl. ROST., Einleitung l03f.
40) MILIK, The Books of Enoch 141. Der griechische und äthiopische Text hat
jedoch die Einzahl, was in Anbetracht der vielen Parallelen als Ausnahme,
und nicht wie bei MILIK, ebd. 143, als "normal equivalent in Greek;. cf.,
e.g., Acts l:l" gewertet werden kann (vgl. 14,1). Wie das konstante Incipit bei den kleinen Propheten Hos, Joel, Jon, Mich, Zef, Hag und Sach
zeigt, ist AOyo~ die Uebersetzung von ,~, (im Sing) und meint stets die
von Gott her ergehende Botschaft.
41) MILIK, The Books of Enoch 91, gibt das Incipit. Er verweist zudem auf
denselben Text unter STARCKY's Fragmenten aus 4Q (vgl. dessen "cornrnunication" in : Le travail d'edition, RB 63 (1956) 66) und möchte zudem in
6Q 23 (DJD III, 138) einen dritten Beleg sehen.
42)
"Les Paroles des Luminaires" 196.249, Anrn. 36; Le volurne VI.I des "DJD" 82f.
43) DJD I, 91-97. Als Alternativtitel schlägt er ebd. 92 "Petit Deuteronome"
vor, da es sich zu Dtn ähnlich verhält wie Jub (="Kleine Genesis",
vgl. EPIPHANIUS, Panarien 39,6,1; HOLL II, 76) zu Gen (und Ex).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.l. 2
171
Begriffes A.6yoL I A.6yo6 (12,10b.c.lla.l3a44). In 12,9 w.erden
o~~wn 1 napoL~LaL erwähnt, womit auf die locker durchgeführte
Identifizierung von Kohelet mit Salomo hing-ewiesen wird.
Schwierig ist Sirach (um 190 v.) zu beurteilen, doch dürfte der
ursprüngliche Titel ~~~b 1J VIW~ hb~h gelautet haben, vgl.
Titel und Unterschrift von SinBA und den Titel der Peschitta.
Der hebräische Name ~~~b 1J ~~Wb (oder ähnlich), auf den Hieronymus im Prolog zu seiner Sirachübersetzung45 anspielt,
scheint gerade aus der späteren Annäherung von Sir an die salomonische Sammlung (Spr) zu kommen und hat einen Anhaltspunkt
im ersten Schluss SirHebr B 50,27a (O~jBI~ ~Wib)46. Der zweite Schluss lautet in SirHebr B 51,30cd
usw.
JIVbW ~iJ1 MjM 1V
usw.
1 1vnw nn~n
SirHebr B kombiniert also die Unterschrift von gr SinBA mit
unserer erwarteten Bezeichnung ~iJ1 + Autor. Da aber llQPsa
XXII,l47 und SinBA mit 51,30a abschliessen, muss Vers 30c wohl
als Zusatz von SirHebr B gelten. - Vielleicht kann man im
neuen Titel nn~n +Autor, welchen ja auch die Weisheit Salomos
trägt, einen Ausdruck des neuen Bewusstseins der beiden Autoren sehen, nicht mehr nur eine Sammlung veranstaltet zu haben,
sondern zu einer persönlich erarbeiteten weisheitliehen Gesamtschau vorgedrungen zu sein.
In den Test XIIPatr wird "in sieben von zwölf Fällen •••
das Incipit so variiert, dass es von 'Logoi' spricht .•.
Darauf folgt die Mahnung, auf die Logoi zu hören (Dan 1,2;
Naph 1,5; Gad 3,1 v.l.; Rub 3,9; Jud 13,1). Wenn 'Logoi'
schon im Incipit verwendet wurde, wird das Synonym 'Rhemata'
in der Ermahnung verwendet (Iss l,lb; Seb 1,2; Jos 1,2)"48.
Das Mischnatraktat (Pirqe) Abot (=Abschnitte der Väter) wird
nach der ältesten Bezeugung bBqam 30a von Raba b. Joseph
b. Chama (Bab., gest. 352 n.) hiJ~1 ~~~n genannt.
44) Zu 12,13a vgl. die redaktionelle Glosse in Ijob 31,40 31'X '131 /Dh.
45) MINGE, PG 29, 437f.: " •.• Hebraicum repperi, non Ecclesiasticum ut apud
Latinos, sed Parabolas praenotatum, cui juncti erant Ecclesiastes et
Cantieuro Canticorum, ut similitudinem Salomonis non solum librorum numero, sed etiam materiarum genere coaequaret" (Unterstreichungen von
mir). Vgl. jedoch ISRAEL, Art.: Sirach, Jewish Encyclopedia 11 (1905)
388.
46) Dies ist die Interpretation von VATTIONI, Ecclesiastico X-XIII. RYSSEL,
Die Sprüche Jesus' 232f. hält umgekehrt unter Berufung auf Hieronymus
und die Rabbinen b'7WD fÜr den ursprünglichen Titel, woraus dann die
Annäherung zwischen Spr und Sir entstanden sei. Aehnlich ROST, Einleitung 49, der jedoch SirHebr B 50,27a als Titel erwägt.
47) DJD IV, 43. Es schliesst noch auf der gleichen Linie der sog. "Apostrophe
to Zion" an. Allerdings ist bei einem Auszug eines Einzeltextes aus einem grösseren Kontext nicht unbedingt zu erwarten, dass die Rahmentexte
mitübernommen werden.
48) ROBINSON, Logoi Sophon 99.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.l. 2
172
Die Gattungsbezeichnung
~i~i
+ Verfassername
lässt sich somit
vielfach in der nachbiblischen Literatur finden. Das Patronat
Salomos, welches sich in den Kollektionen des Sprüche-Buches an
der SpeziellenBezeichnung '7ttlb zeigte, wird dabei nicht weiter
betont. Sie taucht nur dort auf, wo eine gewisse Nähe zu Salomo
zum Ausdruck gebracht werden soll. Die meist pseudonymen Verfasser zogen die neutralere Bezeichnung
"~i~i
+ NN" vor, welche ei-
nen weiteren Rahmen zieht und schon in der biblischen Literatur
in ganz unterschiedlichen Bereichen der Logientradierung genannt
wird. So trugen die im deuteronorniseben und Chronistischen Geschichtswerk oft genannten Annalen den Titel
~i~i
i~b
+ NN, in
welchen Worte und Taten einer geschichtlichen Persönlichkeit
festgehalten waren 49 • Das Amosbuch hingegen meint mit seinen
Anfangsworten b~OV ~i~i I A6yoL ~A~~ die aus der visionären
Schau des Propheten kommenden Drohsprüche;
b~v~i~
~i~i
kann a-
ber auch gewöhnliche Prophetenworte bezeichnen, vgl. Jer 2 3, 16;
26 (LXX 34), 5.20 u.ö. Wieder anders konnten
b~v~i~ ~i~i
Ent-
scheidungen innerhalb der Rechtssprechung (vgl. Dtn 16,19) sein.
b~i~i
bekommt dieinhaltliche Bezogenheit erst durch die Verbin-
dung mit einer speziellen Person oder Personengruppe. Der Gedanke der Aneinanderreihung selbständiger, nicht allzu
langer
Texteinheiten scheint dabei ausschlaggebend für den gemeinsamen
Gattungsnahmen
~i~i
+ NN zu sein.
"Logoi Sophon" bezeichnet somit jene aneinandergereihten Worte,
in welchen die "Weisen Israels" ihre Einsichten auszudrücken
pflegen. Der Ausdruck ist in der spezifisch weisheitliehen Tradition entstanden (vgl. Spr 22.17 50 ; Koh 9,17; 12,11) und ist
deshalb nur auf jene Logiensammlungen anzuwenden, die in Fort-
49) So gibt es auch den no~w '1~1 1go 1Kön 11,41. Die LXX hat den Wort und
Tat umspannenden Sinn des in diesem Zusammenhang gebrauchten Wortes
1~1 nicht wiedergeben können; ~CßA~ov A6yoov oder PD~<oov hat engere
Bedeutung.
50) In Spr 1,6 'wird b'O~n ,,~, mit pnaE~G ao~~v übersetzt. A6yo~ und
Pn~•a sind aber, wie die Test XIIPatr und Koh 1,1 zeigen, aus~auschbar.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
173
Kap. III.l.2
setzung und Ausweitung der salomonischen Sammlungen, welchen
als dem normativen Ursprung der Name
b~7~0
vorbehalten wird, die
in den literarischen Kurzformen des Frühjudenturns gefasste Weisheit Israels beinhalten. Patronat Salornos und Abstand von ihm
werden dabei auch in der Terminologie deutlich.
Die folgenden Ausführungen wenden sich nun jenen Sammlungen von
"Worten der Weisen" im Bereich des Jahweglaubens zu, welche in
frühjüdischer Zeit die salomonische Linie der Logienweisheit
bis ins klassische Judenturn und ebenso ins Christenturn weiterführten und vermittelten. Damit möchte dem Missverständnis vorgebeugt werden, welchem ROBINSON's Ausführungen manchmal Vorschub leisten, dass nämlich die frühjüdische Logientradierung
ihre gattungsgeschichtliche Fortsetzung in den christlichen
Kollektionen gefunden hätten, das klassische Judenturn selbst aber
leer ausgegangen sei 51 • Die Sache ist aber umgekehrt zu sehen
Im Frühjudenturn gab es bis in die klassische rabbinische Zeit
hinein eine ununterbrochene Tradition des weisheitliehen Logiensarnrnelns, innerhalb welchem die christliche Sammeltätigkeit
erst ihren richtigen Platz bekommt.
Obwohl es hier um die jüdischen Logoi Sophon dieser Epoche geht,
sei doch eine provisorische Uebersicht Über die wichtigsten
52
jüdischen und christlichen Sammlungen vorangestellt
51) ROBINSON setzt seine Untersuchung an jenem Moment an, wo sich die Logienkollektionen in der nachchristlichen Gnosis in "Geheime Worte" oder
mystische "Dialoge mit dem Erlöser" umzugestalten beginnen. RÜckwärts
fragend rekonstruiert er dann Über die urchristlichen Schriften bis in
die vorchristlich jüdische Zeit hinein seine Gattung der Logoi Sophon.
52)
Interessant wäre in dieser Hinsicht auch die Analyse weiterer pseudepigraphischer Werke aus der pharisäischen Gedankenwelt. Die PsSal (2. Hälfte des 1. Jhd.s v.) und die erst nach der Zerstörung Jerusalems durch
die RÖmer geschriebenen Apokalypsen 4 Esr und Syr+grApkBar, alle in
pharisäischer Tradition stehend, zeigen, wie in dieser Zeit Logien im
grösseren Rahmen der Gebete (PsSal) oder der leidenschaftlichen Reflexion
(4Esr; ApkBar) mitgetragen wurden. Die Testamentenliteratur, die jedoch
den engeren, pharisäisch-rabbinischen Rahmen überschreitet, wird zeigen
(vgl. Kap. V), dass sich auch in den Paränesen viele Logientraditionen
erhalten haben.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
174
Kap. I I I. l. 2
<Hebr .Bibel>
aramAch
Spr
I Koh
1
1
I
I Tob
4.14
~i.::._H.gr - - - - - - ·_________ j
I
Anthologie gefälschter Klassikerzitate
'Apologeticum'
PHILO, Hyp 7,1-9
[HILLEL]
[JESUS]
Q und Aehnliches
PapOx 1. 654.655
Jak
JOSEPHUS, Ap 2,190-219
EvThomcopt
Ab
Väterkollektionen
AbRN A.B.
talmud. Kollektionen
PseuPhok
Sentsextus
PseuMen
Lehren des Silvanos
syrAch Parr
(Derek Ere9 Traktate)
(Pirke de Rabbi Eliezer)
Zwischen den beiden Sammlungen zu Beginn der nachbiblischen Zeit,
Tob und Sir, und den ersten greifbaren Werken im klassischen
Rabbinismus, Ab und AbRN A.B, liegt eine relativ lange Zeitspanne inoffizieller Tradierung von Weisheitliehern Logienmaterial. Ein solches Postulat ergibt sich schon aus der allgemeinen
Entstehungsgeschichte des pharisäischen Schrifttums; welches man
sich ohne intensive Einzelwort-Ueberlieferung gar nicht denken
kann. Die Abot Traktate zeigen, dass es bei dieser Ueberlieferung
nicht nur um halachische Materialien ging, sondern ebenso auch
um Logoi Sophon im vorhin aufgewiesenen Sinn. Charismatische
Einzelpersönlichkeiten haben die pharisäische
Tradit~on
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
seit je
Kap. III .1. 2
175
geprägt und ihr Über die Halacha hinaus auch ihre eigene
präg-
nante Lebensweisheit vermittelt. Jesus und seine Jünger bieten
ein geradezu Überwältigendes Beispiel daf\4:, wie sich in der
1. Hälfte des 1. Jhd.s n. um einen grossen Lehrer Logientraditionen versammelten und zu einer komplexen Traditionsgeschichte
zahlreicher Logienkollektionen Anlass gaben. Es ist anzunehmen,
dass bei vielen pharisäischen Lehrern ähnliche Prozesse stattfanden, von denen wir aber nur noch den gebändigten Abglanz im rabbinischen Traditionsganzen vor uns haben.
Genaueres als diese allgemeinen Ueberlegungen lässt sich jedoch
aus der Analyse der Abot-Traktate ersehen.
Gewisse Sachverhal-
te in Ab und den beiden Versionen von AbRN sind nur verständlich,
wenn man eine weisheitliehe Logientradition annimmt, welche sich
in vor-mischnischer Zeit an die Schulhäupter, Charismatiker und
Häretiker der pharisäischen Bewegung geheftet hat.
Kap. 2 geht auf analytischem Weg diesen frÜhen Kollektionen pharisäischer
Weisheit nach. Ist einmal die Logienweisheit in diesem inneren Kreis (vgl.
Kap. 3) aufgezeigt, weitet sich in den Kap. 4, 5 und 6 der Blick auf die
äusseren Ringe des frühjüdischen Glaubenslebens, bis er sich bei den AchikarTraditionen in den übergreifenden Traditionen der internationalen Logienweishei t verliert.
Diese traditionsgeschichtliche Darstellungsweise orientiert sich an den
verschiedenen Traditionsbereichen53 und kann deshalb methodisch nicht die
Chronologie der Texte, deren zwischen- und Vorstufen als Leitbild haben.
53) Die christlichen Kollektionen sind u. Kap. VI.2.1.2 kurz beschrieben und situiert.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
2, DIE TRAKTATE ABOT UND ABOT DE RABBI NATAN A.B
Dass sich am Schluss des Seders Neziqin (=Beschädigungen) , welcher sich dem Zivil- und Kriminalrecht widmet, eine Sammlung
verschiedenartiger "(Aussprüche der) Väter" findet, ist ein erstaunlicher Sachverhalt. Ab ist ja in Form und Zielsetzung von
den anderen Mischna-Traktaten völlig verschieden 1 . Es bietet
nicht eine knappe Darlegung von halachischen Bestimmungen in der
juristischen Kunstsprache, sondern präsentiert sich als "a section of maxims on conduct and sayings in praise of the Law
handed down in the names of 60 teachers of the Law who lived
between 300 B.C. and A.D. 200 from the time of Sirneon the Just
to Rabbi Judah the Patriarch, the editor of the Mishnah" 2 • Es
geht Ab deshalb nicht um die genaue tara-getreue Form der tausend
Einzelhandlungen des alltäglichen Lebens, sondern um eine weiter
gespannte Begründung dieser vielfachen Traditionen. "It is the
nearest approach made by Rabbinical Judaism to a philosophical
formulation of its basic ideas. The principles which occur in
other parts of the Mishnah as precisely defined action-symbols,
are here formulated in more general terms, depicting a goal of
life, rather than affering particular directions for life. Each
maxim thus summarizes the general view-point of its author, and
enables us to understand his particular teachings as applications of his principles" 3 •
Es ist nun aber nicht möglich, den Mischnatext isoliert zu be-
1) Ed.: ALBECK, M)WO 'i~O MWW III, 347-388; TAYLOR, Sayings (1)-(52); MARTI/.
BEER, Abot 1-184, wurde die Zählung der Mischnajot Übernommen, zum dt. Text
die Uebersetzung von MAASS, Formgeschichte 95-104 verglichen; engl. Uebers.
von TAYLOR, Sayings, 11-114; DANBY, The Mishnah 446-461, und HERFORD, Pirke
Aboth, APOT II, 686-714.
2) DANBY, The Mishnah 446; vgl. GOLDIN,
(1972) 983.
Art.
: Avot, Encyclopaedia Judaica 1
3) FINKELSTEIN, Introduction V (Unterstreichungen von mir).
(176)
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Kap. III.2
177
handeln; er ist traditionsgeschichtlich eng mit den Abot de
Rabbi Natan (AbRN) verbunden, welche in mindestens zwei grossen
Rezensionen (A und B) vorliegen 4 • AbRN A und B verhalten sich
jedoch nicht so wie z.B. der Talmud zur Mischna oder der Midrasch
zum biblischen Text, zwischen welchen das Verhältnis von sorgfältig geachteter Vorlage und sekundärem Kommentar besteht. Die
Autoren von AbRN A.B zeigen "kein Bewusstsein, dass sie einen
älteren, kanonischen Text interpretierten", vielmehr verarbeiten
sie Texte aus Ab als "integrale und gleichwertige Teile" 5 mit
ähnlichen Traditionsstücken ihres Eigengutes. Das Verhältnis der
Tosefta zur Mischna kann mit mehr Recht zum Vergleich herangezogen werden. AbRN stellen ebenso nicht nur zusätzliches Material
zusammen, das die Auswahl von Ab ergänzen soll; sie setzen aber
zudem einen Traktat Ab als feststehenden Mischnatext gar nicht
voraus. Der Vergleich von Ab, AbRN.A und AbRN B zeigt vielmehr,
dass oftmals die in AbRN verarbeiteten Traditionen älter als
die in der Mischna Ab fixierten sind. So lässt sich auch besser
verstehen, dass ungefähr 37 Worte aus Ab in AbRN fehlen; ebenso
dass die zeitliche Einordnung einiger alter Tradenten in der
Abfolge von AbRN exakter und die Zuweisung einzelner Worte Öfters
plausibler ist.
Dass Ab und AbRN A.B eine gemeinsame Vorgeschichte haben, ist
schon aus einigen gröberen Sachverhalten deutlich zu machen :
- Zwischen Ab 1,15 und 2,8 ist ein doppelter Einschub geschehen
(1,16-2,4a; 2,4b-7), der die Tradentenkette unterbricht. Er
fehlt jedoch in AbRN A.B an dieser Stelle (s.u. zu Kollektion
I/1 und III).
4) Ed.: SCHECHTER, Aboth de Rabbi Nathan (1887) 1-134 (Text in parallelen Kolumnen); 150-166 (Fragmente einer 3. Rezension). Engl. Uebers. von AbRN A:
GOLDIN, The Fathers (1955); von AbRN B : SALDARINI, The Fathers (1975) 21301 (mit Seitenangaben von Schechter's Ausgabe). Eine Neuherausgabe unter
Beiziehung weiterer Texte ist von FINKELSTErN (vgl. Introduction XXVI) seit
1950 versprochen.
5) SALDARINI, The Fathers 5 (Uebers. v. mir); vgl. hingegen GOLDIN, The Fathers
XVIII. SALDARINI nennt AbRN B 1-30 einen Midrasch zu Ab l-2; 31-35 eher eine
Tosefta zu Ab 3-4 und 36-48 ein Gemisch dieser beiden; am ehesten käme nach
ihm die Bezeichnung Kommentar in Frage, wenn man den ganzen Traktat unter
einen Namen bringen wolle. - GOLDIN, The.two Versions of AbRN 97-117, hat
zwischen A und B eine thematische Verschiedenheit herausgehoben : A betont
das "Studium der Tora", B legt mehr Wert auf die "guten Werke".
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
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Kap. III.2
- In AbRN A 19-22 sind Traditionen zu einem Block vereinigt, welche in AbRN B weniger deutlich verbunden, in Ab sogar in zwei
voneinander getrennte Textstücke aufgelöst sind (s.u. Kollektion III) .
- In ähnlicher Weise versammeln AbRN A 23-26 zerstreute Texte
in Ab und AbRN B (s. u. zu Kollektion IV).
- Ab 2,4b-7 hingegen ist eine kleine Kollektion von Hillelsprüchen, die in AbRN A.B weit zerstreut sind.
Die Fragen nach dem Wie und Wann dieser Vorgeschichte sind hingegen schwierig zu beantworten. Für das Problem der weisheitliehen Logientradierung im pharisäischen Bereich, welche uns in
diesem Kapitel beschäftigt, bietet sich darin jedoch eine Möglichkeit an, vor die Mischnaredaktion hinab in die Entstehungsgeschichte älterer Kollektionen Einblick zu bekommen.
SCHECHTER 6 hat zwar eine alte Sammlung (=Ab*) postuliert, zu welcher es eine geschriebene Tosefta (AbRN*) gegeben hätte. AbRN*
habe sich dann, da noch keine zensurierende Instanz vorhanden
war, frei weiterentwickelt und mehrere Ausformungen (u.a. AbRN
A und B) erfahren. Ab* hingegen sei in die Redaktionsstube
Rabbi's gekommen und habe dort seine definitive und jetzige Gestalt (=Ab) und seinen Platz in der Mischna bekommen. AbRN A.B
hätten im Grossen und Ganzen ihre schon erreichte Form behalten
und so die Funktion einer Tosefta ausüben kÖnnen. Deshalb fehle
denn auch das Tosefta-Traktat zu Ab.
Besser den Sachverhalten zu entsprechen scheint mir jedoch der
.
7 , der von verschiedenen,jetzt
Losungsversuch
von PINKELSTEIN
noch isolierbaren Einzelkollektionen ausgeht, welche sich in
einem langen Ueberlieferungsprozess seit den 1. Jhd. n. formiert
und in mündlicher Tradition vermehrt und verändert haben. Ihren
6) Aboth S. XX-XXIV; vgl. die Uebersicht bei SALDARINI, The Fathers 8-10.
7) PINKELSTEIN hat seine Position in zwei Varianten vorgetragen; in seinem
ersten Beitrag, Introductory Study (1938), unterscheidet er vier ältere (A-D)
und sieben jüngere (a-g) Logienkollektionen (vgl. S. 14f.); in der grossen
Studie, Introduction (1950), nennt er fünf Logienkollektionen (I-V), um welche sich weitere, ungesammelte Materialien legten (vgl. S. IX). Die Entsprechungen sind : I = A; II = B; III = a+d; IV = C; V = D. - SALDARINI, The End
of the Rabbinie Chain, bes. 98, Anm. 8, verteidigt Finkeistein gegen die
Spätdatierungen von NEUSNER (s. Anm. 8).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.2
179
schriftlichen Niederschlag fanden diese Kollektionen dann in den
drei Traktaten Ab, AbRN A und AbRN B. Diese hatten auch nach
ihrer Fixierung (zu Beginn des 3. Jhd.s n.) eine weitere Geschichte, die nicht ohne gegenseitige Beeinflussung verlief. Die Einordnungen in die Begebenheiten der jüdischen Geschichte und in
die Auseinandersetzungen zwischen Billeliten und Schammaiten,
zwischen Hillelsöhnen (Dynastische Tradition) und Hillelschülern
(Lehrtradition) des 1. und 2. Jhd.s n., welche FINKELSTEIN ebenfalls vornimmt, ist natürlich recht hypothetisch, aber da es der
einzige Versuch ist, der die komplizierte Quellenlage berücksichtigt und mit den schwierig zu interpretierenden Daten der
Geschichte zusammenbringt, soll hier diese Unsicherheit in Kauf
genommen werden.
Unserer Fragestellung, die ja auf Vorformen der Abot-Texte vor
der Mischnaredaktion geht, tun zudem die Unschärfen, die sich
beim Versuch der genauen Situierung der Textstücke in die Vorgeschichte der Abot-Texte ergeben, keinen wesentlichen Abbruch.
Die wichtigste Einsicht ist ja, dass schon seit dem ersten Jahrhundert in der pharisäischen Tradierung die Präsenz von weisheitliehen Logiensammlungen nachgewiesen, die Gattung der A.Öyo~
oo~&v im engeren Sinn also belegt und in etwa charakterisiert
werden kann 8 .
8) GUTTMANN hat in seiner Studie Über den "Ort" von Ab in der rabbinischen.Literatur eine ganz andere Entstehungsgeschichte vorgeschlagen (Tractate Abot
181-193). Aus dem späten Vorkommen derAb-Stellen ais Mischnajot im babylonischen und jerusalemischen Talmud und deren Zitierung als Mischna und/oder
Baraita folgert er, dass Ab erst um 300 n. der Mischna beigefügt wurde (vgl.
ähnlich MAIER, Geschichte der jüd. Religion 127). Deshalb konnte Ab gar keine
Tosefta bekommen. Doch auch nach GUTTMANN ist wenigstens ein "kurzer" Ab-Traktat anzunehmen (vgl. 184) , welcher als Grundstock für Ab benutzt wurde. Dass
"an apologetic move against Christian attacks on Pharisaic Nomism as being
the essence of Judaism" (189) die Beifügung von Ab zur Mischna hervorgebracht
habe, ist nur eine Vermutung. - NEUSNER's epochemachende Studie "The Rabbinie
Traditions abou~ the Pharisees before 70" I-III, ist primär auf die literarischen Formen und Gattungen und deren jetzt vorliegende sprachliche Gestalt
konzentriert. Der Traktat Abot kommt als Ganzes deshalb zwar nicht zur Sprache, doch muss aus NEUSNER's formkritischen Analysen der Abot-Einzeltraditionen deren sprachliche Gestaltgebung in die Zeit von Jamnia und Uscha angesetzt werden. Die endgültige sprachliche Gestalt steht jedoch am Ende eines
langen Entstehungsprozesses, dessen Rekonstruktion nur mit stärkerer Berücksichtigung von traditionsgeschichtlichen und historischen Ueberlegungen anhand
grösserer Texteinheiten zu bewerkstelligen ist. Der Abot-Traktat mit seinen
Parallelen AbRN A.B ist, weil er aus noch ersichtlichen Kollektionen aufgebaut ist, zu zeigen geeignet, w i e
"the traditions pertain chiefly to the
last half-century or so before the destruction of the Temple - at most seventy
or eigthy years" (III, 318), auch wenn man sich dadurch in NEUSNER's lange
Reihe von "Pseudocritical Studies" (III, 334-359) einfügen lassen muss.·
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.2.l
2.1 Kollektion I
Die Tradentenkette Ab 1,1-15 Par AbRN A
1-13, B 1-27
In dieser Tradentenkette liegt eine Art Gelehrtengenealogie
vor, welche die Kontinuität der pharisäischen Lehre von Mose
bis Hillel und Schammai demonstriert. Diese seit hellenistischer
Zeit mehrfach bezeugten Listen
~on
Schulhäuptern oder Priester-
vorstehern9 haben eine eindeutige ideologische Zielsetzung und
können vorerst keinen Anspruch auf historische Glaubwürdigkeit
erheben. Ueber das Alter unserer Liste ist deshalb aber noch
nichts ausgesagt. GUTTMANN datiert sie zwar erst in mohammedanische Zeit, in welcher die jüdischen Untertanen die Gewohnheit
der mohammedanischen Gelehrten, solche Genealegien zu fabrizieren, Übernahmen und damit ihre eigene Tora-Gemässheit beweisen
wollten 10 . Diese Datierung hat jedoch keinerlei Stütze in den
Texten von Ab und AbRN A.B. FINKELSTEIN's Analysen hingegen machen eine Frühdatierung recht plausibel, da dadurch textliche
Abweichungen zwischen Ab und AbRN A.B und inhaltliche
Elemente bestens erklärt werden können. Er nennt Ab 1,1-15 Parr
ein "pharisäisches Dokument" schammaitischer Tendenz (mit späterer hillelitischer Ueberarbeitung) 11 , durch welche sich die
pharisäische Partei vom sadduzäischen Anspruch auf die PriesterSukzession abhob, indem sie auf ihre fehlerlose Lehr-Sukzession
hinwies.
Der Vergleich der beiden Tradentenketten von Ab und AbRN A.Blla
gibt ein gewichtiges Argument für diese Frühdatierung :
9) BIKERMAN, La Chaine de la tradition 50-52; diese Parallelen "renforcent la
cause de la tradition" (52); in Erzählungen sind sie auch als "Referenzketten" zu finden, vgl. Pea 2,6; bPes 66a.
10) Tractate Abot 190.
11) Introduction XIIf. Dass in AbRN B 23 der Wahlspruch Schammai's vor demjenigen
Hillel's steht, in Ab 1,12 und AbRN A jedoch umgekehrt, ist ein gutes Indiz
für die Ursprünglichkeit der Abfolge Schammai - Hillel, welche jedoch zur
Zeit der Ueberhandnahme der Hilleliten vertauscht wurde. Der umgekehrte
Tausch ist schwer anzunehmen.
lla)NEUSNER,
("Worte"
von Jose
higkeit,
The Rabbinie Traditions I, 11-23, vergleicht Ab 1,1-18 mit Chag 2,2
über das Auflegen der Hände auf ein Opfertier vor der Schlachtung,
b. Jo'ezer bis Schammai) und bSchab 14Parr ("Dekrete" über die Fäsich zu verunreinigen; gleiche Rabbinen) und rekonstruiert daraus
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
181
Kap. III. 2.1
(beid~~emeinsam)
AbRN A.B
Ab
Mose
1.
2.
Josua
2.
3.
die Alten
3.
die Propheten
4.
7.
die Männer der grossen Versammlung
5.
la.
Schimc on d. Gerechte (I. /I I.) 6.
2a.
Antigenus aus Sokho
7.
3a.
Jose b. Jo'ezer
Jose b. Jochanan
la.
4a.
Jehoschuar b.Perachja
Mattai aus Arbel
2a.
5a.
Jehuda b. Tabai
Schimton b. Schatach
3a.
6a.
Schema' ja
Abtalion
4a.
7a.
Hillel
Schammai
5a.
1.
4. die Richter
5.
6. Haggai,
Sacharja,
Maleachi
A •
22
B
32
{
6a. R. Gamliel
7a. R. Schimton b.
Gamliel
8. Rabbi (Jehuda
Hanasi)
9. R. Gamliel b.
Rabbi
die älteste Abfolge der Tradentenliste. Diese entspricht der zweiten Siebnergruppe von Ab, jedoch mit 6a : Jochanan b. Zakkai, u~d 7a : seine Schüler.
NEUSNER berücksichtigt dabei die Siebnerstruktur, welche die Abot-Traktate
prägt, nicht, um die Vorgeschichte dieser Traktate zu erhellen, da AbRN A und
B für ihn eindeutig späte Umarbeitungen von Ab darstellen. Da keine der
Sprucheinheiten der Tradentenliste (ausser das aramäische Hillelwort Ab 1,13)
in der weiteren tannaitischen Literatur zitiert oder verarbeitet sei, "one
can hardly propose for the Avot-apophthegms (sie) a date before Juda the Patriarch(if then)" (I, 21). Dem widerspricht die folgende Analyse.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
182
Kap. I I I. 2. l
In AbRN A l-13 und B l-27 wird die Tradentenkette deutlich in
2 x 7 Personen oder Personenpaare gruppiert; sie ist klar abgeschlossen durch die in AbRN B 28f.
(vgl. A 14) direkt angefüg-
ten 80 Schülerpaare Hillels, gefolgt von der Fünfergruppe um
R. Jochanan b. Zakkai, dem Nachfolger Hillels als Schulhaupt.
Ab hingegen hat diese kompakte Präsentierunq verschiedentlich
anders gestaltet, da ihm eine ~ndere Leitidee vorschwebte 12
a) In der ersten Siebnergruppe fehlen zwei Traditionsglieder
(Richter, nachexilische Propheten), wodurch die Siebnerstruktur
vorerst gestört ist. -
b) Mit 1,16 - 2,4a wird eine L1ste der
leiblichen Nachkommen Hillels (6a.7a.8.9) angefügt, welche in
AbRN B erst in Kap. 32 (SALDARINI 190-192) und in AbRN A erst
in Kap. 22
(GOLDIN 100), also arn Schluss der Schammaitischen
Rabbinengruppe stehen (s. u. Tab. 2). Durch diesen direkten Zusammenschluss der "Paare" mit den Hillelsöhnen mündet bei Ab die
Tradentenkette von Lehrautoritäten in die Genealogie der palästinischen Patriarchen, also in eine dynastische Abfolge ein. c) Erst nach dem zweiten Überleitenden Einschub von 2,4b-7, einer
alten Kollektion von Hillelsprüchen (s. Kap. 2.2), kommt dann in
Ab die nicht patriarchalische Linie mit Jochanan b. Zakkai und
seinen Schülern wieder zum Zuge (s. Kap. 2.3).
Setzt man nun in Ab l,l die Auslassung der zwei Traditionsglieder (Richter, nachexilische Propheten), welche bei AbRN A.B zur
ersten Siebnergruppe gehören, mit der Zufügung Ab 1,16 - 2,4a
in Beziehung, so wird die Leitidee des Redaktors deutlich :
Zählt man nämlich die 2 x 7 Traditionsglieder in Ab l trotzdem
durch, so kommt man unmittelbar vor Rabbi Jehuda ha-nasi, den
Redaktor der Mischna zu stehen ! 13 Das Strukturprinzip 2 x 7
von AbRN A l-13; B l-27 ist also in den Dienst der gleichen The12) Auch in Mt 1,17 wird für den Beweis der abrahamitisch-davidischen Abstammung
Jesu das 2 x 7 Schema angewendet. Dieses scheint für Genealegien so fest zu
sein, dass die Traditionen jeweils kräftig umgearbeitet wurden, bis sie in
das Schema passten; vgl. auch die Hohenpriesterlisten in lChron 5,27-41 und
Neh 12,10f. (s. FINKELSTEIN, Introduction XLIV).
13) Ob mit Gamliel und dessen Sohn Schim<on je der I. oder II. gemeint ist, kann
jedoch nicht sicher entschieden werden; vgl. FINKELSTEIN, Introduction 73f.;
SALDARINI, The Fathers 191, Anm. 21; MARTI/BEER, Abot 30f.; auch u. Anm. 35.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.2.1
183
se gestellt, welche auch zur Anfügung von 1,16 - 2,4a 'geführt
hatte : Die Lehrtradition ist mit der dynastischen Hillel-Sukzession verbunden; in Rabbi Jehuda Ha-nasi, der zugleich Schulhaupt
und leiblicher Nachkomme Hillels war, haben beide rivalisierenden
Linien ihre Personalunion gefunden - und die Mischna steht in
direkter Verbindung mit dem Sinai !
Aus diesen Gründen ist die Form der Tradentenkette in AbRN A.B
für älter zu halten als jene in Ab. Sie muss somit in vor-mischnisehe Zeit datiert werden. Berücksichtigt man die pharisäischsadduzäischen Auseinandersetzungen als Motiv für die Kornposition
dieser pharisäischen Liste, so ist man auf die Zeit vor 70 n.
verwiesen, da die Sadduzäer nachher praktisch inexistent waren.
Dass in AbRN B 23 der Spruch Scharnrnai's vor den Logien Hillel's
(24-27) angeführt werden, AbRN A (und auch Ab)
jedoch die umge-
kehrte .Zeihenfolge zeigt, mag von den internen Auseinandersetzungen der Bet Hillel und der Bet Schammai herrühren (s.o. Anrn.ll).
Auch dies verlangt eine zeitliche Ansetzung ins 1. Jhd. n. Da
zudem "chronologische" Listen meist dort aufhören, wo der Verfasser steht, ist die unmittelbar nach Hillel und Schammai folgende Zeit durch den Text selbst angedeutet 14
Ab 1,1-15 Parr ist somit ein sehr altes Zeugnis für eine Sammlung von Aussprüchen jüdischer Weiser. Ob dabei die griechischen
Siebnergruppen der "Sprüche der 7 Weisen", welche gerade im
1. Jhd. n. durch PLUTARCH's "Gastmahl der 7 Weisen" wieder bekannt wurden, mitgeholfen haben, sei dahingestellt; jedenfalls
bieten sie instruktive Vergleichstexte und zeigen die typisch
jüdische Eigenart des Spruchgutes unserer Texte Überaus deutlich
15
auf
•
Charakteristisch ist für die Kollektion I das dreigliedrige
Mahnwort (l.lb.3-7.10.12.15), das nur zweimal von einem Aussagewort (1,2 : Sirnon der Gerechte; 1,13 : Hillel) und einmal von
14) Vgl. SALDARINI, The End of the Rabbinie Chain 100-106.
15) Vgl. u. Kap.
5.1, Ziff. a.
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184
Kap. III. 2.1
einer Rätselfrage (1,14 : Hillel) abgelöst wird. MASS hat in
seiner formgeschichtlichen Untersuchung festgestellt, dass das
Uebergewicht an Mahnworten in dieser Sammlung bei den späteren
Rabbinen stets kleiner wird und schliesslich die Sprüche in Aussageform Überhand nehmen 16 Dass diesem Wechsel der Form auch
eine inhaltliche Entwicklung, nämlich der Einbezug rechtlicher
Bestimmungen, parallel geht, wirft ein weiteres Licht auf das
Alter von Ab 1,1-15 Parr. Die weisheitliehen Traditionen in jener
für die frührabbinische Bewegung ausgeprägten Form, in welcher
Tara und Weisheit aufs engste miteinander verbunden sind (s.o.
Kap. I.l), sind in Ab 1,1-15 Parr noch nicht mit konkreten Rechtsbestimmungen verbunden. Das Gesetz ist zwar das erste der drei
Dinge, auf denen die Welt steht (Ab 1,1 : iniV); der "Zaun um
die Tara"
(Ab l,lb) ist zwar das vordringlichste Anliegen der
Lehrer; die uneigennützige Pflege der Tarakenntnis ist zwar
wärmstens empfohlen (Ab 1,4.11.13b.l5), aber kein einziges Einzelgebot der mündlichen Tara wird ausgeführt. Vielmehr wird bewusst an den Themen der biblischen Weisheit angeknüpft : Gesetzestreue, Gottesdienst und Liebestätigkeit (Ab 1,2), Gastfreundschaft (1,5), Verhalten zur Frau (1,5), zum
15b), zur Obrigkeit (1,10), Anweisungen
~ür
Mitm~nschen
(1,6.7.
das Richteramt (l,lb.
8.9). Dies ist eigentlich erstaunlich, da die inhärente Tendenz
einer Tradentenkett.e darauf hinausgeht, eine bestehende Ordnung
oder ein bestehendes Lehrgefüge auf einen authentischen Normpunkt
zurückzuführen. Hier aber werden nicht geltende Rechtssatzungen
des 1; Jhd.s n. in illud tempus zurückgetragen, sondern "Leibsprüche" der pharisäischen Lehrer vorgebracht, in denen sich die
Summe ihrer Einsichten den Nachfolgern eingeprägt hat. So stehen
die weisheitliehen Inhalte in einer gewissen Spannung zur ideologischen Tendenz der formalen Darbietung - und bestärken gerade
dadurch das Alter dieser Sammlung und die Bindung der einzelnen
Worte an die betreffenden Rabbinen.
Sicher hat die Jahrhunderte lange Tradierung in Ab und AbRN A.B
manche Sprecher und manche Sprüche versetzt, vertauscht und
16) Formgeschichte der Mischna 9lf.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 2.1
185
verändert. Der Vergleich der drei Texte zeigt dies vielfach auf.
Aber gerade die ersten 15 Verse von Ab 1 Parr zeichnen sich durch
ihre Konstanz aus. Dazu kommt, dass die Worte jener Lehrautoritäten, denen wir aus der Tradition ein individuelles Gesicht geben
kÖnnen, ausgesprochen gut zu ihren Sprechern passen. Als Beispiel
sei hier Hillel zitiert, der auch in anderer Hinsicht 17 für unsere Fragestellung interessant ist.
12b
Sei einer von den Schülern Aarons,
den Frieden liebend und dem Frieden nachjagend,
die Geschöpfe liebend und sie- der Tora nahebringend
13a
Wer
Wer
Wer
Wer
b
c
d
14
seinen Namen ausbreitet - es vergeht sein Name.
nicht hinzufügt, nimmt ab.
nicht lernt, ist des Todes schuldig. 18
sich der Krone bedient, geht zugrunde.
Wenn nicht ich für mich
-wer für mich ?
und wenn ich für mich selbst- was ich ?
und wenn nicht jetzt
-wann ?
Hillel's sprichwörtliche Sanftmut, seine Verbindung von universaler Offenheit und Taragehorsam sind in Ab 1,12b unübertrefflich festgehalten. Seine Fähigkeit zur präzisen Formulierung des
Gedankens wird in 1,13 an antithetischen Sprüchen im Indikativ
und in 1,14 in der berühmten dreiteiligen Rätselfrage 19 dargestellt. Die drei Worte benutzen die drei Hauptformen Imperativ,
Indikativ und Frageform, in etwa also das formale Repertoire der
Logien, um Hillel's Grundpositionen und Sprechweise zu charakterisieren. Zudem ist 1,13 in aramäischer Sprache bewahrt worden
(vgl. 2,6), was für Hillel, den Babylonier (vgl. bPes 66a),
bezeichnend ist. Es gibt keinen durchschlagenden Grund, diese
drei Worte Hillel abzusprechen, und dies kann auch auf die anderen A.oyoL und croqJoL ein günstiges Licht bezüglich ihrer Zusammengehörigkeit werfen.
17) Vgl. u. Kap. 2.2 und 2.4 (zu Beginn).
18) AbRN B (SCHECHTER 56b) hat die Reihenfolge 13abdc und erweitert c : "Wer
nicht den Weisen dient- ist des Todes schuldig. Wer dient und nicht ausführt- ist des schlimmsten Todes schuldig." AbRN A (SCHECHTER 48a) hat wörtlich den gleichen Text.
19) Vgl. KOSMALA, Ein.kryptischer Spruch Hillels (1959) 92-96; KOBLER, Hillels
dreiteilige Frage - Ein kategorischer Imperativ (1964) 114-128; URBACH,
The Sages (1975) 588ff.; NADOR, Ein Spruch Hillels; FLUSSER, Hillels Selbstverständnis und Jesus 172-175.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
186
Kap. III.2.2
So ist in Ab 1,1-15 Parr eine Sammlung von
hiJ~
~iJi
zu sehen,
welche in das Schema einer Tradentenkette eingefügt und damit
deren Tendenz dienstbar gemacht wurden. Ab 1,1-15 ist der älteste
Beleg der Gattung der A6yoL ao~ßv, der aus dem rabbinischen
Schrifttum eruiert werden kann, und stellt so einen wichtigen
Beleg für den weisheitliehen Sinnspruch
Primat der Tora -
2.2 Kollektion I/1
- diesmal unter dem
dar.
Die Hillelsprüche Ab 2,4b-7 Par
A 12.26-28, B 27.31.33
AbRN
Diese Sammlung von Hillelsprüchen bildet den zweiten Teil des
Einschubs zwischen der Tradentenkette (Koll.I) und der Spruchgruppe 2,8-14, welche Worte von R. Jochanan b.Zakkai und dessen
5 Schüler vereinigt (Koll.II) 20 • Dass hier bewusst ein paar
Hillelworte zusammengestellt wurden, ergibt sich völlig klar
aus der genauen Abgrenzung gegen die vorausgehenden und die nachfolgenden Wortegruppen und der deutlichen Kompositionsabsicht,
nach dem (ideologischen) Exkurs in die patriarchalische Traditionslinie (1,15 - 2,4a) auf die Lehrer-Schüler-Sukzession zurückzukommen.
Während die drei Worte Hillel's in Ab 1,12-14 (s.o.) in allen
drei Ab-Texten eine einheitliche Gruppe bilden, sind hier die
vier Hillelworte Ab 2,4b-7 Parr nur in Ab selbst zu einer Vierergruppe vereint. In den AbRN A.B sind die Logien auf drei Kapitel
verteilt, z.T. anderen Rabbinen zugeschrieben (2,5f.), in verkürzter oder verlängerter Form dargeboten, in andere Kontexte
gestellt, und einmal mit der Dreiergruppe von Ab 1,12-14 verbunden (2,6). Die Tabelle 1 (s. folgende Seite) fasst die recht
schwer ersichtlichen Beziehungen zusammen.
20) Die Bezeichnung I/1 wird hier gebraucht, um die Einteilungsziffern der grossen Kollektionen von FINKELSTEIN, ,Introduction, beibehalten zu können. Bei
FINKELSTEIN, Introductory Study 15, trägt diese Kollektion die Ziffer (c)
"Supplementary Sayings of Hillel".
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III. 2. 2
Tab. 1
187
Ab 2,4b-7 Parr
Abot
AbRN
2,4b
5 Mahnworte
~
A
(GOLD.l17)
gleicher Text
es folgt anschliessend
eine Kurzform von Ab
2,7a; s.u.
lr2
(GOLD.ll2)
auf drei Worte verkürzt
und ohne Ab 2,5b
~
5 Aussageworte
( 2, 5a)
1 bedingter Imperativ (2,5b)
von R. •Aqiba gesprochen
AbRN B
l!_ (SALD. 183f.)
fast gleicher .Text in veränderter Reihenfolge
es folgt anschliessend 2,7
in eigener Form; s.u.
2_l (SALD. 194f.)
fast gleicher Text in veränderter Reihenfolge; 2,5b
gehört dabei zur vorausgehenden, imperativischen
Logiengruppe
von R. 'Aqiba gesprochen
lJ?
12 (GOLD. 70)
gleicher Text
im Kommentar zu Ab 1,1214 zitiert; angeschlossen ist eine Dublette
zu Ab 1,13 (vgl. GOLD.
63. 70 f.)
!:]_ (SALD.l62)
gleicher Text
im Kommentar zu Ab 1,14
jedoch direkt bezogen auf
die vorausgehend (SALD.
161) zweimal zitierte
Wortgruppe von Ben Bag Bag
(ohne Namennennung) und
Ben He He (Ab 5, 22f. ); von
R. Jehoschua ~ gesprochen.
2, 7a
5 negative Entsprechungen
3 positive Entsprechungen
28 (GOLD.l17)
2'negative Entsprechungen
1 positive Entsprechung
l!_ (SALD.l84)
6 negative Entsprechungen
eigener Text
direkt an Ab 2,4b angefügt; s.o.
recht ähnlicher Text
direkt an Ab 2,4b angefügt; s.o.
(fehlt)
l!_ (SALD.l84)
fast gleicher Text
Apophthegma vom
Totenschädel
(aram./hebr.)
vgl. bSuk 53a
2, 7b
antithetischer
Zweizeiler vom
guten Namen und
Torawissen
1 positive Entsprechung
Zwischen AbRN A und B bestehen einige Gemeinsamkeiten, welche
beide deutlich von Ab unterscheiden : Das erste und vierte Logion sind miteinander verbunden; das zweite Logion wird von
beiden R.(Aqiba zugesprochen; das dritte Logion zitieren beide
im Kommentar zu den Hillelworten der Tradentenkette (Koll.I).
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
188
Kap. III. 2. 2
Eigenheiten von AbRN A sind die zweimalige Verkürzung einer Logiengruppe auf 3 Glieder (zu Ab 2,5a und 2,7a) und die beiden
Auslassungen von Ab 2.,5b und 2,7b. Charakteristisch für AbRN B
ist die Zuordnung von Logion Ab 2,6 an R.
Jehoschua~
b. Chananja
(Tann., um 90 n.). Sprachlich unterscheiden sich AbRN A und B
untereinander ebenso stark wie in Bezug auf Ab, doch besteht
zwischen Ab und AbRN B, trotz unterschiedlicher Reihenfolge und
Zuschreibung, eine recht grosse Aehnlichkeit des Textbestandes.
Alles weist also darauf hin, dass der einheitlichen Kornposition
von Ab eine mündliche Tradierung vorausging, in der sich d·ie
zahlreichen Verschiedenheiten der Texte herausgebildet haben
und durch welche sie in die verschiedenen Kontexte gelangten
Ab 2,4b und 2,7 werden dabei einhellig Hillel zugeschrieben; dass
dies auch für 2,6 anzunehmen ist, wird von Ab, AbRN A und zusätzlich von bSuk 53a nahegelegt. AbRN B 27 hat gegen diese Bezeugung wenig Beweiskraft, umsernehr als es isoliert innerhalb von
Hillelworten oder Worten von
Hillel~chülern
(Ben He He; Ben Bag
Bag) steht. Für Ab 2,5 hingegen verweisen die Indizien auf R.
~Aqiba
(Tann., gest. 135 n.). Beide Versionen von AbRN bezeugen
seine Autorschaft, wobei AbRN B die ursprüngliche Anordnung hat.
Ab 2,5b passt in AbRN B zur vorausgehenden Gruppe von Vetitiven,
die ebenfalls cAqiba zugeschrieben werden, aber keine Parallelen in Ab haben. Inhaltlich passen die Worte zudem besser auf
rAqiba als auf Hille1 21 •
Der Redaktor von Ab 2,4b-7, der wohl mit jenem Endredaktor von
Ab 1.2, welcher Ab 1,1-15 von 2,8-14 aus den oben genannten Gründen trennte, identisch ist, hat somit einen alten Doppelspruch
von Hillel (Ab 2,4b + 2,7
= AbRN
A 28
= AbRN
B 31) als Rahmen
für das drastische Apophthegma Ab 2,6 Parr und die 'Aqiba-Logien
(Ab 2,5 Parr) gebraucht, und so eine kleine Logiensarnmlung unter dem Namen Hillels geschaffen. Ab 2,4b-7 Parr ist somit ein
weiteres bis in seine Entstehungsgeschichte hinein gut erkenn21) BACHER, Agada der Tannaiten I, 272, Arun. 6; vgl. bBer 63a, wo das "sei ein
Mann!" von Bar Qappara (Tann., um 220 n.) überliefert ist; es geht jedoch
unmittelbar das Wort Hillels vom Sammeln und Zerstreuen voraus. ·
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 2. 3
189
bares Beispiel der Gattung AÖyoL ao~wv im rabbinischen Schriftturn. Zeitlich ist diese Kollektion I/1 arn besten zwischen cAqiba
und Rabbi Jehuda Ha-nasi einzuordnen.
2.3 Kollektion II
R. Jochanan b.Zakkai und sein Schüler in
Ab 2,8-14 Par AbRN A 14-17, B 28-30.3l(Beginn)
Die Logientradition der drei Texte Ab, AbRN A und B kennt nur
unbedeutende Abweichungen im Wortlaut und in der Anordnung der
Logien, sodass eine in der pharisäischen Ueberlieferung schon
früh entstandene Logiengruppe von R. Jochanan b.Zakkai und seinen 5 Schülern
R.
R.
R.
R.
R.
Eli•ezer b. Hyrqanos,
Jehoschua• b. Chananja,
Jose der Priester,
Schim•on b. Netan 3 el und
El•azar b. •Arach
anzunehmen ist. Nur die Rahmung dieser Kollektion zeigt grössere
Verschiedenheiten. Ab und AbRN A haben zu Beginn jenen stereotypen Satz, der die einzelnen Glieder der Tradentenkette Ab 1,113 Parr kennzeichnete :
R. Jochanan b. Zakkai erhielt von Hillel und Schammai (Ab 2,8a).
Dieser Satz steht bei AbRN B am Schluss der Wortgruppe (vgl. 31,
Beginn) und ist dort mit dem Wahlspruch von R. Jochanan b.Zakkai
verbunden (Ab 2,8b). Die Einleitung zu dieser Kollektion bei Ab
(2,8a+b) entspricht somit genau dem Schlussabschnitt von AbRN B.
Die Einleitung von AbRN B besteht in einer Notiz von Hillel's
80 Schülerpaaren, der Auszeichnung R. Jochanan's durch den sterbenden Hillel (Kap.28) und dem Wahlspruch von R. Jochanan (Ab
2,8b), der in AbRN B also zweimal vorkommt.
AbRN A ist offensichtlich eine Kombination von Ab 2,8a+b (=AbRN
B 31, Beginn) und AbRN B 28, da hier zwischen Ab 2,8a und b die
Notiz der 80 Schülerpaare Hillels und eine Parallelform zur Auszeichnung R. Jochanan's aus AbRN 28 eingeschoben ist.
Diese redaktionellen Umstellungen in der Rahmung, die durch die
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190
Kap. III. 2. 3
Einpassung in die Tradentenlinie Ab 1,1-15 Parr bedingt sind 22 ,
betonen umso stärker die Geschlossenheit des Kerns der Kollektion
Ab 2,8c-14 Parr, welche in den drei Paralleltexten fast identisch
ist. Er weist seinerseits drei formal ganz verschiedene Teile
auf :
a) Ab 2,8c-f Parr : Eine Charakterisierung der fünf bekanntesten
SchÜler von R. Jochanan b. Zakkai mit einem abschliessenden
Lobspruch auf R. Elitezer b. Hyrqanos und
nachgetragen im
23
3
Namen von R. Scha ul (Tann., um 150 n.)
- auf R. Elcazar b.
•Arach.
b) Ab 2,9 Parr : Eine Denkaufgabe
(l~il
~~~)
R. Jochanan's an
seine Schüler über den guten und bösen Weg (Ab 2,9b-d), an
welchen sich der Mensch zu halten, bzw. vor dem er sich zu hüten hat. R. El•azar b.
cArach's Antwort : "Ein gutes, bzw. ein
böses Herz", wird vom Meister als beste Antwort gelobt, da sie
alle anderen Antworten (ein gutes Auge, ein guter Genosse usw.)
umfasse. Diese Szene erinnert an die Rätsel- und Denkspiele,
die wir u. Kap. II.3 besprochen haben : Eine Aufgabe in der Art
der ,( UctALo•a - Fragen wird gestellt; die Kandidaten geben ihre Antwort; die umfassendste Antwort wird ausgezeichnet 24
. Je
. 3 wa hl spruc
.. h e 25 d er fun
.. f
c ) Ab 2 , 10- 14 Parr : D1e
..
Schuler
in
ihrer traditionellen Abfolge. Ausser bei R. Jehoschuat b.
22} Vgl. den Erklärungsversuch bei FINKELSTEIN, rntroductory Study 49f.; er
führt diese Einleitungsverse unter den Beispielen an, an welchen der Einfluss des Mischna-Textes auf AbRN noch festzustellen ist. AbRN B hat nach
ihm die ursprünglichste Anordnung.
23} AbRN B 29 (SALD. 168} führt weiter aus
"Abba Scha'ul sagte im Namen von
R. 'Aqiba, dass dieser in seinem (scl. R. Joachanan's} Namen zu sagen pfleg~
te, dass er (scl. R. Jochanan} tatsächlich (X~X ... X~} zu sagen pflegte:
Wenn alle Weisen Israels in der einen Waagschale sind und Eli'ezer b. Hyrqanos mit ihnen, so würde der Finger von R. El'azar b. 'Arach (in der anderen
Waagschale} schwerer wiegen." FINKELSTEIN, Introduction 4lf., sieht hierin
die ältere Form ~nd benutzt sie zur Datierung der Kollektion, s.u.}.
24} Vgl. GOLDIN, A philosophical Session 20f.; MARTI/BEER, Abot XIX; MAASS,
Formgeschichte 63f.
25} R. Eli'ezer hat vier Worte (s. gleich u.}; das Wort von R. Jehoschua' hat
eine Dreierstruktur; R. El'azar hat nur in AbRN A 17 (GOLD. 90} drei Worte.
Das zusätzliche lautet : "Lass dir kein Wort der Tara entgehen !" (vgl. Ab
3 ,8}.
.
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Kap. III.2.3
191
Chananja, dem eine indikativische Sentenz Über die drei menschenmörderischen Dinge zugeschrieben wird (Ab 2,11), stehen bei allen anderen positiv oder negativ formulierte Mahnworte. Dabei
werden verschiedene, bekannte Themen der Weisheitsliteratur berührt : Die Ehre und das Eigenturn des Genossen
(i~n;
Ab 2,10.12),
der Zorn (2,10), das Erlernen der Tara (2,12; AbRN A (GOLD.90) zu
R. El'azar), das Gebet (2,13), die Gegenwart Gottes (2,12.14).
Einige Worte Überschreiten aber diesen traditionellen Rahmen und
lassen in ihrer pointierten Formulierung die Persönlichkeit dessen erkennen, der das Wort prägte. So tönt etwa bei R. Elicezer,
diesem Traditionalisten unter den Schülern R. Jochanan's, der
wegen seiner doktrinären Unbeugsamkeit im Alter gebannt wurde
26
,
das vierte, zusätzliche Wort besonders eindrücklich :
wärme dich arn Feuer der Weisen,
aber hüte dich vor ihrer Kohle, dass du dich nicht verbrennst;
denn ihr Biss ist Fuchsbiss,
und ihr Stich Skorpionenstich,
und ihr Zischeln Schlangenzischeln,
27
und alle ihre Wort sind wie glühende Kohlen (Ab 2,10 c Parr)
.
Auch der erste Ausspruch von R. Elcazar b.
cArach passt recht
gut in dessen spannungsgeladenes Leben. Diesern Mann, der mit einer "immer stärker sprudelnden Quelle"
(Ab 2,8) verglichen wird,
auf den R. Jochanan so viel setzte, der aber, anstatt an den Ort
des Torastudiurns, Jarnnia, zu ziehen, sich zu den "süssen Wassern"
von Ernmaus hingezogen fühlte und dort den Kontakt zur Tradition
verlor 28 , ist in Ab 2,14a ein Wort aus seiner Blütezeit bewahrt
worden, das Befähigung und Gefährdung des genialen Schülers in
sich schliesst
Sei eifrig zu lernen, was du dem Epikuräer antworten kannst
Zweimal findet sich ein Spruch, der vordergründig keinen klaren
Sinn gibt, und sich erst einer zweiten, eindringenderen Verste-
26) BACHER, Agada der Tannaiten 96; ALBECK, Einleitung 399f.
27) In AbRN A 15, B 29 ist dieses Logion ganz am Schluss des betreffenden Kapitels in leicht gekürzter Form und ohne Kommentar angefügt und dadurch als
Zusatz zu den 0',~1 nw7W gekennzeichnet. Aehnlich kritische Worte zum Wirken der Weisen : Ab 1,11 Parr; 1,17 Parr; 3,9 Parr.
28) Vgl. AbRN A 14 (GOLD. 77f.), B 29 (SALD. 168); bSchab 147b; KohR 7,7.
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Kap. III.2.3
hensbemühung erschliesst : Ab 2,10 (von R. Elicezer b. Hyrqanos)
lautet:
Bekehre dich einen Tag vor deinem Tod
heisst aber :
Bekehre dich jeden Tag, denn morgen kannst du tot sein
(vgl. AbRN B 29; SALD. 175)29.
Zu Ab 2,13c (v. R. Schim•on b. Netan 3 el)
Sei vor dir selbst kein Gottloser !
wissen AbRN A und B nichts zu sagen, was ein eindeutiges Verständnis ermöglichte. Da die beiden ersten Sprüche von R.
Schim•on b. Netan 3 el die innere Disposition bei den religiösen
Praktiken betonen, ist wohl zu ergänzen 30
selbst wenn du vor den anderen, die deine gute Gesinnung
nicht kennen, als Gottloser dastehst.
In den drei Teilen des Grundbestandes von Kollektion II tritt
uns in recht plastischer Art eine Rabbinengruppe entgegen, die
in der schweren Zeit des nationalen Zusammenbruchs in Jamnia den
Beginn der eigentlichen rabbinischen Zeit setzte. Dass das Schülerkollegium um den Rabban Jochanan b. Zakkai 31 dabei selbst in
tiefgehende Meinungsverschiedenheiten geriet, illustrieren die
beiden prominentesten Schüler R. Elicezer b. Hyrqanos, der von
Gamaliel II aus der Akademie verstossen und verbannt wurde, und
R. El•azar b.
•Arach, dessen Versuch, in Ernmaus eine Lehrtradi-
tion zu gründen, ebenfalls zur Vereinsamung und zusätzlich zur
Verweltlichung führte. - Diese beiden, in vielen Paralleltraditionen recht gut zu fassenden "tragischen Figuren" treten uns
aber in der Ab.-Kollektion II noch in ihrer vollen doktrinären
Ungebrochenheit entgegen (vgl. bes. AbRN A 19; GOLD. 168); die
Schülergruppe ist noch eine intakte Grösse und ihre Charakterisierung durch R. Jochanan b. Zakkai kennt die spätere Abwendunq
29) Auch bSchab l53a; KohR 9,8; vgl. Sir 5,7.
30) So auch HERFORD, Pirke Aboth 697; und MARTI/BEER, Abot 58.
31) Zu Leben und Lehre von R. JOCHANAN b. Zakkai : NEUSNER, A Life of R. Yohanan
ben Zakkai, bes. 64-80 (vgl. Fellowship in Judaism 41-59); Development of
a Legend 213-252; auch noch BACHER, Agada der Tannaiten 22-42.
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Kap. III. 2. 4
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der beiden noch nicht. Erst die zusätzlichen Traditionen AbRN A
und B (s.o. Anm. 26, 27) versuchen die komplexere Situation mit
den gradlinigen
A~ssagen
der ursprünglichen Kollektion II zu
vereinen.
Aus diesen Gründen muss die Entstehung der Kollektion II vor dem
Auspruch der tiefgehenden Differenzen angesetzt werden. PINKELSTEIN nimmt deshalb. mit Recht die Lebenszeit von R. Jochanan
b. Zakkai als Entstehungszeit an 32 • Viel über den Tod des Meisters hinaus darf jedenfal+s nicht gegangen werden.
Während in dieser Kollektion II eine prominente Schülergruppe
zu Worte kommt, war es in Kollektion I/1 eine Überragende Einzelpersönlichkeit (Hillel); in Kollektion I wiederum waren es
die zur Tradentenkette aufgereihten pharisäischen Lehrer. So
zeigen sich in diesen drei ältesten Kollektionen von Ab und
AbRN A.B drei verschiedene Formen in welchen sich die Logien
je nach ihrer Referenzgruppe zusammenfanden. Die Gattung der
Logoi Sophon bekommt hier im rabbinischen Kontext ihre konkreten Gestalten, je nachdem welche Leitidee die Zusammenstellung
der Logien bewirkte. Zudem kann an den drei Sammlungen eine Tendenz zur Erweiterung der Wort-Tradition ersehen werden : Kollektion I hatte nur "Worte" vorzuweisen, Kollektion I/1 flocht ein
Apophthegma ein, Kollektion II vereint zwei szenische Bilder (a.
b) mit einer dritten, reinen Wortesammlung (c).
2.4 Weitere Logienkollektionen aus den Abot-Traktaten
Die drei vorausgehenden Beispiele haben gezeigt, dass in Ab und
AbRN A.B alte Kollektionen von weisheitliehen Leibsprüchen verarbeitet sind, welche bis ins 1. Jhd.n. hinauf datiert werden müssen. Diese drei ältesten Kollektionen können durch weitere aus
dem 2. und 3. Jhd. n. ergänzt werden. So hat PINKELSTEIN drei
32) Introduction XIIIf.; .rntroductory Study 20f.
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Kap. III. 2. 4
weitere Kollektionen·herauszuheben versucht, welche hier nurmehr
angeführt und kurz charakterisiert werden sollen 33 •
Kollektion III
AbRN A 19-22, B 31 (Ende). 32.34 und Ab 3,1.2.5.
9.10b + 1,16-18. (2,1-4a).
Fünf Schammaitische Pharisäer aus der Zeit um 70 n. bilden eine
Gegengruppe zu den hillelitischen Schülern von Kollektion II.
Angeschlossen sind in AbRN A (teilweise) und AbRN B jene patriarchalischen Tradenten, welche bei Ab zwischen Kollektion I und I/1,
also in 1,16 - 2,4a stehen (s.o. zu Kollektion I). AbRN A bewahrt noch arn besten den Charakter einer Sammlung, da seine
vier Kapitel jeweils mit der Nennung eines der fünf Scharnrnaiten
beginnen; AbRN B vereinigt fast das ganze Logienrnaterial in
Kap. 32, während Ab es, wie gesagt, in zwei Teile zerschnitten
hat.
Tab. 2
AbRN A 19-22 Parr
AbRN A
AbRN B
Ab
Worte von :
19 (GOLD. 93)
32 (SALD.l89)
3,1
Aqabjah
20 (GOLD.94) 34
32 (SALD.l87)
3,5
Nechonja b.Ha-qana
21 (GOLD. 97)
34 (SALD.l99)
3,10b
Dosa b.Archinos
22 (GOLD. 99).
32 (SALD .188f.)
3,9
Chanina b.Dosa
(vgl. 20)
31 (SALD.l86)
3,2
Chananja der Priestervorsteher
~------------------
b.Mahalal~el
----------------- ------ --------------------
22 (GOLD.lOO)
34 (SALD.20l)
3,17
El 1 azar b. tAzarja 35
22 (GOLD.lOO)
32 (SALD.l90)
1,16
Garnliel
22 (GOLD.lOO)
32 (SAL:Ö .191)
1,17f. Schimton b.Garnliel
(I.o.II)
32 (SALD.l91
32 (SALD.l92)
2,1
Rabbi Jehuda Ha-nasi
2, 2:-4a Gamliel (b.Rabbi) III.
--- .•. ..
(I. oder
II.)
33) Introduction XV-XVII; Introductory Study 15.22-24.
34) Hier fälschlicherweise im Namen des R. Chananja des Priestervorstehers überliefert.
35) R. El'azar b. 'Azarja steht nur bei AbRN A in der Abfolge dieser Liste; dies
bedeutet, dass jedenfalls für AbRN A der folgende Gamliel der II. ist, wel-
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Kap. III.2.4
195
Der Grundbestand von Kollektion III findet sich logischerweise
am ehesten in den allen drei Texten gemeinsamen Materialien,
wenn auch, damit Über den genauen Umfang nichts ausgemacht werden kann. Tab. 2 stellt diese nach der Abfolge bei AbRN A zusammen und ermöglicht so einen schematischen Einblick in die vielfältige Tradierung, welche das rabbinische Logienmaterial in den
Ab-Traktaten erlebt hat.
Kollektion IV
AbRN A 23-26 Parr
AbRN A stellt an den Anfang der Kap. 23-26 vier bekannte Rabbinen aus dem Beginn des 2. Jhd.s.n., ,welche bei den Paralleltexten zerstreut sind. Ab nennt sie in 3,13-16; 4,1-2.20a, AbRN
Bin Kap. 33 (SALD.l94-196).35 (SALD.205). Die genannten vier
Rabbinen (in der Reihenfolge von AbRN A)
(Schim t:on)
Elischa'
(Schim'on)
'Aqiba
Ben Zoma,
b. Abuja,
Ben Azzai und
b. Josef
werden auch in bChag 14b Par jChag
2,77b,8 Par Tosehag
2,3 (ZUCKEffi1ANDEL 234) und HldR 1,4 als jene Gruppe von Mystikern genannt, welche in den "Garten"
(bil~)
der theosophischen
Spekulation einzudringen vermochten. Ben •Azzai starb kurz nach
einer solchen Einsicht, Ben Zoma's geistige Fähigkeiten wurden
zerrüttet, Elischa< b. Abuja wurde zum Apostat, nur der grosse
'Aqiba blieb heil.
FINKELSTEIN's Datierungsversuch gründet sich auf die Reihenfolge
der Rabbinen in AbRN A, wo Elischa< b. Abuja selbstverständlich
zur Gruppe gezählt wird, und •Aquiba am Schluss steht. AbRN B
und Ab hätten dann eine wertende Umordnung vorgenommen, indem
sie den bekanntesten unter ihnen,
<Aqiba, an die Spitze der
eher ja mit El'azar in der Auseinandersetzung um das Amt des Patriarchen
stand; s.o. zu Anm. 13. Zur Person und Lehre des Rabbi : ZAHAVY, The Tradition of Elazar Ben Azariah.
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Kap. III.2, Zusammenfassung
Listen stellten, den Apostaten Elischa• aber viel später unter
den weniger profilierten Tradenten einordneten. AbRN A sei deshalb vor der Apostasie Elischa''s entstanden.
Kollektion V : Ab 5,1-15 Parr AbRN A 31-40, B 36-48
Sie besteht aus mehreren Gruppen von Zehner-, Siebner- und Vierersprüchen (Ab 5,1-15), welche in AbRN A 31-40 und AbRN B 3648 um zahlreiche andere Zahlensprüche vermehrt wurden. Alle
Sprüche sind anonym. Eine Datierung ist deshalb noch viel schwieriger als bei den beiden vorausgenannten Kollektionen. FINKELSTErN schlägt 'Aqiba als Verfasser vor, von dem auch andere Zahlensprüche erhalten sind (vgl. Edu 2,5.9; bPes ll2a); gerade in
diesem anonymen Teil haben sich aber viele alte und neue Stücke
36
aus anderen, nach Zahlen geordneten Spruchgruppen
zusammengefunden, welche keinem bestimmten Einzeltradenten zugeschrieben werden können.
Zusammenfassende Ueberleitung
Die Abot-Traktate sind aufgrund alter Logienkollektionen entstanden, welche mehr oder weniger deutlich bis ins 1. Jhd.n.,
also bis in die Anfänge der schriftlichen Tradierung innerhalb
des Pharisaismus zurückverfolgt werden können. In diesen ältesten
Texten zeigt sich ein klarer Anspruch auf ununterbrochene Tradierung weisheitliehen Spruchgutes, welches zwarganz in die Taragelehrtheit und -frömmigkeit eingebunden ist (deshalb die Rückführung auf den Sinai in Kollektion I) , aber gleichzeitig die
Präsenz der Weisheit salomonischer Prägung (deshalb die nichthalachischen "Leibsprüche") dokumentiert. Die besonderen Bezüge,
36) Zusammengestellt bei WUENSCHE, Die Zahlensprüche; auch NADOR, Jüdische
Rätsel; s. o. Kap. II.3.
'
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Kap. III.2, Zusammenfassung
die zwischen Ab, AbRN A und AbRN B zu bemerken waren, zeigen,
dass das Sammeln solcher Logien nicht ästhetischer Selbstzweck
war, sondern in der vitalen Auseinandersetzung
zwischen den
Gelehrtenschulen des ·1. und 2. Jhd. s n. eine wichtige Rolle
zur Identifizierung, Abgrenzung, ja zum Ueberleben (vgl. Kollektion II) spielte. Die Tradentenkette von Kollektion I
(+ Ab 1,16-
2,4a) ist mit ihrer Verbindung von Weisheitslogien und ideologischer Rekonstruktion der Lehrsukzession für diesen Sachverhalt
exemplarisch, aber auch jene Kollektionen, welche die Worte wichtiger Gelehrten nach ihrer Lehrzugehörigkeit umfassen, wie die
Kollketionen II (R. Jochanan und seine Schüler) und III (Schammaiten), oder die Aussprüche so auffallender und eigenwilliger
KÖpfe wie in Kollektion IV ( "~lystiker") spiegeln ihn wider.
In Kollektion I/1 tritt uns mit Hillel jedoch auch ein einzelner
Weiser entgegen. Ihm wird nicht nur Beachtung geschenkt, insofern er Glied einer Tradentenkette ist (wie in Ab 1,12ff. Parr),
er kommt vielmehr auch als Einzelpersönlichkeit zur Geltung.
Kollektion I/1 ist ein pharisäisches Parallelbeispiel zu dem,
was wir im Neuen Testarnent vielfach von Jesus kennen. Jenen
"Worten des Herrn" entsprechen hier die "Aussprüche des
77~11 ::J.~".
Das weisheitliehe Formenrepertoire ist vollständig im Sinne des
weitgefassten "Legions". Es umfasst das kurze Wort in seinen
Modi, das Apophthegma, das Rätselspiel, die Szene. Der Weisheits-
!YE'
der uns in Ab Parr entgegen tritt, ist zutiefst jüdisch und
religiös. Kaum eines der Logien ist ohne Verweis auf eine frühjüdische Praxis, einen jüdischen Lehrsatz oder einen biblischen
Text. Innerhalb dieser "Evidenzen frühjüdischer Religiosität"
behalten die Traktate und Kollektionen ihr deutlic,h weisheitliebes Gepräge. Sie zeigen auf, was Tara-Weisheit in der Logoi
Sophon-Tradition darstellt. Da geschieht ni9ht nur spekulative
Abhebung von der Erfahrung, aus Zeit und Geschichte, da wird
vielmehr auch eine neue Weisheitlichkeit freigesetzt, welche sich
als konkrete Weltbewältigung zwar im Rahmen der Tara-Gläubigkeit,
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Kap. III.2, Zusammenfassung
nicht aber als halachische Regel darstellt. Dieser Typ von Logienweisheit ist die unausgeprochene Vereinigung der salomonischen mit der mosaischen Traditionslinie.
Im folgenden Kap. 3 wird das Weitergehen solcher Logientraditionen anband
einiger aus den unermesslichen Strömen des Talmuds ausgewählter Texte aufgezeigt. So kann die Logoi Sophon Tradition rabbinischer Prägung in die ganze Breite der talmudischen Literatur ausmünden. Nach diesem kurzen Ausblick
kann dann die Logientradierung im hellenistischen Judentum, die ganz andere
Wege ging und in ganz andere Bereiche ausmündete (vgl. bes. Kap. 5 und 6
und Kap. IV), in den Blick kommen.
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3,
WEITERE SPRUCHKOLLEKTIONEN IM RABBINISCHEN SCHRIFTTUM
Schon die beiden Versionen von AbRN, deren Über Ab hinausgehendes Spruch- und Erzählgut oftmals zu thematischen Gruppen zusammengestellt ist, zeigen, dass es viele weitere Kollektionen weisheitlieber Prägung verschieden grossen Umfangs gegeben hat. So
werden z.B .• in AbRN B 21 (SALD.l30-135) 13 Sentenzen zu Schemat:ja's Ausspruch : "Liebe die Arbeit"
(Ab 1,10) zusammengestellt,
welche alle mit dem Leitsatz : "Grass ist die Arbeit"
i1j~'i'n
~~i1)
(i1'71il
beginnen und das Thema dann auf verschiedenste Weise
darlegen und begründen. Das Wort des alten Meisters versammelt
dabei so verschiedene formale Miniaturen wie
Schriftwor~Maschal,
Fragewort, Zuspruch unter das gemeinsame Thema des Lobes auf die
Arbeit :
Rabbi (Jehuda Ha-nasi) sagte :
Grass ist die Arbeit !
Die Menschen fragen sich nämlich Über jemanden, der keiner
Arbeit nachgeht : Woher hat der etwas zu essen ? Woher hat
der etwas zu trinken ?
Ein Maschal : Womit soll man diesen vergleichen ?
Mit einer Frau, die zwar keinen Mann hat, aber sich
schmückt und auf den Marktplatz geht. Dann fragen sich
die Leute Über sie.
So geht es jedem, der keiner Arbeit nachgeht : Die Leute fragen sich Über ihn.
Rabbi sagte zudem :
Grass ist die Arbeit
In der Hand des Menschen, der einer Arbeit nachgeht, fehlt
niemals eine Peruta(-münze).
R. Jose (wohl Pal. um 350 n.?) sagte
Grass ist die Arbeit !
Die Schekina wohnte nämlich nicht in Israel, bevor die
Israeliten arbeiteten (i1WV), wie die Schrift sagt : Errichte
(i1WV) mir ein Heiligtum, dann will ich in deiner Mitte wohnen ••• l.
1) SCHECHTER, Aboth 44b. In TosQid 1,11 (ZUCKERMANDEL 336) ist der Maschal von
Rabbi im Namen des R. Jose, in AbRN A 11 (GOLDIN 60f.) ist der zweite Spruch
von Rabbi im Namen des Rabbi Tarphon (Pal., um 110) überliefert.
(199)
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200
Kap. III. 3
In der Parallelstelle von AbRN A 11 (GOLD. 60f.) stehen acht
Rabbinenworte zum gleichen Thema, doch sind sie dort noch ohne
den strukturierenden Leitsatz "Grass ist die Arbeit". Die Kollektion scheint noch nicht so weit gediehen zu sein, dass die in
der rabbinischen Literatur auch sonst bekannte Strukturierung
das Logiengut mit seiner Prägung versehen hätte. In SNum (HOROWITZ 46f.) und LevR (MIRKIN 97f.) finden wir ähnliche Kollektionen mit dem Refrain: Grass ist der Friede
(bi~W),
und in
bJoma 86a.b eine lange Aufzählung unter dem Stichwort : Grass
ist die Umkehr
(n~iWn) 2 •
Wer in den Talmuden liest, stösst beständig auf vielerlei Arten
von solchen Kollektionen. Die Gesetze der Traditionsbildung, die
Sorge um die Erhaltung möglichst vieler Traditionen und die Technik der Memorisierung verlangten oder förderten eine Gruppierung
ähnlicher Stoffe. So ist es nicht erstaunlich, dass wir neben
Logiengruppen rechtlicher, kultischer und mystischer Ausrichtung
auch solche typisch weisheitlicher Art antreffen. Wegen ihrer
charakteristischen Polyvalenz konnten diese letzteren sich an
al.le möglichen Gruppierungen von Lehrtraditionen anschliessen,
sobald eine formale oder inhaltliche Assoziation gegeben war.
Auch dazu ein Beispiel.
Zu
Schab 3, 6 :
Dreier Uebertretungen wegen sterben Frauen beim Gebären :
Wenn sie nicht aufmerksam ~ind auf die Monatsblutung, die
Teighebe und das Lichtanzünden,
begründet bSchab 3lb.32a den Zusammenhang zwischen Tod bei der
Geburt und unkontrollierter Menstruation mit einer Anwendung des
bekannten weisheitliehen Grundsatzes : "Womit ein Mensch ungesetzlich handelt, daran wird er auch bestraft"
(Test Gad 5,10)
R. Jischaq (wohl I.; Tann., um 150 n.) sagte :
Sie hat sich am Innern ihres Leibes vergangen,
so wird sie am Innern ihres Leibes bestraft.
Daran schliesst sich nun eine Kollektion von Sprüchen, die einen
Zusammenhang zwischen Tat und Folge zum Thema haben, obwohl die
2) Im Midrasch n'711l1 '711l
(JELLINEK, Bet Ha-Midrasch III, 121-130) sind weitere solche Gruppen zusammengestellt.
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Kap. III. 3
dabei gebrauchten Metaphern geradezu schockierend wirken - wenn
der Kontext (Tod der Gebärenden) tatsächlich zur Kollektion gehören würde 3 :
Raba (Bab., gest. 352 n.) sagte :
Ist der Ochse gestürzt, so schleif das Messer
Abaje (Bab., gest. 338/39 n.) sagte :
Mehrt die Magd ihre Widerspenstigkeit,
mit
e i n e r
ZÜchtigung wird ihr vergolten.
R. Chisda (Bab., gest. 309 n.) sagte :
Lass den Betrunkenen laufen, er fällt von selbst !
:t-1ar cuqba (I.oder II.?; Bab., um 220 oder 270 n.) sagte
Der Hirte ist lahm, die Ziegen sind schnell.
Am Eingang der HÜrde (Schelt-)worte,
an den Türen des Stalles Rechenschaft.
R.Papa (Bab., gest. 376 n.) sagte :
Die TÜr des Krämers : Es häufen sich Brüder und Freunde.
Die Tür der Armen : keine Brüder und keine Freunde.
Diese fünf präzisen Weisheitsworte haben ihren gemeinsamen Nenner
in der Vorstellung, dass der erstgenannte Sachverhalt den zweiten
unweigerlich zur Folge hat. Dies war der Grund für die Versammlung
der fünf Amoräer aus Babylon zu einer Logienkollektion. Die Aehnlichkeit der Aussage mit der Auslegung von R. Jischaq in bSchab
32a bewirkte dann deren Einschluss in die Gernara zu Schab 2,6.
Die ursprüngliche Selbständigkeit der fünf Worte über den TatFolge-Zusammenhang ist unbezweifelbar.
Dieses eine ausgeführte Beispiel kann durch
v~ele
weiter ergänzt
werden : bBer 32a bringt eine Sammlung mit dem Motto : "Ueberfluss bringt Uebermut"; bBer 63a zum Thema "Sammeln und Zerstreuen" von Hillel, Bar Qapara und Abaje; bSuk 49b Über Almosen und
Wohltätigkeit; bSuk 52b über den bösen Trieb; bPes 28a Über "Tun
und Erleiden"; bSchab 15lb.l52a über das Alter (im Anschluss an
Koh 12,2f.). In
"Frauen von
bMqa~
28b steht eine Sammlung von Worten der
Schekan~ib"
Über Tod und Begräbnis; in bJeb 118b
(=bKet 75a) Über die Frau und die Heirat, in bBqam 92b.93a eine
Sammlung von 17 Volkssprichwörtern durch Raba, eine ähnliche Sammlung in bSanh
7 a usw. usw.
3) Vgl. WAHL, Das Sprichwort 116f.
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Kap. III. 3
bPes 111-113 kann man geradezu. eine Parallelsammlung zu Abschnitten aus Ab oder AbRN A.B nennen. Es sind kleine Weisheitslehren praktischer Art von Rabbinen aus dem 2. und·3. Jhd. n.
zusammengestellt, welche zum Teil an Ab 5 Parr anklingen, aber
völlig ohne religiöses oder ethisches Pathos reine Nützlichkeitsratschläge ("Worte der Welt") geben. Es ist profane Weisheit,
und dies in ganz bewusster Absicht, welche hier mit Hilfe eines
Zahlenschemas im Namen der höchsten religiösen Autoritäten angeboten wird. Der folgende Auszug aus bPes 112a-113b bringt die
Weisheitslehren ohne die erklärenden Zwischenkommentare 4 :
Sieben b~i~i gebot R. ~Aqiba seinem Sohn R. Jehoschua~
Mein Sohn,
Wohne nicht in der HÖhe der Stadt wegen des Studiums !
Wohne nicht in einer Stadt, deren Führer Schriftgelehrte sind!
Tritt nicht plötzlich in dein Haus ein - und umso weniger
in das Haus deines Nächsten !
Unterlass es nicht, Schuhe an deinen FÜssen zu tragen !
Iss morgens ganz früh, im Sommer wegen der Hitze, im Winter
wegen der Kälte !
Mach deinen Schabbat zum Wochentag, um nicht der Mitmenschen
zu bedürfen !
Befass dich mit einem Menschen, dem das Geschick lächelt !
FÜnf b~i~i gebot R. EAqiba, als er im Gefängnis eingesperrt
warS, dem R. SchimEon b.Jochai. Dieser sprach nämlich zu
ihm : Meister, lehre mich das Gesetz ! Jener erwiderte :
Ich lehre dich nicht. Dieser sprach : Wenn du mich nicht
lehrst, so erzähle ich dies meinem Vater Jochai und er liefert dich der Regierung aus. Jener erwiderte :
Mein Sohn,
mehr als das Kalb saugen will, will die
~uh
säugen
Dieser sprach : Das Kalb ist es ja, welches sich der Gefahr
aussetzt.
Darauf sprach jener
Wenn du dich aufknüpfen willst, so hänge dich an einen grossen Baum !
Wenn du deinen Sohn lehrst, so tu es aus einem korrekten
Buch !
Koche nicht in einem Topf., in welchem dein Genosse gekocht
hat !
4) Uebersetzung in Anlehnung an GOLDSCHMIDT II, 713-721 und den Zitaten in
BACHER's mehrbändiger Haggada-Sammlung (s. Lit.-verz.).
S) R. CAqiba wurde während des Bar Kochba-Aufstandes, in welchem er eine messianische Bewegung zu erkennen vermeinte, von den RÖmern gefangen genommen und
hatte Lehrverbot; vgl. BACHER, Agada der Tannaiten 267; FINKELSTEIN, Aqiba
272ff.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
203
Kap. III. 3
Verdienstlich handelt und grossen Gewinn hat, wer den Ertrag
geniesst und dafür noch Lohn erhält.
Verdienstlich handelt und reinen Genuss hat, wer ein Weib
nimmt und Kinder bekommt.
Vier O~i~i gebot unser heiliger Meister seinem Sohn 6
Wohne nicht in Schekanl?ib !
Setze dich nicht auf das Bett einer Aramäerin
Hinterziehe dich nicht der Versteuerung !
Stehe nicht vor einem Ochsen, wenn er von der Weide kommt
Drei O~i~i gebot R. Jischmacel b. R. Jose (Tann., um 180)
dem Rabbi :
Bring dir selbst keinen Fehler bei !
Führe keinen Prozess gegen drei Personen
Schicke dich nicht an zu kaufen, wenn du kein Geld hast
Wenn deine Frau ein Tauchbad genommen hat, so wohne ihr
nicht gleich in der ersten Nacht bei !
Drei O~i~i gebot R. Jose b. Jehuda (Tann., um 180) dem Rab
(Bab., gest.247)
Geh nachts nicht allein aus
Steh nicht nackt vor einer Leuchte
Geh nicht in ein neues Badehaus !
Rab sprach zuR. Asi (Bab., um 250)
Wohne nicht in einer Stadt, in der kein Pferd wiehert und
kein Hund bellt !
Wohne nicht in einer Stadt, deren Vorsteher ein Arzt ist
Heirate nicht zwei (Frauen); hast du zwei geheiratet, so
heirate auch eine dritte !
Rab sprach zuR. Kahana (Bab./Pal., um 250)
:
Drehe ein Aas auf der Strasse um, drehe aber deine Worte
nicht um !
Zieh das Fell eines Aases auf der Strasse ab, um Lohn zu
erhalten;
sage aber nicht : Ich bin Priester, ich bin ein vornehmer Mann, das passt nicht für mich !
Steigst du aufs Dach, so nimm Proviant mit !
Selbst wenn in einer Stadt hundert Kürbisse für einen Zuz
zu erhalten sind, so trag sie dennoch unter deinem
Schutz.
Rab sprach zu seinem Sohn Chijja
Trinke keine Medikamente !
Spring nicht Über Flüsse !
Lass dir keinen Zahn ziehen
Reize weder eine Schlange noch einen Aramäer
6) D. h. Rabbi (Jehuda I; gest. 217)
seinem Sohn Gamliel III
(um 200).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
204
Kap. III.3
Rab sprach zu seinem Sohn Aibo :
Ich habe mich bemüht, dir "Gehörtes" (Traditionsgut) beizubringen, und es gelang mir nicht. Komm ich will dich nun
"Worte der Welt" lehren :
·
Während der. Staub sich noch auf deinen Füssen befindet,
verkaufe deine Ware !
Was du verkauft hast, kannst du bereuen, nur nicht, wenn
du Wein verkauft hast.
Zuerst Öffne den Geldbeutel, erst dann löse den Getreidesack
Lieber einen Kab vom Erdboden als ein Kor vom Dach·.
Hast du Datteln in der Kiste, so laufe zum Brauer !
(Es folgen dann weitere Dreiergruppen von R. Jochanan und
R. Jehoschuat b.Levi "im Namen der Leute von Jerusalem",
beides Schulhäupter in Pal., um 250, und anonyme Traditionen
der Rabbanan. Die ganze Sammlung schliesst dann :)
Rabba bar bar Chana (Bab., um. 280) sagte im Namen des R. Jochanan im Namen des R. Jehuda b.Eltai (Tann., um 150):
Iss eine Zwiebel und sitze im Schatten !
Iss nicht Gänse und HÜhner mit. unruhigem Herzen
Spar ab von deinem Essen und deinem Trinken und sammle
für dein Haus !
Als 'Ulla (b. Jischma'el, Bab., um 280) kam, sagte er :
Im Westen haben sie folgenden Maschal :
Wer Fettschwanz (~n~~~) isst, verstecke sich im oberen
Zimmer (~n~~V) ,
Wer Grünkraut (~~iPP) isst, sitze auf dem Misthaufen (~~P~P)!
WAHL hat noch viele weitere Kollektionen aus dem babylonischen
Talmud zusammengestellt 7 , die jedoch nicht alle den Kriterien
einer "Kollektion" entsprechen. Er ist jedoch - soweit ich sehe als einziger Über das blasse Sammeln des spri.chwörtlichen Materials hinausgekommen und hat die traditionsgeschichtliche Bedeutung von Spruchsammlungen und ihre Eigengesetzlichkeiten hervorgehoben. Anthologien verschiedenster Art gab es seit dem Ab-
7) Das Sprichwort 115-126; S. 116, Anm. 1, verspricht er im "zweiten Buch dieser
Schrift" ..• "Näheres über Sprichwörtergruppen des jerusalemischen Talmud
und der Midraschim". Dieses zweite Buch kam nicht mehr zustande (vgl. GROLIG/
KRIEG, Mehr nicht erschienen II, 337). Da auch der erste Band kaum zugänglich
ist, repetiere ich hier in der Reihenfolge des Talmuds die von WAHL, Das
Sprichwort 115f. gegebene Liste von Sprichwortkollektionen im babylonischen
Talmud : Ber 5b.6b.8a.l7b.28.32a.33.59a.62b.63a.64; Schab lla.32a.63b.l04a.
119b.l5lb.l52a.l53.156a.b; Erub 13b.65; Pes 28a.llla-114a; Joma 29a.8Gb; Suk
49b.52a.b.53a.56b; Mqat 25b.28b; Chag 15b; Jeb 63a.b.ll8b i=Ket 75a); Ket
10b.75a (=Jeb 118b); Bbat 16.21.25.39a.58.75.91.98a; Bqam 46b.92b.93a; Bmes
59a.84b.l07b; Sanh 7a.22a.98a.99b.l00b.l05a; 0 Ab zara 18.19; Chul 7b.58b. •
127a; Ker 6a; Qid 3la. 70a. 71.82 •.
http://hdl.handle.net/10900/56118
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
205
Kap. III.3
schluss der Talmude 8 ; mit dem Sammelwerk von
HY~ffiNN sind jeden-
falls die Sprichwörter und sprichwortartigen Gebilde der beiden
Talmude und der Midraschim recht vollständig zusarnmengetragen 9
Das Weiterleben des spruchhaften Weisheitsgutes neben den gesetzlichen Traditionen ist in diesen Sammlungen materialiter
stark dokumentiert. Wie diese (in den Anthologien)
isolierten
Logien Überleben konnten, zeigt gerade die Beobachtung des das
Einzelwort tragenden Kontextes.
Die vorausgehenden Hinweise verfolgten den Zweck zu zeigen, dass
eine vornehmliehe Art der Bewahrung des weisheitliehen Logiengutes - neben dem Apophthegma - die Kollektion ist. Solche Kollektionen lassen sich, wie arn Spezialfall der Traktate Ab und
AbRN A.B zu ersehen war, bis in das 1. Jhd. n. zurückverfolgen
(Kap.2); sie entfalten sich aber in reicher FÜlle erst in jener Zeit, als das Traditionsgut seine schriftliche Form in den
beiden Talmuden bekam 10 . Die nl~~ ~~~~sind im innerrabinischen
Raum das, was in der griechischen Welt in den Gnomologien und
z.T. auch in den Apophthegmensammlungen (s.u. Kap. 5.1) zu finden ist und auch im hellenistischen Judentum seine eigene Form
bekommen hat (s. Kap. 5.2 und 6).
Wie schwierig die kritische Sichtung der Spruchmaterialien in
der rabbinischen Literatur, die Datierung und Zuschreibunq der
Einzelworte und die Herstellung sicherer Traditionslinien auch
ist - es tritt uns in den ungezählten Sammlungen von weisheit8) Vgl. die Angaben bei DUPLESSIS, Bibliographie paremiologique Nr. 42.43.48.50.
54; BONSER/STEPHENS, Proverb Literature Nr. 424-513. 3106; auch WAHL, Das
Sprichwort 101, Anm.l; lOS, Anm.l; 107, Anm.l; STRACK, Einleitung l72f.
9)
O'O~n 'iJI i~~K
(1933/34); wie wenig informativen Wert der Beitrag von
NADOR, Altjüdische Volkssprüche (1975) 20-30, hat, zeigt sich schon darin,
dass er HYMANN' s Sammlung von ca. 30000 Worten nicht kennt und noch auf die
veraltete "Rabbinische Blumenlese" von Leopold DUKES, Leipzig 1844, mit 665
Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten zurückgreift (s. DUPLESSIS,
Bibliographie Paremiologique Nr. 54).
10) Belege fÜr haggadische Schriften in vortalmudischer Zeit hat STRACK, Einleitung 10-13, zusammengestellt. Die Sammlungen weisheitlicher Logien in den
Derek Eres Traktaten, deren Kap. 3-9 "Pirqe Ben Azzai" betitelt sind (vgl.
HIGGER, The Treatises 153) , ebenso wie die "Pirqe de R. Eli 'ezer" und das
aramäische und hebräische "Alphabet des Ben Sira" (vgl. DAN, Art. : Ben Sira,
Alphabet of, Encyclopaedia Judaica 4 (1972 548ff.) sind zeitlich so spät,
dass sie hier ausser Betracht fallen kÖnnen, obwohl darin sicher auch altes
Spruchgut bewahrt ist.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.3
206
liehen Worten doch eine lebendige Tradition im Bereich der
Abyo~ ao~~v entgegen, welche keineswegs erst mit der schriftlichen Fixierung begonnen haben kann, sondern gerade vorher, im
langen, verwickelten Prozess der mündlichen Ueberlieferung ihre
äusserst wichtige Funktion der Bewahrung und der Weitergabe erfüllen musste. Das gewichtige Urteil von WAHL, das in den beiden vorausgehenden Kapiteln 2 und 3 an einigen Texten erhärtet
wurde, kann deshalb mit recht an den Schluss dieser Ueberlegungen gesetzt werden : "Die Sprichwortliteratur des hebr.-aramäischen Sprachschatzes, dessen BlÜthezeit wir in den salomonischen
Sprüchen erkennen, findet in den Sprüchen des Sirach und der
mischnaischen Schriften seinen Fortgang und in grösseren Spruchsammlungen, in minder umfangreichen Sprichwörtergruppen und in
den zerstreuten Aphorismen und Redensarten ihre Ausläufer während der mehr als sechs Jahrhunderte umfassenden Epoche der beiden Talmuden und der älteren.und neueren Midraschim. An der Hand
solcher Documente dUrfte die Conjectur zur Gewissheit werden,
dass gleich der Spruchsammlung des Sirach auch während der Epochen der Tanaim, Amoraim und Saburaim selbständige Sammlungen
dieses beliebten Literaturzweiges vorhanden gewesen sind, von
denen uns jedoch nur insofern Fragmente in den oben geschilderten Gruppierungen erhalten wurden, als die Schöpfer und Compilatoren solch selbständiger Spruchwerke sich zugleich als Autoritäten auf religionsgesetzlichem Gebiete ausgezeichnet hatten" 11 •
11) Das Sprichwort 129f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
4,
JUEDISCH-HELLENISTISCHE PRAEZEPTE IN DEN
GESETZESAPOLOGIEN DES PHILO UND JOSEPHUS
Als Hillel von einem Heiden um eine Belehrung Über das ganze
jüdische Gesetz angegangen wurde, welche "nicht länger dauere,
als er auf einem Fuss zu stehen vermöge", antwortete ihm jener
bekannter- und erstaunlicherweise mit der Goldenen Regel in ihrer negativen Form
~~~vn ~7
.~in
iltllli~l::l
11~~~
1i~M7
~Jb
n71:J nilnn 7:J
17Vi
~~n.,
l
"Was dir verhasst ist, - deinem Nachbar tu es nicht ! Dies
ist das ganze Gesetz, der Rest sein Kommentar"
(bSchab 3la) .
Hillel antwortete also mit einer semitisierenden Form jener
weisheitliehen Regel, welche STOBAIOS 3.1,173 (HENSE I, 120)
auch in den Sieben-Weisen-Sprüchen des Demeitrios v.Phaleron
fand : ~
ocra
"
" nAna~ov,
'
VEUEO~~
·~
~ '
au•o~
un'
n
no~E~
(Pittakos), die
aber jedenfalls seit ISOKRATES, also seit Beginn des 4. Jhd.s.v.,
in griechischer Form gängig war 1 • Schammai hatte vorher das
Ansinnen des Heiden mit Entrüstung abgelehnt. Dies hebt Hillels
Verhalten als im rabbinischen Bereich aussergewöhnlich hervor 2
Hillel begegnet dem vermeintlichen Proselyten nicht mit den
unendlich vielen Distinktionen der Schultheologie, sondern mit
einem "Einstiegssatz", aus dessen lebenslanger Auslegung- das
ist mit dem angefügten iiO)
7~l,
"geh und lern" gemeint- sich
1) Nikoles 61 :c~ n~crxov•EG D~'g,{pwv opy(6Ecr3E, •aG•a •oOG ~AAOUG ~n nocE1•E
(MATHIEU/BREMOND II, 136). Falls CLEMENS v. Al., Strom 2.139,lf., sich auf
eine alte Tradition stützte, so gehörte eine ähnliche Wendung schon zu den
FlÜchen des Buzyges (s. u. Kap. 4.2). - Die wichtigsten Stellen sind : Tob
4,15; EpAr 207; PHILO, Hyp 7,6; !1t 7,12 Par (pos.); Apg 15,20.29 (D); Did
1,2; TargJer I ad Lev 19,18; bSchab 3la; AbRN B 26; hebrTestNaf 1,6; PseuMen
40; slavHen 61,1. Weiteres bei DIHLE, Die Goldene Regel, bes. 85-95, zum
Ursprung in der griechischen Popularethik; vgl. auch BERNAYS, Philon's Hypothetika 274ff., zur semitischen Version.- Zur Aufnahme als Thales-Spruch
in den Gnomologien vgl. STERNBACH, Gnomologium Vaticanum Nr. 32lg, S. 125.
128.
2) Vgl. jedoch die ähnliche Szene und die gleiche Antwort in AbRN B 26
TER 53) von R. "Aqiba.
(207)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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(SCHECH-
208
Kap. III. 4
das volle Verständnis ergeben wird. Dieser Satz macht zwar den
Anschein, das Gesetz werde der hellenistischen Popularethik
gleichgeschaltet; Hillel rechnet aber mit seiner geheimen Affinität zum Gebot, den Nächsten zu lieben wie sich selbst (Lev
19,18) 3 , und vertraut darauf, dass sich im zusätzlich geforderten Lernschritt die weiteren Einsichten in die tieferen Zusammenhänge des jüdischen Glaubens einstellen werden.
Diese radikale Zusammenfassung des jüdischen Gesetzes zeigt
äusserst prägnant, wie ein jüdischer, für die heidnische Umwelt interessierter Weiser einer Anfrage aus dem Heidenturn werbend begegnet. Sie spiegelt dabei wesentliche Züge frühjüdischer
Gesetzeswerbung und -apologetik wider. Einer dieser ZÜge ist,
sich auf dem Feld gerneinsamer Weisheitstraditionen zu treffen
und von dort her auf irgendeine Weise die Güte der eigenen
Position plausibel machen zu können.
Neben einigen weiteren Kurzformeln des jüdischen Glaubens 4 ,
welche aber nicht aus einer heidnischen Anfrage und Infragestellung erwachsen sind, haben wir zwei eigentliche, kurze Gesetzeszusarnrnenfassungen bei PHILO und JOSEPHUS, bei welchen die
in der Hillelszene konzentrierten ZÜge in weiter ausgestalteter Form zu beobachten sind :
Bei EUSEBIUS, PE 8.7,1-9 ist uns ein Fragment aus den phiionischen Hypothetica erhalten, welches Eusebius selbst als "Epitome"
der die mosaische Staatsverfassung konstituierenden Gesetze
(EnLTE~VETaL •nv Ex T~v Mouo€wb v6~wv xaTaßEßAn~~vnv ... noALTELav;
8.6,10) vorstellt, mit welcher diese Gesetze gegen gewisse "Ankläger"
(8.5,11) verteidigt werden sollen. Es ist nun schon
lange aufgefallen 5 und in letzter Zeit wieder deutlicher hervor3) Targ Jeruschalmi I ad Lev 19,18 schliesst dann tatsächlich die beiden zusammen. Die Beifügung der neg. Regel im westlichen Text zu Apg 15,20.29 hat die
ähnliche Funktion.
4) Vgl. NISSEN, Gott und der Nächste 339-415; BECKER, Untersuchungen 382f. Weiteres s. u. Kap. IV.2.1.2, Anm. 2.
5) Vgl. BERNAYS, Philon's Hypothetika (1876) 273; bes. aber WENDLAND, Die Therapeuten und die philenisehe Schrift (1896) 709-713.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 4
209
6
gehoben worden, dass innerhalb.der defensio des JOSEPHUS gegen
heidnische Angriffe auf seine Antiquitates Judaicae (Ap 1 und 2)
in Ap 2,190-219·eine ähnliche Gesetzesepitome vorliegt, welche
sowohl interessante Uebereinstimmungen mit Philo wie auch einige
mit diesem gemeinsame, auffallende Abweichungen von den biblischen Gesetzesbestimmungen aufweist.
WENDLAND hat als erster (s.u.) einen für Philo und Josephus 7
gemeinsamen Fonds frühjüdischer apologetischer Materialien postuliert, dessen vielerlei Spruch- und Mahnworte aus dem den Heiden
und Juden gemeinsamen Mittelfeld der Weisheitstraditionen kommen und wohl schon vor Philo zu kleinen Kollektionen jÜdisch-hellenis.tischer Gnomen und Hypotheken versammelt worden waren.
Daraus und aus der eigenen Kenntnis der hellenistisch-römischen
Ethik haben die Autoren geschöpft, wenn sie ihre Gesetzesverteidigungen schrieben. Das Prinzip des Rückgriffes auf fremdes
Terrain, welches schon bei Hillel zu beobachten war, hat uns
dabei die beiden Sammlungen des Philo und Josephus beschert,
welche gattungsmä$sig zwischen einer Gesetzesepitome und einer
Weisheitssammlung im Stil der AbyoL cro~ßv schweben. Beiden geht
es ja keineswegs um eine getreue Wiede.rgabe der Gebote von Ex
bis Dtn 8 , sondern um die Herstellung einer Vergleichsbasis.
Dies gilt, obwohl beide Autoren aus apologetischen Positionen
heraus schreiben. Apologetik muss ja immer auch die Gemeinsamkeiten aufweisen, welche einen Vergleich der gegeneinander ausgespielten Grössen Überhaupt erst zulassen. Wenn zum apologetischen Interesse auch noch ein werbendes Motiv tritt, verändert
sich meistens, wenn auch unmerklich für den Apologeten, die eigene Position in Richtung Einsichtigkeit und Allgemeinverständ-
6) COLSON, Philo IX (1967) 409, Anm. a; CROUCH, The Origin and Intention (1972)
84-88; VAN DER HORST, The Sentences of PseuPhoc (1978), 12lf.l72f.l8lf.233f.
236.242.
7) Die Therapeuten 706-715; HEINEMANN, Philons ... Bildung 539 ("Werbeschrift").
8) Vgl. nur Philo's Betonung des Gehorsams der Israeliten gegenüber Mose in der
wüste (Hyp 6,2f.), welche beim Vergleich mit den biblischen, gegenteiligen
Aussagen nur verständlich ist, wenn man "von der, freilich den meisten Apologeten eigenen, Voraussetzung ausgeht, dass die Angreifer nicht bibelfest
sind" (BERNAYS, Philon's Hypothetika 263).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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210
Kap. III.4.1
lichkeit 9 . Es brauchte dann die offene Apologetik nur noch der
Pseudepigraphie zu weichen, so käme man in unmittelbare Nähe zu
PseuPhok (s. Kap. 5), bei welchem dann der Schritt von der Gesetzesepitome zur jüdisch-hellenistischen Weisheitslehre ganz
vollzogen ist.
4.1 Die Gesetzesepitome bei JOSEPHUS, Ap 2,190-219
Unter dem Gesichtspunkt der Nähe zum mosaischen Gesetz ist die
Epitome des Josephus vor derjenigen Philos zu behandeln, obwohl
Ap 1 und 2 ca. 60 - 80 Jahre nach den Hypothetica geschrieben
wurden. Beim Priester und Pharisäer Josephus, der mit den palästinischen Gesetzestraditionen aufwuchs (vgl. Vita 7-9), ist
das Gesetz noch viel stärker präsent als bei Philo, der in einem
s~it
Aristobul feststellbaren, also schon über 100 Jahre alten,
hellenistischen Assimilierungsprozess viel intensiverer Art stand.
Die folgende, z. T. verkürzte Uebersetzung von Ap 2,190-219 versucht, die
Eigenarten des Textes durch verschiedene Hilfsmittel deutlich zu machen :
- Die MAJUSKELN heben die Bezüge zum Gesetz oder zum Gesetzgeber hervor10 .
- Die Strukturierung, welche den mikrosyntaktischen Signalen des Textes
folgt, verdeutlicht die mehr oder weniger klaren thematischen Gruppen
I bis VIII.
-Die Zählung mit Ziffern zwischen Klammern (1) bis (45) grenzt dieeinzelnen
Logien ab, macht den Sammelcharakter des Textes deutlich und ermöglicht
einen exakten vergleich mit PHILO, Hyp, und PseuPhok.
rechten Rand werden die Parallelen bei PHILO, Hyp 7,1-9 und bei PseuPhok
angegeben. Unterstrichene Parallelen bezeichnen dabei Logien, die nicht
aus Pentateuchtraditionen zu belegen sind.
- Am
9) Typisch dafür sind die Beteuerungen in Hyp 7,1 und Ap 2,190, dass das mosaische Gesetz &nAbG, onAOG und yvwp,~6G sei.
10) Von 209 bis 214 ist vo~o3e•nG Subjekt.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 4.1
211
JOSEPHUS, Ap 2, 190-219
PseuPhok
190ff. Welches sind nun diese Vorschriften
und Verbote ? - Sie sind einfach und verständlich.
7,1
I.
Die erste (Vorschrift) handelt von Gott :
folgt eine kleine Abhandlung über Gottes Allmacht, Vollkommenheit und Autarkie, über seine
Erkennbarkeit, aber Nicht-Abbildbarkeit.)
~s
(1)
Ihn muss man verehren durch Vollbringen der Tugend; dies ist nämlich die
heiligste Art von Gottesverehrung.
(2) 193ff. Ein Tempel des einen Gottes,
<Lieb ist nämlich immer jedem das Aehnliche.>llgemeinsam für alle, wie Gott
gemeinsam für alle !
(Es folgen apologetische Bemerkungen zum
jüdischen Priestertum und Opferdienst.)
(3)
196 Und bei den Opfern muss man zuerst
für das gemeinsame ~vohl bitten, erst
dann für sich selbst; denn für die
Gemeinschaft sind wir geboren, und wer
diese seinem Eigennutz vorzieht, ist
Gott am gefälligsten.
(4) 197 Das Bittgebet an Gott sei so
Nicht dass er Güter gebe, denn er
hat (schon immer) freiwillig und
unparteiisch gegeben, sondern, dass
wir sie anzunehmen und dann zu bewahren imstande sind.
(5) 198 Waschungen für die Opfer schrieb
das GESETZ vor : nach einem Begräbnis,
nach dem Wochenbett, nach dem Verkehr
mit einer Frau und bei vielen anderen (Gelegenheiten) <, was zu schreiben zu weitläufig wäre.
Das ist unsere Lehre Über Gott und dessen
Verehrung, das·ist zugleich auch unser
GESETZ>l2.
11} Der Parallelismus von (2} wird durch dieses Sprichwort (vgl. HOMER, Odyssee
17, 218; ARISTOTELES, Ethica Nicomachea 9.3,3 (BYWATER 183}, Sir 13,15f.}
zerrissen. Textkritisch besteht aber kein Anlass, das Logion zu entfernen.
12} Vgl. THACKERAY, Josephus I, 372, Anm. 2 : "absent from the best MSS of Eus.
and are perhaps a gloss".
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.4.1
212
I I.
199 Welches sind nun die GESETZE über die
Ehe ?
PseuPhok
(6) Als einzige Koitusart kennt das GESETZ
die natürliche Vereinigung mit der Frau,
und diese soll nur wegen der Kinder ge~
schehen.
(7) Jene der Männer mit Hännern verabscheut
ES - und Tod ist die Strafe., wenn einer
sich dazu anschickt.
(8)
(9)
7,1
200 ES befiehlt, nicht mit dem Blick auf
die Aussteuer zu heiraten, nicht aufgrund gewalttätigen Raubes, nicht durch
listige und täuschende Ueberredung,
sondern bei jenem, der sie zu geben
Herr ist, anzuhalten, und gernäss dem
erforderlichen Verwandtschaftsgrad.
3b.l90f.
199f.
179ff.
201 Die Frau ist geringer als der Mann
in allem, sagt ES, deshalb soll sie
gehorchen, nicht zu ihrer Entehrung,
sondern damit sie geleitet werde. Gott
hat nämlich dem Mann die Kraft gegebenl3.
(10) Mit dieser soll der Gatte allein Umgang haben
(11) Die Frau eines anderen zu verführen
7,1
ist frevlerisch. - Wenn einer dies
tut, (gibt es für ihn) kein Losbitten
vom Tod, weder (lla) wenn einer eine
Jungfrau vergewaltigt, welche einem
andern versprochen ist, noch (llb) wenn er
eine verheiratete Frau verführt (vgl.
in 216).
(12)
202 ES befahl, alle Kinder aufzuziehen;
(13)
und den Frauen verbot ES, sowohl das
Erzeugte abzutreiben (&~ßAOUV), als
auch es zu zerstören. Wenn eine Frau
dessen überführt würde, wäre sie
eine Kindstöterin, da sie eine Seele
vernichtet c&~avC~ouoal und die
Nachkommenschaft vermindert hat.
3a.
198
184f.
13) Es besteht kein Grund, diese im Frühjudenturn weitbelegte Anschauung (vgl.
TestRub 5,1; s.u. Kap. V.2.2.l, Anrn. 13) zu streichen. JOSEPHUS stützt sich
immer wieder in den indikativischen Begründungen auf solche Weisheitslogien,
vgl. (2). (3). (9). (22). (23). Hier wird jedoch ein misogynes Sprichwort als
mosaisches Gesetzeswort vorgestellt. Sprichwörter als Torawort, Bat Qol oder
Gotteswort finden sich des öftern im rabbinischen Schrifttum, vgl. Midr
Ps 56,1 (WUENSCHE 321) mit bBer 58a.62b ("Komm dem MÖrder zuvor, eh er dich
mordet"; vgl. ·Ex 22 ,1); bBqam 92b ("Nennen dich deine Genossen einen Esel,
so lege dir einen Sattel auf!"; vgl. GenR 45,7); GenR 67,8 Par bSanh 52a
("Viele alte Kamele gibt es, die die Felle von Jungen tragen.").
I
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
213
Kap. III.4.1
PseuPhok
(14) So kann auch keiner, der eine WÖchnerin entehrt, als rein betrachtet
werden.
186?
(15) 203 Sogar nach dem GESETZESgerechten Geschlechtsverkehr muss man
sich waschen. ES war der Ansicht,
dass dabei eine Zuweisung der
Seele an einen anderen Ort geschehe.
Diese leidet aber, sowohl wenn sie
in die KÖrper eingepflanzt, als
auch wenn sie durch den Tod von
ihnen getrennt wird. Deshalb
schrieb ES bei allen diesen Dingen
Reinigungen vor.
(16) 204 Nicht einmal an den Geburtstagen
der Kinder erlaubt ES, reichliche
Mahlzeiten zu veranstalten und diese
als Vorwand für Zechereien zu benutzen;
vielmehr ordnete ES in der Erziehung
gleich von Anfang an massvolle Besonnenheit an.
(17) ES befahl, (den Kindern) die Buchstaben
beizubringen, damit sie die Belange
des GESETZES und die Taten der Vorfahren kennen, damit sie diese nachahmen,
jene aber, da sie gut unterrichtet sind,
nicht Übertreten und keine Entschuldigung ihrer Unwissenheit haben.
I I I.
In 205 folgen traditionelle Vorschriften zur Einfachheit von Begräbnis und Grabmal (18), zum
Trauerzug und zur Trauerklage (19) und zu den
notwendigen Reinigungen (20).
IV.
(21) 206 Ehrfurcht vor den Eltern schrieb
ES als zweites nach der Ehrfurcht vor
Gott vor .•.
(22) Und Ehrfurcht vor jedem alten ~.fenschen
sollen die Jungen haben, sagt ES, da
ja Gott das älteste Wesen ist.
(23) 207 Etwas vor Freunden zu verbergen, ·
gestattet ES nicht, denn ohne volles
Vertrauen gibt es keine Freundschaft.
(24) Auch wenn später eine Feindschaft
ausbricht, verbietet ES, die Geheimnisse zu verraten.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
8
220ff.
218
Kap. I I I. 4. 1
214
PseuPhok
(25) Wenn ein Richter (Bestechungs-)Geschenke annimmt - der Tod ist die
Strafe.
(26) Wer einem Schutzflehenden keine Hilfe
zukommen lässt - trotz gegebener MÖglichkeiten (8v6v) - ist rechenschaftspflichtig.
(27) 208 Was man nicht niedergelegt hat,
das darf man nicht aufheben (vgl.
in 216).
(28) Von fremden Gütern darf man nicht
nehmen (vgl. in 216)
(29) Zins darf man nicht erheben.
135f.
Diese (Vorschriften) und viele ähnliche halten
unsere gegenseitige Gerneinschaft zusammen.
V.
209f. Verhaltensregeln des GESETZGEBERS zu
39ff.
"Andersstämmigen" (30), Proselyten (31) und zufälligen Besuchern (32).
VI.
211 Des weitern schärfte ER (jene Dinge)
ein, welche geteilt werden müssen :
(33) Allen Bittenden Feuer, Wasser und
Nahrung anbieten,
(7)- (9)
(34) den Weg weisen,
(35) einen unbegrabenen Leichnam nicht
liegen lassen,
(36) auch gegen erklärte Feinde sich
schicklich verhalten.
(37) 212 Ihr Land zu verbrennen, lässt
ER nämlich nicht zu.
(38) auch nicht ihre Baumkulturen zu fällen.
(39) ER verbot sogar, die in der Schlacht
Gefallenen zu plündern,
(40) und ER traf Vorkehrungen für die
Kriegsgefangenen, besonders die
Frauen, damit ihnen keine Entehrung geschehe.
VII.
213 So vollkommen lehrte ER uns eine
milde und menschenfreundliche Haltung,
dass ER nicht einmal die vernunftlosen
Tiere vernachlässigte. ER liess vielmehr
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
99
Kap. III.4.1
215
!!Y.E......!.
'PseuPhok :
(14)
nur ihren gesetzmässigen Gebrauch zu;
jeden anderen verbot ER :
(41) Tiere, welche wie Schutzflehende
in die Häuser flüchten, verbot ER
zu töten.
(42) ER schrieb vor, den Jungvögeln die
Eltern nicht wegzunehmen,
(20)
84?.85
(43) die Arbeitstiere selbst im Feindesland zu schonen und sie nicht zu
töten.
214 So hatte ER immer ein massvolles Verhalten
im Blick, indem ER die oben genannten
lehrhaften Gesetzesbestimmungen anwandte,
anderseits aber Strafmassnahmen ohne Ausfluchtmöglichkeiten gegen die Gesetzesbrecher aufstellte.
VIII.
215f. Die STRAFE auf den meisten Uebertretungen ist der Tod :
Es folgt dann eine z.T. repetierende Liste von
Uebertretungen, wie Ehebruch und Vergewaltigung
(11), Knabenschändung (7) ,/Diebstahl (28), Veruntreuung (27); zusätzlich werden noch falsche
Masse und Gewichte (44) und betrügerische Geschäftspraktiken (45) genannt.
7,lf.
7,1/(6)
=(Sa)
(17)
3a.l78
3b.l90f./135
14f.
Für all dies gibt es (bei uns) Bestrafungen, nicht wie bei den andern, sondern
viel strengere. 217 Auf ungerechter Behandlung der Eltern und Ehrfurchtslosigkeit gegen Gott - selbst nur im Vorsatz steht sofortiges Verderben.
Jenen aber, die nach dem GESETZ leben,
winkt als LOHN nicht Silber oder Gold,
nicht ein Oelbaum- oder Eppichblätterkranz und eine entsprechende Proklamation,
218 sondern jeder einzelne ist ••. im
Glauben, dass Gott denen, die die GESETZE
gehalten haben, und, wenn's sein muss,
freiwillig dafür sterben, es gibt, wieder
zu entstehen und ein besseres Leben beim
Umschwung (der Zeiten) zu ergreifen.
219 (Rhethorischer Schluss).
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
103f.
Kap. I I I. 4. 1
216
Im ganzen Text ist ein sichtliches Bemühen um thematische Gruppierung zu finden
190-198 kann - in Anlehnung an die griechi-
sehen Gnomologien- mit ngp\ 8goG Überschrieben werden (I); mit
199-204 ist ein Abschnitt ngpL y~~ou angefügt, zu welchem ich
hier auch die zwei Anweisungen zur Kindererziehung (ngpL naL6g(aG)
zähle (II) . Es folgt dann III eine kurze Aufzählung der Pietätspflichten bei Todesfällen und Begräbnissen. In 206 beginnt anscheinend ein Abschnitt ngpL yovtwv (IV) mit Rückbezug auf Teil
I, doch reihen sich unzusammenhängende Einzelworte an, die am
Ende von 208 als Vorschriften charakterisiert werden, welche
die jüdische Gemeinschaft zusammenhalten. Damit kontrastieren
in 209f. die Regeln, welche den Kontakt mit den Nicht (voll) juden
bestimmen (V). In 211 werden fundamentale Haltungen der Menschlichkeit gegen den Bedürftigen, den Toten und den Feind aufgezählt (VI), woran dann in 213 mit 'umständlicher Einleitung drei
Tierschutzgebote angefügt sind (VII) • In 215-218 folgt ein in
Weisheitsschriften beliebter Abschluss : Androhung von Strafe
(Tod) und Verheissung von Segen (Leben). Die beiden Kontrastworte Tod und Leben 14 werden hier jedoch als Todesstrafe im
rechtlichen Sinn (215) und als jenseitiges Leben nach der Aufer15
stehung (218) verstanden .
Die Abfolge der Themen folgt wohl dem einfachen Prinzip, beim
Wichtigsten anzufangen und dann in einer schrittweisen Ausweitung
des Blickwinkels immer grössere Sachbereiche anzusprechen. Es
ergibt sich dann folgender Aufbau
Einleitung (190a)
I.
I I.
I I I.
IV.
Gott (l90b-198)
Familie (199-204)
Dorf I Stadt (205)
JÜdische Glaubensgemeinschaft (206-208) 16
14) Vgl. Dtn ll,26ff.; 30,15-20; TDan 2,1- 5,1 (s.u. Kap. V.2.2.5);
(s.u. Kap. V.2.2.6); TAsch 6,4-6 (s.u. Kap. V.2.5.4).
TGad 4,1-7
15) Hier zeigt sich wohl pharisäischer Einfluss, vgl. auch Anrn. 19.
16) Obwohl disparate Logien zusammengestellt sind, versucht JOSEPHUS am Schluss
von 208 einen gemeinsamen Nenner zu finden.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 4.1
V.
VI.
VII.
VIII.
217
Nicht(voll)juden (209f.)
Alle Menschen (2llf.)
Tiere (213f.)
Fluch und Segen (215-218)
Schluss (219)
Diese Gesetzesepitome ist also in ihrem Aufbau weniger von einer
biblischen Vorlage wie dem Dekalog, dem Bundesbuch u.ä. bestimmt
als vielmehr von einem allgemeinen Schema, welches nach "soziologischen" Gesichtspunkten jene wichtigsten Lebensbereiche gruppiert, welche weisheitliches Denken in der ganzen Antike schon
seit langem erkannt und behandelt hat. Nicht einmal in 192. (21),
wo Josephus auf eine erste und zweite Vorschrift des Gesetzes
verweist, steht das mosaische Gesetz Pate. Viel näher ist er
dort dem in den griechischen Sammlungen allgegenwärtige Doppel17
gebot der Ehrfurcht vor Gott und den Eltern , welches, zusammen
mit dem Gebot des "Ehre das Alter"
Ap (22), bei PLUTARCH die
..
d arste
. 11 t 18
. h ungsgrun d satze
ersten d re1. Erz1e
Die biblische Grundlage vieler Einzelsprüche ist jedoch eindeutig
auszumachen : Die strenge Verurteilung gewisser sexueller Praktiken in (7) und (11) und der Hinweis auf den "erforderlichen
Verwandtschaftsgrad" in (8) verweisen deutlich auf Lev 18,6-23;
20,9-21 und Dtn 22,13-23,1;
(Waschung) auf;
Alter),
(15) nimmt deutlich Lev 15,18
(22) erinnert an Lev 19,32 (Ehrfurcht vor dem
(25) an Ex 23,8; Dtn 16,19; 27,25 (gegen Bestechungs-
geschenke). Das Zinsverbot in (29) gibt Ex 22,24 (Par Lev Dtn
Spr 28,8) wieder; das Verbot, die Fruchtbäume des Feindes zu
fällen, stammt aus Dtn 20,19-20; jenes der Misshandlung von
Frauen aus Dtn 20,14; 21,10-14; der Vogelschutzartikel (42)
17) Vgl. die Parallelen bei STOBAIOS 4,26-30 (HENSE II, 23f.); WEFELMEIER, Die
Sentenzensammlung 78ff.; VAN DER HORST, The Sentences of PseuPhoc 116. BERGER, Die Gesetzesauslegung Jesu 284ff., betont die Zusammengehörigkeit
von Elterngebot und Hauptgebot auch im jüd. Bereich: Lev l9,3f.; Dtn 27,16
(nicht 6); Jub 7,20 (noach. Gebote), sieht aber trotzdem "die Ursachen •..
in der stoischen Popularphilosophie, nach der die Eltern Abbilder Gottes
sind" (285).
·18) De liberis educandis 7E (BABBIT I, 34); vgl. auch PseuMen 2.- Zu den "ungeschriebenen Gesetzen" s. u. Kap. 5.1.2, Ziff. a.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 4.1
218
variiert Dtn 22,6f.; das Verbot von falschen Massen nimmt Lev
19,35f. Par Dtn 25,13ff. auf.
Viele weitere Andeutungen machen klar, dass Josephus stets das
mosaische Gesetz im Auge hat, auch dort wo sich Parallelen aus
griechischen Gesetzessammlungen und Gnomologien aufführen liessen. Die MAJUSKELN zeigen deutlich, wie er fast jedes Einzelgebot
auf seinen mosaischen Ursprung zurückzuführen versucht. Dies
kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dieser "Epitome"
viel ausser-biblisches Material vorhanden ist : Die Gotteslehre
in l90ff. scheint eirie Eigenkomposition des Josephus zu sein, in
welcher er philosophische Gedanken aus der Stoa (vgl. SENECA,
Ep 95,50 (REYNOLDS II, 394); Apg 17,24ff.), ein rabbinisches
Bildwort 19 , eine kurze Erläuterung des Bilderverbots (191) und
eine Invektive gegen Philo's Schöpfungslehre 20 zu einer hymnenartigen Prädikation des Schöpfergottes gestaltet, wie NORDEN sie
als zum
festen Typ der religiösen Propagandarede von der althel-
lenischen
wies21
bis
in die jüdisch-christliche Zeit gehörend er-
In (15) wird eine wohl ebenfalls stoische beeinflusste
Doktrin von einer ~Ec~ßao~~ und vom Leiden der Seele bei Zeugung
und Tod vertreten 22 •
Neben diesen lehrhaften Stücken finden sich auch sprichwortartige Sentenzen, welche aus der internationalen Weisheit stammen
und hier als indikativische Begründungen gebraucht werden :
19) zu Gott als &pxn, ~toob und ctAob hat BLUM, De l'Anciennete 95, Anm. 1, jSanh
1,18a,66f. beigezogen, wo no~ als Darstellung Gottes gedeutet wird, weil die
Konsonanten ~. 0 und n den Anfang, die (ungefähre) Mitte und den Schluss des
hebräischen Alphabets bilden.
20) Vgl. OpMund 72-76, wo Philo wohl PLATO, Timaios 41C.42E (BURNET IV,· ad.loc.)
im Blick hat; s. aber auch slavHen A 33,3b-4a, o. Kap. I.2 TEXT 29.
21) Agnostos Theos 129 : "Aufforderung zur Erkenntnis Gottes als eines menschenunähnlichen, geistigen Wesens und zu der dadurch bedingten Sinnesänderung,
Prädikation dieses Gottes und die rechte Art seiner Verehrung (nicht blutige
Opfer, sondern im Geist), ewiges Leben und Seligkeit als Lohn solcher Erkenntnis, das waren die festen Punkte des schematischen Aufbaus." NORDEN hat dies
fÜr JOSEPHUS, Ap 2,190-219 nicht bemerkt.
22) Vgl. POHLENZ, Stoa und Stoiker 73ff.; bes. 330ff. (bei Poseidonios). Gerade
in PseuPhok lassen sich auch mehrere Berührungspunkte zu POSEIDONIOS finden,
s. ROSSBROICH, De Pseudo-Phocylideis 55-57 (zu PseuPhok 71-75); 68f. (zu PseuPhok 104); 71 (zu PseuPhok 108). Doch s. die Kritik von VAN DER HORST, The
Sentences of PseuPhoc 29, Anm. 115, ("Poseidonius-rage of the first quarter
of the twentieth century"). - S. u. Kap. 5.2, Anm. 36.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
219
Kap. III.4.1
in
(2)
in
in
(9)
(3)
in (22)
in (23)
Gleich zu gleich gesellt sich gern.
Gott ist allen gemeinsam.
FÜr die Gerneinschaft sind wir geboren.
Die Frau ist in allem geringer als der Mann.
Gott hat dem Mann die 'Kraft' gegeben.
Gott das älteste Wesen.
Ohne volles Vertrauen gibt's keine Freundschaft.
Diese nicht-biblischen Passagen stehen offensichtlich im Dienst
jener Einholbewegung, mit welcher sich der Apologet auf ein
Mittelfeld von gerneinsamer Einsichtigkeit einlässt. Weniger ausdrücklich zeigt sich diese einladende Geste auch in den neutralen Formulierungen in
(11): &vÖcrLov,
(1): aEpanEu.~ov,
(3): XPn,
(4): ~a•w,
(27)-(29):•L~, welche allgerneine Bedeutung an-
streben.
Wenn man zusätzlich die Auswahl der gesetzlichen Stoffe in Betracht zieht,· welche Josephus vorgenommen hat, so fällt auf,
dass er einerseits kleinste Gebote wie den Vogelschutz (42) 23
erwähnt, andererseits aber so wichtige Dinge wie den Sabbat und
die Beschneidung weglässt. Diese Selektion entspricht der apologetisch-werbenden Absicht. Es entsteht aadurch eine "Epitome"
der mosaischen Gesetze, welche in keiner ihrer Vorschriften so
gestaltet ist, dass sie nicht auch in einer griechischen Sammlung verständlich wäre. Erst durch die unermüdliche Beteuerung,
dass es das Gesetz oder der Gesetzgeber ist, welches(r)
"be-
fiehlt", "verbietet", "erlaubt", "vorschreibt" usw. kommt eigentlich eine mosaische Gesetzes-"Epitorne" zustande.
Alle diese in die gleiche Richtung weisenden Indizien bekommen
ihren festen Halt durch den Nachweis, dass ein Grossteil der Vorschriften in der hier präsentierten Art inhaltlich gar nicht aus
dem mosaischen Gesetz stammen, sondern aus sonstigen, frühjÜdischen Gesetzesdeutungen oder schlechthin aus dem Griechenturn :
(1)-(4) sind Ansichten zu Gottesdienst, Tempel, Opfer und Bittgebet, welche den in der populären Ethik verbreiteten Vorstellun-
23) Vgl. DtnR 6,2; auch bQid 39b; bChul 142a; PHILO, Hyp 7,9 (~LKpa Kal -~
•ux6v•a). Siehe CROUCH, The.Origin and Intention 86.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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220
Kap. I I I. 4 .1
genvon 5.pe:-cn' (1), xo~vb!;; (2), xo~vwv(a (3) und in (4) mit einer
an Epiktet erinnernden, geläuterten Auffassung vom Gebet verpflichtet sind. Dass Geschlechtsverkehr nur wegen der Kinder geschehen soll (6), steht nicht in der Tora; ebenso wenig stammen
die Heiratsbestimmungen in (8), die Verbote der Abtreibung und
Aussetzung (12). (13), das dreifache Erziehungsprogramm (17), die
Trauervorschriften (18)-(20), das "feine Sittengebot" 24 von den
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~
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anoppn-ca e:v
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e:x8p~
unter Freunden (23). (24), das abgestufte Ver-
halten zu Nichtjuden (30)-(32),
verbr~nnen
d~s
Verbot feindliches Land zu
(37) und die beiden zusätzlichen Tierschutzbestimmun-
gen (41) und (43) aus der mosaischen Gesetzgebung. Auf den typisch
griechischen Ursprung der Grundgebote der Menschlichkeit in (27)
und (33)-(35) werden die Parallelen bei Philo, Hyp (7)-(10) aufmerksam machen (s. nächstes Kapitel).
Josephus benutzte also offensichtlich nichtbiblische Materialien
und verband sie mit z.T. schon stark auf Einsichtigkeit hin
Überarbeitetem Gesetzesgut. CROUCH hat im Anschluss an WENDLAND
un d REINEMANN 25 u"'b erzeugend klar gemacht, dass dies keine Sonderleistung des Josephus darstellt, sondern auf einem Vorbild beruht, welches auch Philo in den Hypothetica und PseuPhok gekannt
und benutzt haben. Der Beweisgang ist klar : Die drei Autoren
haben detaillierte Vorschriften gemeinsam, welche nicht von der
Tora abgeleitet sind. Da ein gegenseitiges Abschreibeverhältnis
kaum nachzuweisen ist 26 , müssen sie eine gemeinsame, weitere
Quelle benutzt haben. Im vorausgehenden Text sind die Vergleichspunkte, welche CROUCH zusammengestellt hat, in den beiden Spalten Hyp und PseuPhok - noch etwas ergänzt - angeführt, wobei die
unterstrichenen Stellen jene nicht-mosaischen Texte bezeichnen,
24) BERNAYS, Philon's Hypothetika 277. THACKERAY's, Josephus I, 376, Anm. f,
Verweis auf die Essener (vgl. Bell 2,141) ist unzutreffend; da dort von
der Arkandisziplin gesprochen wird. Der Hinweis von CROUCH, The Origin 87,
auf Spr 29,9 bleibt mir uneinsichtig.
25) The Origin 83-88; WENDLAND, s. Anm. 5; HEINEMANN, Philons gr. und jüd.
Bildung 529f.
26) Wie RAPPAPORT, Agada und Exegese XVIIIf, für die "hellenisierenden Angaben"
(XVIII) bei Josephus annahm; dort ältere Literatur, MOTZO, Le"Yno8eTLK~
di Filone 556-565, rekonstruiert sogar Hyp nach dem Plan von Ap_.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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221
Kap. III. 4.1
auf denen das Postulat der Quellschrift hauptsächlich ruht 27 .
Damit ist- wenigstens postulatarisch - eine weitere frühjüdische
Schrift in den Blick gekommen, welche in apologetisch-propagandistischer Weise die israelitisch-jÜdischen Mosegesetze so präsentierte, dass sie in die Nähe einer Weisheitsschrift allgemeiner Art gerieten. Ich nenne sie vorschlagsmässig "Apologeticum", ohne damit eine inhaltlich klar umreissbares Dokument zu
meinen. Da von ihm nichts gesagt werden kann als was in Hyp,
Ap und PseuPhok durchscheint, ist es hier inhaltlich nicht weiterführend auswertbar 28 • Es stellt aber ein wichtiges traditionsgeschichtliches Bindeglied in der Geschichte des frühjÜdischen
Bemühens um weisheitliehe Formulierung der Gesetzestraditionen
dar.
Wohl mit diesem Apologeticum hängt der weitere, für Philo und
Josephus charakteristische
Zug der "Gesetzesverschärfung" zu-
sammen, wie sie in den übertriebenen Strafmassnahmen zum Ausdruck kommen. Die Todesstrafe gilt "für die meisten Uebertretungen"
(215), wobei die in dieser Frage nicht zimperliche Gesetz-
gebung der Tora noch Überboten wird, vgl.
in 215
(25). (11) in 215.
(7)
(bei Zustimmung); 217 (Vorsatz). Bei Philostehen ähnli-
che Strafbestimmungen zu Beginn (7,1). Zur Rahmung einer frühjüdischen Gesetzesepitome scheint der doppelte
unüberbietbare Einfachheit
(anA6•nG :
Hinweis auf die
Hyp 7,1; Ap 190) der Ge-
bote und die unerbittliche Strenge der Ahndung zu gehören. Beides kann im Licht des vorher beschriebenen weisheitliehen Zuges,
welcher die Einzelvorschriften prägt, nur als apologetische Redaktion gewertet werden, durch welche das Plus dieser frÜhjÜdischen Sammlungen betont werden muss. Die Lebensregeln innerhalb
dieses Rahmens sind in ihrer Inhaltlichkeit davon nicht betrof-
27) FÜr die Frage nach dem frühjüdischen Ursprung von PseuPhok wird dieses
Apologeticum seinen wichtigen Beitrag zu leisten haben, s.u. Kap. 5.2.
28) Vielleicht hängt mit dieser Uebernahme aus dem Apologeticum auch der seltsame Sachverhalt zusammen, dass JOSEPHUS zu Beginn des 2. Jhd.s n. in
l93ff. noch von einem einzigen Tempel und einem scheinbar noch intakten
Opfergottesdienst spricht ! Doch vgl. MOTZO, Le<Ynoag~LK~ 572f. (Abhängigkeit von Philo !).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
222
Kap. III.4.2
fen. Deutlichstes Zeugnis dafür ist PseuPhok, wo mit dem Namen
des Autors auch diese offensichtliche Polemik wegfällt.
Zusammenfassend lässt sich sagen
JOSEPHUS, Ap 2,190-219,
zeigt, wie sich in frÜhjÜdischer Zeit aus palästinisch-vorrabinischen Gesetzestraditionen eine Weisheitslehre entringt, welche die Esoterik der Schulexegese der Mosegesetze unter dem
apologetischen Zwang sprengt und im Einbezug verschiedener
weisheitlieber Materialien eine weltoffene Lebenslehre zu sein
versucht. Der bemühte RÜckbezug auf Mose als den besten Gesetzgeber (s. Kap. II.l.3ff. und 2.3) schärft dabei wiederum
ein, dass auch in der römischen Zeit des Josephus Israel die
unüberbotene Mutter aller Weisheit bleibt.
DierelativeNähe des Josephus zum Gesetz kontrastiert dabei zu
PHILO, Hyp 7,1-9 und PseuPhok, bei welchen weitere Schritte auf
eine hellenistische Weisheitslehre hin gemacht werden und der
Einbezug griechischer Elemente immer deutlicher und unversteckter geschieht.
4.2 Die Gesetzesepitome bei PHILO, Hyp 7,1-9.
Die philonischen Hypothetica sind uns nur in den Exzerpten des
EUSEBIUS, PE 8.5,11- 7,20; 8.11,1-18, erhalten, und man ist
wohlberaten, sich bei der Gesamtbeurteilung dieses Werkes den
fragmentarischen Charakter des Vorhandenen stets vor Augen zu
halten 1 • EUSEBIUS hat aber nach seinen redaktionellen Notizen
1) MOTZO, Le'Yno&E<~K~ di Filone 556-565, rekonstruiert Hyp nach dem Leitbild
von JOSEPHUS, Ap 2; das ist sehr anziehend. Es ist jedoch MOTZO nicht gelungen, zwischen Philo und Josephus ein tatsächliches Abschreibeverhältnis
aufzuzeigen, da die Vergleichspunkte m.E. zu schwach sind. Seine Rekonstruktion liesse sich auch auf die gemeinsame Vorlage des "Apologeticums" anwenden. - Verschiedene Interpretationen des Titels : BERNAYS, Philon's Hypothetika 262-271; WENDLAND, Die Therapeuten 717; ELTER, De Gnomologiorum Graecorum historia atque origine VIIII, 237f.; SCHUERER III, 685.
·
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
223
Kap. III. 4. 2
(PE 8. 6, 2 und 7,10: l-I.E-r6. ßpaxta)
den ursprünglichen Text nur
durch Auslassungen gekürzt, die von ihm ausgewählten Stücke jedoch intakt gelassen, sodass wir die
Hypot~etica
als echt phiio-
nisch ansehen kÖnnen 2 • Hyp 7,1-9 ist zudem als abgeschlossene
kleine Einheit zu betrachten. Die rückverweisenden Demonstrativpronomen in 7,1 beziehen sich auf eine antithetische Schilderung
der·lockeren griechischen Rechtspraktiken, wie sie bei JOSEPHUS
Ap 2,276-278 noch vorhanden ist. Das ehemals anschliessende,
jetzt fehlende kurze Stück zwischen 7,9 und 10 enthielt "no
doubt an account of the strict rules enforces on the sabbath" 3 ,
gehörte also schon zum weiteren, bis 7,19 reichenden
Teil.
Die philenisehe Gesetzeszusammenfassung hat, wie schon in Kap.
4.1 des Öftern gezeigt wurde, wichtige Charakteristiken mit
Ap 2,190-209 gemeinsam, sodass hier nur mehr Weiterführendes
gesagt werden soll.
Die nachfolgende Uebersetzung ist gleich wie der JOSEPHUS-Text in Kap. 4.1
gestaltet, was die Strukturierung, die Zählung der Einzellogien und die Parallelen am rechten Rand angeht. Die MAJUSKELN mussten jedoch, einer anschliessend zu erörternden Eigenart des PHILO-Textes folgend, etwas anders
angewendet werden.
PHILO, Hypothetica 7,1-9 (=EUSEBIUS, PE 8.7,1-9):
PseuPhok
I.
7 1 lf. Die Strafmassnahmen des MOSAISCHEN GESETZES
215f.
sind - im Gegensatz zur Rechtspraxis der griechischen Welt - "einfach und klar". Knabenschändung,
Ehebruch, Vergewaltigung4, Prostitution, Frevel
am Leib des Sklaven und Freien, Versklavung,
Diebstahl, ungeziemende Worte gegen Gott, die
Eltern und Wohltäter werden unweigerlich
mit dem Tod durch Steinigung bestraft.
190
(7). (11). 3.178.190f.
215
(28)
(1). (21). 80
217
2) Mit HEINEMANN, Philons ••• Bildung 353; COLSON, Philo IX, 407f., Anm. b.
Die Unterschiede zur Gesetzesinterpretation in SpecLeg sind zwar nicht zu
Übersehen, können aber, wie es im folgenden gemacht wird, auf grund der
andersartigen Quellenbenutzung von Philo gedeutet werden.
3) Ebd. 431, Anm. d.
4) ß~~6e;Lv na~öa : COLSON, 423, übersetzt "rape of a young person". Die
Stellung des Ausdruckes zwischen anderen sexuellen Vergehen, sowie die Parallelen bei JOSEPHUS, Ap (11) (ß~6.6e;Lv napat'vov ••. ); 215 ( ß. Kbpnvl,
und PseuPhok 198 (Ö;J.lvncr-.e;u-.a ß(l'l~ KOOPLncrL J.lLye;(n) legen aber "Vergewaltigung" nahe.
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224
Kap. III. 4. 2
PseuPhok
I I.
3 Andere (Vorschriften) sind wiederum verschiedener Art :
(1) Die Frauen sollen den Männern wie Sklaven gehorchen, zwar keineswegs zu (ihrer) Entehrung, sondern zum Gehorsam in
allem.
(2) Die Eltern sollen Über die Kinder herrschen zu ihrem Heil und ihrer Pflege.
(3) Jeder sei seiner eigenen Güter Herr,
wenn er nicht 'Gott' Über sie ausgerufen hat, sodass er sie dem Gott überlassen hat •••• "
( 4f. Anweisungen zur Gelübdepraxis)
III.
6 Unzählige andere (Bestimmungen) gibt-es
neben diesen, welche zu den UNGESCHRIEBENEN
GEBRAEUCHEN UND SATZUNGEN gehÖren oder in
den (geschriebenen) GESETZEN selbst enthalten sind :
(4) Was einer zu erleiden hasst, soll er
selbst nicht tun.
(5) Was einer nicht niedergelegt hat, das
soll er nicht aufheben, nicht aus einem
Gartenbee~ nicht aus der Kelter, nicht
von der Tenne.
= (27)
(6) Nicht von einem Haufen etwas Grosses
oder Kleines wegnehmen, einfach nichts.
(28). 216 135f.
(7) Nicht das Feuer einem Bedürftigen neiden.
(33)
(8) Nicht die Wasserquellen abschneiden.
(33)
(9) Vielmehr : Den um Nahrung bettelnden
Armen und Krüppeln aus Pietät zu Gott
mit frommer Gesinnung darreichen.
(33)
10.19. 22f.
(10) 7 Nicht dem Leichnam das Grab verweigern, sondern soviel Erde darauf werfen, wie es die Frömmigkeit verlangt.
(35)
99
.216
(11) Nicht Grabhügel, nicht Grabsteine der
Verstorbenen verschieben.
(12) Nicht Fesseln, nicht etwas noch
Schlimmeres einem aufbürden, der in
Not ist.
(13) Nicht die Fortpflanzungsfähigkeit der
Männer durch Abschneiden, nicht jene
der Frauen mit sterilisierenden Mitteln
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
187
225
Kap. I I I. 4. 2
PseuPhok :
oder anderen Praktiken zerstören
(a]J.ßA.ouv) 5.
(14) Nicht den Tieren etwas zufügen, entgegen dem was der Gott oder ein Gesetzgeber (•L~) verordnet hat.
(15) Nicht Samen vernichten (a~avC~ELv) 6 .
(13)
184
213
(13b)?
185?
(44)
14f.
(16) Nicht Erzeugtes mit List entziehen 7
(17) 8 Keine betrügerische Waage unterschieben, keine falsche Choinix
(=Getreidemass), keine gefälschte Münze.
(18) Nicht Geheimnisse von Freunden in
Feindschaft preisgeben.
Wozu brauchen wir in Gottes Namen jene
BUZYGISCHEN (VORSCHRIFTEN) ?
IV.
Weitere, zusätzliche (Dinge) beachte
(19) Nicht die Kinder von den Eltern trennen,
auch wenn du diese als Gefangene hälst;
nicht die Frau vom Mann, auch wenn du
durch rechtmässigen Kauf ihr Herr bist.
V.
9 Dies waren bedeutungsvolle und wichtige
(Dinge); andere sind klein und zufällig:
(20) Nicht die Vogelbrut im Nest 8 zerstören.
(21)
84.85?
Nicht die Bitte um Schutz, wie sie
manchmal vorkommt, von zu dir fliehenden Tieren zunichte machen, auch
nicht, wenn es um etwas noch Geringeres geht.
5) 1\].Lßil.6w (=ä].Lßii.Ccntw) heisst eigentlich "aptreiben"; da sich aber hier das Wort
auf die yovn von Mann und Frau bezieht, kann es nicht genau gemeint sein.
Es geht jedenfalls um Kastration, Sterilisation und Abtreibung; vgl. Ap (13) •
6) Wörtl. Uebersetzung, welche den unklar~n Bezug offen lässt : Betrifft (15)
und (16) die in (14) genannten Tiere, oder greifen beide auf (13) zurück ?
(15) verbietet somit entweder Kastration von Tieren (vgl. JOSEPHUS, Ap
2,271), oder Verfehlungen wie Onanie und Coitusinterruptus usw.
7) Zur in Anm. 6 genannten Unklarheit ko~t hier die Textvariante öoil.oÜv/
öouil.oGv hinzu. Logion (16) heisst entweder "den tierischen Nachwuchs nicht
vorzeitig entziehen" (vgl. (20)), oder meint irgendeine Art der Hinterziehung
einer menschlichen Leibesfrucht, oder die Versklavung eines Kindes. WENDLAND,
Die Therapeuten 709, zieht (13), (15) und (16) zu einem Katalog: Kastration, Abtreibung (13); Aussetzung (15); Versklavung, zusammen.
8) ve:01:·tCa. MO.l:OLKCöLo>; könnte auch "Nest unterm Dach" heissen; doch vgl. Dtn
22,6; Ap 2,213; PseuPhok 84.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
226
Kap. III.4.2
Du magst sagen, diese Dinge seien nicht der
Rede wert. Doch das GESETZ, das auch sie umfasst, ist gross und jeder Aufmerksamkeit
wert. Auch die voraussagenden Mahnungen sind
schwerwiegend und die (damit verbundenen)
Verwünschungen (gereichen) zu völligem Verderben.
Und Gott selbst Überwacht sie alle und rächt
sie Überall.
Der Text ist zwar durch kurze Begleitsätze deutlich unterteilt,
doch die Teilstücke I-V bilden fast nie eine gute Einheit. Abschnitt I bringt den schon bei Josephus besprochenen Topos aus
dem Apologeticum von der unerreichten Einfachheit (vgl. Ap 190)
der mosaischen v6~oL
(6,10) und der unerbittlichen Strenge (vgl.
Ap 215-217a) der Bestrafung. Abschnitt II widmet sich zuerst
kurz den familiären Personen- und Besitzverhältnissen und dann
I
in einer für eine Epitome ungeziemend langen Erörterung der
strengen jüdischen GelÜbdepraxis 9 . Abschnitt IV besteht nur aus
dem Doppelwort von der humanen Behandlung familiär verbundener
Gefangener und Sklaven. Abschnitt V beschliesst die Sammlung mit
drei Tierschutzbestimmungen. Der Mittelteil III fällt durch seinen grossen Umfang und durch seine ungewöhnlichen Rahmensätze
auf. Diese 15 (von insgesamt 21) Logien bilden eine negative
Reihe, ausser (9), zu verschiedenen wichtigen Bereichen des
menschlichen Lebens :
(4) eröffnet mit der negativen Goldenen
Regel (wie bei HILLEL !) als Grundsatz die ganze Reihe, in (5)(6) geht es um fremdes Gut, in (7)-(12) um humanes und soziales
Verhalten, in (13)-(16) um die Bewahrung menschlichen (und vielleicht auch tierischen) Lebens, in (17) um Ehrlichkeit und in
(18) um Freundschaft.
Es ist erstaunlich, wie wenig die mosaische Gesetzgebung in dieser ihrer Kurzfassung präsent ist. Eigentlich nur bei den Erörterungen zu den Gelübden in 4f.
(vgl. Lev 27), dem Verbot der
9) Das Gelübdewesen hat Philo öfters beschäftigt, vgl. SpecLeg 2,1-38; REINEMANN, Philons •.• Bildung·85-92.537f., hat gezeigt, dass Philo hierzu (und
zu Fragen des Ternpelkultes) nur "theoretische Kenntnis von Bestandteilen
der 'mündlichen Lehre'" (537) hatte.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 4. 2
Kastration in (13)
familie in (20)
227
(vgl. Lev 22, 24), der Ausrottung der Vogel-
(vgl. Dtn 22,6 u.a.) und vielleicht auch bei
den falschen Massen in (17)
(vgl. Dtn 25,14; Lev 19,35) ist ihr
Einfluss festzustellen. Die anderen Präzepte sind in Sprache
und Inhalt eigenständig und am besten der mit Josephus und
PseuPhok
gemeinsamen Quelle des Apologeticums zuzuschreiben.
Hyp 7,1-9 bietet aber Über Josephus und PseuPhok hinaus weitere
Logien nicht-mosaischen Ursprungs
Die "Wohltäter" in 7,2,
auf deren zufälligen Beschimpfung (~n~a•~ •uxÖv•~) die Steinigung steht (vgl. PseuPhok 80), die negative Goldene Regel (4),
die Grabschändung (11) , die Schuldhaft (12) , wohl auch die beiden unklaren Vorschriften zum Schutz des anep~a (15) und des
y{vvn~a (16) und wieder.sicher die Scqutzbestimmungen in (19)
und (21) .
Bei PHILO wird vollends klar, was bei JOSEPHUS noch unter der
betonten Präsenz des Gesetzes verborgen sein wollte, dass nämlich nicht-mosaische Quellen bei der Gestaltung der Gesetzesepitome vorlagen und darüber hinaus, dass auch nicht-jüdische
Gesetzestraditionen beigezogen wurden. In den Rahmensätzen zum
auffallenden Abschnitt III werden zwei deutliche Hinweise gegeben : zu Beginn von Hyp 7,6 verweist Philo auf ~ypa~a ~an
xai vÖ~~~a, womit er für den jüdischen Raum jenes weite Feld
der fundamentalen, das konkrete Recht Übersteigenden ~ypapo~
vb~o~ des Griechentums einbezieht 10• Im abschliessenden Ausruf 7;8 setzt er einen weiteren Vergleichspunkt in den apat
Boul:Oy ~o~ (=buzygische Verwünschungen), diesen "Vorschrifte.n
über die elementarsten Pflichten der Menschlichkeit" 11 , welche
die Buzygen alljährlich in Athen bei der Eröffnung der Saatzeit,
10) Philo braucht den Ausdruck auf verschiedenste Weise : "'1\ypa(j)OG v6!J.OG ist
ihm ein Gesetz, das nicht auf Stein oder Papier sich darstellt und verkündet, sondern lebendig hervortritt in dem Handeln und Treiben, sei es eines
ganzen Volkes oder einer Gemeinde als Sitte (~ao~;), sei es einzelner hervorragender Vertreter desselben, der Patriarchen oder Heroen, sei es endlich
des höchsten Wesens des Univers1.1ms oder der Gottheit." (HIRZEL,'~ypaCjlo(;
v6!J.OG 17f.). Vgl. HEINEMANN, Die Lehre vom ungeschriebenen Gesetz im jüdischen Schrifttum, bes. 152-159 (Philo) •. 163ff. (Rabbinisches Schrifttum);
PERLES, Die Autonomie der Sittlichkeit 103-108. - Texte u. Kap. 5.1.2,Ziff.a.
11) BOLKESTEIN, Wohltätigkeit und Armenpflege im vorchristlichen Altertum 70.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
228
Kap. III. 4. 2
in Erinnerung an ihren Ahnvater Bou6oyn~, den Erst-Erfinder des
Ackerbaus 12 , ausriefen 13 •
Damit sind zwei Bereiche im nicht kodifizierten Recht der Griechen genannt, welche Philo entweder in den. Sinn kamen, als er
die Logienreihe (4) bis (18) schrieb, oder schon in der Quelle
vorfand 14 • Auffällig ist zudem, dass in (14), also im Innern der
Logienreihe, auf ein TL~ xat vo~oat•n~ verwiesen wird, obwohl
doch Mose,
der Gesetzgeber par excellence, als Urheber der
Gesetzesepitome vorschwebt. Ist damit vielleicht ein Hinweis,
welchen Philo zu tilgen übersah, auf die vor-jüdische Existenz
der ganzen Reihe erhalten geblieben, welche ursprünglich nicht
auf Mose, sondern eine der berühmten griechischen Gesetzgebergestalten Lykurg, Salon, Zaleukos oder Charondas anspielte 16
Die ungeschriebenen Gesetze, die buzygischen Verwünschungen und
die alte griechische Gesetzgebung können wegen dieser textinternen Indizien immerhin als mÖgliche Quellbereiche für diesen Mittelteil III angenommen werden. Dass gerade in ihm die meisten
Logien einem dieser drei Bereiche zugesprochen werden kÖnnen,
12) Vgl. Jub 11,26 : Abraham als Ersterfinder des Saatpflugs. Z,u den Ersterfindern s.o. Kap. II.l, Anm. 17.
13) Zu den Buzygen und ihren Verwünschungen : HAUPT, Varia 36f.; BERNAYS,
Philon's Hyp. und die Verwünschungen des Buzyges in Athen 277-282; SCHMIDT,
Die Ethik der alten Griechen I, 88; II, 278f.; BOLKESTEIN, Wohltätigkeit
und Armenpflege 69ff.; WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Der Glaube der Hellenen II,
87f. ("Was als allgemein hellenische Pflichten anerkannt war, lernt man am
besten aus den Flüchen des Buzyges ••• "); TOEPFER, Art. : Buzyges (l)PRE
3 (1897) 1095-1097; auch CROUCH, The Origin and Intention 87; BERGER, Die
Gesetzesa.uslegung Jesu 380f.
14) Dies vermutete schon BERNAYS, Philon's Hyp. 282.
16) Nach Quaest in Gen 3,16 (MARCUS, Philo Suppl. I, 200) kannte Philo mindestens vom Hörensagen eine vo~o8Eo(a des Pythagoras. Die Proömien zu zwei
pythagorisierenden und stoisierenden Gesetzessammlungen, welche Philo vielleicht im Blick hatte, sind uns von Zaleukos aus Lokroi, dem z.T. sagenhaften, ersten griechischen Gesetzgeber (7. Jhd.v.?), und Charondas von
Katane in Sizilien (6. Jhd.v. ?) bei STOBAIDS 4.2,19 und 2.24 (HENSE II,
123-127.149-155) erhalten. Die hölzernen solonischen Gesetzestafeln
(~~OVEC) waren allgemeines hellenistisches Bildungsgut, vgl. RUSCHENBUSCH
E6AooVOL v6~oL, bes. 50ff.62-69 (Testimonia). Bei JOSEPHUS, Ap 2,154-156
stehen "die Lykurge, Selene und Zaleukos der Lokrier" wie Spätlinge neben
Mose. - Die primären und sekundären Traditionen der drei, und zusätzlich
von Drako, sind getrennt'behandelt bei ADCOCK, Literary Tradition and Early
Greek Code-Makers, bes. 100-108.
·
I
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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229
Kap. III. 4. 2
verstärkt m.E. die blasse MÖglichkeit von der inhaltlichen Seite
her zu einer beachtenswerten Hypothese 17
zu (4)
: Zu dieser semitisierenden Form der negativen "Goldenen
Regel" s.o. Anrn. 1. Hier ist die Bemerkung von CLEMENS v.Al.
wichtig, dass "dem Fluch des Buzyges nicht entrinnen alle, die
anderen das zu tun raten, was sie als für sich selbst unzuträglich ansehen, oder umgekehrt"
(Strom 2.139,lf.), womit er gleich
Tob 4,15 oder Apg 15,29 (D) verbindet. Das "consiliurn fidele
deliheranti dare", welches CICERO, De Officiis 1.16,52 in ähnlichen Zusammenhängen (s. zu (7)+(8)) nennt, spielt ebenfalls
auf eine solche Vorschrift an, obwohl dabei die Goldene Regel
nicht in den Blick kommt.
zu (5) Par Ap (27).216 :Bei DIOGENES LAERTIOS 1 1 56 lautet ein
solonisches Gesetz ~ ~n ~8ou, ~n &vtAn,
Et OE
~n. a~va•o~
n
~n~Ca (LONG I,24), wobei ihm jedoch ein Exzerpt mit Gesetzen
des CHARONDAS in die Feder geriet 18 • Das tatsächliche hohe Alter bezeugt jedoch schon PLATO, Leges XI 913C : c~ ~n xa•tßou,
~n avtf\n; er bezeichnet den Ausspruch als "schönstes und ein-
fachstes Gesetz eines wahrhaft edlen Mannes"
AELIANUS
(BURNET V, ad loc.).
(170-235 n.), Varia Historia 3,46 (HERCHER II, 59)
nennt es ein "stagiritisches und (zusätzlich) gesamtgriechisches
Gesetz". - Lk 19,2lf. belegt die Landläufigkeit solcher Formeln.
zu (7)-(9) Par Ap (33) <+(34)> : Die älteste Zusammenstellung
dieser Grundregeln (Feuer, Wasser, Nahrung, Weg) findet sich,
wenn auch in komödiantischer Verzerrung, bei DIPHILUS (gest.
17) Die ungeschriebenen Gesetze der Griechen sind erst seit dem 5./4. Jhd. v.
gesammelt worden (AISCHYLOS, XENOPHON, ARISTOTELES, pseudo-aristotelische
RHETHORIK an Alexander) , lebten aber auch in den praecepta delphica und den
Sprüchen der sieben Weisen weiter, vgl. HIRZEL,'~ypa~oG vÖ~oG 47; und die
Texte u. Kap. 5.1.2. - Die buzygischen Verwünschungen sind nur aus zerstreuten Bemerkungen zu finden, welche vom 4. Jhd.v.· (DIPHILUS) bis ins 3. Jhd.n.
(CLEMENS v. Al) reichen. Zusammengestellt und besprochen bei BERNAYS,
Philon' s Hypothetika 277-282; BOLKESTEIN, Wohltätigkeit und Armenpflege 69ff.;
vgl. auch Anm. 13. Die Texte sind alle in den folgenden Abschnitten angeführt.
18) Siehe RUSCHENBUSCH, ~OAWVO~ v6~o~ 44.121. CHARONDAS ist teilweise Übersetzt
bei REINEMANN, Philons ... Bildung 55lff.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.4.2
230
275/270 v.)
1
Parasitos Frgt
62 (EDMONDS, FAttCom III A,
129~
als Frage : "Weisst du nicht, was in den Verwünschungen steht
<Verflucht sei,> wenn einer den Weg nicht richtig zeigt, von
seinem Feuer nicht abgibt, das Wasser verdirbt, - oder einem zum
Diner Eflenden in den Weg steht." CICERO verwertet in De Officiis
1,52 und 3,54 (FEDELI 50.177) griechische Quellen 19 , in welchen
er die vier Vorschriften allgemein bekannter Art (communia) vorfindet
1,52
3,54
non prohibere aqua profluente (= Hyp (8)),
pati ab igne ignem capere si quis veli t (vgl. Hyp (7)) ,
consilium fidele deliheranti dare (s.o. zu ·(4)),
erranti viam monstrari {= Ap (34)).
Die letztgenannte ist dabei
~usdrücklich
"Athenis
execrationi-
bus publicis" zugeschrieben. JUVENAL, ein Zeitgenosse des JOSEPHUS, hat Übrigens in der Satire 14,102f.
(OWEN, ad.loc.) dem
mosaischen Gesetz die beiden Vorschriften unterschoben : non
monstrare vias eadem nisi sacra colenti, quaesitum ad fontes
solos deducere verpos {=Beschnittene); daraus lässt sich gut
verstehen, dass Josephus (Über Philo hinaus) zwischen Ap (33)
Par Hyp (7)-(9) und Ap (35) Par Hyp {10) diese Vorschrift in
ihrer universalen Bedeutung als vom mosaischen Gesetz herkommend
anführt.
"Buzyges" scheint mit der Zeit zu einem Uebernamen geworden zu
sein für jemanden, dem das Fluchen leicht Über die Lippen kam.
Zwei recht späte
Sprichwörtersammlungen bei LEUTSCH/SCHNEIDE-
WIND geben jedenfalls eine Erklärung für eine solche Bezeichnung
"Der Buzyges in Athen nämlich, der das heilige Pflügen ausführt,
spricht dabei auch viele andere FlÜche aus, besonders gegen die,
welche (andern) das zum Leben nötige Wasser und Feuer nicht teilen oder den Verirrten nicht den Weg zeigen" 20
zu Hyp {10) Par Ap (35)
Nach DION COCCEIANUS v. Prusa, einem
weiteren Zeitgenossen von Josephus, gehörte das ~n xwAÜE~v TOO~
o
19) Zu 1,52 vgl. BERNAYS, Philon's Hyp 280f. {si quis velit =
ßouAd~EVOG);
in 3,45 spricht der Stoiker ANTIPATROS v. Tarsos {ca. 150-130 v.).
20) Corpus Paroem. Graec. I, 388, Nr. 61 {Vaticanus I, 21
=
Badleianus 250).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
231
Kap. III. 4. 2
ve:xpoO!; acfm:e:Lv (Or 76,5; DE BUDE II, 258) zu den "ungeschriebenen Gesetzen".
Schon die Antigone des SOPHOKLES (454f.) hatte
sich beim symbolischen Begräbnis des Polyneikes mit der Berufung auf ~ypan•a x~o~aAn ae:wv vb~L~a gegen
die
des Kreon verteidigt. Ein Scholion zu Antigone 255
(PAPAGEORGIUS
231) erklärt dazu : "Es heisst aber, dass Buzyges in Athen jene
verfluchte, welche einen Leichnam unbestattet liegenliessen
(ne:pLopwoLv ~-a~ov oß~a = Ap (35)). Das Gebot gehört auch im
semitischen Raum zu einer der obersten Verpflichtungen 21
zu Hyp (11)
: "De sepulcris autem nihil est apud Salonern amplius
quam ne quis ea deleat neve alienum inferat, poenaque est, si
quis busturn - nam id puto appellari aÜ~ßov - aut monimentum,
inquit, aut columnam violaverit, iacerit, fregerit", schreibt
CICERO, Le Legibus 2,63
zu Hyp (12)
= Frgt
72a (RUSCHENBUSCH 95).
: Das Verbot der Schuldhaft ist ebenfalls ein mehr-
fach bezeugtes solonisches Gesetz : ~n 5ave:C~e:Lv ~nL TO~!; o~~aoLv
(Frgt 69a-c; RUSCHENBUSCH 94).
zu (13)- (16); vgl. Ap (12). (13)
Diese die Nachkommenschaft
sichernden Vorschriften waren für Israel und das antike Judentum eigentlich unnötig, da Kinder als eine der meistbegehrten
Segnungen Gottes galten. Schon HEKATAIOS von Abdera er-
wähnt in seinenAegyptiaca (STERN, Greek and Latin Authors 27)
das •e:xvo•po~e:~v als mosaische Vorschrift. - .JOSEPHUS, Ap (12)
lehnt sich bis in die Formulierung an seinen stoischen Zeitgenossen MUSONIUS RUFUS an, der die Frage e:l navTa Ta YLVb~e:va
TEXVa ape:n•tov (HENSE 77-81) positiv beantwortete. Die Philo,
Josephus und PseuPhok gemeinsame, strenge Ablehnung aller
fängnisverhindernden
emp-
Mittel und jeder Form der Kindstötung
durch Abtreibung, Aussetzung u.a. ist wohl in ihrer textlichen
Formulierung aus kynisch-stoischen Traditionen übernommen worden, in welchen das naturgernässe Geschlechtsverhalten und die
21) Als notwendiger Akt der Pietät ist das Begräbnis auch von Feinden seit Jos
8,29; l0,26f.; 2KÖn 9,34 belegt, doch erst in Tob 1,17 u.a. als Gebot festgehalten.
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232
Kap. III.4.2
menschliche Fruchtbarkeit eine starke Aufwertung erfuhren. Dass
aber das Judentum die einzige religiöse und nationale Grösse
war, welche kontinuierlich gegen ähnliche Praktiken ankämpfte,
22
ist damit nicht in Frage gestellt
Vgl. jedoch auch den
hippokratischen Eid (LITTRE IV, 631) und die Inschrift von
Philadelphia (um 100 v.) bei DITTENBERG, Sylloge Inscriptionum
III, Nr.985, 20f., S. 117.
zu Hyp (17) Par Ap (44)
: Besteht hier vielleicht, hinter der
deutlichen Parallele zu Dtn 25,14; .Lev 19,35, ein ursprünglicherer Bezug zur solonischen Mass- und Gewichtsreform ??
zu Hyp (18) Par Ap (24)
Siehe den mehrfach Überlieferten Ein-
zeiler : "Im Zorn verrate nicht das Geheimnis des Freundes",
bei CHARES, Gnome 20
= MENANDROS,
Monostichen 567; Frgt
XV,l; Comparatio Menandris et Philistionis I, 45ff.
JAEKEL, Menandri Sententiae 20.27.65.89)
= PHILEMON,
Pap
(alle bei
Frgt
233
(KOCK II, 537).
Dass der Mittelteil III der phiionischen Epitome zum grössten
Teil aus altgriechischen ethischen Weisungen besteht, ist wohl
nicht mehr in Zweifel zu ziehen. Die beiden Schlussätze in Hyp
7,9 bringen das in gedrängter Form und auf unbeabsichtigte Weise nochmals zum Ausdruck. Die "Verwünschungen" (Ö.pa{ !) erinnern
Überraschend noch einmal an Buzyges, aber auch an den "Fluch
des Staates" bei CHARONDAS (STOBAIOS,
4.2~24;
HENSE II, 154)
und wenn Gott selbst als Bewacher und Rächer der Gesetze genannt
wird, so entspricht das noch einmal dem, was DION COCCEIANUS v.
23
Prusa, Or 76,5,über die göttliche Züchtigung gesagt hat . .
22) BERNAYS, Ueber das Phok. Gedicht 30, nennt die Aussetzung eine "classische
Unsitte", welche "bei den Juden nie eingerissen war". USENER hat jedoch bei
der Herausgabe der Gesammelten Abhandlungen, 243, Anm. 1, einen Nachtrag
aus der Hinterlassenschaft angefügt, in welchem BERNAYS aus den Bestimmungen
Über die Findelkinder (0'~101-1) in bQid 73b folgerte, "dass die Unsitte später auch unter den Juden eingerissen war"; vgl. auch HEINEMANN, Philons ..•
Bildung 293, Anrn. 5.
23) Aehnlich auch bei XENOPHON, Memorabilien 4.4,24 : Die ungeschriebenen Gesetze enthalten in sich die Strafe, wenn sie Übertreten werden. "Das scheint
mir das Werk eines besseren als eines menschlichen Gesetzgebers zu sein"
(JAERISCH 294f.).
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Kap. III. 4. 2
233
Was wir in Hyp 7,6-9 vor uns haben, ist somit keine Epitome des
mosaischen Gesetzes, sondern authentische griechische Fundamentalethik, welche nur leicht Überarbeitet, mit Begleitsätzen versehen und mit einigen Ueberbietungen aus der Bibe1 24 ausgestattet wurde. Indem sie Philo als mosaische Gesetze deklariert, gestaltet er eine kleine Sammlung von "Gnomen des Mose", welche
inhaltlich fast völlig in die hellenistischen Gnomensammlungen
passt und nur im RÜckbezug auf die Einzelperson des Mose und in
der Situierung zwischen der panegyrischen Darstellung der Ergebenheit des israelitischen Volkes an das mosaische Gesetz und
den langen Darlegungen zum Sabbatgebot in etwa ein jüdisches
Gepräge bekommt.
Die Problematik eines solchen Verfahrens lässt sich gut an den
wenig bekannten~~~v~TL~ 6noanxaL verdeutlichen: Amenhotep, der
Sohn des Hapu, war ein berühmter Weiser unter Amenophis III (14021364)25, welcher in ptolemäischer Zeit vergöttlicht als "vortrefflichen Mundes wie Thot" mehrmals in der Gegend von Deir elBahri anzutreffen ist. Von seinen "unvergänglichen Sprüchen"
ist auf einem Ostrakon (3. Jhd.v.) aus der gleichen Gegend eine
kleine Kollektion erhalten 26 :
Unterweisungen des Amenote.s.
(1) Klugheit Übe mit Gerechtigkeit.
(2) Gleich ehre die Götter wie die Eltern.
(3) Ueberleg lange, vollbring aber schnell, was du
tun willst.
(4) Edle (Menschen erachte für) weise, aber die
(5) <Wenn> du einen Gerechten siehst .•• nimm auf .••
( 6) ......... en, schöner aber ...
24) Neben der Strafverschärfung (s. bei JOSEPHUS) gehört vielleicht dazu auch die
Nennung der Wohltäter in 7,1, vgl. das cO~G EOEPY~caLG xctpLv &no5L56vaL.
als ungeschriebenes Geset.z in der RHETORIK an Alexander 1 und den delphischen Präzepten (s. Kap. 5.1.2, Ziff.a). Vielleicht wird auch in Hyp (18)
das einfache &n6ppnca KpÜncE, und in Hyp (21) mit den schutzflehenden Tieren das kurze tK~cac tA~EL überboten, die sich beide auf dem titulus Miletopolitanus (s. ebd.) finden.
25) Zur Person vgl. SETHE, Amenhotep, der Sohn des Hapu 107-116; DAWSON, Amenophis the Sen of Hapu 113-138, bes. 134f. (Verbindung zu den Sprüchen des
Amenemope?). VgL JOSEPHUS, Ap 1,230-250, bes. 232-243 (Amenophis, Sohn des
Paapios = Amenotis, Sohn des Hapu); vgl. STERN, Greek and Latin Authors,
Nr. 21, bes. S. 84.
26) Ed.: WILCKEN, Zur ägyptisch-hellenistischen Literatur 143
(Uebers. von mir).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 4. 2
234
(Für mehr) als Weihegeschenke ••• erachte die Tugend
••••• Menschen.
(8) Nicht ••••••••••••••••• , sondern das NÜtzliche
(9) (Besseres als) Tugend zu Üben, gibt es nicht.
(7)
(10)
Die Herkunft dieser "Amenhotep-Hypotheken" ist klar : Die Logien
(1) bis (3) sind "Worte der 7 Weisen", wie sie- mit kleinen
Unterschieden - in den Sammlungen des Demetrios, des Scsiades
und bei BOISSONADE, Anecdota Graeca I, 135-143, vorkommen 27 •
Die restlichen Logien lassen sich zwar in genau gleicher Form
nicht belegen, passen aber völlig in denselben weisheitliehen
Gedankenkreis. Kurze Zeit nach der klassischen Sammlung des
Demetrios von Phaleron (unter Ptolemaios I Soter; reg. 323-285
v.) hat hier jemand diese bekannten Sprüche aufgenommen und dem
grossen Weisen seiner eigenen Region, Amenhotep, zugeschrieben.
Die beiden Aegypter, der Anonymus und Philo, bedienen sich eines
ähnlichen Verfahrens : Sie ziehen altgriechische.Spruchweisheit
fast tale quale bei, um die Grösse der eigenen Meister im Unterschied zu den griechischen darzustellen. Philo verarbeitete das
Fremdgut zwar viel besser als der Amenhotep-Verehrer, der nur
einige Retouchen anbrachte und vor allem die pseudepigraphische
Zuschreibung voranstellte, prinzipiell
tun aber beide dasselbe.
Kann da noch von "Weisheit des Amenhotep", von "Weisheit des
Mose" oder von frühjüdischer Weisheit die Rede sein ? Gibt es
Überhaupt wesentliche Unterschiede zwischen Amenhotep, der Epitome des Philo und den als Vorlage dienenden "t1orten der Weisen"
aus den griechisch-hellenistischen Gnomologien ? Was geschieht
zudem,'wenn die offensichtlichen Formen der RÜckbindung an die
·eigene Tradition und Weisheit der Pseudepigraphie weichen und
kein Kontext mehr zur näheren Bestimmung vorhanden ist ?
Diese Fragen werden im nächsten Kapitel, das den pseudophokylideischen Sentenzen im Rahmen der griechischen Spruchsammlungen
27) Vgl. u. Kap. 5.1.2,Ziff.a. - Logion (3) findet sich auch in den praecepta
Delphica II, llf. (DITTENBERG, Sylloge Inscriptionum III, 396).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 4. 2
235
nachgeht, in ihrer ganzen Deutlichkeit zu stellen sein. Bis
jetzt ist jedoch klar geworden, dass wir mit der "Gesetzesepit:orne" des Philo einen Schritt weiter über JOSEPHUS, Ap 2,190-210,
hinaus in jenen Bereich hineingeraten sind. Die progressive
Oeffnung auf griechische Traditionen und deren Integrierung in
frühjÜdischen Kontext lassen sich in diesen Texten geradezu
beobachten.
Das Vakuum, das zwischen der postulierten "besten
Gesetzgebung" des Mose und den eher kargen Wegweisungen bestand, welche sich daraus für die konkrete Gestaltung des Lebens in frühjÜdisch-römischer Zeit und in der Diaspora gewinnen
liessen, zog fundamentale Lebens- und Gesetzesweisheiten aus
der griechischen Umwelt an und nahm sie ins eigene Fundament
hinein. Indern spezifisch inner-jüdische Vorschriften einerseits
und typisch griechische Vorstellungen andererseits vermieden
wurden, entstand die jüdisch-hellenistische "Gesetzesepitorne"
des Philo. Sie stellte somit jene gerneinsame Basis dar, auf
welcher sich die Weisheiten der beiden Kulturen trafen, und
konnte so dem Frühjuden ein Leben und Denken ermöglichen,
das
nicht nur aus Diskrepanzen und Polemik bestand, sondern
sich auf einen gemeinsamen Katalog fundamentaler Uebereinstirnrnungen berufen durfte.
Selbst wenn Philo's Ausführungen apologetisch gestimmt und teilweise akademisch sind, so zeigt sich in ihnen doch etwas von
der Geisteshaltung des damaligen gebildeten Juden der Diaspora
u n d
- wie JOSEPHUS, Ap 2,190-210 gezeigt hat - des palästi-
nischen Stammlandes. Fragt man unvoreingenommen,
wi
e
früh-
jÜdische Weisheit in diesen nicht orthodoxen Kreisen ausgesehen
hat, dann ist deshalb hier eine Antwort gegeben.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
5,
DIE "~NOMEN DES PHOKYLIDES"
IM RAHMEN DER GRIECHISCHEN GNOMOLOGIEN
Mit PHILO, Hyp 7,1-9 sind wir an den Rand der Pseudepigraphie
geraten. Aus dem mosaischen Gesetz ist eine Weisheitslehre entstanden, welche nur noch locker mit ihrem Ursprung verbunden
ist. Angaben des Textes selbst und vor allem die besten Vergleichsmaterialien haben eindeutig in die Welt der griechischen
Sentenzenweisheit als Herkunftsgebiet verwiesen. Die Einholbewegung ist bei Philo so gross geraten, dass sie sich nicht mehr
bruchlos rückschliessen lässt.
Wenn wir uns nun den Gnomen des Phokylides und in Kap. 6 der
Sentenzensammlung desPseudo-Menander zuwenden, haben wir den
Schritt in die Pseudepigraphie und gleichzeitig in die griechische Gnomik mitzuvollziehen. Es stellt sich die schwierige Frage
nach dem Sinn pseudepigraphischer
Weisheit in frühjüdischer
Zeit : Haben wir es noch mit jüdischer Weisheitsliteratur zu
tun, obwohl sich zwischen Philo, Hyp 7,1-9 und PseuPhok die
paradoxale Verschiebung von der Mose-Pseudepigraphie zur Phokylides-Pseudepigraphie ereignet hat ? Vor allem aber öffnet sich
das weite und schwierige Gebiet der griechischen Anthologienund Gnomologienliteratur, in welcher PseuPhok und PseuMen zu
situieren sind. Gerade für die Gattungsfrage ist eine solche
Situierung hilfreich. Es werden deshalb im folgenden zuerst einige für unseren Zeitabschnitt wichtige Sammlungen griechischer
Gnomik vorgestellt. Danach erst soll PseuPhok auf seine Weisheitlichkeit und seine frühjüdischen Charakteristiken befragt
werden.
(236)
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 5.1.1
237
5.1 Griechische Anthologien und Gnomelegien
5 .1.1 Die "Anthologia Graeca" und die gefälschten jüdischen
Klassikerverse
Das klassische Werk griechischer Sammeltätigkeit liegt in der
sogenannten ANTHOLOGIA GRAECA vor, welche auf Konstantinos
KEPHALAS (kurz vor 900 n.) als den ersten Kompilator zurückgeht,
aber auch die Erweiterungen seines Werkes, wie sie in der
ANTHOLOGIA PALATINA (um 980 n.) und schliesslich in der ANTOLOGIA PLANUDEA (1299) vorliegen, umfasst. Trotz dieser späten
Abfassungszeit erlaubt. es die Analyse der mehreren tausend Epigramme, die Entstehungsgeschichte der Anthologie bis in die
vorchristliche Zeit hinabzuverfolgen 1 • Ein Blick auf die drei
ältesten Sammlungen, welche sich noch als solche erkennen lassen, enthÜllt einen für unseren Zeitabschnitt bezeichnenden
Sachverhalt
MELEAGROS von Gadara (ca.l40-70 v.) 2 stellte in seinem Iverk
L:n:<J)avo!; Epigramme von Archilochos (um 680-640 v.) bis zu ihm
selbst (ca. 50 Autoren), wohl in alphabetischer Reihenfolge,
zusammen. Das Proömium ist in AnthGraec IV,l (BECKBY I, 222-225)
noch erhalten.
PHILIPPOS von Thessalonike (um 40 n.) ahmte, wie er selbst sagt,
Meleagros nach und führte in gleicher Manier und in einem gleichnamigen Werk die Sammlung von Gnomen und Anekdoten von 17 Autoren bis zu ihm selbst weiter. Auch sein Proömium steht in AnthGraec IV,2 (BECKBY I, 224-227).
DIOGENEIANOS von Herakleia am Pantos (um 140/150 n.) sammelte
in der Fortsetzung Satiren und Sympotika seit Philippos. Seine
Sammlung ist, nach Sachgruppen geordnet, vor allem in AnthGraec
XI, 65-255 (BECKBY III, 580-671) zu finden.
Diese drei Autoren folgen jeweils ca. 100 Jahre aufeinander und
bilden im bewussten Aufgreifen und Weiterführen eine anthologil) Ich stütze mich dabei auf das Kapitel "Geschichte der Anthologia Graeca"
bei BECKBY, Anthologia Graeca I, 62-99; bes. 63-65.
2) Dass der Ausgangspunkt der AnthGraec gerade in Palästina zu finden ist, ist
nicht nur eine angenehme Zufälligkeit, sondern entspricht der kulturellen
Bedeutung, welche Gadara und andere Städte wie Askalon, Gaza, Gerasa, in
hellenistischer Zeit innehatten. Zum grossen gadarenischen Dreigestirn
MENIPPOS, MELEAGROS und PHILODEMOS s. HENGEL, Judentum und Hellenismus 152157. Meleagros erwähnt Übrigens als erster den Sabbat : AnthGraec V,l60;
vgl. STERN, Greek and Latin Authors l39f.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.S.l.l
238
sehe Traditionskette, welche ungefähr dem Zeitraum des FrÜhjudentums und des Urchristentums entspricht. Papyri, Ostraka und
Testimonien bezeugen zwar vielfache anthologische Sammlungen bis
ins 3. Jhd. v. hinauf 3 , doch mit Meleagros, Philippos und Diogeneianos wird erstmals eine Bemühung sichtbar, dichterische
Epigramme über lange Zeit hinweg.systematisch zu sammeln. Sie
wurden dadurch zum Ausgangspunkt aller späteren Sammlungen, aus
welchen die Anthologia Graeca besteht.
Gerade deshalb sind sie von symbolischer Bedeutung für ihre
Zeit, welche in der RÜckbesinnung auf die klassische Grösse das
Erbe sammelnd bewahren und fÜr die Gegenwart erschliessen, zugleich aber auch, in der Weiterführung der Sammlung bis in die
jeweilige Jetzt-Zeit, die Präsenz guter Dichtung demonstrieren
will. Anthologien eignet deshalb ein gewisser literaturgeschichtlicher Makel der Ambivalenz, sie bleiben aber trotzdem Sammlungen, die im Dienst des Kunstgenusses stehen und primär weder
ideologische Propaganda noch moralische Aufrüstung betreiben
wollen 4 • Sobald jedoch ein Motiv hinzutritt, das nicht rein
literarischer Art ist, wird die Anthologie zum leichten und geeigneten Mittel, im Namen eines grossen Alten neuen Gedanken zu
Ansehen zu verhelfen.
Dass das Zeitalter der aufkommenden Anthologien auch jenes der
Pseudepigraphie ist, hängt somit nicht unwesentlich zusammen.
Die frühjüdischen Autoren haben sich jedenfalls diesen propagandistischen
Ansatzpunkt nicht entgehen lassen. Die Anthologie
3) PLATO, Leges 811A (DIES, Les Lois VII, 44f.) ist der älteste Verweis auf eine
Schulanthologie.- BARNS, A New Gnomclogion 134f., nennt 7 Papyri a-q.s .dem
3. Jhd.v. bis ins späte 3. Jhd.n., welche z.T. in der Anthologia Palatina
wieder auftauchen; vgl. CHADWICK, Art. : Florilegium, RAC 7 (1969) 1133f.
Das Schulbuch aus Kairo (3. Jhd.v.), welches GUERAUD/JOUGUET, Un livre d'ecolier du 3. siecle avant J.-c., veröffentlicht haben, ist nicht eigentlich
mitzuzählen, da es zu Aussprache- und Leseübungen bestimmt ist und nur deshalb neben blossen Silben und Silbengruppen auch Dichterverse bringt.
4) In Anlehnung an BARNS, A New Gnomclogion 132-137, wird hier die Unterteilung
der vielfachen Sammlungen nach ihrer Sammlerintention vorgenommen, welche
sich in der Auswahl und der forma.len Gestalt des Materials spiegelt. "Anthologie" brauche ich für Sammlungen mit rein literarischem, "Gnomologie" für
Sammlungen mit pädagogisch moralisierendem Zweck. s. jedoch die Kritik bei
LUSCHNAT, Vorwort zum Neudruck, in : STERNBACH, Gnomologium Vaticanum, S.
VIII, Anm. 3.
'
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.S.l.l
239
gefälschter Klassikerverse, welche uns in verschiedener Brechung
bei Pseudo-Justinus, Clemens v. Al, und Eusebius erhalten ist 5 ,
stellt Aischylos, Sophokles, Euripides, Orpheus, Pythagoras,
Hesiod, Homer, Kallimachos/Linus, Diphilus, Philernen und schliesslich auch Menander in den Dienst der jüdischen Gottesidee. Was
die frühjüdischen Exegeten, Historiker und Romanciers (s.o. Kap.
II) taten, indem sie alle kulturellen Errungenschaften der damaligen Zeit auf Israel als der Mutter aller dieser Weisheit zurückzuführen versuchten, bekam in dieser pseudepigraphischen
Anthologie einen anderen. Ausdruck mit einem ganz neuen Akzent.
Es stand hier nicht mehr der Gedanke im Vordergrund, dass in
Israel alles vor den andern VÖlkern entdeckt und geschaffen wurde,
sondern dass auch bei den Griechen, und zwar den besten und bekanntesten, jene zentralen Gedanken zu finden seien, welche zu
den grossen Anliegen der jüdischen Religion gehören. Die Absicht, "zum einen die Uebereinstimmung des jüdischen Monotheismus mit dem griechischen Denken darzutun, zum anderen die Ermahnung zu sittlichem Tun und den ihr zugeordneten eschatologischen Gerichtsgedanken als ih der griechischen Tradition begründet zu erweisen" 6 , scheint mir dabei am Ursprung dieser jQdischen Pseudepigraphie zu stehen, welche ihre Identität hinter
einem griechischen Autorennamen versteckt. "Gebildete Juden und
interessierte Heiden" 7 mit Interessen, die Über den Rahmen ihrer
traditionellen Religiösität hinausreichten, und mit deutlichen
Tendenzen zum kulturellen und religiösen Ausgleich waren sehr
wahrscheinlich die Adressaten solcher Schriftstellerei. Der
alexandrinische Verfasser der genannten Anthologie, der wohl
8
im 1. Jhd. v.Chr. gelebt hat , ist für uns der älteste Zeuge
für diese tolerante Weise, als Jude seine Glaubensüberzeugungen
5) Die Texte sind bequem zusammengestellt bei DENIS, Fragmenta 161-174. Dazu :
DERS., Introduction 223-238; auch SCHUERER III, 595-603. Vielleicht ist auch
in Strom 6.5-27, der Katene vom gegenseitigen Diebstahl der Griechen, eine
hellenistisch-jÜdische Quelle verarbeitet; vgl. PERRETTI, Teognide nella tradizione gn0 mologica, 82-92.
6) FISCHER, Eschatologie und Jenseitserwartung 29.
7) Ebd. 30.
8) Vgl. WALTER, Der Thoraausleger Aristobulos 200f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 5.1. 2
240
darzulegen. PseuPhok und
Pse~len
sind jedoch ebenfalls in die-
ser Linie zu sehen, eine Linie, die sie zugleich bis dorthin
weiterziehen, wo sie sich völlig mit den Sammlungen griechischer
Weisheit vermischt.
5.1.2 Zur griechischen "Gnomik" : Einige griechische Gnomalegien
Bedeutsamer als die Anthologien sind für unsere Fragestellung
die griechischen Gnomologien. Dies sind Sammlungen von kurzen
Worten berühmter Weiser, in welchen deren Weisheitslehre in
prägnanter Form· - obwohl oftmals in Prosa - zum Ausdruck kommt.
Das literarische Interesse tritt dabei in den Hintergrund zugunsten der Belehrung, der Vermittlung von Einsichten zur besseren Bewältigung des Lebens (s.o. Anm. 4). Umso stärker tritt
die Persönlichkeit des Autors als Garant· für die Wahrheit der
Sprüche hervor.
Die Erforschung dieser griechischen AÖyoL oo~oov - Traditionen
ist eines der strapaziösesten Gebiete der griechischen Literag
tur , da sich der Gnomenbestand wegen der fast unendlichen Verschlingung der Einzelworte durch stets neue Arrangements nur
schwer der kritischen Analyse erschliesst 10 • WACHSMUTH's und
ELTER's Rekonstruktionen alter Gnomalegien aus der Konvergenz
9) Ausgezeichnete Ueberblicke bei HORNA, Gnome, Gnomendichtung, Gnomologien,
PRE Suppl. 6 (1935) 74-90; CHADWICK, Art. : Florilegium, RAC 7 (1969)
1131-1160. ELTER, De gnomologiorum Graecorum historia atque origine commentatio, 9 Programme der Universität Bann 1893-1896 (Detailangaben s. Lit.Verz.) ist grundlegend für die geschichtliche Rekonstruktion der Einzelsammlungen, aber bes. in den Teilen V-IX (Aristobul, Justin) veraltet; vgl.
SCHUERER III, 516-519.601-603; WALTER, Der Thoraausleger Aristobulos 86-88.
173-177. 187-201. - Hilfreich ist auch hier die Bibliographie bei STROEMBERG,
Greek Proverbs 109-122. Die einzige Textsammlung ist m.W. ORELLI, Opuscula
Graecorum veterum sententiosa et moralia, Leipzig 1819 und 1821 !
10) Dazu nur das illustrative Beispiel, das HORNA, Art. : Gnome usw. 87, anführt:
"Von Krumbacher <dem Begründer der Byzantinistik> wurde ••• ein Preisausschreiben der Münchener Akademie veranlasst, die 1901 einen Betrag von
1500 M für eine 'bibliographisch-literar-historische Uebersicht der griechischen Gnomalegien und ihrer Ueberlieferung' aussetzte. Da in mehr als vier
Jahren keine einzige Arbeit einlief, wurde das Preisausschreiben nicht wiederholt. Die in der Tat auch noch heute ungeheure Schwierigkeit der Aufgabe
hat Bewerber abgeschreckt .•• ".- Unvollständige Aufzählungen s. bei WACHSMUTH, De Gnomologio Palatine indedito 9-14 (18 Sammlungen); STERNBACH, De
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.1.2, Ziff. a
241
-t erer Gnomensamm1.
. t es zu ver d an k en,
von Te1"1 en spa
ungen ll 1s
dass sich einige Gnomensammlungen in ihrer antiken Gestalt wiederfinden und herstellen liessen. Die zahlreichen Papyrusfunde
aus Aegypten bieten hier aber einen zusätzlichen, bequemeren
Zugang von unten her. Zudem haben sich viele kleinere und grössere Sammlungen wie diejenigen von Theognis, Menander, Epikur,
Pythagoras dank ihres Eigengewichtes oder innerhalb eines grösseren Sammelkentextes erhalten.
Einige dieser Logoi-Sophon-Traditionen des Hellenismus, auf welche immer wieder - manchmal ohne Kenntnis - von exegetischer
Seite verwiesen wird, seien hier auswahlweise 12 mit der wichtigsten Literatur vorgestellt und kurz auf ihre inhaltlichen
und formalen Eigenheiten hin Überprüft.
a) Praecepta Delphica, Worte der 7 Weisen, ungeschriebene
· Gesetze, buzygische Verwünschungen
Diese vier Textgruppen, die zum Teil nur schwer fassbar sind,
stehen zueinander in vielfachen Bezügen und bilden gemeinsam
den ältesten uns zugänglichen Grundstock griechischer Ethik und
Gnomologio Vaticano inedito 2-4 (ca. 20 Sammlungen). GUTAS, Greek Wisdom Literature in Arabic Translations 9-35, hat das Verdienst, in neuerer Zeit die
gesamten edierten griechischen Gnomologien (zusätzlich das unedierte, wichtige Corpus Parisinum ; Codex Paris. Gr, 1168, ff. 83r-170r) zusammengestellt,
beschrieben und auf deren Interrelationen untersucht (vgl. das Diagramm, S.
34) zu haben, zwar als Vorarbeit zur Ed. seines arabischen Werkes, jedoch in
der Hoffnung (vgl. 4f.) auf "a renewed interest in the Greek gnomologia" (5).
Eine eigentliche Monographie, obwohl schon von ELTER versprochen, steht noch
aus.
11) WACHSMUTH, De gnomologio Palatine inedito; Gnomologium Byzantinum; ELTER,
De gnomologiorum graecorum historia; rv~~LKa ß~oLw~aca.
12) Die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig. Weggelassen s.ind die gutbekannten Werke HESIOD's und THEOGNIS', die verwirrend zahlreichen Fragmente
von Sentenzensammlungen der griechischen Tragiker und Komiker; alle nur aus
Testimonien oder verstreuten oder durch langwierige Rekonstruktionen erlangten Texte, wie etwa SOLON's "Gnomen zu sich selbst" (DIOGENES LAERTIUS 1,
61; LONG I,26), die yv~~aL KvCöLaL, die in die hippokratischen Aphorismen
(LITTRE, Oeuvres completes IV, 458-609) eingegangen sind, oder der von ELTER
postulierte thesaurus sententiarum des CHRYSIPPOS. Aber auch Sammlungen, welche ebenso gut wie die ausführlicher angeführten zu behandeln wären, fehlen,
so etwa die Worte des SIMONIDES (GRENFELL/HUNT, Hibeh Papyri I, 64-66; vgl.
RICHARDS, The Sayings of Simonides 41), des DEMOPHILUS und SECUNDUS (beide
bei MULLACH, Fragmenta philosophorum Graecorum I, 485ff.497ff. 512-515), des
FAVORINUS (FREUDENTHAL, ZuPhavorinus 408-430.639f.). Anonyme Kollektionen fin·
den sich bei BOISSONADE, Anecdota Graeca I, 113-119 (yvß~aL ÖL~~OPOL) .120-126
(~LAOOÖ~wv A6YOL); II, 467ff. (YVW~LK~ cLVa); III, 465-474 (YVW~LK~ cLVa) 1
und bei SCHENKEL, Das Florilegium'~PLOcov xa\ np~cov ~~ön~a; Florilegia duo
graeca 6-13: ~LAoo6~wv A6yoL (; BOISSONADE, op. cit. I, 120-126).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.1.2, Ziff. a
242
Lebensweisheit. Die delphischen Praezepte und die Siebenweisenwerte sind in mannigfachen Listen verschiedenen Umfangs vorhanden. Das älteste Zeugnis ist die Inschrift am Gymnasium von Thera
aus dem 4.
Jhd~v.,
welche uns vier bis fünf Kurzzeilen bewahrt
hat. Der "titi.llus Miletopolitanus" auf einem "wohl zu Schulzwecken hergerichteten Stein" 13 aus Kyzikos belegt im 3. Jhd. v.
die
pädagogische Verwendung und Erweiterung der alten Kurzzei-
len. In'Aegypten sind die pseudepigraphischen Hypotheken des
Amenhotep ein seltsames Ueberbleibsel. Bei STOBAIOS 3 .1, 172f.
finden sich die beiden Sammlungen des Demetrios von Phaleron
(ca. 350-280 v.) und des Scsiades (?), in welchen ähnliche
Präzepte als ano~~y~a•a oder DnoanxaL zusammengestellt sind.
Es sind aber auch weitere Varianten bekannt geworden (s.u.).
Inschrift von Thera '(4. Jhd. v.):
HILLER VON GAERTRINGEN, Inscriptiones Graecae XII/3, 188, Nr. 1020. 14
a) ~Eyy [ua napa o''K•a]
(Bürgschaft, schon ist Unheil da,
THALES 1 15 )
I: [nouöa~a ~e:A.thaJ
(Um Ernstes bemüh dich
SOLON 7)
Mno€v ~yav
(Nichts allzu sehr.
SOLON 1)
rvßa [ L] cre:au•Öv
(Erkenne dich selbst
CHILON 1)
(Das Mass ist das Beste.
KLEOBULOS 1)
b) :>'ApLcr•o[v •Ö ~thpov]
Inschrift. von Kyzikos (3. Jhd. v.) :
DITTENBERGER, Sylloge Inscriptionum Graecarum III, 392-397, Nr. 1286
phicorum Praecepta Titulus Miletopolitanus.
II.
I.
.1.
2.
3.
4.
5.
Del-
Den Freunden hilf ·~
Den Zorn beherrsche
Ungerechtes fliehe :
Bezeuge was recht ist
Die Lust beherrsche :
1. Verwirkliche das Aeusserste :
2~ Sei allen freundlich gesinnt
3. Ueber die Frau herrsche
4. Tu dir selbst gut
5. Sei freundlich :
13) DIELS, Fragmente der Vorsokratiker 62, Anm. 20; vgl. HENSE, Die Kyzikener
Spruchsammlung 765-768•
14) Wo im Folgenden jeweils keine Uebersetzungen vorhanden sind, füge ich, falls
der Text nicht zu umfangreich ist, meine eigene an. Textprobleme können dabei
nicht erörtert werden.
15) Ergänzt aus STOBAIDS 3.1,172 (HENSE I, 111-125); die Ziffern nach der Zählung
von SNELL, Leben und Meinungen 96-99.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
243
Kap. III.5.1.2, Ziff. a
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
Das Schicksal achte !
Die Vorsehung ehre !
Den Eid gebrauche nicht
Die Freundschaft liebe
Bildung erwirb dir
Der Ehre jage nach
Die Tugend lobe !
Tue Gerechtes !
Eine Gefälligkeit erwidere
Freunden sei gutgesinnt !
Feinde halte fern !
Die Verwandtschaft pflege
Von Schlechtigkeit halt dich fern!
Sei gewöhnlich/leutselig !
Das Eigene bewahre !
Dem Freund sei gefällig !
Den Stolz verabscheue !
Sei still (guten Rufes?)
Schutzsuchender erbarm dich
Die SÖhne erziehe !
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
Antworte zur Zeit
Müh dich um einen guten Ruf
Von Sünden bekehr dich
Das Auge beherrsche !
Freundschaft bewahre !
Gib nicht vorschnell Ratschläge
Handle bündig !
Das Gebührende teil zu !
Um Eintracht bemühe dich
Nichts schätze gering !
Geheimes halt verborgen
Zu herrschen fürchte !
Glaube nicht vorschnell
Sprich (nicht) zum Vergnügen
Verehre das Göttliche !
Den rechten Moment nimm an !
Feindschaft löse auf !
Der Stärke rühme dich (nicht)!
Auf das Alter sei gefasst
Nütze den Vorteil aus !
Einen guten Ruf strebe an
Schäm dich der LÜge !
Feindschaft fliehe !
Glaubend <täusche> dich nicht!
Bereichere dich rechtrnässig !
An Vereinbarungen halte fest !
Editionen von Kollektionen der Sieben-Weisen-SprÜche :
HENSE, Ioannis Stobaei Florilegium I, 111-125 (Demetrios v. Phaleron); 125128 (Sosiades) .- SNELL, Leben und Meinungen 94-105 : dt. Uebers. der Demetriossprüche.
BOISSONADE, Anecdota Graeca I, 135-143 (vgl. auch 143f.l45f.)
christlich überarbeitete Präzepte.
147 zum Teil
SCHULTZ, Die sprücheder delph,ischen säule 215f. : .92 Präzepte unter dem Titel Twv ~n•h ao~v napayy€A~a•a ~.Lva eÜp€&noav xexoAa~~€va ~nL
•ou €v ßeÄ~o~~ xCovo~.
WOELFLIN, Sprüche der Sieben Weisen 287-298.
WILCKEN, Zur ägyptisch hellenistischen Literatur l42-146
Amenotes (dt. Uebers. s.o. S. 233f.).
Hypotheken des
Die Bedeutung und der Einfluss dieser Kataloge sind kaum zu Überschätzen und haben über die griechische Kulturwelt hinaus sowohl
das Judenturn (s. o. Kap. 4) wie auch das Christenturn (vgl. lPetr
2,17) in vielfacher Form beeinflusst, wenn immer es um Herstellung oder Bewahrung einer humanen Gesellschaft ging : "Haec religio Delphica, si fas est ita dicere, per totatern antiquitatern
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
244
Kap. III.5.1.2, Ziff. a
usque ad Cpolim (lies : Constantinopolim) captam valuit neque
exstincta est plane aut Iudaeorum decalogo aut Evangelii praeceptis"16.
In ihnen fanden die ~ypa~oL vÖ~oL,
deren Ursprung und Entste-
hungszeit dem Wissen der Menschen grundsätzlich entzogen (vgl.
SOPHOKLES, Antigone 454-457, PEARSON, ad loc.) und tatsächlich
unbekannt sind, ihren Ausdruck und ihre Weiterführung. Die klassischen Stellen, an denen sie erwähnt werden, sind :
XENOPHON, Memorabilien 4.4,19-24 (JAERISCH 290-295)
19
20
24
Als erste die Götter verehren (crEßeLv).
(dann) die Eltern ehren (TL~&v) •
Weder die Eltern den Kindern, noch die Kinder den
Eltern beiwohnen.
Den Wohltätern wieder Gutes tun.
SOPHOKLES, Antigone 454f.
(PEARSON, ad.loc.)
Tote bestatten
ARISTOTELES, Rhetorica !,13. 1373b (ROSS 57f.)
Tote bestatten (mit Zit. v. Sophokles).
Nicht das Beseelte töten (mit Verw. auf Empedokles).
PSEUDO-ANAXIMENES, Rhetorik an Alexander 1 (SPENGEL I,l3f.)
Die Eltern ehren (TL~&v),
und den Freunden gut tun,
und den Wohltätern erwidere die Gefälligkeit,
dies und dem Aehnliches •••
PLUTARCH, De liberis educandis 7E (BABBIT !,34).
Die Philosophie ist das einzige ~~p~aKov für die Krankheiten
der Seele. Sie lehrt uns die Unterscheidung von Gut und BÖs
(7D) und die rechte Haltung zu Gott und allen Menschen :
Denn man muss
die Götter verehren (creßea8aL)
die Eltern ehren (TL~&v)
den Alten Ehrfurcht zeigen (alöe~cr8aL)
den Gesetzen gehorchen
den Herrschern sich fügen,
die Freunde lieben,
mit Frauen vernünftig verkehren,
die Kinder liebhaben,
die Sklaven nicht misshandeln.
16) DITTENBERGER, Sylloge
I~scriptionem
Graecarum III, 395.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
245
Kap. III.5.1.2, Ziff. b/c
Das wichtigste aber ist, sich weder vom GlÜck berauschen,
noch vom Unglück niederschlagen lassen, weder in seinen
Vergnügungen ausgelassen noch von Zornanfällen beherrscht
zu seinl7.
Die buzygischen Verwünschungen betreffen die gleichen fundamentalen Gebote der Menschlichkeit. Sie wurden oben SS. 229-230 vollständig angeführt, soweit sie den verschiedenen Testimonien entnommen werden können.
b) Die Hypotheken des Chiron
Die pseudo-hesiodeischen XCpwvoG 6no&nxa~ hat ein unbekannter
Autor, in Anlehnung an die ethischen und gnomischen Teile der
~
Epya
'
xa~
c
,
n~Epa~
von HESIOD, dem Kentauren Chiron in den Mund
gelegt, dem nach der Legende die Erziehung des Achilles anvertraut war. Im 5. Jhd.v. scheint die Sammlung in Athen als gängiger Lesetext populär gewesen zu sein. Schon PINDAR hat sie
jedenfalls gekannt. Da ARISTOPHANES von Byzanz (257-180 v.) die
hesiodeische Authentizität bestritt, verlor sich die Sammlung
in den folgenden Jahrhunderten, sodass neben einigen Testimonia
nur noch 3 (oder 4) Fragmente vorhanden sind 18 •
MERKELBACH/WEST, Fragmenta Hesiodea 143f. : Testimonien; 144f.
Fragmente.
c) Die Gnomen des Axiopistos
Die~AE~onLo•ou yvw~a~ sind eine Sammlung von 40 Weisheitsworten
des EPICHARM (5. Jhd.v.), welche im 4. Jhd. v. ein gewisser
Axiopistos aus einigen echten, meist jedoch gefälschten (pythagorisierenden) Worten zusammenstellte.Mehrere Kontaktpunkte zu
PseuPhok sind auffällig, vgl. 9/22.26.36 mit PseuPhok 108.227.162.
17) Es ist bezeichnend, dass bei Plutarch (45-125 n.; vgl. Josephus) .die alten,.
listenartigen Aufzählungen zur philosophischen Weisheitslehre und zum Erziehungsprogramm umgestaltet worden sind. AUDET, La Sagesse deMenandre 79,
sieht mit Recht eine deutliche Beziehung zu PseuMen, wo die Verwandlung in
eine Weisheitslehre voll ausgeführt ist.
18) Alle Angaben bei SCHWARTZ, Pseudo-Hesiodeia. Recherehes sur la cornposition,
la diffusion et la disparition ancienne dioeuvres attribuees a Hesiode,
Paris 1960, 228-244.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
246
Kap. III.5.1.2, Ziff. d
ENNIUS (239-169 v.) hat eine lateinische Sammlung mehr philosophischer Aussprüche bewerkstelligt, deren Vorlage jedoch nicht
mehr zu erkennen ist.
Dass Epicharm tatsächlich selbst Sprüche geprägt und diese zu
einer Weisheitslehre zusammengestellt hat, beweisen zwei Hibeh
Papyri aus ptolemäischer Zeit (zw. 280-240 v.), auf welchen der
Prolog zu einem Buch voller yvßuaL ao~a{ (Pap
I.l,6) erhalten
blieb. Diese seien für alle Lebenslagen nützlich und sollten
den Leser zum Urteil bringen, dass Epicharm ein echter ao~o~
(I.l,l3) sei, der viele kluge Gedanken xa&' ~v ~no~ (L.l.l4)
19
zu prägen vermochte • Der zweite Papyrus (I.2a) weist eine
wörtliche Uebereinstimmung mit Frgt
17 des EPICHARM auf, so-
dass auch diese Zuweisung gesichert ist. CROENERT versuchte
eine Neuordnung der Fragmente mit Einbezug alles Bekannten 20 •
GRENFELL/HUNT, The Hibeh Papyri I, 13-15 : Pap I.l; 15f. : Pap I.2; teilweise engl. Uebers.
PAGE, Selected Papyri III, 438-444 : nur Pap I.l; engl. Uebers.
DIELS, Die Fragmente der Vorsokratiker I, 200-205 : Axiopistos, Frgte 8-46;
206f. : Ennius, Frgte 47-54; dt. Uebers.
d) Die Gnomen des Chares
Die Xapn.-o~ yv~uaL bilden eine kleine Weisheitslehremit kurzen
thematischen Spruchgruppen, welche wohl im 4. Jhd. v. entstanden
ist. Zu den drei aus STOBAIOS 3.17,3; 33,4 und 38,3 schon lange
bekannten Frgten 21 Über die Beherrschung des Bauches (Frgt 1),
der Zunge (Frgt
2) und gegen den Neid (Frgt
3) hinzu hat
GERHARD sechs weitere Papyrusfragmente aus dem 3. Jhd. v. entdeckt22. Diese tragen zwar keinen Titel, doch sind die Verse
19) Vgl. die von einigen Autoren (FARINA, BERNAYS) als unmöglich empfundene
Selbstanpreisung in PseuPhok 2. Andere Parallelen bei VAN DER HORST, The
Sentences of PseuPhoc
108f.; zusätzlich vgl. äthHen 92,1 Par 4QHeng l.II,
23 : J:ltl/).l!:l 0':Jt1J (MILIK, The Books of Enoch 260 : "the wisest of men").
20) Die Sprüche des Epicharm 402-413. Weitere Frgte
Florilegium, RAC 7 (1969) 1132f.
erwähnt bei CHADWICK, Art.
21) NAUCK, Tragicorum Graecorum Fragmenta 826.
22) Xapn<o~;; YVOO\.LC1L 1-34. Seine thematische Gruppierung in 15 Sinneinheiten unterstützt dabei mit Recht den Charakter der Weisheitslehre, welche Über eine
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247
Kap. III.5.1.2, Ziff. d
22-24 identisch mit dem Frgt
2 aus Stobaios. Die Verse 5.8.9.10.
18.20.22 finden sich in den Monostichen des Menander (s. u. Ziff.
1)
213.604.704/724.220.474.567 (auch Pap
XV).l36, und es
wären bei besserem Zustand der Texte sicher noch mehr Uebereinstimmungen zu finden (vgl. 26 mit Mon 8; 16 mit 234.294; 42 mit
112; 43 mit 632). Die Charesgnomen stellen eine jener alten
und schlichten Weisheitslehren dar, aus welcher die späteren
Gnomologien, wie z.B. die crÜyxpLcrL~ des Menander und Philistion
(s.u. bei Ziff.l) und VitAes
109f.
(s.u. Ziff.k) wieder ge-
schöpft haben.
YOUNG, Ps.-Pythagoras .. Ps.-Phocy1ides. Chares, 113-118
Sententiae 26-30.
Deutsche Uebersetzung
A
23
2
Das Beste ist, s>chön·und gerecht zu <handeln,
wer das tut -> unverwelklicher Ruhm <bleibt ihm.
3
4
Gehorche den Wort>en, Knabe, des älteren Vaters,
dann gehorchst du einem,> der vernünftiger <ist als du.
5
6
7
Hoffe, ehrend d>ie Götter, dass es dir gut <geht;
Stets nämlich hat so> gehandelt Hera<kles.
Die Eltern wie die Götter verehre stets auf gleiche
Weise.<
8
Den Zorn von Genossen und> Freunden versuche zu er<
tragen.
Nur edler Genoss>en, nicht schlechter, wer<de ein Freund.
1
9
B
JAEKEL, Menandri
10
Von bösen Werken> halte deine Hand <frei.
11
12
13
14
> ••• nicht schlecht ergehen
> •• der Unrecht erlitt
> leichter gehend
fü>r schlecht gel<ten.
(Gedanke : Fürchte dich nicht davor, dass es dir
schlecht gehe : Wer Unrecht leidet ist leichter
dran, als wer für schlecht gilt)
blosse Sammlung hinausgeht. In der folgenden Uebersetzung zeigen grössere
Abstände diese thematischen Gruppen an. - Vgl. HENSE, Chares und Verwandtes
14-24.
23) Für die zahlreichen möglichen Uebersetzungsvarianten muss auch hier auf den
kritischen Apparat bei YOUNG und JAEKEL verwiesen werden, ohne dass eine Begründung der hier gegebenen Variante gegeben werden kann.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.1.2, Ziff. e
248
15
16
17
> das Lügnerische zu sagen,
> das Wahre sagend,
so bringst du Nutze>n den Freunden leich<t.
18
19
20
21
Nicht die Böse>n
dem Guten bleibe
Im Zorn verrat>e
Nicht ganz bring
22
23
24
Am ehesten die Zunge> versuche Überall zu beherr<schen,
bedaure, denen es schlecht <geht
fe>st im Unglück.
nicht das Geheimnis des Freunde<s,
in Vergessenheit> die Vorsicht
das bringt dem Alten un>d dem Jungen Ehre ein.
Die Zunge habe recht>zeiti<ges Schweigen zu eigen.
> ••• des Zorns ergreifen
> ••••••• Schaden bringt
>Menschen (?) haben
> •• wi~d gehalten
25
26
27
28
29
30
31
32
c
>.fürchtend
> ••• Schicksal
> ••.•• von allem
> •• vollendet das Schicksal.
33
34
35
36
37
Befreiung von böse<n Taten gibt willig
den Edlen ein Dämon, <nicht gibt er den Bösen.
alleinige <
Ein Brunnen nämlich <
38
39
40f.
Entweder sprich nicht in <
von nichts •• <
Wer nicht spricht <
•••••
(?)
<
Schad<en
42
43 ·Reichtu<m
44-47(nur einzelne Buchstaben)
48
Nich>ts tun <
••• ü>bermütig frevel<n
49
50-5l(unleserliche Reste)
D und E weisen nur noch einzelne Buchstaben auf.
e) PSEUDO-ISOKRATES, Ad Dernonicurn 13-43
Diese berürumte Lehrrede ist die älteste Prosasammlung (4.-2.
Jhd.v.), die wir kennen. Sie besteht aus 73 gnomischen Einheiten (Nr. 13-43), welche durch eine Einleitung (1-12) und einen
Schluss (44-52) eingerahmt sind. Das imperativische Mahnwort ist
dabei vorherrschend, doch ist es oft durch Begründungen erweitert. Die Sammlung ist in ihrer Art typisch für die folgenden
ähnlichen Gebilde. Zum Glück haben wir eine eingehende Untersuchung stilistisch-literarischer Art von WEFELMEIER (s.u.), welhttp://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.1.2, Ziff.e
249
ehe gerade für die gattungsgeschichtliche Situierung von PseuMen und PseuPhok sehr gewinnbringend ist. WEFELMEIER hat Überzeugend aufgezeigt, dass die Lehrrede an Demonikos von keinem
bewussten inhaltlichen oder formalen Gestaltungsprinzip geprägt
ist : "Sentenzen aller erdenklichen Stillagen" (S. 70), verschiedenster, z.T. konkurrierender Inhalte (vgl. 24c/25a; 24b/
24c) stehen wahllos nebeneinander, wobei sich Sentenzennester
in loser Reihenbildung (13ab.l8a.l9b.20a-c.24a-26c.27b-28b.29cd.
34a-35b.36ab.37ab.38a-39.40ab) ergeben können. Zu Beginn scheint
zwar ein bestimmter Wille zur Ordnung vorhanden zu sein (npQ•ov
~~V oev; vgl. PseuPhok 8; PseuMen 1), ansebliessend wird diese
aber nirgends mehr durchgehalten. Gnomische Topoi (16c.l8b.29b.
34a.37b.43a) schimmern mehrfach durch, Anklänge an spätere Sammlungen sind häufig, aber nur in wenigen Fällen Überprüfbar 24
in 16b vermeint man für einmal die kurzen Reihen der delphischen
Präzepte zu hören; in 2lb und 30c-31 stehen jedoch diatribenartige Einheiten. Die Assoziation in all ihren Formen kann als einziges Kompositons-"prinzip" erkannt, dann aber auch auf Schritt
und Tritt als auslösender Faktor verfolgt werden.
Schon lange ist die Anlehnung an die echte isokrateische Rede
'
", 25 gesehen worden, welche allerdings deutlich nach
TIPOG
NLKOKAEa
Sachgruppen gegliedert ist. Pseudepigraphie in bewusster Anlehnung an bekannte Werke des usurpierten Autors scheint für diese
Art von Prosa-Sammlungen ebenfalls typisch zu sein.
Der propagandistische Effekt ist dabei bewusstes Ziel. Jedenfalls
hat der unbekannte Sophistenschüler, welcher die Lehrrede zusammenstellte, trotz all seiner Schwächen eine starke Verbreitung
erfahren, wie dies die zahlreichen Papyri bezeugen. Die ironische
Frage, welche Kaiser Julian (der Apostat; 331-363 n.) an die
(jÜdisch-)christliche Apologetik richtet, ist dafür bezeichnend,
wirft aber zugleich ein Licht auf die damalige literarische Wertung und Gattungsbestimmung der mitgenannten verwandten Sammlun24) Vgl. WEFELMEIER, Die Sentenzensammlung 74-81.
25) MATHIEU/BREMOND, Isocrate, Discours II, 95-111. Zum Vergleich s. bes.
ALBRECHT, Zu Pseudoisokrates 244ff.; WEFELMEIER, Die Sentenzensammlung 90-93.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
250
Kap. III.5.1.2, Ziff. f
gen : "Ist Salomo, ihr weisester Mann, mit Phokylides oder Theognis
oder Isokrates zu vergleichen ? Wenn man die Ermahnungen des Isokrates mit den Sprüchen Salomos vergleicht, so bin·ich sicher, dass
man die Ueberlegenheit des Sohnes des Theodoros Über ihren weisesten KBnig feststellen wird" 26 •
griech. :
MATHIEU/BREMOND, Isocrate, Discours I, 121-135 : Ed.+fr. Uebers.;
dazu : WEFELMEIER, Die Sentenzensammlung der Demonicea 11-64 : dt. Uebers.
+ Komm.
Weiteres s. u. Ziff. m.
syr. : .DE LAGARDE, Analeeta Syriaca 167-177.
f) Die Gnomen des Demokritos :
Die ca. 80 8E~oxp~(=L)cou~ yvw~aL, welche die beiden Mss B.C
(15./16. Jhd. n.) xpuaa~ nennen (vgl. bei PseuPhok !) sind in
einigen Mss aus dem 14.-16. Jhd. n. als Sammlung und bei STOBAIDS
an verschiedenen Orten zerstreut vorhanden. Stobaios hatte aber
als Vorlage ein vollständigeres Exemplar als es die Mss bieten,
aus welchem er auch die Frgte 169-297 geschBpft hatte, sodass
das ursprüngliche Gnomologium Democriteurn den stattlichen Umfang von mehreren Hundert Sentenzen gehabt haben muss 27 • In
stets indikativischen Logien wird dabei zu allen Lebensbereichen
ein Rat gegeben. In der eigentlichen Sammlung der 80 Gnomen
(Frgte
35-111) stehen unverbundene Einzelratschläge in Prosa
nebeneinander, während im weiteren stobäischen Material (Frgte
169-297) eine Tendenz zu kleinen Lehreinheiten aus mehreren
Sätzen (vgl. 173f.l81.191) und zur thematischen Gruppierung (vgl.
z.B. 197-206 : Toren; 275-280 : Kinder, usw.) zu finden ist. Obwohl typisch demokritische Gedanken nur sporadisch vorkommen,
werden die Gnomen von den Forschern "zum grBssten Teil.für.echt" 28
gehalten, gehen also bis ins 5./4. J.hd.v. zurück 29 •
26} Contra Galilaeos Frgt 224C, bei Kyrillos v. Al., Adversus libros athei !uliani VII, 224 (MIGNE, PG 76, 842 D}. - Vgl. CHADWICK, Art. : Florilegium, RAC
7 (1969} 1136; VAN DER HORST, The Sentences of PseuPhoc 109.
27} Ausführlich bei PHILIPPSON, Demokrits Sit.tensprüche 369-419.
28} WELLMANN, Art. : Demokritos (6}, PRE 5 (1903} 138.
29} Zur Frage nach dem Verhältnis Demokrits zu Achikar s.u. Kap. IV.3.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.1.2, Ziff. g/h
251
DIELS, Die Fragmente der Vorsokratiker II, 153-165 : Frgte 35-115; 178-207 :
Frgte 169-297; dt. Uebers.
Weiteres s. u. Ziff. m.
g) Die Chrien des Kleitarchos :
Diese Sammlung von Sprüchen des Kleitarchos (4. Jhd. v.) mit
bringt ca. 150 Prosaworte, wenn man alle Worte der 4 wichtigsten
Mss zusammenzählt. Da sie aller Wahrscheinlichkeit nach von
Sextus (s. Ziff. n) benutzt wurden, und auch Porphyrios (ca.
234-301 n.) eine ähnliche Sammlung für die Trostschrift an sei30
ne Frau Marcella gebraucht hat
, ist diese Sammlung als alte
Epitome aus den Werken Kleitarchs zu betrachten, welche mit einigen allgernein verbreiteten Worten aus der 7 Weisen-Tradition
(vgl. lf.50.88) erweitert wurde.
BOISSONADE, Anecdota Graeca I, 127-134 : nur ~' unter dem Titel ~~ ~.
CHADWICK, The Sentences of Sextus 73-83 : cl>AL:El, mit Vergleich von Sextus
und Porphyrius.
h) Die Goldenen Worte des Pythagoras (u.Parr)
Pythagoräische Xpuoa~nn sind spätestens bei JAMBLICHUS, Protrepticus 3 (PISTELLI 10), also um 300 n., als Sammlung belegt, doch
ist nicht klar, welchen Logienbestand diese Sammlung hatte. Da
HIEROKLES von Alexandrien (5. Jhd.n.) einen ausführlichen Kommentar zu den 71 Hexametern schrieb und dabei respektvoll auf eine
fÜr ihn alte pythagoräische Sammlung zurückblickte 31 , wird man
wohl das 3./4. Jhd. n. als späteste Entstehungszeit annehmen rnüs32 von einem
.
. wur d en z.T. a 1 te Pyt h agoraerverse
..
sen. In· d 1eser
Ze1t
dichterisch weniger begabten PythagorasschÜler zusammengestellt
und zu einer einheitlichen Dichtung verbunden. Die "Goldenen Worte" wollen jedenfalls eine Summe der pythagoräischen Lebensweise
30) Vgl. CHADWICK, The Sentences of Sextus 157f.; gegen KROLL, Art. : Sextus (5)
Sextos, PRE 2. R. 2 (1923) 2061-2064.
31) MEUNIER, Pythagore- Hierocles 37ff. (Prolog); vgl. VAN DER HORST, Les vers
d 1 or XXXVI I.
32) Zusammengestellt Ebd. XXV-XXVIII.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
252
Kap. III.5.1.2, Ziff. i
bieten. Der dogmatische Zug, der ihnen eigen ist,unterscheidet
sie dabei von den bisher behandelten Logienkollektionen, welche
in freier· Manier selbsteinsichtige weise Worte eines alten Weisen
bieten, und rückt sie in die Nähe der KOPLUL oÖ~aL des Epikur
(s. Ziff. i). Hinter beiden scheint eine Schule zu stehen, die
ihre Identität an ein philosophiscp-weisheitliches Credo banden.
Das Wort des Gründers ist dabei nicht mehr wegen der Einsichtigkeit der visierten Sachverhalte normativ, sondern weil es vorn
Gründer gesprochen wurde.
YOUNG, Theognis. Ps.-Pythagoras 86-94; MEUNIER, Pythagores 23-31
eine neuere dt. Uebers. ist mir nicht bekannt.
fr. Uebers.;
Daneben haben aber auch andere Sammlungen von Worten des Pythagoras existiert. SEXTOS und POPHYRIUS scheinen neben der Kleitarchos-Kollektion auch (unabhängig voneinander) eine Pythagorassammlung benutzt zu haben, wie sie uns als
AL
yvc'ü]..LaL 1:wv
IIu&ayope:Cwv im Wiener Codex philos .. et philol 225 aus dem 15.Jhd.
n. arn besten erhalten ist 33 . Die 123 Prosalogien sind alphabetisch angeordnet, und bilden so - im Unterschied zu den Xpua&
~Enn
-eine undogrnatische Sammlung weiser Worte im Sinne der
Menandrea.
griech. : SCHENKL, Pythagoräersprüche in einer Wiener Handschrift 262-281.
CHADWICK, The Sentences of Sextus 84-94.- Kleinere Auszüge der gleichen Sammlung : MULLACH, Fragmenta Philosophorum Graecorum I, 497-499 : 45 Logien aus
Codex Vaticanus Graecus 743, ff. 3a-6b; HENSE, Ioannis Stobaei Florilegium
III, 14-18 (= STOBAIOS 3.1.30-44) : 15 Logien.
syr. : DE LAGARDE, Analeeta Syriaca 195-201.; dazu: GILDEMEISTER, Pythagoräersprüche in syrischer Ueberlieferung 81-98.
i) Die Massgebendsten Ansichten des Epikur (u. Parr)
Auch von Epikur (341-270 v.) sind mehrere Sammlungen von Worten
erhalten geblieben. Die berühmteste sind die 40 KOpLaL oÖ~aL,
welche DIOGENES LAERTIOS (ca. 200-250 n.) an den Schluss seines
33) LUSCHNAT, Vorwort zum Neudruck, in
STERNBACH, Gnomologium Vaticanum, S.
VIIf.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.1.2, Ziff. i
253
Werkes Über "Leben und Meinungen der grossen Philosophen"
(10,
139-152) gefügt hat. Noch stärker als bei den pythagoräischen
"Goldenen Worten" handelt es sich um eine "autoritative Lehrschrift", in welchem "die hauptsächlichsten und für die Ataraxie
34
massgebendsten Lehren"
zusammengestellt sind. USENER setzt
die Entstehungszeit ins 3. Jhd.v., vielleicht sogar zu Lebzeiten
Epikurs; Auswahl und Zusammenstellung zur heutigen Kollektion
35
seien jedoch kurz danach von einem Epikuräer gemacht worden .
LONG, Diegenes Laertius II, 559-565.
ARRIGHETTI, Epicuro 119-137.497-504
Ed.+it. Uebers.
BAILEY, Epicurus 94-105 : Ed.+eng1. Uebers.
Bruchstücke dieser normativen Worte Epikurs wurden Überraschenderweise am untern Rand der monumentalen Inschrift des Diagenes
36
,
von Oenoanda, eines Epikuräers aus dem 2. Jhd. n., gefunden
womit der Bekenntnischarakter dieser Worte aufs Schönste unterstrichen wird. Es entsprechen sich dabei : KOp~a~ o6EaL 1
Frgt
6+8
24 (margo inferior); 2
=
26; 10
=
27; 13
=
=
29; 25
25; 3
=
=
28; 4
=
38; 5
=
=
37;
33; 29-35.
CHILTON, Diogenis Oenoandensis Fragmenta 40.42.45.48.53.58.62.67.69.
Schon USENER vermutete, dass aus dem umfassenden Schrifttum des
Vielschreibers Epikur schon bald eine Epitome gemacht wurde,
aus welcher später ein "Gnomologium quoddam Epicureum" entstanden
sei, das schon SENECA bei der Abfassung der ersten vier Epistelbücher (Epistulae 1-52; REYNOLDS 1-139) unter der Hand gehabt
habe 37 • Ein solches 81 Sentenzen umfassendes Gnomologium Epicureum "von unzweifelhafter Echtheit" 38 hat C. WOTKE in einem vati34) VON ARNIM, Art.:
Epikures
(4), PRE 6 (1907) 140.
35) Vg1. seine Epicurea XLIII-LI.
36) Vg1. PHILIPPSON, Art. : Diegenes (47a.b), PRE Supp1. 5 (1931) 153-172, bes.
164; HALL, The Oenoanda Survey 1974-76, S. 194ff., verweist auf ca. 160 neugefundene, noch unpub1izierte Fragmente der Inschrift.
37) Epicurea LV.
38) VON ARNIM, Art.
Epikures (4) PRE 6 (1907) 143.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
254
Kap. III.5.1.2, Ziff. k/1
kanischen Ms aus dem 14. Jhd. n. unter dem ungebräuchlichen
Titel~nLxoupou npoo~~vnoL~
(=An-, Zurede Epikurs) entdeckt.
Bezeichnenderweise tritt auch hier der dogmatische Zug, der in
den KOpLaL ö6EaL herrschte, zurück und macht vielen
meist indi-
kativischen Weisheitsworten Platz. Es entsprechen sich dabei :
KupLaL ö6EaL l=ITpoo~~vnoL~ 1; 2 = 2; 4 = 3; 5 = 5; 8
50; 12
49;
13 = 72; 15 = 8; 17 = 12; 19 = 22; 27 = 13; 29 = 20; 35 = 6.
USENER/WOTKE, Epikurische Spruchsammlung 191-198; dazu : GOMPERZ, Zur epikurischen Spruchsammlung 202-210; HORNA, Zur Epikurischen Spruchsammlung
32-39.
ARRIGHETTI, Epicuro 139-157 : Ed.+it. Uebers.
BAILEY, Epicurus 106-119 : Ed.+engl. Uebers.
k) VitAes l09f.:
Eine kleine hellenistische Weisheitslehre ist in der zu Achikar
parallelen,orientalischen Episode der Aesopvita § l09f. vorhanden, welche auffällig starke Verwandtschaft zu den MenanderMonostichen zeigt. Weiteres dazu u. Kap. IV.3.
PERRY, Aesopica 69-70.10lf. = DENIS, Fragmenta 137-140 = JAEKEL, Menandri
Sententiae 132-136.
Weitere äsopische Proverbienkollektionen : PERRY, Ebd. 265-291 : 200 Nrn.
1) Die monostichischen Gnomen des Menandros (u. Parr)
Die yv~~aL ~ov6ooLXOL Mgvavöpou sind auf 20 Papyri, Ostraka u.
Aehnlichern seit dem 1. Jhd. n. fassbar. Die ältesten Papyri
zeigen dabei schon zu Schulzwecken hergestellte,alphabetische
Sammlungen, welche nicht aus Menander selbst, sondern aus andersweitigen Sammlungen zusammengestellt wurden. Der alte Menander
(4. Jhd. v.) ist anscheinend in hellenistisch-römischer Zeit auf
viel stärkere Weise als etwa Theognis und
Phokylide~
mit der
Gnomenliteratur identifiziert worden, sodass sich alle möglichen
Einzeiler unter seinem Namen zusammengefunden haben. Die grossen Sammlungen seit dem XIII. Jhd. n., welche insgesamt 577 teilweise alphabetisch, teilweise sachlich (Klasse r ) geordnete
Monostichen umfassen, weisen nur 48 echt menandreische und 20
aus echt menandreischen verfertigte Monostichen auf,·während das
http://hdl.handle.net/10900/56118
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
255
Kap. III.5.1.2, Ziff. 1
meiste Material aus den Tragikern {bes. Euripides) und den Komikern stammt. JAEKEL schlägt deshalb mit Recht als geeignetste
Ueberschrift "Sententiae et dicta
39
rum Graecorum" vor .
Euripidi~,
Menandri et poeta-
Wie die arabische {9. Jhd. n.) 40 und die kirchenslavische Uebersetzung (13./14. Jhd. n.) mit ihrem recht grossen Sondergut zeigen können, sind diese byzantinischen Sammlungen nur ein Ausschnitt aus den wild wuchernden Menandertraditionen. Neben den
Monostichen sind zudem noch 4 verschiedene Sammlungen von gnomischen Zwiegesprächen zwischen Menander und Philistion erhalten,
welche im Vergleich zu den Monostichen als sekundäre Arrangierunq
des wei.tläufigen Traditionsmaterials erscheinen. JAEKEL hat in
seiner neuen, unten angeführten Edition alle relevanten Texte
zusammengestellt und in Listen die verwirrten Traditionsverhältnisse klargelegt. FÜr uns besonders interessant ist die starke
Verwandtschaft mit der kurzen Weisheitslehre in der orientalischen, aus der Achikarerzählung Übernommenen Episode der Aesopvita (§ l09f.)
{s.o. Ziff. k, und Kap. IV. 3), sowie die prak-
tisch völlige Beziehungslosigkeit, welche zwischen dem syrischen
PseuMen und der Monostichentradition besteht {vgl. u. Kap. III.6)
griech. : JAEKEL, Menandri Sententiae 1-25 : 20 Frgte; 33-83 : 577 Monostichen; 87-120 : 4mal Menander und Philistion; 123-127 : Sondergut der kirchenslav. Uebers. (s. u.) in griech. Rückübers.; 127-132 : christliche Zusätze aus verschiedenen Mss; 137 : Sondergut der arab. Uebers. in lat.
Rückübers.41
arab. : ULLMANN, Die arabische Ueberlieferung der sogenannten Menandersentenzen 17-59 : arabMen I; 60-73 : arabMen II; 74-80 : arab./syr. Uebers.
von GREGOR v. Nazianz, Carmen morale XXX, aus welchem 5 Sentenzen in arabMen
II eingedrungen sind.
39) Menandri Sententiae XIX; in Anlehnung an MEYER, Die Urbinatische Sammlung
von Spruchversen des Menander, Euripides und anderer 397-449.
40) Wie ULLMANN, Die arabische Ueberlieferung 7-16, gezeigt hat, ist arabMen I
"die älteste mittelalterliche Sammlung" (15) der Menandersentenzen. Sie umfasste mindestens 460 Verse und wurde im 9. Jhd. n. aus dem Griechischen
Übersetzt. Die älteste arabische Sammlung von Menandersprüchen findet sich
in akrostichischer Anordnung (47 Verse) schon in einem Werk aus dem 5. Jhd.
n. (al-Farag b. Hindü, gest. 410/420 n.).
41) Eine englische Uebersetzung der meisten Monostichen, jedoch mit eigener Zählung (!) bei EDMONDS, FAttCom IIIB, 903-989 (1023 Nrn.). zu den Fragmenten
kam neu hinzu PapOx XXXIII, 2661, Ed.: INGRAMS, Fragment of a Gnomologium
(1968), 97-82.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
256
Kap. III.5.1.2, Ziff. m/n
kirchenslav_ : JAGIC, Die Menandersentenzen in der altkirchenslavischen
Uebersetzung 90-103 : 283 Nrn.
kopt. : HAGEDORN/WEBER, Die griechisch-koptische Rezension der Menandersentenzen 15-50 : 3 Textzeugen in 2 Rezensionen; dt. Uebers.
Zur syrMen
(=
PseuMen) s. u. Kap. III.6.
m) Ein Gnomologium Epicteteum (u. Parr)
Das Gnomologium umfasst 67 Sprucheinheiten und ist bei STOBAIDS
1,125-171; 9,37-45; 45,19 und 46,79-88 fragmentarisch erhalten;
es hat aber ursprünglich eine·bedeutend grössere Sammlung von
Epiktetsentenzen dargestellt. Verwandt hiermit sind auch die 8
yvoo~aL des Codex Vat. 1144, die 25 MooxLoovo~ yvoo~aL und die 18
MooxLwvo~ OnoanxaL, doch sind die gegenseitigen Bezüge nicht
völlig klar. Während ELTER alle Texte zu einem einheitlichen
Gnomologium zusammenziehen wollte, sieht VON FRITZ im sonst
unbekannten MOSCHION einen selbständigen Gnomendichter aus dem
2./3. Jhd. n., welcher mit den Gnomen des Sextus (s.u. Ziff. n.)
Aehnlichkeiten aufweist 42 • Da jedoch die 13. Önoanxn an EPIKTET,
Enchiridion 13 (SCHENKL 434.488) erinnert, kamen die Sammlungen
zu den Epictetea.
SCHENKL, Epicteti Dissertationes 461-478 : aus STOBAIOS; 479f. : Codex Vat.
1144; 481-485 : Gnomen des Moschion; 486-489 : Hypotheken des Moschion.
Erwähnt seien hier auch die beiden byzantinischen, jedoch auf ältere Zusammenstellungen zurückgehende Sammlungen von (Demokritos-), Isokrates- und
Epiktetsentenzen : WACHSMUTH, De Gnomologio Palatine inedito 11-36 : rvw~aL
xa•'exAoynv ~x TE •ou 6n~oxpCTou xa\~EnLx•n•ou xa\ ~.{pwv oo<Pwv, 161 Nrn; und DERS., Gnomologium Byzantinum ~K TWV Än~oxp(Tou :>Iooxpct•ou~ ~En Lx•n•ou e variis codicum · exemplis restitutum 162-207 : 270
Nrn; 208-216 : Register; dazu : SCHENKL, Die epiktetischen Fragmente 443-456.
n) Die Gnomen des Sextus :
Die ~tE•ou yvw~aL sind eine pythagorisierende Sentenzensammlung,
die von ORIGENES (gest. 253 n.) mehrmals zitiert 43 und von RUFINUS v. Aquileia im Jahre 398 n. ins Lateinische übersetzt
42) ELTER, Epicteti et Moschionis sententiae 3-22; VON FRITZ, Art. : Moschion
(8), PRE16,1 (1933) 348f.
43) Bes. Contra Ce1sum 8,30 (BORRET IV, 238f.); Comm. in St. Matt. 15,3 (MIGNE,
PG 13, 1259).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
257
Kap. III.5.1.2, Ziff. n
wurde. Sie ist wohl zwischen 190-220 n. entstanden und wurde
schon bald "Papst Xystus II. zugeschrieben (gest. 258), was nicht
als unmöglich bezeichnet werden kann" 44 . Weitere syr., äth./(arab.),
armen., georg. und kopt. Uebersetzungen
zeugen von der
weiten Verbreitung der Sextussentenzen in der christlichen Antike.
CHADWICK hält sie in ihrer Gesamtheit für sicher christlich 45
und führt als Belege die Nummern 1.2.6.13.20.32.39.110.155.193.
233f.242.336.373.434.436 an. Der christliche Charakter ist aber
nicht einfach evident, weil die Sextus-Gnornen als frühe Sammlung
des Heidenchristenturns mit ihren 451 ethischen und religiösen
Aphorismen mitten in den vielfachen Bezügen stehen, welche die
hellenistischen Gnomelegien miteinander verbinden. Als besonders
nah verwandt können die Chrien des Kleitarchos (s.o. Ziff. g),
die Gnomen der Pythagoräer (s.o. bei Ziff. h) 46 und auch de;
auf die gleichen Quellen zurückreichende Brief des PORPHYRlOS an
Marcella 47 bezeichnet werden. Das Christenturn hatte spätestens
in dieser Sammlung seinen Anschluss an die griechische gnomelogische Literatur vollzogen; für eine Geschichte der christlichen
Weisheit ist sie deshalb von grösster Bedeutung.
griech. : CHADWICK, The Sentences of Sextus 12-63 : Sent. 1-451, griech./
lat.; 64-72 : Sent. 452-610 = griech. und syr. Zusätze (Verbesserungen im
JThSt 11, 1960, 349) ; KROLL, Die Sprüche des Sextus 625-643 (= in : HENNECKE,
Ntl. Apokryphen, Tübingen 1924, 2. Aufl.; nachher nicht mehr); dt. Uebers.
syr. : DE LAGARDE, Analeeta Syriaca 2-31 : 3 Rezensionen; RYSSEL, Die syrische Uebersetzung der Sextussentenzen : Zeitschrift für wissenschaftliche
Theologie 38 NF 3 (1895) 617-630 : Einleitungsfragen; 39 NF 4 (1896) 568624: Uebers.; 40 NF 5 (1897) 131-148 : Parallelsentenzen aus der 1. und 2.
Rezension.
zu kopt. : The Nag Hammadi Library in English 454-459
397, engl. Uebers. (F. WISSE).
zu äth. : CORNILL, Mashafa Falasfa Tabiban 2lff.
(6 Sentenzen) •
44) CHADWICK, Art.: Florilegium, RAC 7
Sent. 157-180.367-
dt. Uebers.; 44-47
Ed.
(1969) 1153.
45) Ebenso DELLING, Die Hellenisierung des Christenturns in den "Sprüchen des
Sextus" 208-241, der einen "christlichen qnA.Öoocpo>;" arn Werk sieht; BURCKERT 1
Art. : Sextus (1), Lexikon der Antike I/4, 188; anders z.B. KROLL, Die Sprüche des Sextus 627.
46) Vgl. ELTER, Sexti Pythagorici sententiae euro appendicibus IIIff.
47) Ed.: NAUCK, Porphyrii philosophi platonici opuscula selecta,Leipzig 1886,
271-297.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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258
Kap. III. 5.1. 3
zu armen. : MUYLDERMANS, Le Discours de Xystus 183-201; HERMANN, Die armenische Ueber1ieferung der Sextussentenzen 217-226; CONYBEARE, The Ring of Pope
Xystus 131-138 : eng1. Uebers.
zu georg. : GARITTE, Vingt-deux "Sentences de Sextus" en georgien 3 59ff.
Georg. Par Armen. Par Griech.
5.1.3 Zu Form, Zielsetzung und Einbettung der griechischen
Logiensammlungen
Ueberblickt man die in den Ziffern a) bis n) gebotene Auswahl
griechisch-hellenistischer Logiensammlungen, so zeigt sich darin die Gattung der Logoi Sophon in ihrer ganzen, schon in
Kap. 3.1.2 besprochenen Vielfalt. Die mehr oder weniger lose
Aneinanderreihung kurzer, möglichst prägnanter Worte ist die
einzige sich durchhaltende formale Gemeinsamkeit. Neben den unterschiedlichen sprachlichen Formen zeigt sich auch eine deutliche Verschiedenheit in ·den Zielsetzungen der Sammlungen. Diese
wiederum wird aus den unterschiedlichen, zum Teil nur vorgestellten Rahmungen oder Situierungen ersichtlich :
(1) Die unter Ziff. a genannten Texte sind eigentlich situationslose Katalogisierungen menschlicher Grundweisheit, die in
ihrer diskussionslosen Grundsätzlichkeit die göttlich gewollte Welt- und Menschenordnung statuieren. Die Sieben Weisen und Delphi sind dabei keine "Orte", sondern ähnlich wie
die ungeschriebenen Gesetze Legitimationsausweise für die unbedingte Forderung. Diese ist in den buzygischen FlÜchen explizit gemacht.
(2) Die Situation der Unterweisung des Vaters, Freundes oder Erziehers an den Sohn, Freund oder ZÖgling zeigt sich bei den
Hypotheken des Chiron (Ziff.b), den Gnomen des Chares (Ziff.
d), in der Aesopvita (Ziff.k) und besonders bei Pseudo-Isokrates
(Ziff.e).
(3) Die Worte eines Weisen hingegen, wie sie in den Gnomen des
Epicharm/Axiopistos (Ziff.c), des Demokritos (Ziff.f), des
Kleitarchos (Ziff.g), in den pythagoräischen Gnomen (in Ziff.
h), der ITpoo~~vno~~ des Epikur (in Ziff.i), den Monostichen
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 5 .1. 3
259
des Menander (Ziff.l), den Gnomen und Hypotheken des Moschion
(in Ziff.m) und schliesslich den Sextussentenzen (Ziff.n) vorliegen, haben als vorgestellt Situation die Nachwelt, die
sich Über die Weisheit der Alten wundern und aus ihr lernen
soll.
(4) Bei den gesammelten Lehren eines Schulhauptes wie Pythagoras
(Ziff.h), Epikur (Ziff.i) und auch Epiktet (Ziff.m) ist vor
allem an die Anhänger und möglichen Kandidaten der entsprechenden Weltanschauungen gedacht.
Die vier Gruppen Überschneiden sich zum Teil in ihren Zielsetzungen, doch kÖnnen folgende Unterscheidungen in den Primärzielen
gemacht werden :
- Statuierung von Grundordnungen
- Belehrung in den Dingen des Lebens
- Erweis der Weisheit eines Einzelnen (z.B. Epicharm-Pap.)
- Wahrung der gnomischen Weisheit der Alten
- Festigung und Leitung der Schüler und Nachfolger
- Kunstgenuss (Anthologien, vgl. Kap. 5.1.1)
Auffällig ist, dass wir bei Pythagoras und Epikur neben den dogmatischen Sammlungen (Xpuo&~nn, K6p~a~ öÖEa~) auch solche haben,
welche weniger schulgebunden sind. Es ist also die Tendenz zu
beobachten, neben der Weisheit des engeren Kreises einen weisheitliehen Raum zu schaffen, in welchem sich die verschiedensten
"Weisheitssucher" ohne engere ideologische Bindung an den Kern
finden können. Die Vermeidung der zentralen, und deshalb schwieriger zugänglichen Ideologica scheint dabei nicht_ ohne propagandistisches Hotiv zu sein. Diese Beobachtung kann bei der Bewertung von PseuPhok und PseuMen dienlich sein.
Ein weiterer Punkt kann hervorgehoben werden : Die Gruppen 2 bis
4 sind besonders anfällig für bewusste Pseudepigraphie, durch
welche der Verfasser oder Kompilator seine eigenen, mehr oder
weniger talentierten Spruchweisheiten einflicht. In den mittelalterlichen Spruchsammlungen wimmelt es zwar von falschen Zuschreibungen, doch sind diese als Unzulänglichkeiten der Tradiehttp://hdl.handle.net/10900/56118
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
260
Kap. III. 5.1. 3
rung innerhalb eines ernsthaften Bemühens um Bewahrung des tatsächlichen Gnomengutes zu werten. Wo ein einzelner Weiser als
Referenzpun~t
steht und zudem der Erweis von Weisheit und die
Gewinnung eines Publikums als Zielvorstellungen gelten, ist es
zur Pseudepigraphie als bewusstem literarischem und propagandistischem Mittel nur ein kleiner Schritt. Es ist jedoch bei jeder Sammlung gesondert zu fragen, zu welchem Zweck die Pseudepigraphie gewählt wurde. Axiopistos (Ziff.c) stellt z.B. seinen
eigenen Namen an die Spitze des Gedichtes, verwendet dabei aber
Gedanken aus Epicharm zur Kontrastierunq (vgl. Nr.8) oder Profilierung (vgl. Nr. 14) seiner eigenen Gnomen. Bei PseudoIsokrates hingegen verschwindet der Autor völlig hinter der
Nachahmung des grossen Meisters, während die "Goldenen Worte"
in der Aufnahme von echten Worten des Pythagoras und deren Verarbeitung zu einem einprägsamen Ganzen bestehen. Bei Menander
ist dann die Berühmtheit des alten Dichters und dessen intensiver Gebrauch im Unterricht Grund genug, alle möglichen Einzeiler
zu einer immer grösser werdenden Reihe zu versammeln. Die Praxis
der Schulmeister ist dabei ein wesentlicher Faktor zur pseudepigraphischen Vermehrung des Versbestandes, wie dies etwa die
griechisch-koptische Rezension der Menandersentenzen plastisch
vor Augen führt 48 . Bei den Sextussentenzen schliesslich wurden
pythagoräische Logien Übernommen, jedoch in ein leichtes christliches Gewand gesteckt. Dieser "Pseudo-Pythagoras" wird dann
bei EVAGRIUs 49 mit gut plazierten verbindenden Partikeln zum
kohärenten "Logos des Papstes Xystus" umgestaltet.
Damit ist schon ein Hinweis auf die verschiedene sprachliche
Gestalt gegeben. Was die Verbindung der Logien zu einer Sammlung angeht, so lässt sich ein ganzes Spektrum einfacher Mittel
ersehen : verschiedenste Assoziationsvorgänge (bes. Pseudo-Isokrates), thematische Gruppierungen (bes. Menander), inhaltliche
Ueberleitungen (Goldene Worte), grammatikalisch-logische Verknüpfungen mittels Partikel (Evagrius) • Eine Gesamtstruktur ist
48) HAGEDORN/WEBER,
Die griechisch-kopt. Rezension 15-50 (s.o. bei Ziff. 1).
49) MUYLDERMANS, Le Discours de Xystus 183-201 (s.o. Ziff. n).
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.2
261
nirgends zu finden, sodass mit völligem Recht die Strukturlosigkeit solcher Sammlungen als Wesensmerkmal der Gattung selbst behauptet werden kann. Die Wahl des sprachlichen Ausdrucks, ob
Prosa oder Poesie hängt zwar von den Fähigkeiten de~ anonymen Autors ab, richtet sich aber grundsätzlich nach dem Vorbild, welchem nachgeeifert wird. So benutzte Pseudo-Isokrates die Prosasentenz, wie sie beim echten Isokrates ITpÖG N"xoxA{a gebraucht
ist; iambische Einzeiler gehörten zu Menander; elegische Distichen vereinten sich zur theognideischen Sammlung; PseuPhok wird
deshalb das altertümliche Versmass des Hexameters wählen, welcher an Homer, Resiod und natürlich den echten Phokylides erinnern soll (s.u.Kap. 5.2).
Eine weitergehende Untersuchung der oben genannten und weiterer
Spruchsammlungen des Hellenismus könnte noch vieles deutlicher
machen. Die angeführten Materialien und die paar Bemerkungen
können hier jedoch genügen, um die folgenden hellenistischjüdischen Sammlungen aus ihrer Vereinzelung herauszuheben, sie
innerhalb einer weitverbreiteten Gattung konkret zu situieren
und so auch besser in ihren Eigenarten zu erfassen.
5.2 Die pseudo-phokylideische Sentenzensammlung
Wichtigste Textausgaben, Uebersetzungen und Kommentare
BERGK, Poetae Lyrici Graeci II (1843; 1882, 4. Aufl.)
1
74-109.
BERNAYS, Ueber das Phokylideische Lehrgedicht (1856), nicht-paginierter. Anhang mit selektivem Text.
ROSSBROICH, De Pseudo-Phocylideis (1900)
1
25-102 : Komm.
LINKE, Samaria und seine Propheten (1903), 166-179
dt. Uebers.
RIESSLER, Altj. Schrifttum (1928),
: dt. Uebers.
862-870.1318~1321
EASTON, Pseudo-Phocylides (1932), 223-228 : freie engl. Uebers. in Hexametern.
YOUNG, Theognis, Pseudo-Pythagoras, Pseudo-Phocylides (1961), 95-112 : Ed.
FARINA, Silloge Pseudofocilidea (1962), 19-31: Ed.; 33-49: it. Uebers. mit
Komm.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.2.1
262
DENIS, Fragmenta (1970), 149-156 : Text (= YOUNG) mit selektivem kritischem
Apparat.
VAN DER HORST, The Sentences of Pseudo-Phocylides (1978), 88-103
YOUNG), engl. Uebers.; 105-262: ausgiebiger Komm.
Text (=
WALTER, Pseudo-Phokylides (vorauss. 1979) : dt. Uebers.
Als "edle Gaben" des grossen milesischen Spruchdichters PHOKYLIDES (7./6. Jhd. v.) 1 , "des Weisesten der Menschen", ist uns
eine Sammlung von 230 Hexametern Überliefert. Die wichtigsten
Ueberschriften, welche im Laufe der Tradierung vorangestellt
wurden, lauten
~w~uACoou (~LAoo6~ou) noCnoL~ &~~AL~o~ (Mss MB)
~w~uACoou noCn~a vou3E•L~6v
~w~UALoou apyup&
~W~UALOOU yvw~aL
E:'nn
f\pw·L~cf
(Mss Al A3 ; ed. princ.)
(Ms v 2 ; vgl. Mb)
(Mss PL). 2
PseuPhok stellte scheinbar schon die Kopierer vor gewisse gattungskritische Probleme : Ist er ein einheitliches "Gemächte"
(noCn~a) oder entspricht er dem, was wir in Kap.5.1.2 über die
Gnomologien gesagt haben ? Wenn er aber eine Sammlung von
yvw~aL ist, zu welcher Gruppe ist er dann zu zählen ? Oder ge-
hört er gar zu den paränetischen Grossformen, wie sie z.B. in
di~
Test XIIPatr eingearbeitet sind (s. Kap. V.2) ?
5.2.1 PseuPhok als einheitliche Sammlung von Logoi Sophon
Die Ueberschriften selbst können für die gattungskritische Bestimmung von PseuPhok natürlich nur indirekte Hinweise geben,
da sie allesamt nachträglich und am besten im engeren zeitlichen
Umkreis der Kopierer (ab 10. Jhd.n.)
zu datieren sind
1) Zum Leben, Werk und Nachleben des echten Phokylides s. AHLERT, Art. : Phokylides, PRE 20 {1941) 503-505; SCHMID/STAEHLIN, Geschichte der griech. Lit. I/
1,299f.
2) Zu den Titeln vgl. die Angaben bei BERGK, Poetae Lyrici Graeci II, 78-81;
deren Diskussion bei BERNAYS, Ueber das phok. Lehrgedicht 34, Anm. 1; LUDWICH,
Zum Spruchbuch 5f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
263
Kap. I I I. 5. 2 .1
Mund B, die beiden ältesten Mss aus dem 10. Jhd.n., ebenso einige weitere Mss, die editio princeps (1495) und viele spätere
Drucke haben PseuPhok für genügend einheitlich gefunden, um ihm
die Bezeichnung "Gedicht" zuzulegen.
Die Mss v 2 und Mb
(15./16. Jhd.n.) setzen, indem sie die Worte
"silbern" nennen, einen gattungskritisch interessanten Vergleichspunkt in den "Goldenen Worten" des Pythagoras3, mit welchen
PseuPhok tatsächlich vielfache Gemeinsamkeiten hat 4 . Die "Goldenen Worte" sind aber (s.o. Kap. 5.l,Ziff.h) dank ihrer älteren
Bezeugung und des umfangreicheren Vergleichsmaterials deutlich
als Sammlung alter und neuer Pythagorica erkannt, aus denen
der Schlussredaktor ein pythagoräisches Direktorium gestaltete.
Man kann daraus jedoch nur folgern, dass die Mss v2 und Mb PseuPhok parallel zu einem hexametrischen Gedicht sahen, welches
wir heute mit Sicherheit in seinem Sammelcharakter erkannt
haben.
Die Mss P und L (12. und 13. Jhd. n.) reihen PseuPhok mit der
Bezeichnung yve3lJ.aL direkt in jene "im Späthellenismus fixierten
grossen Sammlungen von Aussprüchen berühmter Männer" 5 ein, aus
welchen qie griechische Logoi-Sophon-Literatur besteht.
Die gattungskritische Bewertung, die in den Ueberschriften zum
Ausdruck kommt, weist zwei sich ergänzende Aspekte auf : PseuPhok ist einerseits eine
mahnenden
S a m m 1 u n g
von lehrhaften und
E i n z e 1 s e n t e n z e n, welche andererseits
in Phokylides ihre (wie sich herausstellen wird) pseudepigraphisehe
E i n h e i
t
d e r
H e r k u n f t
hat und mit
dem Ziel, eine Summe jenes Weisen anzubieten, eine gewisse
inhaltliche
K o h ä r e n z
anstrebt.
3) Auch die Gnomen des Demokritos werden in den Mss Bund C (15. und 16. Jhd.n.)
in Konkurrenz zu Pythagoras yvw~a~ xpuoa1 genannt (s.o. Kap. 5.1,Ziff.f).
4) Vgl. PseuPhok 8 mit Carmen aureum 1-4; dann 36 (= 69b) .98 mit 38b; 69 mit
33f.; 76 mit 11f.; 81f. mit 37f.; 104b mit 71; 109 mit 15f.; 228 mit 67.
5) GIGON/RUPRECHT, Art.: Gnome, Lexikon der Antike I/2 (1965/69) 172.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
264
Kap. III. 5. 2 .1, Ziff. a/b
Die lockere Einheit, die sich aus dieser Doppelung ergibt, lässt
sich durch eine formal stilistische Untersuchung von PseuPhok
besser erkennen und bestimmen. Folgende Beobachtungen unterstützen die These einer einheitlichen Konzipierung und Ausführung der ältesten PseuPhok-Texte :
a) PseuPhok lf.und 229f. bilden einen
/
o~payLb-
ähnlichen Anfang
und einen betonten, ebenfalls zweizeiligen Schluss, der den
Inhalt der ganzen. Sammlung in der seltsamen Bezeichnung
öLxaLooÜvnb ~ua•npLa zusammenfasst und mit deren Befolgung
die Verheissung von gutem Leben verbindet. Diese deutliche
Rahmung hat sicher mitbewirkt, dass der Versbestand, sieht
man von den Einschüben in OrSib 2,56-148 (W) ab 7 , in den
Rezensionen recht konstant ist 8 •
b) Von der sprachlichen Seite her wurde PseuPhok am.ausführlichsten von ROSSBROICH untersucht und in die Nähe der pseudomanethonianischen ~nOTEAE~aTLxa 6,1-227 (spätestens 3. Jhd.
n.) 9 und verschiedener Abschnitte aus OrSib 3 gerückt. Seine
an den Spondeen (-- anstelle von -vu) und den Zäsuren xa•a
TP~TOV •Poxa~ov (zwischen den vv
stilistischen
des 3. Daktylus) angelegten
Masstäbe verweisen die 'sprache von PseuPhok
6) Vgl. die ersten 6 Frgte von Phokylides, welche alle mit xa\ •65& ~wxuACo&w
beginnen. BERNAYS, Ueber das Phok. Lehrgedicht 32, Anm. 3, streicht die beiden ersten Verse ohne textkritische Grundlage wegen der "deutlichen inneren
Anzeichen, welche diese Zeilen zu einem anpreisenden 'Epigramm' byzantinischer
Abschreiber stempeln, dergleichen in unzähligen Beispielen jeder Kundige
kennt." Vgl. ROSSBROICH, De Pseudo-Phocylideis 25ff. der einen alexandrinischen Bibliothekar aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten dafür verantwortlich macht. VAN DER HORST, The Sentences of PseuPhoc, 109f. und 260,
ist nun wieder mit Recht für die Einheitlichkeit von PseuPhok und somit für
die Beibehaltung des Rahmens lf. 229f. eingetreten.
7) GEFFCKEN. Die OrSib 29;:-34. Die Klasse w besteht aus 4 Mss·, alle aus dem 15.
und 16. Jhd. Sie hat sich nach GEFFCKEN, Ebd. XLIII, Anm. 2, vor dem Ende des
5. Jhd.s n. als eigene Klasse vom vorausgehenden Traditionsstrom ~W abgetrennt.
PseuPhok 5-79 ist somit vorher eingeschoben worden. Er ist zudem um ca. 20
Verse erweitert worden : OrSib 2,59 post PseuPhok 7; 70 post 17; 72f. post
18; 76 post 20; 80-83 post 23; 91-95(96) post 30; 106f. post 40; l09f. post
41; 112f. post 42; 119 post 47 (119a = 4a); 143f. post 69b.
8) MB lassen 134.152.197f. aus; V hat allein 17-19.28.218. Sonst geschahen bei
den wichtigen l.fss nur kleinere Umstellungen.
9) Ed.: KOECHLY, Manethonis Apotelesmaticorum qui feruntur libri VI, S. 99-112;
vgl. RIESS, Art. : Astrologie, PRE 2 (1896) 1824; SCHMID/STAEHLIN, Geschichte
der griech. Litt. II/1, 225 mit Anm. _1; II/2, 974.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
6
265
Kap. III.5.2.1, Ziff. c
zwar auf einen recht bescheidenen Platz, zeigen aber innerhalb dieser stilistischen Einordnung deren Homogeneität
deutlich auf : "unus sonus unusque stilus est totius operis" 10 .
VAN DER HORST schliesst sich diesem Urteil an, präzisiert
aber den sprachlichen terminus post quem, indem er ca.
30 WÖrter ausfindig macht, welche nur in hellenistischer
Zeit üblich waren oder nur in LXX und danach vorkommen. Das
ganze Werk, eingeschlossen der Rahmen, zeugt aber vom Versuch des Autors, "to write in the old Ionic dialect of
Phocylides and succeeds in doing so to a great extent"
11
c) Auch der Blick auf die Verteilung der Logienformen kann eine
Tendenz zur einheitlichen Gestaltung des Logienmaterials erkennen. Dazu soll (für einmal) eine Sentenzensammlung nach
ihren grammatikalischen Formen aufgeschlüsselt und kurz mit
anderen verglichen werden. Die unten folgende inhaltliche
Aufschlüsselung (Tab. 4) kann dann ohne grosse MÜhe in
diese Tabelle eingetragen werden.
10) De Pseudo-Phocy1ideis 3-10, Zit. : 7; Kritik bei SITZLER, Rez.: ROSSBROICH
449f.; vgl. schon LUDWICH, Quaest. Pseudophoc 32 : "Sprache und Kunststil des
ursprünglichen Gedichtes tragen übrigens einen durchaus einheitlichen Charakter und bieten für die Annahme verschiedener Verfasser nicht den allergeringsten Ansatzpunkt." Zur leidlichen sprachlichen Gestalt auch KROLL, Art. :
Phokylides 509; GEFFCKEN, Komposition und Entstehungszeit 51 ("barbarische
Metrik") u.v.a.
11) The Sentences of PseuPhoc 55.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
266
Kap. III.5.2.1, Ziff. c
Tab.: 3 :Die Modi in PseuPhok3-228 :
Legende : 3a 3b
bedeutet
3a.b(.c)
begr.
zwei Sinneinheiten im gleichen Vers
eine Sinneinheit mit interner Doppelung (oder
begründend mit Partikel
Trias)
Infinitiv
pos.
rneg.
3a 3b
4a 4b
Sa
I
Imperativ
pos.
1
Opt.
Indikativ
neg.
I
I
ISb
I
6a 6b
7a
9b
lOa lOb
14a
lSa
18a
I
17b
Ba Sb
9a
I
l12a 12b
l3a l3b
I
llSb
I
11 (kond.)
14b (begr.)
16
I
I
19a
ll9b
22a
23
24a 24b
25a
26a 26b
I 22b
17
l8b (Fluchwort)
!2oa 20b
I
I
I
I
3lb
32b
l21a 2lb
28
29
30
13la
I
25b (begr.)
I
27a.b.c
I
I
I
j32a
I
I
35a
I
I
I
39
I
33
34 (kond./begr.)
135b
36a.b (=69b)
37a.b
138
I
I
40 (begr.)
41 (begr.)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.2.1, Ziff. c
Infinitiv
pos.
Imperativ
lneg.
pos.
I
I 48
49
52b
I
59a
I 57a
I
I
I
I
60
61
62
63a.b
64a.b
65a.b
66a.b
67a.b
68
I
I
I
70a 70b
69ba.b (=36)
I
I
I
71
72
73
74a.b
I
I
I
58 (begr.)
I
I
I
56 (begr.)
I (b.c)
I
I
54
I 55
I
I
Blf. (Jcl.c5vl
51a.b/
52a
I
I 53a.b.c
57b
I
I
46
47
I
I
I
76a 76b
(45)
I
50a 50b
I
I
I
I
42 (These)
43
44
i
I
69a.b.c
! neg.
i
I
I
Indikativ
f
I
I
Opt.
267
77b
I
I
75
77a
78a 78b
179
I
183
IB4
85a.b (begr. l
186a.b
187
80
{Blf. l
I
I
BBa.b
89
I
I
90
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
268
Kap. III.S.2.1, Ziff. c
Infinitiv
pos.
.I
Imp~ativ
neg.
pos.
I
I
I
I
98a
I
I
I
I
:>
110 (OUK
.
109b
tv~.)
I
I
I
I
1121b
1132
133 (XPfl)l
I
I
I
(oÖx
8'cnov)
I
I
I
I
I
I
I
145bl
I
I
149b
<11ol
111
112f.
114f.
116
117
119f.
1122
I
I
145a
<!o2l
103f. (begr.)
105 (begr.)
106ff. (begr. )
1118a 118b
I
I
143
98b (begr.)'
ll09a
I
I
137a
(begr.)
100f. (3x)
"
xcxA.6V)
(OU
I
123a
I 97
92ff .
. 95b
96
I
I 102
121a
1 neg.
I
95a
I
I
I
Indikativ
I
91
I
99
Opt
123b (begr.)
124
125-128
(129)
130
131
(132)
(133)
·134
1135
I
136
137b (begr.)
138a
l13ab
,139
140(kond.)
1141
I
I
146a 146b'
147b/148a
142
144
1147a
148b
l149a
'
1150
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.S.2.1, Ziff. c
Infinitiv
pos.
Im.12erativ
1 neg.
pos.
1neg.
I
151
I
I
153a.b
I
152a
I
I
I
I
I
I
I
1177a.b
I
I
'179
178
180
1181
I
1182
183
I
I
1184f (Konj.)
186
1187
I
1188
1189
190
I
I
I
I
1193
I
195a
I
194a.b (begr.)
I
I
1199f. (begr.)
I
195b/196f. rhet. F.
I
--
118negJ
20lff.
204
I
I
I
205
(negJ
1206
207a.b
I
208a (kond.)
b/209
I
12lo
I
1211
I
II
I
t
191 (begr.)
192
(negJ
I
I
I
213
l
176<1 176b
I
I
159
160f.
162/163a
163b (begr.)
164-170
'1d
171 _ 174 B1 werte
1175
I
I
156
157
158
I
I
I
154 (begr.)
155 (begr.)
I
I
Indikativ
152b
I
I
I
Opt
269
212
i
-·.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
270
Kap. III.5.2.1, Ziff. c
Infinitiv
pos.
Imperativ
pos.
neg.
1
I
I
Opt
neg.
I
I
I
I
I
215
214 (begr.)
I 216
I
218a
217
I
I
220a
220b/221a
221b/222
223
1
Indikativ
218b (begr.)
219
I
I
I
I
I
224
225
1226
I
I
227
I
228
I
I
Der volitive Modus, ca. 60 x in der archaischen und epischen Form
des imperativischen Infinitivs 12 , fast 90x im Imperativ der
2. Pers., und ca. lOx in der Wunschform, beherrscht mit
ca.
160 Sinneinheiten diese Sammlung, sodass von daher der Titel
/
/
13
TtoLTl].J.a vou8E"tLXOV "keineswegs ganz unpassend"
ist. Fast die
Hälfte der infinitivischen Sinneinheiten ist dabei in den ersten
20 Zeilen der Sammlung massiert und gibt diesen einen altertümlichen Tonfall. Die Imperative finden sich nur zweimal zu einer grösseren Gruppe zusammen (22-30 und 175-193). Die positive
oder negative Formulierung ist dabei mit ca. 75 Vorkommen gleichmässig verteilt.
Der indikativische Modus bestimmt nur ca. 90 Sinneinheiten, wobei diese jedoch durchwegs umfangreicher sind, meis't einen ganzen Vers, öfters auch mehrere Verse umfassen, sodass quantitativ
zwischen den volitiven und den indikativischen Zeilen ein un-
12) Vg1. SCHWYZER, Griech. Gramm. 380; vg1. die ungeschriebenen Gesetze, Kap.
5.1,Ziff.a.
13) LUDWICH, Ueber das Spruchbuch 6.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
271
Kap. III.5.2.1, Ziff. c
gefähres
Gleichgewicht besteht. Die Indikative gruppieren
sich dabei gern zu kleineren und grösseren Nestern (40-47.60-68.
71-74.92-96.102-106.110-117.123-134.159-17~),
welche die kurzen,
befehlenden Worte in die weisheitliehe Einsichtigkeit zurücknehmen und -binden. Diese begründende Funktion wird manchmal mit
Partikeln verdeutlicht (=begr.), resultiert aber Öfters auch einfach aus der logischen Abfolge (vgl. z.B. 17.27.54.71-74 usw.).
Die beiden Bildworte von der Ameise und der Biene (164-174),
ebenso wie die diatribenartige Invektive gegen das Gold (42-47)
und die kleine Abhandlung vom A6yo~ als Waffe des Menschen (124128) fallen dadurch auf, dass sie nicht blass Einzelworte
anei~
nanderreihen, sondern eine über mehrere Verse hinreichende, kleine literarische Einheit bilden.
Die Gesamtabfolge der Mahnworte und Sprüche zeigt eine starke
Vertretung der volitiven Modi zu Beginn (bes. 3-33) und am
Schluss (ab 175). Im inneren Teil beherrschen jedoch indikativische Formulierungen das Feld (bes. 34-73.88-137.154-174), sodass sich ein gewisser Spannungsbogen Imperativ - Indikativ Imperativ ergibt, welcher die formale Gesamtstruktur von PseuPhok ausmacht.
Dazu ein Vergleich : Auch bei den Goldenen Worten des Pythagoras
(s.o. Kap.5.1.2,Ziff.h) ist herkunftsmässig und formal verschiedenes Logienmaterial versammelt. Durch die Gruppierung in einen
imperativischen (l-49a) und einen meist futurisch-indikativischen
Teil (49b-71) , welchem ein Bildwort (56-60 : unkontrollierbar
rollende Zylinder) und ein Gebet an Zeus (6lf.) eingebaut sind,
wurden sie jedoch so gestaltet, dass sich die zusammenhaltende
Doppelung von Aufforderung und entsprechender Verheissung ergab.
Die "Goldenen Worte" werden aber noch durch weitere Verklammerungen wie z.B. kurze Ueberleitungen (9a.l9b.49b), den Gebrauch der
Ich-Form (24.34.47) zusammengehalten, welche im Verein mit
sprachlichen Indizien einen redigierenden Schlussautor plausibel
machten 14 , welcher die ihm vorliegenden echten pythagoräischen
14) Vgl: VAN DER HORST, Les vers d'or XXV;-XXXIII u.Ö.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
272
Kap. III.5.2.1, Ziff. d
Worte zu unserer Sammlung von 71 Hexametern gestaltete und ihr
den Anstrich katechismushafter Abgeschlossenheit zu geben vermochte. Diese zuletzt genannten redaktionellen Verklammerungen
fehlen jedoch bei PseuPhok, und es zeigt sich m.E. darin ein
wesentlicher Unterschied zwischen den beiden formal ähnlichen
Sammlungen. Es ging dem Autor von PseuPhok anscheinend nicht
darum, einen phokylideischen "Katechismus" zu schaffen, sondern
seiner eigenen, aus vielerlei Quellen gespiesenen Weisheit ein
Minimum an Geschlossenheit zu geben. Stimmt diese Beobachtung,
dann hätte die Benutzung des Pseudonyms neben anderen, schwer
zu bestimmenden Funktionen auch jene, den Einzelsentenzen etwas
von der Kohärenz einer "Summe" eines grossen Weisen zu geben,
ohne dass jedoch dieser Weise selbst profiliert und die Konstituierung einer JÜngergemeinde um ihn bezweckt werden soll. Die
lockere Einheit von PseuPhok wiese somit darauf hin, dass das
eigentliche Interesse des Autors bei seiner eigenen Weisheit
oder der Weisheit seiner Gruppe liegt.
d) Lässt sich nun innerhalb dieses abgeschwächten Willens zur einheitlichen Gestaltung eine inhaltliche Gruppierung oder irgendeine kompositorische Technik finden ? In Z. 8 vermeint man, den
Beginn einer Gliederung (npw•a) zu sehen, doch ist erstens das
Doppelgebot von Gottesfurcht und Elternliebe als oberste
(=npw•ov) Pflicht ein weitverbreiteter Topos in der griechischen
Ethik 15 , zeigt zweitens die Formel npß•ov ~tv o~v in PseudoIsokrates, Ad Demonicum 13 16 ; dass dies noch lange kein Signal
für eine weitere Gliederung sein muss, und ist drittens vor Z.8
schon eine kleine Kollektion vorangestellt, auf welcher anscheinend das Hauptinteresse liegt. Solche thematische Kleinkollektionen scheinen die grösste Einheit darzustellen, welche der
Autor noch in den Griff bekam (vgl. die in Tab.4 unterstrichenen
Ziffern) .
15) Vgl. die in Kap. 5.1 genannten und z.T. zitierten Stellen Pseudo-Isokrates,
ad Demonicum 16; Beginn der ungeschriebenen Gesetze; der "Worte der Sieben
Weisen", nach BOISSONADE, Anecdota Graeca I, 135; Charesgnomen A, 7; PseuPyth, Carrnen aureurn 1-4; Menander, Monostichen 322 = Frgt XIII,l7; vgl. Frgt
VIII,5. - Zusammenstellungen bei WEFELMEIER, Die Sentenzensammlung der Demonicea 79-81; VAN DER HORST, The Sentences of PseuPhoc 116.
16) Vgl. ISOKRATES, Ad Nicoclem .9 (MATHIEU/BREMOND 100).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.2.l, Ziff. d
273
PseuPhok ist aber nicht thematisch durchgestaltet wie etwa die
o•o~xE~ov gegliederten Gnomologien 17 , sodass eine inhaltliche Gesamtgliederung möglich wäre 18 , da inhaltsfremde Einzel-
xa•a
worte zwischen den kleinen Kollektionen stehen (vgl. 122 nach
99-121; 132 nach 124...;131 u.ö.) und thematische Wiederholungen
(vgl. 4 mit 34b; Sb mit <3l>.l39.145.147f.; 55 mit 97), ja auch
Widersprüchlichkeiten (vgl. 195 mit 205) zu beobachten sind.
Die (manchmal) assoziative Sprunghaftigkeit scheint das einzige
kompositorische Prinzip zu sein, welches PseuPhok durchhält.
Diese ungeregelte Mischung von kleinen Einheiten zu einem losen
Ganzen erlaubt den weiteren Vergleich mit der pseudoiskratischen
Lehrrede an Demonikos (s.o. Kap. 5.1.2,Ziff.e). Wie dort ist
auch hier ein Mangel an gestalterischer Durchdringung festzustellen; wie dort darf aber auch hier dieses Unvermögen (oder
Nichtwollen) des Autors nicht zur Rechtfertigung für eine literarkritische Zerteilung oder eine traditionsgeschichtliche Gliederung zeitlich nacheinander folgender Ueberarbeitungen benutzt
werden. Der Autor selbst ist der eigentliche Grund für die lose
Einheit. Er schöpfte aus verschiedenen Sammelbecken, vernachlässigte bei der Uebernahme von Logiengruppen und Einzellegien und
deren Umformung in Hexameter durchwegs den Kontext und fand genau gleich wie Pseudo-Isokrates - auch eine abschliessende
redaktionelle Verschweissung fÜr nicht notwendig. Während aber
der einheitliche kulturelle Kontext des klassischen Griechentums
der Lehrrede des Pseudo-Isokrates eine inhaltliche Homogeneität
verlieh, schoben sich bei PseuPhok inhaltlich verschiedene Traditionsbereiche ineinander. Sein Autor stand am Kreuzungspunkt
dieser verschiedenen Bereiche, und man wird den Verdacht nicht
17) Ein besonders deutliches Beispiel ist die von PLANODES in 83 thematische
Gruppen gegliederte Sammlung der menandreischen Monostichen in der Klasse r.
Zusammenstellung bei JAEKEL, Menandri Sententiae Xlff.
18) VAN DER HORST, The Sentences of PseuPhoc, hat PseuPh6k 3-227 in 13 thematische Einheiten unterteilt. Fasst aber der Titel "Admonitions to Mercy" wirklich 22-41 zusammen ? Oder was s.oll ein Titel wie "Avoidance of Wickedness
and Virtuous Life" mit 132-152 mehr zu tun haben als mit 70-96, welche "The
Danger of Envy and Other Vices" betitelt werden ? Vgl. LUDWICH, Quaest.
Pseudophoc. 28 : "Morallehren und praktische Klugheitsregeln ziehen kaleidoskopartig vorüber; von einer
o r d n e n d e n
Hand, die das Spruchbüchlein
1 o g i s c h
zu
g 1 i e d e r n
versucht hätte, ist nicht die
leiseste Spur zu bemerken."
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.5.2.2
los, dass er von der FÜlle dieses Weisheitsangebotes überfordert
wurde.
So sind m.E. genügend formal-stilistische und sprachkritische
Gründe vorhanden, um PseuPhok nicht einfach als Produkt einer
Jahrhunderte langen, unkontrollierten Sammeltätigkeit zu bewer19
ten
, sondern ein einheitliches Bemühen, einen individuellen
Autor zu postulieren, dessen Werk nur noch durch wenige Einschübe oder Auslassungen verändert worden ist. Die offene Gattung
der Logoi Sophon sollte zudem von allen Versuchen abhalten, wie
BELTRAMI und RASFANTE einen ursprünglichen Kern in exakter Strophenform zu rekonstruieren 20 . Es geht auch nicht an, mit VersUmstellungen, Textkorrekturen und Aehnlichem ein möglichst kohärentes, von einem Thema zum andern harmonisch Überleitendes Gedicht herzustellen 21 : PseuPhok kann so, wie er uns im Grossen
Ganzen Überliefert ist, als Einheit in der Art der Logoi Sophon
verstanden und belassen werden.
5.2.2 Die Präsenz biblisch-frühjÜdischer Weisheitstraditionen
"An der Einheitlichkeit des Gedichtes ist nicht zu zweifeln; weder Sprache noch Inhalt berechtigen zur Annahme verschiedener
Verfasser" 22 . Wenn wir uns diesem Urteil STAEHLIN's mit den
oben ausgeführten Gründen anschliessen, so stellt sich gebie19) So FARINA, Silloge Pseudofocilidea, bes. l3ff.
20) BELTRAMI, Spirito Giudaico 514-542, versuchte 6 Eklogen herauszudestillieren,
indem er alle thematisch ähnlichen Teile zu Strophen zusammenzog. RASPANTE,
Sulla composizione, hingegen fand zwei Gruppen zu 15 Tristichen
90 Stichen)
als Grundstruktur des Gedichtes, wobei dann die restlichen 140 (:) Stichen
z.T. von einem alexandrinischen Stoiker, z.T. von einem hellenistischen Juden eingefügt worden seien. Beide Autoren gehen willkürlich mit den Texten
um; vgl. die Kritik von STAEHLIN, Die ~ell.-jüd. Lit. 622, Anm. 5.7; SITZLER,
Rez. : Raspante 699f.
·c=
21) Vgl. den harmonisierten Text bei BERNAYS, Ueber das Phok. Gedicht, nach S. 36.
Zum Leitbild eines möglichst harmonischen Lehrgedichts s. SITZLER, Rez. :
Rossbroich 452-457; und anscheinend ohne dessen Kenntnis KURFESS, Das Mahngedicht 177-181 (s.u. Anm. 42). LUDWICH, Quaest. Pseudophoc. 27ff.,hat in
der Verwerfung dieses Leitbildes bei KROLL, Rez. : Ludwich 243, Verständnis
gefunden, dieser versucht aber in Art. : Phokylides, PRE 20 (1941) 505, doch
wieder etwas mehr Ordnung in PseuPhok hineinzubringen.
22) STAEHLIN, Die hell.-jüd. Lit. 622; vgl. LUDWICH, Quaest.PseudoPhoc. 32. Dagegen BOLKESTEIN, Wohltätigkeit und Armenpflege 429, Anm. 1 (zit. u.
Anm. 32).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.5.2.2
275
terisch die Frage : Wer ist nun dieser Autor, der da am Kreuzungspunkt verschiedenster Weisheitsbereiche stand ? In welchem
Verhältnis steht er zur biblisch-jüdischen Tradition ? Gehört
er noch als wichtiger Faktor in die Geschichte der frühjüdischen
Weisheit ?
Bis gegen Ende des 16. Jhd.s. n. wurde PseuPhok ungefragt als
echt phokylideisch erachtet und stand als einziges
längeres
Gedicht des alten Meisters neben dessen kärglichen 16 Fragmenten23 in hohen Ehren. Als heller Beweis dafür, "dass das unverfälschte Zeugnis der Natur aus dem Munde der edlern Heiden im
Wesentlichen gleichlaute dem göttlichen Gnadenwort der Bibel" 24,
fand es Eingang in die zahlreichen Schulbücher, deren Verfasser
die glückliche Verbindung von recht g~tem Griechisch mit christlich akzeptabler Moral entgegenkam und jedenfalls keinen Verdacht weckte. Seit BERNAYS'
glänzender Untersuchung "Ueber das
Phokylideische Lehrgedicht" {1856) ist diese verdächtige Einheit definitiv zerbrochen 25 und die Pseudonymität der Sentenzen
allgemein anerkannt 26 • Ausschlaggebend waren dabei nicht so sehr
die sprachlichen Indizien, welche die Sentenzen in die Spät23) Ed. : DIEHL/(BEUTLER), Anthologia lyrica Graeca I, 57-60; BERGK, Poetae
Lyrici Graeci II, 68-73.
24) BERNAYS, Ueber das Phok. Lehrgedicht 2.
25) BERNAYS, Ebd. 2f., verweist auf "den wackeren Friedrich SYLBURG" (Epicae
elegiacaeque minerum poetarurn gnomae, Frankfurt 1591) und Joseph SCALIGER
(Animadversiones in Chronologica Eusebii, in: DERS., Thesaurus Temporum,
Leiden 1606) als seine wichtig.st<;m Vorstreiter hin. Nach SUSEMIHL, Geschichte der griech. Litt. 643, habe aber vor BERNAYS schon Isaac VOSSIUS, De
Oraculis Sibyllinis, London 1685 (mir nicht zugänglich), für eine jüdische
Herkunft plädiert, doch blieb er unbemerkt; vgl. VAN DER HORST, The Sentences of PseuPhoc 3f.: "Scaliger's thesis that the Poem is Christianis repeated uncritically without anybody examining his proofs for it . . • . It is
useless to enurnerate all those who have subsequently occupied themselves
with Ps.-Phoc in the 17th and the 18th centuries since they put forward
no new points .of view." Er verweist dann auf FUERST, Bibliotheca Judaica
III, 96-99.
26) Nur LINCKE, Samaria und seine Propheten (1903), 40-102; Phokylides und die
Essener (1909), 128-138; Phokylides, Isokrates und der Dekalog (1911) 438442; SPINNER, Herkunft, Entstehung und antike Umwelt des hebräischen Volkes
(1933), 486ff., und DORNSEIFF, Echtheitsfragen 37-51, haben in neuerer Zeit
die Echtheit von PseuPhok zu behaupten versucht. Die visionäre Gabe LINCKES,
die pansemitisierende Phantastik SPINNER's (vgl. S. VIII) und die apologetischen Interessen DORNSEIFF's disqualifizierten die vorgebrachten Thesen von
selbst. - Ist einmal grundsätzlich die Pseudonymität erkannt, so kann erst
der positive Aufweis im Vergleich mit echten Phokylidesworten die hypothetische Annahme bestätigen, es hätten sich in PseuPhok falsche mit echten
Phokylideslogien vermischt. Dazu müssten neue, echte Phocylidea gefunden
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Kap. III.5.2.2
antike verweisen, als vielmehr die z.T. ausserordentliche
Nähe zu alttestamentliche Gesetzestexten. Ob man seither einen
jüdischen Weisen mit hellenistischer Bildung 27 , sogar essenischer Tendenz 28 , oder einen griechischen Proselyten/Sympathisanten29 oder einen aus dem jüdisch-hellenistischen Bereich
kommenden Christen 30 oder einen Heiden mit Bibelkenntnissen 31
als Autor annimmt, oder ob man das Mahngedicht aus einer langen
anonymen Traditionsgeschichte mit heidnischen, jüdischen und
christlichen Einflüssen resultieren lässt 32 , unbestritten blieb
werden. Der Befund bei PseuMen (s.Kap. 6) lässt einen da jedoch grundsätzlich
kritisch sein. Die Versuche von RANSTON, Ecclesiastes 79-84, und LEWIS, The
Teaching of PseuPhoc 298, einen echten nucleus zu finden, sind nicht mehr
als Vermutungen.
27) BERNAYS, Das Phok. Lehrgedicht 20-36, hat dieser These zum Durchbruch verholfen (s.o. Anm. 25); sie wird seither von den meisten Autoren bejaht (vgl.
SCHUERER III, 617-622; RIESSLER, Altjüd. Schr.ifttum 1318) oder nuanciert
(vgl. Anm. 28-30). Auch die neue Reihe JSHRZ hat PseuPhok aufgenommen (Bearbeiter : N. WALTER). VAN DER HORST's grosser Kommentar vertritt die
gleiche
Grundthese, obwohl er sich. für keine der Unterformen im damaligen
religiösen Judentum entscheiden kann.
28) BELTRAMI, Spirito giudaico 517-520.543. Der Vergleich mit den Essenerberichten bei JOSEPHOS und PHILO und die allgemeinen Ueberlegungen zur apolitischen Haltung, zum klaren Monotheismus und zur hellenistischen Beeinflussung der Essener sind zum Teil falsch und aufs Ganze nicht beweiskräftig,
weil sie die tatsächlich vorhandenen, zahlreichen biblisch-jÜdischen Reminiszenzen in die Enge einer Randgruppe führen und damit Überforcieren. Zur
essenisch-qumranischen Weisheit s.o. Kap. I.3.
29) ROSSBROICH, De Pseudo-Phocylideis 2lff.; vgl. die wichtige Nuancierung auf
S. 102 : "Utrum is qui illam syllogen composuit, Judaeus fuerit an
crEß6uEv6~ cL~ cbv 3EOV t~Lcrcov aut aliquo modo Judaeorum opinionibus
irnbutus (Unterstr. v. mir) ita ·diiudicio, ut hanc potius opinionem praeferam". Eine solche "Sympathisanten-Literatur" war zwar bis dahin nicht bekannt, doch hat neulich AUDET, La sagesse de Manandre 56.80f., auch für
PseuMen einen "Gottesfürchtigen" angenommen, und ZELLER, Die weisheitliehen
Mahnsprüche, bes. l70ff., nennt als Adressaten der weisheitliehen Mahnworte
Jesu "Anhänger (n) Jesu im weiteren Sinn". Vgl. auch THEISSEN, Soziologie
der Jesusbewegung 21-26. - FELDMANN, Jewish 'Sympathizers' 200-208, und
LIFSHITZ, Du nouveau sur les "Sympathisants" 77-84, haben das inschriftliche Material dazu erschlossen.
30) Diese Position beherrschte die Forschung von SCALIGER (1606) bis BERNAYS
(1856) , also immerhin 250 Jahre lang (vgl. auch die parallele Forschungsgeschichte bei den Test XIIPatr, o. Kap. V.2.0). -sie bekam dann mit der
Entdeckung der DIDACHE nochmals eine letzte, vermehrte Aufmerksamkeit zwischen 1883 und 1885. Bezeichnend für den Wechsel sind HARNACK's verschiedene Stellungsnahmen : In der Rez. von BERNAYS, Gesammelte Abhandlungen (1885),
159ff., nennt er PseuPhok aufgrundvon Z. 104 "christlich"; in der Geschichte der Altchristl. Litt. I (1893) 89.863f. ist sein Urteil "schwankend", ob
jüdisch oder christlich; ebd. II/1 (1897) 589, ist dann jüd. Ursprung "wahrscheinlicher", Z. 104 aber "christliche (heidnische) Interpolation". Vgl.
auch DIETRICH, Nekyia 88, Anm. 2, wobei die Christen an der alten, stoisch
beeinflussten und schon jÜdisch Überarbeiteten Logienkollektion "nur einen
Anfang machten, ihre Gedanken schärfer in dem Gedicht zum Ausdruck kommen
zu lassen" (182); auch GEFFCKEN, Komposition und Entstehungszeit 51.
31) LUDWlCH, Quaest. Pseudopfoc. 29-32; vgl. auch KROLL's Rezension 243.
32) KURFEqS, s.u. Anm. 42; RASPANTE, Sulla composizione (mir nicht zugänglich;
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277
seither, dass ein (gut) Teil der vorgebrachten Weisheitslehren
in Abhängigkeit zu biblisch-frÜhjüdischen Texten steht 33 •
Der lange Katalog echter .und vermeintlicher Kontaktstellen
zwischen PseuPhok und der biblisch-frÜhjÜdischen Literatur soll
hier nicht noch einmal aufgeführt werden, da in der Anhäufung
von Material 34 schon zu oft der Blick für die Proportionen des
Gesamtwerkes verloren ging. Der Sachverhalt kann aus den drei
Autoren BERNAYS, ROSSBROICH und VAN DER HORST, welche als einzige einen durchlaufenden Kommentar geschrieben haben 35 , recht
deutlich ersehen werden.
Nach dem jüdischen Gelehrten BERNAYS (1856) wird neben dem Dekalog Ex 20,1-17 (vgl. Dtn 5,1-26), den er in PseuPhok 3-7
durchhÖrt, in PseuPhok ,8-41 vor allem dessen Gegenstück Lev 19
ausgebeutet. Die in Lev 19 aufgeführten Vorschriften hätten dabei nicht nur einzelne Zeilen bei PseuPhok sondern die ganze
Abfolge der Themen beeinflusst. Auch im Mittelteil PseuPhok
42-153, in welchem in stark aphoristischer Weise Verhaltensregeln popularethischen Ursprungs und kynisch-stoischer Färbung
zusammengestellt sind, seien einige Anleihen aus Ex 22f., Lev
18 und Dtn 22.27 gemacht worden. Seine besten Berührungspunkte
in diesem Mittelteil sind :
vg1. ,STAEHLIN, Die he11.-jüd. Lit. 622, Anm. 5; DENIS, Introduction 219,
Anm. 18); FARINA, Silloge 13-15; BOLKESTEIN, Wohltätigkeit und Armenpflege
429, Anm. 1, sieht "viel altgriechisches Gedankengut darin, das mit allerlei orientalischen, ägyptischen, persischen und auch jÜdischen Auffassungen
zu einem monstruösen Mischmasch vereinigt ist", weshalb es "vÖllig zwecklos" sei, "sich die Frage vorzulegen, was für ein Landsmann oder wes Geistes
Kind der Zusammensteller dieses Mischmaschs war : eine eigene Persönlichkeit
ist darin nicht zu entdecken." Aehnlich negativ auf S. 73. ("Erzeugnisse (n)
eines kraftlosen Synkretismus").
33) Forschungsgeschichten finden sich bei BERNAYS, Ueber das Phok. Gedicht 1~5
(von 1495 bis 1856); FARINA, Silloge Pseudofocilidea 9-15 (sehr ungenau);
DENIS, Introduction 215-219 (seit Bernays); vor allem aber jetzt VAN DER
HORST, The Sentence of PseuPhoc 1-54.
34) Vgl. LINCKE, Samaria und seine Propheten 66-73.89 (synoptisch), und bes.
BELTRru1I, Veteris et Novi Testamenti Vestigia 411-423, der durch seine kam-,
mentarlose Liste irgendwelcher Aehnlichkeiten aus AT und NT den Blick eher
verstellt. Siehe auch KRAUSS, Art. : Pseudo-Phokylides JE 10 (1905) 255f.
(bes. Parallelen aus Spr und Sir); LEWIS, The Table Talk - Section 53-56
(zu EpAr).
35) FARINA, Silloge Pseudofoci1idea (1962), kann wegen seiner Unausgeglichenheit
im beigezogenen Vergleichsmaterial (bes. Horaz und Ovid) hintangestellt
werden. ROSSBROICH vertritt den klassischen Philologen würdiger.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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278
PseuPhok 83 :
PseuPhok 84 :
PseuPhok 139.
145.
147f.
PseuPhok 140
Kap. III.5.2 •. 2
vgl. Ex 22,24 (Verhalten.zum Schuldner)
vgl. Dtn 22,6 (Vogelschutz)
J:
PseuPhok 149
vgl. Dtn 14,21; Ex 22,30f. (Bestimmungen über
besudeltes Fleisch)
vgl. Ex 23,5; Dtn 22,4 (Hilfe am Tier des
persönlichen Feindes)
vgl. Ex 22,18. (Giftmischerei und Magie)
Im dritten Teil, welcher in mehreren thematischen Gruppen (Arbeit, Geschlechtlichkeit, Ehe- und Familienleben, Alter, Sklaven) bis an den Schluss von PseuPhok reicht, "klingen ••• ausgewählte biblische Sprüche zusammen mit Gnomen von echt klassischer Einfachheit"
(30). Dabei wird vor allem in PseuPhok 177-
198 "eine Auswahl der biblischen Bestimmungen über die geschlechtlichen Verhältnisse", nämlich Lev 18, gegeben, "zugleich mit
'
einigen Strafreden gegen solche Laster, zu deren ausdrücklicher
Verfolgung die mosaische Gesetzgebung in der jüdischen Sitte
keinen Anlass fand, die aber bei den Übrigen VÖlkern, klassischen
wie nicht-klassischen, nur zu offenkundig im Schwange gingen"
(30). Nach BERNAYS ist PseuPhok also sowohl in seiner Gesamtabfolge wie auch in zahlreichen Einzeltraditionen vom biblischen
Schrifttum abhängig.
ROSSBROICH (1910) setzt, als klassischer Philologe jedoch nichtjÜdischer Religion, die Akzente etwas anders, indem er PseuPhok
grundsätzlich in der hellenistischen Welt der ersten nachchristlichen Jahrhunderte situiert und von diesem Rahmen her dann einige Einwirkungen aus der LXX oder der semitisch-jüdischen Gedankenwelt findet. Den Löwenanteil bei der Gestaltung von PseuPhok hat nach ihm jedoch die "Diatriba cynica-stoica", von welcher die Zeilen 5.6a.b.32-34.42-47.49.5lf.55f.59-69.71-75.8lf.
91.104.108.109-115.153f.l64-174.175f.l84.199-204 _sichtbar und
nachweisbar beeinflusst seien. Die drei unterstrichenen Stellen
bezeugten dabei eine direkte Kenntnis von POSEIDONIOS (Stoiker,
ca. 135-51 v.) 36 , doch sind auch Autoren wie Theognis, Euripides,
36) Auch in JOSEPHUS,· Ap 2,203, haben wir einen ähnlichen Einfluss vermutet
(s.o. Kap. 4.1, Anm. 22). VAN DER HORST's Verdikt über die "Poseidoniusrage" um 1900 sollte insofern beherzigt werden als auch SENECA,MUSONIUS
RUFUS und HIEROKLES der Stoiker berücksichtigt werden sollten.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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279
Kap. III.5.2.2
Homer, Hesiod, Herodot, Horaz u.a. als bekannt zu erweisen. Viele Worte seien aber dichterische Umformungen von Proverbien oder
"opiniones communes", welche nicht klar zu orten seien. Dazu
gehören : 7f.27.53.79.94b.l07.108.114.116f.l21.125-127.195-197.
206.207.210-212.213-217.218f.223-227.228. In dieser
ut ita dicam caeli regionibus"
"ex omnibus
(102) Zusammengestellen Gesell-
schaft37 steht auch eine Anzahl Worte, welche mit mehr oder weniger Sicherheit von der LXX abhängig sind : 8-10.12.!!.15.19.
22.24.53?.54.83.106.124.140.z.T. 179-183.186.188.226f. oder sich
als "sententae iudaicae"
(bes. 39.84f.l47f.) zu erkennen geben.
ROSSBROICH sieht also wohl den biblisch-jüdischen Einfluss und
anerkennt ihn; er sieht aber darin keine Kraft, welche die ganze Sammlung prägt.
VAN DER HORST, als klassischer Philologe und christlicher Theologe, versucht (1978) den Ausgleich, indem er das gesamte, aus
der griechischen Literatur bis dahin zusammengetragene Vergleichsmaterial überprüft und mit den möglichen Verbindungen zur biblischen Literatur und frÜhjÜdischen Umwelt konfrontiert. Sein Kommentar besteht deshalb aus 230 Materialschlachten, aus denen
manchmal kein Sieger hervorgeht, einige Male zwar das griechische Element stärker ist, meist jedoch biblisch-jüdisches Gedankengut die Oberhand bekommt. PseuPhok steht bei VAN DER HORST
zwar mitten in der hellenistischen Literatur und zeigt Kenntnis
sowohl der klassischen wie auch der späteren, besonders stoischen
Literatur; auch die Verbindungen zu den vielfachen Gnomologien
vor und nach PseuPhok sind deutlich herausgehoben. Ausgehend von
den sicheren Ansatzpunkten im biblischen LXX-Text wird dann aber
allen Hinweisen auf jüdische Verfasserschaft nachgegangen, sodass sich ein dichtes Netz deutlicher, andeutender und kaum noch
spürbarer biblisch-jüdischer Bezüge entfaltet. Im Folgenden sei-
37) ROSSBROICH vermutet dabei Einflüsse von zoroastrischem Gedankengut auf PseuPhok l03{nach THEOPOMP, Philippica.B; FrGrHist 115, S. 546-552), von den
astrologischen Erörterungen des PSEUDO-MANETHO auf PseuPhok 3.176.179.183f,
184f.l87 {s.o. Anm. 9) und von verschiedenen Orakelsammlungen der Spätantike auf PseuPhok 3.9.12.40-47.149, Es stellt sich dabei die methodische
Frage, ob man wirklich bis in die entlegendsten Winkel gehen darf, um noch
irgendwelche Parallelen auftreiben zu können.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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280
Kap. III.5.2.2,
~iff.
a
en VAN DER HORST's Beobachtungen systematisiert zusammengestellt,
wobei die abgestufte Beweiskräftigkeit der Vergleichspunkte die
Reihenfolge diktiert 38
a) Abhängigkeit des PseuPhok von der LXX
Unter dieser Ziffer sind hier jene Zeilen aus PseuPhok zusammengestellt, in welchen eine spezielle gedankliche Wendung, der ganze Gedanke oder eine sprachliche Eigenart an den griechischen,
biblischen Text als ·unmittelbare oder-Über das Gedächtnis vermittelte Vorlage erinnert :
3-8
ist wahrscheinlich eine freie Wiedergabe der zweiten
Dekalogtafel, jedoch in veränderter Reihenfolge. Die
kleine vorangestellte Kollektion ist somit eine jener
im Frühjudentum oft beobachteten ''adaptierten Zusammenfassungen" des jüdischen Gesetzes39~
10
.-
"Wirf nicht ungerecht den Armen zu Boden ! Beurteile
nicht 'das Angesicht'!" : Vgl. Lev .19, 15; Ex. 23,3;
Dtn 1,17; Sir 4,27 (auch Spr 24,23; AbRN A 10,1).
Es kann der hehr. Ausdruck b~)~ ~W) im Hintergrund
stehen.
14
"Teil gerechtes Mass zu! ••• Senk nicht den einen
Balken der Waage, sondern halt ihn im Gleichgewicht!":
Vgl. Dtn 25,14; Lev 19,35, au.ch Spr 11,1 u.ö.;
Am 81 4f •
.
19l22l24a
Auszahle.n des Lohnes I sofortiges Wohltun I Aufnehmen
des Obc;lachlosen : Vgl. Lev 19,13; Dtn 24,14 I bes.
Spr 3,27f.IJes 43,7; Ijob 31,32.
35
"Vermeid des Nachbars Feld ••• ! " : Vg 1. Ex 2 2, 4;
Dtn 23,25, vielleicht a~ch Dtn 19,4.
53f.
"Rühme dich nicht deiner Weisheit, deiner Stärke und
deines Reichtums ! Allein Gott ist weise und mächtig ••• ":
Vgl. Jer 9,22; 1 KÖn 2,10.
84f.
s.o. bei'BERNAYS' Liste.
106
Der Geist ist für die Sterblichen ein Lehen Gottes,
und ein Gleichbild. "·': Der Zusatz xa.'t e:tx~v. erinnert
38) Die unentschieden gebliebenen Fälle sind dabei weggelassen. Das Folgende
bietet deshalb nur einen Ausschnitt aus VAN DER HORST's beigezogenem Material.
·
39) Vgl. BERGER, Die Gesetzesauslegung Jesu 258-277.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
281
Kap. III.5.2.2, Ziff. b
an Gen 1,26f.; Weish 2,23. -Auch l07.108a mit dem
Motiv "aus der Erde - zur Erde zurück" erinnert an
Gen 3,19; Koh 12,7; Sir 17,1, doch ist das Bildwort
auch in der griechischen Welt, besonders als Epitaph
weit verbreitet.
140.147f.(vgl. 139.145) .149
s.o. bei BERNAYS' Liste.
179-185
Regelung der geschlechtlichen Beziehungen innerhalb
der Familie und Verwandtschaft : Vgl. Lev 18,8.9.16
und Ex 21,22f.
164-170./
171-174
Ein Bildwort von der Ameise und der Biene : Vgl.
Spr 6,6-8 + LXX 6,8a-c. Zum ganzen Abschnitt 153-174
s. die Diskussion u. S. 292-298.
l08f.
Stufenweise Bestrafung des Kindes
Vgl. Dtn 21,18ff.
In der Sekundärliteratur zu PseuPhok werden oft noch viel mehr
Vergleichsstellen angegeben, welche aber rn.E. alle weniger zutreffen und weiter vorn biblischen Text entfernt sind. Die oben
gebotenen Parallelen stellen ein kritisches Minimum dar, auf
welchem sich die Annahme biblischen Einflusses auf PseuPhok zu
gründen hat. Alle weiteren Paralleltexte haben aus sich selbst
keinen entscheidenden Argumentationswert mehr, da sie nur im
Verbund mit den gegebenen Stellen als mit biblisch-frühjüdischen
Texten verwandt
erk~nnt
werden können.
Damit kann mit Sicherheit gesagt werden, dass der Autor von
Pseu-Phok biblische Gesetzes- und Weisheitstexte gekannt hat.
Ueber den Autor selbst ist aber damit noch gar nichts entschieden. Es müsste aufgezeigt werden können, dass die Verwendung
der biblischen Materialien in einem Phokylides-Pseudepigraphon
aus frühjüdischer Perspektive geschah. Dieses Problern stellt
sich bei der nächsten Ziffer in aller Deutlichkeit.
b) Abhängigkeit des PseuPhok von der mit JOSEPHUS, Ap 2,190-219,
und PHILO, Hyp 7,1-9, gemeinsamen Quelle des "Apologeticurns"
Die beiden Gesetzesepitomen von Philo und Josephus (s.o. Kap. 4.1
und 4.2) haben deutlich werden lassen, dass sich bei der Bemühung um aktuelle Lebensregeln in hellenistisch-römischer Zeit
vielfaches Weisheitsgut aus der hellenistischen Umwelt mit bibli-
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
282
Kap. III.S.2.2, Ziff. b
sehen Traditionen verbunden hat. Das aus den gemeinsamen Traditionen von Hyp und Ap postulierte "Apologeticum'' ist ein solches
Stück frühjüdischer Literatur. Bei der 'Präsentation der beiden
Texte
(s. u. 211-215.223-226)
wurden am rechten Rand auch schon
die Parallelen zu PseuPhok angegeben. Es erübrigt sich, hier die
Parallelstellen noch einmal aufzuzählen, da sich der Sachverhalt
wohl deutlich genug gezeigt hat. Die allen drei gemeinsamen und
im Vergleich mit dem biblischen Text neuen Vorschriften betreffen. vor allem jene fundamentalen Bereiche der Menschlichkeit,
welche als ~yp~a vÖ~L~a xa\ ~an in der Antike bekannt waren,
jedoch im Bereich des Jahweglaubens der hellenistisch-römischen
Zeit mit eigenen, von der Bibel und der frühjüdischen Praxis inspirierten Inhalten formuliert wurden. Dazu gehören besonders
die Ehrfurcht vor dem Grab und den Toten (PseuPhok 22.100 Parr),
die Perhorreszierung von Abtreibung, Kindsaussetzung, Sterilisierung und Kastration, sowie gewalttätigen sexuellen Verhaltens
(PseuPhok 184.187.198 Parr), und auch eine Erweiterung der
Tierschutzbestimmungen (vgl. PseuPhok 84f. Parr). Zu dieser
"traditio triplex" kommen dann noch jene Verbindungen, die jeweils nur zwischen zweien der drei Texte laufen (PseuPhok 80.
199f.218 Par).
In PseuPhok ist somit neben dem griechischen Text der Bibel auch
frühjüdisches apologetisches Gut verarbeitet, das jedoch - wie
Philo und Josephus zeigen - starke Anleihen aus der hellenistischen Welt aufweist. In etwa gleiten so bei PseuPhok die von
Philo und Josephus der jüdischen Gedankenwelt angeeigneten
Weisheitstraditionen wieder in ihre griechische Gedankenwelt
zurück. Das Paradox der Phokylides-Pseudepigraphie wird.hier
grell deutlich : Konnte ein jüdischer Autor dieses Wagnis eingehen, ohne den Kontext in seiner eigenen Glaubenswelt zu verlieren ? Ist im Autor von PseuPhok nicht eher ein griechischer
Apologet zu sehen, der die "Apologien" von Philo und Josephus
als Usurpationen aufdecken und die ursprünglichen geistigen Ei~entumsverhältnisse
wieder deutlich machen wollte ? Der Sinn
der Pseudepigraphie wäre dann allerdings
Was ihr Juden von
eurer mosaischen Gesetzgebung herleitet, ist gar nicht eure
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
283
Kap. III.5.2.2, Ziff. c
eigene Weisheit ! Ihr habt es von unserem grossen Dichter Phokylides Übernommen. PseuPhok wäre dann die griechische Variante
der Apologien von Philo und Josephus, und die Pseudepigraphie
das Indiz für die von der gegnerischen Position her gezogene
Perspektive !
Dieser gedankliche Versuch, der bis jetzt in der Erforschung von
PseuPhok noch nicht gemacht wurde, ist ebenso verführerisch wie
er wohl falsch ist. Er postuliert in der griechischen Literatur
einen Einzelfall, für den die Beweisbasis zu gering ist. Es müssten doch wohl deutliche
antijüdische ZÜge aufgewiesen und eine
plausible Einordnung an einen an den Juden Überhaupt interessierten Ort der griechischen Literaturgeschichte gemacht werden können. Da jedoch in der frühjüdischen Literatur genügend antigriechische Elemente bei gleichzeitiger Uebernahme griechischer Materialien zu finden und in den gefälschten Klassikeranthologien
(s. Kap. 5.1.1), bei Pseudo-Hekataios (s. Kap. II.l.2),
u~d
im
"Testament des Orpheus" (s. Kap. V.l.2) auch Parallelen für den
pseudepigraphischen Ueberschritt zu griechischen Autorennamen
vorhanden sind und da m.E. in PseuPhok nicht nur biblische
Materialien sondern auch biblische Intentionen (vgl. Ziff.c)
Übernommen wurden, ist die Annahme jüdischer Pseudepigraphie
verständlicher.
Der Sachverhalt signalisiert jedoch sehr deutlich die geistesgeschichtliche Linie, Über welche PseuPhok hin und her springt,
ohne dass sich diese Linie zu einer klar scheidenden Grenze aufbauen liesse.
c) Präsenz typisch jüdischer Anliegen
VAN DER HORST zählt hierzu die Aufforderungen zur Unterstützung
der Armen (PseuPhok lO.l9.22ff.29), oder sonstwie Bedürftiger
(26. 28), zur strikten Abtrennunq von Frevlern (132-134), zur Abschaffung magischer Praktiken (149); dann auch die Situierung
des Eros in den menschlichen Bereich (194) , die Verwahrung der
Jugend vor der sexuellen Versuchung (2l5ff.) und die starke Betonung der Ehrfurcht vor dem Alter (220ff.).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
284
Kap. III.S.2.2, Ziff. d
BOLKESTEIN und SCHMIDT können zwar zu allen diesen Bereichen
einige recht gute Parallelen bieten 40 , im Frühjudentum haben
sich aber' diese paränetischen Anliegen so stark verdichtet, dass
sie sich in der doch kleinen Literatur in einer sonst nicht zu
beobachtenden Intensität zeigen. Dass diese Anliegen in der Weisheitslehre von PseuPhok so stark vertreten sind, vermag die in
den vorausgehenden Erörterungen aufgezeigten Ambivalenzen deutlicher im Sinne einer frühjüdischen Gesamtperspektive zu entscheiden. Es ist ein Anliegen jüdischer Prägung, dass die biblischen (Ziff.a) und die frÜhjÜdisch-apologetischen (Ziff.b) Materialien zur pseudophokylideischen Weisheitslehre versammelt
hat. PseuPhok steht also in einer ähnlichen Linie wie schon
Josephus und Philo. Der Schritt in die griechische Pseudepigraphie muss somit innerhalb derselben Denkbemühung interpretiert
werden, jedoch als noch bedeutend weiter ausholende Geste der
Versöhnung der griechischen Weisheitstraditionen mit der biblischjüdischen Weisheit.
d) Anspielungen auf frühjüdische "Dogmen" ?
VAN DER HORST findet in PseuPhok 1 ("Sprüche der Gerechtigkeit"),
88 (frühjüdischer Chakam ?) , 129 (wenn jüdisch, dann cro~Ca
=
Tora), 131 (viell. ebenso) mögliche Anspielungen auf die SophiaTora-Lehre. In 54 rufe der Ausdruck E~G aEOG, der aber hier
"Gott allein" und nicht "ein einziger Gott" bedeutet, jedem
Juden sein tägliches
in deri Sinn. Auch die
leibliche Auferstehung in l02-104a (vielleicht auch implizit in
11) , und die Umdeutung der kultischen Reinheit auf die Reinheit
der Seele in 228
könnten zur frühjüdischen Eschatologie und
Gesetzeskritik in Beziehung gesetzt werden. Keiner dieser Hinweise hat irgendwelchen näheren Beweiswert. Die Texte .sind zu
undeutlich, und die Bezüge müssen meist gewaltsam hergestellt
werden. Die Verwandtschaft von PseuPhok mit dem Frühjudentum
scheint sich auf der rein ethischen Ebene abzuspielen. Vom Dogma
hat der Autor so gar keine Ahnung, dass ihm in 104b sogar ein
40) Wohltätigkeit und Armenpflege 485-492 (Register); SCHMIDT, Die Ethik der
alten Griechen 483-490.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.2.2
285
&eoC unterläuft, welches feiner ausgebildeten Ohren als Hinweis
auf Polytheismus verdächtig ist 41
Obwohl bei dieser ganzen Vergleichsarbeit so vieles unentschieden
bleiben muss und - wie die Geschichte der Erforschung von PseuPhok deutlich zeigt - von der Grundoption des Forschers jeweils
sanft in diese oder jene Richtung gedrängt wird, kann mit Sicherheit gesagt werden, dass in PseuPhok biblische Anweisungen und
frühjÜdische, apologetische Weisheitsmaterialien vorhanden sind,
und dass darin ein echt jüdisches Anliegen zum Ausdruck kommt.
Die genauere Beziehung des Autors zur jüdischen Religionsgemeinschaft soll im Folgenden an einigen exemplarischen Texten illustriert werden.
Sind auch christliche Elemente zu finden ? Dass eine Grundoption christlicher Prägung fehlt, ist evident. Abgesehen
von dem in die OrSib gelangten Ueberlieferungsstrang w42,
der in seinen zusätzlichen Versen (s.o. Anm. 7) christlichen
Einfluss verrät, und obwohl gewisse Parallelen zur Didache
(um 100 n.)43 zu beobachten sind, lassen sich keine direkten
christlichen Eintragungen ausfindig machen45, Von seinem
Ursprung her ist PseuPhok unchristlich, obwohl er später 41) BERNAYS, Ueber das Phok. ·Lehrgedicht 8f., ersetzte ÖEOL durch v€o•.
Doch ist ÖEOL auch für einen jüdisch-hellenistischen Monotheisten denkbar,
da z.B. bei PHILO das Wort &Eob öfters Menschen näher bezeichnet, ohne sie
npob &.A.n&ECav
"Gott" zu nennen (vgl. DetPotins 161); weitere Stellen bei
STAUFFER, Art. : &E6b C, ThWNT 3 (1938) 91, Anm. 115; HENGEL, Der Sohn
Gottes 73-77. Vgl. auch Joh 10,34f., zit. Ps 82,6.- &Eo1cr• in PseuPhok 98a
hingegen gibt keinen Sinn. Es ist wohl mit BERNAYS, op. cit. 7,
in yoo1cr•
(ebenso ROSSBROICH, FARINA, VAN DER HORST <jedoch nur in der Uebersetzung>),
oder besser mit YOUNG, Theognis 103, in ~&• ~o1cr•
modum impone etiam tuis
(ebenso DENIS, Fragmenta 152, VAN DER HORST <jedoch nur im griech. Text>),
zu korrigieren. - Vgl. jetzt die neueste Diskussion im gleichen Sinn bei
FISCHER, Eschatologie und Jenseitserwartung 128f.l34-138, bes. 142, Anm. 57
(christl. Parallelen).
42) KURFESS, Das Mahngedicht 177-181, wagt "die ketzerische Ansicht, dass Or Sib
(W ) noch ein älteres, vollkommeneres Exemplar benutzt hat" (177) als die
traditionellen PseuPhok-Texte, da OrSib oftmals deutlichere Zusammenhänge
(vgl. PseuPhok 18 Par OrSib 2,71), bessere Uebergänge (vgl. PseuPhok 4-7
Par OrSib 2,56-58; OrSib 2,70 PseuPhok omit.) und Aehnliches aufweise. Das
Leitbild eines möglichst harmonischen Lehrgedichtes, wie es sich in KURFESS'
Argumentation zeigt, entspricht aber nicht dem, was eine Logiensammlung (auch
wenn sie in Hexametern dargeboten wird) ist. Die Sprunghaftigkeit ist ja
Bestandteil des Genus der Logoi Sophon. - S. o. bei Anm. 21 und 32.
43) FUNK, Doctrina, S. XVIII-XXII; DIETRICH, Nekyia 173-180; vgl. auch AUDET,
La Didache 214-219.
45) Ausser vielleicht PseuPhok 129, in welchem BERNAYS, Ueber das Phok. Lehrgedicht 16, eine Eintragung eines byzantinischen Lesers sieht : "Der Sohn
der orthodoxen Kirche, der Über den 'dreimal heiligen Logos' soviel lehren
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 5. 2. 3
286
wie ja das ganze jüdisch-hellenistische Schrifttum - in den
weiten Schoss der kulturvermittelnden Grosskirehe aufgenommen wurde.
Eine Datierung von PseuPhok spätestens um die Mitte des
2. Jhd.s n. ist deshalb schon.anzuraten, weil während des
2. Jhd. s n. die christliche Literatur immer mehr zur beherrschenden Grösse wurde und mit eigenen typischen Spruchsammlungen (Sentenzen des Sextus;Lehrendes Silvanos) hervortrat.
PseuPhok hatte damals seine jetzige Gestalt im Grossen und
Ganzen schon ~rreicht. Weit vor die christliche Zeitrechnung
ist aber kaum zu gehen, weil die Parallelen zu Philo und
Josephus und die Aehnlichkeiten zur kynisch stoischen Diatribe des 1. Jhd.s n. in die Zeit zwischen 50 vor und 150
nach weisen. Aegypten als Entstehungsort wird allgemein angenommen und hat auch die meisten Gründe für sich46.
5.2.3 Das Verhältnis von jüdisch-hellenistischen und griechischen
Elementen
.
Wenn man das Verhältnis zwischen den griechischen und den jüdischen Elementen. in PseuPhok untersucht, so steht man vor einem
leicht paradoxen Sachverhalt : In PseuPhok ist mehr biblisches
Material vorhanden als in der philonischen Zusammenfassung des
mosaischen Gesetzes - und dies bei umgekehrter Tarnung ! Es zeigt
sich darin wiederum die vielschichtige Problematik der Pseudepigraphie unserer Weisheitslehre, welche mit SCHUERER's Schlagwort
von der "heidnischen Maske" nicht gelöst werden kann. Das griechische Element ist bei PseuPhok nicht nur eine oberflächliche Verkleidung, sondern prägt die ganze Haltung unseres anonymen Autors,
sein sprachliches Ausdrucksvermögen, seine literarische Allgemeinbildung, seinen ethischen Eklektizismus, seine Ziel- und Wert~
vorstellungen. Die
ist
H e t e r o g e n e i t ä t
von PseuPhok
i n t e g r a 1.
und streiten härte, wollte ihn nicht zum Gebrauch der Bauern und Matrosen
(vgl. 131) entweiht sehen." Heftige Kritik jedoch bei LUDWICH, Quaest. Pseudophoc 3lf. Die von HEINRICI, Die urchristliche Ueberlieferung 333, Anm. 2,
angeführten christlichen Indizien sind keineswegs überzeugend, ebensowenig
BOISSONADE, Varietas Lectionis Phocylideae 447, Anm. 2 und 3. Weiteres
s. o. bei Anm. 25 und 30. - VAN .DER HORST, The Sentences of PseuPhoc 69, Anm.
15, weist auf seinen noch nicht erschienen Artikel "Pseudo-Phocylides and the
New Testament" : ZNW 69 (1978), hin.
46) Neueste Diskussion dieser Einleitungsfragen bei VAN ·DER HORST, .The Sentences
of PseuPhoc Slff~
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.2.3
287
PseuPhok steht zudem quer in. der gesamten frÜhjÜdischen Werbeund Verteidigungsliteratur, weil er seine Herkunft versteckt
und darüber hinaus die apologetischen und propagandistischen
Waffen streckt. Dadurch unterscheidet er sich von OrSib 3-5,
EpAr, Pseudo-Hekataios, den frühjüdischen Historikern und Exegeten, Philo und Josephus. Sich auf so unsicheres Gebiet wie
die·pseudo-heraklitischen Briefe 4 und 7 zu begeben 47 , ist seit
48
MARTIN's Veröffentlichung eines ausführlichen Papyrusfundes
nicht mehr anzuraten. Der 28. Diogenesbrief 49 muss mit PseudoHeraklit das Schicksal teilen, sodass als einziger mÖglicher
Vergleichstext weisheitlicher Art die "Gnomen des Menander"
(s. Kap. 6) verbleiben. In keinem seiner 230 Hexameter verrät
PseuPhok eine explizite apologetische Tendenz. Man kann geradezu sagen, dass er die biblischen Traditionen in gleicher Weise
beizieht, ohne deren tragende Ideen zu berücksichtigen, wie
er auch viele Anleihen aus der stoischen Ethik macht, ohne die
grossen Anliegen der Stoa auch nur anzudeuten.
Diese durchgängige Mittelposition von PseuPhok, welche im Unterschied zu den Gesetzesepitomen von Philo und Josephus keine
klaren Bezugspunkte mehr kennt, soll unter Ziff. c an den thematischen Kollektionen, besonders an der Kollektion Über die Arbeit (PseuPhok 153-174), aufgezeigt werden. Vorher soll jedoch
unter Ziff. a
ein Gesamtüberblick über die Lehrinhalte von
PseuPhok gewonnen und unter Ziff. b
ein Blick auf den Adressa-
tenkreis geworfen werden.
4 7) Vgl. BERNAYS, Die herakli tischen Briefe 70f.; DEISSMANN, Prolegomena 230234; NORDEN, Der vierte heraklitische Brief 386-392. Dagegen : DERS., Agnostos Theos 3lf.389f.; WENDLAND, Philo und die kynisch-stoische Diatribe 3944; HEINEMANN, Art.: Herakleitos (16a), PRE Suppl. 5 (1931) 228-232. Uebersicht bei DENIS, Introduction 220ff.
48) Un recueil de diatribes cynigues 96-101 : Pap Genev inv. 271, Kol IX,lXII,31. DENIS, Fragmenta 157-160, hat leider noch den alten Text Übernommen;
vgl. STRUGNELL/ATTRIDGE, The Epistles of Heraclitus 411-413. Neue Diskussion,
Ed.+ engl. Uebers. : MALHERBE, The Cynic Epistles 22-26.190-193.200-207.
49) Vgl. BERNAYS, Lucian und die Kyniker 96f.; dagegen schon NORDEN, Der 28.
Brief des Diegenes 392-410; jetzt abschliessend MALHERBE, The Cynic Epistles
16.20-125.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
288
Kap. III.5.2.3, Ziff. a
a) Die Themen (in Stichworten)
Die folgende schematische Darstellung wird auch bei Pseudo-Menander (Kap.
6.1) und bei den Achikartraditionen (Kap. IV.O) angewandt. Die römischen
Ziffern gruppieren die Stichworte zu losen thematischen Einheiten und erleichtern so den Vergleich.
I
= Personengruppen
II = Hauptsächlichste Themen der Weisheitsliteratur
III = Lebensfördernde Haltungen
IV = Lebensmindernde Haltungen
V
= Spezielles
Die Themen von PseuPhok in Stichworten
Tab. 4
I.
Personengruppen
Gott/Götter
- Uraniden, Selige
8.54.111.125.194 (vgl.l29)/98a.l04
71.163
Eltern
8
Frauen
199-204 (vgl. bei 175-205)
Kinder (Kompos.)
207-217
Sklaven (Kompos.)
223-227
Freunde
91-94.140-142.218
Feinde
140-142
Verwandte
219
Fremde (Kompos.)
39-41
Volk/Pöbel
95f.
II. Hauptsächlichste Themen der Weisheitsliteratur
Weisheit/Weiser
53f.88.129-131
Tor
68
Reichturn/Reicher
5.28.53f.62.109f.
Armut/Armer
19.83.113b
Uebeltäter
132-134.152
guter/schlechter Name
146
Tischsitten
8lf.
Sprechen
122.123
~ogos
124-131
als Waffe (Kompos.)
Speisevorschriften
5.31.139.145.147f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.2.3, Ziff. a
Heirat, geschlechtliches
Verhalten, Frau, Eros
(Kompos.) :
- Tabus
- Abtreibung
- Kastration
- Sodomie
- Homophilie
- Eros ist kein Gott
- die gute/schlechte Frau
- Jungfrau
III.
175-205 (vgl. 3.61.67)
179-183
184f.
187
188
190-192 (vgl. 213f.)
194
199-204
19 8 (vgl. 215f.)
Lebensfördernde Haltungen
Trauer
97.98a
Grosszügigkeit
80
Genügsamkeit
6
Mass
14.36.59-69.98b
Sparsamkeit
138
Treue (nLcr•L~, nLcr•EDELV)
13.79.218b
Besonnenheit
76
Einfachheit (&nA6•n~)
48-50
Ehrlichkeit, Eindeutigkeit
20.48-50
Recht, Gerechtigkeit, Gericht
9-15.19.77.87.132
Soziales Verhalten (Kompos.)
22-30 .. 83f.
Stärke
53f.l30
Tätiges Leben (Kompos.)
- Faulheit
- Ameise
- Biene
153-174
154f.
164-170
171-174
Guter/schlechter Umgang
37
IV.
Lebensmindernde Haltungen
Alter
220-222.230b
Nekyia ( Kompos.)
- Bestattung, Grab
- Sektion
- Auferstehung
- Unsterblichkeit
- Geist - Leib
- Kürze der Zeit
- xaLpo~
"
- Lebenshaltung angesichts
des Todes
99-121
99-101
102
103-105
105.115
106-108
114 .116f.
121
118-120
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
289
290
Kap. III.5.2.3, Ziff. b
Lüge/Wahrheit
7.20
Streit
78 .151.197b. 203 (pos.) • 206
Zorn u.ä.
57.63f.
Mord/Töten
4.32-34.58.184f.
Diebstahl
135f
Sexuelle Fehlhaltungen
3.61.67 (vgl. bei 179-192)
Geldgier (Kompos.)
42-47
Neid ( Kompos.)
70-75
Eid/Meineid
16.17
Unrecht
21
Sünde
5lf.
Schlechtigkeit
77
V.
Spezielles
Lernen/Lehren
89f.
Erbschaft
206
Reinigungen
228
Magie
149
Kindsraub
150
Vogelschutz
84f.
Grenzschutz
18.35
rechtzeitige Entlöhnung
19
Sorge um das Land und seine
Frucht
38
vergangenes Leiden
55
Vorbeugen ist besser als
Heilen
143f.
Allgemeine Grundsätze
27.40f.l37b (vgl. zu Mass)
b) Die Adressaten
LEWIS und VAN DER HORST haben die Lehrinhalte von PseuPhok
etwas zu systematisieren versucht 51 • Hier soll darauf nur noch
kurz unter dem Gesichtspunkt des intendierten Leserkreises eingegangen werden.
51) LEWIS, The Teaching of the Pseudo-Phocylidea 295-298; VAN DER HORST, The
Sentences of P·seuPhoc 64-69.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.5.2.3, Ziff. b
291
Der Adressatenkreis besteht aus Leuten, deren Reichtum zwar nicht
besonders gross war, die aber immerhin Sklaven zur Verfügung hatten (223-227) und anscheinend nicht zu den Armen, gegen die
sie sich wohltätig verhalten sollten (19b.83.22-30), gehörten.
Von Vorgesetzten oder gar von einer königlichen Respektsperson
wird nirgends gesprochen. Eine gewisse Bildung rhetorischer
Art schimmert durch, wenn in 123 vom "schönsprechen" (e:Ge:Ln:e:'Cv)
und in 124-131 vom
A6yo~
als Waffe (&n:AOV) und Bollwerk
(~puua) gesprochen wird. Der gebildete Weise stellt das intendierte Idealbild des Menschen nach PseuPhok dar :
129
Besser als der mächtige ist der gebildete Mann.
130
Länder, Städte und Schiffe steuert die Weisheit.
Religiöse Motivierungen spielen eine sehr bescheidene Rolle.
Die vier Stellen, in welchen von Gott gesprochen wird, zeigen
ihn zwar als weisen Schöpfer der Welt (125), als "KÖnig" der
abgeschiedenen Seelen (111) und als reichstes, mächtigstes und
weisestes Wesen (54), dessen Verehrung oberstes Gebot ist (8a),
sie sind jedoch ohne prägende Kraft auf die Gesamtheit der
Logien. Das ist wohl mit ein Grund, weshalb in 71.75 und 163
die pluralen Ausdrücke OupavCoaL und u~xape:~ ohne Bedenken für
52
•
die Himmelskörper und Naturmächte gebraucht werden
Darin zeigt sich erneut, dass das
Interesse des Autors ganz
entschieden auf dem ethischen Bereich liegt : Es geht um die
Wahrung des Masses (bes. 59-69) in allen
L~benslagen,
im Essen,
Trinken und Erzählen (69) ·, bei Sinnesfreuden (61) und in Geldsachen (62) , und um die besonnene Gestaltung des Lebens im
persönlichen (vgl. 6.76.80.138.195f.) und sozialen Bereich
(bes. 22-30). Das Gegenbild zu diesem weisen Leben zeigt sich
in den konventionellen Lastern der Geldgier, des Neides, des
Zornes, der Wollust u.a., welche fester Bestandteil solcher
Lasterkataloge sind 53 •
52) So mit Parallelen ROSSBROICH, De Pseudo-Phocylideis 87, Anm. 1; vgl. FISCHER,
Eschatologie und Jenseitserwartung 128. - BIENERT, Die Arbeit 162, wagt die
unbegründete Ansicht, dass mit den l.J.Ö.Kapq; "die Gesetzestreuen, die '"ltllkl
des AT" gemeint seien !
53) Vgl. die "Lasterparänesen" in Test XIIPatr, u. Kap. V.2.2; DIETRICH, Nekyia
174-177, stellt Parallelen zu urchristlichen Schriften zusammen.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
292
Kap. III.5.2.3, Ziff. c
c) Das Arbeitsethos von PseuPhok 153-174 als. Testfall
Nimmt man nun die Gestaltung von thematischen Kollektionen {unterstrichene Ziffern Tab.4) als Gradmesser für das Interesse
des Autors, so fallen zuerst drei Themenbereiche auf, die sich
Über mehr als 20 zusammenhängende Hexameter erstrecken :
99-121 sind den Dingen gewidmet, die den Tod, das Weiterleben, den Leichnam,·das Begräbnis betreffen, und
der Lebenshaltung, die aus dem memento mori resultieren so11 54 •
153-174 fordern zu einem tätigen, unabhängigen Leben auf,
das mit dem Bild von den Ameisen und den Bienen
illustriert wird 55 •
175-205 bilden die längste Komposition. Es geht um die ausgewogene und geregelte Gestaltung des geschlechtlichen Lebens, wobei sich eihe aszetische Tendenz mit
dem Preis auf Frau und Heirat verbindet.
Mit ca. 10 Hexametern folgen grössenmässig drei weitere thematische Einheiten, nämlich die Mahnworte zur Kindererziehung {207217), wobei es praktisch nur um Bewahrung voralldem geht,
was die Keuschheit der Knaben und Mädchen verletzen könnte;
dann um Anweisungen zu wohltätigem Verhalten {22-30) gegen alle
benachteiligten Mitmenschen· {m;ooxÖ~;~ rlcr"t"e:yo~;, "t"ucpA.Ö~;, va.unp6~;,
.
/
ne:vn•e:uoov); schliesslich die Empfehlungen des Masses {59-69),
welche sich in der Warnung vor den agressiven Kräften im Menschen und andererseits in der Empfehlung eines cre:uvd~; ~poo~;
fi.pe:•n~; zeigen.
Wenn irgendwo, dannsindbei diesen Themen, welchen am meisten
Aufmerksamkeit geschenkt wurde, die Eigenarten des Autorsas
zu finden. Hier sollte sich denn auch die Gewichtung der
biblisch-jüdischen und der griechischen Elemente in PseuPhok
aufzeigen lassen.
54) Den Charakter einer thematischen Kollektion haben CHRIST, Das Leben nach dem
Tod bei PseuPhok 140-149, und neuestens FISCHER, Eschatologie und Jenseitserwartung 125-153, hervorgehoben.
55) Vgl. BIENERT, Die Arbeit 160.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.5.2.3, Ziff. c
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Am Beispiel des Arbeitsethos von PseuPhok 153-174, welches unabhängig von der hÖher- oder tiefer gestellten Berufsart einzig
den Fleiss und den selbständigen Lebenserwerb betont, kann diese
Gewichtung gut gezeigt we·rden. Aehnliches liesse sich an den
andern thematischen Gruppen aufweisen.
PseuPhok 153-174 lauten in deutscher Uebersetzung so :
153
Arbeite dich al:mühend, damit du von Eigenem leben kannst.
Denn jeder untätige Mann lebt von diebischen Händen.
155
Das Handwerk ernährt seinen Mann, doch den Untätigen plagt der
Hunger.
Iss nicht von eines anderen Mahl die Tischabfälle,
Sondern friste dein Leben van Eigenen ohne Vergehen.
rler kein Handwerk gelernt hat, grabe mit dem Spaten.
Es dient zum Unterhalt jede Arbeit, wenn du zum Arbeiten gewillt
bist.
Willst du als Seerrann fahren, gross ist das Meer.
Willst du der Landarbeit dich widmen, ausgedehnt sind die Felder.
160
Kein Werk geht den Menschen leicht und ahne MÜhen von statten,
Selbst nicht den Seligen. Die Arbeit fÖrdert gar sehr die Tugend.
Die Aireisen verlassen .ihre unter der Erde verborgene Wohnung
165
Und kcnmen Nahrung begehrend hervor, wenn die Ernte
Rein abgenäht, die Felder mit Früchten gefÜllt.
Sie aber tragen selbst die Last des frischgedroschenen Weizens
Oder der Gerste. Ständig folgt ein Träger dem andern.
Im Sarmer schon tragen sie .ihr Futter für den Winter zusanmen,
170
Ohne Enniiden. Ein schwaches Volk zwar, doch reich an Arbeit.
Es müht sich auch die luftdurchfliegende bestarbeitende Biene.
Entweder in der Schlucht eines hohlen Felsens oder im Rohrgebüsch
Oder in der HÖhlung einer alten Eiche baut sie in den Stöcken
Unzählige Zellen als wächserne Häuser.
174
BIENERT, von dem die Uebersetzung stanunt, schreibt dazu : "Alles
was die griechische Literatur oder das Volksleben uns vom griechischen Arbeitsethos erzählen, würde hinfällig, wenn in diesen
Zeilen 'griechische' Lebensweisheit spräche. Seit J. Scaliger
(1606) ist erkannt und unbestritten, dass kein Grieche diese
Verse schrieb" 56 • Als hauptsächliche GrÜnde für diese starke Betonung des ungriechischen Charakters dieser Verse nennt BIENERT
56) Ebd. 160f.
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Kap. III.5.2.3, Ziff. c
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dann die Aufforderung zur landwirtschaftlichen Arbeit (153
EPY&~Eu ~ox3ßv.l58), welcher ein freier Grieche keineswegs frei-
willig nachging, dann die Gleichstellung des nichtwerkenden
(fiEpyo~) ·Mannes mit einem Dieb, womit "der von Staatsrenten leben-
de griechische Bürger sich selbst als Dieb ex principio gekennzeichnet hätte" 57 , und die in 158-163 wiederholte Mahnung in Landwirtschaft, Handwerk oder Handel seinen eigenen Lebensunterhalt
zu verdienen. Der Vers 155 sei geradezu ein Zitat aus dem jüdischen Arbeitsethos (vgl. Sir 10,27.30; Spr 20,4.13; 6,10f.
24,33f.) 58..
Das stichhaltigste
=
Argument für den frühjüdischen Ursprung die-
ser ganzen Passage liege nach BIENERT jedoch in der Parallele
der beiden Bildworte von den Ameisen und den Bienen (164-174)
zu Spr 6,6-Sc (vgl. 30,25), wo dem Müssiggänger (~~V/oxvnpÖ~)
im Bild der beiden weisen Tiere, die zur rechten Zeit mit Fleiss
für die schlimmen Tage vorsorgen, ein tätig schaffendes Leben
empfohlen wird. Im hebräischen Text wird nur die Ameise angeführt,
während LXX die Ameise und zusätzlich (6,8a-c) die Biene nennt.
Der Grund für diese Anfügung liege darin, dass die Ameise in
der griechischen Symbolik nicht für Fleiss, sondern nur für Habgier gebraucht werde und der Uebersetzer deshalb das auch bei
den Griechen beliebte Bild von der weisen, vornehmen und keuschen
Biene (vgl. Sir 11,3) angefügt habe :
6,8a
b
OOer geh zur Biene und lern, wie schaffig sie ist,
wie ehrbar ihr werk sie tut.
Ihr Erzeugnis ven-Jenden Könige und einfache Leute zur Gesundheits-
pflege,
begehrt ist sie bei allen und berÜhmt;
c
auch wenn sie schwach an Kraft ist sie ehrt die Weisheit und sie ist voran.
57) Ebd. 161.
58) Die Hochschätzung der Landarbeit und des Handwerks findet sich tatsächlich
in frÜhjÜdischen und rabbinischen Texten mit solcher Konstanz belegt, dass
darin etwas beSOQderes gesehen werden kann; FRIEDLAENDER, Die Arbeit 1-38,
stellt die Aussagen apologetisch positiv zusammen; vgl. JEREMIAS, Jerusalem
zur Zeit Jesu lf.l27f.337ff. Es ist dabei zu beachten, dass gerade in diesen
Texten jener Mittelstand zur Sprache kommt, der im Griechentum literarisch
praktisch inexistent ist; vgl. u. bei Anm. 64-66.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Hier werde nach BIENERT die LXX als Quelle des PseuPhcik "bis in
den Wortlaut"
(162) sichtbar.
Nach dieser grundsätzlichen Situierung im jüdischen Bereich,
sieht BIENERT im Branchidenorakel 162 und im Spatenwort 158
(vgl. Lk 16,3) 59 Anzeichen dafür, dass "auch griechische Vorstellungen mit hineingewoben wurden"
(159). PseuPhok bleibt aber sein
wichtigstes Beispiel für "die Ausstrahlung des jüdischen Arbeitsethos in die hellenistische Welt"
(163).
Das sind die Argumente einer konsequent pro-biblischen Interpretation. So "unbestritten", wie BIENERT meint, ist allerdings
der ungriechische Charakter dieser Verse nicht. SCALIGER bezieht
sich nirgends auf diese Verse, wenn er den christlichen Charakter von PseuPhok hervorstreicht 60 • BELTRAMI hat schon 1913 einen
Vergleich mit HESIOD, Erga, unternommen und PseuPhok sozusagen
als Summarium der Erga definiert 61 • Auf unsere thematische Gruppe 153-174 bezogen, sagt FARINA, dass sie "puo ben risalire agli
'Erga di
Esiodo', dove ai precetti sull'agricoltura si accompagnano norme sulla naviga" 62 • In den Zeilen 298-326 der Erga,
in welchen Hesiod seinen Bruder Perses von ungerechtem, habsüchtigem Verhalten zu eigener, ertragbringender Arbeit Überreden
will, kommt tatsächlich eine Reihe ähnlicher Gedanken vor 63 :
299-304a : Aufruf zur Arbeit (epyct~Eu); Arbeit verhindert Hunger,
bringt Wohlstand und verschafft die Gunst der Götter
(vgl. auch 306b-309. 313) • "Doch der Hunger ist treuer
Kumpan dem trägen Gesellen"
(302).
304b-306a: Bild von der faulen Drohne und der fleissigen Biene.
59) Die Branchiden waren ein milesisches Priestergeschlecht, welches die Or<:tkel
von Didyma, bzw. Branchidai verwalteten; vgl. CAUER, Art. : Branchidai,PRE
3 (1899) 809-813. Unser Spruch ist jedoch nur in einem Scholion späten Datums erhalten, welches nach VAN DER HORST, The Sentences 220f.,auf SYRIANUS
(5. Jhd. n.) zurückgeht. - Zum Spatenwort vgl. die Parallelen zu Lk 16,3
bei WETTSTEIN, Novum Testamentum Graecum II," 762f.
60) Animadversiones in Chronologica Eusebii 95f.
61) Studi pseudofocilidei; zit. nach FARINA, Silloge Pseudofocilidea 13.
62) Ebd. 13; vgl. 45, Anm. 69.
63) SOLMSEN 62f.; dt. Uebers. MARG, Erga 15f.
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311-314
Arbeiten ist keine Schande (auch hier wird nicht
zwischen ehrbarer und unehrbarer Arbeit unterschieden),
ist auf jeden Fall das "Bessere". Gerade der Ackerbau ist eine vorzügliche Beschäftigung.
315-326
Gegen die Aneignung fremden Besitzes durch Brachialgewalt oder Wortkunst.
Auch weitere Aehnlichkeiten zwischen den Erga und PseuPhok lassen sich finden : vgl. PseuPhok 162 mit Erga 42f.
beit); PseuPhok 160f. mit Erga 236f.
(Mühe der Ar-
(Verbindung von Ackerbau
und Schiffahrt); PseuPhok 156f. mit Erga 397-400 (Arbeit vermeidet Bettelei) • Eine thematische Verwandtschaft zwischen den
Erga und PseuPhok kann wohl nicht bestritten werden und ist bei
der weiten Verbreitung Hesiods gar nicht erstaunlich.
Zu diesem Be1eg aus der griechischen Literatur kommt ·für eine
konsequent pro-griechische Auslegung von PseuPhok ein Gedankengang hinzu, der etwas weiter ausgreift :
Die uns erhaltenen
klassischen Texte von XENOPHON·, PLATON,
ARISTOTELES, POSEIDONIOSund CICERO, welche zu Ackerbau, Gewerbe
und Handel Stellung nehmen, zeigen deutlich, dass alle diese
Berufsarten mehr oder weniger gering geachtet wurden. Der Lobpreis des Ackerbaus, der bei ihnen Öfters anzutreffen ist, meint
niemals das eigene crx&n•e~v, sondern stets die Leitung eines
Gutsbetriebs 64 • Alle genannten Autoren sind aber Aristokraten
und spiegeln deshalb nur die Ansicht ihrer Schicht, nicht die
allgemeine Einschätzung, welche sicher positiver war 65 • Erst
bei den "armen Philosophen", den Kynikern und Wanderpredigern,
bekam die körperliche Arbeit diese ihre positive Wertung. auch
in der Literatur 66 • PseuPhok, in welchem zahlreiche kynisch64) Vgl. dazu BOLKESTEIN, Wohltätigkeit und Armenpflege 191-199 (griech. Texte);
332-337 (Cicero).
65) BOLKESTEIN, Ebd. 199, vermag jedoch nur ein einziges Indiz ausfindig zu machen, wo diese Wertung in der griechischen Literatur durchscheint. Es ist der
Ausspruch des aus dem Handwerk stammenden Sokrates, welchen XENOPHON (der
Aristokrat!), Memorabilien 1.2,57 (JAERISCH 42f.) überliefert hat: TO ~~v
~PY~6Eo8aL ~yaa6v, TO 5'~PYE~v KaK6v.
66) Belege bei ROSSBROICH, De Pseudo-Phocylideis 85-89.
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stoische Traditionen vorhanden sind, ist nun gerade eines jener
wenigen literarischen Zeugnisse von der positiven Wertung der Arbeit, wie sie in diesen Kreisen gängig war. Der RÜckschluss auf
ein typisch jüdisches Arbeitsethos ist deshalb für eine interpretatio graeca von PseuPhok nicht zwingend.
Zur· direkten Abhängigkeit von Spr 6,6-Sc LXX ist zudem zu sagen,
dass PseuPhok 164-174 sein Doppelbild sprachlich unabhängig formuliert. Die einzige leise Berührung liegt in der Benennung der
Ameisen als bALyov ~ÜAOV (170}, was zwar weniger mit Spr 6,8c
LXX :
•n
'
p~~n aOÖEVnG, als mit der parallelen Bezeichnung in
Spr 30,25 :
'
lV-~7
bV Übereinstimmt, welches die LXX aber völlig
anders übersetzt mit otG ~n ~o•Lv lox6G. Wo bleibt da der
"gleiche Wortlaut", wenn zudem in den biblischen Texten damit
immer die Biene gemeint ist ?
Dies ginge noch besser an, wenn das Doppelbild von der Ameise
und der Biene nur in Spr 6,6-Sc LXX belegt wäre. ROSSBROICH
hat mit Recht auf die zahlreichen Belege bei den griechischen
Parömiegraphen
hingewiesen 66 ~ wo die Metaphorik keineswegs so
eindeutig verteilt ist (Biene
= Fleiss;
Ameise
=
Habgier), dass
man im Doppelbild bei PseuPhok eine "Synthese von griechischem
und jüdischem Ethos" erblicken könnte. Seither sind zudem mehrere Stellen ausfindig gemacht worden, wo Biene und Ameise im
gleichen Bildwort vereint sind 67 • Das wichtigste fand FARINA
in der Ars amatoria von OVID, I, 93-96 (KENNEY 116)
Ut redit itque frequens longum formica per agmen,
granifero soliturn cum vehit ore cibum,
aut ut apes saltusque suos et olentia nactae
pascua per flores et thyma summa volant, ...
Setzt man diese konsequent pro-griechische Interpretation gegen
die konsequent pro-biblische von BIENERT, so stellt sich die
66a)Vgl. LEUTSCH/SCHNEIDEWIND, Corpus Paroemiographorum Graecorum I, 4.69.361.
399; II, 26.33.68.123.137.189. Auch-MARX, Art. :Ameise, PRE 1 (1894) 1820ff.;
RECH, Art. :Ameise, RAC 1 (1950); 375ff.; KOEP, Art. : Biene, RAC 2 (1954)
274-282; OTTO, Die Sprichwörter 30.141.
67) Zusammengestellt bei VAN DER HORST, The Sentences of PseuPhoc 224. Weshalb
PseuPhok trotzdem "undeniably depends on the LXX version of Prov" (223), ist
mir uneinsichtig.
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Kap. III.5.2.3, Ziff. d
Frage, auf welche Seite sich die Waage zu senken habe. Gerade
diese Frage lässt sich m.E. nicht entscheiden. Und dies gilt
nicht nur vom Arbeitsethos, sondern auch von den.Jenseitsvorstellungen in PseuPhok 99-131 68 , den sexuellen Regelungen in
PseuPhok 175-205 69 und den anderen, kleineren Kollektionen.
PseuPhok erreicht in seinen Inhalten ein so gutes Gleichgewicht
von biblisch-frühjüdischen und griechischen Weisheitstraditionen,
dass sich die einzelnen Gewichte nicht mehr gegeneinander ausspielen lassen. Die Konkurrenz der beiden Bereiche ist verschwunden - und mit ihr auch jegliche propagandistische Tendenz. Nur
die oben festgestellte Uebernahme frühjüdischer, typischer Intentionen legt nahe, dass der Autor von PseuPhok tatsächlich
aus jüdischer Perspektive schrieb.
d) Die Dominanz popularethischer Begründungen
Selbst wenn sich, wie oben betont wurde, PseuPhok nicht auf das
Gebiet religiös-philosophischer Reflexion einlässt, spielen bei
den oft angefügten Begründungen (vgl. Tab. 3) weitere gedankliche Zusammenhänge mit. Es ist nun seit BERNAYS aufgefallen, dass
bei PseuPhok auffälligerweise auch in diesen Begründungssätzen
jegliche Verankerung in der biblischen Geschichte fehlt, ja dass
selbst die zentralsten frühjüdischen Theologumena mit keinem
Wort erwähnt werden (vgl. Kap. 5.2.2, Ziff.d). Selbst dort, wo
die biblischen Gesetzestexte Ex 20,1-17 und besonders Lev 19
offensichtlich verwendet werden,wird der Hinweis auf den Exoduskontext unterlassen. In Lev 19,33 z.B. wird das geschichtliche
Grunddogma Israels von seiner Herausführung aus dem "Sklavenhaus Aegypten"
(Ex 20,2; Lev 19,34b.36b) direkt zur Begründung
68) Vgl. die Analyse von FISCHER, Eschatologie und Jenseitserwartung 129-143,
dessen subtile Abwägung der beiden Traditionsbereiche im Fazit mündet : "Man
wird ... nicht behaupten können, dass der Autor sein jüdisches Wesen (!)
ganz aufgegeben hat. Aber immerhin ist festzustellen, dass das jüdische Traditionsgut bei Ps.-Phokylides entschieden unter die Dominanz hellenistischen
Denkens gerät, wobei der jÜdische Auferstehungsglaube eine durchgreifende
Spiritualisierung erfährt, die in V. 104 an die Grenzen des für einen monotheistischen Juden Denkbaren stösst, diese jedoch nicht überschreitet."
FISCHER's Vor- und Nachgeben auf alle Seiten entspricht dabei dem Sachverhal~
wenn auch besser nicht mehr von "jüdischem Wesen" im Gegensatz zum "hellenistischen Denken" gesprochen wird~
69) Vgl. die vielfachen Parallelen bei ROSSBROICH, De Pseudo-Phocylideis 89-97.
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jenes Einzelgebotes gebraucht, welches eine freundliche Haltung
gegen den Fremdling vorschreibt :
Wenn sich ein Fremdling (1)/npoonAu•oG) in eurem Land aufhält, bedrückt ihn nicht ! Wie ein Einheimischer aus euch
sei der Fremdling für euch, der sich bei euch aufhält. Du
sollst ihn lieben wie dich selbst, denn Fremdlinge wart ihr
im Lande Aegypten.
Bei PseuPhok 39-41 kommt das gleiche Thema mit bezeichnender
Verschiebung in der Begründung zur Sprache
Gleichgeehrt seien die Zuzügler (lnnAUOEG) unter den Bürgern.
Alle erfahren wir ja die weit uns vertreibende Armut,
keines der Länder bietet den Menschen sicheren Boden.
Es ist nicht mehr die volksbegründende Befreiung aus dem Frerndlingsdasein in Aegypten, welche die doch recht ausserordentliche
Forderung 70 begründet,
sondern die allgerneine Erfahrung der
tieferen Heirnatlosigkeit, die den Menschen Überall zum Fremdling
macht (vgl. aesAch 157a; MENANDER, Monostichen 554. 556) - eine
Begründung, die natürlich die in Aegypten wohnenden Juden des
1. und 2. Jhd.s n., an welche sich PseuPhok auch richtet, nicht
mehr veranlassen kann, den Exodus nachzuvollziehen und ins Land
Israel zu emigrieren !
So fehlen bei PseuPhok durchgehend die tiefen Inspirationen, die
der sozialen Gesetzgebung der Mosebücher eignen; es fehlt auch
jegliche Spur von nationalem Pathos, wie Jesus Sirach es noch
kannte und wie es in EpAr unverhohlen gefeiert wird; es fehlt
auch jede Andeutung an die volkserhaltenden Gesetzestraditionen,
wie sie vorn Dtn und von der Priesterschrift bis in die Weisheit
der Rabb-inen reicht. PseuPhok ist insofern biblische Weisheit
im verarmten Sinn, als er mit den Allerweltsbegründungen der
Popularphilosophie auskommt :
Das Mass ist das Beste (14.36=69b).
Das Leben ist ein Rad. Das Glück ist wackelig (27b).
Gleichheit ist in allem das Beste (137b).
Geschehenes lässt sich nicht ungeschehen machen (56) .
Die Masse ist wankelmütig (95b).
70) Es geht ja nicht um die in der ganzen Antike gerühmte Gastfreundschaft, sondern um die Gleichberechtigung der nicht zur ethnischen Gruppe gehörigen
"Beisassen" .
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300
Tier wird von Tier gefressen (148b).
Anstrengung fördert die Tugend (163b) .
Die ~iebe ist kein Gott (194) •
Das Eindringen von solchen sententiösen Begründungssätze haben
wir schon bei JOSEPHUS, Ap 2,190-219,im kleinen Ausmass beobachten können. Dort dienten diese Sätze dem Zweck, eine mosaische
Vorschrift in ihrer weisheitliehen Sinnhaftigkeit aufzuzeigen.
Hier bei PseuPhok ist kein solcher Bezug auf eine fundamentale,
frühjüdische Grösse zu finden; die Begründungen stehen in sich
selbst und wollen nichts anderes als einsichtig sein. Die allgemeine Einsichtigkeit der hellenistischen Welt ist als stillschweigendes Postulat für die Stärke der weisheitliehen Aussagen von PseuPhok vorausgesetzt.
Viele dieser Aussagen sind von biblisch-frÜhjüdischen Traditionen her gestaltet, das bleibt ohne Zweifel. Dies zeigt sich sowohl in der Uebernahme frühjüdischer Anliegen und biblischer
Texte in pseudophokylideische Einzelvorschriften, als auch in
der Schärfe der Abweisung gewisser, in hellenistisch-römischer
Zeit üblicher Praktiken. Es wird also für eine weisheitliehe
Haltung geworben, welche in gewissen Bereichen biblisch-frühjüdischem Ethos entspricht, ohne dass diese Haltung deshalb
schon besonders wertvoll wäre. Die Einsichtigkeit auch jener Forderungen bestimmt ihren Wert. Wenn PHILO, Hyp 7,1-9 hellenistische Fundamentalethik und der Amenhotep-Verehrer von Deir elBari die Siebenweisensprüche Übernimmt, tun sie etwas ganz anderes, da sie einen Bezugspunkt in der gloriosen Vergangenheit
ihrer Ge.schichte
(Moses, Amenhotep)setzen. Da kommt die Werbung
für eine Nation und deren Ethos hinzu; da geschieht auch Verteidigung einer meist nicht mehr so blühenden Situation. PseuPhok tut das nicht. Die Pseudepigraphie ist nicht mehr Werbetrick
sondern literarisches Versteckspiel. Es ist deshalb durchaus möglich, dass der Autor von PseuPhok einem literarischen Bedürfnis
seiner in jüdisch-hellenistischem Gebiet lebenden Adressatengruppe entgegenkommen wollte 71 und - vielleicht auch wegen sei71) So HENGEL, Anonymität, Pseudepigraphie und 'literarische Fälschung' 306f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.5.2.4
301
nes unsicheren Versuchs der sprachlichen Nachahmung des alten
Phokylides - das Anonymat der offenen Verfasserangabe vorzog.
Eine eindeutige Zielsetzung ist jedoch auf keinem Weg beweisbar. Das hat die Geschichte der Erforschung genügend gezeigt;
das liegt aber auch in der durchgängigen Vielspurigkeit von
72
PseuPhok selbst •
5.2.4 Pseudo-Phokylides, ein Lehrbuch - und eine "Lehre"
PseuPhok bleibt somit ein merkwürdiges Denkmal für die frühjÜdische Weisheitsliteratur. Er signalisiert den Uebergang biblischer Weisheit in die hellenistische Gnomik, ähnlich wie später
die Gnomen des Sextus (s.o. Kap. 5.1.2,Ziff.n) den Uebergang
neupythagoräischer Sentenzenweisheit in die christliche Weisheit darstellen. Durch ein radikal verändertes Denken und Begründen, das alles nur innerjüdisch Bedeutsame vermeidet, sind
bei PseuPhok die biblischen Wurzeln fast verdeckt. PseuMen (Kap.
6) und die orientalischen Achikartraditionen (Kap.
IV)
werden
noch einen Schritt weiter gehen. Doch schon PseuPhok zeigt deutlich, wie die biblischen "Worte der Weisen", die "wie Stacheln
und eingeschlagene Pflöcke"
(Koh 12,11) sein können, zur Samm-
lung werden, der die zentrierende Leitidee eines seine Weisheit
exemplarisch lebenden Weisen und die. Originalität eines Entwurfs,
der aus den tragenden Kräften einer auftragsbewussten Gruppe
lebt,
f e h 1 e n •
PseuPhok war seit Beginn reif für ein Schulbuch. Es hat deshalb
auch - und wohl nicht nur im 15. und 16. Jhd.n. - als Schulbuch
seine grösste Berühmtheit erreicht. Dass mosaische Traditionen
solche Wege ins Griechen- und Christentum gefunden haben, gehört zwar wesentlich mit in eine Geschichte der frühjÜdischen
Weisheit, stellt aber auch grundsätzliche Fragen nach dem Sinn
Aehnlich wird auch WALTER, JSHRZ, den Zweck von PseuPhok beschreiben (Brief
vorn 24.12.77).
72) VAN DER HORST, The Sentences of PseuPhoc 70-76, gibt einen guten Ueberblick.
Er selbst scheint mit der ~rnpathisantenthese arn ehesten vorlieb zu nehmen
(vgl. 75f.).
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302
Kap. III.5.2.4
dieser Entwicklungslinie innerhalb der frühjüdischen Weisheit.
Unterdessen entwickelte sich in Palästina ja die Taraweisheit
zum Symbol der auftragsbewussten Gruppe des Pharisäer/Rabbinen,
und unterdessen bahnte sich eben dort - in einer grossen Zentrierung auf den charismatischen Lehrer Jesus - die christliche
Weisheit an, welche beide zeigen, dass Weisheit mehr braucht
als blasse weisheitliehe Inhalte, um als mitkonstituierende Faktoren in Zeit und Geschichte zu stehen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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6,
DIE
11
WORTE DES WEISEN MENANDER"
Textausgaben :
LAND, Anecdota Syriaca I (1862), 64-73 : Brit. Mus., Or. add. 14 658, ff.
163-167b; II (1868), 20f. : Brit. Mus., Or. add, 14 614, f. 116b.
SACHAU, Inedita Syriaca (1870), SOff. : Brit. Mus., Or. add. 14 614, ff.
116a-117b.
Uebersetzungen und Kommentare :
lat.: LAND, Anecdota Syriaca I (1862), 156-164.
BAUMSTARK, Lucubrationes Syro-Graecae (1894), 475-487 (teilweise).
dt.:
SCHULTHESS, Die Sprüche des Menander (1912), 199-224.
RIESSLER, Altj. S.chrifttum (1928) , 1047-1057 .1328f.
fr.:
AUDET, La Sagesse de
M~nandre
(1952), 57-81.
Während von Phokylides nurmehr einige wenige Reste seines gnomischen Schaffens vorhanden sind, fÜllen die Fragmente des Menander einen ganzen
gewichtigen Band (FAttCom IIIB) , und fast je-
des Jahr kommen neue Papyri mit Menandertexten zum Vorschein.
Als hervorragendster Vertreter der griechischen "Neuen Komödie"
lebte er am Ende des 4. Jhd.s v. in Athen 1 , erfuhr aber erst
posthum jene grosse WÜrdigung und Verbreitung seines Werkes,
dank deren es - wenn auch um viele Stücke dezimiert - den puristischen Attizismus der ersten nachchristlichen Jahrhunderte
Überlebte 2 • Obwohl erstberuflich ein "Komiker", erfuhr Menander
gerade seit dem 1. Jhd.n. als "Gnomendichter" einen solchen Ruhm,
1) zu Leben, Werk und Nachleben vgl. SCHMID/STAEHLIN, Geschichte der griech.
Lit. II/1,38-46; KOERTE, Art. : Menandros (9), PRE 15/l (1931) 707-761 (716f.
zu PseuMen) .
2) Der Attizismus oder die Neue Sophistik ist die Stilrichtung, die besonders
von Herodes Atticus (101-177 n.) und Aelius Aristides (129-189 n.) an, "die
griechische Prosa. bis ans Ende des Altertums und darüber hinaus in steigendem Mass beherrscht" (SCHI.UD/STAEHLIN, Geschichte der griech. Lit. II/2,509).
Zur attizistischen Kritik an Menander vgl. SCHMID, Der Atticismus in seinen
Hauptvertretern I, 207; II, 297.
·
(303)
http://hdl.handle.net/10900/56118
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304
Kap. III.6
dass er einen der ersten Plätze in der griechischen Sentenzenliteratur einnahm 3 •
Wir haben oben Kap. 5.1.2, .Ziff. 1 das weitläufige Spruchmaterial
der Monostichen, Vergleichungen und Gnomen kurz charakterisiert,
welche Menanders Namen z.T. mit Recht, z.T. als propagandistisches Pseudonym, vielleicht auch als verehrenqe Widmung trugen.
Deutlich ist, dass nur ein verschwindend kleiner Teil des Überlieferten Sentenzengutes auf Menander selbst zurückgeht 4 ; sein
Name scheint zum Kollektor vor allem der einzeiligen Sentenzen
geworden zu sein, welche sich in immer grösseren Sammlungen
zusammenfanden.
Wir stehen somit mitten im Geflecht der griechischen Gnomologien, wenn wir uns der Sentenzensammlung des syrischen Menander
zuwenden, welche RENAN 1852 in einem syrischen Kodex des Britischen Museums aus dem 7. Jhd. n. (0r.add.l4 658, 163b-167b) aufgespürt5 und LAND 1862 erstmals vollständig ediert und mit ei••
M
ner lateinischen Wort-fur-Wort-Ubersetzung versehen hatte
6
D;i.e heftigen Kritiken von WRIG.HT, PAYNE SMITH und GEIGER? bewirkten zwar Nachträge im zweiten Band der Anecdota Syriaca
von LAND 8 , doch. blieb der Text und dessen Verständnis an vielen
Stellen unsicher. SCHULTHESS versuchte 1912 auf grund von Photo9
graphien des Kodex eine .verbesserte (deutsche) Uebersetzung ,
3) Texte der Komödien : SANDBACH, Menandri Reliquiae selectae; KOERTE/THIERFELDER, Menandri quae supersunt I.II; der Sentenzen : JAEKEL, Menandri
Sententiae; gesamte Fragmente : EDMONDS, FAttCom IIIB.
4) Vgl~ die Aufschlüsselung der Herkunftsbereiche in den Listen bei JAEKEL,
Menandri Sententiae 143-152.
5) Lettre a M. Reinaud 302f. "C'est une collection de sentences extraites des
comedies de Menandre, et tout a fait differente des collections de gnomes
monostiques que nous possedons sous le nom de ce poete" (302).
6) Anecdota Syriaca I, 64-73 (syrischer Text); 156-164 (Menandri Sapientis Sententiae e codice saeculi septimi Latine redditae); 198-205 (In Menandri
Sententias; ein Vergleich mit den Monostichen).
7) WRIGHT, Anecdota Syriaca 115-130; PAYNE SMITH, Rez. : Land, Anecdota Syriaca
1:, 187-199; GEIGER, Bibliographische Anzeige 752-759.
8) 17-19.25f.
9) Die Sprüche des Menander 202-224; RIESSLER, Altj. Schrifttum 1329, scheint
diese Uebersetzung nicht zu kennen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.6.1
305
die 1952 von AUDET nochmals vielfach korrigiert wurde. Seine
mit reichem Kommentarmaterial versehene (französische) Ueber10
setzung liegt deshalb den folgenden Darlegungen zugrunde
6.1 Themen und Adressaten
Wie die thematische Zusammenstellung u. S. 307f. zeigt, umfasst
PseuMen das ganze Spektrum der praktischen Lebensweisheit, ohne
dieses auch nur einen Moment auf die Reflexion Über die Weisheit
oder einen philosophischen Gedanken auszuweiten 11 • Allgemeine
Weisungen wie 30.49.68.96, welche einen grösseren Bereich des
menschlichen Lebens in Betracht ziehen, sind verhältnismässig
selten. Quantitativ an erster Stelle stehen die Feststellungen
und Anweisungen zu moralisch guten Verhaltensweisen (vgl. Gruppe
III und IV); dann folgen die Regelungen der zwischenmenschlichen
Beziehungen (Gruppe I) , wobei der Übliche Personenkreis umschrieben wird. Einen recht grossen Platz nehmen auch hier die traditionellen Lehren (Gruppe II) Über Reichtum und Armut, Leben und
Tod, Weisheit und Torheit, Essen und Trinken, Reden und Schweigen ein. Viele vereinzelte Themen wie die Jagd, das Gesetz, der
Traum, die Erbschaft usw. sind assoziativ oder ohne Zusammenhang eingefügt. Gott wird in verschiedenen Zusammenhängen erwähnt, als Vergelter der guten Werke (2.36), Feind der Laster
(4.7.25.28.63), Erschaffer des Menschen (65), der willkürlich
- oder nach dem alten Gesetz der Erniedrigung und Erhöhung (15)das Lebensschicksal zuteilt (3.4) und Gutes und BÖses mischt
(68c.96a), aber auch das Gebet erhört, wenn er gefürchtet wird
(17). Denn : "Die Gottesfurcht ist wichtigster Quellort aller
10) La Sagesse deMenandre 57-76. Die Aufteilung in 96 Sentenzen oder Sentenzengruppen wird ebenfalls beibehalten, obwohl eine neue, nach Sprucheinheiten
gegliederte Zählung notwendig wäre. Bei AUDET sind auch die vorausgehenden
Zählweisen von LAND (Seite + Zeile) und SCHULTHESS (101 Sentenzen) vermerkt.
11) Vgl. FRANKENBERG, Die Schrift des Menanders 270: " ... von Schwung, Wärme
des Gefühls und Spekulation zeigt sich keine Spur, in charakteristischem
Gegensatz zu Prov 1-9 und Jesus Sirach ... "; AUDET, La Sagesse de Menandre 79 :
"Taute espece de philosophie un peu consciente d' elle-meme est absente de sa
pensee."
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
306
GÜter"
Kap. III.6.1/2
(69). Gott gehört mit zu den Selbstverständlichkeiten der
geordneten Welt von PseuMen, in welcher er die Schlechten zu
Sklaven macht (28a), die Guten aber zu Ehre, Macht und Reichtum
(28b.36) gelangen lässt, und in welcher das Staatsgesetz schlechthin eine Gottesforderung darstellt (52b).
Der in vielen Einzelaspekten facettenartig beschriebene Menschtyp, in welchem sich sowohl das Entstehungsmilieu wie auch der
Adressatenkreis spiegelt, ist der ausgeglichene, begüterte Mann,
der im sozialen und familiären Bereich nach der Goldenen Regel
(40) lebt, nicht zu gehorchen, sondern zu befehlen hat und ein
ausgeprägtes Bewusstsein von Ehre zeigt 12
Er kennt einige re-
ligiöse Grundsätze und versucht mit ihnen, aber auch mit viel
Sinn für die Güter dieser Welt, seine unsichere Lebenswaage stabil zu halten. Im üb7rlegenden Vorgriff berechnet er das Schicksal und den Tod mit ein, ohne sich damit gesundheitsschädigend
stark zu beschäftigen.
6.2 Formen und Gattung
Formal ist in PseuMen fast das ganze weisheitliehe Repertoire
vorhanden : Sprichwörter und indikativische Sentenzen wechseln
ab mit einzelnen oder gereihten Mahnworten, welche alle oft begründet oder illustriert werden (z.B. 54.56.57.65). Diese
Ten~
denz zur Ausschmückung zeigt sich besonders in jenen Worten, die
durch die Schilderung einer Situation
an
die Grenze der Lehr-
erzählung reichen (vgl. 15.20.33.43). Auffällig und offensichtlich durch Gedankenassoziation angefügt ist die Dialogszene zwischen Homer und seinen Gefährten (13).- Einige Male lässt sich
eine schwache thematische Gruppierung finden : 24-28 handeln von
den guten und schlechten Sklaven; 92-96 von Tod und Leben. Besonders 69-95, welche in einer langen indikativischen Reihung die
wichtigsten weisheitliehen Themen zur Tugendlehre anschlagen und
12) Die zum Bedeutungsfeld "Ehre/Schmach" gehörenden WÖrter sind arn stärksten
vertreten, vgl. 1. 2 (2rnal). 4. 5.10.14 .15. 31. 33.34. 36 (3rnal) • 43.63. 96.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III. 6.1
Tab. 5
I.
Die Themen von PseuMen in Stichworten
Personengruppen
Gott/Götter
1.2.4~7.15.17.25.28.36.52.63.65.68.69.
96
I 43
Eltern
2.4.5.13.14.34.62.65
Greise
2.13.14.29.67.70.92.93
Frauen
7.16.38.60
Kinder
1.6.8.33.35.52
Brüder
19.33
Sklaven
8.23-28.25
Freunde
5.33.34.45.65.73
Feinde
18b.32.54
Nächster
40
Vorgesetzte
65
Priester
43
II. Hauptsächlichste Themen der Weisheitsliteratur
Weiser/Weisheit
55.74.79.96
Tor/Torheit
58.81
Reichtum/Armut
14.15.18.21.36.44.45.47.57.64.66.69.
71.76.87.88.90.93
Essen/Trinken
9.10.12.43.45.57.59.85
schlechter Mensch
22.59
guter Name
56.71
Ehre/Schmach
2.9.10
Sprechen/Schweigen
16.46.53-56.60.86
III.
307
Lebensfördernde Haltungen
Jugend/Alter
67.70.92.93
Trauer
96
Grosszügigkeit
64
Fröhlichkeit
72
Entschlossenheit
75
Hoffnung
80
Mut
55.56
Herzensreinheit
138
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Gesundheit/Krankheit
90.91.94.96
Ruhe/Unruhe
68.89.96
Leben/Tod
14.15.18.21.54.56.66.69.~3.92.93.95.96
IV.
Lebensmindernde Haltungen
LÜge
31
Streit
20.22. 31. 61.62
Kampf
56.61
Zorn
78
Mord
3
Diebstahl
8.21.23.24.39.50.51
Ehebruch
7.37.38.63
Unzucht u.Ae.
8.41.63
Neid
84
Stolz
31. 4i. 64
Angst
82
schlechtes Gewissen
83
Trägheit/Fleiss
11.12.77
V.
Spezielles
Goldene Regel
40
allgemeine·Weisungen
30.49.68.96
Erhöhung/Erniedrigung
15
Vergeltung
3.4.15
Schicksal
15.96
Gesetze
52
Jagd
42
Wasser
1. 37
Ackerbau
1
Ausbildung
6.52
Traum
11
Anleihe
32
Erbschaft
33
Kreuzigung
Gericht
50
58
Lehrgespräch mit Homer 13
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.6.3.1
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von einem allgerneinen Lehrspruch Über Gut und BÖs im menschlichen
Leben umrahmt sind (68c.96a), können als relativ selbständige
Sammlung angesehen werden, welche wie eine Anfügung an das grosse,
formal gemischte Corpus
1~68b
wirkt. Sonst ist jedenfalls keine
weitere Strukturierung und auch keine gewollte, gedankliche Abfolge zu finden. "Jeder Spruch ist ein Gedanke für sich, bis zum
nächsten ist immer ein Sprung" 13
Was die Gattung von PseuMen angeht, ist hier grundsätzlich dasselbe zu sagen wie bei PseuPhok : Wir haben eine Logiensarnrnlung
vor uns, welche mit wenigen stilistischen Mitteln und einigen inhaltlichen Gruppierungen zu einer Weisheitslehre gestaltet ist.
Die lose Einheit entspricht der Gattung der Logoi Sophon. Die
Pseudonyrnität ist literarischer Trick ohne ersichtliche Besonderheit : Es geht weder um die Konstituierung eines Menanderkreises,
noch um die Verbreitung einer neuen Lehre. Die eigene Weisheit
des Autors, welche nur an wenigen Punkten Profil hat, möchte Über
den berühmten Namen das Ohr der Leser finden. Mehr scheint die
bescheidene Sammlung nicht zu wollen.
6.3 Traditionsgeschichtliche Ortung
6.3.1 Forschungsgeschichte
Die traditionsgeschichtliche Herkunft der Sentenzen von PseuMen
ist schwer in den Blick zu bekommen, da keine unmittelbare griechische Vorlage aus der sonst bekannten Literatur zu ersehen ist.
Schon der Erstherausgeber LAND hat PseuMen mit den echten Fragmenten Menanders und den Monostichen verglichen. "At ne unani
quidern repperi quae Graece eadern forrna servata sit." Dass er dabei die einzige, jedoch sehr kurze Uebereinstirnrnung des bei
STOBAIOS 2.10,21 überlieferten Einzeilers OOoe'Ls;; ~rtA.oÜ-cnoev
,
,
~ 14
.
-ca.xt:ws;; c5Lxa.Los;; wv
rn1.t PseuMen 87a ("Reichtum ist herrlich und
13) FRANKENBERG, Die Schrift des Menander 275.
14) Aus MENANDER, Ko1ax 43 (SANDBACH 129); bei MEINEKE, Fragmenta Comicorum
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
310
Kap. III. 6. 3 .1
ehrbar, doch wird er dem braven Mann nicht schnell zuteil.")
übersah, ändert wenig am Sachverhalt. Wegen der Aehnlichkeit im
Sinn ("sensus") oder in der Denkart ("cogitandi ratio") entschied
er sich dann dafür, dass ein syrischer Heide aus menandreischen
Sechshebern grössere Sentenzen gebildet und um eigene Worte und
Sprichwörter hier und dort vermehrt hätte. Daneben seien auch
Sentenzen anderer Griechen und ."des Öftern Andeutungen (spuriae)
arabischer und hebräischer Sprache" eingeflossen 15 •
BAUMSTARK verwahrte sich dann 1894 gegen eine solch weitreichende redaktionelle Tätigkeit des Kompilators und versuchte mit zusätzlichem Vergleichsmaterial aus der griechischen Neuen KomÖdie
und den römischen Komikern Plautus und Terenz zu zeigen, dass
PseuMen aus ursprünglich echten Sentenzen des Menander·bestehe,
welche jedoch nach der Manier der syrischen Gnomologien 16 zu ei~
nem kontinuierlichen Text ("perpetua oratio") verarbeitet worden
seien, indem zahlreiche, z.T. sinnlose Konjunktionen eingefügt
worden seien. Daraus ergab sich für ihn die bestürzende Einsicht,
dass jene Logien in PseuMen, welche keine Parallelen bei MENANDER
aufweisen, nach ihrer syntaktischen Herauslösung aus dem syrischen Textgefüge, echte und
stellten ! 17
n e u e
Fragmente Menanders dar-
Graecorum II, 1064, als Monostich 688 (suppl. ex Aldol angeführt; mit Recht
getilgt bei JAEKEL, Menandri Sententiae XVI. - Vgl. auch AUDET, La Sagesse
de Menandre 7 8.
15) Anecdota Syriaca I, 198f. (Uebers. von mir). Schon 1855 hatte GUIZOT,
Menandre 39/40, Anm. 1, in den von RENAN mitgeteilten ersten drei Logien
von PseuMen (l-3a) "trop de souvenirsdes saintes Ecritures et l'allure trop
marquee de l'imagination orientale", festgestellt, "pour que nous puissions
croire le recueil authentique et raisonnablement attribue a Menandre". RENAN
scheint brieflich bei GUIZOT ähnliche Bedenken geäussert zu haben.
16) Vgl. die schon oben Kap. 5.1.2, Ziff. n betonte Umgestaltung der pseudopythagoräischen Sextussentenzen zu einem kontinuierlichen "Logos des Papstes
Xystus" ·bei EVAGRIUS PONTICUS; siehe 'MUYLDERMANS, Le Discours de .Xystus·
183-201.
17) Lucubrationes Syro-Graecae 473f.487; vgl. die Korrektur in : DERS., Geschichte der syr. Lit. 169. Aehnlich aber weniger radikal auch STAEHLIN, Die
hellen.-jüdische Lit. 623 : "wahrscheinlich nur die syrische Uebersetzung
oder Bearbeitung einer griechischen, den Monosticha des Menandros ähnlichen
Sammlung, die selbst neben echten Bruchstücken des Komikers bereits Nachahmungen enthielt."; KOERTE, Art. : Menandros (9), PRE 15/1 (1931) 716, findet einen "Grundstock von Sinnsprüchen Menanders", der "in immer steigendem
Masse durch Aufnahme von Versen anderer Dichter und durch neue Stümpereien"
erweitert wurde.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.6.3.1
311
Ein Jahr später kam FRANKENBERG zu einem diametral entgegengesetzten Resultat, indem er alle möglichen Aehnlichkeiten zu
den biblischen und frühjüdischen Weisheitstexten zusammenstellte
und kontrapunktisch zu BAUMSTARK formulierte : " ••• Die Schrift
des Menander (ist) eine jüdische Spruchweisheit ( .•. ) ganz in
der Art von Proverbien und Jesus Sirach. Der Hauptnachdruck ist
bei dem Beweis ( ••• ) nicht darauf zu legen, dass sich hier und
da ein Spruch findet, der bis aufs Wort in jenen Schriften wieder
begegnet, selbst nicht darauf, dass der Text an einigen Stellen
nur durch RÜcksichtsnahme auf ein hebräisches Original sich erklären lässt, sondern auf die Gleichheit in der ganzen Art des
Denkens, des Empfindens und der Weltanschauung. Es findet sich
kaum ein Thema, das nicht auch bei Sirach oder in den Proverbien
behandelt wird, und zwar in demselben Geist ••• eine solche totale Uebereinstimmung weist auf die gleiche geistige Atmosphäre,
verrät eine gemeinsame Tradition, zeigt den Stempel der Schule"
18
Die beiden letztgenannten Stellungnahmen mussten eine Reaktion
hervorrufen. SCHULTHESS fÜhrt 1912 den doppelten Schlag auf beide Seiten : "Baumstark's Meinung, es seien lauter ursprüngliche
Einzeiler zusammengeschweisst", scheint "gänzlich aus der Luft
gegriffen und falsch". Frankenberg's These sei allerdings "noch
schlimmer", da er "aus begreiflichen Gründen keinen einzigen Beweis erbracht" habe, weder für ein hebräisches Original, noch
für einen Hebraismus, noch "für seine Meinung, dass die Sprüche
ein einheitliches Produkt eines einzelnen Weisen seien, und gar
ein jüdisches aus der RÖmerzeit". Den Grund für eine solche
Verirrung sieht SCHULTHESS vor allem in einer "merkwürdige(n)
literarische(n) Voreingenommenheit" Frankenberg's, der in PseuMen
a
tout prix ein jüdisches Werk finden wollte, obwohl es im Grunde
eine "Anthologie darstellt, deren einzelne Teile der internatio-
18) Die Schrift des Menander 264; in Annt. 2 postuliert er zudem, "dass der Text
sehr reich an Hebraismen" sei. Aehnlich KRAUSS, Art. : Menander, JE 8 (1904)
473f.; SCHUERER III, 622ff.; RIESSLER, Altj. Schrifttum 1328f.; kritisch
dann MARKON, Art. : Menander, Jüdisches Lexikon 4 (1930) 89. Die Encyclopaedia Iudaica, Jerusalem 1972, hat das Stichwort nicht mehr.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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.
Kap. III.6.3.2
312
nalen Weisheitsliteratur Vorderasiens und Griechenlands entnommen sind" 19 •
Damit war wieder jene doppelte, offene Antwort gegeben, wie sie
ähnlich schon LAND (1862) formuliert hatte. Erst AUDET bringt
1952 ausgeglichenes Parallelenmaterial, indem er die Verbindung
sowohl zu den griechischen Gnomalegien als auch zu den atl.
und frühjüdischen Weisheitsbüchern aufzeigt und ein kritisches
Minimum von Vergleichspunkten anbietet.
6.3.2 Die Präsenz biblisch-frühjüdischer Weisheitstraditionen·
Als gute Berührungspunkte zwischen PseuMen und den biblischfrühjüdischen Weisheitstexten können folgende Stellen angezeigt
werden :
PseuMen 4 (vgl.l4):
Vgl. Sir 3,1-16; 7,27f. : Charakteristisch
ist die strikte Verknüpfung von Verachtung
der Eltern und Gottesstrafe.
PseuMen 9
Sir 31,25-31; bes. auch TestJud 14,1-4.7f.;
16,1-3 : Vom Weintrinken in Freude und mit
Mass.
PseuMen lla
Vgl. Spr 6,9-11 (= 24,33f.); 19,15a; 20,13
Der faule Schläfer, der verarmt und hungert.
PseuMen 18a
Vgl. Sir 8,7 (auch bei syrAch 79, s.u.)
Freu dich nicht am Tod eines Menschen !
PseUMen 55
Vgl. Sir 20,5 :
Selbst der Tor scheint weise, wenn er schweigt.
PseuMen 65 :
Vgl. Sir 7,30 (auch Did 1,2)
"der Gott, der dich gemacht hat".
PseuMen 68c.96a
Vgl. Koh 5,17b; 8,15b :
die von Gott bestimmte, kurze Zeit des Lebens mit seiner Freude und seiner ~ast20.
\
19) Die Sprüche des Menander 20lf.; ZEEGERS-VANDER VORST, Une gnomologie d'auteurs grecs en syriaque 166-169, stellt 13 weitere syrische Gnomologien zusammen (vgl. schon BAUMSTARK, Geschichte der syr. Lit. 170, Anm. 5), die
vielleicht auf eine gemeinsame Sammlung zurückgehen (169f.), jedoch keinen
einzigen Vers mit den echten Werken der angegebenen Autoren oder ·Überhaupt
der heute bekannten griechischen Literatur gemeinsam haben. In PseuMen sieht
ZEEGERS-VANDER VORST einen ähnlichen pseudepigraphischen Text einer verloren
gegangenen griechischen Gnomologie, die jedoch jüdisch oder christlich (175,
Anm. 58; mit ?) Überarbeitet sei.
20) Vgl. FISCHER, Eschatologie und Jenseitserwartung 26f.; er verweist auf eine
"spätere Studie" (27) über den Zusammenhang zwischen PseuMen und Koh.
s. auch Anm. 26.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III.6.3.2
PseuMen 69
313
Vgl. bes. Sir 1,11-20 (und viele andere Stellen):
Die Furcht des Herrn ist •••
Es ist jedoch keine einzige wörtliche Uebereinstimmung festzustellen, sodass von einer literarischen Abhängigkeit, wie FRANKENBERG sie - mit vielen, noch weniger zutreffenden Beispielen sah, nicht die Rede sein kann. Eine diffuse Kenntnis der biblischen und frÜhjüdischen Weisheitsschriften ist zwar auf grund
dieser Berührungspunkte zu vermuten; für eine Zuordnung von PseuMen in den näheren Umkreis des Judentums müssen aber andere Argumente als nur literarische Aehnlichkeiten herangezogen werden.
Als solche "weltanschauliche" Indizien, die PseuMen deutlich vom
Heidentum unterscheiden und deshalb auf jüdisches Gedankengut
hinweisen, sind besonders folgende Aussagen zu werten :
Die Einzigkeit Gottes ist undiskutierte Evidenz. Dieser strikte
Monotheismus wird zwar weiter nicht propagiert, vor ihm erscheinen aber die heidnischen Priester und deren "Götter"
als niedrig und lächerlich 21
(43)
Gott ist souveräner Garant der
menschlichen Ordnungen (bes. 52b), hält Leben und Tod, Gut und
BÖs in seinen Händen (15.68), ahndet Verbrechen und belohnt die
Tugend.
Der Mensch ist das Werk Gottes (65); er erfährt Lohn oder Strafe
in diesem seinem irdischen Leben (2.4), da es nach dem Tod nur
mehr ein trostloses Schattendasein gibt. Die "Furcht Gottes"
ist die einzige
angeführte Relation, die zwischen den Menschen
und Gott besteht; nur Über sie kommt Erhörung des Gebetes zustande (17), erlangt der Mensch "alles Gute"
(69).
Dass PseuMen 40 die Goldene Regel im engsten Anschluss an die
Formulierung bringt, die wir schon von Hillel oder tAqiba (bSchab
21) Die "Götter" in PseuMen 43 machen nur Schwierigkeiten, wenn man unter den
Priestern jüdische Amtspersonen versteht, s. FRANKENBERG, Die Schrift des
Menander 265-270; SCHUERER III, 622, und RIESSLER, Altj. Schrifttum 1329,
welche darin eine Tarnung des jÜdischen Autors oder eine falsche Deutung
des hebräischen ·O'l1'7~ sehen. Gerade der Gegensatz zwischen "Gott" und den
"Göttern der Priester" hebt den Gott in PseuMen von jenem anonymen Gott der
Lebenslehren ab, der nur "die Sunune aller Einzelgötter" meint (vgl. BARTA,
Der anonyme Gott 88).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. III. 6. 3. 2
3la Par AbRN B 26), in Tob 4,15a und TargJeruschalmi I angetrof22
fen haben
, könnte dann als schmaler textlicher Steg in die
frühjÜdische Weisheitsliteratur verstanden werden, umso mehr als
die Übliche syrische Form der Goldenen Regel, wie wir sie bei
APHRAATES (gest. 345 n.) und PHILOXENOS v. Mabbug (gest. 523 n.)
finden 23 , von der Formulierung in PseuMen leicht abweicht.
Viel mehr an Argumenten inhaltlicher Art lässt sich für den
biblisch-frühjüdischen Charakter von PseuMen nicht vorbringen.
Die Aehnlichkeit mit PseuPhok im Gesamtcharakter und in vielen,
jedoch dem Hellenismus verdankten Aussagen, und das lose Netz
von Beziehungen zu den wohl auch im heterodoxen Judentum umgehenden Achikartraditionen (s.u. Kap. IV), vermögen zwar noch etwas mehr Hintergrund für. die geistesgeschichtliche Situierung
von PseuMen im frühjüdischen Raum zu schaffen, die folgende
Liste von Bezugspunkten gestattet es aber nicht, irgendwelche
gemeinsame literarische Basis frühjüdischer Art zu postulieren,
wie dies bei der Dreiergruppe JOSEPHUS, Ap 2,190-219, PHILO,
Hyp 7,1-9 und PseuPhok der Fall war. Dass sich die deutlichsten
Bezüge zu syrAch finden, führt uns hier erstmals in jenen weiten Bereich der Achikartraditionen, welche Judentum, Hellenismus und orientalische Traditionen in enge Verbindung miteinander
bringen24 •
PseuMen 2a :
Vgl. PseuPhok 8; JOSEPHUS, Ap 2,206
Zuerst ehre Gott, dann deine Eltern
PseuMen 13a
Vgl. syrAch 74 :
Streite nicht mit dem Aelteren !
25
22) S. o. Kap. 4, bei Anm. l-3.
23) Vgl. CONNOLY, A negative Form 35lff.; AUDET, La Sagesse deMenandre 69,
Anm. 4, sieht darin ein Indiz für die nicht-syrische Vorlage.
24) FÜr die Entschlüsselang der Achikarverweise s. Kap. IV.O.
25) FÜr die zahlreichen Belege in der griechischen Fundamentalethik der "ungeschriebenen Ge.setze" s. o. Kap. 5,1.2, Ziff. a; in den griechischen Gnomelegien s. Kap. 5.2, Anm. 15, bes. MENANDROS, Monostichen 322 (JAEKEL 51) :
9EOV npo"t(]J.a, 5E01:EPOV 5E 1:0~(; yovd(; (vgl. 352 !) •
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.6.3.2
315
PseuMen 15
Vgl. aramAch 56.II,8f. (Gr: 60); armAch 167
Vom erhöhenden und erniedrigenden Gott.26
PseuMen 18a
Vgl. syrAch 79; Sir 8,7 :
27
Freu dich nicht am Tod eines andern '
PseuMen 18b
Vgl. aesAch 145
Bete nicht um den Tod des Feindes, sondern dass
er in Armut und Leid komme
PseuMen 20
Vgl. syrAch 73 (85)
Vermeide den Ort eines Streites, sonst wirst du
selbst geschlagen und kommst als Zeuge vor Gericht.
PseuMen 36
Vgl. syrAch 82 :
Ehre den von Gott beschenkten Reichen
PseuMen 38b
Vgl. syrAch 9 :
Sündige nicht mit der Frau deines Nächsten, damit
nicht auch deine Frau mit einem fremden Mann sündigt.
PseuMen 40
Vgl. armAch 189 :
die negativ formulierte "Goldene Regel".
PseuMen 61
Vgl. aramAch 56.II,2f. (Gr: 55); syrAch 52.73a; aesAch
Vermeide den Kampf mit dem Stärkeren
146a :
PseuMen 66
Vgl. PseuPhok lo9f., auch Koh 5,17-19
Geniesse den Reichtum, bevor du stirbst. In die
Unterwelt kannst du nichts mitnehmen.
PseuMen 71
Vgl. syrAch 64, auch Spr 22,1; Koh 7,1; Sir 41,12
Ein guter Name zählt mehr als Reichtümer.
26) Man ist versucht, in der Spruchgruppe 15, die mehrmals an die Achikartraditionen anklingt, Überhaupt eine Auswertung der Achikarerzählung - ähnlich
wie in Tob 14,10a-lla; - zu sehen :
"Voici un hemme tombe dans le malheur;
personne ne croit qu'il se remettra sur pieds.
Mais, l'heure venue, Dieu le prend par la main,
le releve et le fait monter au faite des honneurs.
car la richesse n'est pas eternelle,
et la pauvrete ne dure pas toujours.
Tout arrive au gre de la fortune.
J'ai vu celui qui se dressait pour tuer etre mis a mort,
et celui dont on s'emparait pour le perdre treuver la vie.
Car celui que Dieu eleve, n'est pas (exalte) eternellement,
et celui qu'il humilie, n'est pas (abaisse) pour tpujours.
(Uebers. AUDET, La Sagesse 64) Wem klingt hier jedoch nicht auch Koh in
die Ohren? vgl. PseuMen 66.68c.71.96a.
27) Vgl. auch MENANDER, Monostichen 346 (JAEKEL 52)
"t"&avn><6"t"a.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III.6.4
316
6.4 Pseudo-Menander
Der Abschluss der jüdisch-alexandrinischen
Weisheitsbewegung
Lässt sich etwas Über den Bezug des Autors zu den im hellenistischen Judentum möglichen Formen der Religionszugehörigkeit sagen ? Lässt sich das Verhältnis von jüdischer und griechischer
Denkart in PseuMen etwas deutlicher fassen ?
Einige Indizien weisen in ein dem PseuPhok verwandtes Entstehungsmilieu : Dass PseuMen eine Uebersetzung einer griechischen
Vorlage ist, unterliegt keinem Zweife1 28 • AUDET hat nun die
richtige Beobachtung gemacht, dass in PseuMen 65 bei der Uebersetzung ins Syrische eine Verwechslung von einem ursprünglichen
vo~Öb = ägyptischer Distrikt mit v6~ob =Gesetz, Bestimmung
- dl'1c h wur d e 29 • D1es
.
stattge f un d en h at, wo d urc h d er Satz unverstan
weist eindeutig nach Aegypten. Ob sein zweites Argument, dass
die Erwähnung des Wassers als erste Sorge des Menschen (PseuMen
1) von den in Frage kommenden Kulturgebieten griechischer Prägung am besten auf Aegypten zutreffe, möchte ich bezweifeln.
Das Schwert als Symbol der Macht (PseuMen 3) , die Kreuzigung
als Todesstrafe für Diebstahl (PseuMen 50) und die Existenz
von Gladiatorenschulen für JÜnglinge (PseuMen 6) weisen auf die
römische Epoche hin. Terminus ante quem ist die Zeit um 400 n.,
da seit Konstantin's Verbot der Gladiatorenspiele (325 n.) die
Gladiatorenschulen langsam eingingen. Den terminus post quem
kann das in PseuMen 24 vorausgesetzte Sklavenrecht abgeben, wo
der Herr nicht mehr .über Leben und Tod seines Sklaven verfügen
kann. "Comme la legislation restrictive de ce droit ne fait
son apparition que sous les An,tonins, et qu'el1e n'a qu'assez
lentement passe dans la pratique, il faut placer la redaction de
notre recueil au plus tOt vers la fin du IIe siecle" 30 •
28) Ausser GUIZOT, Menander 39/40, Anm. 1, und LAND, Anecdota Syriaca I, 199,
die den syrischen Uebersetzer mit dem Autor der Sammlung verwechseln (vgl.
die Kritik von GEIGER, Bibliographische Anzeige 753), und FRANKENBERG, der
eine (nicht zu beweisende) hebräi.sche Vorlage postuliert, sind sich die
Forscher über die griechische Ursprache einig.
29) La Sagesse deMenandre 73, Anm. 1.
30) Ebd. 77. Für die Römerzeit optieren alle Autoren, die eine Datierung geben.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. III. 6. 4
317
PseuMen ist somit ein griechisches opusculum eines ägyptischen
Sprücheschreibers, der ähnlich wie andere seiner Zeitgenossen
seine eigene Spruchweisheit unter dem Namen des berühmten, in
Aegypten jedem Schulkind bekannten 31 Menander unter die Leute
gebracht hat. Er hatte vor allem griechische Sentenzenliteratur
im Ohr, aber auch lose Erinnerungen an biblisch-frühjÜdische
Weisheitstexte. Sein theologisches und anthropologisches Gedankengut war jedenfalls in einigen zentralen Punkten von jüdischen Glaubensvorstellungen geprägt. Es fehlt jedoch - wie schon
bei PseuPhok - jede Reminiszenz an die Geschichte und den spezifischen Auftrag Israels, und zudem ist - im Unterschied zu PseuPhok - auch keine Verbindung zur biblischen Gesetzesliteratur
festzustellen. Mose fehlt nicht nur als apologetischer Bezugspunkt, sondern Überhaupt. Mit PseuMen ist deshalb jener Schritt
in die hellenistisch-römische Welt getan, zu dem PseuPhok
ca. 100 Jahre früher anhob. Das Resultat ist deutlich : So wie
PseuMen zu Leuten spricht, die in geordneten Verhältnissen ein
Leben führen können, welches nur die Freuden und Leiden jedes
Menschen kennt, so bezeugt er auch einen Autor, dem es nurmehr
um die innere und äussere Stabilität des Einzelmenschen in den
Wechselfällen des Lebens geht, ohne dass ein Auftrag oder Anliegen sichtbar würde, das PseuMen entschieden von den in hellenistisch-römischer Zeit so zahlreich zirkulierenden Lebensleh.. d 32
ren ab h e b en wur
e
.
KOERTE, Art. : Menander ( 9) 1 PRE 15 (1931) 716 1 datiert in das l. Jhd. n. 1 da
derMenander feindlich gesinnte Attizismus (s.o. Anm. 2) eine Sammlung von
Menandersentenzen unmöglich gemacht hätte. Gerade solche laienhaften Sammlungen machten aber eine weitere Verbreitung Menanders trotz der offiziellen puristischen Stilrichtung möglich. Zudem war in Alexandrien der Attizismus nicht menanderfeindlich 1 vgl. SCHMID 1 Der Atticismus in seinen Hauptvertretern III, 273 1 Anm. 15.
31) Da in der hellenistisch-römischen Zeit praktische Uebungen an Sentenzen und·
Chrien fester Bestandteil des Elementarunterrichts in Rhethorik waren (vgl.
MARROU, Histoire de l'education 238-240), sind recht viele "Menandersentenzen" auf Schülernotizen, Lehrmitteln u. Ae. erhalten geblieben. KALBFLEISCH,
MEv~vöpou yvoouaL 100-103, hat z.B. ein Fragment einer alphabetisch geordneten Sammlung aus dem 3. Jhd. n. mit der Unterschrift MEv~vöpou yvwuaL verÖffentlicht (Pap. Giss. 348), in welchem echte menandrische Monostichen
mit andersweitig bekannten Gnomen vermischt sind (;JAEKEL Frgt III, S. 6);
weiteres bei GOERLER, MEvavöpou rvwuaL 102-118 (Gnomologien).
32) AUDET, La Sagesse deMenandre 80f., sieht im Monotheismus von PseuMen Grund
genug, diesen zu den "Gottesfürchtigen" zu zählen und von dort her eine
Linie zu den "Menschen guten Willens" christlicher Prägung zu ziehen. Konnte
man dies bei PseuPhok noch mit einigem Recht erwägen (s.o. Kap. 5.2, Anm. 72),
so fehlen hier m.E. triftige Gründe.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
318
Kap. III.6.4
PseuMen dokumentiert so am äussersten Rand dessen, was man noch
frühjüdische Literatur nennen kann, wie Weisheitstraditionen und mögen sie auch biblisch beeinflusst sein - zu einer Sentenzensammlung ohne deutliche Erkennungsmarken und somit ohne klare
Identität wird. Nurmehr leichte, geistesgeschichtliche Verbindungslinien zurück in die biblische und jÜdische Glaubenswelt
sind sichtbar. Die starke Präsenz griechischer und orientalischer Wedsheitstraditionen zeigt, dass wir uns bei PseuMen auf
jenes internationale Weisheitsmilieu hin bewegen, dessen Raum
anband der Achikartraditionen umschrieben werden
kann
(s. Kap.
IV). Wir stehen am Ende jener.Geistesbewegung, welche mit den
alexandrinischen Historikern und Romanciers begann und über Phila und PseuPhok das ägyptische Judentum bis ins 2. Jhd. prägte.
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IV, FRUEHJUEDISCHE WEISHEIT IN DEN ACHIKAR - TRADITIONEN ?
Q,
ZUR UEBERSICHT
Die Achikar-Traditionen sind eine komplexe Angelegenheit, da sie
vom 7. Jhd.v. bis in unsere Zeit hinauf reichen 1 . Wenn wir uns
auf die frühen Formen einschränken und nur jene textlichen Verzweigungen beachten, welche den Kontext zur frühjüdischen Traditionslinie bilden, so sind folgende vier Textgruppen als hauptsächliche traditionsgeschichtliche Fixpunkte zu beachten
1. Die jüdisch-aramäischen Papyri von Elephantine aus dem 5. Jhd.
v. (= aramAch) •
2. Demotische Fragmente aus römischer Zeit (= demAch).
3. Die orientalische Episode im griechischen Aesoproman aus dem
1. Jhd.n. (= aesAch).
4. Die orientalischen Versionen (=orVers) mit dem Syrer als Hauptzeugen (= syrAch) aus christlicher Zeit.
Das Märchen vom weisen Achikar (arab : Haikar) ist in Europa
zwar seit der ersten Uebersetzung von "Tausendundeine Nacht"
durch A. GALLAND (1704-1717) 2 bekannt, doch hat es nie jenes
1) Kurze Gesamtdarstellungen bei NOELDEKE, Untersuchungen; MEISSNER, Das Märchen; GUTMAN, Art.: Achikar, Encyclopaedia Judaica 1 (1928) 720-728.- DEGEN,
Art.: Achikar, Enzyklopädie des Märchens 1 (1975) 54-59," bezieht auch weiteres, für die Märchenforschung wichtiges Vergleichsmaterial besonders aus dem
östlichen Sprachraum (altkirchenslavisch, rumänisch, russisch, ~lttürkisch,
kiptschakisch, georgisch) mit ein.
2) Les Mille et une nuits, contes arabes, 12 Bde, Paris 1704-1717 (zit. nach
RONCAGLIA, Art.: Alf Laila Wa-Laila, Kindler's Literaturlexikon 3 (1976)
919).
(319)
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.O
320
breite Publikum gefunden wie z.B. die Märchen von Sindbad, Aladin und Ali Baba, welche sich ebenfalls nur im Anhang der berühmten Sammlung vorfinden. Die zahlreichen orientalischen Versionen der Geschichte und der Weisheitslehre des alten Weisen
Achikar, welche seither gefunden wurden, beweisen jedoch, dass
es eine "besonders irn christlichen Orient und Okzident weit bekannte und verbreitete Geschichte" war, ja sogar, dass wir in ihr
"ve'rmutlich das älteste uns erhaltene Märchen auf semitischem
Boden besitzen" 3 , das in seiner frühesten Fassung "die Keimzelle
des antiken Romans und damit des Romans Überhaupt" 4 darstellt.
Zur Uebersicht sei eine inhaltliche Zusammenfassung nach syrAch,
der ausführlichsten Version, vorangestellt
1 - 2
3
5
Achikar, der kinderlose Beamte unter Sennacherib und
SarJ;ledom, adoptiert seinen Neffen Nadan, um ihn zu
seinem Nachfolger am Hof heranzubilden.
Achikar unterrichtet Nadan in seiner Weisheitslehre
(Logien 1-95) •
4 -15
Durch Nadans Verleumdungen gerät Achikar in Ungnade
beim KÖnig, wird zum Tode verurteilt, entgeht aber
durch Bestechung des Henkers der Hinrichtung und wird
in einer Grube versteckt6.
16-25
SarJ;leqom, durch eine Rätselfrage des Pharao in Verlegenheit gebracht, bedauert den vermeintlichen Tod
Achikars. Dieser wird befreit und übernimmt die Lösung
des Rätsels. (Bau eines Palastes zwischen Himmel und
Erde).
26-32
Achikar reist nach Aegypten, löst die Aufgabe mit Hil-
3) MEISSNER, Das Märchen 3.
4) ALTHEIM/STIEHL, Die aramäische Sprache 183.
5) Wegen der Handlichkeit der parallelen Darstellung aller wichtigen Texte (ausser aramAch) und der damit gegebenen einfacheren Zählung und Zitation der
Weisheitsworte wird hier und weiterhin die Ausgabe von NAU, Histoire et Sagesse d'Ahikar l'Assyrien (Paris 1909), als Verweisausgabe benutzt, ohne dass
damit über die Textqualität etwas entschieden sein soll (s. u. Kap. 4). Die
Ziffern der Weisheitslogien aus syrAchPar sind deshalb wie folgt zu verstehen:
(3,)
1- 95}
(33,) 96-142
143-157
158-209
210-261
262-285
syrAch + Parr aus den orVers
aesAch (nach Pl; s. u. Kap. 3)
Sondergut von armAch (52 Logien)
Sondergut von slavAch (52 Logien)} . ht
berücksichtigt.
Sondergut von rumAch (24 Logien)
nLc
6) Hier bricht der erzählende Teil von aramAch endgültig ab.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.O
321
fe zweier dressierter Adler und Knaben, verblüfft alle
Weisen des ägyptischen Hofes mit seinen Antworten und
kehrt reich beschenkt nach Assur zurück7. Er bittet
sich Nadan aus und bestraft ihn fürchterlich.
33
Achikar hält dem gefesselten, blutig geschlagenen Nadan eine lange Mahn- und Klagerede (Logien 96-142) .
34
Nadan schwillt an und birst auseinander.
AesAch stimmt im Grossen und Ganzen mit diesen inhaltlichen Elementen Überein, obwohl er wesentlich kÜrzer ist. AramAch ist
fragmentarisch; was bei ihm nach Kap. 15 (des syrAch) geschieht,
kann auf keine Weise rekonstruiert werden. Der grösste strukturelle Unterschied besteht bei der Einfügung der weisheitliehen
Stücke : Die orVers haben alle die Zweiteilung in eine Lehr- und
eine Strafrede; aesAch hat nur eine einzige kurze Weisheitslehre
v o r
der Abreise Achikars nach Aegypten (also nach syrAch 25);
ähnlich mag es bei dernAch gewesen sein (s.u.); in aramAch ist
die Abfolge der Elemente nicht mehr mit Sicherheit zu bestimmen.
Die Themen von syrAch 3 Par aramAch 53-59 seien in einer weiteren Tabelle zusammengestellt. Eine erste summarische Einsicht
in Aehnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Versionen,
zu PseuPhok (vgl. Tab. 4) und zu PseuMen (vgl. Tab. 5), sowie zum
weiteren spätbiblisch-frühjüdischen Schrifttum ist dadurch ermöglicht:
7) AesAch endet hier, da Nadan vor der Reise Achikars nach Aegypten bestraft
wird und stirbt.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
322
Kap. IV.O
Tab. 6
Die Themen von syrAch 3 Par aramAch 53-59 in Stichworten
syr
I.
aram
8
Personengruppen
Gott
2.8.31.37.38.81.82
Idol
90
Satan
38. (49)
König
vgl. 32.37.38.41.49.66.
69.77.78
17-21.23 .25f.
Frauen (vgl.Schönheit) · 7.8.9.14.26.27.39
77.88.92
Eltern
49
Kinder (Erziehung)
19.32.33.37.39.53.59
~.24
Sklaven
35.44.45.53
5.6.99
Freunde,Freundschaft
17.61.64.70.76.78.94
vgl.53
Feinde
25.28.38.79a
77.79
Vorgesetzte
42.43.72
94
Priester
81
Mächtiger
52.73
Aelterer
74a.79b
Junge Leute
16.18
Nächster
49
vgl. 9.31
29
39.41.74.75.vgl.93
Fremder
30
Gerechter/Sünder
Vom MeJ;lschen
9.33.44
Guter Mensch
II.
54.55.56
75
68.72
Hauptsächlichste Themen der Weisheitsliteratur
Weiser/Tor
Weisheit/Torheit
Reicher /Armer
Reichtum/Armut
j
12.15.16.18.24.30.36.40.
50.51.60.80.87.93.95
13.57.82
22.55.56.61.64.68.69.
82.95
22.47.48.109
Schönheit(vergänglich)
6.26.65.92
Guter Name
6.64.65
Gute Manieren
lla
53
8) Ausnahmsweise (vgl. bei Tab. 7) wird in dieser Spalte nur nach GRELOT, Les
proverbes aram~ens 178-194; Documents arameens 427-452, gezählt, welcher nach
Logieneinheiten unterteilt.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.O
323
Sprechen/Schweigen
2.3.5.10.11.36.41.48.
63.70.71.72.73.87.89
12.14.15.16.27.32.37.
53.57
Essen und Trinken
14.54.69
12.90.91
Keuschheit
9.24.47b
III.
Lebensfördernde Haltungen
Trauer
67
Ruhe
66.73
Freigebigkeit
31.91
Borgen
40.42f.
Böses durch Gutes
besiegen
74b
Kluger Ankauf
34.35
Unterwürfigkeit
40
Gute Rechtssprechung
47
Genügsamkeit
23
Zwei Wege
62
IV.
Lebensmindernde Haltungen
Krankheit u.Aehnl.
43.62
Alter
33.47
Tod
13.21.63.66.79.84
Ueble Nachrede
57
Lüge
36.87
Lachen, Spotten
58.86
(unersättliches)Auge
84
Streit
7 .8.14.85.86
Mord
73.86
Diebstahl
87
Sünde
(49) .63.67
Vor Gericht
73.74.77.78.83
Uebermässige Geschäftigkeit
46
V.
47
44-46
. 67
38
Spezielles
Schiffahrt
20
Vom Versiegeln und
Lösen
4
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
324
Kap. IV.O
Eine einigermassen vollständige Bibliographie zu Achikar steht noch aus.
NAU hat die Literatur bis 1909 besprochen (Histoire 15-35) und nach Sprachgruppen aufgeschlüsselt (Ebd. 137-142). DEGEN, Art. : Achikar, Enzyklopädie
des Märchens 1 (1975) 57ff., stellt die "wichtigste(n) Textausgaben und Uebersetzungen" in allen für die Märchenforschung bedeutsamen Sprachen zusammen,
bietet sonst aber wenig neuere Titel (vgl. Sp.· 59). DENIS, Introduction 201214, hat das Verdienst, Achikar wieder ernsthaft in die frühjüdische Pseudepigraphie einbezogen und auf erstaunlich kleinem Raum die wesentlichen Aspekte dargestellt zu haben. Die methodische Beschränkung seines Einleitungswerkes auf die griechischen Pseudepigraphen gibt jedoch einem kleinen Ausschnitt
aus der Achikar-Ueberlieferung ein verhältnismässig zu grosses Gewicht. Auf diese drei Autoren soll hier verwiesen werden. CHARLESWORTH, The Pseudepigrapha 76f., verweist auf eine Dissertation und Neuausgabe der Achikarsprüche
von J. LINDENBERGER. -Die ca. 200 in diesem Kapitel verarbeiteten Beiträge
zu Achikar stellen den heutigen status quaestionis dar.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
1.
DIE JUEDISCH-ARAMAEISCHEN PAPYRI VON ELEPHANTINE
AUS DEM
5,
JHD, V,
(= ARAM ACH)
Im Jahre 1906 wurden in der von Israeliten bewohnten Garnisonsstadt auf der Nilinsel Elephantine die Fragmente eines aramäi1
sehen Achikar gefunden
Sie liegen jetzt in folgenden Ausgaben
und Uebersetzungen vor :
SACHAU, Aramäische Papyrus und Ostraka (1911), 147-182 : Ed. princeps; dt.
Uebers.; Taf. 40-50.
UNGNAD, Aramäische Papyrus (1911), 62-82 : aram.; krit. App.
COWLEY, Aramaie Papyri (1923), 212-220 : aram.; 220-248 : engl. Uebers.+Kornm.
KOOPMANS, Aramäische Chrestomathie I (1962), 136-145 : Komm.; II, 32-35:
aram., teilweise.
CAMBR.-ED. (1913), 168-173 : engl. Uebers.
GRESSMANN, AOT (1926), 454-462 : dt. Uebers.
GINSBERG, ANET (1955), 427-430 : engl. Uebers.
GRELOT, Les proverbes arameens (1961), 178-194; Documents arameens (1972),
427-452 : fr. Uebers.
Der Erstherausgeber SACHAU hat die 11 Papyrusfragmente zusammengestellt und zu zwei Gruppen geordnet, einen "erzählenden Teil"
(Pap 49-52) und "Sprüche und Fabeln"
(Pap 53-59). Während die
Rahmenerzählung sich nach dem Leitbild der orVers zu einem kontinuierlichen Text zusammenfügen liess, war dies bei dem belehrenden Teil nicht mehr möglich. Die Pap 53-59 "enthalten nicht einen
in sich zusammenhängenden Text, sondern separate Teile einer Sammlung von Sprüchen und Tierfabeln. Der hier gegebenen Reihenfolge
der Blätter liegt nicht ein bestimmtes Prinzip zugrunde"
2
Es ist
also nicht möglich, den Umfang der Weisheitsworte und ihre Position innerhalb des ganzen Textes zu bestimmen. Bildeten sie eine
1) Informative Berichte Über die Ausgrabungen und zu den Realien der Stadt bei
MEYER, Der Papyrusfund 5-15; KRAELING, The Brooklyn Museum 3-119 (sehr gediegen), und GRELOT, Documents 33-69.
2) Aram. Pap. und Ostr. 159. Zwischen Pap 53 und 54 scheint immerhin ein direkter Uebergang, zwischen 54 und 55 eine sichere Diskontinuität zu bestehen;
vgl. GRELOT, Documents 436.438, Anm. n; STUMMER, Der kritische Wert 2-5;
(325)
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
326
Kap. IV.l
einzige, separate Sammlung nach, oder wie bei aesAch innerhalb
der Erzählung, oder zwei Gruppen, eine belehrende
un~
eine mah-
nende wie bei den orVers ?
Zudem ist "kaum eine Vermutung möglich" 3 über den weiteren Verlauf der Erzählung. Soweit sie jedoch erhalten ist, ist sie
"sehr einfach, volkstümlich weitschweifig mit vielen Wiederholungen, ohne irgendwelches Streben nach rhetorischem Schmuck abgefasst, in einfachster Sprache geschrieben, ein wahres Volksbuch,
das jederman
verstehen konnte"-. Sämtliche Texte zeigen "eine
mit vollendeter Sorgfalt ausgeführte, in allen Details_ sich
gleichbleibende Musterschrift ••• ,wie sie für das Abschreiben
eines vortrefflichen, vielleicht hochgeschätzten Literaturwerkes
für angezeigt angesehen werden mochte" 4 • Der Kopist, der ehemalige Quittungen oder ähnliches neu beschrieb, hatte jedoch einen
Text vor sich, "der schon alt und beschädigt war ••• ; manchmal
konnte er seinen Text nicht lesen und manchmal verstand er ihn
nicht" 5 • Der Text von Elephantine ist also nur ein zufällig entdecktes Exemplar eines in der Perserzeit weitverbreiteten Literaturwerkes.
Wie einige Entlehnungen aus dem Persischen 6 zeigen, hat aramAch
seine vorliegende Endgestalt in persischer Zeit ·bekommen. Die
Erstfassung kann aber nicht in persisch geschrieben worden sein,
da viele Indizien weiter in die assyrische Zeit
hinaufwe~sen.
Zur Klärung des traditionsgeschichtlichen Ausgangspunktes sei
hier in Form eines kleinen Exkurses d.ie Frage nach der Vorgeschichte des aramAch gestellt. Es ist dabei auf einige Sachverhalte hinzuweisen, welche nach den Jahren 1890-1920, dieser Blütezeit der Achikarforschung,aufgeschienen sind, aber nicht in
3) STUMMER, Ebd, 4.
4) SACHAU, Aram. Pap. und Ostr. 159.
5) COWLEY, Aram. Pap. 208; vgl. NOELDEKE, Untersuchungen 7.
6) COWLEY, Aram. Pap: 205f: ~1nK aus pers. athura; die Beifügung von now nach
einem Namen (dagegen KRAELING, The Brooklyn Museum 98); Gebrauch von ,nK als
redundante Konjunktion; STRACK, Rez.: Ungnad 834f., bringt 22 pers. Fremdwörter; vgl. auch GREENFIELD, Studies 292f.: nni'lY n'::llt als pers. Titel.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. IV.l
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den grösseren Kontext und damit ins allgemeinere Bewusstsein gerückt wurden.
Verschiedene Forscher haben Akkadisrnen nachgewiesen7 , und Parallelen im weisheitliehen Schriftturn der damaligen Zeit aufgezeigt 8
Die Umweltgerechtheit in Bezug nicht nur "auf die Namen der Haupthelden, sondern auch die ganze Situation, die hauptsächlichsten
Motive, Requisiten und Formen der Geschichte" 9 wurde ebenfalls
Überzeugend dargelegt, doch konnte eine historisch aufweisbare
Persönlichkeit für die Gestalt des Achikar nicht ausfindig gemacht werden. VON SODEN schrieb im Jahre 1936 noch mit aller
Bestimmtheit :
"Einen hohen Beamten mit Namen Ahi-aqar hat es
allerdings unter Sanherib und Assarhaddon nicht gegeben; denn
es darf als ausgeschlossen gelten, dass der Name eines Mannes
vorn Range Abiqars in den vielen Briefen und Urkunden aus der Sargonidenzeit nicht bezeugt ist" 10 • Sein zwar sehr eindrücklicher
Transponierungsversuch "auf eine der merkwürdigsten Gestalten
unter den Beratern Assarhaddons, den alten Adad-surn-usur" 11
ist jedoch nicht mehr nötig, da in den Jahren 1959/60 die deutschen Ausgrabungen in URUK/WARKA (dem biblischen Erek, vgl.
Gen 10,10; Esr 4,9) einen unerwarteten Hinweis ans Tageslicht
7) STRACK, Rez. :. Ungnad 834f. (9 babylonische Fremd- und Lehnwörter); SCHOLLMEYER,
Die Herkunft 660f.; STUMMER, Zur Ursprache 103-105; GREENFIELD, rJiJ'n::L
rJi'Ji~~ 312; EBELING, Art.: Achikar, Reallexikon der Assyriologie 1 (1928)
16; auch die Anm. bei GRELOT, Documents.
8) GRELOT, Les proverbes (Anm.); NOUGAYROL, Les sagesses·babyl. 50; SCHMID, Wesen und Geschichte 92f. 233f.; MEISSNER, Das !1ärchen 27ff.; Babylonien und Assyrien II, 421-430. Vgl. auch ALBRIGHT, The Goddess 285ff., der in Pap 53,1654,1 (s. Kap. I.l.3, TEXT 1, und Kap. IV.8) "the connecting link between Jewish and Assyrien gnomic Literature, and, by the irony of the fate, demonstrating the Mesopotamian Origin of wisdom and indirectly of Sophia ... "
(287) sieht. Ebenso STORY, The Bock of Proverbs 333-336; dagegen DONNER, Die
religionsgeschichtlichen Ursprünge 12 (ägypt. Herkunft); vgl. auch HUMBERT,
Recherehes 152-155 (ägypt. Parallelen) •
·
9) MEISSNER, Das Märchen 26.29-31 (Zit.: 31); VON SODEN, Die Unterweltsvision
1-31; GREENFIELD, The background 50; ROST, Bemerkungen 308-311; Einleitung
145.
10) Die Unterweltsvision 10.
11) Ebd.; OLMSTEAD, Intertestamental Studies 243, schlägt eine andere Identifizierung vor: Achikar = "Ahiaqar, secend officer of Barhalza, who appears in a
document of 698"; Nadan = "the scribe Nadinnu, who appears 671 and writes
letters to Esar-haddon and Ashur-baniapal"; Nabu-sum-iskun = "the mukil apäte,
'rein-holder', or cavalry commander, of Sennacherib and \<lriter of several
letters". Mit Verweis auf JOHNS, Assyrian Deeds and Documents I, Nr. 60.251.
253.368.468 (s. s. 33f. l80f.l82f.282.378f.).
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Kap. IV.l
gebracht haben 12 • Auf der Tontafel W 20030,7, welche in einem
an das res - Heiligtum angrenzenden Raum in situ gefunden wurde,
ist eine Liste von vor- und nachsintflutliehen assyrischen Königen erhalten, die zu jedem KÖnig auch dessen höchsten Berater 13
beigefügt. Nach zwei anderen Autoren von bekannten literarischen
Werken folgt :
A~~ura~iddina 14 , des KÖnigs, war
aba-enlil-dari Ummanu# I <den die> A~lamäer
<Zur Zeit des>
.
la-hu... 3 u-qa-a-ri (= Ahuqar) nennen (Z. 19f.).
Obwohl diese Tafel nach der Unterschrift (Z. 24) erst unter Antiochus I. Soter (reg. 281-261 v.) beschrieben wurde, verwertet
sie evidenterweise älteres, traditionelles Listenmaterial 15 . Danach gab es also zu Asarhaddöns Regierungszeit einen hohen Berater, Lehrer und Schriftsteller am königlichen Hof, der bei den
Achlamäern (= Aramäern) 17 einen eigenen, also sicher aramäischen
Namen führte. Aba-enlil-dari ist deshalb als akkadischer Beamtenname anzusehen 18 • Zieht man in Betracht, dass auch die Mutter
Asarhaddons# Zakutu-Naqiya, aramäischen Ursprungs war 19 # so ist
ein aramäischer Ummanu am assyrischen Hof nicht besonders erstaunlich. Vielleicht hat es zudem mit diesem Ummanu seine Bewandtnis, dass "die Inschriften und Briefe dieses Königs durch
12) VAN DIJK, Die Inschriftenfunde 44f. (Text); 5lf. (Konunentar); Die Tontafelfunde 217; vgl. dazu GREENFIELD, The Background 49; Studies 293; GRELOT, Documents 427.
13) Zu den Titeln Apkallu und Ummanu s. REINER, The Etiological Myth 1-11. LAMBERT, A Catalogue of Textsand Authors 59-77, veröffentlichte eine weitere
lange Liste; zu Ummanu, vgl. 74f.
14)
= Asarhaddon,
reg.
68~-669
v.
15) Vgl. VAN DIJK, Die Tontafelfunde 217b.
17) Die Achlamäer, keilschriftlich erwähnt seit Tiglat-Pileser I (um 1100 v.),
waren nomadisierende Stänune in der syro-arabischen Wüste. Zur Zeit der Abfassung unseres Textes (3. Jhd. v.) bedeutet der Ausdruck 'Achlamäer' dasselbe
wie 'Aramäer'; vgl. KUPFER, Les nomades en Mesopotamie 104-115.132-138; DE
VAUX, Histoire ancienne I, 195 ("synonyme savant d'Arameens"); The Assyrian
Dictionnary I/1 (1964)· 192.
18) GRELOT, Documents 430.
19) GREENFIELD, The Background 50, Anm. 4.
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Kap. IV.l
Zitierung von Sprichwörtern gekennzeichnet
329
sind" 2 ~ und dass so-
gar ein Sprichwort aus einem Brief Asarhaddons in sinngernäss
ausgestalteter Form in syr+arabAch (wieder) zu finden ist :
Das Volkssprichwort sagt : Als der Hund des Töpfers
in den Ofen kam, bellte er sogar den TÖpfer an. 21
In syrAch 33,113 (Cambridge-Text) tadelt Achikar Nadan mit dem
gleichen Bild :
Mein Sohn, du warst mir wie der Hund, der zum Ofen
der TÖpfer kam, um sich zu wärmen, und, sobald er
warm hatte, aufstand und diese anbellte.
Mit der vielfach begründeten Annahme, dass der neuassyrische
Hof der Entstehungsort der Achikar-Geschichte ist, ist aber noch
nichts Über die Originalsprache
des Proverbien- und Fabelteils
ausgemacht. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob die aram. Weisheitssammlung des Elephantine-Textes von Anfang an mit der Achikargeschichte verbunden war, oder ob sie das Werk eines späteren Weisheitslehrers aramäischer Zunge ist, welcher die ursprünglich akkadische Sammlung durch seine eigene Weisheit ersetzte.
Ist es vielleicht gar ein jüdischer Weiser, der diesen "Ersatz"
geleistet hat ?
GREENFIELD hat nämlich in zwei philologischen Arbeiten gezeigt,
dass die "Worte Achikars" frei von irgendwelchen Akkadismen und
im Nord-Syrischen-Dialekt geschrieben seien, während die Rahmengeschichte deren recht viele aufweise und in "official Aramaic"
verfasst sei 22 . Es zeigt sich nach ihm also eine sprachliche
Differenz zwischen der "Geschichte" und den "Worten" Achikars,
welche auf verschiedene Herkunft hinweisen könnte. Zu diesen
sprachlichen Indizien gesellt sich die relative Selbständigkeit
des Worteteils in formaler, inhaltlicher und traditionsgeschichtlicher Hinsicht :
20) Ebd.; vgl. ALBRIGHT, The Babylonian. Sage 64; HEISSNER, Sprichwörter bei Asarhaddon 36lf.; LAMBERT, Babylonian Wisdom Literature 281.
21)
Zit. nach MEISSNER, Ebd. 361, der irrtümlicherweise aramAch als Parallele
nennt (so schon in: Babylonien und Assyrien II,423) . - -
22)
h,,~,W~
h1~'n~
312f.; Dialect Traits 364f.
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330
Kap. IV .1
- formal : Der repetierende Erzählstil wechselt in eine Sprache
von möglichster Prägnanz, speziellem Vokabular und typischen
Stilfiguren 23 •
inhaltlich : Es gibt nur wenige Bezugnahmen der Weisheits24
worte auf die Rahmenhandlung ; die meisten Worte sind Lebensanweisungen allgernein weisheitlicher Art.
- traditionsgeschichtlich : Während die Rahmenhandlung bei ararnAch, aesAch und den orVers unverkennbar parallel läuft, finden sich im weisheitliehen Teil unter diesen drei hauptsächlichen Rezensionen nur wenige Verbindungsstücke; zudem ist
der Ort der Weisheitsreden innerhalb des Handlungsablaufes
schwankend.
Eine grundsätzliche Dissoziierung von Rahmenerzählung und Weisheitssammlung25 ist aber trotzdem nicht anzuraten, da DORNSEIFF
an einer Reihe antiker Beispiele (Hesiod's Werke und Tage, die
cYnoönxaL des
Chiron, das Tobitbuch, der Aristeasbrief, der
äthiopische Secundus) deren Zusammengehörigkeit aufgewiesen
hat 26 • ALTHEIM/STIEHL sehen darin ein "archaisch(s) Gesetz, das
die gedanklich und stilrnässig geschiedenen Teile voneinander getrennt darbot", das sich aber "in der Folge in sein Gegenteil
verkehren" sollte. "An die Stelle der Sonderung musste die Ourch27
dringung, an die der Zerlegung die Verflechtung treten,"
denn
wegen der Betonung des Romanhaft-Kohärenten wurde die Zweiteilung
als störend empfunden. Wie auch die einleitenden Worte des aramAch ,v'n~ '7[0 n7~] zeigen 28 , ist aramAch schon immer eine in
eine Handlung eingekleidete Weisheitsrede gewesen. Trotzdem muss
mit der MÖglichkeit gerechnet werden, dass die ararn. Spruchsamm23) Vgl. MEYER, Der Papyrusfund 111.
24) Vgl. Pap
56.I,l.3.8.14f.; Pap
57.I,llb-12; vgl. Pap
58,1.
25) MONTGOMERY, Sorne Notes 535; GRIMME, Bemerkungen 540; DEGEN, Achikar 54.
26) Hesiod's Werke und Tage 77-88; vgl. FRIEDLAENDER,cYnoönKa~ 558-616 (Hesiod,
Theognis, Dernokrit); DONNER, Die religionsgeschichtlichen Ursprünge 15, Anrn.
3, nennt auch die ägyptischen 'Klagen des Bauern'.- Zum äthiopischen Sekundus s. SCHMID/STAEHLIN, Geschichte der griech. Lit. II/1, 378f.
27) Die aramäische Sprache 192f.
28) Vgl. Kap. III.l.2, Anrn. 37.
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Kap. IV.l
lung nicht ursprünglich ist. Die sprachliche Differenz bleibt
ja bestehen.
Doch auch dieses Hindernis scheint mir nicht unüberwindlich zu
sein, wenn man die Tafeln aus Uruk/Warka als aussagekräftiges
Zeugnis für den Achikar-Text auswertet. Es lässt sich ja eine
ähnliche Doppelung in beiden Texten feststellen : Dort wird ein
Aramäer innerhalb des assyrischen Hofes erwähnt, hier steht eine
aramäische Sammlung von Weisheitsworten in einer akkadisierenden
Rahmenerzählung. Beide sind Zeugnisse Über die gleiche rätselhafte Person dieses Ummanu Aba-enlil-dari/Achikar, dessen Doppelrolle und Doppelsprachigkeit wohl die nächstliegende Erklärung
für die Doppelungen der Achikarüberlieferung darstellt. Die
linguistische Differenz zwischen dem Rahmen und den Worten bedingt deshalb nicht deren zeitliche oder örtliche Dissoziierung.
D.h. aber auch, dass die "Worte Achikars" in ihrem aramäischen
Wortlaut durchaus ihre originale Gestalt haben können, dass sie
also auf die Lehrtätigkeit jenes alten Weisen zurückgehen und
· deshalb mit einer schon bald legendarisch ausgeschmückten Episode aus dessen gefährdeten Beamtenlaufbahn umkleidet worden
sind.
Damit wäre der Ausgangspunkt der zahlreichen späteren Traditionen ziemlich genau beschrieben. In aramAch ist eine der im 6.
und 5. Jhd.v. zahlreich zirkulierenden Kopien der
lv~n~
~in
zu sehen, welche im Vergleich zu den späteren orVers in recht
grosser Nähe zu Leben und Lehre des aramäischen Ummanu Asarhaddons stehen. Die jüdische Kolonie in Elephantine, die ja ein
recht seltsames Gemisch Vorexilischen Gottesglaubens und angepasster Glaubensanschauungen vorweist 29 , ist Über die persischen
SÖldner in den Besitz einer solchen Kopie gelangt und hat sie,
trotz der heidnischen Mentalität, als berühmte Geschichte in
ihren Erzählschatz aufgenommen. Die Erinnerung an die eigenen
aramäischen Vorfahren (vgl. Dtn 26,5) hat diese Uebernahme vielleicht erleichtert.
29) Vgl. die Literaturangaben bei Anm. 1; jetzt auch ROSE, Jahwe 16-22.43f.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. IV.l
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Da bald nach Tafeln (SACHAU, NOELDEKE), bald nach dem Papyrus (z.B. HALEVI,
STUMMER), bald nach durchgezählten Kolonnen (GRELOT) und bald nach durchgezählten Zeilen (COWLEY, KRAELING), bald nach irgendwelcher Kombination zitiert wird', möge Tab. 7 die Identifizierung erleichtern. In der vorliegenden
Arbeit wird nach Pap und Zeile, wo nötig mit zusätzlicher Angabe der Kolonne
(:bei Pap 52.56.57), zitiert.
Tab. 7 : Uebersicht über die Zitationsweisen von aramAch
Taf.
Pap.
Kol,
40
41
42
43
49
50
51
52.!
l
2
3
4
5
l-16
l-15
l-17
l-15
l-15
44
45
46
47
48
53
54
55
56.I
II
57.I
49
50
58
59
6
7
8
9
10
11
12
l3
14
l-16
l-16
l-15
l-16
l-17
l-14
1-18
l-17
l-16
II
II
Zeilen
=
17-31
32-48
49-63
64-78
79-94
95-110
111-125
126-141
142-158
159-172
173-190
191-207
208-223
1-l3a
l3b-28
29-38
39-53
54-67
68-77
78-92
93-109
110 .••
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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2,
DEMOTISCHE FRAGMENTE AUS ROEMISCHER ZEIT
(=
DEM ACH)
SPIEGELBERG hatte schon 1930 in einem vorn Erstherausgeber SOBHY
"a fragrnent of a rnoral work"
1
genannten Papyrusfetzen (Pap Kairo)
den Namen Jhjkl identifiziert, konnte aber die versprochene Uebersetzung des Fragmentes nicht mehr bewerkstelligen (gest.
1930)
2
. ZAUZICH hat nun noch ein weiteres Fragment (Pap Berlin
23729) entdeckt, welches mit dem ersten neulich publiziert wurde3 und damit endlich in die Achikar-Diskussion einbezogen werden kann.
"Unglücklicherweise sind die beiden Fragmente nur recht klein
und inhaltlich nicht gerade ergiebig. FÜr die Ueberlieferungsgeschichte des Ahikar-Rornans sind sie jedoch von unschätzbarem
Wert, da sie die älteste Quelle nach dem aramäischen Papyrus darstellen. Nach paläographischen Ueberlegungen sind die beiden
Fragmente, die vielleicht von der gleichen Hand geschrieben sind,
wohl ins 1. Jahrhundert n. Chr. zu datieren" 4 . Die Herkunft der
beiden Fragmente ist leider unbekannt, doch ist nach "der Schrift
und den fajurnischen Dialektspuren ... eine Herkunft aus dem Fajurn
zu verrnuten" 5 • Sie gehörenbeidein den erzählenden Teil der
Achikar-Kornposition, in welchen sie sich auch recht gut einordnen
lassen. Nach der Uebersetzung von ZAUZICH, lauten sie wie folgt 5 a
1) Miscellanea 4; das entsprechende Frgt. D auf Taf. VII nennt er ein "didactic
werk in Demotic".
2) Achikar in einem demotischen Text 961.
3) Demotische Fragmente ,180-185. Hr. Dr. Zauzich hatte die Freundlichkeit, mir
einen Korrekturabzug seiner Arbeit zuzustellen. Es sei ihm hier recht herzlich
gedankt, ebenso den beiden Herren Prof. E. Hornung und Dr. H.-J. Thissen,
Über welche ich zu dieser Arbeit fand.
4) Ebd. 178.
5) Ebd. 179, Anm. 17.
5a) Da die 'Folia Rara', in welchen Zauzich's Artikel erschien, wohl auch zu den
raren Büchern in einer biblischen Bibliothek gehören, erlaube ich mir, den
Text vollständig zu zitieren.
(333)
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Kap. IV.2
1. Pap
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Kairo (Nr. unbekannt)
> ••. welcher<
>der Vater<
>jeder< ••• >, welchen man ••• <
>Mangel ••• <
>angenehm (?), indem ich euch geben werde einen Palmenzweig(?)<
> •.• welche oben (genannt) ist, insgesamt. Er fand, dass es
geschah ••• <
>zu erzählen dieses. Man ging und sagte : möge geben<
>Wir waren töricht, wir waren dummm .•• <
>Das Heer, das sich empörte, ist es, das nach N< ••• > gekommen ist.<
>in ihm< ••.•. > ••• Er fand Ahikar an dem Ort, <
>Möget ihr weggehen in (?) eure ••• mit euch<
> •.• zu dem Heer, welches der Fürst Ahika<r
>bedenken die schlechte Sache, die geschehen ist<
2. Pap
Berlin P 23729
1
2
3
4
< •• ·•••
< •••••
< •••.•
< •.•••
5
6
< ••.••
< •••••
7
8
9
< ••••.
< •••••
< •••••
6
Ein grosser Mann ist> mein Vater. < •••.• >
>du für uns gesucht hast. Du hast nicht Trübsal gesucht
>ausser (?) einer Stadt, (der) Stadt ••••• h
>Fürst. Kein Mensch auf Erden verstand das, was mit ihm
geschehen war.
>Ein grosser Mann ist Ahikar, welcher gemacht hat
>gezögert, zu dem Ort zu gehen, <an dem sich> Ahikar
<be.fand>.
>heute. Halte nicht den Fürsten auf, wenn er wünscht
>der Assyrer< ••••. > Wort sagen
>über es < •••.• >
Die "schlechte Sache", um die es im Kairoer Papyrus (Z. 13) geht,
hat mit einem aufständischen Heer zu tun, das nach N(inive ?) gekommen war (Z. 9), und dem Achikar als "Fürst" (Z. 12) vorsteht.
Dies erinnert sofort an Nadans Intrigen mit den gefälschten Briefen, welche Achikar dazu bringen, sich mit einem Heer in der
"Adlerebene" aufzustellen, was ja der fehlgeleitete König als
Aufstand und Verrat interpetieren musste (vgl. syrAch 5,5-9,6).
6) Schriftspuren einer zweiten Kolumne sind vorhanden,
le ohne erfassbaren Sinn.
e~geben
aber nur Worttei-
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Kap. IV. 2
335
Auch für die Andeutungen im Berliner Papyrus lässt sich eine
entsprechende Stelle in der Achikar-Erzählung aufweisen : In
Z. 4 weiss "kein Mensch auf Erden, was mit, ihm", dem "FÜrst",
also doch wohl Achikar (vgl. Pap Kairo Z. 12) "geschehen ist".
Man erinnert sich seiner als "grossen (?) 7 Mann",.verweist auf
eines seiner Werke (Z. 5), und jemand 8 geht dann an den "Ort,
<an· dem sich> Ahikar <befindet>". Der schon fast aus der Erinnerung verschwundene Achikar wird also scheinbar wieder benötigt,
und dann auch an einem (vorher unbekannten) Ort aufgesucht. Es
geht somit um jenes Ereignis, mit dem die Rehabilitation Achikars
anfängt, seiner Wiederentdeckung. Leider ist nicht ersichtlich,
aus welchem Grund Achikar plötzlich wieder benötigt wird, ob
also die Rätselfrage des Pharao und die Reise Achikars nach Aegypten schon zu dernAch gehörten. Auch von einem unterirdischen
Versteck (wie in syrAch, und den späteren Rezensionen W und Pl
von aesAch) ist hier nicht die Rede.
Der Kairoer Papyrus ist in dieser Hinsicht interessanter, da er
mit dem scheinbar aufrührerischen Heer Achikars ein in aramAch
und aesAch fehlendes erzählerisches Detail belegt. Im 1. Jhd. n.
existierte also in Unterägypten eine Achikarversion, welche irr1
Vergleich zu aramAch weiterführende Einzelheiten erzählerischer
Art aufwies. Darin entspricht sie auf ihre Weise der griechischen Adaptation in der Aesop-Episode, die ja ungefähr zur gleichen Zeit entstanden ist (s.u. Kap. 3) und stellt so einen weiteren Beleg im Zeitraum um die Jahrtausendwende für eine Adaptation des Achikarstoffes dar, wie wir sie uns auch im jüdischen
Bereich - als Vorlage des Autors von Tob (s.u. Kap. 6) - vorstellen.
ZAUZICH verweist auch auf einen unpublizierten Pap Berlin P 15658,
welcher ähnliche Schriftzüge wie die beiden behandelten Fragmente aufweist. "Da es sich offenbar um das Fragment einer Weis-
7) Das demotische Wort
~'j ist sonst nirgends belegt; vgl. ebd. lSO.
8) "Das erste Zeichen des erhaltenen Stückes ist das bei fremden Namen benutzte
Determinativ .•• Zu ergänzen ist vermutlich 1 (Nicht hat NN) gezögert •.. 1 " ;
ebd. 180.
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Kap. IV. 2
heitslehre handelt, besteht die MÖglichkeit, dass es sich dabei
um Sprüche des Ahikar handelt" 9 •. soweit sich das aus dem fragmentarischen Text, von dem mir Herr Dr. Zauzich freundlicherweise
eine Photokopie und eine "provisorische Uebersetzung" zur Einsicht gab 10 , ergibt, handelt es sich um eine Art "Untertanenspiegel", welcher in einer negativen Imperativ-Reihe das Verhalten gegenüber einem "Fürsten" festlegt :
Kol I :
10
Danke nicht
12
Tadle nicht den FÜrsten •••
Kol II :
11
dich richtet zugrunde der, welcher geht vor dem ••• und<
wegen Gott. Nicht wird sein ••• <
sagend: Der, welcher kommt (und) geht mit ••• <
das was süss ist, und er wird dir geben das was bitter (?)
ist <
Strafe. Mach nicht Verwirrung (Unruhe, Streit o.ä.) ••• <
14
15
16
17
Nicht wird sein Herr tadeln <
tadeln den FÜrsten. Nicht wirst du sagen <
mit dem Fürsten Seth (?).Nicht wird<
seine Kralle (Nagel, Daumen) ••••••• <
7
8
9
10
Dass es sich um eine Weisheitslehre handelt, geht sowohl aus
der Form wie aus dem Inhalt hervor. Es werden Verhaltensregeln
in der typisch paränetischen Form der Reihenbildung geboten, wie
diese vor allem - und ungefähr zur gleichen Zeit - in den Test
XIIPatr zu belegen ist 11 • Die mehrmals "Fürst" genannte Referenzperson, vor welcher in kluger Unterwürfigkeit zu verharren ist,
erinnert zwar an den "Fürst Achikar" von Pap Kairo
Pap Berlin I,
z.
4.7), in II,
z.
z.
12 (vgl.
16 steht hier jedoch unmittel-
bar nach "Fürst" ein anderer Name. Ist vielleicht vom Vorgesetzten Achikars die Rede ?
9) Ebd. 181, Anm. 20.
10) Brief vom 30.6.76; der Pap
lumnen.
bietet ca. 20 Zeilen in zwei fragmentarischen Ko-
11) Vgl. bei Kap. V.2.
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337
Kap. IV.2
Als formale Parallele zu den negativen Reihenimperativen des
dritten Fragmentes begegnet in Pap Berlin P 23729, Z. 7 ebenfalls
ein verneinter Imperativ mit Bezug auf den Fürsten. Vielleicht
begann in dieser Z. 7 tatsächlich jene Weisheitsrede, welche
Achikar hielt, nachdem man ihn vorn versteckten "Ort"
(vgl. Z. 6)
geholt hatte. Pap Berlin P 15658 k6nnte dann als ein weiteres
Stück solcher Mahnworte zu Gehorsam, Ruhe und Ehrerbietigkeit
angesehen werden. In nicht bestimmbare Nähe zur genannten
z.
7
gesetzt, ergäbe sich dann ein Platz für die Mahnrede Achikars
wie in aesAch, nämlich unmittelbar nach der Auffindunq des Helden. Dies sind jedoch alles recht kühne Vermutungen.
Zum Spruchgut sowohl von aramAch als auch zu aesAch und den orVers bestehen keine Entsprechungen. Am ehesten denkt man an die
K6nigssprüche von aramAch 53,6-ll.l4f., welche ebenfalls das
Verhalten des Untertanen betreffen, doch lassen sich keine eigentlichen Berührungspunkte finden. Falls deshalb die hier geäusserten Vermutungen etwas Richtiges haben, ist auch in der
demotischen Tradition der Spruchteil aus eigenständigem Weisheitsmaterial paränetischer Art gestaltet worden.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
3,
DIE ORIENTALISCHE EPISODE IM GRIECHISCHEN
AESOPROMAN AUS DEM 1, JHD, N, (= AES ACH)
GRIECHISCHE ACHIKAR - NOTIZEN
In der griechischen Vita Aesopi 101-123 findet sich eine Adaptation des Ach auf Aesop und dessen Adaptivsohn Helios (G; W :
Ainos; Pl : Ennos)i, welche sich als
selbst~ndige,
orientali-
sche Episode zwischen zwei griechischen Episoden (l-100.124142) ausweist 2 J
Der Aesoproman ist in drei hauptsächlichen Rezensionen und mehreren
Pap~rusfragmenten
erhalten. Während sich die Texte des
MAXIMUS PLANUDES (gest. qa. 1310; abgekürzt : Pl) als durchaus
' . ..
.
3
sekund~re Zusammenstellung erwiesen haben , gehen G {10. Jhd.n.)
und dessen scholastische Edition W (Ende 11. Jhd.n.) 4 ebenso
wie der Berliner Papyrus 1628 (2./3. Jhd.n.) auf den gemeinsamen "Archetypus vulgaris, scriptus aliquo tempore intra annos
.. k6 .
. Aegypto ,.5 zuruc
f ere 3 0 a. c. n. et 1 00 p. c. n. 1n
1) ASSEMANI scheint der erste zu sein, der diesen Zusammenhang bemerkt hat. In
seiner Bibliotheca Orientalis III/1 (1725), 286, bemerkt er bei der Nr XXI
der syrischen Bücher des Ebedjesu : "Historia Hicari, quae ipsi contigere
cum Nadan sororis suae filio, cum rege Aegypti, ibid. De Hicaro eadem fer~
narrantur, quae de Aesopo Phryge."
2) Vgl. HAUSRATH, Achikar und Aesop 6f; SMEND, Alter und Herkunft 96f; NOELDEKE,
Untersuchungen 62; PERRY, Aesopica 10.
3) PERRY, The Text Tradition 234-239; Text am leichtesten zugänglich in Cambr.Ed. 162-167 (; APOT II, 780-784; mit engl. Uebers.); fr. Uebers. hei NAU,
Histoire 259-262 (mit der lat. Uebers. des W-Textes durch Rinutius Thessalus
aus dem Jahre 1448).
4) PERRY, Aesopica 66-73 (G); 100-104 (W); DENIS, Fragmenta 133-148, stellt die
beiden Texte synoptisch dar; JAEKEL, Menandri Sententiae 132-136 (nur W),
5) PERRY, Aesopica 22.
6) Ebd. 5: "Ante verum illum (scl. auctorem), quem vixisse probabile est saeculo
p. C. n. primo, frustra coneris alicuius similis de Aesopo libri vestigia indagare." Wohl gab es verschiedene dichterische Versuche über die Gestalt
Aesops bei den alexandrinischen Poeten (vgl. z. B. Ebd. 219: Test. 19; 233:
Test. 33), ein BCo~; A'l.o~nou in Form eines "altjonischen Volksbuches" ist jedoch nicht nachwei.sbar. Für die Datierung in das 1. Jhd. n. führt PERRY einerseits voces latinaean,·andererseits, als terminus ante quem, den Berliner Papyrus aus dem 2./3. Jhd. n., der' selbst nicht der Archetyp von G und W sein
kann. "Nam papyrus novam quidem exhibet textus recensionem, sed ipsa tarn men(338)
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.3
339
Für PERRY gibt es keinen Zweifel daran, dass die Par. 101-123
"fast vollständig aus der Geschichte Achikars des Assyrers
genommen sei ••. " 7 , und zwar näherhin aus aramAch selbst, was er
jedoch mit seiner kurzgefassten Synopse der orVers, des aramAch
und des aesAch kei~eswegs deutlich zu machen vermag 8 • Das Patronat eines den Elephantine-Papyri ähnlichen Textes wird zwar ersichtlich, doch zeigt aesAch schon stark jene auch bei dernAch
beobachtete ausschmÜckende Tendenz, welche zu den orVers führt
. (vgl. auch hier die Umtriebe Nadans in syrAch 5-9 mit aesAch 104).
Betrachtet man die kleine Sammlung von Weisheitsworten in den
Par. 109f., so fällt sofort auf, dass sie nur im einleitenden
Spruch (bei G und W) einen Bezug zu Nadan aufweist, sonst aber
allgemeine praecepta et proverbia bietet. Dass Helios/Ainos durch
diese äusserst ausgewogenen Worte so gequält worden sei (öLti
A6ywv
~E~ao•LY~oöaL), dass er kurz danach (bei W durch Erhängen)
starb, zeigt klar auf, dass hier ursprünglich eine harte Mahnrede stand wie am Schluss der orVers (Kap. 33) , dass aber der
Verfasser die Gelegenheit benutzte, an dieser Stelle seine "eigene Weisheit" unterzubringen 9 • Dies zeigt sich traditionsgeschichtlich darin, dass der Logienbestand bei den 3 Rezensionen
sehr unterschiedlich ist.
Pl hat nur 15 Logien, welche nach der Ausgabe von NAU hier als
aesAch 143-157 gezählt werdenlO. W schliesst diese 15 ein und
weist darüber hinaus noch ca. 19 eigene, also. ingesamt 34 Lagien aufll. g_ hat ca. 18 ;Logien, doch ist gerade hier der Text
lückenhaft und korrupt. PERRY setzt als aequivalenten, wenn
dosa est, ut vix credere possis earn prirnum fuisse sui generis exernplar" (Ebd.
5, Anrn. 16). Vgl. DERS., Seme Addenda 285 (korrigiertes Stemma).
7) Ebd. 4: "Haec ornnia (c. 101-123) sumpta esse paene integra ex historia Achicari Assyrii •·•• Qui prirnum hanc vitarn in Aegypto composuit, is ipse .•. inter alia ab Aesopo aliena et Achicari quoque historiarn sibi in prornptu iacentern in rem suarn vertisse putandus est."
8) AramAch lässt sich ja wegen des Zustandes der Papyri für eine Synopse der Abfolge der Erzählelemente, wie PERRY sie fabriziert, nicht gebrauchen; vgl.
o. Kap. 1, bei Anrn. 2.
9) Vgl. SMEND, Alter und Herkunft 98; PERRY, Aesopica 8.
10) Histoire 259-262; vgl. o. Kap. 0, bei Anrn. 5.
11) JAEKEL, Menandri Sententiae 132-136, kommt in seinem Abdruck des W-Textes auf
42 Nummern, da er manchmal die Begründungen als selbständige Logien zählt und
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Kap. IV.3
340
auch 4 Jahrhunderte jüngeren Text den parallelen Abschnitt aus
Cod. Vindob. theol. gr. 128 ein. Dieser trägt den Titel Atcr~nou
npo~ A~vov ~aan•nv aÖ•oÜ vouaecrCa und hat 19 Logien, wovon 12
mit Pl und 3 mit dem Sondergut von W gemeinsam sind.
Alle vier Texte stehen aber im gleichen Missverhältnis zum Spruchgut von aramAch und syrAch Parr (s.u.). Nimmt man Wals Referenztext, so ist schnell deutlich, woher der Autor seine "eigene
Weisheit" bezieht. JAEKEL hat nämlich aufgewiesen, dass ca. 25
der ca. 34 Logien direkte Uebernahmen aus den oder Anlehnungen an
die yv~~L ~ov6cr•LXOL des MENANDER sind 12 • Damit situiert sich
aesAch Par. l09f. klar in die hellenistische Gnomologienliteratur, wie sie in Kap.III.5.1, vgl. Ziff. kund 1, besprochen
wurde. -
AesAch - aramAch :
Es ist deshalb auch nicht erstaunlich, dass sich in dieser Lehrrede nur zwei entfernte Anklänge an die (ca. 110) aramäischen
Weisheitsworte finden lassen (s. gleiqh bei aesAch 151 Pl, und
Logion ll(W-Sondergut)). Ebensowenig lässt sich eine der Fabeln
von aramAch 13 in den aesopischen Fabelsammlungen nachweisen 14 •
sich vor ~llem von den Vergleichsmöglichkeiten mit den Monostichen leiten
lässt. Die Entsprechungen sind:
39
1
lf.
6
8
ll
14 16
19
21
25
26
33f. 31
3f. 7
12
22
26
32
40
2
9
20
15 17
27
35
3
10
16 18
21
23
27-30 28
36
33
41
8
13
5
34
42
4
6
9
ll
14
17 19
22
24
31
29
37
5
7
12f. 15
18 20
23f. 25
32
30
38
10
12) Direkte Uebernahmen sind Logion 1 aus Mon 57f.; L 2 = Mon 10; L 4 = Mon 1;
L 5 =Mon 16; L 6 =Mon 11; L 9b =Mon 716; L 12-= Mon 21; L 29 aus Mon 544;
L 31 aus Mon 471. - Bei Pl haben aesAch 143.145.146.147-149 und 156~ Parallelen in den Monostichen. Deshalb ist es fraglich, ob aesAch 143, wie NOELDEKE,
Untersuchungen 62, meint, aus lPetr 2,17b s~ammt; vgl. HAUSRATH, Achikar
und Aesop 7.
13) Nämlich: Pap 53,10/lla/llb-13a/13b; Pap
57.I,7f.; Pap 58,14f.
54,16; Pap
55,8-10a/10b-13a; Pap
14) Vgl. NOELDEKE, Untersuchungen 61-63; HAUSRATH, Achikar und Aesop 41~, setzt
jedoch den Vergleich richtiger an, nämlich auf der "ersten Entwicklungsstufe
der griechischen Fabel", bei den "Formen der poesievollen Tiergeschichte und
des witzigen Tiergesprächs" (43), .und betont dann die Priorität und Selbständigkeit der griechischen Fabel; vgl. schon in seinem Art: Fabel, PRE 6 (1909)
1723-1734.
I
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. IV.3
341
AesAch - orVers :
Der Vergleich von aesAch l09f. und den Aesop-Fabeln mit den orVers ist hingegen etwas ertragreicher. Berührungspunkte zwischen
aesAch und dem Spruchgut der orVers (also syrAch Kap. 3 Parr)
sind :
aesAch 151 (Pl w·G) : vgl. ar1nAch 189 (auch aramAch 56.I,l6
<Gr: 53> Par arabAch 43, Cambr.-Ed S. 136) : Vertraue (d)einer
Frau (aram.arab : deinem Freund) keine Geheimnisse an !
aesAch 153 (Pl W G) : vgl. syrAch 48 : Der Schwanz verschafft
dem Hund sein Brot.
aesAch 155 (Pl W G) : vgl. armAch 158
bläseraus deinem Haus .•. !
Verweise den Ohren-
aesAch Logion 11 (W-Sondergut; JAEKEL Nr. 14) : vgl. syrAch 52,
auch aramAch Pap 56.II,l-3; Sir 8,lf.: Fliehe den Kampf mit
dem Stärkeren, damit du nicht selbst unterliegst l
aesAch G (DENIS, Fragmenta 138a, Z. 15ff.) : vgl. syrAch 72,
auch 70 und 2; Sir 19,10; Tob 12,7.11 : Vom Verstecken oder
Sterbenlassen eines Hortes im eigenen Herzen.
Bei diesen fünf Beispielen besteht zweimal eine Parallele nur
mit dem armenischen Text, und die drei w.eiteren Parallelen weisen keine spezifischen Einzelheiten auf, welche eine Abhängigkeit
plausibel machen könnten. Auch syrAch 48, ein Legion, das recht
gut in den orientalischen Bereich passt, kommt in ähnlicher Form
als Bildwort Über den 'Kyniker' in der griechischen Literatur
vor (vgl. DIOGENES LAERTIUS 6,60; vgl. 6,45.46.61; LONG II, 266.
273) 15 .
Zwischen den aesopischen Fabeln und den Fabeln der orVers bestehen etwas stärkere Verbindungen. SMEND hat 20 Parallelen ausfindig gemacht, von denen er jedoch nur 8 als Beweis für eine
Abhängigkeit der Aesopfabeln von den orVers (!) gebrauchen kann
Es sind dies
15) DERS., Achikar und Aesop 17, Anm. 3. Der gleiche Spruch wird von Schahrastani
(s. u. in und bei Anm. 31) dem Demokrit von Abdera zugewiesen. Vgl. SMEND,
Alter und Herkunft 67ff.- Vgl. Ab 4,15: "Sei Schwanz des Löwen, nicht Kopf
des Fuchses '"
16) Ebd. 77-85.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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16
•
342
Kap. IV .3
1. syrAch 122/23 = 126 : vgl. die BABRIUS-Fabel Aes 302 und
303 (PERRY 440f.) vom Baum, der mit Hilfe seines eigenen
Holzes gefällt wird (dazu unten Kap. 9 die rabb. Stellen
bSanh 39b und GenR 5,9).
2. syrAch 129 : vgl. die alte Aesop-Fabel (Rez.I 17 ) 96 (PERRY
359), aber noch eher die BABRIUS-Paraphrase 173a (CRUSIUS
158f.) von der Schlange auf einem Dornstrauch im Fluss und
dem Fuchs am Ufer.
3. syrAch 111 (besser arab) : vgl. die aus einer der weniger gewichtigen Fabelsammlungen stammende Fabel Aes 265 und die
BABRIUS-Fabel Aes 361 (beide PERRY 423f.470) vom gefangenen
Rebhuhn, das durch sein Geschrei noch andere Rebhühner in
die Falle lockt.
4. syrAch 99 : vgl. die BABRIUS-Paraphrase 374 (PERRY 475), welche ein altes Epigramm zu benutzen scheintl8, vom Ziegenbock
und dem Weinstock.
5. syrAch 106 : vgl. die alte Fabel Aes 193 (Rez. I;· PERRY 397)
vom Vogel und vom Fallensteller.
6. syrAch 118 : vgl. die BABRIUS-paraphrase 329 (PERRY 153) vom
Jagdhund, der für sich selbst jagt.
7. syrAch 95 (also aus Kap. 3) : vgl. die BABRIUS- Paraphrase
375 (PERRY 476) vom ausgelachten, perückentragenden Reiter im
Wind.
8. syrAch 30,12 (Rätselfrage des Pharao) : vgl. die alte Fabel
Aes 16 (Rez. I; PERRY 328) von der Katze und dem Hahn.
9. syrAch 128
vgl. die alte Fabel Aes 50 (Rez. I; PERRY 341)
von der Katze, die das Mausen nicht lassen kann (vgl. auch
Aes 107; PERRY 363).
15. syrAch 98 : vgl. die alten Fabeln aus Rez. I, Aes 59 vom
Wiesel und der Feile (PERRY 344) und Aes 93 von der Schlange
und der Feile (PERRY 358).
HAUSRATH·findet nur die Nummern 2, 4 und 5 "in der ganzen Erfindung, Tendenz und in Einzelzügen so weit übereinstimmend,
dass an ein Abhängigkeitsverhältnis gedacht
werden~",
wäh-
17) PERRY bildet vier Klassen von Fabeln, welche zu den ~esopica gehören: I-III
sind Aesopfabeln•, abgestuft nach Alter und Belegung, IV sind Babriusfabeln
oder Babriusparaphrasen. Babrius sammelte seine Fabeln um 2oo n.
18) Vgl. HAUSRATH, Achikar und Aesop 26.
http://hdl.handle.net/10900/56118
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343
rend die Nummern 1 und 8 und die beiden zusätzlichen
9
und 15
nur "eine Aehnlichkeit des Motivs bei durchaus selbständiger
19
Gestaltung"
aufweisen. Die Übrigen 13 Vergleiche seien in keiner Weise haltbar. Dieses kritische Minimum von drei sicheren
Abhängigkeiten, das HAUSRATH feststellt - und es ist ihm darin
zu folgen 20 - gibt nun aber keinen Beweis für eine einseitige
Abhängigkeit des einen Werkes vom andern, sondern zeigt vielmehr auf, wie sehr sich sowohl in den achikarischen wie auch
in den äsopischen Fabeln unkontrollierbares weisheitliches Material vermischte. Nr. 2 und 4 haben nämlich syrAch beeinflusst,
während Nr. 5 aus den orVers in die griechischen Fabeln kam :
"Auch Achikar teilt eben das Los aller Volksbücher belehrender
Art, dass Weisheitssprüche und sinnvolle Geschichten von Überall
her, auch der Literatur fremder VÖlker, dem Original beigefügt
wurden. Umgekehrt ist die Fabel von der Haubenlerche und der
Falle (scl. Nr. 5) als Nachbildung einer orientalischen Fabel
in das Corpus der rhetorischen
nommen worden" 21 •
Schulfabeln Griechenlands Über-
Um zusammenzufassen : So sehr festzuhalten ist, dass die orientalische Episode der griechischen Aesopvita unter dem Patronat
der aramäischen oder einer ähnlichen Achikarversion entstanden
ist, sowenig können in der Lehrrede aesAch l09f. irgendwelche
Abhängigkeiten von den aramäischen Weisheitsprüchen und Fabeln
(Pap 53-59) aufgezeigt werden. Wohl aber ist eine gegenseitige
Verbindung zwischen den Aesopfabeln und den Fabeln der orVers
und eine schwache Berührung im Spruchgut zwischen aesAch und
den orVers feststellbar.
19) Ebd. 25.32.
20) Ebd. 23.37, wo SMEND's Methode kritisiert wird.
21) Ebd. 38.
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344
Kap. IV.3
Wenn auch die Aesopvita innerhalb der griechischen Literatur
die einzige Stelle ist, wo der Achikar-Stoff präsent ist, so
finden sich einige weitere, zerstreute Notizen, welche auf einen alten Weisen mit Namen Achikar (oder ähnlich) hinweisen.
Ist jedoch bei der Aesopvita ein consensus communis erreicht,
so gehen bei diesen Notizen die Meinungen der Forscher auseinander. Ohne näher in diese seit MUELLER (1888) und STUDEMUND (1890)
anhaltende Diskussion einzutreten 22 , seien hier die betreffenden Stellen angeführt
STRABO (ca. 63 v. - 19 n.) übernimmt von seinem Gewährsmann
POSEIDONIOS (135-51 v.) eine Liste der bekanntesten ~&v~ELC
der alten Welt. Neben den indischen yuuvooo~Lo~aC,
den
persischen u&YoL KaL VEKu6uav~ELC K~A., den assyrischen
xaAöatoL, den römischen
'
napa
ÖE'
1'\
~OLC
~P60KonoL
und Mose
(!) nennt er
"
~~xaLKapoc
/
23 •
BoonopnvoLc
Aus der Geschichte und Literatur des bosboranischen Reiches
ist sonst nirgends ein Zeugnis über den scheinbar bekannten
"Propheten" zu finden 24 ; vielleicht ist deshalb tatsächlich
eine Verschreibung aus BopoLnnnvo~c anzunehmen 25 •
- CLEMENS von Alexandrien (ca. 150-215 n.) behauptet, dass
DEMOKRITOS von Abdera (ca. 460-370 v.) BaßuAovCouc A6youc
naLKo6c verfasst habe. Diese seien jedoch ein Plagiat~ da
sie von der "Stele des Akikaros" abgeschrieben seien :
22) MUELLER, Fragmenta Historicorum Graecorum II, 26; STUDEMUND, Zum Mosaik 3-5.
Wie mehrdeutig diese Spuren tatsächlich sind, zeigt der Vergleich schon der
hauptsächlichsten Autpren: HARRIS, Cambr.-Ed. XLI-XLVII; NAU, Histoire 46ff.;
COSQUIN, Le livre de Tobie 75f.; SMEND, Alter und Herkunft 66; DORNSEIFF,
Echtheitsfragen 26, Anm. 1; besonnen und ausfÜhrlich NOELDEKE, Untersuchungen
20-24.
23) Geogr. 16.2,39 (JONES VII, 288).
24) Vgl. das Register in GAJDUKEVIC, Das Bosboranische Reich 575.
25) So hat FRAENKEL, Art.:· Borsippa, PRE 3 (1897)
735,
vermutet. Doch auch diese Korrektur, der die meisten Forscher gefolgt sind, stösst auf Schwierigkeiten, da STRABO, Geogr. 16.1,6 (JONES VII, 203), in den "Borsippenern" eine
Sekte der "Chaldäer" sieht, in unserer Aufzählung die "Chaldäer" aber als ~
syrische Mantiker gelten.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. IV.3
A{yE.aL yap
•nv ~KLKctpou
345
cr•n~nv EP~EVEuaE~crav •o~~
löCoL~ cruv•~EaL cruyypct~~acrL. K~cr•Lv lnLcrn~nvacraaL nap'
aÖ•oÜ· •~öE ~tYEL ßn~6xpL•o~ yp~~ov•o~. 26
Ob "der grosse Denker Demokrit, einer der klarsten Köpfe des
Altertums, es wirklich nötig (hatte), Lebensregeln für Griechen einer babylonischen Stele oder einer sonstigen orienta27
lischen Weisheitsquelle zu entnehmen"
, sei dahingestellt • .
Die Aussage des Clemens ist nicht ohne historische Plausibilität, da Demokrit zur gleichen Zeit schrieb, als auch in
Elephantine die aramäische Kopie entstand, die weite Verbreitung von aramAch also bezeugt ist. Das Wissen um die assyrischbabylonische Herkunft der Fabelliteratur teilt Clemens mit
seinem Zeitgenossen BABRius 28 ; es spiegelt sich darin die
wohl nicht unbegründete wissenschaftliche Meinung der damaligen Zeit. Was NAU jedoch an oberflächlichen Parallelen zwischen syrAch und den Demokritsprüchen 29 zusammengestellt hat,
ist nicht Überzeugend 30 , und auch der weite Umweg, den CORNILL, HARRIS und SMEND über den persischen Religionsphilosophen Schahrastani (1071-1153) machen, um zu Parallelen zwischen Achikar und Demokritos zu kommen, trägt nicht viel Sicheres zum Problem bei 31 • - Interessant bleibt jedoch, dass
26) Strom 1.69,4 (vgl. EUSEBIUS, PE 10.4,23); beide zitiert bei DENIS, Fragmenta
148. - Korrekturen für den schwierigen Text bei STAEHLIN, Des Clemens von
Alexandreia Teppiche 65, Anm. 5.
27) NOELDEKE, Untersuchungen 22f.
28) 2. Proömium l-5
(CRUSIUS 98).
29) S. o. Kap. III.5.l, Ziff. f.
30) Histoire et Sagesse 39-41.
31) SCHAHRASTANI, Kitab al-milal wan-n-nihal 305,2-306,20, ist eine Sammlung von
Demokritsprüchen, in welcher sich folgende drei Sprüche hintereinander finden:
"Er sagte: WÜnsche nicht hinsichtlich eines (Anderen), dass er dir heute
auf dem Fusse folge und morgen .•• [sich von dir entfernt].
Er sagte: Sei nicht allzu süss, damit du nicht verschlungen wirst, und
nicht allzu bitter, damit du nicht ausgespien wirst.
Er sagte: Der Schwanz des Hundes erwirbt ihm das Fressen, und sein Maul
erwirbt (ihm) die Schläge." (Uebers. v. ALTHEIM/STIEHL, Die aramäische
Sprache I,l90.238; vgl. HAARBRUECKER, Schahrastani, Religionsparthaien und
Philosophen-Schulen II, 151).
Diese drei Logien entsprechen fast wörtlich syrAch 49; armAch Ba (= aramAch
56.II,7) und syrAch 48b Par äthAch 2b Par aesAch 153. Die Behauptung von Cle-
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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346
Kap. IV.3
Clemens (oder seine Quelle) eine selbständige Achikartradition bezeugt und diese in einem legendarischen Bezug zu den
Gnomen des Demokrit sieht.
DIOGENES LAERTIUS 5,50 (LONG I, 224) nennt in seiner langen
Liste der Werke des "berühmten" THEOPHRAST von Eresos (371287 v.), des Hauptschülers von Aristoteles, den Titel eines
Werkes : :~udxapo~ a' •
h"'op f t 32 •
. h en Literatur ersc
.
Damit sind die Hinweise aus d er griec h ~sc
Was nun den gesamten griechischen Traditionsstrang angeht, können folgende Punkte festgehalten werden :
1) AesAch geht auf ältere Achikar-Traditionen zurück, wie sie
aramAch darstellt und dernAch zur gleichen Zeit in Aegypten
bezeugt.
2) Vom 2. Jhd. v. an (POSEIDONIOS als Quelle von Strabo) bis ins
3. Jhd.n. (DIOGENES LAERTIUS) wissen griechische Autoren von
einem berühmten Weisen mit Namen Achikar, den sie auf verschiedene Weise mit griechischen Schriftstellern in Beziehung
setzen.
3) Die Weisheitslehre Aesops (aesAch 109f.) ist eine eigene
kleine Sammlung, die von aramAch völlig, von den orVers
zum grössten Teil unbeeinflusst ist.
4) Zwischen den aesopischen Fabeln und denjenigen der orVers
bestehen Berührungen.
Mit aesAch und den genannten Notizen ist ein weiterer Traditionss·trang gefunden, der zwischen den beiden textgeschichtlichen
Fixpunkten aramAch und syrAch steht, auf selbständige Weise das
.Achikar-Motiv bezeugt und aufzeigt, dass es nicht nur sprachli-
mens von Alexandrien, Demokrit hätte Achikar abgeschrieben, findet hier eine
unverhoffte Bestätigung, vgl. SMEND, Alter und Herkunft 67-74, und die Kritik
am ganzen Argumentationsgang bei HAUSRATH, Achikar und Aesop 17f (mit treffenden Gegenbeispielen).- In neuererZeithaben sich ALTHEIM/STIEHL, Die aramäische Sprache !,187-192; Geschichte der Hunnen III,l37f.; Mashafa falasfa
tabiban 3-5, deutlich für eine positivere Bewertung von Schahrast!ni's Sammlung bei der Erörterung des Zusammenhangs zwischen Achikar und Demokrit ausgesprochen. - Vgl. u. Kap. 4, Anm. 1 urid la.
32) Vg,l. noch zusätzlich die Parallelen zwischen PseuMen, welcher ja auch auf
einen griechischen Text zurückgeh~. und syrAch (s.o. s. 314f.).
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.3
347
ehe Versionen (wie orVers), sondern auch national bedingte Adaptationen der Achikar-Geschichte gegeben hat. Für die Weisheitslagien in aesAch l09f. ist besonders hervorzuheben, dass sie
sich auch hier als das mobilste Element erwiesen haben. Während
die Aesoperzählung den Achikarstoff noch deutlich zur Schau trägt,
ist die Weisheitslehre durch menandreische Monostichen und Aehnliches ersetzt. Die hellenistischeGnomologienfanden hier einen
willkommenen Einsatzpunkt.
http://hdl.handle.net/10900/56118
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
4, DIE ORIENTALISCHEN VERSIONEN
(= OR VERS) MIT DEM SYRER
ALS HAUPTZEUGEN (= SYR ACH) AUS CHRISTLICHER ZEIT
Die orientalischen Versionen stellen die Hauptmasse der Texte
des Achikar-Korpus dar. Eine Neuausgabe und kritische Sichtung
der zahlreichen Mss aus dem orientalischen und östlichen Sprachbereich ist notwendig für jegliche weiterführende Arbeit textund traditionsgeschichtlicher Art. Im Moment liegen von den
ältesten Textzeugen folgende Ausgaben und Uebersetzungen vor
SYRISCH :
a) Cambridge Add 2020, ff. 66a-78a (geschr. 1697) :
HARRIS, Cambr.-Ed. (1913), 37-73 <syr. Pag.>: Ed.; 101-127 : engl. Uebers.
b) British Museum Add 7200, f. 114a-b (gescihr. 12./13. Jhd.) :
HARRIS, Cambr.-Ed. (1913), 34ff. (syr. Pag.>: Ed.; 99ff. : engl. Uebers.
c) Berlin syr 134 (= Sachau 336), ff. 17b-55b (geschr. 1883/84) :
GRUENBERG, Die weisen Sprüche (1915), 13-56 : Ed.+dt. Uebers. von ff.
20a-29b; GUZIK, Die Achikar-Erzählung (1936), 1-52 : Ed. von ff. 17b20a.29b-55b; NAU, Bisteire et Sagesse (1909), 145-258: fr. Uebers.,
mit den Varianten der anderen orVers.).
d) Berlin syr 165 (= Sachau 162), ff. 86a-92b (geschr. 15./16. Jhd.) :
NAU, Bisteire et Sagesse : ROC 21 (1918/19), 149-155 : Ed.; 155-160
fr. Uebers.
e) Ms Graffin, ff. 1-56 (transkr. 1908) und Ms Pognon, ff. 96a-136a (16.-18.
Jhd.; Zusätze 20.-Jhd.) :
NAU, Documents relatifs a Ahikar
ROC 21 (1918/19), 277-294.356-370
Ed. Ms Graffin ; 294-307.370-380
fr. Uebers.; 382-400 : Ed. Ms
Pognon, ff. 96.111-136.
Weitere Hinweise auf unpublizierte Texte bei NAU, Bisteire et Sagesse (1909),
78-81; BAUMSTARK, Geschichte der syr. Literatur 12, Anm. 1; BROCK, Notes on
some Texts 205f.; A Piece of Wisdom Literature 212-217.
Weitere Uebersetzungen: DILLON, Ahikar the Wise (1898), 369-386: engl.
Uebers. nach selektivem syr./arab. Text; HARRIS/LEWIS/CONYBEARE, APOT II
(1913) , 724-776 : engl. Uebers. von syr Par arab Par armenAch; GOODMAN, The
Words of Ahikar (1958), 271-275 : "engl. Uebers. von Cambridge Add 2020. Vgl. auch die ähnlichen Logien bei NAU, Preceptes anonymes (1914/15), 209-214
Ed.+fr. Uebers. von Berlin syr 165 (= Sachau 162), ff. 82-86.
(348)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
349
Kap. IV.4
ARABISCH :
a) Cambridge Add 2886, ff. 8la-lo6a (geschr. 1783)
LEWIS, Cambr.-Ed. (1913), 1-33 <arab. Pag.)
Uebers. = APOT II (1913), 729a-776b.
Ed.; 130-161
engl.
b) Paris arab 3637, ff. 140-182 (Zeit?) :
LEROY, Histoire d'Haikar le Sage: ROC 13 (1908), 369-388 : ff. 140156; 14 (1909), 50-70 : ff. 156-173; 143-154 : ff. 173-182, jeweils
mit den Varianten von Paris arab 3656, und fr. Uebers.
c) Berlin syr 290 (= Sachau 339) (modern) :
LIDZBARSKI, Die neu-aramäischen Handschriften I (1896), 2-77
+ neusyr. Ed.; II, 1-41: dt. Uebers. des neusyr. Textes.
arab.
Weitere Hinweise auf unpublizierte Texte bei HARRIS, Cambr.-Ed. (1913),
XXIIIf.; NAU, Histoire et Sagesse (1909), 87f.; GRAF, Geschichte der christl.,
arab. Literatur I (1944), 2lff.
AETHIOPISCH :
Im Ma!j!l;lafa Falasfa '!'abiban (= "Buch der weisen Philosophen"; 16: Jhd.) 1 findet sich eine Kollektion von Weisheitsworten unter dem Titel "Unterweisung
l}ekars des Weisen". Eine Ed. oder Uebers. des ganzen Werkes ist nicht vorhanden.
Ms Frankfurt, Stadtbibl., Aeth 12 (jetzt nach ALTHEIM, Geschichte der Hunnen V, 217 : "Ausst. 14"), ff. ll5a-122b (18. Jhd.) : la
CORNILL, Ma!j!l;lafa Falasfa '!'abiban (1875), hat daraus 15 Sprucheinheiten
ediert (S. 40-44) und übersetzt (S. 19-21), von welchen aus den anderen orVers Parallelen bestehen. Er benutzte dabei auch ein schlechteres Ms Tübingen, ff. 62b-66b (Zeit?), und fügte jeweils die Parallelen des karschunischen (= arab. in syr. Schrift) Ms Gotha, Nr 589
(bei NAU, Histoire et Sagesse 87 : Nr 2652), ff. 49-50, an.
Vollständigste Liste weiterer Mss : EURINGER, Uebersetzung der philosophischen Lehrsprüche 362, Anm. 4.
Weitere Uebersetzungen : HARRIS, Cambr.-Ed. (1913), 128f. = APOT II, 777 :
engl. Uebers. der Ed. von CORNILL; bei NAU, Histoire et Sagesse (1909), stehen die Sprüche unter den entsprechenden syrischen, vgl . .die Konkordanz, S.
92 (jedoch bei äth 2 Par syr 48).
1) "Ein nicht näher bekannter IY!ikä' el WALDA MIKÄ' EL hat die Sammlung ... vermutlich im 16. Jhd. aus dem Arabischen übersetzt. Die Vorlage bildete zum grossen
Teil eine spätere Bearbeitung des Kitäb ädäb al-faläsifa (Buch der Verhaltensmassregeln der Philosophen) , das der berühmte nestorianische Uebersetzer
~UNAIN IBN IS~Q (gest. 876 n.) nach byzantinischen Vorbildern aus griechischen Quellen zusammengestellt und ins Arabische übertragen hat" (STRAUSS,
Art. : Mashafa Falasfa Tabiban, Kindler Literaturlexikon 14 (1974) 6081). ALTHEIM/STIEHL, Geschichte der Hunnen V, 221-224 (vgl. ALTHEIM, Mashafa Falasfa
Tabiban 7) datieren (mindestens) jene Spruchkollektionen, die mit Namen versehen sind, wegen der viermaligen Nennung eines barzamehar (äth.) = burzmihr
(mittelpers.) = BURZOE, also der Leibarzt von Chosrau I Anoscharwan (reg.
531-579 n. ), in die spätsassanidische Zeit (s. u. Tab. 8) .'
la)Auf f. ll5b, z. lff. nur dieses Manuskripts steht der Spruch 215 (= äthAch 2b)
vom Schweifwedeln des Hundes (vgl. syrAch 48 Par aesAch 153), welchen SCHAHRASTANI (s. o. Kap. 3, Anm. 31) dem Demokritos zuschreibt. ALTHEIM/STIEHL, Geschichte der Hunnen V, 220, Anm. 13, zieht diesen Sachverhalt erneut bei, um
die Demokrit - Achikar Bezüge historisch plausibler zu machen.'
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.4
350
N.B. : Im Exzerpt von DILLMANN, Chrestomathia Aethiopica (1866), 40-45, und
dessen dt. Uebers. von EURINGER, op. cit. 363-371, sind keine Achikarsprüche
vorhanden.
ARMENISCH :
Rez. A : Venedig, Library of San Lazaro,· Nr. 482 (15./16. Jhd.); Bod1ean
Library Arme. 14 (17. Jhd.); Paris, Anciens Fonds Armeniens Suppl. 58
(geschr. 1697) :
CONYBEARE, Cambr.-Ed. (1913), 198-234 : Ed., mit den Varianten von 5
weiteren Mss; 24-55 : engl. Uebers. = APOT II (1913), 725b-776c;
VETTER, Das Buch Tobias (1904), 330-364: dt. Uebers.
Rez. B : Bodley, Arm g. 9 (geschr. 1671) :
CONYBEARE, Cambr.-Ed. (1913) 1 56-85 : nur engl. Uebers.
Weitere Hinweise auf unpublizierte Texte
Ebd. 176f.; DEGEN, Art. : Achikar,
Enzyklopädie des Märchens 1 (1975) 58. - DASHIAN, Chikar und seine Weisheit
(1901) , war mir unzugänglich.
Die weiteren Texte wurden hier nicht berücksichtigt, da sie traditionsgeschichtlich weniger bedeutsam und jüngeren Datums sind 1 b.
Mit den meisten Forschern wird hier in syrAch die ursprünglichste
Textform gesehen, von welcher arab, äth und armAch in irgendeiner
Form abhängig sind. Die Textqualität der syrischen Mss ist allerdings umstritten 2 •
Die orientalischen Texte sind typische Versionen und stellen
keineswegs "national individualisierte Formen der Achikar-Sage"
wie etwa aesAch und wohl auch dernAch dar 3 • "Die Disposition
des Stoffes ist
durch alle Texte hindurch zu verfolgen, und
lb)Vgl. die bibliographischen Angaben bei DEGEN, Art: Achikar, Enzyklopädie des
Märchens 1 (1975) 58f.- Nach JAGIC, Der weise Akyrios 110 (vgl. LUEDTKE, Beiträge zu slawischen Apokryphen 218f.), gehen die slavische, serbische, georgi·sche und russische Version auf einen griechischen Text aus byzantinischer
Zeit zurück, der (noch) nicht gefunden ist.
2) NOELDEKE, Untersuchungen 54, nannte den Text von Berlin syr 134 (= Sachau
336) ein "monstrum horrendum informe" und kam damit HARRIS' und SMEND's Bevorzugung von Cambridge Add. 2020 entgegen. GRUENBERG's Analyse des Spruchteils des Berliner Ms (abgekürzt: B) bestätigt diese"Buntscheckigkeit" der·
"stark defekte(n) syrische(n) Vorlage"(Die weisen Sprüche 58); ~r hält aber
immerhin 35 Sprüche von B für ursprünglich. GUZIK, Die Achikar-Erzählung,
kommt bei der Analyse des Erzählteils zu ähnlichen gemischten Resultaten. Da
B und C sowieso zur gleichen Familie gehören (vgl. NAU, Histoire et Sagesse
81), ist jewei'ls bald dem einen, bald dem anderen Recht zu geben, wobei jedoch C als homogenerer Text mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann.- Zur
hier gebrauchten Zitationsweise vgl. jedoch o. Kap. o, Anm. 5.
3) Auch die indischen Erzählungen ~ukasaptati (6. Jhd. n.) und Somadeva (12. Jhd.
n.), beide zusammengefasst bei BENFEY, Die kluge Dirne 164ff.l66ff, sind solche späte, nationalisierte Traditionen, falls Überhaupt eine gegenseitige Abhängigkeit angenommen werden kann; vgl. KRAPPE, Is the Story 280~284; auch
APOT II, 720.
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.
1
351
zwar bis in die Einzelheiten hinein; die Erzählung stimmt zu
einem guten Teil im Wortlaut überein, namentlich aber lässt
sich für die Sprüche und die Gleichnisse d,er ziffernrnässige
Nachweis erbringen, dass ihnen ein ganz bestimmter gerneinsamer
Text zugrunde liegen rnuss" 4 . Typisch für alle ist die Zweiteilung der Weisheitsworte in eine Lehr- und in eine Strafrede an
Nadan und die z.T. weitschweifige Ausarbeitung erzählerischer
Details. Was sich in dernAch und aesAch angekÜndigt hat, ist
hier zu seiner romanhaften Form gediehen. Der Vergleich mit
dem ca. 8 Jhd.e älteren ararnAch, welcher ja als "Volksbuch"
(SACHAU) auch schon eine gemächliche Darstellungweise hat, vermag die in der Zwischenzeit geschehene Weiterbildung der Tradition gut deutlich zu rnachen 5 .
Viele Fragen nach den Entstehungsumständen von syrAch bleiben
wohl auch weiterhin ungelöst. Es kann trotz vieler Parallelen
zum biblischen und frühjüdischen Schriftturn (s.u.) keine direkte hebräische oder aramäische Vorlage ermittelt werden 6 • Die
Mischung von heidnischen mit einigen christlichen Elementen
lässt sich arn ehesten begreifen, wenn ein älterer heidnischer
Text als Ausgangspunkt angenommen wird, der dann an wenigen
Stellen retouchiert und in die christlichen Textsammlungen aufgenommen wurde. Damit konnte die sprachliche Ausformung bis in
die Zeit der Peschitta (um 400 n.) hinauf weitergehen 7
Da man für syrAch als frühestes Entstehungsdatum das 2./3. Jhd.
n. annehmen darf, würde der heidnische Text in das 1. Jhd. n.
oder früher zurückgehen 8 • FÜr diese für die syrische Literatur
4) VETTER, Das Buch Tob 344; seine vergleichenden Listen (S. 321-344), welche
NAU, Histoire 82-102, verbessert und Übersichtlicher gestaltet, sind dafür
der eindrücklichste Beweis.
5) Siehe die Vergleiche bei NAU, Ahikar et les pap. (1912) 75-79; NOELDEKE, Untersuchungen 26f; STUMMER, Der kritische Wert 36-46.
6) Dies ist die fundamentale These von HALEVY, Tobie et Akhiakar, und VETTER,
Das Buch Tobias, bes. (1905) 34.5-,352. Ihre wenigen, einer überstrapazierten
Kombinationsfähigkeit zu verdankenden "Beweise" halten nicht stand.
7) NOELDEKE, Untersuchungen 28, bringt sprachliche Belege, wenn aucb kärgliche;
ORTIZ DE URBINA, Patrologia Syriaca 213, findet "nullum christianum elementum"; vgl. DUVAL, La Litterature Syriaque 85.
, 8) NAU, Histoire 117f.
("commencement
de notre ere", für den Archetyp); BAUM-
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Kap. IV.4, Anhang
"vorchristliche Zeit" gibt es aber keine anderen literarischen
Texte. Die ersten Anfänge von syrAch verlieren sich völlig im
Dunkeln, bilden jedoch eine hypothetische Brücke rückwärts zu
aesAch, dernAch und vielleicht auch aramAch. Diesen möglichen
Zusammenhängen wenden sich die folgenden Kapitel zu.
ANHANG
DAS MOSAIK DES MONNUS IN TRIER (3, JHD, N,)
1884 wurde bei den Ausschachtungen für das Trierer Provinzialmuseum das Bodenmosaik eines Öffentlichen Gebäudes aus der Zeit,
als Tri er Kaiserresidenz war (um 300 n.) _, entdeckt. Das durch
einen Brand stark zerstörte Mosaik, dessen Stifter oder Hersteller sich selbst MONNUS 9 nennt, ist rund um ein zentrales
Oktogon in sechs thematischen Kreisen angelegt, deren innere
drei sich den musischen Künsten in ihren verschiedenen Formen
widmen, deren äussere drei die Wechsel des Jahresablaufes (Monate, Tierkreiszeichen, Jahreszeiten) darstellen 10 • Der das
ganze Hosaik beherrschende zweitinnere Ring von acht Oktogonen
und das zentrale Oktogon stellen je eine der neun Musen dar,
welche "einen Sterblichen, der in der betreffenden Kunst als
Begründer oder tüchtigster Vertreter gilt" 11 , unterrichten. Es
ergeben sich dabei folgende Zuordnungen :
STARK, Geschichte der syr. Literatur lOf.; ROST, Einleitung 145 ("vielleicht
im 2. Jhd. n."); OLMSTEAD, Intertestamental Studies 243 ("under the Parthians"); jedoch MEISSNER, Das Märchen 17 (nach 5oo n.).
9) Im zentralen Oktogon stehti MONNUS FECIT. NOELDEKE, Untersuchungen 24, findet
darin die latinisierte Form des arabisch/aramäischen ,)VO, )VO ~ M~vvo~ ~
Monnus; ebenso MEISSNER, Das Märchen 19 ("vielleicht"). In den Kunstlexiken
wird Monnus einfach als "römischer loiosaikleger" angeführt.
10) Erstveröffentlichung und Nachzeichnungen in: Antike Denkmäler I, 36-38 (Beschrieb von F. HETTNER), Taf. 47-49. Erweiterte Fassung in DERS., Zu den Römischen Altertümern 248-260 (Nachzeichnung 249). Abbildungen auch bei MEISSNER, Das Märchen 20 (nur Acicar-Oktogon); DREXEL, Germania Romana 7f., Taf.
III,2 (sehr klein); ENCICLOPEDIA DELL' ARTE ANTICA classica e Orientale 5
(Roma 1963) 162, Abb. 232 (rechte Hälfte; Lit.-Angaben); vgl. Abb. u. s. 354.
11) HETTNER,
Das Mosaik 35b.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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353
Kap. IV.4, Anhang
1. Ingenium/Omerus
2.
3.
4.
-
Calliope
?
(sa)
?
(T) ham (y) ris
- Urania
7. Cadmus
-
?
<Melpomene>
<Erato>
Polymni(a)
6. Aratos
9.
(en)
?
5. ... icar
8. Agnis
<Terpsichore>
?
?
Clio
Euterp(e)
?
<Thalia> 12
Wie STUDEMUND aus dem Vergleich mit ähnlichen Aufstellungen, jedoch literarischer Art, gezeigt hat 13 , bringen nur das erste und
sechste Oktogon eine gängige Gleichung von Muse und KÜnstler,
die anderen hingegen eher gesuchte, ungewöhnliche Kombinationen.
Seine Ergänzung (im fünften Oktogon) der fragmentarischen Beischrift •.. ICAR zu ACICAR ist auch von dieser Einsicht her richtig, da "Akikaros zu den rarissimae aves in unserer Ueberlieferung gerechnet werden muss" 14 • Das Achikar-Porträt, das sich
damit an die bis jetzt behandelten Achikar-Texte anfügen lässt,
beschreibt HETTNER in der Erstveröffentlichung so :
"Der ... Erfinder sitzt auf einem ziegelfarbenen Sessel mit
hellgrauem, dunkelgrün schattierten Kissen, eingehÜllt in einen
weiten, braunen Mantel; seine Haare sind braun, ob er bärtig
war, lässt sich wegen der Zerstörung des Bildes nicht erkennen.
Aus der Richtung seiner Hände ist zu schliessen, dass er, wie
der Aratos des folgenden Bildes, eine Schriftrolle hielt. Ihm
gegenüber steht die r1use mit dem Sirenenflügel, in einem langen
Chiton und einem graublauen Himation; letzteres ist quer Über
die Brust geworfen und hängt auf beiden Seiten Über die Oberarme
bis zu den Knien herab. Sie hält einen langgestreckten Gegenstand, indem der linke Arm nach unten gewendet ist und die
linke Hand um den Gegenstand mit nach oben gerichteten Fingern
fest herumgreift, während der rechte Arm im Ellenbogen gebeugt
und nach oben gerichtet war; die in Resten noch sichtbare Hand
12) Ebd. 37a:"Hierdurch ergibt sich für die Musen die Reihenfolge, die schon HESIOD, Theogonie 77ff. (SOLMSEN 8) anführt, und AUSONIUS in seinem 2o. Idyll
{PEIPER 412) festhält, für den Fall, dass man für die Betrachtung den Ausgang
vom Clio-Bild nimmt" {Zitationsverweise von mir) . - Ausonius war um 365 n.
als Erzieher des Thronfolgers Gratian in Trier tätig (vgl. PEIPER LXXXXV)
13) Zum Mosaik 2f.; vgl. KEES, Art.: Musai, PRE 16 {1935) 726f.
14) Zum Mosaik 3.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Das Mosaik des Monnus
Aus : F. HETTNER, Das
Mosaik des Monnus in
Trier. In : Antike Denkmäler I, Berlin 1887/
1891,
(b)
(a) Taf. 47 (Ausschnitt)
(b) Taf. 48, Detail 1.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.4, Anhang
355
hält den Gegenstand ganz in der Weise wie die linke. Jener
Gegenstand, fUr den eine Deutung noch nicht gefunden,.nimmt an
Stärke von unten nach oben zu; er gleicht am meisten einer
Fackel, gegen welche aber die Bildung des oberen Endes spricht;
er ist aus weissen, graublauen und dunkelbraunen Steinehen gesetzt"l5
Weshalb gerade Achikar neben die Muse des Tanzes und der Pantomime gestellt ist, kann man umso weniger verstehen, als der
Lehr-Gegenstand der Muse nicht bestimmt werden konnte. Wahrscheinlich ist dies auch nicht von grosser Bedeutung, da der
"geistige Urheber" des Mosaiks scheinbar weniger auf klassische
Korrektheit als auf Zitation von seltenen Namen ausging. "Ihn
interessieren, wenn man von Aratos und Homer absieht, die von
der Sage umwobenen und kaum im Halbdunkel erscheinenden Gestalten eines Thamyris, Hyagnis, Kadmos"l6 und eben Achikar.
Alle diese Namen finden sich nun bei CLEMENS von Alexandrien
recht nahe beisammen 17 , sodass man auch darin dem scharfsinnigen
Vorschlag von STUDEMUND zu folgen versucht ist, wenn er in der
bunten Versammlung der Stromata 1. 66-80 jene "Gesellschaft"
sieht, in die das "Handbüchlein" gehört; "aus welchem der Raritätenjäger seine Weisheit schöpfte" 18
Man kann somit anhand des Mosaiks nicht auf eine allgemeine Bekanntschaft Achikars in gallischen und römischen Kreisen schliessen. Als vereinzelter Beleg im galle-römischen Bereich ist das
Achikar-Mosaik aber trotzdem insofern interessant, als es die
verschlungenen Wege aufzeigt, auf welchen der alte assyrische
Ummanu zum griechischen MusenschÜler in deutschen Landen wurde.
15) Das Mosaik 36a.
16) STUDEMUND, Zum Mosaik 3.
17) Neben der schon o. Kap. 3 angefÜhrten Achikar/Demokrit-Stelle in Strom 1.69,4
finden sich in 1.75,1 als Erfinder der Buchstaben der Phryger Kadmos, und
in 1.76,5f Agnis (nach EUSEBIUS, PE 10.6,11, durch Hyagnis zu ersetzen), der
ebenfalls phrygische Erfinder der diatonischen Harmonie, und der Thraker
Thamyris, der Erfinder der dorischen Tonart.
18) Zum Mosaik 3; NOELDEKE, Untersuchungen 24f, vermutet hinter dem 1)V0 einen
~eichen Syrer, der "den ihm aus der heidnischen Literatur bekannten Weisen
unter die zum Teil ja auch sonst weit hergeholten musischen Archegeten gestellt hat" (25).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Zu Kap. IV.l-4
356
In den vorausgehenden Kapiteln sind die textgeschichtlichen
Fixpunkte der Ach-Tradition für die Zeit, welche unsere Fragestellung betrifft, festgehalten und kurz charakterisiert worden
AramAch ist Ausgangspunkt, syrAch ist Endpunkt, wobei die Vorgeschichte von syrAch in vorchristliche Zeit hinaufreicht und
so eine erste, wenn auch rein hypothetische Verbindung schafft.
In aesAch, den Notizen griechischer Schriftsteller und dernAch
ist die LÜcke, die zwischen aramAch und syrAch klafft, mit von
syrAch unabhängigen Achikar-Traditionen in etwa aufgefüllt. Dabei ist es klar geworden, dass die Weisheitslehren aesAch 109f.
und dernAch Pap
Berlin P 15658
n i c h t
als traditionales
Mittelstück zwischen aramAch 53-59 und syrAch 3.33 betrachtet
werden können. Als Einschub griechischer und ägyptischer Weltweisheit heben sie aber e contrario die Nähe des Weisheitsgutes
der ältesten orVers zur biblisch-frühjüdischen Weisheit hervor.
Der Zufall wollte es zudem, dass aramAch in einer
j ü d i -
Kolonie gefunden wurde, obwohl er heidnisch-assyri-
s c h e n
scher Herkunft ist. Es stellt sich dabei von selbst die Frage,
der wir nun nachzugehen haben : Hat es ähnlich wie im hellenistischen und spätägyptischen Bereich auch eine
j ü d i s c h e
Adaptation des Achikarstoffes gegeben ? In welcher Beziehung
stehen die Weisheitspartien sowohl von aramAch wie auch von syrAch Parr zur spätbibiisch-frühjüdischen Weisheitsliteratur ? Ist
vielleicht in dieser das gesuchte Kontinuum zu finden ?
Das Beziehungsgeflecht, das für diese Frage zu beachten ist,
lässt sich in folgende Hauptstränge auflÖsen, wobei auch jeweilige Interaktionen berücksichtigt werden wollen. Wir gehen dabei so vor, dass wir zuerst die grundlegende Frage nach einer
Verbindung zwischen aramAch und syrAch stellen, dann beim sichersten Punkt innerhalb unseres Traditionsraumes ansetzen und anschliessend im decrescendo die anderen. mÖglichen Beziehungen
untersuchen.
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357
Zu Kap. IV.l-4
aramAch
spätbibl.frühjüd.
/
Weisheit
~
I
~Tobitbuch
~
ntl.
Schriften
rabbinisches
Schrifttum
syrAch
/
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
aesAch
dernAch
5,
ARAM ACH IN SEINEM VERHAELTNIS ZU SYR ACH UND DEN OR VERS
SACHAU führt in seiner Erstpublikation der Papyri nur ein gemeinsames
(Pap 54,12b
=
armAch 166) und vier vergleichbare
(Pap 53,3 Par syrAch 32; Pap 54,4b Par syrAch 36; Pap 55,1.2
Par syrAch 57.58) Weisheitsworte an 1 • Wenn man bedenkt, dass
den ca. 110 Sprucheinheiten von aramAch über 200 verschiedene
solche Sprucheinheiten in den orVers gegenüberstehen, so wirkt
das Urteil von GRIM~.fE überzeugend,· dass "nur verschwindend wenige von ihnen sich mit späteren Sprüchen decken" 2 • PERLESund
WENSINCK versuchen dieses Urteil abzuschwächen, indem sie weitere Parallelen aufweisen 3 ; ihnen folgen einige weitere Orientalisten, die vor allem zur Verbesserung von SACHAU's recht stark
kritisierter Edition von aramAch die orVers heranziehen 4 • Es
ist mir aus sprachlicher Unkenntnis nicht möglich - und es
scheint mir wegen des Umfangs eines solches Unternehmens im
Rahmen dieser Arbeit nicht angeraten -, diesen linguistischen
Argumentationen, in denen sich weitläufige semitische Sprachkenntnisse mit Einfällen und zum Teil recht phantasievollen Kombinationen paaren 5 , in die Details zu folgen. Sowohl aramAch
als auch die orVers haben viel aus diesen vergleichenden Untersuchungen gewonnen, und einige von den besseren Parallelen haben sich als doch recht nahe Verwandte erwiesen, die als exempla-
1) Pap. und Ostr. 161.163ff.l66; weite.re weniger bedeutsame Verweise s. bei
Pap 54,6.16 (S. 164.165) und Pap 56.I,9 (S. 171).
2) Bemerkungen 540.
3) PERLES, Zu Sachau's II, 55; WENSINCK, Zu den Achikarsprüchen 52.
4) Vgl. die Lit.-Angaben zu BANETH, EPSTEIN, SEIDEL, STUMMER, TORCZYNER, LOEW,
und die Rezensionen von SMEND, L!DZBARS~I, NOELDEKE,POGNON und STRACK.
5) Ein herausgegriffenes Beispiel: WENSINCK, Zu den Achikarsprüchen 49f., .stellt
·eine Verbindung her zwischen aramAch 53,1: i))J iötl l'lrl['::!]::! = "röhrender Esel
im Haus" (was schon sehr zweifelhaft ist) und syrAch llb: "Wenn eine laute
Stimme genügen würde, ein Haus zu bauen, so würde der Esel deren zwei pro
Tag errichten". Vgl. BANETH, Bemerkungen 296; NOELDEKE, Untersuchungen 10;
dagegen PERLES, Zu Sachau's I, 500f.; HALEVY, Les nouveaux pap. 47.
(358)
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Kap. IV.5
359
rische Verbindungsstücke zwischen aramAch und den orVers angesehen werden kÖnnen.
Nach STUMMER's Fazit aus den genannten philologischen Diskussionen, GRELOT's zusammenfassender Darstellung der Probleme 6
und auch einigen eigenen Beobachtungen müssen folgende nahe
Parallelen berücksichtigt werden.
aram :
Erspare deinem Sohn die Rute nicht,
sonst kannst du ihn <vom BÖsen> nicht bewahren !
syr
Mein Sohn, verschone deinen Sohn nicht mit Schlägen,
denn die Schläge sind für den Knaben wie der Mist für den
Garten, wie die Schnur am Geldsack, wie die Fessel
für den Esel und wie der Riegel an der Türe.
Vgl. auch Pap 53,4 <Gr:4> mit armAch 14b 7 •
Vgl. Spr 23 ,13f.
aram :
Ein Mensch, der einen flüch<tigen> Sklaven und eine
diebische Magd kauft, <bringt> Schr<ecken in sein Haus;
er entehrt> den Namen seines Vaters und seine Nachkommenschaft wegen seiner Nachlässigkeit.
syr
Mein Sohn, erwirb keinen streitsüchtigen (vgl. Ms C)
Sklaven und keine diebische Magd, denn diese richten
alles zugrunde, was ma~ ihren Händen anvertraut.
Ms C zieht B 34 und 35 in einen Spruch zusammen, dessen
zweiter Teil lautet : ••• nicht aber einen flÜchtigen
Sklaven und eine diebische Sklavin, da sie dir all
deine Habe verderben.
Vgl. Pap 58,6 <Gr:99>.
aram :
Ich habe sogar bittere Mispel gekostet - und <ihr Ge-
6) STUMMER, Der kritische Wert 5-36; GRELOT, Les proverbes 178-194.
7) WENSINCK, Zu den Achikarsprüchen 52, sieht in Pap 53,2-7 <Gr:2-6> "eine Reihe von Sprüchen, welche auch bei Rendel Harris zusammenstehen". Das ist wohl
zuviel gesehen; vgl. jedoch armAch 14 (Cambr.-Ed. S. 27), der in etwa Pap
53,2-4 <Gr:2-4> vereinigt.
8) Vgl. arabAch 40, der in NAU's Liste (Histoire 84) fehlt.
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Kap. IV.5
360
schmack> ist stark die Armut.
aber es gibt nichts Bitteres als
syr
Mein Sohn, ich habe Absinth gegessen und Myrrhe verschlungen, aber ich habe nichts Bittereres gesehen als
Armut .und Bedürftigkeit.
aram :
Dein Herz freue sich nicht an einer grossen Anzahl Söhne,
und <es sei nicht betrübt> wegen ihrer kleinen Zanl
arm
Mein Sohn, freue dich nicht an der Zahl der SÖhne,
und sei nicht verwirrt, wenn du deren ermangelst !
Vgl. Sir 16,2; als weisheitliebes Gegenstück Ps 127,3-5
und 128,3-4.
Vgl. aesAch G (DENIS, Fragmenta 140a,
z.
3-5).
~~-~~~~=h-~~L!~~-~Q~l~~~~Q~--~~~-~~!~=h-~z~~§_l
aram : 1. Ich habe Sand gehoben,
und ich habe Salz getragen,
aber es gibt nichts Schwereres als< •••
2. Ich habe Stroh gehoben,
und ich habe einen Klang getragen,
aber es gibt nichts Leichteres als ein Fremder/Ansiedler
syr
57
58
Mein Sohn, ich habe Eisen getragen und Blei
und ich habe nichts (erg.: Schwereres) gesehen als
Schande und Verleumdung.
Mein Sohn, ich habe Salz getragen und grosse Steine,
und sie haben.mich nicht so gedrückt wie jener, der
lacht und spottet und im Hause seines Schwiegervaters bleibt.
Vgl. Ms C 45.46 und armAch 184b.
Vgl. Spr 27 ,3; Sir 22,14f.; bBB 98.b.
§~-~~~=h-~~~!!L~-~Q~l~~~--~~~-!~~~=h-1~~-1~2!~-~~l-l
Die Zeilen 1-4 bilden eine kleine Gruppe mit dem gemeinsamen
Thema : Macht - Schwachheit. Die Warnung vor dem Streit mit dem
Nobleren und Stärkeren (in z. 2) bildet den Anfang der langen
Sprucheinheit von syrAch 73, welche eine Gerichtsszene malt.
Vgl. Sir 8,lf.
Vgl. aesAch Logion 11 (W-Sondergut; JAEKEL Nr. 14).
aram :
Sei nicht süss,
damit man dich nicht <verschluckt>
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
361
Kap. IV.5
Sei nicht bitter,
<•••
arm
Sei nicht gar so
dass man dich
und nicht gar so
dass man dich
süss,
verschlingt,
bitter,
9
ausspuckt.
Vgl. dernAch Pap Berlin 15658 Kol. II,lO.
aram :
Wenn dein Meister dir aufträgt, Wasser zu bewachen, •••
(tu es sorgfältig, vielleicht will er) •.. Gold in
deiner Hand zurücklassen.
syrC
Mein Sohn, erprobe deinen Sohn mit Brot und Wasser,
danach kannst du ihm deinen Besitz und deine Reichtümer Überlassen.
Vgl. Mt 25,14-30 Par; s.u. S. 390.395.
Zu vergleichen wäre ebenfalls noch aramAch 56.!,16 <Gr:53> vor
allem mit arabAch 43 (Cambr.-Ed. S. 136) 10 , aber auch mit den
entsprechenden aesAch 151
= armAch
189, welche alle davor war-
nen, seine Geheimnisse jemanden anzuvertrauen, selbst wenn es
der Freund (aram. und arab.) oder (s)eine Frau (aes. und arm.)
sei.
Was schon mehrfach an der Rahmengeschichte beobachtet und bell
.
schrieben wurde , lässt sich auch an diesen Beispielen aus den
weisheitliehen Teilen illustrieren : Unbestrittene Aehnlichkeiten stehen neben klaren Abweichungen, Details· im Bildteil stimmen frappant überein, der Vergleichsteil (Beispiel 1 und 5) oder
die Folgerungen (Beisp. 2) sind dann aber völlig verschieden.
Formal parallele Sprüche schliessen sich zusammen (vgl. Beisp. 3
und 5, die in syrAch 56-58 drei aufeinanderfolgende Sprüche
9) Wegen der unglÜcklichen Uebersetzung von SACHAU, Pap. und Ostr. 172f., blieb
diese Parallele den meisten Forschern verborgen; vgl. jedoch EPSTEIN, Weitere
Glossen 231; COWLEY, Aramaie Papyri 244. Bei SCHAHRASTANI ist der gleiche
Spruch als zweiter "Demokrit"-Spruch zitiert {s.o. Kap. 3, Anm. 31).
10) Vgl. PERLES, Zu Sachau's II, 56.
11) MEYER, Der Papyrusfund 108-110; NAU, Ahiqar et les pap. 75ff.; STUMMER, Der
kritische Wert 36-49, bes.: "Trotz aller Ueberarbeitung ist auch bei der
Achikarsage der ursprüngliche Stil nicht gänzlich zerstört worden, sondern
hat sich in deutlichen Spuren erhalten" {Unterstr. von mir).
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
362
Kap. IV.5
sind), Verdeutlichungen werden angebracht (Beisp. 3)
1
Ver-
stärkungen der Aussage durch Vergröberung des Bildes angestrebt
(Beisp. 5). Hinter solchen Erscheinungen steht eine lebendige
Tradition
m ü n d 1 i
c h e r
Art, die wohl den Plan der
Geschichte im grossen Ganzen zu bewahren versteht, aber in
tausend Details variiert und vor allem in den weisheitliehen
Partien sich recht kreativ auswirkt 12 . Dies haben schon aesAch
und dernAch deutlich aufgezeigt. Im Unterschied dazu ersetzt
nun aber syrAch den weisheitliehen Teil nicht einfach durch einen anderen aus einer fremden Denkweise, sondern bewahrt den
Kontakt mit aramAch, baut aus
(vgl. den Themenkatalog in Tab. 6)
1
verbessert und stellt so eine Sammlung im gleichen Sinn und
Geist her.
Damit hängt zusammen, dass auch das Verhältnis zwischen den weisheitliehen Teilen von aramAch und den orVers mit der Bezeichnung
"Version" klar genug bestimmt ist, und man nicht wie bei aesAch
und dernAch von einer nationalen "Adaptation" sprechen muss. In
den orVers beh(l,_l ten selbst die mobilsten Traditionselemente, die
Weisheitsworte, noch den Stempel ihrer Herkupft. Dass es dabei
aber um eine mündliche Tradierung geht, vermag der gegenteilige
Vergleich der orVers untereinander oder auch der Vergleich der
verschiedenen Rezensionen des verwandten Tobiasbuches (s.u. Kap.
6) deutlich zu machen. "On trouvera (scl. in Tob) non seulement
un plan commun, mais de nombreux details communs, des phrases
identiques, de nombreuses maximes communes qui permettent de
dresser un tableau tres charge de sentences identiques" 13 • Diese
nur durch eine schriftliche Vorlage zu erklärenden ZÜge fehlen
zwischen aramAch und den orVers.
Lässt sich nun dieses Verhältnis innerhalb des oben gezeichneten
Beziehungsgeflechtes konkretisieren ? Dass von den angeführten
12} Auf diesem Gebiet vermag, wie schon aesAch im ersten Spruch der Rez. W (=
MENANDER, Monostichen 57f.; JAEKEL 36} bezeugt:
nav~E~ E~€v E1~ ~o. vou8E~E1v cro~oC,
a0TO~ 0 1 d~apTaVOVTEG oß YLYV~OKO~EV,
"fast jeder mehr zu sagen als zu tun"
(BENFEY, Die kluge Dirne 191, Anm.l}
13} NAU, Ahiqar et les pap. 76.
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Kap. IV.S
363
sieben Beispielen mehr als die Hälfte auch einen Bezug zur biblisch-frühjüdischen Weisheitsliteratur aufweisen, kann als erster
Hinweis gelten, dass dort der Raum zu suchen ist, in welchem
vor allem die Verbindungslinien zwischen aramAch und syrAch
Parr laufen.
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6,
ACHIKAR IM TOBlASBUCH
Seitdem HOFFMANN (1880) auf den Zusammenhang zwischen den orVers
und Tob hingewiesen hat 1 , findet sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Tobit und Achikar fast bei jedem Autor wieder.
Durch die Entdeckung der aramäischen Papyri sind einerseits jene Autoren ihrer Grundlage beraubt, welche Tob zum Ausgangspunkt
der ganzen Achikar-Traditionsbildung machten, andererseits ist
jene grössere Zahl von Forschern bestätigt worden, welche seit
BICKELL (1890) 2 eine irgendwie geartete Achikar-Vorlage für Tob
postulierten 3
Auch die beiden Hauptbearbeiter der orVers,
HARRIS und NAU haben - schon bevor sie um die Texte von Elephantine wussten
diese Mittelstellung der Tobias-Partien in eige-
nen Kapiteln behandelt und ihre Ansichten bestimmen seither,
unterstützt durch die Entdeckung von aramAch, die Auslegungsgeschichte von Tob und Ach 4 •
Die Textüberlieferung des Tobiasbuches bietet bekanntlich schwierige Probleme, die sich auch auf die Achikarstellen auswirken.
Der griechische Text ist in zwei Rezensionen, einer längeren
1) Auszüge aus syrischen Akten persischer Märtyrer 182. HOFFMANN hatte nur
das Fragment aus dem British Museum Add. 7200 vor sich. Neben einer SarganLegende (183f.) führt er die Achikargeschichte als Sanherib-Legende an, welche beide von syrischen Missionaren, "die von Edessa und Nisibis aus das eigentliche Assyrien dem Christenthume gewannen und dort ihre Klöster gründeten" (182), aus biblischen Personennamen "in die 'Klosterlegenden und die Geographie von Syrien" (182) eingemischt wurden. Nach HOFFMANN ist syrAch also
"veranlasst durch das Buch Tobit". - Vgl. ebenso KUHN, Zum weisen Akyrios
127-130; DE MOOR, Tobie et Akhiakar 488.
2) A Source of the Book
b.c: "The History of
the hypothesis, that
sions to Achiacharos
of Tobit: The Athenaeum 3291 (22. Nov. 1980) 700, Kol.
Achiqar must have been known to the author of Tobit. For
an idle hand had manufactured it out of the four alluin Tobit could not be entertained for a moment."
3) Aufzählung weiterer Autoren bei SIMPSON, The Book of Tobit 190, Anm. 1.
4) Nur SCHMITT ist in seinem pastoralen Blatt im Jahre 1913, also 2 Jahre nach
der Erstveröffentlichung von aramAch, noch fähiq zu behaupten, dass man in
der Achikargeschichte "einen wohl aus den Jahren 100 v. - 100 oder 200 n.
Chr. aus jüdischen Kreisen stammenden schriftlichen Versuch, unter den Heiden
Propaganda zu machen" (Der weise Achikar 90), habe.
,
(364)
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Kap. IV.6
=
(Sinaiticus
Alexandrinus
S) und einer gestrafften (Vaticanus gr. 120
= A)
=
B;
vorhanden. Da die in 4Q gefundenen Tobiasfrag-
rnente5 und die Itala (= it) die Rezension S belegen, aber auch
aus sich noch zeigenden Gründen (s.u. Anrn. 18.21.23) wird hier
S als Grundlage gebraucht.
Der Vulgata-Text (= vg), den HIERONYMUS in
e
i
n e rn
Tag
über einen aus dem "Chaldäischen" ins Hebräische Übersetzenden
Mittelsmarin direkt auf lateinisch diktiert habe 6 , hat nur eine
einzige, kurze Erwähnung von "Achior und Nabath"
(11,20). Ob
deshalb anzunehmen ist, dass in der "chaldäischen" Vorlage, die
ja nicht erhalten ist, die anderen drei Achikar-Stellen, welche
S, BA und it gerneinsam haben, fehlten, sei dahingestellt; immerhin kann man sagen, dass in allen Rezensionen die Achikar-Gestalt auftaucht. Dies bestätigen auch die beiden Fragmente 4QTobararna zu Tob 1,2lf. und 4QTobararnd zu Tob 14,10, welche beide iv~n~ in pleno zitieren 7 .
Es handelt sich um folgende fünf Stellen 8
Tob l,2lf.
(S BA i t )
(vgl. 4QTobararna)
Achicharas CAXLxapo{;; BA : :AxLaxapo{;), der Sohn des Hanael, des
Bruders des alten Tobi t wird hÖchster Beamter arn Hofe des Sacherdonos (Asarhaddon), tritt für den vor Sanherib geflohenen Tobit
(vgl. 1,18) ein und ermöglicht ihm die RÜckkehr nach Ninive.
Tob 2,10b (S BA it)
Achiacharos sorgt zwei Jahre (BA orn ~"~ 6~o)
npÖ coG aihoü ßaoCoaL e:'L{; cnv "EA.uuaCoa .
für Tobit
5) Vgl. MILIK, La patrie de Tobie 522.
6) Prologus; in: VULGATA, Stuttgart 1975. Vgl. u. Anrn. 52.
7) Herr MILIK hatte die Güte, mir brieflich (25. Juli 76) diese Angaben aus seinen noch unveröffentlichten Qumranfragmenten zu machen. Er schreibt dazu: "Ce
n'est certainement pas une 'interpolation' dans le livre de Tobie, ecrit originellement en arameen, et probablement deja a l'epoque perse."; und (2. Jan.
1977): "Les manuscrits de 4QTobarama et d datent du ler s. av. notre ere".
8) Synopsen der Texte in der Cambr.-Ed. XXIX (BundS), und NAU, Histoire 50-54
(franz.: S und B; lat.: it).
9) S; BA formuliert besser ~wc oß ~TJ:Op~6anv, wobei jedoch das Verb sinnentstellend falsch in der 1. Pers. Sing. steht.
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366
Kap. IV.6
Tob 11,18f. (S BA i t vg)
Freudenfest aller Juden Ninive's wegen der Rückkehr des Tabias und der Heilung Tobit's nehmen auch~AxLxap xa\ Naöaß· ot
~~ctöeÄ~OL a5,o010 teil.
Am
Tob 14,10.lla (S BA it)
(vgl. 4QTobaramd)
In seiner Abschiedsrede 14,3-11 stellt der sterbende Tobit der
abschliessenden Mahnung (14,lla) ein gut gestaltetes Exempel
voran, welches die Achikargeschichte so zusammenfasst und strukturiert, dass sie auf ihren paränetischen Grundzug hin transparent wird (s.u.).
Tob 14,15 (S prima manus; it)
~xLaxapo~
Ö ßacrLÄeO~ •n~ MnöCa~ (!!) führt die Gefangenen aus
dem zur Freude des Tobias zerstörten Ninive. - Der Korrektor ersetzt "Achiacharos" durch "Nabuchodonosor und Assueros", wobei
er an BA angleicht, was jedoch historisch ebenso falsche ist,
da es sich um den Mederkönig Kyaxares handeltll. Tob 14,15 ist
als Belegstelle für unseren Achikar auszuscheiden, da seine Nennung auf einem Irrtum von S* beruht.
Dass nun die ersten vier Stellen "allem Anschein nach von späterer Hand interpoliert sind" und "nirgendwo ••• das Auftreten
des Achiacharos für den Gang der Ereignisse von pragmatischer Bedeutung" sei 12 , ist nur schlecht zu begründen und hält einer
Betrachtung nicht stand, welche das Gesamt berücksichtigt :
Die Achikar-Verweise sind sowohl in der Rahmenhandlung (Kap.
l-4.14f.) als auch im Reisebericht (5-12) vorhanden und las-
10) In S ist diese Lesart durchaus möglich, obwohl wahrscheinlich mit der S nahestehenden it in "avunculus illius" zu korrigieren ist. Ebenso BA: 5 ~E&.öe:A.
cpoc afn:oO. Vg nennt jedoch Achior und Nabat · "consobrini Tobiae". Siehe den
Stammbaum u. s. 371.
11) Vgl. HALEVY, Les nouveaux pap. (1912) 158ff., wo "Nabuchodonosor und Assueros"
über HERODOT;s Nennung vori'Aaß6vn<oc als Verbündeten des KuaE;&pe:c (Hist 1,74;
FEIX 70f.), der' persischen Form dieser beiden· Nanien und wiederum deren (z. T.
korrupten) semitischen Umschreibung und'Ergänzung zu "Naburied und Uhsar" zurückkonstruiert werden. Und: "le mystere s'evanouit comme par enchantement" :
HALEVY erwähnt allerdings nicht, dass in s•·und it Achikar genannt wird.
12) MUELLER, Beiträge 13; vgl. die differenzierte Sicht von PLATH, Zum Buch Tobit
393-395; auch die Kommentare von SCHUMPP, LXIX-LXXIV, und MILLER, 10-13. TERMES, Art.: Ahiqar, Enciclopedia de la Biblia 1 (1963} 367f., hebt den lockeren
Konnex zwischen Tob und den Achikarnotizen hervor, um die Historizität von
Tob zu schützen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. IV.6
sen sich mindestens aus der Rahmenhandlung literarkritisch
nicht entfernen.
T e x t kritisch besteht sowieso kein An-
lass dazu. Die "ziemlich nachklappende Notiz" 13 11,19, welche
am leichtesten zu eliminieren wäre, wird nun aber gerade als
einzige Stelle durch die vg und deren "chaldäische" Vorlage,
also einer selbständigen Traditionslinie, als zur Tobias-Geschichte gehörend bezeugt.
"Die weitgehende
s t i l i s t i s c h e
Verwandtschaft
(Tob 1,3-3,6 ist ebenfalls ein Ich-Bericht) und der Umstand,
dass sich im Buch Tobias (4,5-19) wie im Achikar-Roman paränetische Weisheitssprüche finden" 14 , bezeugen die formbestimmende
Funktion des Achikar auf den gesamten Tob.
Zwischen Tob 14 ,lOf. und Tob l,2lf.; 2,10 besteht eine so enge
gedankliche Verbindung, dass die drei Stellen miteinander fallS
len und stehen . l4,lO.lla ist aber, wie gleich zu zeigen sein
wird, nicht aus der Abschiedsrede Tobits zu streichen.
Zudem ist Tob 4,lo 16 , also ein Weisheitsspruch aus der Paränese
an den scheidenden Tobias, von 14,10 abhängig, wo ja die Achikargeschichte anhand des Gegensatzpaares <P&3~ - ou6·w~ in Paränese umgesetzt wird 17 •
Die vier Achikarstellen in Tob l,2lf; 2,10; ll,l7f. und 14,10.
lla.können also mit Recht als integraler Bestandteil von Tob
angesehen werden. Die wichtigste Stelle ist zweifelsohne 14,10.
lla in der Abschiedsrede Tobits. Diese Abschiedsrede ist in
13) RUPPERT, Das Buch Tobias lo9.
14) Ebd. lo9; vgl. ausführlicher NAU, Histoire 56-58, auch MUELLER, Die weisheitliehe Lehrerzählung 77-98. LORETZ, Roman und Kurzgeschichte 305, sieht "sowohl eine inhaltliche als auch literarische Verwandtschaft". Tobit kann man
aber nicht einen "judaisierten Achikar". nennen, ohne die tatsächlichen Verhältnisse (s. u. S. 372ff.) zu verkehren.
15) Vgl. MUELLER, Beiträge 13, der diese Einsicht zum Falle. der drei Stellen benützt.
16) Nach BA, da Tob 4,7-19 inS fehlt, jedoch nicht in it und einem Fragment aus
4Q, vgl. MILIK, La patrie de Tobie 522, Anm. 3.
17) Vgl. Cambr.-Ed. L; dagegen MUELLER, Beiträge 14, jedoch mit schlechten Gründen;
vgl. auch Tob 14,10aß nach BA.
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368
Kap. IV. 6
s 18
auffällig nachhinkend an 14,lf.
(Tod, Begräbnis und WÜrdi-
gung Tobit's) angehängt und bildet eine selbständige literarische Einheit mit einem deutlichen, die Testamentform variierenden Aufbau 19 .
Wie der folgende strukturierte Text zeigt, ist die Verwandlung
der Achikarg e s c h i c h t e
parän~tisches
Paradigma
für Barmherzigkeit und Ungerechtheit recht gut gelungen 20
14,10a
b
c
Jr6{, na.L6(ov,
8oa. N~6a.ß EnoCnoEv ~XLxctpw •w txöp{~a.v•L a.ö.6v·
*oOxL ~wv xa.•nvexön EL~ •hv Ynv;2 1
xa.l &nt6wxEv 6 öEÖ~ •nv &.L~Ca.v xa.•a np6ownov a.Ü•oD,
xa.l EEnA&Ev EL~ •o ~w~ ~xCxa.po~,
xa.l Nct6a.ß E~O~AÖEV EI~ •o oxo•o~ •oO a.~wvo~,
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EE"RAöEv h •fk na.y (6o~
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I
nv EnnEEv a.u•~ Na.6a.ß,
xa.l Nct6a.ß ~TIEOEV EL~ •nv na.y(6a. •ou öa.vd•ou,
xa.L anwAEoEv a.O•Öv.
Ka.l vuv, na.L6La., t6E•E,
,( noLE~ EAEn~ooovn,
xa.l ,( TIOLE~ &6Lx(a.,
C/
:a
/
o•L a.nox•EVVEL.
C\~1
lla
in ein
~1'\
18) S ist besonders in diesem Kapitel BA vorzuziehen. BA harmonisieren z. B. den
Hiatus zwischen 14,1-2 und 14,3; ebenfalls verarbeiten sie 14,9 mit 14,8 und
machen den Text dadurch flüssiger.
19) 14,3a
3b-7
8-lla
Situationsbeschreibung
Vaticinia
Praecepta
llb
Todes- und Begräbnisnotiz.
Vgl. VON NORDHE1M, Die Lehre der Alten 334-337.
20) Vgl. die ähnliche paränetische Miniatur in PseuMen 15; s.o. Kap. 111.6,
Anm. 26.
21) BA ersetzt den semitisierenden Ausdruck durch das Bildpaar "Licht - Finsternis", womit 14,10b vorausgenommen wird und 14,10a als erster paränetischer
Bildteil seine Eigenbedeutung verliert. Vgl. Tob 4,10.
22) Bis hierher übersetzt it wörtlich. Der Rest fehlt.
23) Obwohl )J.e: unverständlich ist und deshalb wohl mit RAHLFS 11, 1038, gestrichen
werden muss (doch s. u. Anm. 27), muss der Text von S behalten werden. BA konstruiert ja in 14,10c ein zweites Paradigma von Manasse und Aman, aus dem
niemand klug wird- ausser wieder HALEVY, Les nouveaux pap. (1912) 158, der
darin eine sonst unbekannte Manasse/Amon-Legende (ähnlich der in 2Chr 33,ll2o) und somit "un nouveau chainon pour l'evolution de la litterature romantique antimacchabeenne" wittert.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
369
Kap. IV.6
In diesem Text lassen sich folgende Reminiszenzen an eine als
bekannt vorausgesetzte (vgl. die Frage in lOa) Achikar-Geschichte ersehen
l) Achikar hat Nadan grassgezogen (~x3pt~aG) .
2) Nadan hat Achikar Schlimmes zugefügt (~oa ... ~noCnoev),
ihn in eine verfängliche Situation (nay(G)
gebracht und zu
töten versucht (E~n•noev &nox•e~vaL).
3) Achikar wurde zu seinen Lebzeiten (~wv) fast bis in den Tod
erniedrigt (l4,10a). ~ Der Ausdruck xa•~YELV E~G •nv Ynv
(= ~iK[7]
l~1ilh)
Klgl 2,10)
bedeutet ja in der LXX (vgl. Obd 1,3.4;
"Erniedrigung", "Demütigung", doch wird dem Verb
xa•~YELV gern mit einem Ausdruck wie ~önG
L
(lSam 2,6; Tob
13,2 BA, S hat : fwG ~6ou XUTWT~TW TnG YnG) oder
•
3av~•ou
Ta~LELU TOÜ
(Spr 7,27) und Aehnlichem der verstärkte Sinn "in
24
den Tod führen" gegeben
4) Es wird Nadan anscheinend durch einen Eingriff Gottes ver25
galten
5) Achikar ist bei der Bestrafung persönlich gegenwärtig (xa•a
npÖownov).
6) Die Vergeltung bewirkt eine völlige Verkehrung der Zustände
Achikar kommt wieder in den Bereich des Heiles, Nadan verfällt dem tödlichen Unheil. Dies wird in einem doppelten
Bildwort veranschaulicht 26 : In l4,l0b dient das Gegensatzpaar ~WG - ox6ToG,
in l4,10c das Bild von der nay{G (vgl.
Ps 140,6; 141,9; Spr 22,14.26.27; syrAch 34,2 Par) zur Illustration.
7) Der Grund für diese Umkehrung ist die Wohltätigkeit (tAen~o
oÜvn) Achikars, die sich ja sowohl in der Sorge um Nadan
24) Dieser bildliehe Ausdruck wird seine traditionsgeschichtlichen Folgen haben,
s. u. s. 377.
25) In BA vergilt jedoch Achikar selbst.
26) Vgl. Anm. 23.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
370
Kap. IV,6
(14,10a), wie auch gegenüber Tobit (vgl. 1,22; 2,10b)
27
do-
kumentiert hat.
Diese Erzählelemente sind aber in eine bewusst gestaltete Komposition jener Art eingebaut, wie wir sie in den Test XIIPatr
sehr oft angetroffen haben, ja wie sie für Testamente und Abschiedsreden Überhaupt typisch ist. Dabei sind diese Elemente
als rein illustrierende Faktoren nur·beiläufig genannt, um die
paränetische Wirkung zu verstärken. In 14,lla bleibt dann nur
mehr diese'paränetische Quintessenz bestehen, der eigentliche
weisheitliehe Imperativ, für den die Achikar-Geschichte den indikativischen Boden abgab. Die Paränese 14;10.lla ist deshalb
schon vom formalen Standpunkt her mit aller Entschiedenheit als
sekundäre Verarbeitung einer in jüdischen Kreisen bekannten
Achikar-Geschichte zu werten.
Es lassen sich aber noch.weitere inhaltliche Elemente anführen,
die der dem Tob-Autor vorliegenden Achikar-Geschichte angehörten. Neben den schon genannten 7 Punkten aus Tob 14,10.lla,
welche nur die Auseinandersetzung zwischen Achikar und Nadan
betreffen, bieten die anderen drei Stellen einige weitere, z.T.
neue Elemente :
8) Achikar bekleidete unter Sanherib die Aemter des Obermundschenks, des Siegelverwahrers, des Chefs der Verwaltung und
des Finanzministers (1,22) 28 .
9) Achikar übersteht die Thronwirren nach Sanherib's Tod und
wird von Asarhaddon in den Hauptfunktionen bestätigt (~x
/
29
ÖEUTEpa~, vgl. 1,21.22)
•
lO)Achikar ist Jude aus dem Stamme Naftali (1,1) und gehört zur
27) Vielleicht ist tatsächlich mit NAU, Histoire 53, und VETTER, Das Buch Tob.
(1904) 323, das unmögliche ~E in ~oL zu ändern.
28) Die Kumulation verschiedener, personell getrennter Funktionen auf den Helden
ist schon in aramAch vorhanden; vgl. Pap 49,2f.7.12; 50,18. Zu den Titeln
Achikars s. bes. GREENFIELD, Studies I, 292-295.297ff. (292, Anm. 23, ist eine
ausführliche Studie dazu versprochen).
·
29) Vgl. VETTER, Das Buch Tobias (1904) 327, Anm. 1.
L
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.6
371
näheren Verwandtschaft des Tobit, welche sich folgendermassen darstellt 30 :
Raguel
I
nur S
Rafael
I
Gabael
I
Aduel
I
Hananel und Debora
I
Tobiel
Hanael
(S vg
Tobit und Hanna
Nadan) Achikar
(BA :
?
I
Nadan)
Tobias und Sara
11) Achikar gehört deshalb - obwohl dies nicht ausdrücklich gesagt wird - zu den nach Assyrien deportierten Naftaliten
(vgl. 1,1.3), welche nur im weiteren Sinn das Gesetz wahrten (1,10), sich in das wirtschaftliche Leben des Landes
einfügten, aber den Kontakt zu ihren Volksgenossen behielten31. Achikar tritt so im Notfalle für seinen Verwandten
ein.
12) Er erwirkt die RÜckkehr des Tobit nach_Ninive (1,22) und
hilft diesem auch zwei Jahre lang während dessen Blindheit.
30) Vgl. Cambr.-Ed. XXXI (Stemma); HOFFMANN, Auszüge aus syr. Akten 182f.
31) HALEVY, Tobie et Akhiakar 44f, meint, diese Situation in syrAch 1,3-5 (B) wiederzufinden, wo Achikar zuerst zu den Göttern betet, die ihm "nichts antworten" (1,3), darauf "sein~ Rede änderte, Gott anredete, an ihn glaubte und ihn
in der Glut seines Herzens bat" (1,4), und dann die Stimme hörte, die ihm den
(fatalen !) Schwestersohn zur Adoption vorschlägt. Dieses Detail fehlt aber
in den beiden Texten Cambr Add 2020 und BM Add 7200 und muss als kÜnstliche,
vielleicht jüdische oder christliche Erweiterung des B-Textes gewertet werden.
Es stösst sich am Fortgang der Erzählung, welche es zu einer Bekehrungsgeschichte umfunktionieren möchte. Es ist deshalb tendenziöse Konjektur und hat
zudem keinen RÜckhalt in den anderen orVers, auch nicht in syrAch selbst,
wenn HALEVY annimmt, dass Achikar "necessairement un monotheiste de naissance"
war (45), dann aber in der Fremde Polytheist wurde, und schliesslich "finit
par s'adresser a son Dieu national (?), celui-ci lui refusa egalement sa demande en punition de son apostasie (?) pour l'epurer de ses fautes (?) et lui
proeurer une renommee universelle qui, dans sa situation, pouvait remplacer
les enfants (?)" (Fragezeichen von mir).- Vgl. eine islamische Umarbeitung
solcher Art bei DANON, Fragments turcs 116.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
372
Kap. IV.6
13) Achikar reist in die Elymais, einen nur·ungenau zu bestimmenden Teil der persischen Satrapie Susiana am persischen Golf 32
Den Zweck dieses
Aufenthal~es
scheint der Autor als bekannt
vorauszusetzen; jedenfalls verunmöglichte diese Reise weitere Hilfeleistungen Achikars an Tobit. ·
14) Zu den Feierlichkeiten der.Juden Ninive's ist Achikar dann
wieder in Ninive zurück.
Aus der Uebersicht Über diese immerhin 14 Informationen über
Achikar wird völlig klar, dass es im 3. Jhd.v. eine jüdische
A d a p t a t
i
o n
der Achikargeschichte gab, welche als all-
gemein bekannt - und zwar in ihren
j
ü d i
s c h e n
Eigen-
heiten als allgemein bekannt (bes. Punkt 2-7.13) - vorausgesetzt
wird. Dass die Judaisierung
n a c h t r ä g·l i c h
geschah,
ergibt sich mit voller Evidenz (a) aus der genealogischen Einverleihung Achikars in die Verwandtschaft Tobit's, einem altbekannten Mittel der Vereinnahmung grosser Alter, und (b) aus der Uebertragung der klassischen Tugend der ~AEn~ooovn des beispielhaften Frühjuden Tobit auf Achikar. Die Uebertragung musste sich
jedoch auf diese ~AEn~ooÜvn
beschränken, da Achikar ja zu den
weniger orthodoxen Juden gehörte (vgl. 1,10), die in der kompromit
tierenden Beamtenlaufbahn standen.
Genau diesen beiden Aussagen dienen nun die ersten drei Stellen
1,2lf.; 2,10b und 11,19, welche zu diesem Zweck aus der landläufigen jÜdischen Achikargeschichte ausgewählt und in das Tobiasbuch einkomponiert wurden. Tob 14,10.lla ist dann die abschliessende Dramatisierung der Achikar-Nadan-Geschichte zu
einer eindrücklichen tAEn~oaÜvn-Paränese. Bezeichnenderweise
spielt es keine Rolle mehr, dass der Achikar der aramäischen
Papyri nur deshalb der Hinrichtung entkam, weil er selbst an
Nabusumiskun, dem Henker, einmal hatte Gnade walten lassen (Pap
51,46-52). Dies wäre ein Anknüpfungspunkt für den EAEn~ooÜvn-
Anrn.+,
32) DILLON, Ahikar the Wise.367,
vermutet
hinter
~Au~atöa eine falsche Uebersetzung eines hebräischen Wortes mit der Wurzel O~V = verbergen,
womit, ein Hinweis auf das Versteck Achikars gegeben wäre.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.6
373
Gedanken gewesen, der aber ungenutzt blieb, weil es ja das wohltätige Verhalten zu Tobit war, welches mit sich brachte, dass
"der Gott"
3e:cSG, 14,10a) die radikale Wende brachte 33 • Die
(o
Spiritualisierung des realpolitisch argumentierenden, planenden
und handelnden Achikar der Papyri ist mit Händen zu greifen.
Sie bildet ein weiteres Argument für die These, dass in Tob die
Achikargestalt judaisiert wurde.
Diese jüdische Adaptation geht zwar in vielen Punkten parallel
zu ararnAch, wie dies aus bezeichnenden Details hervorgeht
34
Neben den eben angeführten (Genealogie; frühjüdische Frömmigkeit)
und den anderen beiläufig genannten Eigenheiten ist jedoch das
völlige Fehlen des weisheitliehen Aspektes im Charakter und in
der Tätigkeit des jÜdischen Achikar auffällig, ein Aspekt, der
sowohl in ararnAch 35 wie auch den orVers 36 stark betont wird.
"Der Achikar des Buches Tobias ist kein Weltweiser und kein
Sittenlehrer, ... er wird auch nicht als ein Mann gezeichnet,
dessen Weisheit KÖnige und VÖlker in Erstaunen gesetzt hätte,
sondern lediglich als der treue Freund, GÖnner und Wohltäter des
ihm verwandten Tobias und seiner Farnilie" 37 • Diese Auffälligkeit
darf aber nicht zur Zweiteilung der Traditionsstränge führen
(wie bei VETTER) 38 , sondern muss zuerst gernäss dem leitenden
Auswahlprinzip des Tob-Autors zu verstehen gesucht werden. Dieser hat ja nur jene zwei, drei Stellen ausgewählt, die er für
seine vor allem paränetischen Zwecke brauchte. Der Aspekt des
"Weisen", der seinem "Sohn" die Summe seiner Weisheit mitteilt,
ist hingegen völlig auf die Gestalt des alten Tobit mit seiner
33) Vgl. syrAch 33,97.138; aber auch aramAch 56.I,l Parr 56.I,3; 58,l<Gr:39.41.
93>.
34) Bes. das ~x&p{~a~
(Punkt 8)
35) Pap
49,1:
,,nc,
(Punkt 1), das xa<ct np6crronov (Punkt 5), das ~x ÖEu<fpa~
c•~n
,~o;
49,12; 50,27f.; 51,35.42.
36) SyrAch 1,1; 2,2.3.4.8 u. ö.
37) VETTER, Das Buch Tob.
(1905) 544.
38) Ebd. Er sieht im Achikar des Tob die Tradition der östlichen jÜdischen Diaspora, während der Achikar der orVers (welche nach VETTER auf ein jüdischhebräisches Buch zurückgehen) ein Kind der heidnischen Sage von Achikar dem
Weltweisen sei.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
374
Kap. IV.6
ebenfalls doppelten Belehrung Übertragen worden. Die formgebende
Achikar-Geschichte erfuhr hier eine inhaltliche Selektion : Man
konnte nicht gut neben dem weisen Tobit, der in Tob schliesslich
der Hauptheld ist, einen Achikar in seiner unverminderten weisheitliehen Grösse darstellen, ohne der eigenen Weisheitsrede ein
Gewichtiges an Anspruch abzuschreiben.
Parallel zur Ueberschrift
iv~n~
~7[0
M7~
in aramAch steht über
der Geschichte und den Worten Tobit's der Titel B{ßAo~ AbYWV
Twß{• und stellt damit das Buch Tob in die Reihe jener Sammlungen, die zur Gattung der A6yoL crocpwv gehören (s.o. Kap·. III.L2).
Dass jedoch die beiden Sammlungen von Weisheitsworten (aramAch
53-59; Tob 4.14) kaum inhaltliche Berührungspunkte haben 39 , erstaunt keineswegs mehr. Wie bei aesAch und dernAch bildet auch
bei Tob der weisheitliehe Teil eine selbständige Sammlung, diesmal natürlich frühjüdischer Weisheit. Dass in Tob beide Sammlungen Testamentform bekommen, ist als typisch frÜhjÜdische Manier
zu werten, welche der blossen Zusammenstellung von Sprüchen gerne einen dramatischen Rahmen und damit eine grössere Verbindlichkeit zu geben versucht (vgl. Kap. V.l).
So kann zusammenfassend gesagt werden, dass Tob als Lehrerzählung
in seiner Gesamtstruktur, an den behandelten vier Stellen aber
auch durch inhaltliche Momente von der Achikar-Geschichte beeinflusst wurde. Da jedoch auch Elemente vorkommen, die nicht auf
aramAch zurückzuführen sind, muss man eine frühjüdische AchikarAdaptation annehmen. Tob setzt eine solche beim Leser als bekannt
voraus. In 14,10.lla ist dann in einem noch weiter gehenden
Schritt dieser 'jüdische Achikar' in eine Paränese umgemünzt, wie
wir sie in den Test XIIPatr noch vielfach antreffen werden (vgl.
Kap. V. 2-4).
Damit ist die Mittelstellung des Tobiasbuches innerhalb des jüdischen Raumes nach rückwärts beschrieben, und es stellt sich
die komplementäre Frage nach dem Verhältnis von Tob zu den or-
39) Vgl. jedoch den fragmentarischen Spruch aramAch 56.II,8 <Gr:60> mit Tob 4,19b:
Gott erhöht und erniedrigt.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
375
Kap. IV.6, Punkt 1
Vers. Ist es möglich, in diesen einen Einfluss festzustellen,
der spezifisch aus Tob und dessen jüdischer Achikar-Adaptation
kommt ?
Einige Indizien scheinen darauf hinzuweisen, dass der jüdische
Achikarstrang nicht ohne Einwirkung auf die orVers war, obwohl
keine geraden Verbindungslinien gezogen werden können 40 •
1) Zwischen Tob 4,17 und syrAch 13 besteht eine unzweifelhafte
Verbindung
syr (B)
Mein Sohn, giess deinen Wein über die
Gräber der Gerechten aus.
(C)
Mein Sohn, giess deinen Wein eher auf die
Gräber der Gerechten aus als ihn mit bösen Menschen zu trinken.
Tob 4,17 (BA; S om):
Wxxeov LOÖG ~pLouc oou EnL L~v Ld~ov LWv
öLxaCwv xa\ ~n ö~~ •o~~ &~ap•wAo~~.
it
Funde vinum tuum et panem tuum super sepulcra justorum, et noli illud dare peccatoribus.
(Ms ö
Fili, panem tuum et vinum tuum
tri b u e
cum iustis ••• )
vg
d i s -
Panern tuum et vinum tuum super sepulturam
justi constitue, et noli ex eo manducare
et bibere cum peccatoribus.
Da es unwahrscheinlich ist, dass in Tob empfohlen wird, was das
Gesetz verbot, kann Tob 4,17
n i c h t
wörtlich verstanden
werden. Denn Brote (und Wein) 41 auf Gräber zu legen 42 , widerspricht Dtn 26,14 und ist ebenso gegen die weisheitliehe Regel
von Sir 30,18b :
a
&yaaa €xxExu~eva tnL o•Ö~a•L xEXAEL~tv~,
b
8t~a•a ßpw~~•wv napaxEL~tva gnl .~~·
40} Wie am klassischsten bei HOFFMANN, ·s. o.
Anm~
l.
41} Nach allen it-Texten.
42} fKXE~V = 1~~. das nach Sir 30,18a LXX+Hebr (s. gleich u.} auch "reichlich verteilen, ausschenken" heissen kann. Die Cambr.-Ed. XLIXf. hat dies nicht gesehen.
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
376
Kap. IV. 6, Punkt 1
Nach dem hebräischen Text von Sir 30,18a n~ ~V n~~~W n~~~
01no 43 lautet eine hebräische Rückübersetzung von Tob 4,17
o~v~i~n
n~~v~
1on~
1~w
wobei nach dem Vorschlag von HALEVY
sondern nach
n~[~]~v
nicht nach ~~v,
44
zu vokalisieren ist • Eine deutsche
n~~v~
Uebersetzung muss also heissen :
Schenk reichlich von deinem Brot {und deinem Wein) beim
Begräbnis der Gerechten, doch gib nichts für die SÜnder!
Dies entspricht sowohl dem Gesamttenor von Tob wie auch der
frühjüdischen Sitte, den Trauernden "Brot, Fleisch, Wein, ein
Linsengericht und Eier" 45 zu schenken.
In welche Richtung nun Abhängigkeit festzustellen ist, bleibt
schwer zu entscheiden. Da auf den vorhandenen Fragmenten des
aramAch der Weisheitsspruch nicht vorkommt, muss man entweder
eine gemeinsame anonyme Achikar-Tradition annehmen, aus welcher
beide, Tob und orVers geschöpft haben# oder dann ist - in Anbetracht des zeitlichen Abstandes zwischen Tob und orVers - eine
Abhängigkeit der orVers von Tob zu behaupten. Die doppelte Deutemöglichkeit von
1~W
und
n~i~v~,
die ja schon den alten Ueber-
setzern zu schaffen machte {s.o. Anm. 44), wurde in orVers missverstanden und im Sinne des heidnischen Totenopfers oder der
heidnischen Totenspeisung interpretiert. Diese Entwicklungslinie
ist sicher verständlicher als die Annahme,,der fromme Autor von
Tob habe einen heidnischen Achikar-Spruch übernommen und in eine
sprachliche Form gesetzt, welche zu "heidnischen" Interpretationen Anlass gab.
43) VATTIONI, Ecclesiastico 161.
44) Tobie et Akhiakar 4!1.60; er braucht jedoch 1T!l a,nstelle des von Sir 30,18a
empfohlenen 1~W. Wie SCHUMPP richtig betont (Das Buch Tobias 97) und-jedes
Wörterbuch angibt, kann ,&,cpoc auch "Begräbnis" bedeuten, sodass sich auch im
griechischen Text die Doppeldeutigkeit findet. Doc:;h müsste dann e:ic mit "anlässlich" übersetzt werden können, was schwierig ist. Jedenfalls hat die it
eindeutig "Grab" (sepulcra) verstanden. Die Vulgata dann wiederum sepulturam,
aber mit super c. acc., was nicht zur Handlung einer Beerdigung passt.
45) BILLERBECK IV/1, 594; vgl. KRAUSS, Talmudische Archäologie II, 69.485, Anm.
494; SCHUMPP, Das Buch Tobias 98.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. IV.6, Punkte 2 + 3
2) Dass zwischen Tob 4, 15a (BA. vgl. vg)
Cl
0
377
(vgl. Mt
7,12 Par)
1'1
]J.LOE:L!;;
]J.n6e:v't. rtoLnop!;;,
und armAch 198 (Eigengut)
Mein Sohn, was dir schlecht erscheint,
das tu auch deinem Nachbarn nicht !
eine spezielle Verbindung bestehe, scheint mir
bei der allge-
meinen Verbreitung der Goldenen Regel und den starken Unterschieden in der Formulierung unwahrscheinlich 46
Besser als das schwierige Vergleichen von einzelnen Weisheitslogien47 vermögen einige Beobachtungen an der Achikar-Paränese
Tob 14,10.lla, diesem frühjüdischen moralischen Resume, die Nähe
der orVers zur frühjÜdischen Tradition aufzuzeigen :
3) In aramAch 52.I,52. vgl. 71 wird Achikar im
H a u s
des
zur Hinrichtung beorderten Nabu-sum-iskun versteckt und reichlich mit Lebensmitteln verpflegt. In. syrAch jedoch wird er in
ein enges Erdloch (13,1) unter dem eigenen Haus (15,1) bei Wasser und Brot versteckt gehalten, bis er fast umkommt 48 . Der in
Tob 14,10a gebrauchte bildliehe Ausdruck xa•~Ye:Lv e:L!;; •nv yr)v
(s.o. S. 369), welcher die Entsetzung Achikar's aus seinem Amt
und seine Erniedrigung zum Staatsfeind und dadurch zum Todgeweihten bezeichnet 49 , und somit durchaus mit aramAch Übereinstimmt, wird in syrAch wörtlich verstanden und zu einem "Erdloch" konkretisiert. Das ~~{pxe:o3aL e:~!;;
.ö
~~!;; wird dementspre-
chend verstanden und gerät dann zu einem theatralischen, an Dan
4,30 erinnernden "Hervorgang" des verwilderten Achikar ans Tageslicht (syrAch 20,1-21,2).
46)
s.
o. Kap. III.4, in und bei Anm. 1.
47) Vgl. auch syrAch 66 mit Tob 3,6 (2mal). Weitere von NAU, Histoire 58, angefÜhrte Parallelen entbehren jeglicher Beweiskraft.
48) In der griechischen Tradition zeigt sich übrigens eine ähnliche Doppelung:
AesAch 104 hat bei G ~uAaxn, bei W und· Pl jedoch cct~OG. In dernAch Pap.
Berlin P 23729, Zeile 6, heisst es einfach "Ort".
4.9) Vgl. ähnlich SCHUMPP, Das Buch Tobias 208, zum Ausdruck "in die Finsternis"
als Bild für "in höchste Todesgefahr".
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I
!
378
Kap. IV.6, Punkte 4-6
4) Das Bild von der Falle in Tob 14,10c (vgl. Sir 27 ,29) kehrt
in syr+.arabAch 34,2, der "Moral von der Geschieht", wieder. Dass
es durch den Spruch von der Grube, in welche der Uebeltäter
selbst fällt, verdoppelt wird (vgl. Ps 7,16; Spr 26,27; Koh l0,8a)
ist nach dem, was in Punkt
5) Dass
· -·... rde, sehr gut verständlich.
Kap. IV.7
Ö ßE6~
die Schicksalswende bringt (Tob 14,10b), findet
sich auch in syrAch 138 (nur c) 50 :
"So wie
G o· t t
mich am Leben erhalten hat wegen
meiner Gerechtigkeit, so hat er dich zugrunde gerichtet
wegen deiner Werke."
6) Im gleichen Vers wird die Gerechtigkeit Achikars als Grund
seiner Errettung angegeben (vgl. auch syrAch 97). Wenn man mit
der frühjüdischen Gleichung
npi~ = ~Aen~ocr6vn rechnet, kann
man in der syrVers einen Nachklang der paränetischen Pointe von
Tob 14,10.lla sehen 51 •
Wenn diesen Indizien auch ein gewisser Wert anerkannt werden
muss, so vermögen sie keines.falls, wie HALEVY am vehementesten
vertrat, aus den orVers Kinder der jüdischen Legende zu machen.
Die orVers vertreten prinzipiell
eine nicht-jüdische Traditions-
linie; doch gerade in den wuchernden Ausgestaltungen der AchikarGeschichte
durch legendär-märchenhafte Züge, die sich im Ver-
gleich mit aramAch deutlich zeigten, scheint die Tobias-Adaptation mit am Werk gewesen zu sein. Sie brachte z.B. den Achikar
der orVers in das schmutzige Erdloch!
(vgl. Punkt 3).
In der "Weisheit" Achikars liess sich nur ein einziger, jedoch
recht sicherer Berührungspunkt nachweisen. Tob 4 und 14 stehen
jedoch innerhalb des viel breiteren Mediums spätbiblisch-frühjüdischer Weisheit, welches sich somit als der eigentliche Ver?O) Vgl. Anm, 33.
51) Vgl. NAU, Histoire 59; in aramAch 56.I,l4 <Gr:50-52> ist
ridischen Sinn gebraucht.
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np;~
jedoch im ju-
Kap. IV.6
379
gleichspartner zur "Weisheit" Achikars anbietet. Sowohl aramAch
als auch die orVers sollen deshalb im Folgenden in ihren Beziehungen zu diesem weiten Geflecht weisheitliehen Denkens und Schreibens gesehen werden. Dadurch soll der sichere Anknüpfungspunkt,
den das Buch Tobias für die Achikartraditionen innerhalb des
FrÜhjudentums bietet, in ein sicherndes Gefüge weisheitlicher
Beziehungen zwischen den Achikartraditionen und dem spätbiblischfrÜhjüdischen Weisheitsbemühen eingefügt werden 52 .
52) Die Verbindungen zur Gestalt des Achior (Jdt 5,5-6,21; 11,9; 14,5-10) und des
Daniel sind so schwach, dass sie hier vernachlässigt werden können; doch vgl.
CAZELLES, Le personnage d'Achior 130-137; JENNI, Art.: Ac~ior, BHH l (1962)
2of.; MUELLER, Die weisheitliehe Lehrerzählung 87, Anm. 43: ''Wenn Ahikar auch
hinter dem Ammoniterfürsten Achior des Judithbuches steht .•• , so hätte man
hier den weisen Heiden durch eine veritable Bekehrung (Judith 14,10) judaisiert."- Zu Daniel: BARTON, The Story of Ahikar andthe Book of Daniel 242247; auch NICKELSBURG, Rasurreetion 49f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
7,
DIE BIBLISCHE UND FRUEHJUEDISCHE WEISHEITSLITERATUR
IN IHREM VERHAELTNIS ZU ARAM ACH UND DEN OR VERS
Vergleichende Untersuchungen an den in Frage stehenden Weisheitskorpora sind schon mehrfach unternommen worden und haben ein
reiches Vergleichsmaterial gezeitigt 1 • Formale Parallelen (wie
die Parallelismuskonstruktionen, die Zahlensprüche usw.), philologische Details, welche vieles zur Ergänzung der aramäischen
Fragmente beitrugen, und inhaltliche Berührungen (z.B. Königssprüche, Weisheitsvorstellungen) haben eine recht enge Verwandtschaft der Achikar-Weisheit mit der biblisch-frühjüdischen Weisheit klargemacht. In diesem Beziehungsgeflecht jedoch einzelne
Verbindungslinien -klar herauszuschälen, ist ein subtiles Unternehmen. Die Frage nach "kausalen" Abhängigkeiten ist wiederum
besser zu unterlassen.
Im folgenden werden - nach Durchsicht aller Parallelen - nur
jene angeführt, welche spezielle Berührungspunkte aufweisen. Es
wird also der Versuch gemacht, zwischen den Achikartraditionen
und der spätbiblisch-frÜhjÜdischen Weisheitsliteratur eine stärkere Verwandtschaft aufzuzeigen als nur jene, die durch das gemeinsame Milieu der altorientalischen Weisheit gegeben ist.
Wegen der oben (Kap. 5) besprochenen Unterschiede zwischen aramAch und den orVers, speziell
was die weisheitliehen Teile an-
geht, ist es methodisch notwendig, diesen Vergleich in zwei ge1) Für aramAch: STUMMER, Der kritische Wert 57-83, fasst die in SACHAU's Erstausgabe und seither von den Glossatoren Sachau's (s. Kap. 5, Anm. 4) aufgespürten Vergleichsstellen zusammen. OESTERLEY, The Book of Prov. XXXVII-LX,
unternimmt als erster einen ausführlichen Vergleich, doch findet er nur wenige Anknüpfungspunkte zu aramAch (ca. 8). STORY, The Book of Prov. 329-332,
stellt gute Parallelen zusammen. McKANE, Proverbs 156-182, geht besonders auf
stilistische Aehnlichkeiten ein.
Für die orVers: Erstmals ausführlich VETTER, Das Buch Tobias (1905) 499-518;
vgl. auch die Anm. bei NAU, Histoire 145-258; GINSBERG, Art.: Ahikar, The
Jewish Encyclopedia l (1901) 289b; OESTERLEY, The Book of Prov. XXXVII-LX
(die meisten der dort angeführten Parallelen, ca. 35;. zur Kritik s. gleich
Anm. 2).
(380)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
381
trennten Schritten zu machen, einmal von aramAch und einmal von
syrAch aus. Zu oft sind schon die Weisheitssprüche von syrAch
selbstverständlich bis in atl. Zeit hinauf verlängert und dann
als aramAch gleichwertige Materialquelle für die biblische Weisheit verwendet worden 2 .
Kontaktpunkte zwischen aramAch 53-59 und der spätbiblisch-frühjüdischen Weisheitsliteratur
(* = auch in den orVers)
*53,3f. <Gr:3.4>
vgl. Spr 23,13f.: (auch syrAch 32)
Empfehlung der Schläge als Erziehungsmittel; s.o. S. 359.
53,5 <Gr:5>
vgl. Spr 26,3 :
parataktischer Dreizeiler mit Steigerung;
Disziplinarstrafen.
53,14-16a <Gr:l2>
vgl. Spr 6,16-19; 30,15b-31
Zahlensprüche in der Form n+l.
53,16b-54,1 <Gr:l3>
vgl. Spr 8,22ff.; Sir 24,4 u.ö. 3 :
die von Gott (den Göttern) geschenkte und
im Himmel erhöhte 'Weisheit'.
54,4a <Gr:l5a>
vgl. Spr 4, 23a :
aram : )0~ ~~ ni~jO ~J (0
hebr : jJ~ i~j IOW0-~~0
gleicher Ausdruck; "Die Uebereinstimmung
ist so gross, dass an eine Abhängigkeit
zu denken ist" 4. ·
<Gr:l7>
vgl. Spr 16, 14 :
für den Leib heilsame Worte (14a
54,llb.l2a <Gr:23>
vgl. Spr 25,15b :
eine sanfte Zunge bricht Knochen.
*54,12b <Gr:24>
vgl. Sir 16,2 : (auch armAch 166)
viele und wenige Söhne; s.o. S. 360.
~
2) OESTERLEY leistet einer solchen Gleichschaltung Vorschub, indem er beide
nebeneinander stellt und undeutlich verweist; vgl. auch die seltsamen Gedanken von ABRAHAMS, By-Paths in Hebraic Bockland 17-23.
3) Vgl. Kap. !.1.3, TEXTE 1.5.8; auch PFEIFFER, Ursprung und Wesen 108f.
aramAch fehlt).
4) PERLES, Zu Sachau's I, 501.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
(wo
382
Kap. IV.7
*55,1 <Gr:29>
vgl. Spr 27,3; Sir 22,14f.: (auch syrAch 57:
von der leichteren Sandlast; s.o. s. 360.
*56~II,2f.
vgl.. Sir 8,1 (f .. ) ; PseuMen 61
(auch syrAch
52.73a Par aesAch)
Vermeide den Kampf mit dem Stärkeren
s.o. s. 360.
<Gr:55>
56.II,8f. <Gr:60>
vgl. Ps 75,8; Ijob S,lff.; Tob 4,19b;
PseuMen 15 :
vom erhöhenden und erniedrigenden. Got.t;
aramAch ist jedoch sehr frgt.
56.II,l0 <Gr:61>
vgl. Num 23,8 :
Menschen verfluchen, Gott verflucht nicht.
aramAch ist wiederum sehr frgt.
57.II,l4 <Gr:90>
vgl. Spr 27, 7b :
Hunger macht Bitteres süss.
57.II,l5 <Gr:91>
vg 1. Spr 31 , 6 f .. :
Brot (starkes Getränk) für den Leidenden.
58,17b <Gr:l09>
vgl. Jer 9, 22c :
aram
J1)~ i~ln ~inV~ ~i~nv ib~~
hehr
'1 itllV~ i"WV 77nn~
7~
7~
Kontaktpunkte zwischen syrAch 3 (und 33) und der spätbiblischfrühjüdischen Weisheitsliteratur
(* = auch in aramAch)
2a (C)
vgl. Sir 19,10a :
(auch aesAch G, DENIS,
Fragmenta 138a, 15ff.)
Verschwiegenheit wird mit dem Ausdruck,
ein "Wort in sich sterben lassen" beschrieben; s.o. s. 341.
6b (64b. 65)
vgl. Sir 41,13 :
Der. gute Name ist "für immer".
8 (26.92)
vgl. Sir 9,8; Test Rub 4,6-6,4 (u. Kap.V.
2.2.1) u.ö.:
Warnung vor dem Anblick einer gezierten
Frau.
13
vgl. Tob 4,17 :
Schenk reichlich von deinem Brot (und deinem Wein) beim Begräbnis der G~rechten ••• ;
s.o. s. 375.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.7
383
16
vgl. Spr 13,20
Schliess dich den Weisen an, meide die
Toren/Jungen.
17 (B)
vgl. Sir 6, 7 :
Erwirbst du einen Freund, erwirb ihn
durch Erprobung !
25
vgl. Spr 24,17:
Fällt dein Feind, so freu dich nicht
26
s. bei 8.
*32
vgl. Spr 23,12.14; Sir 30,llf.: (auch aramAch 53,3f. <Gr:3.4>)
Empfehlung der Schläge als Erziehungsmittel; s.o. S. 359.
33
vgl. Sir
37 (B)
zitiert Ex 21,17.
*52 (73a)
vgl. Sir 8,l(f.) :. (auch aramAch 56,II,2f.
<Gr:55> Par aesAch)
Vermeide den Kampf mit dem Stärkeren; s.
o. s. 360.
55
vgl. Koh 9,16
Der Reiche gilt als weise, der Arme wird
verachtet.
*57.58
vgl. Sir 22,14f.; Spr 27,3 : (auch aramAch
55,1.2 <Gr:29.30>)
Von der leichteren Sandlast; s.o. S. 360.
64a
= Spr 27,10c LXX
Vom nahen Freund und fernen Bruder.
64b.65
vgl. Sir 41,12f.; Koh 7 ,1; Spr 22,1
Vom guten Namen; s. bei 6b.
66
vgl. Sir 30,17; 41,2; Tob 3,6
Tod ist besser als schmähliches Leben.
67
vgl. Koh 7, 2-4
Trauer ist besser als Freude.
70
vgl. Sir 22,2lf. bes. 22b; 27,16-21
Wer die Geheimnisse des Freundes ausplaudert, verdirbt die Freundschaft; s. bei 2a.
71
vgl. Sir 19,16; 20,18; 25,8; 28,26 :
Besser ist es, mit dem Fuss zu straucheln
als mit der Zunge.
30,13~
vgl. bei *32.
_
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
384
72
Kap. IV.7
s. bei 2a.
s. bei 52.
76
vgl. Sir 9,10
Ein alter Freund wiegt mehr als ein neuer.
79
vgl. Sir 8,7; PseuMen 18a :
Freu dich nicht am Tod eines Gegners
83b
vgl. Sir 4,26b (vgl. it vg) :
Nicht gegen den Strom schwimmen
84
vgl. Spr 27,20b; Koh 1,8 :
Das Auge des Menschen wird nimmer satt.
92
s. bei 8.
93
vgl. Ps 141,5 + LXX :
Der Gerechte/Weise soll dich schlagen,
vom Toren lass dich aber nicht salben.
94
vgl. Spr 25,17
Warnung vor häufigen Besuchen bei Nahestehenden.
33,100
vgl. Sir 27,25 :
Wer einen Stein hoch wirft, trifft sich
selbst auf den Kopf.
33,142
zitiert Ps 7,16; Spr 26,27; Koh 10,8;
Sir 27,26; Tob 14,10c :
Das Bildwort von der Grube und/oder Falle.
Bei der Lektüre dieses ausgelesenen Vergleichsmaterials trifft
man auf Schritt und Tritt ähnliche Bilder, Wendungen, stilistische Feinheiten. Man erkennt verwandte Gesichtszüge, ohne oftmals
entscheiden zu kÖnnen, wer Vater, Bruder oder Oheim ist. Aber
folgende Ueberlegungen lassen sich doch recht deutlich aus den
Vergleichsstellen entnehmen :
- Die biblisch-frühjüdischen Weisheitstraditionen bieten sich
als bestes Vergleichsmaterial innerhalb des gegebenen zeitlichen und geographischen Raumes an. Das spärliche Material von
VitAes 109f., das ja weitestgehend aus menandreischen Gnomolohttp://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
385
gien stammt, kann dies wiederum aus dem Gegenteil verdeutlichen,
ebenso wie die Tatsache, dass "in the whole range of Syriac
Literature there is no work of such strongly marked Hebrew cast
as this Abikar legend" 5
AramAch hat die nächsten und die meisten Parallelen im Proverbienbuch, und zwar auch in den alten Sammlungen. Es spiegelt
sich darin der gemeinsame altorientalische Ursprung. SyrAch jedoch zeigt vor allem zahlreiche Bezugnahmen zu Sir und Koh,
welche somit nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich vermittelnd zwischen aramAch und den orVers stehen. So wie Tob zur
Ausgestaltung des Erzählteiles beigetragen hat, so haben Sir
und Koh ihren Part in der Vermehrung und Veränderung der weisheitliehen Teile mitgespielt.
- Es ist besonders interessant, dass in den mit
*
bezeichneten
Fällen die Traditionslinien von aramAch über die biblischen
Parallelstellen bis zu syrAch (einmal armAch) durchgezogen
werden können.
Obwohl die Argumentation - wie immer im weisheitliehen Bereich
im Einzelfall schwierig ist und zufällig wirken muss, kann der
Blick auf das gesamte Material und die vielfachen Bezüge genügend
Anhalt für die Behauptung finden, dass der biblischen Weisheit,
vor allem Sir und Koh (und Tob) , ein ähnlicher Anteil an der
Ausgestaltung von syrAch 3 zuzuschreiben ist, wie im Fabelteil
von SyrAch 33 den damals umgehenden Sammlungen von Aesopfabeln.
Das heisst aber auch, dass man in syrAch 3 mit Recht - wenn auch
mit Vorsicht - einen Text sehen muss, in welchem spätbiblischfrühjÜdische Weisheitstraditionen weiterleben 6 • Die orVers müssen
deshalb, trotz der komplexen Einleitungsfragen für eine weitergeführte "Geschichte der israelitisch-jüdischen Weisheit" Beachtung
finden.
5) GINSBERG, Art.: Ahikar, The Jewish Encyclopedia 1 (1901) 289a.
6) VETTER, Das Buch Tobias (1905) 370: "Die literarischen Beziehungen ••. deuten auf das nachbiblische jÜdische Schriftentum, als dasjenige Gebiet, welches
dem Achikarbuch sowohl inhaltlich als formell am nächsten verwandt ist."
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
8,
ACHIKAR UND DIE NEUTESTAMENTLICHEN SCHRIFTEN
Bei den ntl. Schriften sind wir grundsätzlich in der gleiclien
Lage wie bei Tob. Sie sind als literarische Zeugnisse und mögliche Bindeglieder zwischen aramAch und den orVers zu werten •
. Es ist deshalb auch hier der methodische Fehler zu vermeiden,
die orVers unkritisch in die vorchristliche Zeit hinaufzusetzen
und damit eindeutige Vorbild/Abbild-Verhältnisse auch zwischen
den orVers und dem NT zu schaffen. Dies geht höchstens für die
"Geschichte" Achikars an, welche ja als Rahmenhandlung das stabile Element in der Tradierung darstellt. Die "Weisheit" Achikars in den orVers ist methodisch grundsätzlich als jünger als
das NT zu werten.
Man kann mit guten Gründen annehmen, dass die Geschichte vom
hohen Beamten Achikar und seinem nichtswürdigen (Adoptiv-)sohn,
mindestens in ihrer jüdischen Ausprägung, durch die Vermittlung
von Tob 1 auch im 1. Jhd. n. zum Erzählgut der Juden Palästinas
gehörte. Im gleichen Zeitraum ist Achikar in Qumran belegt
.
(4QTobarama.d)
2
.
, entstand die Aesopadaptation der Achikarge-
schichte im griechischen Raum und bezeugen die demotischen Papyri aus dem Fayum die Aktualität des alten Weisen.
Ist nun in der neutestamentlichen Literatur und besonders in
den Evangelien eine irgendwie geartete Präsenz des aramAch oder
ein fassbarer Bezug zu den orVers hin zu finden ? Der doppelten
Frage sei in zwei nacheinander folgenden Schritten nachgegangen
1) Vgl. HARRIS, Tob. and the NT 315-319; SIMPSON, The Book of Tobit 189, Anm.lO;
SCHUMPP, Das Buch Tobias LXIf.; TORREY, The Aramaie in the Gospels 78; GRESSMANN, Vom reichen Mann und armen Lazarus 4.
2) S. o. Kap. 6, Anm. 7.
(386)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.8.1, Punkt 1
387
8.1 Präsenz des aramAch im ntl. Schrifttum ?
Gemeinsamkeiten zwischen den erzählenden Partien von aramAch
(Pap
49-52.II) und dem Neuen Testament gibt es m.W. nicht. Ein
Vergleich kann deshalb nur über syrAch Parr gemacht werden (s.
Kap. 8.2), ohne dass dem fragmentarischen aramAch die entsprechenden Erzählelemente grundsätzlich abgesprochen werden sollten. Als Verbindungsstücke zwischen dem Logienteil von aramAch {Pap
53-59) und dem Neuen Testament sollen vier Beispiele aufgeführt
werden, welche den Sachverhalt recht gut aufzuzeigen vermögen.
Weitere oder weiterführende Parallelen sind kaum zu finden.
1) AramAch 57.I,l3f. <Gr:77>, vgl.
aram
1W)7
,~)j)
~V,Wi
(n~,
ni,)
(n
p)w
WDW7 ,)i~ il1~
17 (m,., n7, r np7 [, 1 ., n
QMt 5,40Par:
13a
b
14
13a Wenn ein Frevler die Zipfel deines Gewandes erfasst,
lass es in seiner Hand !
b Darauf nähere dich Schamasch :
3
14 Er wird (jenem) das se.inige nehmen und dir geben.
Mt
-Sowohl im Pap wie auch bei Mt
wird der gleiche Kasus angeführt
Eine private Streitigkeit., die vor dem Richter enden könnte.
Im konditionalen Teil besteht eine unverkennbare Parallele. Dass
bei Jesus kein Nachsatz folgt, der Über den Umweg der göttlichen
Gerechtigkeit 4 den im Vorsatz nachgiebigen Menschen wieder zu seinem Recht kommen lässt', ist typisch für seine Art Weisheit. Ebenso typisch ist es für HALEVY, wenn er den Sachverhalt mit diesen
Worten beschreibt : "Apres 500 ans de vie latente notre maxime
sapientiale d'Achikar emerge
a
la lumiere du jour transformee en
3) Nach NOELDEKE, Untersuchungen 18; MONTGOMERY, Seme Correspondences 428.
4) Schamasch als Gott des Rechtes kommt mehrmals in aramAch vor: Pap 53,15
<Gr:l2>; 56.!,13 <Gr:49>; auch 56.II,8f. <Gr:GO> ?; jedoch 56.II,l5 <Gr:66>:
El als Rächer des Meineides (vgl. 57.II,l <Gr:78>).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
388
Kap. IV.B.l, Punkt 2
une Parole du Maitre (Herrnwort) <sie> imperative et demesurement grossie" 5
Auch ohne diese tendenziöse Bewertung zu billigen, kann man
aramAch 57.I,l3 und QMt 5,40aPar eine
gew~sse
Aehnlichkeit zu-
gestehen. Diese beweist aber weiter nichts. Im Verein mit anderen Beispielen zum Verhalten
g~gen
feindliche Menschen aus der
altorientalischen Umwelt situiert aramAch jedoch das Mahnwort
aus Q in den weiten Raum der damaligen
vorderorientalischen
Weisheit 6 •
2) In aramAch 54,1 <Gr:l3b> soll sich nach SACHAU schon "die
neutestamentliche Vorstellung vom Himmelreich" 7 finden, während
MONTGOMERY "a tempting similarity in the sound of words" mit
Lk 12,33f. (Schätze im Himmel) findet 8 • Wie der Zusammenhang mit
den vorausgehenden fragmentarischen Zeilen (Pap 53,16) und die
Struktur des ganzen Spruches zeigt, ist jedoch die'Weisheit'
(~no~n)
das Subjekt, auf welches sich die Femininendungen be-
ziehen :
~n
~n)~~o
n,~p~. 1"~~~
[M~
~n
nJ~t!l)
10]~[V~
no~w
~~
[iV
1[~oJw::J.
1~t!liP ~V::J.
~~
(Dt. Uebers. o. S. 46)
Viel eher als für die Himmelreich-Vorstellung ist hier ein Beleg innerhalb des semitischen Raumes für die sogenannte hypo~
9
.
stasierte'Weisheit' zu sehen • Der Weg bis ins Neue Testament
müsste deshalb uber die frühjüdischen Weisheitsspekulationen
5) Les nouveaux pap. (1912) 75. Ein noch kühneres Argument bringt er zu Pap
57.1,2 <Gr:69>, den er mit starken Konjekturen zur "source de l'oraison dominicale" (Mt 6,12.14-lSr macht; vgl. auch MONTGOMERY, Same Correspondences 429.
6) Vgl. ZELLER, Die weisheitliehen Mahnsprüche 57f.
7) Pap. und Ostr. 163; vgl. HALEVY, Les nouveaux pap.
notion evangelique du royaume celeste".
8) Same
correspondence~
(1912) So: "source de la
428.
9) So als erster ALBRIGHT, The Goddess 285ff.; dann STORY, The Bock of Proverbs
334ff.; DONNER, Die religionsgeschichtlichen Ursprünge 12-16. - s. o. Kap.
I.l.l, Anm. 9.
I
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
389
Kap. IV.8.1, Punkt 3
nicht zur ßao~AE(a .~v oOpavwv, sondern
führen 10 .
zu
-=>rnaoü~ oo<P Ca
3) In aramAch 56.I,l3 <Gr:49> steht :
,nn~
O~jj
~Mij~
O~j
,~n~~v
Oiin~
~ln~
. 1n
nn~
~~[~l
a.
n~i~
~~
b.
ij)
~~
c.
Dies ist so zu Übersetzen
Wer nicht stolz ist (von Oli) auf den Namen seines
Vaters und seiner Mutter :
nicht soll Scham(aschll auf ihn) scheinen,
denn er ist ein böser Mensch
I'iONTGOMERY findet jedoch in der ersten Zeile "a verbal identity"
zu Mk 7,11 Par Mt 15,5 und "an undubitable parallel, in one
word and in the spirit of the whole to our Lord's denunciation
of the principle of Korban" 12
~wpov
8
~~v
eE
~~ou ~~EAn8n~.
L
Dazu muss er jedoch den Beginn der Zeile, wo höchstens zwei Buchstaben weggefallen sind 13, durch einen Nebensatz ("If a man say")
auffüllen,
Olin~
als etymologische Variante von
erklären und zudem
O~j
111n~,
"Vorteil"
mit "zugunsten" Übersetzen, was dann er-
gäbe :
<Wenn einer sagt :>Nicht ist ein Vorteil zugunsten
seines Vaters und zugunsten seiner Mutter,
nicht soll ..•
Diese bemühte Parallelisierung empfiehlt sich wohl kaum. - Im
zweiten Teil des Verses (b.c) kann man eine zu QMt 5,45Par ähnliche Redeweise sehen und den "contrast to the broader wisdom
14
bemerken, dessen Vater "die Sonne über Gute
und
of Jesus"
BÖse aufgehen lässt". Auch hier ist ein reeller Kontakt in der
weisheitliehen Sprechweise vorhanden.
10) Vgl. den Ausblick in Kap. VI. 2.
11)
s.
o. Anm. 4.
12) Same Correspondences 429.
13) Vgl. SACHAU's und COWLEY's Ausgaben; bei UNGNAD, Aram. Pap. 75, scheint jedoch
mehr Platz vorhanden zu sein.
14) MONTGOMERY, Same Correspondences 492.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
390
Kap. IV.8.1, Punkt 4
4) Gedankliche Aehnlichkeit ist noch zwischen dem gut gelungenen
Wort aramAch 58,2f. <Gr:94> Par syrAch 3,53 (c)l5 :
Wenn dein Meister dir aufträgt, Wasser zu bewachen, •.•
(tu es sorgfältig, vielleicht will er) .•• Gold in
deiner Hand zurücklassen,
und der Parabel von den Talenten
QMt 25,14-30Par mit ihrem
Refrain
E~, öoÜAe &yaat xal n~o•€,
ÖA(ya ns;; nw•6s;;,
enl. noAAWV oe xa•ao•now.
~nl.
Beide Worte handeln vom Herrn und Untergebenen und spfelen mit
der Inkongruenz von "kleinem Auftrag" und "grossem, unverhofftem Lohn" 16 •
Hinweisen könnte man noch auf aramAch 53,7b.8 <Gr:7> (Skorpion
als Speise, vgl. QMt 7,10Par), aramAch 56.II,2f. <Gr:SS>
(vom
Stärkeren, der das Gut deS Schwachen nimmt, vgl. Mk 3, 27Parr)
und aramAch 56.II,8f. <Gr:60>
(erhöhen und erniedrigen, vgl.
QMt 23,12Parr), doch sind hier die Vergleiche noch schwieriger
und z.T ist auch der Textbestand unsicher.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Weisheitslogien
des aramAch vereinzelten Logien der Evangelien eine bessere Situierung in weisheitliehen Traditionen ermöglichen, ohne dass
jedoch eine Abhängigkeit festzustellen oder Überhaupt die Präsenz der "Sprüche und Fabeln" von Elephantine in den Evangelien
zu behaupten wä.re. Es muss nun aber die Frage auch in die andere Richtung gestellt werden : Welche Beziehungen bestehen zwischen den ntl. Schriften und den orVers ? Dabei muss die Unterscheidung, die wir schon Öfters zwischen dem recht stabilen Erzählrahmen und den mobilen Einzelworten in der Logiensammlung
gemacht haben, stets vor Augen gehalten werden.
15)
s.
o.
s.
361.
16) Auch hier spricht HALEVY, Les nouveaux pap.
(1912) 77, sofort von einer "sour-
ce11.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
391
Kap. IV.8.2, Punkte 1-3
8.2 Beziehungen zwischen dem ntl. Schrifttum und den orVers ?
JAMES hat 1897 als erster in einer Fussnote die Vermutung geäussert, dass in der
1) Parabel vom bösen Knecht (Mt 24,48-SlPar) das schlechte Verhalten Nadans einen Widerschein finde (vgl. bes. syrAch 4,2;
5,4; 14,2f.; 32,10). "As the storywas clearly popular, and is
also clearly pre-Christian i t would be no very strange thing,
if the Parahle had borrowed a trait or two from it" 1 Der Anony-
?
mus des Bulletins der RB 7 (1898) nimmt als erster diesen vorsichtigen Hinweis auf und sucht weitere Spuren 18 . Er findet eine recht nahe Parallele zu
2) syrAch 114 in 2Petr 2,22 :
~1ein
Sohn, du warst wie jenes Schwein, das mit den
Grossen ein Bad nahm. Im Bad angekommen wusch es sich;
beim Hinausgehen sah es eine Pfütze und es ging hin
und wälzte sich darin (Varianten bei C) •
/
~
'
"
19
€Y~:; A.oucra]..Levn
E:LG
xuA.LO]..LOV
ßopßopou.
Zudem macht er den eher unglücklichen Vergleich von
3) syrAch 93 :
Mein Sohn, lass dir von eine~ Weisen viele Stockschläge geben, dich aber von einem Toren nicht einmal
mit wohlriechendem Oel salben !
mit der Szene Mk 14,3-9Parr, wo Maria von Magdala Jesus den
17) JAMES, Apocrypha Anecdota II, 158, Anm. 1. Eine längere Darlegung soll im GUARDIAN vom 2. Febr. 1898 (mir nicht zugänglich) erschienen sein.- S. auch BULTMANN, Geschichte der syn. Trad. 221.
18) 313, Anm. 1 (wahrscheinlich Pere LAGRANGE); vgl. McNEIL, Jesus and the Alphabet 227.
19) Die Parallelen, welche die Cambr.-Ed. LXIX, aus CLEMENS; Protr 92,4 und Strom
1.2,2; 2.68,3, heranzieht, gehen, wie PLUTARCH, De tuenda sanitate 14 (BABBIT II, 250f.), zeigt, auf einen Heraklit- und Demokritspruch zurück: DIELS,
Fragmente der Vorsokratiker I, 154 (Herakleitos Frgt 13); II, 171 (Demokritos Frgt 147). Vgl. auch SMEND, Alter und Herkunft 75; VETTER, Das Buch
Tobias (1905) 522f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.8.2, Punkte 4 + 5
392
Kopf (Mk.Mt; erst bei Lk.Jo : die Füsse) mit kostbarem Oel
salbt 20 •
Zutreffender ist sein drittes Beispiel, die hübsche Parabel von
der unfruchtbaren Dattelpalme in
4) syrAch 135Par arabAch :
syr :
•
arab
Mein Sohn, du warst mir wie eine Palme, die am Wegrand stand, von der man aber keine Frucht pflückte.
Ihr Besitzer kam und wollte sie ausreissen. Da sprach
die Palme zu ihm : Gestatte mir noch ein Jahr und
ich bringe dir Karthamen (=Safran). Ihr Besitzer antwortete : Unglückliche ! Du hast deine eigene Frucht
nicht hervorgebracht, wie solltest du denn eine fremde
hervorbringen
Du warst mir, mein Sohn, wie die Dattelpalme, die am
Flusse stand, aber keine Früchte brachte. Da ihr Besitzer nun kam, sie umzühauen, sagte sie : Versetze
mich an einen ande·ren Ort; bringe ich da (auch) keine
Früchte, so hau mich (wirklich) ab. Da erwiderte er
An deinem eigenen Ort hast du nicht gut getan; wie
wirst du das wohl an einem fremden ?21
Man ist tatsächlich an Lk 13,6-9, das Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum, erinnert, wo allerdings die Pointe im Missverhältnis von aufgewendeter Arbeit und erhaltener Frucht liegt
und ein Eingehen des Besitzers auf die Bitte um eine Jahresfrist nahegelegt wird.
Schon in der 1. Aufl. der Cambr.-Ed.
(1898) bezeichnet HARRIS
die biblischen Parallelen 1) .und 2) als "sicher", und 4) als
"wahrscheinlich" aus Achikar Übernommen. Er vermehrt dann die
kleine Sammlung noch durch eine weitere Parallele zwischen
5) syrAch 34,lf.,
Nadans drastischem Tod, und den biblischen
und frühchristlichen Traditionen vom Tod des Judas
Mt 27,5;
20) Die eigentlich biblische Parallele ist jedoch Ps 141,5 LXX, wie HALEVY, Tobie
et Akhiakar 59, nachgewiesen hat; vgl .. NOELDEKE, Untersuchungen 44. s. o.
s. 384.
21) SyrAch (C), arm und sl-avAch haben nochmals eine andere Version: Bei ihnen
steht die Palme am Ufer eines Flusses, sodass die Früchte ins Wasser fallen
und so verloren gehen. "Das gibt keinen so guten Sinn, aber die Bezeugung ist
viel besser" (NOELDEKE, Untersuchungen 50); dagegen VETTER, Das Buch Tobias
(1905) 523ff.- s. auch BULTMANN, Geschichte der syn. Trad. 222.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.8.2, Punkt 6
Apg 1,18f.
393
-
"and a new volume has accordingly been added to
our Lord's library" 22
Einen Gegenschlag gegen diese Annäherungsversuche hat - mit dem
prophetischen Bewusstsein des Folklore-Spezialisten
im folgen23
den Jahr (1899) COSQUIN geführt . Da "Achikar" für ihn ebenso
eine Sage ist wie das Tobitbuch, und in der Sagenforschung "allgemein menschliche" Gemeinsamkeiten keine Abhängigkeit zwischen
verschiedenen Traditionen auszumachen vermögen, seien die versuchten Verbindungen zum neutestamentlichen Schrifttum, besonders zu 1) und 5), illusorisch. Nur "individuelle Züge sind ein
sicheres Indiz für eine enge Verwandtschaft" 24 •
HALEVY, der stets die Waffe zur Hand hat, erhebt sich gleich
darauf im Namen der Exegese und deren "innerer Logik" gegen die
"folkloristische Logik" COSQUIN's 25 . Seine eigenen Vergleiche
bringen es mit sich, dass die Sammlung von Parallelen zwischen
.
syrAch und den ntl. Schriften noch um einige weitere Stellen
..
26
vergrossert wird
6) syrAch 33,134 : Nadan bittet innerhalb der Strafrede Achikar
um Barmherzigkeit und gibt folgende Begründung :
Selbst wenn ein Mensch gegen Gott sündigt, so vergibt dieser ihm die Sünde; so vergib auch du mir
jetzt, und ich werde dein Schlachtvieh pflegen und
deine Schafe und Schweine hüten. Dann wird man mich
einen schlechten und dich einen gut.en Menschen nennen.
22) Cambr.-Ed. LXII-LXXIII, Zit. LXIII; ebenso enthusiastisch NESTLE, The Story
of Ahikar (1899) 277.
23) Encore 1' "Histoire du Sage Ahikar" 521-531. COSQUIN' s erster Aufsatz in der
gleichen Nummer der RB, Le livre de Tobie et l'histoire du Sage Ahikar 50-82,
erschien gerade vor Cambr.-Ed., deren Antwort in der 2. Aufl. (1913) sicher
ungenügend ist.
24) Ebd. 521.
25) Tobie et Akhiakar 54: "En face de cette logique folkloriste, qui se transforme par l'imagination selon la nature du milieu oü le hasard la conduit, se
place la logique interieure, e X e g B t i q U e, qui montre le lien indissoluble des elements les plus minutie.ux du conte avec les .idees courantes d' u n
s e u 1 m i 1 i e u et avec le sens des noms propres des acteurs qui les incarnent." Vgl. auch NAU, Histoire 21, Anm. 1.
26) Die Parallele zwischen Nadan's und Judas' Tod (Beispiel 5) schliesst er, mit
COSQUIN, Le livre de Tobie 76, aus.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
394
Kap. IV.8.2, Punkt 7
HALEVY findet diesen Spruch - :im ein "precepte general" 27 umgewandel~
- in Mt 6,14f.
(vgl. Mk 11,25f.) und in der Vater-Unser-
Bitte Mt 6,12Par wieder, in welchen ebenfalls von einer Entsprechung zwischen göttlicher und menschlicher Verzeihung die
Rede ist. Bei den ntl. Stellen ist jedoch das menschliche Verzeihen als
B e d i n g u n g
für die Erlangung der
Verzei~
hung durch Gott angeführt, während in syrAch - wie etwa bei
Lk 6,36 - die göttliche Haltung
V o r b i 1 d
für die mensch-
liche Haltung des Verzeihens ist. - Stärker ist man an Lk 15,18f.
erinnert, wo der "verlorene Sohn" sich zu sagen vornimmt :
Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel (=Gott)
und vor dir. Ich bin nicht mehr·wert, dein Sohn zu
heissen; halte mich wie einen deiner Taglöhner.
Doch darin eine "evangelische Transformation" 28 der Nadanbitte
zu sehen, ist methodisch unberechtigt, da dieser Schluss auf einer voreiligen Entscheidung über die Abhängigkeitsverhältnisse
beruht.
7) syrAch 3,28 vgl. Mt 5,38-47Par
syr :
Begegnet dir dein Feind mit BÖsem,
so begegne du ihm mit Gutem (C : Weisheit)
ist nach HALEVY·wiederum "source positive du principe evangelique ordonnant de rendre le bien pour le.mal" 29 , welches in
den Versen der Bergpredigt jedoch mit ganz anderen Worten beschrieben ist. Die Vergeltung des BÖsen mit Gutem ist eine Forderung, die sich vielfach im weisheitliehen Schrifttum belegen
lässt, sodass die Behauptung einer direkten Beeinflussung - in
welcher Richtung auch
i~er
- willkürlich ist. Der Vergleich
vermag nur einmal mehr darauf hinzuweisen, wie stark der ganze
Q-Abschnitt von der "Feindesliebe" in weisheitliehen Traditionen steht; schon aramAch 57.I,l3f. <Gr:77> und aramAch 56.!,
13b.c <Gr: 49> .haben ja auf QMt 5,40Par bzw •. 5,45Par hingewiesen.
27) Tobie et Akhiakar 62 •.
28) Ebd. 64.
29) Ebd. 70.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV.8.2, Punkte 8-10
Es ist deshalb
395
bei keinem der aufgeführten Texte möglich, sich der
Folgerung HALEVI's anzuschliessen, dass Achikar "die Quelle
mehrerer Sprüche und Parabeln (gewesen ist) , welche bis jetzt
als exklusives Eigentum des NT's erschienen sind" 30,und nochviel
weniger zwischen den genannten Logien ein Verhältnis von Modell
31
(Ach) und Nachahmung (Jesus) zu behaupten . Es kann nur darum
gehen, die Situierung sowohl der Achikar- wie auch der Jesuslogien im weisheitliehen Denken besser zu ermöglichen. Dazu können noch folgende vergleichbare Stellen herangezogen werden :
8) syrAch 33,110 (C) vgl. Mt 25,14-30Par : Das Gleichnis vom
Acker, der seinem Besitzer nur "Mass um Mass" bringt,und das
Gleichnis vom unrentablen Knecht, der seinem Meister gleich viel
zurückgibt, wie er erhalten hatte.
9) syrAch 3,31 vgl. Lk 14,12-14
syr :
Mein Sohn, nimm jenen bei dir auf, der niedriger und
weniger reich ist als du; wenn er dann geht und dir
nichts zurückerstattet, wird Gott dir zurückerstatten.
In Lk wird die gleiche Empfehlung mit der gleichen Begründung
gegeben, wobei aber eine eschatologische Nuance beigegeben wird
(tv
•fl
&.vao"tctOe:L
"'CWV
ol.xaCwv).
10) armAch 198 vgl. QMt 7, 12Par .: Goldene Regel.
Der Armenier geht hier aber auf jene negativ formulierende Traditionslinie zurück, wie sie schon bei Tob 4,15a und Hillel,
Philo u. anderen anzutreffen war 32
Alle bis jetzt näher behandelten Vergleichsstellen kommen aus
30) Er führt noch syrAch 3,4 Par Mt 16,19 (Apk 5,5) an. Aber wo ist denn hier ein
Vergleichspunkt zwischen der Anweisung Achikars, wie man mit Dokumenten umgehen soll, und der prophetischen "Schlüsselübergabe" Jesu an Petrus ? Den Gipfel unverfrorener Parallelsetzung erreicht HALEVY wohl, wenn er syrAch 33,
129 (C) (von der Ziege, die "nicht zu ihrer Zeit" ins Schlachthaus geführt
wird) mit der johanneischen "Stunde" (Joh 2,3; 13,1) vergleicht.
31) Ebd. 61.
32) S. o. Kap. III.4, Anm. 1.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
396
Kap. IV.8.2, zu Punkt 1
einem der beiden didaktischen Teile der orVers 33 . Sie zeigen
immerhin, dass in den evangelischen Sprüchen manchmal eine ähnliche Form von Weisheit zum Ausdruck kommt wie in den Achikarlogien. Es bleibt jetzt noch zu fragen, ob sich in den Evangelien Kontaktpunkte zur Achikar-Geschichte finden lassen. Hierbei ist es methodisch möglich, eine Beeinflussung auf die Evangelien anzunehmen, da ja die Erzähltraditionen von Achikar und
seinem bösen Sohn als in ntl. Zeit bekannt vorausgesetzt werden
kÖnnen.
zu 1) Nadan und der "bÖse Knecht"
QMt 24,45-51Par
Die Q-Tradition, welche ursprünglicher bei Mt erhalten ist,
spiegelt eine frühe Glaubenssituation der Q-Gemeinde, in welcher
die Parusie zwar fest erwartet, aber schon mit einer Verzögerung
gerechnet wird, aus der die Forderung zur
Wac~samkeit entspringt 34
35
Darüber hinaus ist aber Grund genug vorhanden_ , eine Komposition zweier vormals getrennter Logien, vv. 45-47 und 48-51 zu
erkennen. Ihre formale Struktur ist grundverschieden
45 Direkter Fragesatz (nach dem 48f.
Tt LO"t"O(; ooÜA.o(; Ka.'t cpp6v L].J.O(;)
46 Makarismus auf den OOUAO(;
Konditionaler Nebensatz mit indirekter Rede und parataktischen Erzählelementen
50,5la Parataktischer Hauptsatz
E'KE:~ VO(; (
47 Abschluss mit
Ö].J.~V
&.lJ.llV,
A.~yw
(5lb
mat.-Red., vgl.. 13,42.50: 22,13 u. ö.)
Auch die Aussagen der beiden Logien sind stark voneinander verschieden. Besonders auffällig ist ja, dass in 24,45-47 der
Faktor Zeit keine Rolle spielt, solange man den Ausdruck ~A.~~
8
KOPLO(;
nicht christologisch interpretiert. Der zweite Teil
33) ArmAch 2fin (Cambr.-Ed, 26): Vergleich mit getünchtem Grab, vgl. Mt 23,27,
und armAch 3,186 (vgl.Eph 5,28; auch'Gen 2,24) sind christliche Eintragungen,
welche beLffi Armenier auch sonst öfter vorkommen.- Vergleiche zudem syrAch
3,24 (C) mit lKor 5,11 und syrAch 78 mit dem Bildvergleich in 2Tim 4,17 (Ps
22,22).
34) Vgl. SCHULZ, Q, Die Spruchquelle 271-277.
35) Trotz JUELICHER's gegenteiliger Behauptung, Die Gleichnisreden 146.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
397
Kap. IV.8.2, zu Punkt 1
gestaltet jedoch eine kleine Geschichte von "jenem", also scheinbar bekannten (!), rnodellhaft bösen Knecht, der den Zeitpunkt
der RÜckkehr seines Meisters falsch einschätzt und deshalb seine
frisch erlangte Machtposition missbraucht. So rhetorisch
der
erste Teil den schon fast zum urchristlichen Gemeindevorsteher
stilisierten "treuen und klugen Knecht" beschreibt 36 , so konkret
ist der zweite arn erzählerischen Detail interessiert. Zur Beschreibung des bösen Knechts scheinen dem Autor typische Elemente vorzuliegen, die sich ihm spontan aufdrängen, auch wenn
dadurch der Parallelismus der beiden Bildteile zerstört wird.
Und es ist in unserem Zusammenhang nicht allzu Überraschend,
dass gerade diese gleichen Elemente bei jenem Typ des bösen
Menschen vorkommen, den Tob mit Nadan bezeichnet und dessen
pietätsloses Treiben in den orVers beschrieben wird. Es sind
dies :
- das Schlagen der Mitknechte (und Mägde)
: syrAch 4,2; 14,2
- ausgelassenes Treiben bei Essen und Trinken : syrAch 14,2
-unerwartete RÜckkehr des Meisters: syrAch 20,lf.; 32,9
-grausamste Bestrafung (vgl. auch Lk 12,47f.) 37 : syrAch 32,10
- Tod und jenseitige Strafe : syrAch 34,lf.
Natürlich sind diese inhaltlichen Uebereinstimmungen eine "sehr
äusserliche Sache". Aber ist tatsächlich "daraus doch sicher
nichts weiter zu schliessen, als dass beide Schilderungen völlig
lebenswahr sind", da sie "an denselben nationalen und sozialen
Hintergrund sich anlehnen" 38 ? Meines Erachtens braucht es einen
stärkeren Grund, der zu einer ähnlichen Abfolge von fünf inhaltlichen Elementen führt als nur die gleiche Urnwelt 39 , umsernehr
als im Text von Q ein den formalen Parallelismus störender Ein36) Vgl. Ps 145,15b Par 104,27.
37) "Ueber die Dichotomia an unserer Stelle ist unglaublich debattiert worden"
(JUELICHER, Die Gleichnisreden 152). ALxo-roue:~v kann drei hauptsächliche Bedeutungen haben: 1) zweiteilen (eine persische Marterart); 2) hyperbolisch:
einen grässlichen Tod bereiten; 3) von der Gruppe abtrennen, ausschliessen,
vgl. lQS 2,16 (Wurzel ni~). Die Interpretation von HARRIS, Carnbr.-Ed. LXIV,
der mit dem "Auseinanderbersten" des Judas vergleicht, ist unmöglich.
38) VETTER, Das Buch Tobias (1905)
529.530.
39) Ob Überhaupt von demselben "nationalen und sozialen Hintergrund" gesprochen
werden kann, ist sehr zweifelhaft.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
398
Kap. IV.8.2, zu Punkt 5
fluss inhaltlicher Art festzustellen war. Es ist deshalb recht
gut möglich, dass zwischen dem bösen Nadan und dem bösen Knecht
eine eigentliche Verwandtschaft besteht.
Leider brechen die aramäischen Fragmente gerade vor der Szene
ab, die uns hier interessiert. Die Stellen in Tob lassen von
ihr natürlich nichts verlauten, und die Aesopvita hat nur die
karge Bemerkung : Ö oE:"HA.~o~;; (W:
A"tvo~;;) na.p{A.a.ßev •nv ö~o(xno~v
1:ou Alo~nou. Wenn man bedenkt, dass die orVers an zahlreichen
Stellen kräftigere .Farben auftragen als der doch recht einfache
ararnAch, dass ihren Autoren also Achikar-Traditionen (wie z.B.
dernAch Kairo) vorlagen, die schon stark mit erzählerischen Details ausgestaltet waren, so kann man annehmen, dass eine ebensolche Achikartradition bei der Prägung von QMt 24,48-51Par
Pate gestanden hat. Dann wäre ein erster Punkt gewonnen, wo
die Achikar-Geschichte in der Wort-Tradition der Evangelien
eine schwache Spur hinterlassen hätte.
Zu 5) Der Tod Nadans und Judas'Mt 27,5 und Apg 1,18
HARRIS' Vergleich der Todesarten der beiden "bösen Menschen" hat
sowohl vehementen Widerspruch als auch vorsichtige Infragestellung und zögernde Uebernahrne hervorgerufen. Die meisten Autoren
stützen sich dabei auf die kurzen Ausführungen der Carnbr.-Ed.
LXVIf., ohne die ausdrücklich diesem speziellen Problern gewidmeten Aufsätze von HARRIS einzubeziehen 40 • HARRIS macht darin
folgende, sicher zutreffende Beobachtungen
-Die beiden Traditionen über den Tod des Judas in Mt 27,5
(avex~Pnoev xa.L ~neA.a@v &n~yEa.•o) und Apg 1,18
yev6~evo~;; tA.~xnoev ~{ao~;;, xa.\ ~~ex6an n~v•a.
1:a
(npnvn~;;
onA.~yxva. a.D1:ou)
können und dürfen nicht harmonisiert werden. Die alten lateinischen Versionen 41 und die "fantastic efforts of harrnonization"
40) Did Judas really 490-513; St. Luke's Version 127-131? vgl. METZGER, A Textual
Commentary 286f.
41) Die Itala (nach AUGUSTINUS, Contra Felicem 1,4; ZYCHA II, 805) fügte in Apg
1,18 "collum sibi alligavit", und die Vulgata "suspensus" ein.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
399
Kap. IV.8.2, zu Punkt 5
einiger Kirchenväter 42 und Schriftsteller bis in die neueste
Zeit zeigen deutlich, dass beide Stellen schon immer als widersprüchlich empfunden wurden. Sie müssen als zwei verschiedene,
aber gleichwertige Traditionen angesehen werden.
- Bei APOLLINARIS von Laodicaea (4. Jhd.n.) ist von PAPIAS von
Hierapolis (ca. 60-130 n.) ein Fragment (Nr.III) erhalten 43 ,
welches eine völlig verschiedene Tradition vom Tode des Judas
vertritt. Danach hätte Judas als
~{ya
o€ &oEßECa~ 0n66E~y~a
;;,EV TOUT~
/
"
/
.
b
·~ xo~~ we~tergele t, sein Leib sei aber in solchem
Masse angeschwollen (npno3E(G), dass er eine Stelle, die leicht
mit einem Wagen passiert werden konnte, nicht zu durchschreiten
vermochte. Dann folgt eine grausliche Beschreibung des vollständig aufgeschwollenen, stinkenden Judas, d.er nach ·langen
Qualen an einem Ort stirbt, "durch welchen man bis zum heutigen
Tag nicht gehen kann, ohne mit den Händen die Nase zuzuhalten".
Die ätiologische Sage ist offensichtlich.
- Die Lesart npno3EC~
anstelle des schwierigen npnvn~ YEVb~Evo~
ist auch in der armenischen und altgeorgischen Version für Apg
44
1,18 belegt
Der weitergehende Schritt in HARRIS' Argumentation, nämlich die
Ersetzung des
'
npnvn~
I'
YEVO~Evo~
durch
npno3EC~
und damit die
Behauptung einer direkten Uebernahme der Legende von Nadans Tod
in eine erste, vorlukanische Fassung vom Tod des Judas, welche
sich dann in drei selbständige Traditionslinien (Mt, Apg und
PAPIAS) ausgestaltet hätten, scheint mir jedoch allzu hypothetisch zu sein. Das Gewicht aller griechischen Texte ist zu gross
und das schwierige npnvn~ YEVO~Evo~ ist nach den Regeln der Textkritik ein sichererer Ausgangspunkt 45 • Unabhängig von dieser
42) HARRIS, Did Judas really 496. Seine Beispiele (Eusebius, 3./4. Jhd. n.; Ephräm, 4. Jhd. n.; Ischodad von Merv, 9. Jhd. n.; Theophylakt, 11. Jhd. n.)
sind äusserst aufschlussreich.
43) FUNK/BIHLMEIER, Die Apostolischen Väter I, 136f.
(=
ALAND, Synol'>sis 470).
44) METZGER, A Textual Commentary 286.
45) Ibid., gibt Wertung A ("virtually certain").
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
400
Kap. IV.8.2, zu Punkt 5
letzten Argumentation bleibt aber eines sicher : Der Tod des
Judas hat in der frühchristlichen legendarischen Ausgestaltung
eine ähnliche Form bekommen wie der Tod Nadans in den orVers.
Vom Anschwellen bis zum Zerplatzen wird aber in den älteren
Textzeugen, sowohl der biblischen (Tob, Mt, Apg) wie der AchikarTraditionen (aram, dem, aes),
n i c h t s
gesagt 46 In aramAch und dernAch fehlt leider die Stelle wiederum; in Tob wird
zwar von einer Vergeltung an Nadan xa•a npÖownov Achikars gesprochen, aber die Todesart ist aus den beiden Bildern von der
Finsternis und .der Falle nicht ersehbar; bei Aesop liegen zwei
Varianten vor : In G stirbt Linos kurz nach der Strafrede, weil
er das Leben nicht mehr ertragen konnte (anoxapTgpnoa~ Tou ß(ou
ß.nbcn!;gv, vgl. Pl) , während in W Aionos seinem Leben durch Erhängen ein Ende macht (anoxpn~v~o~~gvo~ ~auTbv ~gTnAAa!;g TÖv
ß(ov). W hätte wohl für Mt das Motiv abgeben können 47 , aber jedenfalls nicht für die Apg und die Papias-Legenden. Für die
jüngeren Textzeugen, sowohl den biblischen (arm. und altgeorg.
Version zu Apg 1,18), wie den Achikartraditionen (orVers) ist
nun aber in ungefähr dem gleichen Zeitraum das gleiche Motiv
vom Anschwellen und Zerplatzen des BÖsewichts belegt. Vielleicht
haben dazu die jüdische Prozedur des "fluchbringenden Wassers
des bitteren Wehs" 48 oder die wenigen Zeugen von Elephantiasis 4.9
46} Dass npnvnc
= npncr&ELG
bedeute, ist umstritten; vgl. Ebd. 287, Anm. 21.
47} Mt scheint aber eher den Selbstmord Ahitofel's (2Sam 17,23} im Auge zu haben;
vgl. BOISMARD, Synopse II, 410.
48} Num 5,27 LXX: KaL npncr&ncrE•a• •nv KOLACav KaL ÖLaTIEOE~•a• b unp6c au•nc;
vgl. PHILO, SpecLeg 3,52-62; JOSEPHUS, Ant 3,270-273; die Mischna Sota, bes.
1,7; 3,4. Die viel umfangreichere Tosefta dazu bezeugt das lebhafte Interesse
der Rabbinen an der Diskussion dieses Themas, welches anscheinend zum beliebten (!} akademischen Disputierstoff geworden war. Das Ordal wurde ja nach
Sot 9,9 schon von R. Jochanan ben Zakkai wegen der Häufigkeit des Ehebruchs
abgeschafft, s. BIETENHARD, Sota 6-8. Im Protev des Jakobus 16 (um 150 n.}
werden Maria und Josef der"PrÜfung unterzogen ! In der legendarischen Ausschmückung wird also das ursprünglich nur für die Frau geltende Gottesgericht
auch auf den Mann angewandt. Nadan wäre kein Einzelfall. - Ps 109, dessen
VV. l8f. das Ordal von Num 5,24.27 bildlich aus9estalten, könnte hier eine
Vermittlerrolle gespielt haben, besonders weil l09,8b ("sein Amt erhalte ein
anderer"} im Kontext des Geschehens um Judas (zit. in Ap9 1,20} eine Rolle
spielt.
49} Vgl. ARTAPANOS, Frgt 3,20: "Chenephres sei als erster von allen Menschen an
der Elephantiasis gestorben". PLUTARCH, Quaestiones convivales 8.9,1 (MINAR
187}, nennt Asklepiades v. Prusa (1. Jhd. v.} als frühesten Zeitpunkt. Unter
den unechten Fragmenten des DEMOKRITOS wird mehrmals eine Abhandlung Über
Elephantiasis und Hydrophobie genannt; diese Andeutungen gehen jedoch wohl
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. IV. 8. 2
401
mitgeholfen; jedenfalls ist es eine interessante Berührung im
Motiv, welche zwischen Nadans und Judas' Tod in diesen späteren
Texten festzustellen ist. Wenn man bedenkt, dass beide Texte in
christlichen Kreisen des kleinasiatischen und syrischen Raumes
umliefen, ist eine Transponierung des Motivs nichts Befremdliches
mehr. Aber auch hier kann nicht gesagt werden, in welcher Richtung transponiert wurde.
So kann man - wenn auch mit grosser Vorsicht - an einem zweiten
Punkt der ntl. Schriften einen Zusammenhang mit der Gestalt des
bösen Menschen Nadan sehen.
McNEIL
hat neuestens in der urchristlichen Literatur eine dritte
Kontaktstelle zu entdecken vermeint 50 . In der Kindheitserzählung
des Thomas 51 will ein Lehrer namens Zachäus dem kleinen Jesus
die Geheimnisse des Alphabets beibringen. Nachdem er ihm "alle
Buchstaben vom A bis zum 0 in langer Aufzählung und eindringlich"
vorgeführt hat, blickt ihn Jesus an und sagt : "Wenn du selbst
nicht einmal das A seinem Wesen nach kennst, wie willst du andere das B lehren? ••. Darauf fing er an, den Lehrer über den
ersten Buchstaben auszufragen, und er vermochte ihm nicht zu erwidern" (6,3). Die christologische Evidenz, die dem Lehrer in
seiner schmählichen Situation dann aufgeht, ist : "Dieses Kind
ist nicht erdgeboren. Das kann auch Feuer bändigen. Es ist wohl
gar vor der Erschaffung der Welt gezeugt worden !" (7,2; vgl.
7, 4) •
Diese alte Erzählung, die schon IRENAEUS, Adv. haer. 1.20,1
(KLEPPA 62), kannte, soll nun syrAch 33,137Parr zur Quelle haben52 :
Mon fils, on a conduit le loup a l'ecole pour l'y
instruire. Le maitre lui dit alors : Dis A; alors
auf BOLOS v. Mendes (3. Jhd. v.) zurück (vgl. DIELS, Fragmente der Vorsokratiker II, 215f.). Siehe auch PREUSS, Biblisch-talmudische Medizin 217 (zur
"Auftreibung des Leibes") .
50) Jesus and the Alphabet 126ff.
51) HENNECKE/SCHNEEMELCHER I, 294f.
52) Vgl. Cambr. -Ed. 127 (syr); 160 (arab); 54 (arm). Ich habe den neusyrischen
Text in der Uebersetzung von NAU, Histoire 252, Anm. c, gewählt, weil dort
das Wortspiel am deutlichsten ist.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
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Kap. IV.8.2
le loup repondit et dit : Agneau. Ensuite le maitre
lui di t : Dis B; alors le. loup di t : Brebis. Il dit
ce qui etait dans ses pensees.
Die verbindende Gemeinsamkeit der beiden Texte stelle "the radical dissimilarity" (128) zwischen Lehrer und Schüler dar. Beide
Male will der Lehrer die Buchstaben beibringen, beide Male enthÜllt sich der Schüler als Wesen einer ganz anderen Grössenordnung. Auf dieser Abstraktionsstufe mag das stimmen, doch darf
nicht übersehen werden, dass die Episode bei Thomas erzählerisch
ganz anders läuft. Beeinflussung muss aber auf der Ebene der
konkreten Erzählung nachgewiesen werden. Strukturelle Parallelität bedeutet ja keineswegs quellenmässige Abhängigkeit.
Zusammenfassung
Das Logiengut von aramAch und den orVers kann
dazu dienen, ntL Jesusworte besser im weisheitliehen Kontext
zu .situieren und in 'ihrer Eigenart zu erkennen. Der älteste Beleg von der zum Himmel
e~höhten'Weisheit'
im jüdischen Bereich
(aramAch 54,1; Kap. 8.1, Beispiel 2) ist sowohl für die Verbindung von Weisheitswort und Weisheitsspekulation wie auch für die
Frage nach der personifizierten'Weisheit' interessant, welche
beide in der Quelle Q bedeutsam sind. Direkte Abhängigkeiten
lassen sich .aber nicht feststellen. Nur im Gleichnis vom bösen
Knecht und in den späteren Ausmalungen des Todes des Judas (Papias, arm., altgeorg. Version von Apg 1,18) spielen wahrscheinlich Erinnerungen an die Achikarerzählung, besonders an die Gestalt des bösen Nadan mit. Vielleicht besteht auch zwischen dem
Wort vom Schwein (Kap. 8.2, Beispiel 2) und 2Petr 2,22, und
zwischen der Parabel von der unfruchtbaren Dattelpalme und
derjenigen vom unfruchtbaren Feigenbaum (Beispiel 4) ein motivgeschichtlicher Bezug.
Die gattungsmässige Aehnlichkeit, die zwischen den Evangelien
und der Achikarerzählurig besteht53 , weist von der formalen Seite her auf die beidseitige gemeinsame Beheimatung in der erzählenden Li;teratur des vorderen Orients hin, innerhalb der die
genannten inhaltlichen Bezüge verstehbarer und kohärenter werden.
53) Hervorgehoben von GRESSMANN, Vom reichen Mann und armen Lazarus 4; SCBMIDT,
Die Stellung der Evangelien in der allgemeinen Literaturgeschichte 63ff.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
9,
ACHIKAR IM RABBINISCHEN SCHRIFTTUM
Es ist ein erstaunliches Faktum, dass die "Geschichte" Achikars
ausser bei Tob im frühjüdischen und rabbinischen erzählerischen
Schriftturn keine.direkten Spuren hinterlassen hat 1 • Kaum eine
andere Randgestalt der biblischen Traditionen hätte sich durch
ihre Herkunft besser dazu geeignet, die Übergrosse Weisheit des
Volkes Israel vor den angrenzenden VÖlkern Assyriens und Aegyptens zu vertreten als die im antiken Leben so weit verbreitete
und in beiden genannten Ländern bezeugte Gestalt des-weisen
Achikar. Aber die Geschichte vorn treuen Vasallen, der um seinen
eigenen Nachfolger bemüht ist, dessen Intrigen zwar zuerst erliegt, darauf aber urnso siegreicher wieder in die Dienste des
KÖnigs eintritt und dessen politische Interessen im Ausland
(Aegypten) vertritt und wahrt - diese Geschichte konnte in der
letztlich religiös interessierten Literatur des Frühjudenturns
nie heimisch werden. Tob gelang eine Interpretation der Achikargestalt nur, indem er sie -mit einiger MÜhe - zum Typus des
gerechten Juden in der Diaspora urnrnodellierte und die ganze farbigere Seite der Weltweisheit Achikars vernachlässigte. Und diese doch recht blutleere Gestalt hatte nicht mehr die Kraft, eine
volkstümliche Traditionsbildung oder mindestens eine apologetische Ausrnünzung 2 hervorzubringen. Andere zentralere Gestalten
1) Vgl. GUTMAN, Art.: Achikar, Encyclopaedia Iudaica 1 (1928) 726f.; GASTER, Contributions 317. Das gilt auch für die islamische Literatur, vgl. NOELDEKE, Untersuchungen 25. Ob FRAYHA, AhLqär (Publications of the Faculty of Arts and
Sciences, Syria:n Protestant College, Oriental Series 40), Beirut 1962, diesen
schlecht erforschten Aspekt weiterführend behandelt, ist mir unbekannt, da mir
sein arabisch geschriebenes Werk unzugänglich war. Zur seltsamen Gestalt des
Lokman in der 31. Sure des Korans, vgl. HARRIS, Cambr.-Ed. LXXIV-LXXXI; NAU,
Histoire 68-72.119-133; auch LEROY, Vie, Preceptes et Testament de Lokman
225. Für die Behauptung von NAU, dass Mohammed in seinem freizügigen Gebrauch
von jüdischen und christlichen Legenden auch den Achikar Übernommen und in
Lokman umbenannt habe, fehlen beweiskräftige Texte; vgl. die Diskussion und
das Urteil im grossen Kommentar von SI BOUBAKEUR ~ZA, Le Ceran II, 828-832,
und 836 (zu Vers 18: "le mystere de Luqm§n demeure entier").
2) Ih syrAch 1,3-5 des Berliner-Manuskripts ist ja ein Ansatz zu monotheistischer
Propaganda vorhanden, die sich allseitig mit der Übrigen Erzählung stösst. Ohne HALEVY's tendenziöse Interpretation (s. o. Kap. 6, Anm. 31) zu übernehmen,
(403)
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Kap. IV.9, Punkt 1
der biblischen Tradition,Henoch, Abraham, Josef, Mose und Salomo,
liefen ihm in dieser Zeit den Rang ab 3 • Mit der oberflächlichen
Judaisierung verlor Achikar als Einzelfigur seine Attraktivität,
ganz im Unterschied zur Entwicklung im griechischen Bereich, wo
Achikar in der gründlicheren Adaptation auf Aesop seine Lebenskraft und Farben zu behalten vermochte.
Trotzdem sind auch in den rabbinischen Schriften Berührungspunkte
zu den Weisheitsworten Achikars zu finden. Mehrfach schon wurde
von Autoren auf paralleles Spruchgut hingewiesen 4 , doch sind wir
damit auf noch schwierigerem Boden als bei den vorausgehenden,
zeitlich immerhin näher beisammen liegenden Vergleichungen.
GASTER vermutet viel unbenutztes Vergleichsmaterial in der
hebräischen Parömiologie und verweist dann auf AbRN (s.o. Kap.
III. 2) und die allerdings späten Werke
llil l1
lltl/VO
und Pirqe
deR. Eli'ezer (beide 9. Jhd. n.). Keine seiner Parallelen hat
aber irgendwelchen spezifischen Wert für den Beweis seiner Ansicht, dass Achikars Lehren "undoubtedly -is an imitation of
those old 'Wills'" 5 • Auch HALEVY benutzt fortwährend die rabbinischen Schriften, um aramAch und die orVers in einen jüdischen
Kontext zu verankern 6 • -rm unendlichen Material der beiden Talmude und des haggadischen Schrifttums liegen bestimmt noch viele weitere Parallelen verborgen, welche ein Geflecht vielseitiger Bezüge sichtbar machen könnten. Als ausgewählte Beispiele
seien nur folgende, nähere Verwandte angeführt :
1) syrAch 19 (C)
= GenR
44,2 : R. Levi (Pal., um 300 n.) sagte
Solange die Sandale an deinem Fuss ist, tritt nieder
den Dorn !
könnte man darin ein spätes Relikt aus der jüdischen Umformung der Achikartraditionen sehen. Vgl. auch 4Q OrNab, s_. o. Kap. I.3, TEXT 65.
3) Siehe bes. bei Kap. II.
4) NAU, Histoire 66f.; GINSBERG, Art.: Ahikar, The Jewish Encyclopedia 1 (1901)
289b; GASTER, Contributions 317; HALEVY, Les nouveaux pap. 37-78.153-164. Die
beiden jüdischen Werke von YELLIN, c~nn ,p,n~ ,~o, Berlin 1923, und MASSEL
(~tO), The Story of Ahikar, New York 1904, sollen weiteres Material bieten,
waren mir aber ebenfalls nicht zugänglich.
5) Contributions 317.
6) Siehe ,Anm. 4.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. IV.9, Punkte 2-6
2) syrAch 58 (vgl. aramAch 55,1.2 <Gr:29.30>; Sir 22,14f.)
bBB 98b vermeint Sir zu zitieren, nimmt aber die parallele Formulierung aus Achikar auf :
So heisst es auch im Buch Ben-Sira : Alles wog ich
auf der Waage und fand nichts leichter als Kleie;
leichter als Kleie ist ein Bräutigam, der im Haus
seines Schwiegervaters wohnt; leichter als ein solcher Bräutigam ist ein Gast, der einen anderen Gast
mitnimmt; und leichter als ein solcher Gast ist derjenige, der antwortet, ehe er noch hörte (dann folgt
Zit. von Spr 18,13).
Vgl. bJeb 52a, wo Rab = Abba Arikha (Bab. gest. 247)
die Strafe der Geisselung für einen solchen Bräutigam
verhängt.
Vgl. oben S. 360.
3) syrAch 68 zitiert das gleiche Volkssprichwort wie KohR 4,6 § 1:
Besser ist ein gefangener Vogel als hundert fliegende.
4) syrAch 83b (vgl. Sir 4,26b)
: In GenR 44,15 tradiert R. Abba
b. Kahana im Namen seines Freundes R. Levi (Pal., um 300 n.) einen ähnlichen, aber zum Zweizeiler ausgestalteten Spruch :
Wer der Welle zu widerstehen trachtet,
wird von ihr weggeschwemmt;
wer sich aber vor ihr biegt,
wird nicht von ihr weggeschwemmt.
Vgl. o. S. 384.
5) syrAch 84 : vgl. die Alexanderlegende in bTam 32b, wo ebenfalls vom unersättlichen Auge gesprochen wird; das _Bild ist
schon in Spr 27,20b; Koh 1,8 (s.o. S. 384) belegt.
6) syrAch 122f.
(= 126)
vgl. bSanh 39b und GenR 5,9
7
Als das Eisen erschaffen wurde, begannen die Bäume
zu zittern. Da sagte es zu ihnen : Warum zittert
ihr ? Lasst nicht zu, dass euer Holz in es (scl.
das Eisen) eingeht (scl. um ein Beil zu bilden) ,
7} NIDITCH, A Test Case for formal Variants in Proverbs 192ff., hat diesem Einzelwart eine Detailanalyse gewidmet. Sie versucht, bSanh 39b wegen seiner
Ökonomischen Syntax, seiner Silbenwahl und Akzentsetzung als alte mündliche
Tradition aufzuweisen, von welcher syrAch sich schon weiter entfernt habe. Die
Nennung von "Holzfällern" sei zudem eine sekundäre Verbindung von syrAch mit
der Achikar-Geschichte, welche mit Recht auch in der armenischen Parallele
fehle.
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Kap. IV.9, Punkt 7
406
und keiner von euch kommt zu Schaden.
Vgl. o. S. 342: die BABRIUS-Fabel Aes 302 und 303.
Dass in diesen ausgewählten Beispielen echte
inhaltliche Kon-
taktpunkte zwischen den Achikartraditionen und dem rabbinischen
Schrifttum vorliegen, ist wohl unzweifelhaft, obwohl die verschlungenen Wege, auf welchen es zu diesen Verbindungen kam,
unerkennbar sind.
An zwei Stellen im babylonischen Talmud lässt sich jedoch eine
Abhängigkeit von älteren Aesop/Achikar Traditionen aufweisen.
Die dramatische Szene ist bei beiden Texten dieselbe : Es geht
um den Rätselwettkampf von R. Jehoschuac b. Chananja (Tann. um
90 n.) mit den Weisen des Athenäums (bBek 8b-9a) und denjenigen
Aesop/Achikars mit dem ägyptischen Pharao (VitAes 112-123; syrAch 27-32Parr), den wir oben Kap. II.3.1.4 als Gesamttext schon
dargestellt haben:
7) VitAes 105 Par syrAch 16,3,
vgl. bBek 8b : In VitAes 105 8
gibt der Pharao Nektanebo dem babylonischen KÖnig Lykurgos
(G.W; bei Pl : Lykeros) den Auftrag :
otuooouncra~ nupyov UnTE Yn~ UnTE oDpavoO &nTbUEVOV.
In syrAch 16,3 verlangt der "König von Aegypten" :
Ich habe vor, eine Festung
zu bauen. Schick mir einen
tekten, dem ich dies alles
ihn (zudem) fragen, und er
zwischen Himmel und Erde
weisen Mann, einen Archiauftragen kann; ich werde
soll mir antworten können.
Dazu findet sich nun in bBek 8b folgende Parallele : R. Jehoschua'
b. Chananja (Tann., um 90 n.) löst in Rom die Fragen des Kaisers
(Hadrian) nach der Tragzeit der Schlange anders (7 Jahre) als
die Weisen von Athen (3 Jahre). Wie der Kaiser den Jehoschuac
auf die Weisheit der atheniensischen Weisen aufmerksam macht,
bekommt er die stolze Antwort
1n~~j~O
lj~o~~n
lj~
Wir sind weiser als sie.
8) AesAch ist der älteste verfügbare Text, da aramAch und dernAch fragmentarisch
sind.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. IV.9, Punkt 7
407
Um dies unter Beweis zu stellen, erklärt sich Jehoschuat bereit,
in den unzugänglichen Ort jener Weisen einzudringen, ja sogar,
jene höchstpersönlich herbeizuschaffen. Mit verschiedenen
Schlichen kommt er in das "Athenäum" hinein und stellt sich
dann vor :
,n~K
~~~~~~o
Kno~n
~Kiln~i
KO~~n
IO)~o~
K~~vj
Der Weise der Juden bin ich,
ich möchte meine Weisheit durch euch vervollkommnen.
Im langen Rätselraten, das darauf folgt, wird Jehoschuar unter
anderem auch die Aufgabe gestellt
KO~Vi
KI~IKj
Kn~j
~~
~~j
Bau uns ein Haus in der Luft der Welt !
Was Achikar mit seinen beiden dressierten Adlern und Sklaven
doch recht mühevoll zustande bringt (vgl. syrAch 25,2-4;
26,3-4; 30,6-11) 9 , vollbringt Jehoschuac mit genialer Einfachheit und ohne jegliche Vorbereitung :
tltt/ lOK
K~IK~
K~~~~
nv~vl
~~j~~
Er sprach den Sehern (=Gottesnarnen).
~~j
K~n
Hängend zwischen Firmament und Erde
'ln~
lOK
rief er ihnen :
~~
lv~bK
Bringt mir Ziegelsteine und Mörtel
Diese Transponierung ist bestens gelungen, da sie die detailreichen Schilderungen aus VitAes und orVers gerade dadurch auf
eine konzentrierte Formel bringt, dass sie sie in den Kontext
jüdischer Magie und Apologetik einordnet.
Unsicher ist, ob sich die Redensart von einem in der Luft schwebenden Turm (vgl. aesAch : nÜpyo~) ebenfalls mit diesen verschiedenen Geschichten zusammenhäng.t :
Im Anschluss an Jes 33,18 ("Wo ist der Zählende, wo ist der
Wägende, wo ist der, der die Türme abzählt ?") 10 fragt R. Jizchaq
9) Aesop nimmt zu den vier lebendigen Requisiten noch ~'EPUL napao~Eual TIOAAal
npO(; ~a"~.TtATl[;Lv (G.W) mit !
·
.
10) Jes 33,17-24 ist ein Prophetenwort wohl aus persischer Zeit. Vers 18 bedeutet:
Wo ist der Feind, der einst die Steuergelder zählte, das Bruchsilber abwog
und die Türme kontrollierend zählte, "um Neubauten zu Verteidigungszwecken zu
unterbinden" ? (FOHRER, Das Buch Jesaja II, 124).
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Kap. IV.9, Punkt 7
(Tann., um 150 n.)
Wo ist der, der die Buchstaben der Tora zählt ?
Wo ist der, der alles Schwere und Leichte wägt ?
<"Wo ist der, der die Türme abzählt ?"> d.h.
n1p1b~ n1~~n n1xo w~w
i~1X~ Mi1~n ~,)00
der 300 präzise Halachot über einen in der Luft
schwebenden Turm (aufzählt) ?
Rabbi (Tann., gest. 217; nach bChag 15b: R. Abbi) sagte: Doeg
und Ahitofel stellten 400 Fragen auf den in der Luft schwebenden
Turm, und keine einzige wurde gelöst. Raba (Bab., gest. 3'52)
sprach : Ist etwa das Stellen von Fragen etwas Grosses ? 11
Dass der "Turm" von Jes 33,18 in der rabbinischen Anwendung des
Verses auf die Tarainterpretation zum "in der Luft schwebenden
Turm" wird, hat schon den Auslegern des Talmuds 12 Schwierigkeiten bereitet. Es ist wohl naheliegend, diesen Ausdruck als
Re~
miniszenz aus den Aesop/Achikar/Jehoschuac - Traditionen zu verstehen. Er bedeutet allerdings dann nur mehr : etwas äusserst
Schwieriges, eine ganz subtile Sache u. Aehnliches.
Die Sage vom weisheitliehen Kampf Jehoschua's mit den Athenern
(bBek 8b-9a) stammt aus den babylonischen Schulen und muss
.. d at1ert
.
rec h t spat
werden 13 , wenn auch die Rahmenhandlung (Reise nach Rom) auf ein historisches Ereignis um 95 n. hinweist,13 a
und das grausame Ende der Sage.ein kosmologisches Prinzip 14
benutzt, welches Jehoschuac und sein Zeitgenosse Eli'ezer b.
Hyrkanos vertraten.
11) bSanh 106b Par bChag lSb.
12) Vgl. deren Versuche bei ABRAHAMS,
Sanhedrin 727, Anm. 8.
~agigah
99, Anm. 6; SHACHTER/FREEDMAN,
13) BACHER, Die Agada der Tann. 167, Anm. 1; MEISSNER, Das Märchen 17f.
13a)Vgl. HERR, The Historical Significance of the Dialogues 137ff.
14) Die beiden Rabbinen nahmen im Ozean eine Stelle an, welche das Wasser verschlingt. Am Schluss unserer Sage lässt Jehoschua'seine mitgeführten Athener
so lange Wasser in ein Fass schöpfen, in welchem solch wasserverschlingendes
Wasser ist, bis ihre Glieder ausgerenkt sind und sie jämmerlichst zugrunde
gehen. Vgl. BACHER, Die Agada der Tann. 79f.l31-133.165-169.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. IV.9, Punkt 8
8) syrAch 30,22.29,
409
vgl. bBek 8b Par KlglR I.l,8 : Auf eine
Vorgeschichte des Rätselwettkampfes, besonders im dabei gebrauchten Spruch- und Rätselgut, verweist auch die nächste Parallele
im gleichen Text bBek 8b, von welcher wir eine alte palästinische Version inKlglRI.l,8 kennen 15 . Nach bBek 8b verlangen die
Athener in einer weiteren Rätselaufgabe von R. Jehoschuat :
~~~~ni
~~n~1
17
cn~~>
.n~l!l~~n
~iil
i"!)~n
~7
lili~
in~
Wir haben eine zerbrochene MÜhle,
näh sie zusammen !
Er erwiderte: Dreht mir daraus Fäden,
so will ich sie zusammennähen.
In KlglR I.l,l-19, wo die Aussage von Klgl l,lb Über Jerusalem :
"Sie war gross unter den VÖlkern" im Sinne intellektueller Grösse ausgelegt und ansebliessend mit 17 Beispielerzählungen illustriert wird, lautet das sechste Beispiel I.l,8 :
Ein Athener kam nach Jerusalem. Er fand einen MÖrser,
welcher weggeworfen worden war <,denn er war zerbrochen>.
Er hob ihn auf, brachte ihn zu einem Schneider und
sagte : Näh mir diesen zerbrochenen MÖrser ! Dieser
nahm eine Handvoll Sand und sagte : Dreh mir dies zu
Fäden, dann will ich ihn nähen !
In syrAch 30,29 verlangt der Pharao als letzte Probe ebenfalls,
dass Achikar ihm einen MÜhlstein nähe, worauf dieser einen Mörser
nimmt und den Pharao bittet, daraus Fäden zu verfertigen; er
selbst habe sein Schuhmacherzeug in Babylonien gelassen. Dies
entspricht genau der Antwort Jehoschuacs. Das· Gegenrätsel, das
der gewitzte jerusalemische Schneider stellt, nämlich aus Sand
Fäden herzustellen, entspricht syrAch 30,22, einer weiteren
Rätselfrage des Pharao, Über welche Achikar zuerst stolpert
(23f.) und erst nach einer in Meditation verbrachten Nacht (24)
eine reichlich komplizierte Antwort hervorbringt (26f.). In
KlglR I.l,8 sind also die beiden letzten Proben des syrAch in
einer einzigen Szene vereint. Da jedoch syrAch 30,22-30 bei
15) Zur Datierung von KlglR: STRACK, Einleitung 212. BACHER, Les Atheniens a
Jerusalem 83f.; Alter jüdischer Volkswitz 69, geht mit der Datierung allerdings bis in die Zeit zurück, "oil Jerusalem etait encore la celebre capitale,
le veritable centre du Judaisme .•. " (83), also in hasmonäische Zeiten! Vgl.
auch FISCHEL, The Transformation of Wisdom in the World of Midrash 77.
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410
Kap. IV. 9, ZUsammenfassung
aes, dem und arCUliAch fehlen, kann das Problem der Abhängigkeit
zwisch~n
den rabbinischen Texten und den Achika.rtraditionen
nicht entschieden werden. Die inhaltliche Verwandtschaft bleibt
aber unzweifelhaft.
Zusanimenfassend lässt sich sagen : Im rabbinischen Schrifttum
finden sich neben Tob die deutlichsten Anzeichen der Präsenz
von Achikartraditionen und zwar sowohl aus dem Logien- wie aus
dem Erzählteil. Die ntl. Andeutungen werden dadurch auf einen
noch bescheideneren Platz verwiesen. Es macht den Anschein, dass
die Entstehung der jüdischen Haggada in einen Prozess eingebunden war, in welchem auch die Ausgestaltung der Achikartraditionen zu den phantasievollen orVers standen. Es ist dies der auf
vielen Wegen laufende Prozess der Verarbeitung altorientalischer,
biblischer, frühjüdischer und griechischer Weisheitstraditionen
zu je eigenen, völkisch geprägten Lehrerzählungen. Hatte die
spätbiblisch-frühjüdische Weisheit jedoch für Achikar eine Mittlerrolle inne (s.o. Kap. 7), so stehen wir mit den beigezogenen
rabbinischen Texten in Gleichzeitigkeit zu den orVers. Die Transposition der Motive in rabbinisch-jüdische Denkart ist vollzogen
Achikar existiert als Gestalt nicht mehr; er ist längst in den
Taten und Sprüchen von diesem oder jenem Rabbinen zu jüdischem
Gut geworden. Die Tradierung der eigentlichen Achikar-Erzählung
ist anscheinend ganz in nicht-jüdische Hände geraten. Das mag
die völlige Abwesenheit Achikars als eines Helden in.der jüdische
Haggada letztlich erklären.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
10,
ZUSAMMENFASSUNG
a) Die alten Achikartraditionen als Texte, Notizen, Zitate und
Zweitverarbeitungen bilden ein eindrucksvolles Geflecht Über
den ganzen antiken Vorderen Orient und über das antike Griechenland. Tab. 8 fasst die in Kap. V
herausgehobenen Bezugspunkte
noch einmal bildlich zusammen. Achikar ist in all diesen Formen als zum Erzählgut der Antike gehörig erwiesen, und kann somit auch als Faktor in die Geschichte der frühjüdischen Weisheit
einbezogen werden.
b) Die Logienstücke haben sich wiederum - und hier auf eindrücklich nachkontrollierbare Weise - als das mobilste Element erwiesen, in welchem sich die Eigenarten der verschiedenen Rezensionen am deutlichsten spiegeln. Um die Gestalt Achikars
(-Ae-
sops) konnten sich so verschiedene Logiensammlungen wie die aramäische Weisheitslehre, ein demotischer Untertanenspiegel, eine
Auslese aus den Monostichen des Menander und zahlreiche orientalische Weisheitsworte zusammenfinden. Im weiteren Sinn kann man
auch die beiden Abschiedsreden in Tob 4 und 14 dazuzählen.
c) Die Präsenz Achikars im Bereich des Jahweglaubens ist auf
ganz verschiedene Weisen festzustellen : als Text in der jüdischen Kolonie von Elephantine; als frühjüdische Adaptation in
den Verweisen von Tob (auch in Qumran); in naher Verwandtschaft
mit'der biblisch-frühjÜdischen Weisheitsliteratur; als Transposition in der jüdischen Haggada; vielleicht auch in einigen
wenigen Erzählelementen des christlichen Schrifttums.
d) So begleitet die Gestalt und die Weisheit Achikars die Geschichte der frÜhjÜdischen Weisheit durch ihre wechselhaften
Bezugsfelder (spätestens) seit der Perserzeit (aramAch; Tob) bis
ins klassische jüdische Schrifttum. Er ist dabei bald Nehmer und
(411)
http://hdl.handle.net/10900/56118
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V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
412
bald Geber in einem verwickelten Wechselbezug. Bei der Konsolidierung der rabbinischen und dem Verschwinden der jüdisch-hellenistischen Literatur sondert er sich dann in seine eigene
Traditionsgeschichte ab, in welcher er nur mehr verborgen die
gemeinsame Vergangenheit bewahrt.
Mit Achikar ist der Bereich, innerhalb dessen sich die frühjüdischen "Worte der Weisen" entfaltet haben, umschrieben.
Der biblisch-jüdische Rahmen ist dabei durch die vorgeführten
internationalen Traditionsbereiche gesprengt, innerhalb welcher
die frühjüdische Traditionslinie nurmehr ein, wenn auch ein
konstituierendes Element darstellt. Während im rabbinischen
Bereich die Tradierung der "Worte der Väter" in Halacha, Haggada
und den
Derek-Ere~-Traktaten
die spezifisch jüdische Lebensart
zum Ausdruck brachten, war der für die Umwelt immer weiter sich
öffnenden Weisheitsbewegung, wie wir sie in Kap. III.4-6 dargestellt haben, die Aufnahme in die grasskirchliche und islamische Literatur beschieden. Achikar ist, als umfassender Traditionsstrom, für das Verständnis dieser beiden grossen Wege der
frühjüdischen AbYOL ao~v bedeutsam.
Die Logienkollektionen sind jedoch nicht die einzigen Texte, in denen die
Kontinuitat weisheitlieber Traditionen im Frühjudentum beobachtet werden
kann. In einem letz.ten Kapitel soll nun noch ein weiterer grosser Bereich
angeschnitten werden : Die Testamentenliteratur als typische frühjüdische
Gattung, in welcher die "Lehre der Alten" weitergereicht werden konnte.
Nach einem Ueberblick über den Bestand von Abschiedsreden in der griechischen, römischen und frühjüdischen Literatur und einigen Erwägungen zur
Gattungsfrage (Kap. V.l) sollen die weisheitliehen Paränesen und Lehrtexte
der Testamente der zwölf Patriarchen vorgestellt und situiert werden (Kap.
V.2), in welchen sich einzelne Weise oder Gruppen von Weisen frÜhjüdischer
Prägung in umrissen erkennen lassen (Kap. V.3). Die Test XIIPatr sind zwar
unter den frühjüdischen Pseudepigraphen in vielerlei Hinsichten sehr kontrovers (vgl. Kap. V.2.1), sie können aber als gute Vermittler zwischen den
frühjüdischen und den christlichen Weisheitstraditionen dienen, da sie auf
der Schwelle der beiden Bereiche stehen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Geographischer und chronologischer Ueberblick Über die Achikartraditionen und -notizen
Tab. 8
Aegypten
Syr/Mesop.
Palästina
Griechenland
Deutschland
Vorlage v.
aramAch
5. Jhd.v.
I
DEMOKRITOS, zit.
v. Clemens v. Al.
aramAch
Vorlage von Tob
THEOPHRAST zit.v.
Diagenes Laertius
um 300 v.
Tablette v.
Uruk/Warka
281-261 v.
~
um 200 v.
Achikar in Tob
1. Jhd.v.
4QTobaram
63v.-19n.
Pl
'd
H
POSEIDONIOS zit.
v. Strabo
<:
I-'
0
STRABO zitiert
Poseidonios
1 Jhd.n.
aesAch
dernAch
ntl. Parr ?
um 200 n.
I
um 300 n.
CLEMENS v.
Al. zit.
Demokritos
BABRIUS-Notiz
syrAch
talmud.Parr
talmud.Parr
DIOGENES LAERTIUS
zit. Theophrast
MONNUS-Mosaik
orVers
6.Jhd.n. (?)
Ma~J:lafa
~abibän
faläsfä
(arab.
Vorlage)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
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I-'
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
V. WEISHEITLICHE PARAENESEN UND LEHREN
IN DEN TESTAMENTEN DER ZWOELF PATRIARCHEN
1.
DAS LITERARISCHE TESTAMENT ALS SPEZIFISCH
FRUEHJUEDISCHE GATTUNG PARAENETISCHER TENDENZ
1.1 Das literarische Testament in der griechischen und römischen Literatur
Das Testament als juristisches Dokument zur Regelung von Erbschaftsangelegenheiten war im Altertum weit verbreitet und
bildete ein eigenes
langes Kapitel im antiken Privatrecht 1
Die Umgestaltung dieses Rechtsdokumentes zu einer literarischen
Kunstform lässt sich jedoch nur an äusserst seltenen Punkten
der·Literaturgeschichte des Altertums, und dann erst noch nur
spurenhaft, erfassen. Die sogenannten "Philosophentestamente"
von Plato, Aristoteles, Theophrastos, Lykon, Straton und Epikur,
2
welche Diogenes Laertius zusammengestellt hat , sind ja keineswegs "philosophische Testamente", sondern bringen durchwegs Bestimmungen zur Verteilung der zum Teil nicht unbeträchtlichen
Güter der alten Philosophen. Jene sind zu den juristischen Texten zu zählen und fallen hier nicht in Betracht.
1) KASER, Das römische Privatrecht I, 678-693; LOHMEYER, Diatheke 11-32; KUEBLER,
Art.: Testament, iuristisch, PRE 2. R. 5 (1934) 966-1010; BEHM, Der Begriff
aiAaHKH im Neuen Testament 5-16; Art.: öLaanxn (B), ThWNT 2 (1935) 127f.;
auch BILLERBECK III, 545-553.
2) Vit Phi1 3,41-43; 5,11-16.5~-57.61-64.69-74; 10,16-21 (LONG I, 138f.201ff.
225ff.23off.; II, 501-504); vg1. LOHMEYER, Diatheke 18, Anm. 3.
(415)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
416
Kap. V.l.l
In der griechischen Literatur ist die erste Transponierung der
juristischen 6~a8nxn auf die literarische Ebene in der ersten
Hälfte des 3. Jhd.s v. zu finden 3 . MENIPPOS von Gadara (4./3.
Jhd. v.), der leichtfüssigste Vertreter kynischer Schriftstellerei4, nahm seriöse Literaturformen seiner Zeit so in den
Dienst seiner kynischen Kritik, dass daraus deren pervertierte
Gegenbilder entstanden. Aus den platonischen Dialogen wurden
"Totengespräche"
(vE'xu~a),
aus den kunstvollen Episteln "Götter-
briefe". Das dritte Genus, dessen sich Menippos nach Diegenes
Laertius bediente 5 , waren die 6~a8nxa~. Sie haben wohl in der
gleichen Absicht die Rechtsform des Testaments aufgenommen und
in den ernsthaft-kornischen Stil der philosophischen Posse
(onou6a~o-yEAo~ov)
gekleidet. Die Form des Testamentes ist
hier also das spielerische Gewand für eine Parodie der Philosophentestarnente, oder eher noch eine kynische Verulkung irgendwelcher Gesetze 6 •
Das nächste Beispiel liegt schon jenseits der Zeitenwende. Der
Wanderprediger und Wundertäter APOLLONIUS von Tyana 7 , ein
Zeitgenosse Jesu und des Apostels Paulus, habe vor seinem Tod
3) DEINARCHOS (ca. 360-290 v.) spricht in seiner Rede gegen Demostheues von geheimnisvollen, vom Synedrion behüteten ö~aönMa~ , in denen das Heil des Staates begründet liege: -ro llE\1 yap cruveoöp~ov •.. , '6 cpuJ..6.-r-rE~ -ras; &noppn-rous; ö~a
önMa~,
at~; -ra -rn~: n6AEWG crw-rnpCa MELl:a~" (Or 1,9; BLASS 4f.). In diesen
ö~aöT\Ma~ sind aber mit LOHMEYER, Diatheke 34, weniger die letzten Weissagungen
eines unbekannten Sehers über die Geschicke Athens, als "vielmehr allgemein
... geheimnisvolle Verfügungen oder Vorschriften religiösen Charakters" zu sehen. Man kann hierin jedoch eine erste Ausweitung des Begriff ins Literarische
sehen, wenn tatsächlich ö~aönMas; den Varianten &noönMas;undönMas; vorzuziehen
sind; vgl. BEHM, Der Begriff 12, Anm. 2.
ev
4) SCHMID/STAEHLIN, Geschichte der griech. Lit. II/1, 88-90; HELM, Art.: Menippos
(10), PRE 15 (1931) 888-894; DUDLEY, A History of Cynicism 69-74. HENGEL, Judentum und Hellenismus 153, sieht in Menippos "ein Beispiel dafür, wie vollständig sich Semiten schon damals griechischem Wesen assimilieren konnten".
5) VitPhil 6,101 (LONG II, 293"): Ta ö'o?;v -rou Ku\/~MOU ß~ßA.La tcri\. ÖEMa-J:p(a· NeMU~a, ß~aönMa~,'EnCcr-roJ..aL MEMOll~EUllE\/a~ &no -rwv öEwv npocr~nou ..•
6) DUDLEY, A History of Cynicism 72: "The ß~aöT\Ma~ (Wills or Testaments) may have
been parody of the Wills of Philosophers; er more probably pieces of humorous
legislation like the decree proposed against the rich by Skull the son of
Skeleton of the deme Cadaver in Lucian's Menippus (Men 20) and the resolution
to exclude undesirable aliens from Olympus in the Gods in Council (Deor. Con.
14)."
7) Neueste Monographie: PETZKE, Die Traditionen über Apollonius von Tyana (238250:ausführliches Literaturverzeichnis); vgl. REITZENSTEIN, Hellenistische
Wundererzählungen 39-54; NORDEN, Agnostos Theos 35-55 und 337-346 (Anhang III:
Zu Apollonies von Tyana); LEIPOLDT/GRUNDMANN, Umwelt I, 75f.; II, 69f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
417
Kap. V.l.l
6La3nxaL niedergeschrieben, wie sein Biograph Flavius Philostrates II (ca. 170-244/9 n.) berichtet 8 . Diese Testamente sind
wegen der persönlichen Besitzlosigkeit des Appollonius sicher
geistige Vermächtnisse gewesen und stellten wohl eine eindringliche Zusammenfassung seiner "monotheistischen Frömmigkeit und
••. im Dienste der Zurüstung der Seele auf Übersinnliche Erlebnisse stehenden ..• Askese" 9 dar. Die schon bald einsetzende
Verehrung als Gott oder Heros, die nach dem Tod dieses 3Eto~
&vnp festzustellen ist 10 , könnten diese Vermutung bestärken.
Den dritten und für den in Frage kommenden Zeitraum letzten Beleg eines literarischen Testamentes bringt Lukianos von Samosata
(ca. 120-180 n.) von PEREGRINUS PROTEUS (geb. ca. 100 n.)
11
, der
sein Leben als kynischer Wanderprediger, zeitweiliger Christ und
antirömischer Agitator durch freiwillige Selbstverbrennung an
den olympischen Spielen des Jahres 165 n. beendete. Vorher versandte er noch an "alle bekannten Städte so etwas wie Testamente,
Ermahnungen und Vorschriften als Sendschreiben" 12 .Da die von VOELTER vorgebrachte These, diese Briefe seien pseudonymisch in den
Abschiedsbriefen des Ignatius von Antiochien erhalten, nicht
haltbar ist, kennen wir auch von Peregrinus Proteus keine Schriftzeugnisse13
Da die 6La3nxaL aber mit anderen Schriften lehr-
haften Charakters genannt werden und wie diese für mehrere Städte
8} PHILOSTRATOS, Vita Apollonii 7,35 (KAYSER I, 269}: ~nOAA~VLOG 6E -~G utv 6La~nKaG •ttG tau•oQ •~v 0 I~VLOV ~PUEVEUEL •p6nov ... Die von NAU, Apotelesmata
Apollonii Tyanensis 1372-1391, vorgeschlagene Identifizierung dieser 6La~nKaL
mit dem TestAdam wurde von keinem weiteren Autor Übernommen; vgl. DENIS, Introduction 11.
9} LEIPOLDT/GRUNDMANN, Umwelt I, 370.
10} Belege bei MILLER, Art.: Apollonies (98}, PRE 2 (1895} 147.
11} LUKIANOS gibt in seiner Schrift über Peregrinus ·(s. Anm. 12} eine bösartig
karikierende Darstellung von Leben und Tod des Kynikers, mit der als Gegenbild die kurze, durchaus wohlwollende Beschreibung des Peregrinus als sokratischen Weisen von AULUS GELLIUS, Noctes Atticae 12,11 (MARSHALL II, 375f.},
zu vergleichen ist; s. DUDLEY, A History of Cynicism 170-182.
12} LUKIANOS, De Peregrini morte 41 (SCHWARTZ 82; vgl. 112}: ~aal 6t n~craLG OXE6Öv •aLG gv66EOLG nbAEOLV gnLO,OAdG OLanEU~aL aÜ<Öv OLa~nKaG 'LV~G Kal napaLv{craLG Kal v6uouG (vgl. MRAS 502f. : "sein Testament"}.
13} Ignatius- Peregrinus 301-320, bes. 310ff.; vgl. LIGHTFOOT, Apostolic Fathers
II/1, 428-430; weitere Diskussion bei VON FRITZ, Art.: Peregrinus (16}, PRE
19 (1937} 656-663, bes. 662f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
418
Kap. V.l.l
bestimmt waren, konnten es nicht testamentarische Bestimmungen
gewöhnlicher Art sein. Sie müssen vielmehr ebenfalls als geistige Vermächtnisse verstanden werden 14 •
Griechische Testamente literarischer Art sind somit nur sehr
schwach zu belegen und zudem sind sie nur in Testimonien späterer Schriftsteller erhalten geblieben 15 • Es handelt sich, ausser
bei der satirischen Verzerrung des Menippos um zwei echte, literarische Vermächtnisse von Wanderpredigern, die ihre Botschaft
auch nach ihrem Tod weitergegeben wissen wollen.
Die lateinische Literatur hat sich, meiner Durchsicht noch weniger
aufschlussreich gezeigt. HERRMANN hat zwar'versucht, das sogenannte "testamentum porcelli" in den Beginn der christlichen
Zeitrechnung zu datieren 16 • Dieser von HIERONYMUS erwähnte Studentensingsang17, in welchem ein Schweinnamens Grunnius Corocott<
kurz vor seiner Schlachtung über seine eigenen Körperteile und
sein Futter verfügt, wäre nach ihm das Werk des römischen Grammatikers Porcellus (1. Jhd.v.), der den Namen eines durch DIO
CASSIUS erwähnten 18 , berüchtigten Räubers Marcus Iulius Corocotta
zu Marcus Grunnius (=Grunzer) Corocotta verunstaltet und sein
Testament zu dessen "Ehren" geschrieben hätte ! Diese sehr hypothetische Argumentation widerlegte BOTT, der das "Testament des
Schweinchens" (=Porcellus) aufgrund sprachlicher und juristischer
14) Vgl. LOHMEYER, Diatheke 33.
15) Das sogenannte Testament des Orpheus (TestOrph), das EUSEBIUS, PE 13.12,5,
als Hieros Logos des Orpheus aus ARISTOBULOS, Frgt 2(b) (DENIS, Fragmenta
163-167) zitiert, ist ein j ü d -i s c h e s Pseudepigraphen und muss deshalb
zur frühjüdischen Testamentenliteratur gezählt werden (s. u. Kap. 1.2). Das
Testamenturn Alexandri (lat. und griech; Ed.: MERKELBACH, Die Quellen des griechischen Alexanderromans 253-283) berichtet von den letzten Tagen des Herrschers und bringt dann "das angebliche Testament Alexanders des Grossen, in
welchem dieser genaue Bestimmungen Über die Verteilung der wichtigsten Reichsämter und Provinzen nach seinem Tod getroffen und verschiedene Legate ausgesetzt haben sollte" (Ebd. 166). Es handelt sich also um eine (vielleicht
schon vor 300 v. entstandene) Schrift, in welcher ein quasi-iuristisches
Testament Alexanders literarisch eingekleidet wird. - Eine Monographie über
griechische, literarische Testamente scheint es nicht zu geben.
16) Le testament du cochon 385f.
17) Commentarius in Jes. Proph. 12, praef. (CChL 73A, 465): testamenturn Grunnii
Corocottae Porcelli; Apologia adv. Rufinum 1,17 (MIGNE, PL 23,430): teetarnenturn S_uis.
18) Historia Romana 56.43,3 (BOISSEVAIN II, 554).
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. V.l.2
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Indizien in die nachklassische Zeit des Hieronyrnus (340/50-419/20)
datiert 19 • Das testamenturn porcelli ist somit eine späte Travestie
der juristischen Testamentenpraxis - ein römisches Pendant zu
Menippos.
Bei den Kodizillen des A. DIDIUS GALLUS FABRICIUS VEIENTO (1.
Hälfte des 1. Jhd.s n.), welche TACITUS, Annales 14,50 20 , erwähnt,
ist nicht zu entscheiden, "ob die Schrift ein unverhülltes Pamphlet oder eine Satire war und ob der Titel an die letztwilligen
Bestimmungen erinnern sollte oder einfach Notizbücher bedeutete" 21 •
Eine sicherere Spur ist in TERTULLIAN's orthodoxem, also noch
vor 207 n. herausgegebenem Apologeticum zu finden, wo als Beispiel dafür, dass in der heidnischen Literatur "cetera lasciviae ingenia etiarn voluptatibus vestris per deorum dedecus
operantur", ein "Iovis rnortui testamenturn recitaturn" erwähnt
wird 22 • Ausser diesem Testimonium ist aber auch von diesem
Pamphlet nichts bekannt.
1.2 Die frühjüdische und christliche Testamentenliteratur
In der antiken, klassischen Literatur ist die literarische Gattung "Testament" eher selten. Es geht somit nicht an, bei der
Behandlung der frühjijdischen und christlichen Testamente von
der "gleichen literarisch~n Manier" 23 zu s~rechen und diese
leichthin von den griechischen herzuleiten. Dazu sind die griechischen Textbelege zu kärglich. Zudem unterscheiden sich die
frühjÜdisch-christlichen Testamente in verschiedener Hinsicht
von ihren griechischen'Parallelen
19) Testamenturn Porcelli 23 u. ö.; ebenso KROLL, Art.: Testamenturn Porcelli, PRE
2. R. 5 (1934) l02of.
20) FISHER, ad loc.: Multa et probos in patres et sacerdotes composuisset iis libris quibus nomen codicillorum dederat.
21) GROAG, Art.: Fabricius (15), PRE 6 (1909) 1939.
22) Apol 15,1 (CChL 1, 113).
23) FASCHER, Art.: Testament, Altes und Neues, PRE 2. R. 5 (1934) 860.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.l.2, Ziff. a
42,0
a) Während sich in der griechisch-römischen· Literatur nur vereinzelte Belege finden
~assen,
ist im frühjüdisch-christlichen
Raum eine fast explosive Verbreitung dieser Gattung festzustellen, welche d:i,.e verschiedenen Bereiche des antiken Judentums
betraf und in der christlichen Pseudepigraphie weiterwirkte.
Der biblische Traditionsgedanke und die frühjüdische Suche nach
möglichst definitiven Auskünften und Anordnungen haben im Testament eine literarische Form gefunden, welche Vergangenheit und
Zukunft umgreift und über den Sprecher des Testaments, der gerade auf der Schwelle der beiden Bereiche steht, ·aktuelle Hinweise für Leben und Denken zu geben vermag.
Allen voran sind die zwölf öLaanxaL •~v naTpLapxwv (Test XIIPatr)
zu nennen, die in ihrer formalen Gestalt, aber auch in der Komplexität ihrer geistesgeschichtlichen Einordnung für alle beispielhaft stehen können. Ihnen ist Kap. 2 gewidmet. Das meiste,
was von den anderen Testamententexten gesagt werden müsste,
kann in Relation zu den Test XIIPatr gebracht werden. Diese
umfassen und verbinden Frühjudentum und Frühchristentum auf
analytisch nicht mehr mit Sicherheit aufzutrennende Weise und
stellen in ihrer Integrierung von Midrasch, Paränese und apokalyptischer Schau eine Summe der in den anderen Testamententexten gebrauchten literarischen Gattung dar. So ist es methodisch nicht unmöglich, das frühjüdisch-christliche Testamentenmaterial als Vorformen, Abarten und Nachahmungen der Test XII
Patr zu sehen und zu bestimmen, obwohl jedes Testament natürlich
für sich selbst untersucht werden muss.
Test
Abr~ham
und Test Salomo sind eher Legendensammlungen zu
Leben und besonders zu Sterben und Tod ihrer Hauptdarsteller
24
,
24) Von beiden Testamenten ist ein jüdischer Grundstock anzunehmen, obwohl christliche und andere Ueberarbeitungen bis hinauf ins Mittelalter festzustellen
sind; vgl. DENIS, Introduction 31-39 (TestAbr) ; 67 (TestSal: "C • est une collection astrologique, demonologique et·magique, d'origine disparate, orientale,
juive, egyptienne, hellenistique et .chretienne"); VON NORDHEIM, Die Lehre der
Alten 198-211 (TestAbr); 260-272 (TestSal); DELCOR, Le testament d'Abraham,
bes. 67-73; Bibliographie und neueste Studien bei NICKELBURG, Studies on the
TestAbr, bes. 9-22 (Bibl.); 301-340 (kirchenslav. und kopt. Vers.); SCHMIDT,
Le Testament d'Abraham (1971~ war. mir nicht zugänglich, doch vgl. die Besprechung bei NICKELSBURG, Ebd. 12-16. JANSSEN, Testament Abrahams 205-254, bietet
eine dt. Uebers. von Rez. A und B. - Editionen: TestAbr: JAMES, The Testament
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.l.2,
~iff.
421
a
während Test Ijob eine midraschartige, mit anderen Traditions-stücken bereicherte Nacherzählung des biblischen Buches darstellt25. Test Adam ist eine völlig uneinheitliche Zusammenstellung dreier Fragmente, "von denen jedes einer anderen Thematik zugeordnet ist, eine andere Form aufweist, und aus einem
anderen Interesse heraus geschrieben ist" 26 • Ein Test Mose
(= Test Protoplastorum) war vielleicht ein erster Teil eines
Mosebuches, dessen zweiter Teil dann die ~vaAn~~~ MwOaEw~
.. 27
ware
Die
ß~aanxa~
des Orpheus an seinen Sohn Musaios, in welchen sich
der mythische Weise von seinen selbst eingeführten 360 GÖttern
abwendet und sich zum einzigen und allgegenwärtigen Gott bekennt,
der "im ehernen Himmel und auf goldenem Thron sitzt und mit seinen FÜssen auf die Erde tritt" 28 , zählt als jüdische Fälschung
ebenfalls zur frühjüdischen Testamentenliteratur. Der in mehreren
Fassungen Überlieferte Text 29 hat seine älteste Gestalt in den
of Abraham 77-119 (nachgedr. bei STONE, The Testament of Abraham 2-87). Test
Sal: McCOWN, The Testament of Solomon 1*-122*.
25) Ed.: KRAFT, The Testament of Job according to the SV Text 21-87 (17-20: Annotated Chronological Bibliography, compiled by R. SPITTLER); BROCK, Testamenturn
Iobi 1-55. - Vgl. DELCOR, Le Testament de Job, la priere de Nabonide et les
traditions targoumiques 57-74; VON NORDHEIM, Die Lehre der Alten 168-191;
GLATZER, JÜdische Ijobdeutungen 31-34.
26) VON NORDHEIM, Die Lehre der Alten 239 (zu TestAdam: 238-259). TestAdam liegt
in griechischer, syrischer, äthiopischer und arabischer Sprache vor (VON NORDHEil~ lässt den griechischen Text aus); s. auch JAMES, Lost Apocrypha 2f.; DENIS,
Introduction llf.
27) Vgl. SCHUERER III, 303; DENIS, Introduction l2.128.136f.l60f. Zur neu erwachten Diskussion um TestMos, vgl. LAPERROUSAZ, Le Testament de ~oise 41-62; VON
NORDHEH1, Die Lehre der Alten 273-292, und die Beitr.äge in NICKELSBURG, Studies
on the Testament of Moses.
28) TestOrph z. 33f.
7,49.
(DENIS, Fragmenta 166); vgl. dazu Jes 66,la; Mt 5,34f.; Apg
29) FÜr die 6 vorliegenden Texte findet SCHUERER III, 599-602, drei Rezensionen,
WALTER, Der Thoraausleger Aristobulos 202-207, deren vier (Abis D) und DENIS,
Fragmenta 163-167, deren zwei (A und B); zu den ·Zitaten bei Theodoret von Kyrrhos und Kyrill von Alexandrien (beide 5. Jhd. n.), vgl. DENIS, Introduction
231.232). Die Texte sind in chronologischer Reihenfolge:
a) CLEMENS von Al., Protr 7.74,4-5
Strom 5.78,4f.; 5.123-127.133,2
b) PSEUDO-JUSTIN,
Cohortatio ad Gentiles 15
De Monarchia 2
c) EUSEBIUS (-ARISTOBULOS), PE 13.12,5
d) TÜbinger THEOSOPHIE 55f.
(10
(19+14
(21
(19
(41
(46
Verse)
Verse)
Verse)
Verse)
Verse)
Verse)
Die Verszählung geht nach der TÜbinger Theosophie, die in ihren 46 Versen alle
anderen Texte vereint. DieseKompilation liegt als Exzerpt aus einer gegen Ende
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
422
Kap. V.l.2, Ziff. a
beiden pseudo-justinischen Schriften De monarchia und Cohortatio
ad Gentiles (ca. 2./3. Jhd. n.), da der cre:po{; A6yo{; des zeitlich
vorausgehenden Aristobulos (Mitte 2. Jhd.v.) ursprünglich aus
einem anderen, kaum rekonstruierbaren Text bestand, der schon
bei Eusebius' Vorlage dem jetzigen Bekenntnis des Orpheus gewichen war 30 • Wie in vielen anderen gefälschten Versen griechischer Dichter wird auch hier
Einzigkeit, Geistigkeit, Allgegenwart und Allmächtigkeit des Schöpfergottes beschrieben 31 •
di~
Das vorliegende Stück aus den orphischen Diatheken ist deshalb
ein jüdischer, weisheitlicher Schöpferhymnus im Gewande eines
fiktiven, heidnischen Testamentes aus dem 1. Jhd. v. und verkündet mit propagandistischer Absicht jenes jüdische Grunddogma,
zu dem das Frühjudentum mit eindrücklicher Geschlossenheit gegen
die polytheistische Umwelt stand : EL!; ae:6{; 32 •
Auch bei den Essenern und in Qumran sind verschiedene "Testamente"33 belegt. Neben den beiden schon lange bekannten Fragmenten aus der Kairoer Geniza, die parallele Traditionen zum
Test Levi und zum Jubiläenbuch bieten 34 , sind in den Höhlen
des 5. Jhd.s n. vorn Manichäer ARISTOCRITUS verfassten Theosophie vor (Ed.:
ERBSE, Fragmente griechischer 'I'heosophien, bes. 15-22.1.80-182. - A~a.afhta~ ist
nur bei Pseudo-Justin, Mon 2 (VON OTTO 60: ~v ·~ A~a.aflxa~ .En~yp~o~&v~ ß~ßA.(~)
als Titel über das sonst unbetitelte Gedicht gesetzt; s. jedoch auch THEOPHILOS v. Antiochien, Ad Autolycurn 3,2 (BARDY/SENDER 206): T( yap /1xp{A.naEv •.• "'pQ:>Ea ot •p~a.x6a~o~ ~~,fxov•a. nE'v•E 8EoC, o1k a.(ho~; E:n'\. •eA.E~ •oO ßCou &.aE,d, fv
•a.~~; A~a.anxa~~; au•oO A.eyoov·· ~va. ETva.~ 8EOV ;
30) Vgl. WALTER, Der Thoraausleger Aristobulos 103-115, bes. 112ff., wo verschiedene orphische Fragmente in Erwägung gezogen werden. IhrnfolgenZEEGERS-VANDER
VORST, Les versions juives et chretiennes 500-505; HENGEL, Anonymität, Pseudepigraphie und "literarische Fälschung" 293f.
31) Besonders Pseudo-Justin, Mon 2-4; Coh ad Gent 15.18; CLEMENS, Strom 5.107-133;
Protr 6.7; EUSEBIUS, PE 13.12. - Zusammengestellt nach den Pseudonymen bei
DENIS, Fragmenta.l61-173.
32) Parallelen bei STAUFFER, Art.: 8EÖ~; (II-IV), ThWNT 4 (1942) 95-122; zur rabbinischen Literatur s. BILLERBECK II, 28ff. Vgl. auch PETERSON, E!~; 8EOC 1 276299.305ff. (epigraphisches Material), und NORDEN, Agnostos Theos 124 (literarisches Material).
33) Es muss allerdings beachtet werden, dass die folgenden Texte fragmentarisch
erhalten sind und nirgends einen Titel aufweisen. Die Bezeichnung "Testament"
haben die Fragmente nur wegen ihrer Aehnlichkeit mit uns bekannten Testamententexten bekommen (vgl. SLINGERLAND, The Testaments 108). Da jedoch das Bestehen einer frühjüdischen Testamentenliteratur nach der Untersuchung von
VON NORDHEIM, Die Lehre der Alten, nicht zweifelhaft ist, tragen die Qurnranfragrnente den ih~en beigefügten Gattungsnamen nicht zu Unrecht.
34) Ed.: COWLEY/CHARLES, An Early Source of the Test XIIPatr 566-583, = CHARLES,
Text 245.253-256 (Carnbridge Fragment); 246-250 (Bodleian Fragment).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.l.2, Ziff. a
423
am Toten Meer mehrere Fragmente eines Test Naftali (4QTNaf) und
von verschiedenen Versionen eines Test Levi gefunden worden (lQT
Levi, bes F 3; 4QTLevia.b.c) 35 . Auch von Levis zweitem Sohn
Kehat (vgl. Gen 46,11 u.ö.) ist ein fragmentarisches Test Kehat
36
, und wiederum von Kehat's Sohn Amram ist
erhalten (4QTKehat)
eine "Kopie des Buches der Worte der Schauungen" vor seinem Tod
fragmentarisch in fünf Versionen gesichert (4QAmrama-e) 37 .
Neben dieser Patriarchentrilogie (Levi - Kehat - Amram) soll
unter J. STARCKY's noch unveröffentlichten Texten aus 4Q ein
Test Benjamin vertreten sein 38 MILIK ste.llte kürzlich Fragmente eines aramäischen Test Juda (4QAJu I a-b) und Test Josef
(4QAJo I; 4QAJo 2,a-b), sowie einer testamentähnlichen Schrift
"Visions de Jacob"
(4QAJa I a-d) vor, BAILLET ein weiteres Frag-
ment einer hebräischen Version des Test Juda {4Q 484), von wel38a
eher er schon in 3Q 7 (DJD III, 99) eine Spur fand
In unmittelbarer Verwandtschaft zu diesen frÜhjÜdischen Testamenten oder testamentähnlichen Texten stehen einige christliche
Nachahmungen : Test Hiskija (5~a&~xn'E6ExLou), Test Isaak und
Test Jakob sind christliche Erweiterungen älterer jüdischer Vorlagen, während Test Josua nur durch ein Testimonium bekannt ist 39 •
35) 4QTNaf: vgl. MILIK, "Priere de Nabonide" 407, Arun. l; lQTLevi: DJD I, 87-91;
4QTLevia-c: teilweise veröffentlich von MILIK, Le Testament de Levi en arameen 398-406.
36) MILIK, 4Q Visions de Amram et une citation d'Origene 97.
37) Ebd. 77ff., Zit. : 77. - Alle aramäischen Testamententexte jetzt bei FITZMYER/HARRINGTON, A Manual of Palestirte Aramaie Texts 80-97.202-205.
38) Vgl. den Hinweis von FITZMYER, The Contribution 405, Nr. 15.
38a)MILIK, Ecrits preesseniens de Qumran 97f.l0lf.; BAILLET, Le volume VII des
"DJD" 78.
39) TestHiskija ist nur einmal bei GEORGIUS CEDRENUS (um 1100 n.f, Historiarum
Compendium (MIGNE, PG 121, l52C), mit einer kurzen Inhaltsangabe genannt, welche zum Teil wörtlich mit MartJes (=AscJes) 4,l2.l4.l8b übereinstimmt, sodass
TestHiskija entweder als Titel des zweiten Teils von MartJes (6-ll = Vision)
oder nur des sekundären Stückes 3,l3b-4,l8 angesehen wird; vgl. die unterschiedlichen Stellungsnahmen von JAMES, Testament of Abraham 9, Anm. l; Apocrypha anecdota II, S. LXXXIV, und The Lost Apocrypha 84f.; dann SCHUERER II~
386-393; DENIS, Introduction 173; PHILONENKO, Le martyre d'Esaie l. 2, Anm. 2;
VON NORDHEIM, Die Lehre der Alten 293-310.- Testisaak und TestJakob sind späte christliche Anfügungen an die koptische, arabische und äthiopische Version
des TestAbr (s.o. Arun. 24); vgl. SCHUERER III, 338; DENIS, Introduction 34,
mit Anm. 19.20. VON NORDHEIM hingegen schliesst die drei Testamente zu einer
jüdischen Schrift mit dem hypothetischen Titel ßLaanKaL cwv cPLßv nacpLapxßv
zusammen, wobei er sich auf die sonst nicht identifizierbare Schrift cßv cPLßv
nacpLapxwv in den Constitutiones Apostolorum 6.16,3 (FUNK I, 339) stützt.- Auf
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
424
Kap. V.l.2, Ziff. b
Das späte Testamenturn Domini Nostri Jesu Christi (2. Hälfte des
5. Jhd'S n.) ist eine Umarbeitung und Erweiterung der "Apostolischen Tradition des Hippolyt" (um 380 n.), das mit der bekannten
und wirksamen Form des Testamentes eine ausgebildete Kirchenordnung sanktioniert 40 • Am stärksten kommt aber das christliche
Interesse an der frühjüdischen Testamentenliteratur dadurch zum
Vorschein, dass fast alle Überkommenen Texte mehr oder weniger
stark christlich bearbeitet sind, ja Überhaupt ihr literarisches
Weiterleben der SammEütätigkeit und Apologetik christlicher
Schriftsteller zu verdanken haben.
Abgesehen von diesen christlichen Nachzüglern sind also aus
frühjüdischer Zeit Testamente von mehr als zwanzig verschiedenen israelitischen Ahnen, zum Teil in mehreren Versionen belegt. Schon ein statistischer Vergleich mit den kaum vorhandenen,
griechischen und lateinischen Beispielen spricht somit eindeutig für eine eigenständig jüdische literarische Gattung. Dazu
kommt noch die zeitliche Priorität der meisten frühjüdischen
Testamente. Ausser der menippeischen Parodie liegen die Testamente des Apollonius von Tyana und des Pegregrinus Proteus
n a c h
dem Beginn der frühjüdischen Testamentenliteratur,
deren Blütezeit um die Zeitenwende anzusetzen ist.
b) Im Unterschied zu den beiden Testamenten des Apollonius und
Peregrinus, welche echte, von den sterbenden Personen verfasste, geistliche Botschaften sind, sind 'die gesamten frÜhjÜdischen Testamente pseudonymische Produkte unbekannter Prediger
und Gelehrter, die ihren eigenen Lehren und Mahnungen jene Autorität, EindrÜcklichkeit und propagandistische Kraft geben
ein TestJosua wird nur in einer koptischen Legende christlichen Ursprungs
hingewiesen, vgl. WINSTEDT, Addenda 389.407. - Ein mögliches Test des Zosimus
findet CHARLESWORTH, The Pseudepigrapha 223-228, bes. 224, in den späten Kap.
1 und 22 von Apk des Zosimus (Editionen, Ebd. 223).
40) Vgl. ALTANER, Patrologie 51; WEINEL, Die spätere christliche Apokalyptik
143ff. Das bei ALTANER, Ebd. 196, angeführte "Testament der 40 Martyrer", die
' 320 im armenischen Sebaste getötet wurden, ist juristischer Art, da es Bestimmungen über die gemeinsame Beisetzung bietet.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.l.2, Ziff. c
= V.l.3
425
wollten, die den letzten Worten eines grossen Vorfahren zu eigen sind 40 a.
c) Die Gattung der frühjüdischen Testamente ist zwar einerseits
und ganz allgemein Über die Abschiedsliteratur mit antiken
Schriftwerken verbunden, andererseits aber - wenigstens in ihren besten Verwirklichungen - in ihrer formalen Gestalt von einem alttestamentlichen
Strukturp~inzip
beherrscht, dem es nun
nachzugehen gilt.
1. 3 Die Gattung "Testament"
Sicher ist das "Testament" innerhalb des weiten Rahmens der
antiken Abschiedsliteratur zu sehen, die "Letzte Worte", "Briefe",
"Reden", Symbolhandlungen und Aehnliches umfasst. Im Unter-
schied zu den literarischen Testamenten sind nun in der antiken
Literatur diese Abschiedsreden sehr zahlreich. Dem klassischen
Beispiel des sokratischen Abschieds folgend, variieren sie immer neu dessen Bestandteile, betonen bald die doktrinale, bald
die paränetische, bald die hymnische Seite und stellen sie in
dramatische oder ruhige, Bffentliche oder intime Kulissen 41 •
42
Auch das Alte Testament kennt eine ganze Reihe solcher Reden
und gibt seine Vorliebe für diese dramatisierende Form der Parä-
40a)HARRELSON, The Significance of the "Last words" 203-213, hat Anlass und ·zielsetzung der Abschiedsreden und Testamente richtig in der individuellen Ethik
in theologisch schwieriger Zeit gesehen.
41) STAUFFER, Art.: Abschiedsreden, RAC 1 (1950) 29-35, gibt Parallelen von Homer,
Platon, Sophokles, Herodot und Xenophon.
42) Zusammenstellungen und Vergleiche bringen STAUFFER, Theologie des NT 327-330
(Beilage VI: Abschiedsreden und Abschiedsszenen) ;MUNK, Discoursd'adieu 155f.;
DUPONT, Le Discours de Milet 11-21; MICHEL, Die Abschiedsrede 35-39 (AT); 4047 ("spätjüdische"· [sie] Literatur); 57-72 (NT).- Zum AT vgl. bes. Gen 47,29 50,14 von Jakob; Dtn 33 von Mose; Jos 23,1 - 24,32 von Josua; lSam 12 von Samuel; lKÖn 2,1-9 Par lChr 28,1 - 29,28 von David.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
426
Kap. V.l. 3
nese in die frühjüdische und jijdische Literatur 43 und dann auch
in die neutestamentlichen Schriften weiter 44 •
Eine Abschiedsrede ist nun aber noch kein Testament, vielmehr
ist umgekehrt das Testament eine speziell strukturierte Abschieds·
rede 44 a. Die Frage nach dieser Struktur und damit auch nach der
Geschichte der Gattung des "Testamentes" hat in jüngster Zeit
zwei Antworten bekommen
45
, die sich m.E. ohne weiteres miteinan-
der verbinden lassen·. BALTZER fand in den Test XIIPatr sein dreigliedriges Bundesformular in frÜhjÜdischem Gewand wieder 46 , während VON NORDHEIM in ausführlicher Detailanalyse 16 Elemente
(abgek.: El.) herausstellte, welche z.T. konstitutiv, z.T. er••
d zur Struk tur
ganzen
.
e~nes
Testamentes ge h""oren 47 • Aueh er
.
gew~nnt
diese Elemente an den Test XIIPatr als der klassischen Verwirklichung des frÜhjÜdischen Testamentes, verfolgt sie aber weiter in
Test Ijob, Test Abr, Test Isaak, Test Jakob, Test Adam, Test Sal,
Test Mos, Test Hisk - mit positivem oder negativem Resultat und spürt dann auch den Testamenten als "Teilform" innerhalb
43) Tob 4,3-21; 14, 3-11 von Tobit; lMakk 2,49-70 von Mattatias; 2Makk 6,30 von
Eleasar; vgl. 2Makk 7,1-42 mit 4Makk: die makkabäische Mutter und ihre sieben
Söhne; Jub 7 von Noach; 20-22 von Abraham; .35,1-27 von Rebekka; 36,1-18 von
Isaak; VitAd 30 u. a. - Rabbinische Texte bei SALDARINI, Last Words 28-36;
ABRAHAMS, Hebrew Ethical Wills 3-29.
44) Mt 28,19f.; Lk 22,21-38; 24,36-53; Joh 13-l7; Apg 20,18-36; 2Petr. -Die
Dissertation von CORTES, Los discursos de Adios de Gn 49 a Jn 13-17, Barcelona 1976, war mir leider unzugänglich, vgl. NTAb 22 (1978) 201.
44a)MICHEL, Die Abschiedsrede des Paulus 35-72, kann deshalb mit Recht die Testamente in die Definition der Gattung "Abschiedsrede" (bes. 47-57) einbeziehen.
VON NORDHEIM, Die Lehre der Alten, geht von den klassischen frühjüdischen Test
aus (18-323) und bezeichnet dann nur jene Abschiedsreden, welche
seinen formalen Kriterien entsprechen, als "Testamente" (324-414). Beide Arbeiten sind typisch für die fliessenden Uebergänge, die nicht überall eine
klare gattungsmässige Scheidung von Abschiedsrede und Testament zulassen.
45) VON RAD, Die Vorgeschichte 295; ROBINSON, Logoi Sophon 100, und BECKER, Untersuchungen 157, stellten seit über 20 Jahren diese LÜcke fest. Dem Versprechen
des letzteren, "die Geschichte der Gattung· in einer Monographie ••• abzuhandeln" (157), ist nun VON NORDHEIM, Die Lehre der Alten (52.5 s.), zuvorgekommen. s. auch KOLENKOW, What is the Role of Testament 182-184; The Genre Testament 57-71. HULTGARD, L'eschatologie des Test XIIPatr I, 12, verweist auf ein
der Gattung der Testamente gewidmetes Kapitel in seinem zweiten Band.
46) Das Bundesformular 142-167 (vgl. das Schema, u. Kap. 2.1.2, a). ASCHERMANN,
der vor BALTZER schrieb und dshalb das "Bundesformular" noch nicht kannte,
schreibt allgemeiner: "Innerhalb dieser spätjüdischen (sie) Erbauungsliteratur ist der Topos der Abschiedsrede zu der selbständigen Gattung der Testamente entwickelt worden" (Paränetische Formen 28).
47) Die Lehre der Alten.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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427
Kap. V.l.3
grösserer, pseudepigraphischer (slavHen 55-77; AntBibl 33), apokrypher (lMakk 2,49-70; Tob 4 und 14,3-11) und atl.
(lKÖn 2; Gen 49f.;
Dtn 31-34; Jos 23-24) Schriften nach. Da VON NORDHEIM's Doktoratsthese noch nicht veröffentlich ist 48 , sei hier seine Uebersicht
Über die Elemente und ihre Anordnung tabellenartig vorgestellt
Anfangsrahmen (A)
:
a) überschriftartiger Teil
-
Titel und Name
Adressat
Hinweis auf den bevorstehenden Tod (berichtend)
Altersangabe
Vergleichsdatierung
El.
El.
El.
El.
El.
1
2
3
4
5
El.
El.
El.
6
7
8
b) erzählender Teil :
- Situation des Sterbenden
- Hinweis auf den bevorstehenden Tod (persönlich)
- Redeeinleitungsformel
Mittelteil (M)
:
- RÜckblick auf die Vergangenheit
- Mahnung
- Weissagung
Schlussrahmen (S)
-
El.
9
El. 10
El. 11
:
Redeabschlussformel
Bestattungshinweis
Tod
Bestattung durch die SÖhne
Trauer
El.
El.
El.
El.
El.
12
13
14
15
16
Die 16 Elemente sind z.T. mobil (bes. El. 3.4.7), repetierbar
(bes. in·M) und können auch weggelassen werden, wenn sie nicht
konstitutiv sind (also 3.5.7.8.12.13.16). Hingewiesen sei nur
noch darauf, dass im Mittelteil (El. 9-11) völlige Konstanz erreicht ist, wenn auch die Abfolge der drei Elemente Unterschiedlich ist (was aus der folgenden Tab. 9 nicht hervorgeht).
48) Dank schulde ich hierbei Herrn Assistent Urs Winter, der Mittel und Wege fand
und die Kraft aufbrachte, die 3 kg schwere und 5,7 cm dicke Doktor-Dissertation für ein paar Tage von MÜnchen nach Fribourg zu schaffen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Tab. 9
Strukturanalyse der Test XIIPatr (nach VON NORDHEIM, Lehre der Alten)
""'
f\)
CXl
Rub
Sim
Lev
Jud
Iss
Seb
Dan
Naf
Gad
Anfangsrahmen :
a)
El. 1
X
X
X
X
X
X
X
X
X
El. 2
X
X
X
X
xinb
X
X
x inb
El. 3
X
X
xinb
X
--
X
X
El. 4
X
x+x xinS xinS xinM
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X
El. 5
X
X
xinM
--
El. 6
X
X
X
X
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Jas
Ben
X
X
X
X
X
--
X
X
--
--
xinb
--
X
X
X
X
xinS x+x
in S
(x inS)x
--
--
--
--
--
--
X
X
X
X
X
X
X
~
El. 7
x(2x)
--
--
X
El. 8
X
X
--
xinMx
X
X
El. 9
X
X
X
X
X
X
El.lO
X
X
X
X
X
X
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X
X
X
X
X
X
X
X
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X
El.l2
X
X
X
X
--
X
X
X
--
X
X
X
El.l3
--
--
--
X
X
--
xinMx
X
X
xinM
-- X
El.l4
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
El.l5
X
X
X
X
--
x
X
X
X
X
X
X
X
El.l6
--
X
--
--
--
--
--
--
--
--
X
-- --
inS
--
X
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(2x)
xinM
--
--
--
xinM
X
--
X
X
--
X
X
X
X
X
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X
X
X
X
X
X
xinM x
Pl
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I
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Mittelteil :
!
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I
I
I
·-
Schlussrahmen:
c
<:
I-'
I
~Asll
w
Kap. V.l.3
429
Die lange Beweisführung VON NORDHEIM's (S. 414-442), dass diese
Testament-Struktur sich fundamental vorn Bundesformular unterscheide, ist rn.E. nicht erfolgreich. Das aus dem Bereich des
Rechtes (Bundesschluss) kommende Bundesforrnular, das weit verbreitet und deshalb geläufig war, konnte sich doch in einer ähnlichen Situation wie der des Testaments geradezu anbieten, auch
wenn dieses im Bereich der Weisheit steht. Natürlich wird dann
in etwa "alles anders", aber formale Strukturen können zu verschiedensten Zwecken ge- und missbraucht werden.
Eine modifizierte Definition des Testamentes muss deshalb so
lauten : Ein literarisches Testament ist eine Abschiedsrede mit
der fundamentalen Dreierstruktur des Bundesformulars und den (im
Idealfall) 16 beschriebenen, konstitutiven oder zusätzlichen
Einzelelernenten.
Bedeutsam ist zudem, dass sowohl das Bundesformular wie auch die
16-teilige Kornposition eindeutig in die alttestamentliche Literatur als Entstehungsmilieu verweist und nicht in die griechische Welt. Unter den zahlreichen klassischen Abschiedsreden weisen nur zwei eine annähernd testamentähnliche Strukturierung
auf, nämlich
XENOPHON, Institutio Cyri 8.7,1-28 (MARCHANT IV, ad loc.) : Rede
des sterbenden Kyros (El. 3.2.5.6./9.10./13.7.12.14), und
SALLUST, De bello Iugurthino 9,4-11,2 (SCHOENE/EISENHUT l33ff.)
Rede des sterbenden Nurniderkönigs Micipsa an seine zwei SÖhne
und seinen Adaptivsohn Iugurtha (El. 3.2.6./9.7.10./14.15),
und beide scheinen aus dem aramäischen Kulturraum entlehnt zu
sein 49 . Die traditionsgeschichtliche Verbindung des Bundesformulars mit den Staatsverträgen des hethitischen Reiches und mit
den ugaritischen internationalen Verträgen 50 , ebenso wie jene
der ausgebildeten Testamentform - vor allem des Mittelteils -
49) Vgl. VON NORDHEH!, Die Lehre der Alten 457f.
50) Lit.-Angaben bei BALTZER, Das Bundesformular 19, Anm. 2.4.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V .1. 3
430
' 51
mit mesopotamischen, eher aber ägyptischen Lehrtexten , kann
in frühjüdischer Zeit nicht mehr als direkter, formbildender Faktor angesehen werden. Beide weisen jedenfalls nicht in den griechisch-römischen Bereich, vielmehr stehen sie in einer langen
Traditionsgeschichte, die sich im vorderen Orient herausgebildet
hat 52 , die aber im Frühjudentum und in den Text XIIPatr ihre
formale Reife erfuhr.
Sowohl Recht wie Lehre lagen im antiken Orient in der Obhut der
Weisen; d.h. sowohl Struktur als auch zentrale Aussage (im Mittelteil) der Testamente kommen aus der Werkstatt der Weisen. "Testament" ist grundsätzlich eine weisheitliehe Gattung.
Wenn das Testament als weisheitliehe Gattung in frühjüdischer
Zeit und näherhin in den Test XIIPatr seine klassische Form gefunden hat, so kann man erwarten, dass sich in ihnen frühjÜdische Weisheit par excellence darbietet. Und da eine christliche
Bearbeitung
wie immer man diese vorstellt - unzweifelhaft ist,
gehören die Test XIIPatr ebenfalls zu den wichtigsten Zeugnissen
der frühchristlichen Ethik, welche sich, wie schon oftmals betont
wurde, in enger Verbindung mit, und in der bewussten, überbietenden Fortsetzung von frühjüdischen Weisheitstraditionen ausgebildet hat. An diesen Test XIIPatr sei im folgenden Kap. 2 exemplarisch dargestellt, wie weisheitliehe Traditionen in der Form der
Paränese in frühjüdischer Zeit aussahen.
51) Die vergleichbaren Te~te untersucht VON NORDHEIM, Die Lehre der Alten 443-504.
Die mesopotamischen Lehren sind wenig ergiebig (S. 443-458), während die ägyptischen Lehren des Ptahhotep (S. 466-474), des Anchscheschonki (S. 474-483),
für Merikare (484-492) und des KÖnigs Amenemhet I (S. 493-500) "der Vermutung,
das Testament habe sich in Israel aufgrund des Anstosses durch die ägyptischen Lehren aus der Lehr- und Mahnrede heraus entwickelt, eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu verleihen" (507f.) vermögen. Vgl. ZELLER, Die weisheitliehen
Mahnsprüche 25, Anm. 94; 34ff.
·
52) Methodisch unzutreffend sind jedoch die Thesen des 'englischen Philologen PALMER, The Eastern Origin of the Christian Pseudepigraphic Writings (1871),227L,
dass die literarische Testamentform "has long been prevalent in the East; it
is with the Oriental Philosopher as much a stereotyped rhetorical artifice as
the Dialogue was with the Greeks ••• "Darauf spricht er von "many books in
Arabic and Other Oriental languages composed on an e~actly similar plan". Als
Beispiel führt er an "the Javidan Khirad of Abu'ali Maskawi, in which not only
are certain moral precepts put into the mouth of Hosheng, one of the aarliest
kings of Persia, but Testaments attributed to nearly all the wise men of antiquity are contained in the same volume". Mit dieser These hat sich erst VON
NORDHEIM (Über 100 Jahre später) kritisch auseinander.gesetzt .• E~ bringt, Lehre
der Alten llf., vier gewichtige Gegenargumente: 1) Die Datierung der Test XII
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
2,
FRUEHJUEDISCHE WEISHEITSTRADITIONEN
IN DEN TESTAMENTEN DER ZWOELF PATRIARCHEN, (TEST XIIPATR)
2.1 Die Test XIIPatr und ihre Probleme
2.1.1 Der Stand der Forschung
Den status quaestionis hat SLINGERLAND in seiner Doktoratsdissertation anhand eines ausführlichen, kritischen Forschungsberichtes
dargelegt, der den ganzen Zeitraum von 1242 bis 1972, also von
der Entdeckung und lateinischen Uebersetzung der Test XIIPatr
durch Robert GROSSETESTE, bis zu den
neueren Untersuchungen be-
schreibt1. Dabei haben sichinderfast unübersehbaren Vielfalt von
Einzelthesen, welche die Kombinatorik zu Zeit, Ort, Sprache, Autor, Komposition und Tradition durchspielten, zwei fundamentale
Optionen herausgestellt, welche - und das ist SLINGERLAND's wichtigster Beitrag - in der Forschungsgeschichte als ungefähr gleich
gewichtige Positionen zu werten sind 2 :
Patr in christliche Zeit ist unrichtig. 2) Abu'ali Maskawi (= Ibn Miskawaih =
Ahmad Ibn Muhammed) schrieb sein Jawidan Khirad im 6. Jhd. n.; vgl. die neueste Ausgabe von "Abd al-Ra~an BADAWI, Ahmad Ibn Muhammad. Al-Hikmat al khalidah. Jawidan Khirad. A treatise in the Philosophy of Persia, India, Arabia
and Greece. Edited with an Introduction, Kairo 1952 (mir nicht zugänglich).
3) Der von Palmer postulierte "exactly similar plan" ist nicht nachzuweisen.
4) Das arabische Wort "wasiyah" kann ebenso gut wie "Testament" auch "Gesammel·
te Worte" oder "Gebote" heissen, sodass oftmals gar nicht eine eigentliche
Testamentensituation intendiert ist. "Der LÖsungsvorschlag hat also nicht zu
dem von ihm gesteckten Ziel geführt" (12), doch steht m. E. in diesem Punkt
eine fachkundige semitistische Untersuchung noch aus; vgl. JAMES, Apocrypha
Anecdota II, S. LXXXIV; LOHMEYER, Diatheke 39.
1) The Testaments of the Twelve Patriarchs: A History of Research with Attendant
.Conclusions, New York 197 3. SLINGERLAND' s Kritik an der Forschungsgeschichte
bei BECKER, Untersuchungen 129-158, ist voll beizustimmen. BECKER überspringt
die zwei Jahrhunderte, die zwischen GRABE's Erstherausgabe im Jahre 1698 (s.
·Anm. 7) und SCHNAPP's literarkritischer Schichten-Theorie im Jahre 1884 (s.
Anm. 8) liegen, mit einem Nebens~tz und einer kurzen Bemerkung (vgl. 129), da
sie seiner These ungünstig sind.
2) DE JONGE, La Bibliothegue de Michel Choniates 100-106, und besonders: Die Patriarchentestamente 4lf., kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. -Mit DE JONGE,
der die älteste Etappe von Grosseteste bis Grabe unter die Lupe nahm, SLINGERLAND und BECKER ist die Geschichte der Erforschung der Test XIIPatr so gut erschlossen wie von keiner anderen frühjüdischen Schrift.
(431)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
432
Kap. V.2.1.1
a) Die Test XIIPatr sind eine christliche Schrift, in welcher viel
biblisches und frühjüdisches Traditionsmaterial verarbeitet ist
Diese These beherrscht die. gesamte Forschung von 1700 bis 1884.
Fraglich war nur mehr, ob Test XIIPatr eine judenchristliche oder
eine heidenchristliche Schrift sei. Der consensus, der sich gegen
Ende des 19. Jhd.s zeigte, lautet : Judenchristlich, entstanden
zwischen 70 und 135 n., geschrieben in griechischer Sprache
3
Erst DE JONGE konnte 1953 in der wissenschaftlichen.Welt der alten
These wieder Gehör verschaffen, obwohl nur eine kleine Zahl von
Forschern seinen Standpunkt zu teilen vermochten 4 . SLINGERLAND's
grosse Forschungsgeschichte legt jedenfalls am Schluss als notwendige aktuelle Aufgabe nahe, die Test XIIPatr konsequenter "from
the Perspective of Early Christianity" zu lesen 5 , und wenn nicht
alles täuscht, wird die editio maior (s.u. Anm. 11) der prochristlichen These gewaltigen Aufwind verschaffen 6 •
b) Die Test XIIPatr sind eine jüdische Schrift, welche christlich interpoliert oder überarbeitet ist.
Diese These vertraten mehrere Autoren vor 1700, besonders deutlich der Erstherausgeber des griech. Textes GRABE, (1698) 7 • Sie
wurde dann von SCHNAPP 8 im Jahre 1884 auf literarkritischer Ba3) Nach 1884 wurde diese These nurmehr sporadisch geäussert von DEANE, Pseudepigrapha (1891), 177-HO; SCHLATTER, Die Geschichte Israels (1906; 2. Aufl.), 250;
HUNKIN, The Testaments (1915), 80-97; MESSEL, Ueber die textkritisch begründete
Ausscheidung (1918), 356f.
4) The Testaments; modifiziert in: Christian Influence 182-235; Once more: Christian Influence 311-319.- Angeschlossen haben'sich bes. MILIK, Le Testament
de Levi 405f.; Rez.: de Jonge, The Testaments 297f.; DANIELOU, Rez.: de Jonge,
The Testaments 565; BURROWS, More Light on the Dead Sea Scrolls 179; HIGGINS,
The Priestly Messiah 229f.
5) The Testaments 108-112.
6) DE JONGE, Studies on the Testaments (1975) 1 hat die meisten Argumente in den
gesammelten Aufsätzen seiner Herausgeber-Equipe schon zur Diskussion gestellt.
Entschiedene Gegenpositionen haben schon eingenommen: CHARLESWORTH, The Pseudepigrapha 2llff.; FISCHER, Eschatologie und Jenseitserwartung 10 ("mit Sicherheit falsch", aber ohne Gründe anzugeben); HULTGARD, L'eschatologie des Test
XIIPatr 12f; KEE, The Ethical Dimension 259-270.
7) Spicilegium SS. Patrum ut et Hereticorum I, 144.335-374; S. 134: " ••• Testamenta XII Patriarcharum a Judeo olim scripta, a Christiano autem postea interpolata esse."
8) Die Testamente der XII Patriarchen untersucht ; auch in: APAT II, 458-488.492506. Dass SCHUERER die These·von SCHNAPP in der 2. Aufl. seiner Geschichte des
L_
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Kap. V. 2. 1. 1
433
sis schlagartig wieder zu Geltung gebracht und dominiert seitdem
unter dem Patronat von CHARLES' Ausgabe und Interpretation 9 die
Forschung bis heute. Umstrittene Punkte sind dabei vor allem das
Verhältnis zu den Schriften aus Qumran 10 , die Bewertung der griechischen, armenischen und slavischen Textfamilien 11 , sowie die
Herkunft aus dem palästinischen Mutterland oder aus der jüdischen Diaspora (s. u. Kap. 3).
Diese beiden Grundoptionen der Forschung entsprechen den beiden
Traditionsströmen, welche sich in den Test XIIPatr treffen. JÜdisches wie christliches Gedankengut ist unzweifelbar vorhanden
und keines von beiden kann mit einer sich kritisch nennenden
exegetischen Methode wegdisputiert werden. FÜr unsere Fragestellung nach dem Weitergang biblischer Weisheitstraditionen durch
die frühjüdische Zeit bis in die christ+iche und rabbinische
Aera sind nun aber gerade beide Elemente von Wichtigkeit, da
sich an ihnen zeigen lässt, wie in den Test XIIPatr, besonders
in deren paränetischen Partien, weisheitliches Gut ein echtes
Kontinuum vom Frühjudentum ins Urchristentum bildet. Um die Einheit dieser beiden Traditionen zu erkennen, kommt man aber nicht
jüdischen Volkes (1886-1890) übernahm (Bd. III, 255ff.), ist mit ein Grund für
die Tatsache, dass die beiden vorausgehenden Jahrhunderte mit ihrer These vom
christlichen Ursprung der Test XIIPatr fast augenblicklich vergessen gingen.
9) The Greek Versions of the Test XIIPatr (1908) (abgekürzt: Text). Im gleichen
Jahr erschien von ihm auch seine englische Uebersetzung: The Testaments of the
XIIPatr translated from the Editor's Greek Text (abgekürzt: Uebers.). Im APOT
II (1913) 283-367 fand diese Uebersetzung (mit einem abgekürzten Einleitungsteil) ihre weiteste Verbreitung.
10) Vgl. KüHLER, The Pre-Talmudic Haggadah 400-406.- Die Extrempositionen von DUPONT-SOMMER, Aper9us preliminaires 115f.; Le Testament de Levi 33-53; Nouveaux
aper9us 63ff.; Les ecrits esseniens 313ff., und PHILONENKO, Les interpolations
chretiennes, welche die "christlichen Zusätze" als qumranische Ueberarbeitung
mit Bezug auf den Lehrer der Gerechtigkeit (nicht auf Jesus) betrachteten,
sind unterdessen aufgegeben worden. Die thematische Nähe zahlreicher Testamententexte zur gedanklichen Welt von Qumran ist seither jedoch opinio communis;
vgl. bes. OTZEN, Die neugefundenen hebr. Sektenschriften 135-142; MACKY, The
Importance of the Teaching 473: "nearest parallals in angelology, pneumatology,
demonology and eschatology".
11) Die textkritische Arbeit, die in den letzten Jahren am griechischen (HULTGARD,
L'eschatologie I, 12; DE JONGE, Die Textüberlieferung der Test XIIPatr, und
weitere Aufsätze, vgl. DE JONGE, Studies on the Testaments 45-115), armenischen
(BURCHARD, Zur armen. Ueberlieferung; STONE, The Testament of Levi; New Evidence 94-107; DE JONGE, The Greek Test XIIPatr and the Armenian Version) und
slavischen Text (TURDEANU, Les Test XIIPatr en Slave; GAYLORD/KORTEWEG, The
Slavic Versions) geleistet wurde, hat die textkritischen Positionen von CHARLES schwer in Frage gestellt und verlangt nach einer Neuausgabe (vgl. die
Besprechung bei SLINGERLAND, The Testaments 67-74).
Diese ist, wie DE JONGE,
The New Editio Maior 174-179, berichtet, seit Jahren in Vorbereitung.
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434
Kap. V.2.1.2, Ziff. a
um deren Unterscheidung herum. Es muss deshalb der Versuch gewagt
werden, die frühjÜdischen Materialien möglichst gut zu erfassen,
in der frÜhjÜdischen Welt zu situieren und nach ihrem Verhältnis
zur urchristlichen Literatur zu befragen. In den Kap. 2 und 3
werden die ersten beiden Punkte untersucht, wobei vor allem eine
literarkritische und quellenkritische Fragestellung eingenommen
wird.
2.1.2 Die Analyse von J. BECKER
Die folgenden Kapitel 2.2 - 2.5 halten sich eng an die Analysen von J. BECKER,
Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte der Test XIIPatr, Leiden 1970. Sie
teilen deshalb die Stärken und Schwächen von BECKER''s Resultaten 1 ~ m. E.
gibt es aber zur Zeit keine prägnantere Erfassung der in den Test XIIPatr
verwendeten paränetischen Materialienl3, um welche es ja bei unserer Fragestellung geht.
a) Zur Entstehungsgeschichte und Schichtentrennung
Die aus der literarkritischen Analyse rekonstruierte Traditionsgeschichte der Test XIIPatr von BECKER ist eine Variante der
GRABE-SCHNAPP-CHARLES-Theorie und lautet so :
"Die Grundschrift wird in den ersten drei Jahrzehnten
des 2. Jahrh. v. Chr. entstanden sein. Die zweite Schicht
wird direkt ansebliessend Über einen längeren Zeitraum,
der bis weit in das 1. Jahrh. n. Chr. reicht, angewachsen
sein. Die christliche Gemeinde hat dann frühestens mit
dem beginnenden 2. Jahrh. die Schrift ihrer Verkündigung
durch erneute Zusätze dienstbar gemacht. Sie wuchsen langsam bis in die Zeit der Verästelung der heute bekannten
Handschriften an"l4
Neben der Grundschrift (I) in der präzisen Form des Testamentes
(s.u.
Ziff. b) findet BECKER viele andere literarische Formen
und Gattungen, die sich zu zwei grossen Gruppen zusammenfassen
lassen, nämlich eine weisheitlich-paränetische (II) und eine
12) Vgl. die vielfachen Kritiken bei DE JONGE, Studies on the Testaments l88ff.
291-316; THOMAS, Aktuelles im Zeugnis der zwölf Väter, bes. 65.69-BO.BBf.; dazu
s. BECKER selbst im "Nachtrag", S. 419; SLINGERLAND, The Testament of Joseph
507-516; CORTES, El 'TestBen' 159-176.
13) Die Dissertation von HOLLANDER, Studies on the Ethics of the Test XIIPatr, Leiden 1977, war mir leider nicht zugänglich; vgl. die Teilveröffentlichung: DERS.,
The Ethical Character of the Patriarch Joseph 47-lo4, bes. 83f.
14) Untersuchungen 376.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. V.2.1.2, Ziff. a
435
apokalyptisch-futurische (III) Gruppe. Diese beiden Gruppen stellen relativ selbständige, inhaltlich und formal abzugrenzende
Texteinheiten dar, welche zum Ausbau der Grundschrift in der zweiten traditionsgeschichtlichen Etappe eingefügt worden seien.
Die nachfolgende Tabelle 10 gibt einen Ueberblick sowohl über die Elemente
der Grundschrift (I), wie auch über die wichtigsten sekundären Einschübe
weisheitlieber (II) und apokalyptischer (III) Art und ermöglicht dadurch immer anband von BECKER's Analyse- einen Einblick sowohl in die Struktur
der ursprünglichen Testamente als auch in deren weitere Geschichte v o r
der christlichen Ueberarbeitung und Schlusskomposition. Die Einleitungs- und
Schlussnotizen und die verstreuten Verse und Versteile der christlichen
Interpolationen sind dabei weggelassen)5
Mag auch diese literarkritische Analyse in vielem kritisiert
werden (s.o. Anm. 12), auf eine solche einfach zu verzichten,
lassen die Sachverhalte nicht zu. Dass viele Entscheidungen am
Text fallen, ohne dass letztliehe Sicherheit erlangt ist,
braucht wohl für niemanden betont zu werden, der mit traditionsreichen Stoffen gearbeitet und Einblick in die ungeheure Vielfalt der mitwirkenden Faktoren bekommen hat. Aber ohne den Mut
zur vorläufigen, kritisch möglichst gut .gesicherten Entscheidung
bleibt der Text ein vielschichtiges, uneinsichtiges Konglomerat
sich widersprechender Traditionen und Tendenzen.
BECKER hat diese Arbeit m.E. so gut gemacht, dass seine Analysen
- beim jetzigen Stand der Forschung - für unsere Fragestellung
als Ausgangspunkt benützt werden können, ohne dass einerseits
der ganze Weg seiner kritiscnen Auseinandersetzung noch einmal
gegangen werden muss, aber auch ohne dass andererseits seine
Resultate in globo Übernommen werden müssten. Es sei deshalb
erlaubt, zuerst eine kurze Charakterisierung der drei hauptsächlichen Textgruppen, welche nach BECKER die ersten beiden
Etappen der Entstehungsgeschichte der Test XIIPatr ausmachen,
16
zum Teil mit den Worten des Autors selbst, vorzustellen , und
im folgenden dann nur noch mit Hinweisen darauf Bezug zu nehmen.
15) Tab. 10 ist jedoch keine exakte Reproduktion der Resultate von BECKER's Analyse, da sie dort davon abweicht, wo es die eigene Arbeit am Text verlangt.
16) Vgl. bes. Untersuchungen 325f. (12 Charaktersitiken) und das synthetische Kap.
IV, S. 373-406.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
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Tab. 10
~
Ueberblick über die Traditionsgeschichte der Test XIIPatr (nach BECKER)
w
0'1'
RUB
SIM
1,3-10
LEV
SEB
DAN
NAF
JUD
ISS
2,1-4.
6-14
4,1-4.
6
1,312,12
1,1b-6. 1,2-2,9 1,2.4f. 1,5-2,1
(9)
7b-15 4,1-13
3
5,5-6,3.7a
5 - 7
8,4
(6,2)
17,2-6
(Frgt)
GAD
ASCH
(Frgt)
JOS
BEN
1,2-5
2
5,9-11
1,2
1,2
10,516,6
17,4-8
1,2-2,5
3,6-8·
10,1
I.
GRUNDSCHRIFT
a.
Vergangenheit
b.
Gegenwart
c.
Zukunft
------- ------- ------- ------- ------- -------- ------- -------- ------- ------- -------- --------6,9
13,1-3 5,1a.
5,2
8,55,2ac.3
6,1a.
17,1-3
10,2-5
(Frgt)
------- ------6,10f. 7 ,1.3
(12)
=L/J
2-6
9,4
(Frgt)
b
-------- ------------- ------------- 18,1
5,4a(5)
5,7-8ac 9,5-9
23,1-5
=SER
=L/J
=L/J
6,1a.
2b-4
=SER
=SER
+ c
in
8f.(13) 8,1-3
=L/J
=L/J+
SER
6,9a-11
3b-4.
6-7
7,1-6
-------
8,1f.
=L/J
18,1-4
llJ
---------------------7,5-7
(20,1.
10,11
=SER
2a.
3-5
4,66,4
APOKALYPT.
EINSCHUEBE
(\,)
(\,)
t<l
.....
Hl
Hl
3,13'.5f.
4,7-9
13
[2,1f.
3,3-6.8
III.
<
I-'
·-.
II.
WEISHEITLICHE
EINSCHUEBE
:>::
"0
14,1-4. 4,2-6a
7f.
16,1-3
18,3-5
[20]
(5,1-4)
(2,1)
2,2-7.
2,2-4,7
8-9
(5,1)
3,2-5
8,4.6.
7-10
[7,2-7]
3,1-3ba 1,36,6
4,1-7
5,1
5,3-5
3,1
4,1-5,3
6,1-6
8,2-3
[f.l-3.7
llJ
[7 '2-8 ,1]
-9,4(5)]
6,36.7
r"
3,1-4,1
24,5f.
17,1-18,9 25,1f.
18,10-14
3-5
5,9b-13
19
10,6-:j.O
L_
L.J
Kap. V.2.1.2,'Ziff. b
437
b) Zur Charakterisierung der Grundschrift
Abschnitt I der Tab. 10 zeigt, dass schon die Reden der Patriarchen an ihre SÖhne in der Grundschrift durchwegs in jenem Dreierrhythmus aufgebaut waren, welcher auch den Mittelteil des Bundesformulars charakterisiert. Nimmt man noch die Einleitungs- und
17
Schlussnotizen dazu, so ist der Parallelismus beinahe perfekt
Test XIIPatr (Grundschrift)
Bundesformular
!.:._~~!:!~~!:~::L.:.
urkundlich-notarieller Teil
Beschreibung der Szene
1. Präambel :
urkundlich-notarieller
Teil
2. Abschiedsrede :
~.:.-~~~!:~~2~~~~!~~~-.:.
a) Erzählender Lebensrückblick
b) Mahnrede
- VERGANGENHEIT - GEGENWART
c) Ausblick
- ZUKUNFT
Segen und Fluch
3. Schluss :
a) Vorgeschichte
b) Grundsatzerklärung,
Einzelbestimmungen
c) Anrufung der Götter
Segen und Fluch
3. Schluss :
Todes- und Begräbnisnotiz
Abschlussnotiz
Dieses stets repetierte Schema gab der Grundschrift eine äusserst einfache, aber auch eindringliche Gestalt. Der Verzicht
auf formale Spielereien geht Hand in Hand mit einer auffälligen Bescheidenheit in der Themenwahl, "denn die drei grossen
Gliederungspunkte : Lebensgeschichte, Paränese und Zukunftsankündigungen zeigen vielfältige Wiederholungen derselben Themenkreise. Ein mehrfach wiederholtes Thema der Lebensgeschichte
ist z.B. der Verkauf Josef's, der immer wieder von verschiedenen
Aspekten her beleuchtet wird. In der Paränese dominiert das Liebesgebot, das für Israel auf Grund des AT Allgemeingut ist. Zudem ist sie fast durchweg usuell, nicht aktuell
ausgerichtet.
Die Zukunftsaussagen sind durch die Levi-Juda-Stücke und die
SER-Abschnitte geprägt" 18
17) Zur Diskussion "Bundesformular- Testament", s.o. Kap. 1.3. Sowohl BECKER,
Untersuchungen 157 u. ö., als auch WEIMAR, Formen frühjÜdischer Literatur 161,
Übernehmen die Struktur des Bundesformulars.
18) BECKER, Untersuchungen 378. Zur Charakterisierung der L/J (= Levi/Juda) und
der SER {= SÜnde-Exil-RÜckkehr; Sin-Exil-Return) Passagen, vgl. DE JONGE, Testaments 83-89; ASCHERMANN, Parän. Formen 12-23; BECKER, Untersuchungen 172182.- Vgl. auch die Angaben auf Tab. 10, Ziff. I.c.
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Kap. V.2.1.2, Ziff. c/d
438
c) Zur Charakterisierung der weisheitlichen.Einschübe
Wie Tab.lO weiterhin zeigt, besteht die Hauptmasse der in die
Grundschrift eingetragenen Traditionsstücke aus weisheitlieh
geprägten Texten. "Sachlich weisen sie zwei voneinander nicht
zu trennende Spezifica auf : Sie entfalten ein dualistisches
Weltbild, wobei der Dualismus unter stark psychologischer Blickrichtung ins Gesichtsfeld tritt. Sie bedienen sich weiter in ihrer Paränese einer ganz bestiillillten Pneumatologie (Geist der
Hurerei usw.)" 19 • Dadurch unterscheiden sie sich entschieden von
den Paränesen des Grundstockes, weisen aber andererseits unter
sich auf einen gemeinsamen Ursprung hin. Einige Forscher haben
diesen Ursprungsort in der jüdisch-hellenistischen Synagogen20
predigt gesehen • Wie weit diese Zuweisung berechtigt ist, wird
die abschliessende Reflexion (Kap. 3) Über die weisheitliehen
Texte, die in Kap. 2.2 - 2.5 vorgestellt und besprochen werden,
zeigen.
d) Zur Charakterisierung der apokalyptischen Einschübe :
Obwohl schon die Grundschrift Zukunftsaussagen machte (Tab. 10,
Ziff. I), kann in ihr kaum apokalyptisches Gedankengut nachgewiesen werden. Zu ihrer paränetischen Blickrichtung auf das konkrete Leben in dieser Welt gehört es, "dass keine partielle oder
allgemeine Totenauferweckung am Ende der Tage und dementsprechend
auch kein Endgericht, noch ein Leben nach dem Tod ins Blickfeld
·treten" 21 • Ganz im Unterschied dazu- aber wohl davon angezogensteht eine eigene Gruppe von Texten, die hauptsächlich von den
starken Farben der Apokalyptik lebt und deren Bilderwelt von
Beliar und Messias, Endkampf und Gericht, Auferstehung und paradiesischer Heilszeit benutzt. "Sind diese Stücke geeint durch
ihr apokalyptisches Weltbild, so sind sie untereinander in ihren
Einzelaussagen doch recht unterschiedlich konzipiert und schliessen sich gegenseitig aus. Den meisten Stücken eignet jedenfalls
19) BECKER, Ebd. 402.
20) Die grundlegende'Arbeit dazu stammt von THYEN, Der Stil der jüdisch-hellenistischen Homilie, dem ASCHERMANN, BALTZER und BECKER folgen.
21) BECKER, Untersuchungen 401.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. V.2.1.2, Ziff. e
439
der Dualismus, der in dieser Schicht im Gegensatz zur 'Tugend- und
Lasterparänese kein Interesse am Psychologischen zeigt und auch
von Haus aus nichts mit Tugend und Laster, geschweige denn mit
ihrer pneumatischen Auslegung zu tun hat. Dadurch erweisen sich
diese apokalyptischen Partien gegenüber der Tugend- und Lasterparänese in der Ausgestaltung des Dualismus' durchaus als ehedem
eigenständig" 22 •
e) Zur Frage nach Entstehungsort und -zeit :
Sowohl die Grundschrift wie auch die beiden sekundär eingearbeiteten Textgruppen können ihre Herkunft aus jüdisch-hellenistischer Zeit nicht verbergen, doch ist damit über das Herkunftsgebiet noch nichts Näheres ausgemacht. Denn dass griechische
Sprache und hellenistisches Gedankengut im ganzen vorderen Orient
inklusiv Palästina nicht nur die Politik, sondern ebenso stark
Lebens- und Denkart bestimmt haben, ist seit HENGEL's Untersuchung zum Verhältnis von "Judentum und Hellenismus" so gründlich
erkannt, dass es anachronistisch wäre, für diese Zeit in Palästina nur jene Literatur ansiedeln zu wo.llen, die hebräisch oder
aramäisch geschrieben ist und keine hellenistischen Einflüsse
aufweist.Die Testamente selbst, sowohl die Grundschrift wie
auch die sekundären Textstücke machen jedoch keine genügend
deutlichen Angaben für eine sichere Zuordnung in einen geographischen Bereich. Diese muss vielmehr dadurch geschehen, dass
man sowohl einen literarischen Kontext aufweist, innerhalb dessen dieses Einzelwerk Halt bekommt, als auch das weitere Geflecht
von politischen und geistesgeschichtlichen Faktoren, die eine
entsprechende Situation bestimmen, berücksichtigt.
Diese Arbeit versucht nun (vgl. Kap. 3) - und sie weicht damit
von BECKER's Resultaten nicht-literarkritischer Art ab - auch
für den paränetischen Teil der Test XIIPatr diesen Kontext in
Palästina aufzuzeigen. Die engen Verbindungen der weisheitliehen
Partien zu Jesus Sirach und den Psalmen Salomos, die Aehnlichkeiten mit Traditionen der Henochliteratur, die Parallelen zum
22) Ebd. 404.
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Kap. V. 2 .1. 2
440
Jubiläenbuch, die gedankliche Verwandtschaft zu essenischen und
qumranischen Lehrinhalten können eine Lokalisierung sowohl der
Grundschrift wie auch der weisheitliehen und apokalyptischen
Texte der Test XIIPatr im Palästina um die Zeitenwende, also
im Palästina der späten Weisheit, der weitgehend hellenisierten
Bevölkerung, aber auch der mit apokalyptischen Vorstellungen gespeisten Befreiungsbewegungen oder Auszüglern in der Wüste doch
wohl näher legen, als dies BECKER für möglich hält 23 .
Da es uns ja in diesem Kapitel um weisheitliehe Paränesen in
frühjüdischer Zeit geht, welche ein weiteres Kontinuum in die
christliche Weisheit hinein bilden könnten, wenden wir uns im
folgenden den wichtigsten 24 weisheitliehen Einschüben (vgl. Tab.
10, Ziff. II) zu.
Die Paränesen der Grundschrift (vgl. Tab. 10
Ziff. I.b) hat schon Becker selbst ausführlich beschrieben 25 ;
angesichts der Problematik ihrer Rekonstruktion beschränke ich
mich im folgenden auf die mit grösserer Sicherheit abgrenzbaren
und formal selbständigen, späteren
Einschübe.
Mit diesen be-
finden wir uns zeitlich irgendwo zwischen der Entstehung der
Test XIIPatr und der Uebernahrne ins Christentum, also in jener
für unsere Frage wichtige Zwischenzeit der Vermittlung biblischfrÜhjÜdischer Weisheit in die rabbinische und christliche Zeit.
23) Vgl. Ebd. 374; Testamente 17; DE JONGE, The Testaments 128; MILIK, Rez.: de
Jonge, The Testaments 297f.; für PalästinaalsEntstehungsort: HENGEL, Judentum und Hellenismus 327, Anm. 464 ("parteimässig nicht festgelegte Konventikel jüdischer Frommer"); MAlER, Geschichte der jüd. Religion 55 ("Apokalyptische Zadokiden"); SCHMITHALS, Die Apokalyptik 152. Dann natürlich die Autoren, die eine hebräische Grundschrift annahmen wie CHARLES, Text XLIIf.;
BOUSSET, Die Testamente 201; BICKERMAN, The Date of the Testaments 259; BRAU~
Les Testaments 548; EPPEL, Le pietisme juif 28ff. (Galiläa); ROST, Einleitung
109; THOMAS, Aktuelles im Zeugnis der zwölf Väter 7lff.83-86 u .. v. a. (s.
auch Anm. 6).
24) Ausser den in den Kap. 2.2 bis 2.5 besprochenen Texten könnten auch noch
folgende, doch schon etwas ferner liegende Stücke (s. o. Tab. 10, Ziff. II,
eckige Klammern) berücksichtigt werden: TJos 2,1-3.7; 3,1- 9,4(5): der Tugendagon Josefs; TRub 2,lf.; 3,3-6.8: die Liste Über die 7 Geister; TBen
7,2- 8,1: die Liste über die 7 Uebel des Schwertes. - TJud 20: die Lehre
von den zwei Geistern, und Tiss 7,2-7, das Unschuldsbekenntnis Issachars,werden in Kap. 3.4 angeführt.
25) Untersuchungen 377-401.
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Kap . V. 2 . 1. 2
441
Die folgenden Texte sind im doppelten Sinn "mitgenommene" Literatur : Einmal weil die meisten dieser literarischen Miniaturen
nur dank der assimilatorischen Fähigkeit der Test XIIPatr Überlebt haben, das zweite Mal wegen ihres z.T. dadurch bedingten
textlichen Zustandes. Sie sind ja meist nicht mehr in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten, sondern sind zerteilt, neu eingepasst, abgeändert und manchmal verstümmelt worden. Wegen
dieser ihrer "Mitnahme" im Ganzen der Test XIIPatr sind sie eben
auch in "mitgenommenem" Zustand. Die folgenden Kap. versuchen,
diese Fragmente so gut als möglich wieder zusammenzufügen, die
Abänderungen rückgängig zu machen und die so wiedergewonnenen
Paränesen, Mahngedichte und Lehrvorträge als strukturierte Texte
darzubieten. Ob sich damit das Porträt eines Weisen oder einer
weisheitlieh-ethischen Schule, welche die biblischen Weisheitstraditionen auf eigene
Art
weiterführte, zeichnen lässt, ist
die daraus folgende abschliessende Frage 26 .
26) Als textliche Grundlage wird hier meist der b-Text verwendet, den HUNKIN und
MESSEL (s. Anm.
3) 1 HULTGARD und DE JONGE (s. Anm. 11) gegen den von CHARLES
bevorzugten c-Text geltend gemacht haben, und dessen integraler Text von DE
JONGE, Testamenta XII Patriarcharum, neu herausgegeben worden ist. Da jedoch
der "inneren Textkritik an der Einzelstelle •.• immer die Prävalenz (gebührt)"
(BECKER, Testamente 21), wird bei wichtigeren Textvarianten CHARLES, Text,
zu Hilfe gezogen. So soll einer einseitigen Bevorzugung einer einzigen Textgruppe - in Erwartung der Neu-Edition - vorgebeugt sein. Die MSS werden unter·
dessen wie Üblich bezeichnet:
griech. Vers.:
a = c,h,i
~
a,e,f
y
b,d,g,(k,l,m)
6
armen. Vers.:
A
slav. Vers.:
S (selten berücksichtigt)
<
Steht eine Anm.-Ziffer im griechischen Text, so bezieht sich die Anm. nur auf
das unmittelbar davorstehende Wort; sonst wird mit einem Asterisk (*) die betroffene Wortfolge bezeichnet.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
442
Kap. V.2.2.1
2.2 Fragmente weisheitlicher Lehrvorträge I
Lasterparänesen
2.2.1 TRub 4,6 - 6,4
Unzucht bringt Verderben - Frauen bringen Unzucht
TRub 1,3-10, die Lebensgeschichte der Grundschrift, deren Ton
auf der Entsprechung von SÜnde, Strafe und Busse liegt, hat nach den eingeschobenen Belehrungen Über die Geister (2,1-9;
3,1-8) - eine Parallele in 3,9- 4,5, wo ein zweites Mal ein
Stück Lebensgeschichte geboten wird. Dieses zweite StÜck setzt
mit einem neuen Aufruf an die Kinder ein, schildert dann mit
sichtlich psychologisch-erotischem Interesse das Entstehen und
Ueberhandnehmen der Wollust bei Ruben und verbindet damit einige
Mahnworte (3,9b.l0; 4,1). 4,5 ist klarer Abschluss dieser kurzen, romanhaften Beichtszene : Das begründende 6La •ou•o,
der typische, zusammenfassende
~
.
rra~-Ausdruck
1
und die futurisch-
verheissende Umformulierung von xal oDx ~~ap•ov (4,4, Ende) in
xaL oD ~n &~ap•non•E sind deutliche Indizien. - 4,6 bringt eine
neue These, die zwar (sekundär) durch yap mit dem Vorausgehenden
verbunden ist, aber eine gedanklich selbständige Paränese gegen
die Unzucht und die Frauen einleitet. Erst in 6,5 wechselt das
Thema wieder (Stichwortverbindung ~nAo~-~nAwoE•E) zur Levi-JudaPassage 6,5-8, einem selbständigen Traditionsstück. 6,9.10-12
sind dann Paränese und Levi-Juda-Stück der Grundschrift (vgl.
2
Tab. 10, Ziff. I,b und c) •
TRub 4,6 - 6,4 ist also literarkritisch klar zu isolieren und
muss als selbständige Einheit angesehen werden, die sekundär
eingefügt wurde und deshalb in die zweite Etappe der Entstehungsgeschichte der Test XIIPatr gehört.
1) Vgl. ASCHERMANN, Parän. Formen 31. Auch die ganze Paränese TRub 4,6 - 6,4
schliesst mit na~;
vgl. Tlss 4,6.
2) Ausführliche Analyse bei BECKER, Untersuchungen 182-2o3, bes. 191.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. V.2.2.1
443
TRub 4,6 - 6,4
I. Unzucht verdirbt die Seele
a.
4,6
")/_
*0AE8po~
'
yap
A
~uxn~
::>
/'
Ea•~v
G
n
;
nopvE~a,
3
xwpCi:ouaa ElEoD
xa~ npoaEyyCi:ouaa •o1~ ElowAo~~,
g.~ aß•n ta•~ nAavwaa •ov voOv xa\ •nv o~avo~av,
'
xa~
7
Ka~ yap TIOAAOO~ &nWAEOEV
g.~ x~v ~L ·~~ YEPWV,
xa\ YEAWca rrapa
•w
L
n nopVELa·
n EDyEvn~,
::>
'
*~VE~OO~ au•ov
"
no~E~
" "avapwnwv
/
4
BEALap xa\ •o1~ ULO~~ •wv
b.
8ff (Illustration
der keusche Josef in Aegypten)
c.
11
' ' '
~Eav yap ~n
/
xa•~axuaD
nc
I,;,;
nopvE~a
•nv
Evvo~av,
oDoE BEALap xa•~ax6aE~ Ö~wv.
II. Die Frauen sind schlecht
a.
5,1
/
ITovnpa(
•Exva
~ou,
I
En~anaaov•a~·
~
2
xaL Sv o~h ouva~Eül~ oux lax6E~ xa•aywv(aaaaa~,
"
•ou•ov
4
"'
/
,
6~ ana•n~ xa•aywv~i:E•a~.
OD yap o6va•a~ yuvn
[3] 5
*Cfvopa: ß ~a:aa~ EI.~ np6awnov'
aAA" EV axi\~aa~ nopv~xol.~ •oO•ov navoupyd)E•a~ 6.
3) o;a(vgl.af): Boöpo~
4) a fügt nach E0YEvn~ ein: x~v nAouoco~, x~v n€vn~ (viell. auch Auslassung von
ßA durch Homoioteleuton), dann: 0-vEt.Ot:CJl..LÜV f:au1:~ c.p€pEt. ·na.pO. -roÜG uloü~ ·d3v
&vöpwnwv xaL npooxo~~a (?)
BEACap.
cw
5) 5,3 unterbricht den Gedankengang (vgl. TJud 15,15f.) mit einer neuen Schilderung der bösartigen Verführungskünste der Frauen (Herz - Schmuck - Blick Tat), während 5,lf.4 mit der Reihe: Macht/Gewalt- kÖrperliche Reize (ß; oder
a: Macht - kÖrperliche Reize - Intrigen) aufwartet, welche genau dem Zweizeiler in 5,4 (a) entspricht.
6) a; ßA lesen nur: ~vöpwnov ßc&oaoöac, was sichtlich den vorausgehenden Erörterungen widerspricht.
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Kap. V.2.2.1
III. Flieht die Unzucht
a.
5
~EOYE•E o~v •nv nopvECav, •€xva uou,
xal npoo•aooE•E •aLG yuvaL6Lv tu00v xal •aCG auya•paoLv,
ccva un xoouwv•aL ,ö_G XEcpaA.aG xaL •aG lil!JELG af.noov 7 ,
8LL n&oa yuvn öoALEuouEvn Ev LoULoL~ eL~ x6AaoLv TaU aLWvo~
•E•nPn•aL.
b.
6f
(Illustration
die Wächter vor der Sintflut)
IV. Hütet euch vor der Unz.ucht
a.
6,1
2
~uA.aOOEoaE oOv ano •nG nopvELaG·
xaL El a€A.E•E xaaapEuELV •p öLavoC~,
cpuA.aooE•E •aG atoanoELG ano naonG anA.ELaG.
K&xELVaLG o€ ~V.ELA.aoaE un ouvouaEELV avapwnoLG,
~va xaL aG•aL
xaaapEowoL •nL oLavoCa.
.
~
3
Al
yap ouvEXELG ouv•uxCaL,
K~V Un npaxaft
aOEßnua,
aÖTa~~ uEv EcrTLV v6oob &vLaLOb,
nULV o€ *~VELÖOG •ou BEA.(ap alwvLov, 8
L
•o
b.
4
~.L ~ nopveCa o~•E oUVEOLV o~iE EDoEßELav ~XEL ~v gau•p,
xaL naG 6nA.oG ·xa•OLKEL
EV •n
L
EnLauuCa aÖ•nG~
Betrachtet man die Paränese für sich allein, ergibt sich ein
zwar klar strukturiertes, aber doch wohl fragmentarisches
Stück 9 • Jede der vier Strophen hebt\sich mit einer einleitenden
Zeile hervor, welche das Thema anschlägt. Dabei machen die Abschnitte I + II einen ersten thetischen Teil aus, dem dann der
imperativische in den Strophen III + IV folgt.
7) Nur b; alle andern fügen an: npÖc &~<nv ÖLavoCac.
8) ß; a: eic ~A&8pov BEALap xal ~V&Löoc at~vLov.
9) Weder die Strukturierung von ASCH~RMANN, Parän. Formen 10, der ohne Rücksicht
auf die Gegebenheiten· des Textes drei je um ein Glied verkürzte "Redegänge"
(4,5-11; 5,1-7; 6,1-4) konstruiert, noch diejenige von BECKER, Untersuchungen
191, der den Wechsel von thetischen und imperat_ivischen Strophen mit inhaltlichen Erwägungen überdeckt, können befriedigen. Wo ist zudem die von BECKER
angeführte "abschliessende Paränese mit Segen und Fluch 6,1-4" zu finden ?
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Kap. V.2.2.1
445
Zwei lapidare, sprichwortartige Grundsätze leiten die beiden
ersten Strophen ein :
Verderben für die Seele ist die Unzucht
Schlecht sind die Frauen
(5,la).
(4, 6a).
Darauf folgt jeweils der Beweis, indem die Machenschaften der
beiden Uebel beschrieben werden (Ia. IIa) , wozu in I noch die
Geschichte vom standhaften Josef und der Versucherischen Aegypterin kurz skizziert wird. Beide Teile schliessen mit einem zusammenfassenden, prägnanten Zweizeiler (4,11; 5,4).
Es schliessen sich dann die zwei imperativischen Passagen (III
und IV) an. Die erste wendet sich - inhaltlich II weiterführend gegen die verführerische Kosmetik der Frauen (vgl. Jes 3,16-24),
die zweite gegen gemeinsame Zusammenkünfte von Männern und Frauen (vgl. Sir 9,9; 42,12; Ab 1,5, wo Jose ben Jochanan "die Weisen" zitiert; Joh 4,27a). Die erste schliesst mit einer neuen,
die Frauen beschuldigenden Version von Gen 6,1-4 10 , die zweite
mit einem chiastischen Doppelzeiler, der das anfängliche Stichwort nopveCa (4,6) aufnimmt und die Lehraussage der Mahnworte
zusammenfasst :
Die Unzucht birgt weder Einsicht noch Frömmigkeit in sich,
jegliche Ereiferung haust in der Gier nach ihr
(6,4).
Ein ganz paralleles Bruchstück zu 4,6a findet sich als eingesprengter Fremdkörper in TSim 5,3 (vgl. TJud 15,5 zu 4,7). Es
geht ebenfalls von einem thetischen Obersatz aus und legt diesen anschliessend in fast gleichen Worten auf die gestörte Gottesbeziehung hin aus
CH nopveCa ~n•nP ~o.l
n&v.wv •wv xaxwv,
xwpC6ouoa aeou
xa~ npooeyyC6ouoa ·~ BeACap.
Vielleicht klingt hier Über Weish 14,12, wo das Ersinnen von
Götzenbildern den "Anfang der Unzucht" ausmacht, die propheti10) Sowohl in Gen 6,1-4 wie in den davon abhängigen Stellen Jub 4,22; 4QHenb l.I,
2-8 Par äthHen 6,lf.; CD A/1 2,14-2o; TNaf 3,5 (s. u. Kap. 2.5.2) und auch
AntBibl 3,1 liegt die Schuld durchaus bei den Göttersöhnen oder den Wächtern,
während in TRub die Menschentöchter durch verführerischen Schmuck bezaubernd
auf jene wirken !
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446
Kap. V.2.2.1
sehe Tradition seit Hosea (Kap. 1-3) nach, welche .die Un.treue
zu Gott als Hurerei bezeichnet und in eindrücklichen Bildern
ausmalt (vgl. Jer 3,1- 4,4; Jes 57,1-13; Ez 16.23); doch steht
das konkrete Problem der ungeregelten sexuellen Bedürfnisbefriedigung, welcher die Frauen mit ihren OXn~aTa nopVLXct
Vorschub leisten, so bestimmend im Vordergrund (ygl. bes. die
beiden Illustrationen in 4,8ff. und 5,6f.), dass wohl kein grösserer theologischer Zusammenhang zu suchen ist. TRub 4,6 - 6,4
steht formal und inhaltlich ganz in der negativen Sicht jener
Weisheitsperikopen, welche nopveCa und novnp(a so nahe zur Frau
rücken, dass beide leicht zusammengesehen werden. Im Unterschied
jedoch zum Spruchbuch (vgl. 11,16; 12,4), zu Sirachs Frauenspiegel (25,13 - 26,18.19-27) oder/auch den ambivalenten Urteilen
Kohelets
(vgl. 7,26 mit 9,9), welche wohl zwischen guter und
böser Frau, zwischen Ehefrau und Dirne oder fremder Frau zu
unterscheiden wissen, stehen ip TRub 4,6 - 6,4 (vgl. dagegen
4,1 : crÖ~UYOG) die Frauen unterschiedlos als Versucherinnen zur
Unzucht da. Den plastischen Hintergrund liefern dazu Stellen,
die das Treiben der Hure schildern (Spr 5,3-6; 7,5-27; vgl.
4Q 184), die jedoch in TRub 4,6 - 6,4 auf die Frau als solche
angewendet werden
11
Es ist nicht schwer, negative Zeugnisse Über Frauen in dieser
Zeit zu finden, da die Minderbewertung der Frau in hellenistischrömischer Zeit bei Persern, Griechen und
Jud~n
allgemeine Sitte
war. Charakteristisch dafür ist jeher bei allen drei VÖlkern
Überlieferte Dankspruch des Mannes, "dass er kein Ungläubiger,
bzw. Ungebildeter, kein Weib, kein Unfreier sei" 12 , doch gibt
es auch sonst zahlreiche Aussprüche Über die Priorität der Frau
im sündigen (vgl. Sir 25,24; VitAd 3.9f.l8.35; !Tim 2,14) oder
11) EPPEL, Le Pietisme juif 156: "La mysogynie devient chez eux (scl. les auteurs
des Testaments) une obsession, et non plus une attitude satirique, comme dans
certains passages des Proverbes ou dans l'Ecclesiaste ou le Siracide." Vgl.
auch TRub 3,10; 4,1; TJud 17,3b; Tiss 4,4 (s. u. Kap. 2.3.2), wo in der weiblichen Schönheit als solcher die Gefahr gewittert wird (vgl. PsSal 16,8), abgesehen von den sonstigen zahlreichen Warnungen TSim 5,3; TJud 13,3; 14,lff.
(s. u. Kap. 2.2.3)
12) Belege bei OEPKE, Art.: yuvn, ThWNT 1 (1933) 776f.
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Kap. V.2.2.2
447
die Verbindung der Frauen mit Untugenden 13
Die Verteufelung
der Frau als "versucherischer Ort sexueller Sünde" 14 , wie wir
sie in unserer Paränese antreffen, hat ihren Grund vor allem
in jener starken
aszetischen Tendenz, die durch die ganzen
Testamente hindurch zu spüren ist 15 . Dieser
a~sserordentlich
starke Wille zur Tugendhaftigkeit, die sogar zum zÖlibatären
Leben aufzurufen vermag (vgl. TRub 6,1), schafft weisheitliehe
"Evidenzen" von solch rigoroser Strenge, wie sie die beiden Thesen zu Beginn der ersten zwei Strophen darstellen, schärft die
Beobachtungsgabe für sündhaftes Benehmen (4,7; 5,1-3; 6,3) und
gibt den biblischen Beispielen einen Akzent ins Erotische.
Die Paränese TRub 4,6 - 6,4 steht deutlich in weisheitlieber
Tradition : Sie bringt Thesen, Beobachtungen, konkrete Warnungen,
braucht das Sprichwort, den prägnanten Zweizeiler, die Mahnung
und benutzt weisheitliehe Themen 16 . Zum Eigenen dieses Weisen
gehört aber seine aszetisch-verschärfende Moralpredigt und die
hier nur mehrmals angedeutete, aber zum "weltanschaulichen Hintergrund" gehörende Figur des Beliar, der durch die nopvECa
den Nenschen niederzwingt.
2.2.2 TSim 3,1-3.5-6 :
Besessenheit und Befreiung vom Neid
Die Lebensgeschichte
der Grundschrift von TSim beginnt mit
Kap.- 2, das von der "unbeugsamen Leber"
sucht
(6nAo~;vgl.
(vgl. 2, 4. 7) , der Eifer-
2,6.7) und dem Zorn (2,lla.llb) Simons erzählt.
13) Vgl. nur EpAr 2o: Das weibliche Geschlecht ist "dreist, .•. energisch bei der
Durchsetzung seines Willens, leicht umgestimmt durch Trugschlüsse und von
schwacher Konstitution" (MEISNER, Aristeasbrief 77); Ab 2,7; PHILO, OpMund.
165 (Mann= voG~; Frau= atcr&ncr"~), ähnlich die Interpretationen von Gen 2,24
in LegAll 2,49-51; zu JOSEPHUS, Ap 2,201, s. o. Kap. III.4.1.
14) BECKER, Testamente 36, Anm. la; vgl. auch PastHerm, Vis l.l-2; bes. 1.2,4
(WHITTAKER 1- 3) •
15) Die Sinnlichkeit ist zu bekämpfen durch Busspraktiken (TJos 4,3; 8,1), Fasten
(TRub 1,10; TJud 15,4; TSim 3,4; Tiss 7,3; TJos 3,4 u. ö.), schwere Arbeit
(Tlss 3,5; 5,3-6) und Studium (TRub 4,1).
16) Neben den im Text genannten weisheitliehen Traditionen vgl. zudem Sir 14,22ff.
3Esr 4,13-32, bes. 26f.; Ab 1,5; AbRN A 7 (GOLDIN 48L); B 9.15.35 (SALDARINI
82f.l08ff.286); PseuPhok 199-204; PseuMen 7.16.60; syrAch 7-9.26f.39.77.88.92.
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Kap. V.2.2.2
Unsere Paränese vorn Neid (Kap. 3) unterbricht den Gang dieser
Erzählung, und erst Kap. 4 wendet sich erneut dem "Leberleidenden" (4,1) und seiner Geschichte zu.
3,1-3.5~6
schiebt zwar deut-
lich ein neues Thema in den Vordergrund, steht aber nicht völlig
unverbunden in der Lebensgeschichte. In 2,13 und 2,14 wird arn
Ende der Sätze das Thema mit einem ~5ovo~/~5ov{w-Zusatz angetippt,
während nachher in 4,5 "Eifersucht und Neid" harmonisierend zusammengeschlossen werden. Auch zwischen den beiden Strophen der
Paränese selbst ist mit 3,4 eine RÜckverbindung an die Lebensgeschichte vorgenommen worden 1 . -Am Schluss des biographischen
Teils und vor der ursprünglichen Paränese 5,2 steht ein weiteres
Fragment Über den Neid (4,7-9), das eine traditionelle siebengliedrige Reihe Über die Zerstörerischen Auswirkungen des Neides
verwertet und in 5,1 wieder den Anschluss an die Lebensgeschichte sucht.
TSirn 3,1-3.5-6 und 4,7-9 sind ursprünglich selbständige paränetische Stücke, welche aber durch redaktionelle Retouchen sowohl
der Grundschrift als auch an sich selbst in das Gesamt des TSirn
eingegliedert wurden.
TSirn 3,1-3.5-6
3,1
Ka\ vuv, •fxva,
~UAaEao5E anÖ •wv nvEuuct•wv •n~ nAavn~ xa\ •ou ~56vou.
I. cBesessenhei t
2
KaL yÖ.p
ö
~5ovo~
KUPLEUEL naon~ ·n~ 6LavoCa~ •ou av5pc.Snou,
xa\ oUx &~CncrLV aU~Ov otTE ~aycLv
:>/
"
ou•E
nLELV
o~•E noLnoaC •L ~ya5ov.
3
ITav•o•E 6noßctAAEL ~VEAELV •Öv ~5ovoOuEvov,
xa\
ö
UEV ~50V00UEVO~ nctv•o•E av5EL,
[4]
l) Die literarkritische Isolierung des Fragments geht hier nicht gleich reibungslos wie im vorausgehenden TRub. BECKER, dessen Analyse wir dabei folgen, ist
sich der Schwierigkeit bewusst, da er TSim als schwierigeren Analysefall (Untersuchungen 157) erst nach vorausgegangener Bearbeitung der fünf Modellfälle
TRub, TSeb, TNaf, TJos und TBen, den beiden wichtigsten TLev und TJud und
einer Zwischenbilanz (325f.). literarkritisch angeht.
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Kap. V.2.2.2
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II. Befreiung
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KUL *OU KULUYLVWOKEL LWV ayaiTWVLWV
2
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UULOV,
Diese paränetische Miniatur ist trotz ihrer Einfachheit gut
strukturiert und gedanklich geschlossen. Nach der einleitenden
Aufforderung (3,1) wird in der Strophe I die Herrschaft (xupLEUELV)
des Neides sowohl Über das Denken wie auch Über die vitalen Bedürfnisse des Essens und Trinkens und auf die Fähigkeit, Gutes
zu tun, beschrieben. Das paradoxe Resultat ist, dass der Neider
verwelkt, während der Beneidete aufblÜht. Verse Sf. bilden dann
eine konditionale Gegenstrophe (II) Über die Befreiung vorn Neid.
Das Wort KUPLEOELV
von Vers 2 aufnehmend und zu KOpLo~ verwan-
delnd wird die Leichtigkeit des Denkens, die Sym-pathie und die
Versöhnlichkeit des Neidlosen erwähnt. Wenn man zum Kyrios seine Zuflucht nimmt (Sa) , eilt der böse Geist des Neides davon
(Sb) und so lässt man ab vorn Neid (6c) .
Im Parallelstück TSirn 4,7-9, das mit einerneuen Anrede und
(nach abdf) einem imperativischen Doppelzeiler eröffnet wird,
sind zwei positive, beschreibende Reihen miteinander verbunden.
Die erste (4,8) beschreibt die verheerenden Wirkungen des Neides
auf Seele und Leib, indem sie eine wohl traditionelle Reihe aufnirnrnt3, die zweite (4,9) beschreibt ebenso eindrücklich und
Übertreibend die "Wirkung des Neid-Dämons im Schlaf, der als
·Alb den Menschen zusetzt" 4 und ist vielleicht ad hoczur ersten
Reihe, welche bei Tag spielt, gebildet worden. Das könnte die
nach Imitation aussehenden Wiederholungen erklären.
2) b(d)g (z. T. A); a.y: cruyyLvcilcme:L 1:o'k Ö.ya.nwcrL, was einfach positiv formuliert
ist. RIESSLER, Altj. Schrifttum 1156, übersetzt mit "verzeihen" und wechselt
deshalb 1:wv &.ya.nwvcwv ohne Textstütze in 1:wv ~xapwv.
3) Vgl. BECKER, Testamente 43.
4) ASCHERMANN, Parän. Formen 46. Er nimmt die Verse Sf. zusammen und erreicht
dadurch eine elfzeilige Reihe.
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450
Kap. V.2.2.2
Der menschliche Neid ist ein Thema, das in den Schriften des
Alten Testamentes, auch in den weisheitlichen; kaum behandelt
wird. Im Hebräischen gibt es keinen entsprechenden, eindeutigen
Begriff 5 , und da ~:Ji', il~:Ji' von der Bedeutung "Eifer (-sucht)"
und besonders vom positiv verstandenen "Eifer für Gott" fast
vollständig besetzt wurde, konnte es sich nur an wenigen Stellen
als "eifern in lilissgunst" im Sinne von "Beneiden" behaupten (vgl.
Gen 26,14; 30,1; Ez 31,9 : von Bäumen; Sir 45,18), und wurde in
dieser Bedeutung praktisch immer mit 6nÄÖw, 6nÄo~ Übersetzt 6 •
In Sir 14,10 (nur LXX) und Tob 4,16 wird kurz von einem Ö~ßaÄ~O~
novnpo~ gesprochen, der auf gewisse, dem Nächsten gehörende Güter
schaut; in Weish 6,23 ist ~aovo~ d~s Gegenteil einer freizügigen
Haltung in Sachen des Wissens, denn der Neid "hat nichts gemein
mit der Weisheit". Ein eigentliches profiliertes Laster scheint
er in frÜhjÜdischer Zeit erst unter dem Einfluss der stoischen
Moral geworden zu sein 7 , jedenfalls taucht er zweimal in den
stoisch beeinflussten Lasterkatalogen von Röm 1,29 und Gal 5,21
zwischen anderen agressiven Untugenden auf. In EpAr 224 geht es
ebenfalls um die Befreiung vom Neid,.nach welcher Ptolemaios II
Philadelphos am dritten Tage des Festmahles fragt. Die Antwort
des jüdischen Weisen ist :
Wenn du vor allem bedenkst, dass Gott allen KÖnigen Ansehen und grossen Ruhm verleiht, und dass niemand aus
eigener Kraft KÖnig ist. Es wollen zwar alle Menschen
diese Ehre erlangen, aber sie vermögen es nicht; denn
sie ist eine Gabe Gottes.
Während hier der Bezug zu Gott, dem alles zu verdanken ist, die
eigene Person relativiert und dadurch den Neid zu vertreiben
vermag, ist es in PseuPhok der Blick auf die
",
a~öovoL
"
I
B,
OupavLoaL
welcher ein menschliches Zusammenleben ohne Neid ermöglichen
soll (vgl. zum Gedanken lKlem 20)
5) Neben nKJP kommt auch einfach ~ VVi (z. B. Dtn 15,9; 28,54.56) oder die Partizipialfarm von l'V (=OnoßA.En~~v; vg.l. !Sam 18,9) in Frage. Sonst wird der
Sachverhalt umschrieben.
6) Vgl. HENGEL, Die Zeloten 151-234 (Kap.: Der Eifer); STUMPFF, Art.: ~nA.o~,
ThWNT 2 (1935). 879-890. Die Wendung cpl}o'vo~ KaL ~flA.o~ (oder umgekehrt) , die
wir in TSim 4,5; lMakk 8,16 und dann auch in allen cp36vo~-Stellen von lKlem
(3,2; 4,7; 5,2) finden, zeugt von der nahen Verwandtschaft der beiden WÖrter.
7) Vgl. SAUER, Art.: nKJP, ThHWAT 2 (1976) 647-650, bes. 650, Ziff. 5.
8) S. o. Kap. III.5.2.1, Anm. 52.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V. 2. 2. 3
451
PseuPhok 70-75 :
Beneide deine Gefährten nicht um ihre Güter und häng ihnen
nichts Schimpfliches an !
Neidlos sind ja auch die Uraniden gegeneinander.
Nicht beneidet der Mond die viel stärkeren Strahlen der Sonne,
nicht (beneidet) die Erde hier unten die himmlischen HÖhen,
nicht (beneiden) die Flüsse die Meere. Stets leben sie nämlich in Eintracht (ÖuÖvoLa) .
Wenn nämlich Streit ('t'pq:;) bei den Seligen wäre, so hätte
das Himmelsgewölbe keinen Bestand.
Zu diesen philosophischen "Ueberwindungen" des Neides kontrastiert
sehr deutlich und sehr typisch die Empfehlung von TSim 3,5, nämlich den Neid zu vertreiben, indem man zum Kyrios flieht. Es ist
die Flucht in den persönlichen Bereich der Gottesbeziehung, in
welcher die Herrschaft des bösen Geistes des Neides "Über jedes
Denken des Menschen" (TSim 3,2a) überwunden wird 9 .
2.2.3 TJud 14,1-4.7-8; 16,1-3
Vom Weintrinken
TJud ist mit seinen 26 Kapiteln da·s längste der zwÖlf Testamente und mit TLev das gewichtigste. Es gliedert sich in der
heutigen Endgestalt in drei grosse BlÖcke, die sich in die drei
für ein Testament typischen Zeitabschnitte der Vergangenheit
(Kap. 1-12 = Lebensgeschichte), der Gegenwart (Kap. 13-20
Paränese) und der Zukunft· (Kap. 21-25
= Zukunftsaussagen)
wid-
men. Es ist unmöglich, die Entstehungsgeschichte dieser drei
BlÖcke auf analytischem Wege im Rahmen dieser Arbeit darzustellen, da die geforderte Kürze den komplexen Kornpositionsprozess
nicht genügend. deutlich hervortreten lassen kann. Zudem wäre
es auf weite Strecken eine Wiederholung dessen, was BECKER
erhoben und ausführlich dargelegt hat 1 . Deshalb wird hier das
Resultat seiner Analysen in einer Uebersicht zusammengefasst
(Tab. 11) und anschliessend nur summarisch gerechtfertigt.
9) Weitere weisheitliehe
Vergleichstexte sind: PseuMen 84; Ab 4,21.
1) Untersuchungen 306-326; vgl. DE JONGE, Testaments 66-71.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
452
Kap. V.2.2.3
Tab. 11
Literarkritische Analyse von TJud-{nach BECKER).
Grundschrift
Retouchen
Sekundäre Einschübe
aus der Tradition
ad hoc
1 - 10
I.
Lebensgeschichte
ll,lf.
11,3-12,2
12,3
{6)
12,4-12
13,1-3
13,4~8
{Wein)
14,1-4
14,5-6
7-8
16,1-3
II.
Paränese
15
16,4-17,1
17,2-6
18,1
{Geld)
18,2.3-5.6
I
19
{Geister)
20
{Levi/Juda)
21f.
III.
Zukunftsaussagen
{SÜnde/
Exil/Rückkehr)
23
{Messias)
24f.
Die literarkritische Trennung geht von der Beobachtung aus, dass
die beiden Paränesen Über den Weingenuss und die Geldsucht
selbständige und abgeschlossene Texteinheiten bilden, wenn man
die störenden Verse 14,5f. entfernt, welche Juda's Heirat mit
der Kanaanäerin {14,6) und Judas Vergehen mit Thamar {14,5) mit
vorausgegangenem Weingenuss begründen. Diese beiden Verse stellen die Verbindung zur Lebensgeschichte Juda's dar, jedoch nur
zu den beiden "Wein und Unzucht"-Szenen in TJud ll,lf. und
12,3.6 {"in meinem Rausch"). TJud ll,lf. sind nun aber
{1.)
na~hschleppende
Dublette zu 8,1-3, wo die Verheiratung
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453
Kap. V. 2 .•2. 3
Judas mit Batschua an der chronologisch richtigen Stelle (vgl .
.Gen 38, 1-5) und ohne moralisierenden Ton erzählt wird, und widersprechen (2.) direkt der Gehorsamsbeteuerung Judas gegenüber
Jakob in 1,4b (vgl. 11,2b). Die beiden Verse ll,lf. müssen
also in die Lebensgeschichte eingefügt worden sein, um im Verein mit 14,5f. die Verbindung zur Weinparänese zu schaffen.
In 14,5 wird aber auch von der Thamargeschichte gesprochen, in
welcher der Wein nach Gen 38,15f. und den Paralleltraditionen
von Jub 41,10 keine Rolle spielt. bie Beobachtungen an ll,lf.
legen es nun nahe, dass auch 12,3.(6) redaktionelle Eintragungen seien, die 14,5 entsprechen. Das wird durch folgende Beobachtung erhärtet : 14,5 lässt Juda "vor aller Augen" sündigen,
da dies durch 14,4b ("dass sich der Betrunkene vor niemandem
scheut") verlangt wird. Das widerspricht aber direkt 12,9f.,
wo doppelt versichert wird, dass niemand Zeuge war.
Stimmt diese Argumentation, so fallen selbstverständlich auch
die nachgetragenen Passagen 13,4-8 und 16,4-17,1, welche in
noch bunteren Farben die Batschua-Geschichte ausmalen. Sie rahmen die Paränese vom Weingenuss ein und bereiten schon jene von
der Geldgier vor, indem sie das neue Stichwort "Gold" aufbringen (s.u. zu Kap. 2.2.4)
2
.
Betrachtet man nun die Grundschrift ohne die Retouchen und die
eingefügten Paränesen, so wird die Richtigkeit dieser Schichtentrennung vollends erwiesen : 1.) Die
Lebensgeschic~te
bleibt
nicht nur ohne LÜcke, sie wird sogar homogener, da der oben angezeigte
~Viderspruch
zu 1, 4b (vgl. 13,7; 16, 4) und die Wieder-
holung von ll,lf. wegfallen. 2.) Die beiden von der bisherigen
Analyse nicht betroffenen Stücke im paränetischen Teil, 13,1-3
und 17,2-6 rücken zusammen und -passen zusammen ! Und was ebenso deutlich ist : Sie passen auch vorzüglich zur
unretouchier-
ten Lebensgeschichte der Grundschrift (vgl. nur die Geschichts2) Dass Kap. 15 nochmals sekundärer Einschub ist, der den Begriff nopvECa aus
Kap. 14 entnimmt und mit Material aus der Tarnargeschichte (l5,3f.) und eigenen Sentenzen (l5,1.5f.) zu einer ziemlich formlosen Paränese zusammennimmt,
ist sofort klar, wenn man Kap. 14 und 16 zusammenschliesst (s. u. den Text).
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
454
Kap. V.2.2.3
zusammenfassung in 12,3, die Betonung des Gehorsams in 12,1;
17,3b.4). Erst durch die Einfügung der Paränese vom Weingenuss
und den damit verbundenen Textveränderungen (13,4-8; 15; 16,417,1) wurden sie auseinandergesprengt.
Somit kann auch TJud 14,1-4.7-8; 16,1-3 als selbständige Paränese bezeichnet werden, welche nachträglich mit Hilfe von mehreren
Retouchen in die Paränese der Grundschrift eingesprengt worden
ist.
TJud 14,1-4.7-8
14,1
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16,1-3 :
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4) ß., z. T. A; a verkürzt und mildert:
•~v voüv aou xal etc nopveCav exaep~a(v&L
aW~ npoc n5ovnv MaL (npQaa&L) ••• ; CHARLES, Uebers. 84f.;
SCHNAPP, Die Testamente 475, und RIESSLER, Altj. Schrifttum 1183, bevorzugen
a; BECKER 1 Testamente 71, Anm. 2a (wo V.Jff. in XIV.Jff. zu korr. ist) hingegen den ß-Text.
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•o
5) bA; aaf: novnP6c; e: n6pvoc. CHARLES, Text 89, emendiert zu napo(voc, doch
ergibt otvoc durchwegs genügend Sinn und Zusammenhang.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
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456
Kap. V.2.2.3
Weinstockes, Noach, war er erst zur Freude, dann zur Schmach
(vgl. Gen 9,20f.; äthHen 10,19; Jub 7,6f.) und so sollte es
weiterhin bleiben : Aus dem Weingenuss entstehen Freude oder
Leid, Freunde oder Feinde, je nach dem Mass des Trinkens. Die
Suche der Weisen geht deshalb auf das. UE•pov, das den rechten
Gebrauch zu bestimmen hat. Die vorliegende Paränese nun ist
eine kleine Demonstration, wie diese weisheitliehe Suche vor
sich geht :
I.
Trunksucht und Unzucht gehen zusammen, da beide, wie die
Erfahrung (v.3) zeigt, dem Menschen die Beherrschung (2b)
und damit das Schamgefühl (4) nehmen.
II.
Da die Enthemmunq das gemeinsame Gefahrenmoment ist, bildet die ato~~
den Grenzpunkt (gpo~,
Ba; 16,1) für den
einsichtigen Weintrinker. Jenseits dieser Grenze liegen
alle möglichen Laster (Sb) und bösen Geister (16,lb).
III.
Mit der al.o~~
ist das weisheitliehe Mass gefunden, an
dem sich Wert und Unwert des Weingenusses entscheidet
die al.ooDuEvo~
trinken in FrÖhlichkeit und haben die
Verheissung von Leben fÜr sich (a), den un atooOuEvo~
bleibt nur Trunkenheit und Unverschämtheit (b). Als
dritte MÖglichkeit wird seltsamerweise noch die völlige
Abstinenz empfohlen, damit keine Gelegenheit zur Sünde
(&uap•ctvE~v) sei 8 . Eine kleine Unglückslitanei gibt mit
dunklen Tönen diesem 'Rat zur Uebergebühr' Nachdruck.
Die Weinsprüche in Sir 31,25-31 (LXX; vgl. Hehr B) kontrastieren in ihrer losen Aneinanderreihung zur bewussten Komposition
dieses Textes. Die zentrale Aussage ist jedoch genau dieselbe,
auch wenn Jesus Sirach sie zwei· unverbunden nebeneinander stehenden
antithetischen Sprüchen entspringen lässt :
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av•~nn.lua•~.
8) Aehnlich wurde schon in TRub 6,lb (s. o. Kap. 2.2.1) die Forderung völliger
sexueller Enthaltsamkeit als überbietender "Rat" erwähnt (vgl. EPPEL, Le
Pietisme juif 155).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.2.3
457
Auch im Pagenwettkampf 3Esr 3,16-23 begründet der erste Page
seine These, dass der Wein das Mächtigste sei, mit dieser Ambivalenz, die Gutes und Schlechtes bewirken und deshalb alle Bereiche des menschlichen Lebens beherrschen kann. PseuMen 9 formuliert die gleiche Einsicht, und seine Parallelen bei THEOGNIS
und PLUTARCH zeigen, wie nahe sich in diesem Punkt biblische und
griechische Weisheit kommen :
Bois ton vin l'ärne tranquille, rnais ne te vante pas
d'avoir bu. Le vin est en effet doux et capiteux,
rnais celui qui s'y echauffe et se repand en vantardises,
devient aussitot un objet de degout et de rnepris.
9
Plutot, lorsque tu en as ton soul, rentre chez toi.
In den biblischen Weisheitsbüchern wird nie grundsätzlich vorn
Wein abgeraten, obwohl seine Gefahren plastisch geschildert
werden können (vgl. Spr 20,1; 23,20f.29-35). VÖllige Abstinenz,
wie sie in TJud 16,3 als Überbietende Forderung empfohlen wird,
scheint wiederum durch die aszetischen Tendenzen des frühjüdischen Autors bedingt zu sein. Einen phantastischen spekulativen
Unterbau bekommt diese Haltung dann in der griechischen ApkBar
4,8-17, wo der Teufel selbst gegen Gottes Willen den Weinstock
gepflanzt und durch ihn den Adam verführt hat. Wie aber auch
hier noch das weisheitliehe "Trinke mit Mass" mit der radikalen
Ablehnung kämpft, zeigt besonders gut Vers 17
Denn (nichts)
Gutes geschieht durch ihn.
Das nämlich tun die, welche ihn im Ueberrnass trinken
Weder erbarmt sich ein Bruder des Bruders,
noch ein Vater des Sohnes,
noch Kinder der Eltern,
sondern durch den Taumel des Weins entsteht alles (Unheil)
wie Morde, Ehebrüche, Hurereien, Meineide, Diebstähle
und dgl.
Und nichts Gutes wird durch ihn bewirkt. 10
9) Zit. nach AUDET, La Sagesse de Menandre 61, wo auch die beiden klassischen
Beispiele THEOGNIS, Elegien 1,479f, (YOUNG 3l),und PLUTARCH, De tuenda sanitate praecepta 4-6 (BABBIT II, 223-231), angeführt werden.
10) Zit. nach HAGE, Die griech. BarApk 26f.; Abfassungszeit der grBarApk um 200
n.; christliche Beeinflussung ist dabei auch im zitierten Text möglich (vgl.
Mk 13,12 Parr), vgl. jedoch die sachlichen Parallelen in TDan 2,3 (s. u. Kap.
2.2.5) für den Zorn, und PseuPhok 47 für die Geldgier.- Zum ganzen Thema vgl.
noch Ab 3,10 Par AbRN A 21 (GOLDIN 97f.).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
458
Kap. V.2.2.4
2.2.4 TJud 18,3-5 :
Die bösen Wirkungen der Geldgier
TJud 18,1 ist der an die Paränese des.Grundstockes ansebliessende Einleitungsvers für das SER-Stück Kap. 23 (vgl. Tab. 11).
Wie schon die Paränese ist auch dieser futurische Teil der Grundschrift durch sekundäre Einschübe auseinandergerissen worden 1
- Ein Levi-Juda-Stück in Kap. 2lf. mit eigener Einleitung und
genügendem Abschluss.
- Ein völlig selbständiges Lehrstück Über die zwei Geister der
Wahrheit und der Verwirrung (Kap. 20; s.u. Kap. 3.4).
-Eine Paränese über die Geldgier, die zum Götzendierist.führt
(Kap.l9), welche aufs Neue die Geschichte mit Batschua verarbeitet, indem sie das schon in den redaktionellen EinschÜben
13,4-8 und 16,4-17,1 erwähnte Motiv des Geldes weiter ausspinnt2.
- Eine Paränese über "Unzucht und Geldgier" in Kap. 18.
Es ist nun schon längst aufgefallen, dass 18,3-5 formal und inhaltlich eine von den einrahmenden Versen 2 und 6 und der nachfolgenden ad hoc - Bildung (Kap.l9) zu unterscheidende literarische Einheit ist 3 • 18,3-5 besteht nämlich aus zwölf lose rhythmisierten Kurzzeilen, während die übrigen Verse 4 Prosa sind.
Die drei Verse stellen also eine für die Paränesen typische Form
der beschreibenden Reihung von Aussagen dar, wie sie ASCHERMANN
aufgewiesen hat. Sie stehen zudem in'der Einzahl, obwohl die
beiden Rahmenverse von zwei Lastern sprechen. Die einzige Verbindung besteht über
•au•a,
das als Neutrum Plural zur Not die
Mehrzahl von Subjekten in Vers 2 mit den Singularformen der
folgenden Verben zu verbinden vermag 5 . Es ist also anzunehmen,
1) Vgl. BECKER, Untersuchungen 312-325, bes. 313f.
2) Kap. 19 ist ein ähnliches Gebilde wie Kap. 15, das auch Elemente aus der Lebensgeschichte übernimmt, recht formlos paränetisch ausmünzt und an eine gutgestaltete Paränese hängt. Es ist deshalb wie Kap. 15 als eine redaktionelle
ad hoc Bildung zu werten.
3) CHARLES, Text 93f.; ASCHERMANN, Parän. Formen 46f.; BECKER, Untersuchungen
313f.; Testamente 73.
4) Vers 6 ist rhytmisch unsicher, ist aber doch eher Prosa (BECKER, Testamente
73, Anm. 6a); jedenfalls zeigt er durch den Subjektwechsel seinen sekundären
Charakter. Er fehlt zudem gänzlich in A.
5) BLASS/DEBRUNNER/REHKOPF, Paragr. 133.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
I!
I
Kap. V.2.2.4
459
dass das ehemals selbständige Stück nur einem der beiden Laster
gewidmet war; der Vergleich mit den biblischen Parallelen (s.u.)
empfiehlt eindeutig die Geldgier. - Aus allen diesen Gründen
scheint es berechtigt, 18,3-5 zu isolieren und das redaktionelle
•au•a durch eH ~LAapyupCa zu ersetzen.
TJud 18,3-5 ist also eine traditionelle beschreibende Reihe Über
die Geldgier, welche analog zu TJud 14,1-4.7f.; 16,1-3 und wohl
im gleichen Redaktionsprozess in die SER-Passage des retouchierten TJud eingeschoben worden ist.
TJud 18,3-5
I. Geld und Mitmensch
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II. Geld und Mensch
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Die Dreiteilung der Reihe ergibt sich aus der Gruppierung der
Kurzzeilen nach den Wirkungsbereichen der Geldgier. Die erste
Zeile statuiert den fundamentalen Gegensatz der Geldgier zum
göttlichen Gesetz, wie dies gern zu Beginn einer Paränese getan
wird (vgl. TRub 4,6; TSim 5,3; TJud 19,1; TGad 4,la). Dann fol6) Ersatz für <UU<a;
I
s. die Erklärung in der vorausgehenden Literarkritik.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
I
Kap. V.2.2.4
460
gen die schlechten Auswirkungen auf das menschliche Zusammenleben (I.), auf Leib und Seele (II.) und schliesslich für die Uebungen der Frömmigkeit, also auf das Verhältnis zu Gott im konkreten Vollzug (III.). Dieses düstere Tableau ist wohl, wie etwa
die Reihe Über den Neid in TSim 4,7-9 ein fragmentarisches Stück
traditioneller Paränese.
Das Geld ist zwar, wie der Wein, in den weisheitliehen Traditionen grundsätzlich etwas Gutes, da ja gerechter Reichtum als
Gottesgeschenk betrachtet wird (vgl. lKÖn 10,14-22; Spr 8,18;
10,22; 22,4; EpAr 186.204f.), doch ist durch dieselbe Literatur hindurch auch immer wieder die Warnung des reichen PseudoSalomon (Koh 5,9 LXX) zu vernehmen
~Ayanwv apyGpLOV - oG TIAnoanoEcaL apyDpLOU'
Aus dieser Unersättlichkeit der Reichen erwachsen deren Härte
zu den Armen (Spr 18,23), deren Unrechtlichkeiten (Spr 11,1.26),
deren Betrügereien (Spr 21,6; Am 8,4-6), sodass die Propheten
und Weisen die Sucht nach Geld und Reichtum als ein fundamentales Uebel im sozialen Bereich erkannt und gebrandmarkt haben.
kynisch~stoische
Die
sten
Tradition verurteilt das Laster mit heftig-
Worten~ 4Makk 1,26 ist ein erster Reflex dieser stoischen
Haltung innerhalb der frÜhjÜdischen Schriften, indem es die
~LAapyup(a in seinem System der sittlichen Verkommenheiten
(n
xaxon8n~ 6L~8EOL~) mit Prahlerei, Ehrgeiz, Zanksucht und
Verleumdung zusammenschliesst und in der Seele des Menschen lokalisiert. Die pointierte Formulierung der Geldsucht als GrundÜbel, welche biblische Weisheit mit der stoischen Radikalität
verbindet, findet sich in der Folgezeit in fast gleichlautenden
Sentenzen bei PseuPhok 42-47
42
eH ~LAOXPn~ooDvn ~ncnp xaxocnco~ &ncton~.
44
Paulus,
Xpuot, xaxwv &pxny{, ßLo~8opE, nctvca xaAETicwv ... ,
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~LAapyupLa,
7) Vg1. GEFFCKEN, Kynika und Verwandtes 38ff.; VAN DER
PseuPhoc 142-145.
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HORST~
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
The Sentences of
Kap. V.2.2.5
461
und bei POLYKARP, 2Phil 4,la :
&pxn
OE
nav•wv xaAETIWV ~LAapyupLa. 8
In TJud 18,3-5 wird auf andere Weise diese gleiche radikale Bosheit der Geldgier beschrieben, nämlich in einer einfachen Liste,
welche die wichtigsten Bereiche menschlichen Tuns umfasst. In
der vorangestellten Betonung der Gottwidrigkeit dieses Lasters
(18,3a) ist wohl die spezifisch theologische Begründung der sozialen BÖsartigkeit der Geldsucht zu sehen, wie sie in QMt 6,24b
Par ihre Sentenzform findet 9 .
2.2.5 TDan 2,1 - 5,1 :
Das doppelkÖpfige Uebel von Zorn und Lüge
"TDan ist das literarkritisch am schwierigsten zu analysierende
Testament, weil verschiedene Hände nachhaltig Bearbeitungen angebracht haben" 1 . Grundschrift und nachträgliche Ueberarbeitung
lassen sich stellenweise nur mit Mühe trennen, da sie sich gegenseitig angepasst haben. Was sofort auffällt, ist der grosse
Block 2,1 - 5,1, der von solch frappierender Geschlossenheit
in der Gedankenführung und der formalen Strukturierung ist, dass
sich von ihm selbst und weniger von den ihn umgebenden Texten
aus der Lebensgeschichte und der Paränese (1,2-9; 5,2f.) her,
die Notwendigkeit ergibt, ihn als selbständige Einheit zu betrachten. Tatsächlich besteht die einzige Verbindung des ganzen
Blocks mit dem Übrigen Testament in einer Bemerkung zu Beginn
(2,1; s. Anm. 2), welche deshalb stark im Verdacht steht, redaktionelle RÜckverbindung zu sein (vgl. TEen 10,2).
Die Lebensgeschichte (1,2-9) und die Paränese (5,2f.) der Grundschrift hatten jedoch ihrerseits unter der Einfügung von 2,1 -
8) Vgl. auch 2,2; 4,3; 6,1; 11,1; Barnabas zitiert wohl Paulus (vgl. 4,1 mit lTim
6,7); hinter beiden steht aber die weisheitliehe Tradition Ijob 1,21.
9) Vgl. Eph 5,5; Kol 3,5; Barnabas, 2Phil ll,2b: Si quis non se abstinuerit ab
avaritia, ab idololatria coinquinabitur.
1) BECKER, Untersuchungen 347.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
462
Kap. V.2.2.5
5,1 zu leiden, da sie durch redaktionelle Korrekturen nachträglich auf das beherrschende Doppelthema von "Zorn und Lüge" abgestimmt wurden; vor allem die Lebensgeschichte wurde dadurch
zu einem unkohärenten Gemisch von beschreibenden Stücken und
psychologischen Begründungen mit dem für die sekundären Partien
typischen dualistischen Einschlag. Die Paränese der Grundschrift
(5,2ac.3) wurde, wohl fragmentarisch, mit einer kleinen redaktionellen Retouche (5,2b) an den ganzen Block 2,1 - 5,1 angefügt.
Ohne diese Retouche entspricht sie genau jenen Versen der Lebensgeschichte, die nicht von "Zorn und Lüge" sprechen, nämlich 1, 4f.
(9), die also zur Grundschrift gehören.
TJud 2,1 - 5,1 weist sich von seiner eigenen Geschlossenheit her
als selbständige Paränese aus, die jedoch den sie unmittelbar umgebenden Passagen der Lebensgeschichte und der Paränese der Grundschrift etwas vom eigenen Thema aufgedrängt hat.
TDan 2 , 1 - ·5 , 1
Einleitung :
(2, 1) [Ka.'t.
vÜv, -cE'xva. l.J.OU, ( ••• ) 2
~d\J l.J.n ÖLO.~UA~En-cE EO.U"'COOb &no ~oü nvEO]J.O."'COb "'COU ~EOOOUb
xa.L -coÜ ßu]J.oÜ xa.L &ya.nnon-cE -cnv &AnßECa.v xa.L -cnv ]J.a.xpoßu]J.L~
&noAE1o8E.]
I. Beschreibung des Zornes
a. Der Zorn ist Blindheit
2,2
*TO~Awo(b fo"t"L\J ~v -c~ ßu]J.~, -cE'xva. ]J.OU,
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2) Die redaktionelle RÜckverbindung zur Testamentssituation ist weggelassen: ~y~
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3) bd; a erreicht noch grössere Prägnanz, indem es für beide Zeilen au~oc zum
Subjekt macht:
T~AwaCc ia•~v
au~oc,
xat oöx e~ ßpav np6ooon6v •~voc ev &Ana&C~.
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4) Nur b hat fehlerhaftes fau•o~c.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
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http://hdl.handle.net/10900/56118
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465
Kap. V.2.2.5
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~va au~wanl öL~ cou n6aou.
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III. Fluch und Segen :
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xa'l. ~Dyn &~·8~~v Ö BeACap.]
•
Die aus dem Gesamt des TDan herausgelöste
thematische Einheit
2,1 - 5,1 ist selbst wieder in zwei Etappen gewachsen, da, wie
das Folgende zeigt, ein einheitlicher Grundstock (2,2 - 3,5;
4,1-6) durch Zusätze (2,1; 6,6; 4,7 - 5,1) zu einer grösseren
14
Komposition erweitert wurde .
In 2,1 wird nämlich das Thema von den beiden Lastern des Zornes
und der LÜge mit einem dunkel mahnenden Ton angeschlagen
ll) Ergänzt nach allen (ausser c) , da b wegen Homoioteleuton auslässt.
12) nämlich:
nvgu~a
(vgl. Sb).
13) de; b hat falsch &u~ov; afg lassen die ganze erste Zeile aus,. wohl wegen des
Homoioteleutons ~g'~ ~gu6ou~.
14) BECKER, Untersuchungen 347f., hat diese weitergehende Analyse, welche zwei
Etappen aufzuzeigen vermag, nicht unternommen. Er hat deshalb im "Aufbauschema" Geberschriften verwendet, die nicht mit den tatsächlichen Inhalten Übereinstimmen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
466
Kap. V.2.2.5
(6.n:oA.e:1o3e:) , in 3, 6 ebenso drohend
o::a-rava!;) wieder aufgenom-
men und dann in den beiden abschliessenden Versen 4,7 und 5,1
zur vollen negativen und positiven Entfaltung gebracht. 4,7
schildert das doppelkÖpfige Uebel Zorn und LÜge, das den Kyrios
vertreibt und Belier zum Herrscher macht, während 5,1 die als
Gegenstück gestaltete Aufforderung bringt : Befreit euch von
Zorn und LÜge, dann wohnt der Kyrios in Euch und Beliar flieht.
Die Stücke zwischen diesen Zorn-Lüge-Passagen bestehen aus
paränetischem Material, dessen Thema nur der 3uuo!:: ist 15
Die erste Strophe (a) der ausführlichen Beschreibung des Zornes
steht vollständig unter dem in 2,2-a thesenartig aufgestellten
Satz : Blindheit ist im Zorn (oder a : ist der Zorn). Er lässt
niemanden mehr offen in die Augen schauen (2b.3), verfinstert
durch Verführung und LÜge Augen und Sinn (4) und umstrickt mit
Hass die Augen (5). Auf dieses erste, gut durchgeführte Traktat
folgt die zweite Strophe· (b) mit einem neuen Leitsatz : Schlecht
ist der Zorn (3,la). Er ergreift so Besitz vom Menschen, dass
er zur Seele der Seele wird (lb) und sich den KÖrper zu eigen
macht (2b) , sodass er durch den Leib und die Seele Tat und Rechtfertigung in seiner Macht hat (3). Diese seltsame Vermehrung
der Zerstörerischen Macht, die der Mächtige auf dreifache Art
(4), der Schwache aber immerhin noch auf zweifache (5) im Zorn
erfährt, leitet zur ersten Mahnung des imperativischen Hauptteiles (II.) hin, welche kontrastierend zur Schilderung der
Machtvermehrung durch den Zorn dazu aufruft, einzusehen, dass
diese ganze 60vauL!:: des Zornes Nichtigkeit ist (vgl. Koh 1,2 u.
Ö.). Dem Einsichtigen erscheint dieser Machtgewinn als sinnlose
psychische Aufbauschunq der "Erregung" bis zum "grossen Zorn",
wie 4,2 anschliessend mit distanzierter Beobachtung beschreibt
(vgl. 4,4).
Nach dieser grundsätzlichen Mahnung zur ouve:OL!; (vgl. TJud 14,5)
folgen noch drei konkretere Mahnworte, welche an typische
15) öc~ <oG ~guöou~ in 2,4b ist thematisch nebensächlich und steht zufällig wie
etwa AUnn in 4,6b, ~a6vo~ in 2,5b und nAou<oc in 3,4. In 4,6b ist ~g'a ~gU
öou~ zur Parallelisierung mit 4,7a h~nzugefügt, stammt also von der gleichen
Hand wie der Zusatz 4,7 - 5,1.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.2.5
467
Lebenssituationen anknüpfen (konditionale Reihe) und dann vor
Zorn (b), Schreckhaftigkeit (c) und Trauer (d) warnen und jedesrnal eine kurze Begründung anschliessen (4,4.5b.6b). Die
ursprüngliche Paränese schloss dann in 4,6b mit dem thematischen
Stichwort 3uuÖ~ (vgl. Anrn. 15).
Ueberblickt man den Gedankengang der beiden Etappen, so ergibt
sich ohne weiteres folgendes, schon bekannte Schema :
<Einleitung
2,1>
I. Beschreibung
2,2-3,5<.6>
4,1-6
II. Mahnungen
<III. Fluch und Segen
4,7 - 5,1>
Die Komposition variiert also im Kleinen das schon a~s Strukturprinzip der Testamente erkannte Bundesformular 16 . Sie beweist
dadurch ihre formale Selbständigkeit. Zudem bietet sie die seltene Gelegenheit, zu beobachten, wie ein weisheitlicher Text durch
wenige Retouchen nicht nur eine neue Form bekommt, sondern auch
in ein neues gedankliches System umgegossen wird. Die einfache
Paränese über den Zorn, deren Kraft in der Verbindung von Beobachtungen (I) und Folgerungen (II) liegt, wird ja in das dualistische Kampfbild von Kyrios und Beliar transponiert (2,1; III),
wo Zorn und LÜge zur eschatologischen Untugend werden.
Auf dem Spiel steht jetzt nicht mehr ein verstehendes Einvernehmen mit den Nächsten (2,3), oder die Autonomie Über die psychischen Kräfte (3,1-3), oder die Ausgeglichenheit in widerlichen
Umständen (4,3-6), sondern vielmehr die Gegenwart und Einwohnung
des Kyrios. Wird das doppelte Uebel von Zorn und LÜge nicht beherrscht,
weicht 'der Kyrios aus der Seele
und herrscht Über sie der Beliar (4,7b),
während die Abwendung vorn Zorn und der Hass auf die LÜge zur
Folge haben, dass
der Kyrios in euch wohne,
und fliehe von euch der Beliar (5,lc).
16) Vgl. BECKER, Untersuchungen 348. Die von mir gebotene Strukturierung entspricht dem Bundesformular bedeutend besser, wie ein Vergleich sofort 2eigt.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
468
Kap. V.2.2.5
In der ursprÜnglichen Paränese ging es um den Zorn als menschliche Leidenschaft, die ~chädlich ist, und deshalb möglichst be17
herrscht werden soll . Dies ist auch die Wertung, welche der
Zorn in der biblischen Weisheitsliteratur normalerweise bekornrnt 18
Schon in den ältesten Kapiteln des Spruchbuches findet sich die
negative Wertung der agressiven Kräfte des Zornes (vgl. Spr 15,18
16,14; 19,19; 27,4), und öfters-werden diese im direkten Gegensatz zur Haltung des Weisen gesehen : Spr 15,1 LXX : bpyn
&noAAUOLV xal ~povC~ou~ (vgl. 14,29; 29,8). Diese Sicht konnte
in der späteren Weisheit unter dem Einfluss der stoischen Philosophie nur verstärkt werden. "Während Akademiker und Peripatetiker den Zorn für natürlich, ja notwendig zu gr.ossen Handlungen
und Tugenden, vor allem kriegerischer Tapferkeit, erklären und
nur auf Mässigung und Lenkung des Zornes durch die Vernunft zielen, gilt der Stoa
bpyn xal .~ e~ön aÖ•n~ als eines der haupt-
sächlichsten nct3n, das möglichst ganz auszurotten ist" 19 • EpAr
253f. gibt dazu als Heilmittel seine typische
theozentrische
Empfehlung
Du musst daran denken, dass Gott die ganze Welt in Gnade
und nicht im Zorn leitet. Ihm aber mus.st du, König,
folgen
(254; vgl. Weish 12,16).
4Makk 2,15ff.; 3,3 zählt den Zorn zu den ßLaLoTepa na3n, welche
von der Vernunft beherrscht werden können und sollen, und sowohl
17) In 2,4 wird allerdings der Geist des Zornes als Fischer, der die Netze des
Irrtums auswirft, personifiziert. Auch in 4,5b ist er als handelndes nvEU~
vorgestellt. Diese beiden Stellen sind zwar den vielen anderen, die nur vom
Zorn als menschlicher Leidenschaft sprechen, völlig untergeordnet, doch sind
sie immerhin als Indizien dafür zu respektieren, dass schon in der ursprünglichen Paränese eine "pneumatisierende" Tendenz vorhanden war.
18) Ausgeschlossen aus der·Betrachtung sind die theologischen Begriffe "Zorn Gottes" und des daran partizipierenden "gerechten Zorns" des Menschen. - Ein
Blick in die Konkordanz zeigt zudem, dass seit der LXX &u~6~ und ÖPYD bedeutungsgleich sind und ununterschieden auf gemeinsame hebräische Begriffe zurückgehen (vgl. HATCH/REDPATH 660c mit l008b). Es sind deshalb beide Begriffe
zu konsultieren: SAUER, Art.: ~N, ThHWAT 1 (1971) 220-224; BUECHSEL, Art.:
&u~6~, ThWNT 3 (1938) 167; dazu folgende, dem menschlichen Zorn gewidmete
Seiten aus ThWNT 5 (1954), Art.: ßpyT), 394f. (FICHTNER, im AT); 414.418
(SJOEBERG/STAEHLIN, in Apokr., Pseudepigr. und bei Philo); 419-422 (STAEHLIN,
im NT); 418f. (PROKSCH, bei Josephus).
19) KLEINKNECHT, Art. : ÖpyT), ThWNT 5 (1954.) 384. - Vgl. bes. die Traktate De
(cohibenda) ira von PHILODEMOS v. Gadara (110-40/35 v.), SENECA (4 v./1 n.65 n.) und PLUTARCH (50-120 n.), mit deren Lebensdaten die frühjüdische Zeit
abgedeckt wird. Viele Ma.terialien bei VAN DER HORST, The Sentences of Pseu
Phoc p3. 156f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.Q.6
469
Jesus Sirach (vgl. 10,18; 20,2; 27,30) als auch die Weish Salornos
{vgl. 10,1-4) betonen die Gegensätzlichkeit von vern5nftiger Lebensf5hrung und Zorn. Diese Linie ist 5ber PsSal 16,10b; PseuPhok
57.63f.; PseuMen 78, das Neue Testament (vgl. Mt 5,22; Rörn 2,8;
bes. Jak 1,19f.) bis in die urchristlichen paränetischen Schriften
20
zu verfolgen , ohne dass wesentliche Aspekte hinzukommen würden. Die Rabbinen fanden in Hillel und Schammai die typischen
Verkörperungen von Sanftmut und Zornrnütigkeit und illustrierten
in AbRN A 15 (GOLDIN 78-82) und B 29 (SALDARINI 171-175) den
Spruch des R. Elicezer b. Hyrqanos (um 90 n.): "Sei nicht
schnell zornig ! "
(Ab 2, lOb), rni t einer eindrücklichen Reihe von
Exernpla. In diesem Sinn kann man TDan 2,1 - 5,1 ein StÜck hillelitischer Ethik nennen.
2.2.6 TGad 3,1 - 5,5
Vorn schlechten und todbringenden Hass
Schon bei der ersten Lektüre von TGad fällt auf, dass die Lebensgeschichte in 2,5 plötzlich abbricht und dem langen Traktat
Über den Hass (3,1 - 5,8) Platz macht. In 5,9-11 wird jedoch
der Erzählfaden wieder aufgenommen und die Lebensgeschichte zu
Ende gebracht, worauf dann - wie es dem Aufbauschema eines
"Testaments" entspricht - die eigentliche Paränese folgt. Diese
gibt in zwei "konditionalen Weisungsreihen" Hilfe für das Verhalten des Gläubigen zum sündigen (6,4-7) und zum erfolgreicheren (7,1-7) Mitrnenschen 1 .
Nach der Stellung innerhalb des Testamentes (hinter der Lebensgeschichte) und dem Inhalt der Paränese (unbedingte Nächstenliebe) ist es klar, dass in 6,3 -7,7 die Paränese der Grundschrift zu sehen ist. Die Schilderung des Hasses in 3,1 - 5,8,
welche sich dualistischer Vorstellungen und der entsprechenden
Pneurnatologie bedient, reiht sich hingegen bestens den anderen,
20) Vgl. nur Did 3,2; 15,3; lKlem 13,1; 39,7; 45,7; 46,5;50,4; IGNATIUS, Philad
8,1; PastHerm, Mand 5.2,4 (WHITTAKER 31) u. ö.
1) Vgl. ASCHERMANN, Parän. Formen 84-85.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
470
Kap. V.2.2.6
bis jetzt schon erkannten Einschüben mit den gleichen Charakteristiken an. - Auch hier muss für eine Detailanalyse auf die
.
2
Untersuchung von BECKER verwiesen werden 1 dessen literarkritische Resultate wie folgt aussehen
Tab. 12
Literarkritische Analyse von TGad (nach BECKER)
Grundschrift
Sekundäre
3
Paränesen
Retouchen
1 1-4
,~
1--
1,6-9
2,1-5
Frgt 1 :
3,1-3ba
3,3bß
I.
Lebensgeschichte
Komposition :
4,1-7
5,2
I
I
I
Frgt 2
=
5,1
Frgt 3 :
5,3-5
5,6.(7f.)
5,9-11
6,la
II.
Paränese
~ 1-
6,lb-3a
6,3b-7
7,1-6
~~
7,7
III.
Zukunftsaussagen
Kap. 8 (bearbeitet)
2) Untersuchungen 356-364.
3) Diese Abtrennung der Teilstücke unter sich samt den Bezeichnungen Komp(osition) und Frgt 1-3 entsprechen nicht BECKER's Analyse, s. Anm. 2.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. V.2.2.6
1, 6-9 : Die Verse müssen als sekundär angesehen werden·, da die
Beschuldigung Josefs als LÜgner unmöglich in die Grundschrift
passt, die stets voller Lob Über Josef ist. Dazu kommt, dass
in diesem Stück die Pneumatologie beginnt, welche in den Einschüben herrscht. Die Lebensgeschichte bleibt vollständig.
3,3bß; 5,2; 5,6 : sind RÜckverbindungen der drei Hass - Fragmente
zur Lebensgeschichte.
6,lb-3a; 7,7 : sind eine sekundäre Rahmung der Paränese der
Grundschrift. Sie haben keinen Bezug zum tatsächlichen Inhalt
der Paränese und bringen erneut den "Geist des Hasses" ins Spiel.
Die Lebensgeschichte der Grundschrift ist nach Eliminierung der
sekundären Retouchen und des paränetischen Blockes Über den Hass
eine kontinuierliche Erzählung von der Tötungsabsicht Gad's,
seiner "unbarmherzigen Leber"
(5,11), dem Verkauf Josefs durch
Juda (was hier gleichsam einer Errettung Josefs gleichkommt :
2,5), und der Bestrafung Gad's an der Leber; also eine Erzählung,
die nach dem eigenen Leitsatz in 5,10 gebaut ist : "Womit einer
ungesetzlich handelt, daran wird er auch bestraft." Dieses Thema
jedoch ist typisch für die Lebensgeschichte der Grundschrift
auch anderer Testamente (vgl. TSim 2 + 4).
3,1 - 5,6 kann somit als sekundärer Einschub betrachtet werden.
Er ist aber selbst wieder nicht aus einem Guss, da eine weitergehende Literarkritik mehrere formal selbständige Einheiten auf.
4
zuwe~sen vermag
•
Im Mittelpunkt stehen 4,1-7, die eine selbständige, formal ausgewogene Komposition mit dem Thema Hass-Liebe //Tod-Leben
darstellen (s.u.). Sie sind unmittelbar von zwei beschreibenden
Reihen umschlossen, welche die Schlechtigkeit des Hasses
(vgl.
4) BECKER, Untersuchungen 359f., kommt zu zwei abgeschlossenen Paränesen 4,15,2 (Paränese mit dem Gegensatz: Hass - Liebe zum Nächsten) und - die beiden
übrigbleibenden Frgte zusammennehmend - 3,1-3; 5,3-8 (Paränese mit dem Gegensatz: Hass - Gerechtigkeit). Diese inhaltliche Strukturierung gibt aber, wie
zu zeigen ist, gewissen formalen Eigenheiten der beiden Stücke zu wenig Gewicht und bringt Unvereinbares zusammen, wie etwa 5,1 zu 4,1-7. Ebenso gut
könnte man die drei Frgte zu einer Dreierkomposition Über "Besessenheit und
Befreiung vom Hass" (vgl. o. Kap. 2.2.2, vom Neid) zusammenschliessen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V. 2. 2. 6
472
3,1
xaxov
"' "e:o1: Lv ...
5,1 : xaxov 1:0 U~OOG) ausmalen, während
ein weiteres, kurzes Lehrstück von der Ueberwindung des Hasses
durch die 5LxaLooU'vn und l:ane:CvwoLG (5,3-5) die ganze Zusammenstellung zu einem gedanklichen Abschluss bringt 5 .
Die drei kurzen Stücke sind paränetische Miniaturen, die - im
Unterschied 4,1-7 - nur im Anschluss an eine selbständige Texteinheit Bestand haben können. Der Redaktor des ganzen Blockes
hat sie deshalb um 4,1-7 herum gelegt und zusätzlich - wieder
im Unterschied zu 4,1-7 - durch die Retouchen mit der Testamentssituation verbunden.
Hass will Tod - Liebe will Leben
TGad 4,1-7 (Komp.)
I. Hass ist mörderisch
3
=>:Eav yap ma(o'[l Ö &.oe:A.c:pbG,
e:D80G 8EAEL &.vayye;~A.aL n&oL,
C/
I"\
1'\
'\
xaL one:Üoe: L, LVa XpL8p TtEPL aUl:TJG
xaL xoA.ao8e:LG ano8avn.
L
4,1
~uActEacrßE oÜv, T€xva ~ou,
~.L e:iG aD1:ov
2
4
&nO
LOÜ ~Coou~,
1:ov KOpLov &vouCav noLe:~.
OD
yap 8EAEL &xoOELV A.oywv EV1:0AWV aÖl:OU ne;p~ hyannG l:OU
xaL dG 1:Öv 8e:ov fLuap1:ave:L.
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V oouA.oG,
ouußaA.A.e:L aö.6v npÖG •Ov KOpLov at1:oG,
"
,...6,,
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npoxonnv axouwv xaL opwv nav1:o1:e: aoae:ve:L .
\
;)
'\
1'\
\
/
,:,
5) Auch ASCHERMANN, Parän. Formen, analysiert die drei Frgte als selbständige
formale Gebilde: 3,2-3 ist nach ihm eine "erweiterte beschreibende Reihe" (52),
5,1 eine "positiv beschreibende Reihe" (44f.) und 5,3-5 eine "negativ beschreibende Reihe" (34f.).
6) Nur b.A; alle anderen haben ~nLxa(pEL au<~, was schwerlich dem Kontext entspricht, vgl. CHARLES, Text 163; Uebers. 153.,
7) b~ a wechselt ULOOG und ~&ovoc gegenseitig aus; af:
Ö y~p
~&6voc OUVEPYE1 <~
q>OV'f>•
8) Die sinngernässe Aufteilung in zwei ungefähr gleich lange Zeilen ist nur eine
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.2.6
473
II. Liebe und Hass : Leben und Tod :
6
c~OTIEP yap
n &y~nn
( a)
xaL •oÜ~ vExpoÜ~ &EAEL ~wonoLnoaL,
xaL •oo~ ev &no~OEL &avct•ou &EAnoEL &vaxaA€oao&aL,
LOU~ ~wv•a~ LEAEL anOKLELVaL,
xa~ ~ot~ ~v ÖACywL &uap~ncrav~a~ oG
7
~nv.
L
aEAEL
Ta yap nvED~a •oD ~Coou~ oLa •n~ ÖALyo~uxCa~
"'
OUVEPYEL
•o
""
·~ Ea•av~
6~ nvEG~a
•fk
::>
:>
1"\
EL~
EV naoLv
. ,.-
(b I)
"
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I
&ava•ov •wv av&pwnwv·
ayÖ.nn~ E:v ~axpo&u~CaL
(a I)
OUVEPYE~ ·~ vo~~ •ou &Eou EL~ ow•npLav av&pwnwv.
""'
/
"'
"'
::>
/
:>
I
Der Aufbau dieses zentralen Stückes ist recht einfach, da es
mit wenigen, aber wirkungsvollen formalen Mitteln ein einziges
Thema konzis behandelt, nämlich den Gegensatz von Hass und Liebe, hinter welchem das grössere Gegensatzpaar Tod-Leben steht,
welches nochmals den umfassenderen Gegensatz Satan-Gott signalisiert.
In den einleitenden Zeilen (4,lf.) wird, wie schon in TRub 4,6;
TSim 5,3; TJud 18,3 (19,1), nach der Aufforderung der grundsätzliche Gegensatz zur göttlichen Welt statuiert, diesmal etwas ausführlich in drei nuancierenden Zeilen : Der Hassende tut
"Ungesetzlichkeit" (avo~Ca) gegen den Herrn, missachtet dessen
Gebote Über die Nächstenliebe, "sündigt gegen Gott". - Die beiden folgenden Strophen begründen (vgl. das zweimalige yap in
4,3 und 6) diese Gottwidrigkeit des Hasses und legen sie bekräftigend durch Bildworte (I.) und eine grosse antithetische
Formulierung (II.) auseinander.
Strophe I
entwickelt in einer zweigliederigen, konditionalen
Reihe, deren "Glieder zu regelrechten kleinen Beispielerzählungen ausgewachsen sind" 9 , die mörderische Absicht des Hassenden
der möglichen (CHARLES, ASCHERMANN, BECKER}. SCHNAPP und RIESSLER trennen
nach ~a6v~ und machen den ganzen übrigen Satzteil von &o8EVEL (Ka<a ... } abhängig; DE JONGE, Testamente 60.
9} ASCHERMANN, Parän.
Formen 53; vgl. u. TLev 13,7f.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. V.2.2.6
gegenüber dem Bruder (4,3), dann gegenüber dem Sklaven (4,4).
Der Hassende setzt alles in Bewegung, um beide aus irgendwelchen, unbedeutenden Gründen in den Tod zu bringen, denn zusammen mit dem Neid (4,5) kann er kein Gelingen oder Vorwärtskommen eines anderen ertragen. Die Aussage ist deutlich : Hass will
den Tod des Mitmenschen.
Diese Verdeutlichung der Gottwidrigkeit des Hasses am Verhalten
des Hassenden ·zum Nächsten wird nun in der antithetischen Doppelstrophe II
an einer Gegenaussage über die Ö.ycinn herausgearbei-
tet. Wie die .Liebe alles tut, um Leben zu erhalten, ja sogar
Tote wieder lebendig machen möchte (4,6a), so tut der Hass alles,
um die Menschen sogar wegen Kleinigkeiten (Ev bALYOO) aus der
•
Welt zu schaffen (4,6b). Denn- und nun Öffnet sich wieder die
transzendente Hinterwelt - der Geist des Hasses arbeitet Satan
in die Hand zum Tode des Menschen (4,7a), während der Geist der
Liebe mit dem Gesetz Gottes zusammen zum Heil der Menschen
wirkt (4,7b). -Diese bis ins Detail parallele, in der Abfolge
der Versteile chiastische Doppelstrophe (a/b/b'/a') schliesst
mit dem heil-bringenden vo~o~ •ou ßEou, der die anfängliche,
mörderische &vo~Ca des Hasses (4,lb) ins Positive wendet und
damit die ganze Komposition zu einem Abschluss bringt.
Die abgerundete Gestalt dieser zentralen Komposition zeigt den
fragmentarischen Charakter der um sie gelegten paränetischen
Reihen (Frgte 1 + 2) besonders deutlich auf. Es sind paränetische Versatzstücke, die an beliebigen Stellen zur Illustration
dienen können, aber nicht unbedingt in den Kontext integriert
werden wie etwa die konditionale Reihe in 4,3f. Als modellhafte
Verwirklichung einer positiven Reihe zur Beschreibung eines negativen Sachverhaltes sei Frgt 2 zitiert.
TGad 5,1 : Schlecht ist der Hass
KaxÖv 1:Ö ~'Lcro~·
~.L ~VÖEAEXEL OUVEXOO~ ·~ ~EUOEL,
AaAwv xa•d. •fi~ aAnßELa~,
xal •ct ~LKPct ~EYaAa TtOLEL,
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.2.6
475
TO OXOTO~ ~w~ npOOEXE~,
•o y~uxü n~xpov ~EYE~,
xaL cruxo~av•Cav ex6~6acrxE~,
xa~ no~E~ov, xal tißp~v xaL n&crav n~EOVEECav xaxwv,
xa~ lou 6~aßo~~xou •nv xap6Lav n~npo~.
Auf eine Überschriftrnässige These folgen acht Kurzzeilen, welche
die Schlechtigkeit des Hasses dadurch beschreiben, dass sie den
Hass in ein ganzes Geflecht von Lastern stellen, die mit ihm
gerneinsame Sache machen. Die Reihe verkörpert so jene weisheitliehe Denkart, welche eine Definition des Begriffs durch die
Beschreibung eines Sinnganzen, innerhalb dessen der Begriff
steht, erreicht.
Auch das abschliessende Frgt 3, welches die Ueberwindung des
Hasses durch Wohltätigkeit und Demut schildert, soll angeführt
werden, zwar nicht so sehr wegen seiner formalen Gestalt 10 , als
wegen der starken Verinnerlichung des Tugendbegriffs und der
Reinheit der geforderten Motivation, die hier bei der Darstellung
des Gerechten und Demütigen zum Ausdruck kommen und zu den
nach~
folgenden Tugendparänesen (Kap. 2.3) hinüberleiten.
TGad 5,3-5 : Ueberwindung des Hasses durch Gerechtigkeit und
Dernut
5,3a
'H 6~xa~ocruvn txßctA~E~ •o ~Lcro~,
n(.
b
co
~
/
•anE~vwcr~~
"
ava~PE~
'
TO
"
~~cro~
11
y~p 6Cxa~o~ xaL •anE~vo~ al6E1•a~ no~ncra~ KB~xov,
- oßx tno ~~~ou xa•ay~yvwcrxb~Evo~,
&~~· 6no •n~ 1B(a~ xap6(a~,
g,~ K0p~o~ ~n~crx€nE~ •o 6~aßou~~ov aD•ou, 4
oD xa•a~a~EL &v6pÖ~,
:>
'
EnE~6n
oc
/
~oßo~
"
•ou
c /
I\
u~LcrTou *v~x~
•o
'
~~cro~
"'
12
10) Ebd. 34f., sieht ASCHERMANN darin eine "Kurzform" einer negativen Reihe. Jedenfalls ist 5,3-5 eine Mischung von positiven und negativen Aussagen, in
welche Erweiterungen eingeführt wurden. Die Verse stellen also keinen formal
typischen Fall dar.
12) ßA; a: oiKEL ~v aCn0, was als Ausdruck gut in das "Porträt" passt, vgl. TBen
6,4b (s. u. Kap. 2.3.1).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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/
~oßou~EVOG
5
oÖ &eA.E L
-.6
'
yap
\
~n
/
npooxpouoEL
/
KupL~,
xa&oA.ou - oiJo€ ~WG EWO L@v -
aö LxfloaL ~v&pwnm
In TGad 5,3b-4 ist ein kleines.Porträt gezeichnet, wie wir es
in den Tugendparänesen von TBen und Tiss noch mehrfach. antreffen
werden. Hier ist es der Demütig-Gerechte, der· a.uf keinen Fall
(oG •••
-.o
xa&oA.ou} etwas Unrechtes will, da es ihm ja ni,cht ein-
mal in den Sinn kommt (vgl. 5, Sb} • Er schämt sich davor, nicht
wegen des schlechten Eindrucks, den er deswegen auf andere machen könnte _(5,3b},
sondern aus eigenem "Herzen",
"weil der Herr seine Gesinnung durchschaut"
(5,3b; vgl.
TBen 616b}.
Ueber dieses Tugendbild des oCxaLOG xaL "t"UTIELVOG sind dann die
beiden Zeilen 5,3a gesetzt, welche mit·den entsprechenden ab~
strakten Begriffen der 6LxaLooovn und -.anEL\IWOLG das Porträt
der These von der Vertreibung des Hasses dienstbar machen.
Es geht auch in diesen Stücken wiederum um den Hass im psychologischen Sinn, also um jene menschliche Leidenschaft, die den
Nächsten zum (Tod-}Feind macht. Diese Art mörderischen Hasses
wird im biblischen Schrifttum durchwegs verurteilt (vgl. Lev
19, 17; Dtn 19, 4ff.} , da seit dem Jahwisten Hass und Todschlag <ils
schreckliches Zweigespann zusammengehören (vgl. Gen 27,41 :
Esau; 37,4.18ff.: Josefs BrÜder}. Die Psalmisten wehren sich
gegen ihre Hasser, die ihnen ans Leben wollen (vgl. 25,19;
44,llf. 69,14}, das Spruchbuch verbindet Hass mit den
(29,10} und noch am Ende des 1. Jhd.s n. zählt R.
b~Oi
~w~~
Jehoschua~
b.
Chananja den Hass zu jenen Lastern, die den Menschen aus dieser
13
Welt schaffen , und der Johannesjünger formuliert um 100 den
gleichen Gedanken in Sentenzform :
'
Innerhalb dieser langen Zeit und in der Weisheitsliteratur Überhaupt stellen die Passagen des TGad die ausführlichste Ausein13) Ab 2,11: Ein böses Auge, der böse Trieb und der Menschenhass Cn1•,~n nK)W)
bringen den Menschen aus der Welt; vgl. AbRN A 16 (SALDARINI 178), und u.
Anm. 15.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.2.6
andersetzung
477
mit der Leidenschaft des Hasses dar. Wohl werden
in Spr (10,12a : ULOO~ ~YECPEL VELXO~~ 19,7; 25,17; 29,10 u.Ö.)
und bei Jesus Sirach (7,15; 25,14) sporadische Gedanken dazu
gemacht - und Koh 3,8 räumt auch dem Hassen seine Zeit ein
(vgl. 9,1) -, doch bedeuten die meisten Stellen nicht Hassen im
modern-psychologischen Sinn, sondern "soviel wie Absagen, Ablehnen und bezeichne(n) die Abkehr des Menschen von einer ihm gering oder falsch erscheinenden Sache" 14 So hat er als Teilnahme an Gottes Hass gegen Götzendienst, Sünde und Sünder
(Ps 139,2lf.; Sir 10,7; 12,6; 27,24 LXX; Weish 14,9f.) durchaus
positiven Sinn 15 , Hassen und Lieben werden in diesem Zusammenhang erst durch ihr Objekt als gut oder schlecht gewertet :
Der Liebe zum Guten entspricht der Hass gegen das BÖse und dem
Hass gegen das Gute die Liebe zum BÖsen. Beide Begriffe sagen
dasselbe aus, sodass lieben-hassen zur
rhetorischen
Formel ei-
nes Gegensatzpaares werden kann, welche die gleiche Handlung
von den zwei Kehrseiten her beschreibt 16 .
Im Gegensatz zu dieser in der Weisheitsliteratur typischen Bedeutung sprechen TGad 4,1-7 und die drei Fragmente vom Hass als
einer eindeutigen Deformation des Menschen, die sie völlig ver17
werfen, indem sie ihr die unbedingte Liebe entgegensetzen
Hass und Liebe sind hier Grundhaltungen der menschlichen Person,
die ihre Wertung in sich selbst tragen und dann auch in der Erhaltung oder Zerstörung von Leben zum Ausdruck bringen. Dass
diesem doppelten Gegensatz von Hass-Liebe, Tod-Leben im metahistorischen Raum eine lebensfeindliche und eine lebensfördernde
Macht, Gott und Satan, entsprechen, ist wiederum das Charakteristikum der weisheitliehen Schule, aus welcher diese Paränesen
kommen.
14) MICHEL, Art.: ~cotoo, ThWNT 4 (1942) 691.
15) Vgl. die Uminterpretation von Ab 2,11 (s. Anm. 13) in AbRN A 16 (GOLDIN 86);
Apk 2,6. So sind auch in den Texten von Qumran Stellen wie lQS 1,9-ll zu verstehen: "Das Verhalten des Gläubigen zu den SÖhnen der Finsternis soll vom
Blick auf Gottes kommendes Gericht bestimmt sein." (LOHSE, Die Texte aus
Qumran 283, Anm. 7).
16) Vgl. Mich 3,2; Spr 13,24; 14,20; auch die Wendung Mt 10,37:
mit Par Lk 14,36: KUL oD ~cOEL.
6
~cAWV tn€p ~~t,
17) Diese Tendenz zur vÖlligen Verwerfung des Hasses, die sich in 4Makk 2,13
schon ankündigt, kommt aus der Stoa, welche jeglichen Hass als Unordnung in
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. V.2.3
2.3 Fragmente weisheitlicher Lehrvorträge II
Tugendparänesen
Die Paränesen, die bis jetzt aus dem Gesamt der Testamente isoliert werden konnten, bestanden vor allem in der drastischen
Schilderung der Eigenarten und Auswirkungen des Lasters und
wandten sich nur nebenbei (TSim 3,5f.; TGad 4,6f.) den entsprechenden Tugenden zu. Dieser Aufgabe versuchen die beiden folgenden "moralischen Porträts" nachzukommen, welche die tugendhaften Haltungen der Güte und der Einfachheit zum Thema haben.
So wie in den Lasterparänesen des vorausgehenden Kapitels vor
allem positiv beschreibende Reihen zur Schilderung der negativen
Haltungen anzutreffen waren, so finden sich jetzt 1 wo es um die
Darstellung tugendhaften Verhaltens geht 1 vor allem negativ beschreibende Reihen. Es gelingt unserem Moralisten nur selten
(vgl. TBen 4,2b-3.4b-5) aus den Eigenschaften des Guten selbst
ein plastisches Bild aufzubauen, wie es etwa die wohlwollenden
Beschreibungen der Tätigkeiten und Eigenschaften des beispielhaften Menschen in der biblischen Weisheitsliteratur des Öftern
tun. Die Lieder auf die "Wackere Frau" in Spr 31,10-31 oder auf
den Schriftgelehrten in Sir 39,1-11 finden Überschwengliche Worte des Lobes, und in den Makarismen auf den Gottesfürchtigen (Pss
112; 128; Ijob 29)oder auf den weisen Mann (Sir 14,20- 15,10)
wird sogar ein hymnischer Ton hörbar.
Wenn diese biblischen Parallelen eher zur Panegyre hin tendieren, wie sie z.B. in 4Makk 17 (Mutter der sieben makkabäischen
BrÜder) ausgestaltet vorliegt, so bleiben die beiden folgenden
Paränesen der Test XIIPatr in Ton und Inhalt völlig innerhalb
des bescheideneren Rahmens der
Unterweisung.
Sie können
deshalb nicht eigentlich "Loblieder" oder "Gedichte" genannt werden, da sie weder deren formale noch inhaltliche Gattungseigenheiten vorweisen. Wenn der Moralist für die Warnungen vor dem
Laster die kräftigsten Farben gebraucht hat, so versucht er zwar
hier, bei der Empfehlung der Tugend, einen ruhigeren Ton anzuschlagen, der diskret zur Intimität mit Gott einlädt, aber er
macht weiterhin moralisierende Unterweisung.
der menschlichen Person ablehnt; vgl. bes. EPIKTET, Diss 1.18,9i 2.22,34;
3.4,6; 24,113; 4.1,60 (SCHENKL 61.190.220f.304.323).
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479
Kap. V.2.3.1
2.3.1 TBen 3,1; 4,1- 5,3; 6,1-6; 8,2f.:
Vom guten Herrschen
Die Lebensgeschichte Benjamins ist nur noch bruchstückhaft an
drei kurzen Stellen erhalten geblieben (1,2 - 2,5; 3,6-8 und im
völlig isolierten Vers 10,1), welche keinen kontinuierlichen
Erzählstrang ergeben, wenn man sie zusammenfügt. Da sich jedoch
die drei Fragmente keineswegs ausschliessen und auch gemeinsame
Elemente vorhanden sind, müssen wichtige Verbindungsstücke durch
die weitere Traditionsgeschichte verdrängt worden sein. Auf
10,1 folgt jedenfalls eine Paränese (10,2-5), die sich durch ihr
Thema (Nächstenliebe, Gesetz des Herrn) und ihren Platz nach der
Lebensgeschichte als zur Grundschrift gehörend
ausweist. Was
stellen nun aber die in die Lebensgeschichte (zwischen 3,6-8 und
10,1) eingebauten Stücke dar ?
Als selbständige Einheiten bieten sich sofort Kap. 9, das verfrÜht zu den Zukunftsaussagen Übergeht 1 , und 7,1- 8,1 an, welches eine mit biblischen Beispielen illustrierte (7,3-5) und
einer abschliessenden Mahnung versehene (8,1) Liste von den sieben Uebeln des Schwertes ist. Werden nun diese beiden Stücke entfernt, so bleibt 4,1 - 6,6; 8,2f. Übrig (6,7 ist redaktionelle
Ueberleitung), ein StÜck, das aus folgenden hauptsächlichen Gründen als ursprünglich selbständige Tugendparänese anzusehen ist :
- Das ganze Stück ist unabhängig von der Lebensgeschichte Benjamins, welche nicht genügend Stoff für einen Anknüpfungspunkt
zu bieten hatte.
-Es ist nur durch die auch andersweitig störenden Verse 5,4f. 2
mit der Gestalt Josefs, des gOLOG
avnp
(vgl. TSim 4,4; TDan
1,4), verbunden.
Es hat einen wohlstrukturierten Aufbau (s.u.), der mit seinen
strophenartigen Einheiten, den wiederholten, gleichen Formulierungen usw. ·eine . rhetorische
Tendenz aufweist, die den ein-
1) Es ist zudem stark christlich Überarbeitet (9,2-5) und liegt in drei sehr ververschiedenen Rezensionen (c, ß, A) vor, die keine Rekonstruktion eines gemeinsamen Originaltextes zulassen; vgl. CHARLES, Text 226f.; BECKER, Testamente 135.
2) ASCHERMANN, Parän. Formen 51, schliesst allerdings 5,1-5 zu einer formalen
Einheit zusammen, nennt aber immerhin 5,3-5 eine "nachgebrachte,Begründung".
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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480
Kap. V.2.3.1
fachen Paränesen der Grundschrift (vgl. Tab. 10, Ziff. I,b)
fehlt.
- Es zeigt die fÜr die sekundären Paränesen typischen Formen der
einfachen und erweiterten Reihenbildung und ist ebenso wie
jene von der dualistischen Geisterlehre beeinflusst.
Somit kann dieser ganze Block als selbständige paränetische Einheit isoliert werden. 3,1 ist wohl als "Vorläufer" zu betrachten, der ebenfalls eine Verbindung mit der Gestalt Josefs, des
xa\
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8oLo~
&vnp,
darstellt. 3,1 kann aber durchaus als
einleitender Aufruf zur Paränese vom guten Menschen gehört haben; er wäre dann mit der Einfügung von 5,4f.
goLO~
(wo ja ebenfalls
vorkommt) auf Josef hin abgeändert worden 3
Der Entstehungsprozess sieht demnach ähnlich wie bei TGad (vgl.
Kap. 2.2.6) aus, da bei beiden die Lebensgeschichte der Grundschrift durch paränetische Partien auseinandergesprengt wurde,
wobei durch einige Retouchen eine mÜhsame Verbindung mit der
Testamentsituation erreicht wird.
Tab. 13 : Literarkritische Analyse von TBen (nach BECKER) 4
Grundschrift
Retouchen
Sekundäre
andere
Paränese van
Materialien
"guten !~chen"
1,2,....2,5
3,laba
3,bß
3,2.3 .. 5
3,6-8
4,1-5,3
I.
5 ,4f.
Lebensgeschichte
6,1-6
8, 2f.
(Schwerter)
7,1-8,1
(Zukunft)
9
10,1
II.
Paränese
III.
Zukunftsaussagen
10,2-5
10,6-10
10,11
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11,1-2
Kap. V.2.3.1
481
TEen 3,1; 4,1-5,3; 6,1-6; 8,2f.:
I. Einleitende Aufrufe :
3,1
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Erste Beschreibung des guten Menschen
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8EOV ß.vu~vE~·.
3) S. u. bei Anm. 5.
4) Untersuchungen 245-252, bes. 249f.
5) Korrigierter Text nach BECKER, Ebd. 248, Anm. 1; aß: <Ov ayaö6v ~a\ gacov
~vopa'Iwan~. - ~a\ 8acov und 'Iwan~ kommen hier wie in 5,4f. aus der redaktionellen Verklammerung der Paränese in den Kontext des TBen. A unterstützt
diese Annahme: ~·~n<aL y(vEaÖE &vooÖ6 &yaöou ~a\ &~nöou6.
6) A; r~E06 ist wohl dem <t~06 von cß vorzuziehen; vgl. CHARLES, Text 219, Anm.
5, und BECKER, Untersuchungen 248, Anm. 8. In 4,2 wird dann auch als erstes
die Tugend des t~EElV beschrieben.
7) b; c: a~Enb~EV06 (auch ß, ohne bg) 0n6 <ou ÖEoÜ.
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484
Kap. V.2.3 •. 1 ·
Die einleitenden Aufrufe (I.) fassen die ganze Paränese programmatisch zusammen : Es
ge~t
auch hier wie bei allen Paränesen
letztlich um die Liebe zum "Kyrios, dem Gott des Himmels" und
um die Beobachtung seiner Gebote (3,la), doch wird diese Gesamtintention, die reichlich abstrakt ist, vom Pred'iger am Beispiel
des guten Mannes konkretisiert (3,lb), um dessen Nachahmung es
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"·
geht 13 • In 4,la werden dann ;>/
EÄeo~ und EUonÄayxvLa als die charakteristischen Tugenden vorgestellt, welche es nachzuahmen gilt.
Ziel des ganzen Tugendbemühens ist der "Ehrenkranz" göttlicher
Belohnung (4,lb).
Die erste Beschreibung des guten Menschen (II.) lässt sich in
zwei Strophen gliedern, die beide negativ beginnen (4,2a.4a)
und dann eine längere positive Reihe anfügen 14 , um schliesslich
mit den gleichen Worten (&yana •.. •nv ~uxnv aÖ•oÜ)
•
zu schliessen .
An diesen beiden Kurzbeschreibungen, welche das Erbarmen, die
Güte, die Liebe, das Fehlen von Neid und Zorn, das wohlwollende
Verhalten zu allem Tugendhaften, die Sympathie mit den Schwachen
und weitere Tugenden des guten Menschen schildern, schliessen
sich die Verse 5,1-3 (III.) an, welche, wiederum in zwei Abschnitten, die schon in 4,5 angetönte bekehrende Wirkung des
guten Menschen nicht nur auf die lasterhaften Mitmenschen (5,1),
sondern auf alle von Bosheit behafteten Kreaturen (5 ,2a. : ot
novnpol ~v3pwnoL~ 5,2b : 3npLa; vgl. TNaf 8,4.6) beschreiben.
Das Bildwort vom Licht und von der Finsternis in 5,3 fasst diese missionarische Wirkung des guten Menschen prägnant zusammen
und schliesst damit diese erste Ausführung ab.
Die zweite Beschreibung (IV.) ist formal noch geschlossener. Vier
gleichgebaute Strophen entwerfen in fast durchwegs negativ betersuchungen 251, Anm. 2. SCHNAPP, APAT II, 504, Anm. i, lässt unkorrigiert
und übersetzt ol.xo5o\le:~ mit "etwas Gutes, NÜtzliches wirken";.. auch DE JONGE,
Testamenta 83. Diese Bedeutung des unverbundenen Verbes ist aber nach· LIDDELL/
SCOTT nicht belegt. BECKER schliesst sich in seiner neueren Arbeit (Testamente
135) ebenfalls dieser Uebersetzungsart an. Er verweist dabei auf !Kor 8,1;
10,23 und 14,4 (nicht 14,1).
13) Ein "guter Mensch" ist z. B. Saul (!Sam 9,2),Josef von Arimatäa (Lk 23,50),
Barnabas (Apg 11,24). Auch Flavius Josephus zählt. sich selbst zu ihnen (Vita
288) :
14) ASCHERMANN, Parän. Formen 50f, zählt TBen 4,1-5 zu den konditional erweiterten
beschreibenden Reihen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.·3.1
485
schreibenden Reihen (vgl. jedoch 6,5b) 15 ein Gemälde. vom guten
Menschen, der seine Begierden beherrscht (a) , sich nicht be-irren
lässt (b), keine Zwiespältigkeit kennt (c) und reinen Herzens
ist (d). Jede Strophe beginnt mit dem Stichwort
(•o
o~aßo6A~OV
•ou Ö.yaaoG &vop6~; oder ähnlich) und endet mit einem Hinweis auf
Gottes besondere Nähe zum guten Menschen (vgl. TGad 5,4b)
6,3b
Denn der Herr ist sein Teil.
6,4b
Denn der Herr wohnt in ihm.
6,6b
Der Herr blickt in seine Seele.
8,2b
Es ruht auf ihm der Geist Gottes.
Das anschliessende Bildwort (V.) von der Sonne, die auf Mist
und Schmutz scheint und sich selbst dabei nicht beschmutzt,
wird dann wiederum auf die reinigende Wirkung der reinen 16
Gesinnung auf die gesamte Umwelt ausgelegt.
Der Ö.ya8Ö~; ~v8pwno~; ist so die idealisierte Verneinung all dessen, was in den voraus angeführten Lasterparänesen Über Unzucht
(vgl. 8,2), Neid (4,4a), Unmässigkeit (6,3), Geldgier (6,2),
Zorn (4,4), LÜge (vgl. 6,5) und Hass (vgl. 4,4b.5a) gesagt wurde. Aus seiner persönlichen Religiosität heraus verhält er sich
tugendhaft, wirkt missionarisch und geht reinen Herzens durch
den "Schmutz"
(8,2) dieser Welt. Denn er steht auf der Seite
des Lichtes und nicht der Finsternis (vgl. 5,3), des "Engels
des Friedens" und nicht des Beliar (vgl. 6,1). Vor diesem dualistischen Hintergrund bekommt auch der "gute Mensch" etwas von
den kämpferischen Farben der Apokalyptik, obwohl di€ ganze Abhandlung sonst im Rahmen weisheitlicher Tugendlehre verbleibt.
Seit eh und je ging es ja der Weisheit um das "gute Leben" und
um den "guten Menschen"
(Spr 14,14.19), der sich in den grossen
und kleinen Ordnungen Gottes, der Welt und des Menschen den
"guten Weg"
(Spr 2,8f.20) suchen muss. Das atl.
::J."l~
bezeichnet
zwar oft nur die besondere Eignung eines Menschen für eine be15) Ebd. 3lf., wird TBen 6,1-4 als negativ beschreibende Reihe bezeichnet, der
mit 6,5-6 "eine in freierem' Stil gehaltene Aussage Über die 'gute Gesinnung'"
angefügt worden sei.
16) Der Wechsel des Stichwortes &yaöÖ~ zu KaöapÖG ist schon in 6,5b vorbereitet
(vgl. 6,7a) und wird vom Bildwort in 8,3 verlangt: vgl. auch Anm. 12.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.3.1
486
stimmte Aufgabe (vgl. lSam 8,16; lKÖn 20,3; .Spr 15,15), doch
ist trotzdem "die Bedeutung von 'tob' als 'gut' im religiös
sittlichen Sinn ••• nicht das späte Ergebnis einer Vergeisti.
::>
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18 her zu erkl
gung" 17 , die nur von der griech~schen
ayaaov-Lehre
ren wäre. Der gute Mensch im biblischen Sinn ist der Mensch,
der in jeder Beziehung "in Ordnung" ist; er ist der Ordentliche,
der
p~i:!G,
und kommt all dem nach, was dieses Wort in "sittlich-
religiöser" Beziehung aussagt.
Eine handliche Definition des "Guten" ist also von den biblischen Weisheitslehrern schon deshalb nicht zu erwarten, weil es,
wie die nvi:!G, als lebens- und gemeinschaftsfördernde Macht das
Gesamt des gelungenen menschlichen Lebens umfasst. "Es gibt
nichts Gutes, das nicht auch gut tut. Besitz tut den Menschen
gut, Kindersegen, Ehre, ein guter Name, eine gute Ehe, ein
guter Freund; aber gut ist der Mensch, dessen Verhalten solche
Erfüllungen gewährleistet" 19 •
Diese Verbindung des "Guten"
(:J"l~)
mit den "Gütern" (n"l:J"ll!l),
die für die realistische Sicht der Dinge der Weisheitslehrer
charakteristisch ist, fehlt nun aber in der vorliegenden Paränese des TBen ganz. Die Gutheit des Menschen ist einzig auf seine tugendhaften Eigenschaften bezogen, und das eigentliche Ziel
tugendhaften Verhaltens ist der OoE~avo~ öÖ~n~. Aus seiner
intimen Nähe zum KupLo~ (6,3b.4b.6b) oder
ztim
(8,2) tut der Gute, unabhängig vom äusseren Wohlergehen oder
Unglück, das Gute und bewirkt es auch bei anderen, da die eigentliche Ermöglichung des Gutseins das Innewohnen Gottes im Herzen
ist. Der Grad der Verinnerlichung ethischen Handelns, den wir
hier antreffen, erinnert an die Paränesen der Grundschrift Über
die bedingungslose Nächstenliebe (s.o. Tab. 10, Ziff.I.b) und
sucht in der frühjüdischen Literatur seinesgleichen. Die Bergpredigt ist wohl die nächste Parallele 20 •
17) STOEBE, Art.:
~1~,
ThHWAT 1 (1971) 660.
18) Vgl. dazu GRUNDMANN, Art.: &ya66G, ThWNT 1 (1933) 10-13.
19) VON RAD, Weisheit in Israel llOf.
20) Vgl. Mt 12,35; 19,16f.Par; zudem noch folgende weisheitliehen Parallelen:
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
~~
Kap. V.2.3.2
487
' 2.3.2 Tiss 4,2-6a :
Vom einfachen Menschen
Dass Tiss 4,2-6a eine
selbständ~ge,
negative, beschreibende
Reihe ist, bedarf nach den stilistischen Beobachtungen von
VON RAD, ASCHERMANN und BECKER1 keiner weiteren Beweisführung
mehr. Alle Charakteristiken dieser Form sind in diesen Versen
vereint : das Stichwort zu Beginn, die negativen Kurzzeilen mit
einer gelegentlichen positiven Gegenzeile (v. 3b), der positive
Schlussatz mit n&~ und der Wiederaufnahme des Stichwortes.
BECKER hat nun Über seine Vorgänger hinaus auf literarkritischem
Weg aufzuweisen versucht, dass das ganze Thema von der &nAb•n~
erst durch die Hereinnahme dieser Reihe in das Tiss hineingekommen sei, obwohl dies sehr schwierig zu beweisen ist. Es müssen
nämlich dazu viele Stellen der Grundschrift, und zwar der Lebensgeschichte (3,la.2.6 :
•n•~ Kapö(a~), der Paränese
enL
•n
L
&nA6•n•C
~ou. 7b.8 : ~v
&rrA6-
(5,lb) und der Zukunftsaussagen
(6,lb) für sekundär erklärt werden. Auch die parallelen Erscheinungen in den anderen bis jetzt behandelten Test dürften eine
solch gefährliche Beschneidung kaum empfehlen 2 • Selbst wenn
schon in der Grundschrift das eine oder andere Mal das Thema
der &nAÖ•n~ angeklungen wäre, könnte in 4,2-6a durchaus eine
ursprünglich unabhängige Reihe gesehen werden, die sekundär zur
Illustration des "lauteren Issachar" eingefügt worden wäre vielleicht von jenem gleichenListenliebhaber, der auch die
Unschuldsbekenntnis-Reihe 7,2-6.7 3
als Dublette zu 3,3f. eingefügt hat.
TNaf 8,4.6; aramAch 57.!,1; syrAch 75; AbRN A 40
DARINI 260ff.286f.}.
(GOLDIN 163f.}; B 34.45 (SAL-
1} VON RAD, Die Vorgeschichte 282f.; ASCHERMANN, Parän. Formen 30f.; BECKER, Untersuchungen 339f.
2} ASCHERMANN tut diesen Schritt deshalb schon nicht, weil er sich vor allem den
stilistischen Problemen widmet. BECKER, ·Untersuchungen 3.325f.347, ist sich
bewusst, dass er zu einer solchen Literarkritik Überhaupt nur nach dem Leitbild anderer, "klarerer" Testamente kommen konnte.
3}
s.
u. Kap. 3.4, Anm. 16.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
I
488
Kap. V.2.3.2
Tlss 4,2-6a
a.
co
4,2
~nAouc xpuaCov *oÖK EnL8u~E~,
•ov nAna(ov 4 aß RAEOVEK•E~,
·ßpoou6:t'wv
noLxLA.wv
oBx Ecp(e:"tO..L,
~aan•a öLct~opov oo a€AEL,
3a
b
4
XPbVOUG ~KpoÖg OOX *Onoypa~EL ~pv, 5
iiAAct ~övov holxE•aL
•o
aün~a •ou 8Eou,
KaLyE -~ nvEu~·a •nG nAavnG oOöev taxuaouOLV npOG au•ov.
b.
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6 "'ERLÖEfaafuL
"'
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OU"' yÖ,p OLÖEV
KaAAOG
8nAELaG,
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~va ~n ~V ÖLaa•po~n ~Lavn •ov vouv au•oÜ.
5
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~f\AO{; EV ÖLaßOUALOLG ci.ihoO EnEAEUOE.aL,
~uxnv aG•oG,
,7.:>.:.
" 'EVVOEL.
"'"
ROpL~OV
EV anAnO.EL<t
aß ßaOKavCa EK.nKEL
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OUÖE
6a
TiopEuE•aL yctp Ev E080•n•L,
' nav•a
/ '
ß p~
" Ev
:>.
c
/
8
KaL
anAo•n•L.
Das kleine Porträt vom einfachen Menschen ist auch formal von
grosser Einfachheit : Zwei Strophen beschreiben zuerst in
negativen Reihen (4,2-3a : Geldsucht, Habsucht, Fresslust, Putzsucht, Übertriebene Lebenserwartung; 4,4b-S : Frauen, Zorn,
Missgunst, Erwerbsucht) das Verhalten des lauteren Menschen.
In den beiden positiv formulierten Schlussätzen zu den Strophen
4) öe; die Übrigen lassen wegen Homoioteleutons aus; vgl. dagegen CHARLES, Text
111, Anm. 8.
5) ß ohne g; a: ~nLYP~EL •ou ~nv; sl: ~n•EL ~nv; mit SCHNAPP, APAT II, ·479
("setzt er nicht voraus"), BECKER, Testamente 81 ("er schreibt nicht vor")
·und AMSTUTZ, "AnA.6•nc 79 ( "prae-scribo") , wird hier ·der ß-Text belassen, der
die lectio difficilior ist und einen genügenden Sinn abgibt. Die anderen Autoren (auch BECKER, Untersuchungen 340) helfen sich mit sl.
6) def; .alle anderen haben in &7:o&v verschrieben; vgl. jedoch AMSTUTZ, ~nA.6:rnc
79: "nicht hält er Ausschau, zu erhaschen".
7) b; alle anderen haben (mit Recht?): n~p(an~ov =Verwirrung.
8) Zu dieser Kurzform s. BECKER, Untersuchungen 33, Arun. 1. 4,6b muss aus formalen Gründen sekundär sein. - D;i.e Verteilung der Stichen bei VON RAD, Die Vor~schichte 282, ist völlig unmÖglich und vom Bestreben geleitet, wie in lKor
13,4-7 eine Reihe mit 10 Gliedern zu erreichen. AMSTUTZ, "AnA.6•nc 79f., trennt
thematisch 4,2f. (Verhalten des Einfachen) und 4,4-6 (Einfalt der Augen).
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489
Kap. V.2.3.2
wird der Wille Gottes (3b), und Gradheit und Einfachheit (6a)
als der Raum beschrieben, in dem sich der Einfache bewegt. Das
letzte Wort (anA.Ö•rrn) schliesst die Reihe ab, indem es zum
ersten zurückkehrt.
Verglichen mit der vorausgehenden Paränese fällt auf, dass in
den beiden Strophen in konzentrierter Form wieder die gleichen
Untugenden dem Einfachen entgegengesetzt werden, wie dort dem
Guten. Ebenfalls besteht eine rudimentäre Einordnung in die
Doppelwelt von "Willen Gottes" und den "Geistern der Verwirrung"
(4,3b.4a). Auch formal bestehen viele Aehnlichkeiten (negativ/
positive Reihung; Inklusion), sodass Tiss 4,2-6a wie eine kleine,
auf den ctnA.ou~ angewandte Ausgabe von TBen 6,1-6; 8,2f. wirkt.
Der Lehrvortrag Über das Zweierlei in allem, TAsch 1,3 - 6,6
(s.u. Kap. 2.5.4), wird zeigen, dass auch ein Thema wie Einfalt
und Lauterkeit zu einer grösseren Kornposition hätte ausgestaltet
werden kÖnnen.
nc~nA.ou~
und seine Ableitungen kommen in den kanonischen Schrif-
ten der LXX selten vor, nur zweimal; aber bereits die Apokryphen
verwenden den Ausdruck fünfmal, und von den späteren griechischen
Uebersetzern haben Aquila und Symmachus jeder für sich ~nA.ou~
und &nA.Ö1:n~
nicht weniger als ungefähr fünfzehn mal angewendet.
Während der beiden letzten vorchristlichen Jahrhunderte scheinen
Ö.nA.61:n~
und finA.ou~
als Uebersetzung von Oll immer gebräuchlicher
zu werden, was aus ihrem Vorkommen im 1. Makkabäerbuch, in
Sapientia und vor allem in den Test.Patr. hervorgeht"
9
Während jedoch Oll ein zentraler Begriff innerhalb eines Bundesverhältnisses ist, das sowohl Gott (vgl. Dtn 32,4; Ps 18,31)
als auch dessen Partner (vgl. Gen 6,8 : Noach; 17 ,lff.: Abraham;
lKÖn 9,4f.: David; Ijob 1,1; 9,20) charakterisiert, so erscheint
die Wurzel anA.o-
in der griechischen Schrift, und zwar_ in sämt-
lichen Uebersetzungen "vorzüglich in einem Sinnbereich : im Übertragenen, ethischen" 10 • Diese
Verschiebung der Akzente kommt
9) EDLUND, Das Auge der Einfalt 60f.; AMSTUTZ, ~nAÖcnG 16-41, bes. 38f., kommt
mitseinerdifferenzierteren Methode zum gleichen Resultat.
10) Ebd. 40. Die Studie von AMSTUTZ ist die gründlichste Arbeit über den Begriff
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490
Kap. V.2.3.2
aus der griechischen Gedankenwelt und wird mit der weiteren Verbreitung in der frühjüdischen Literatur immer deutlicher 11
Wenn deshalb der "anthropologische Aspekt innerer Harmonie" 12
als Wesenskomponente der frühjüdischen &nAÖTn~-Aussagen erkannt
werden muss, so ist doch nicht zu Übersehen, dass sie ebenso
"ein Attribut dessen ist, der in Gesetz und Willen Gottes den
Kanon seines Lebens gefunden hat". Es bezeichnet ja, und dies
ist der spezifisch jüdische Beitrag zur Wortgeschichte von
&nA6Tn~ "die Integrität des Frommen, der ganz, ungeteilt und
vorbehaltlos Gott gehört in Gehorsai:n und Ergebenheit" 13 _ Sowohl
Tiss 4,2-Ga, als auch sein grosser Pendant Über die Zwiespältigkeit im TAsch (s.u. Kap. 2.5.4), als auch die anderen Stellen
in den Testamenten 14 belegen diese Bedeutung. Sowohl das Neue
Testament 15 wie auch die Rabbinen 16 pflegen und empfehlen diese
Tugend weiter, sodass es nicht erstaunt, sie in der urchristlichen Literatur und besonders in PastHerm. (vgl. Mand
2. 27) recht
häufig zu finden 17 •
Tiss 4,2-6a ist jedoch in der gesamten frühjüdischen Literatur
die einzige ausführliche Darstellung des ~nAou~, da die drei
innerhalb des jüdisch-christlichen Traditionskontinuums und sollte an die
Stelle von BAUERNFEIND 1 s ärmlichem Artikel in ThWNT 1 (1933) 385f. (1,5 S.)
gesetzt werden; vgl. auch RIESENFELD, cAnA@c 33-41.
11) HILTBRUNNER, Simplicitas 15-105, bes. 22f.87-91, und VISCHER, Das einfache
Leben, bes. 10-22.60-88, haben das antike Bedeutungsfeld ausführlich beschrieben. Die Assimilation der griechischen Inhalte erreicht im frühjüdischen Denken bei Philo ihren HÖhepunkt, wo die "Formeln, die an>..6n1c in antithetischem oder korrespondierendem Kontext verwenden, ••. als elaborierte Variationen zum griechischen Thema ~K no>..>..@v ~v y(vEa8a.L bezeichnet werden" dürfen.
"Dabei ist die zerfahrene Vielfältigkeit der Seel.le für Philon bedingt durch
das schillernde Pathos, bzw. die von ihm stimulierten ö6y~<a. Entsprechend
ist umgekehrt 1 Einfachheit 1 die Einheit des Geistes im Guten" (AMSTUTZ, '1m>..6•nc 59) •
12) BECKER, Untersuchungen 340.
13) AMSTUTZ, ~n>..6<nc 41; vgl. HILTBRUNNER, Simplicitas 87ff.; BOUSSET/GRESSMANN,
Die Religion des Judentums 418f; CAUSSE, L 1 ideal ebionitique 57ff.; KOEBERLE,
Sünde und Gnade 552ff.; HADOT, Penchant mauvais 177-292.
14) Vgl. TRub 4,1; TS!m 4,5; TLev 13,1; Tiss 3,8.
15) SPICQ, La vertu de Simplicite 5-26; Notes de lexicographie I, 125-129; AMSTUTZ, ~n>..6<nc 96-116.
16) Ebd. 85-91 (Apocrypha und Rabbinica); 91-96 (Qumranica).
17) Ebd. 116-157, bes. 143-155i vgl. ANDRE, La vertu de Simplicite chez les Peres
Apostoliques 306-327.
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Kap. V.2.4
491
Verse PseuPhok 48-5o 18 einzig von der Uebereinstirnmung von Denken
und Sprechen handeln. Weder durch die Güter dieser Welt verführt,
noch durch ungeordnete Regungen verwirrt, geht nach Tiss der
~nAou~ durch sein Leben. Das Ö~An~a •ou ÖEou (3b) ist die einzige Instanz, die seine Handlungsweise bestimmt und ihm seine Gradheit und Einfachheit gibt (6a). Man kann nicht umhin, an die
Makarismen des slavHen 42,6-14 und damit auch an diejenigen der
Bergpredigt zu denken. Wir sind hiermit im Zentrum frühjüdischer
Religiosität.
2.4 Ein weisheitliches Mahngedicht in zwei Versionen
grTLev 13,1-9a Par arTLev 84-89.91-95
Kleine Reihen, die durch imperativische Mahnungen strukturiert
sind, finden sich Öfters in den Testamenten 1 . In lockere Stichen
gefasst, bilden sie kurze Mahngedichte, die jedoch gerne durch
andere Formen der Paränese (beschreibende und konditionale Reihen,
Sentenzen) erweitert werden, sodass sich der kompositorische
Prozess der Verbindung von Einzelmahnungen oder die Ausgestaltung mit paränetischen Materialien öfters noch erkennen lässt.
Da solche Mahngedichte oft am Schluss eines Redeganges stehen,
ist ihr Inhalt meist zusammenfassend und, wie die abstrakten
Leitworte zeigen, formelhaft allgemein 2
Das 13. Kap. des grTLev ist das ausführlichste Beispiel einer
solchen Mahnrede in den Test XIIPatr. Nach den Abhandlungen
Über Priestertum und Kult und vor dem Ausblick in die Zukunft
beginnt, thematisch völlig Überraschend 2 a ein formal selbständiges Mahngedicht Über Schriftgelehrsamkeit 1 Wohltätigkeit und
Weisheit :
18) "Keine Absicht verbirg in deinem Herzen, die anders ist als du sprichst !
Aendere dich nicht wie der am Felsen klebende Polyp nach der Umgebung !
Zu allen sei einfach und sprich aus der Seele !" AMSTUTZ, 'i\nA.61:11(; 35-38, sieht
auch in Weish 1,1-5 "so etwas wie eine Auslegung der anA.6cll(;" (35) •
..,....,-----
l) Vgl. Tiss 5,1-3; TDan 6,8-lOa; TSim 5,2-3.
2) Zu den stilistischen Fragen vgl. die Analyse von ASCHERMANN, Parän. Formen
86-91.
2a)Ebd. 88: "Das Gedicht hat mit dem sonstigen Inhalt von TLev
n~cht
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
das Gering-
Kap. V.2.4
492
grTLev 13,1-9a
ar TLev
84
Einleitung :
1 KaL vOv, •~xva ~ou, ~v.€AAo~aL Ö~~v,
'tva cpoße:l.oae: •ov KDpLOV n~c:3v tE 'ÖAn~ x.apö(a~·
/
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'
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~
"3
xaL\ nope:ue:oae:
e:v
anAo•n•L
xa•a
nav•a
•ov
vo~ov au•ou
I. Schriftgelehrsamkeit
88a
vgl.90
94a
88b
89a
91
92a
9lb
93b
2 *ßLöaEa•e: ö€ xaL Ö~e:L~ •a .~xva Ö~v yp~~~a•a, 4
a
tva ~xwoL crGve:oLv Ev n~onL L ~wnL aÖ•wv
b
&vayLyv~ov•e:~ &öLaAe:Ln•w~ •ov vÖ~ov •ou 8e:o0: 5
3 f1n na~ ~k yvc;;cre:•aL VO~OV 8e:ou H·~n8noe:•aL,
c
XaL ODX ~:'o:taL J;€vo~ 1 8'nou fmcl:re: L.
4 Ka(ye: noAAO~~ QJLAoÖ~ ßn~p yove:L~ x•noe:•aL 6
xa\ ~nL3u~nooucrL noAXo't
&vap~nwv öouAe:uoaL aß•~,
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xaL axouoaL vo~ov e:x •ou o•o~a•o~ au•ou.
•n
•wv
1'\
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,:)
.f\
II. Wohltätigkeit
85b
s rroLnoa•e: öLxaLoouvnv, 7 •exva ~ou, Enl •n~ yft~,
~va *e:~pn•e: (aö,nv> 8 Ev •oL~ oGpavo~~.
87
6 Kal one:Lpe:•e: Ev •aL~ ~uxaL~ Ö~v &ya~,
~Va e:ffpn•e: aG•a ~V . •n... . ~WTI.. O~wv.
~E~v yap one:(pn•e: xaxa,
naoav •apaxnv xaL 8A~~LV 8e:p(on•e:.
ste zu tun. Nicht das Priestertum, sondern die Schriftgelehrsamkeit und Weisheit wird empfohlen. Daher dürfte dies Stück nicht zu der Ursehr1ft der Testamente gehört haben. Vielmehr ist es durch .einen jüdischen Ueberarbeiter hineingebracht worden; der damit die Levi geltenden Verheissungen auf den Stand
der Gesetzeslehrer· übertrug."
3) Alle anderen; b: aihcllv (falsch).
4) Ist wohl als "Buchstaben", "ABC" zu übersetzen, da es ja um das Lesen (2b) des
Gesetzes geht; vgl. JOSEPHUS, Ap 2,204; BECKER, Testamente 56 ("das Lesen").
5) a lässt den ganzen Vers 2 aus, wahrscheinlich wegen Homoioteleutons.
6) ag; b: x~nan~aL
(falsch); cdf: xLCoeLaL.
7) Hier wohl als Wohltätigkeit zu übersetzen, wie dies in frühjüdischer Zeit
allgemein üblich ist (vgl. BILLERBECK IV/1, 537), und es der Parallelismus zu
den iiyaatX (= O':J.,l!l O't!IYO) in 13,6. nahelegt (vgl. Tob 12,9; 14,11; ,Dan 4,24).
8) ßAbs; a: ta~€vo~ ~TE. CHARLES, Text 53; Anm. 26, konjiziert willkürlich aus
beiden Varianten d~n hebr. "Urtext": , il>"lm = 3noaup LOTJTE (vgl. Mt 6,19) ; wahrscheinlich ist einfach mit d aih-r]v zu ergänzen (vgl. l3, 6a) •
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.4
493
III. Weisheit
vgl. 94
7 Eo~Cav x•naaa&E EV ~oß~ &EOU ~ETa onou5n~,
g,~ Edv yevn•a~ atx~aAwaCa,
vgl. 95
b'
xa'L. TtOAE~~ bAo&pEu&wa~ xaL xwpa~
I
xaL xpucrÖ~ xaL ~pyupo~ xal naaa x~noL~ &noAE~TaL,
TOÜ ao~oO •nv ao~Cav oD5EL~ 5uva•a~ a~EAEO&a~,
8
Et
~n •D~AWO~~ aaEßELa~ xa'L nnpwa~~ 9 &~apTLa~·
Cl
1Q
o•~
~
yEvnaETa~
::>
1'.
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::>
'
au•n
11
c'
xa'L napÖ. •o'L~ noAE~Co~~ Aa~npa,
xa'L ETtL Yn~ &AAOTpLa~ TtaTpL~,
91a
92a
xa'L. E~~tawL tx&p@v EDpn&naE•a~ ~CAo~.
Schlussverheissung
93a
9a~aV Ö~ÖclOXTI Tatha Xal TtpaTTTI
l
/
auv&povo~
:>/
EOTa~
l
/
ßaa~AEW~
...
1
12
Die vorausgehende Darstellung zeigt klar, dass die imperativischen Mahnungen (13,2.5+6.7) dem Gedicht seine Struktur geben.
Die thematischen Abschnitte (ypa~~a•a, 5~xa~oa0vn, ao~(a) werden jeweils durch einen dieser Imperative eröffnet, worauf dann
allerdings konditionale oder positiv beschreibende Reihen (13,
3f.8) das Thema weiter ausführen.
Zwischen I und III ist eine inhaltliche Verwandtschaft unübersehbar. Die Imperative (a//a') werden jeweils durch eine ausgeführte Begründung empfohlen : Die Gesetzeskenntnis reicht zu
lebenslanger Einsicht (b), und die Weisheit ist ein unverlierbarer Besitz selbst in Verbannung, Zerstörung und Raub (b').
Das Porträt des Schriftgelehrten (c), das an Sir 39,1-11 erin9) nnPWOLG ~ VerkrÜppelung, Kurzsichtigkeit, Blindheit; vielleicht nach e (n6pPWOLG) und afd (nopWOLG) in n~pWOLG ZU ändern; vgl. CHARLES, Text 54, Anm. 49;
BECKER, Testamente 56.
10) a/liest vorausgehend: 0 Eav yap TLG ~uA~Ep aOTov ~K Tßv novnpwv TOUTwv ~pywv,
TOTE: ...
ll) ß (ohne d); adA: oo~Ca.
12) l3,9b ist Rückbindung des Gedichtes an die Testamentensituation: ~G KaL ~wo~~
b &oe:A~OG ~u~v; vgl. dagegen HOLLANDER, The Ethical Character SOff.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
494
Kap. V.2.4
nert, hat schliesslich sein Pendant in 13,8, weldhes die Weisheit und den weisen Menschen kurz darstellt : Sowohl der Schriftgelehrte wie der Weise sind berühmt, nirgendwo fremd, Überall
befreundet (c').
Diese beiden parallelen Mahngedichte von Gese.tz und Weisbei t umschliessen nun ein weiteres, neu mit der Anrede an die Kinder
einsetzendes Stück (II) mit zwei Imperativen, welche die Wohltätigkeit in typisch weisheitlichen, synthetischen Parallelismen
empfehlen
5
Ga
Gebt Wohltätigkeit
damit ihr (sie) findet
Sät Gutes
damit ihr es findet
auf Erden
in den Himmeln
in euren Seelen,
in eurem Leben
Die doppelte Ausführung des Gedankens in beide Richtungen Erde Himmel und Inneres - Aeusseres und das zusammenfassende Sprichwort vom Säen und Ernten (6b) gibt den drei Stichen inhaltliche
und formale Geschlossenheit.
Stellt man nun die Frage nach der Einheitlichkeit des ganzen
Gedichtes, so muss von der literarkritischen Einzelanalyse her
13
mit ASCHERMANN festgestellt werden , dass drei unabhängige Einheiten, wohl wegen der Verwandtschaft von I und III zu einem
grösseren Mahngedicht zusammengeschlossen wurden. FÜr einen
Einschub von Abschnitt II .können jedoch keine triftigen Gründe
gefunden werden. Er mag wohl schon mit I verbunden gewesen sein.
Diese Analyse gilt allerdings nur für den griechischen Text.
Auf dem Cambridge Fragment aus der Kairoer Geniza haben wir
glÜcklicherweise eine fast vollständige
aramäische Parallele,
welche bei einer Analyse unbedingt berücksichtigt werden muss 14
13) Parän. Formen 90.
14) Cambridge Fragment Kol. e, Z. 9 bis Kol. f, Z. 23 (=Verse 83-95); aramäischer
Text bei CHARLES, Text 255f. (Appendix III); engl. Uebers., DERS., APOT II,
366f.; dt. Uebers., BECKER, Testamente 145f.; RIESSLER, Altj. Schrifttum 1177L
(geht jedoch über die LÜcken hinweg und hat Uebersetzungsfehler) . Einen detaillierten Vergleich der beiden Versionen hat einzig HAUPT in seiner These:
Das Testament Levi (mir nicht zugänglich; vgl. ThLZ 95, 1970, 950), gemacht;
vgl. dazu BECKER, Untersuchungen 68-105, bes. 82-84.103-105. ASCHERMANN Übersieht diese Parallele unbegreiflicherweise ganz (vgl. 88-90).
·
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
495
Kap. V.2.4
Sie weist starke Abweichungen zum griechischen Text auf und bietet dadurch eine seltsame
inhaltliche Variante zur ohne Zwei-
fel verwandten griechischen Version :
a) Der eingeschoben wirkende Mittelteil (II) des grTLev ist
vÖllig aufgelöst und in nur zwei Hauptteilen verarbeitet
Das Stichwort oLxaLocrovn erscheint als npi~ im zweiten Glied
des einleitenden Doppelzeilers zu Teil I des arTLev. Der
Spruch von Säen und Ernten (13,6) findet, indikativisch formuliert, unmittelbaren Anschluss an die leider fragmentarischen Zeilen 13f., die vom gesegneten Ertrag und Samen der
Wahrheit (und Wohltätigkeit ?) sprechen. Die Stichwortassoziation
~VIl,VIl
ist wohl der Grund für die Anfügung des ge-
läufigen Sprichwortes, das zudem einen guten Abschluss bildet. Die Anrede •txva ~ou (13,5) steht schliesslich zu Beginn von Z. 17 als erneuter Anfang von Teil II des arTLev.
b) Die Verweisstellen (am linken Rand des griechischen Textes)
zeigen zudem, dass in den zwei Teilen des arTLev Parallelen
zu allen drei Teilen des grTLev vorkommen, dass aber ihre
Abfolge in bezeichnender Weise (s.u.) verändert ist.
Beide Indizien weisen darauf hin, dass der gleiche Stoff "in
einer mündlich relativ festen, doch im Einzelnen noch recht
variablen Tradition" 15 vorlag. Zusätzlich ist nun aber auffallend, dass die zwei Teile des arTLev nicht einfach die Themata
des ersten und dritten Teiles des grTLev 13 aufweisen. Dies
wäre zu erwarten, wenn grTLev eine nachträgliche Erweiterung
des arTLev, ode.r dieses eine sekundäre Straffung des grTLev
darstellen würde. Vielmehr widmet sich Teil I des arTLev (8487) thematisch völlig selbständig der
~~WIP
(=Wahrheit/Wahr-
haftigkeit), ohne nur eine Andeutung an ypct~~a•a oder
vÖ~o~
zu machen. Erst Teil II (88-95) steht dann thematisch parallel
zu grTLev (13,7-8) unter dem Stichwort
~nn~1n
und vereinigt
in sich das gesamte Bildmaterial, das im griechischen Text auf
den Gesetzesgelehrten (13,3f.) und den Weisen (13,7b.8) verteilt ist, zum doppelten Lobgedicht auf den Weisen (91-93) und
die Weisheit (94f.).
15) BECKER, Untersuchungen 102.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
496
Kap. V.2.4
So ergibt sich im arTLev 84-89.91-95 ein verwandtes und doch inhaltlich und strukturell neues Mahngedicht Über Wahrhaftigkeit
und Weisheit
ArTLev
84-89~91-95
Einleitung
Vers
~~~~
I.
,~l:lwlv
.nvi~
(I :Jb))
~~n~
84
9
10
~~~~~~I))Tttl~l
85
11
~clnl~
o~~v
b)
.....
,~V(Ii)l
,7v~nn
.nv11
a)
11~7 n~~
Die Wahrhaftigkeit
a)
I I.
,iv~n
::o~~il
86
c~~lwlvl
-
tti~~T))Ii
87
15
16
~~~
Die Weisheit :
,j'1:J~~~7
16 1~~7~ nb:JIMTib'lb 1mb
,~~~ j)):JI
88
,n~
~~n
IP~I
-
~ilb:JIM
~~7~
89
~~
17.18
19
. 17 ~n~ilbTjlttll~7 - ~ilb:JIM l!l~~ttl ~~~
20.21
22 ...
c) Lob des Weisen :
Kol.f
•.. n~~1n1 TC~il~ln 7:J7
,n~T~1n
,n~
..... ~""
~~n
i:J~
91
n7
6.7
8
nC~I:J
~7)
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~71
9
nn1 ~71
,IP~ n~ n7T~~~n~ ('1n7'1:J ~~
10
.nnn:J'ln 1n ~7~n7T~~~~ n7'1:J ~~c~l
12
,~..,:J~C7
18
16) Mit CHARLES, Text 255, korrigiert von
17)
13
14
j17V
- ~~~ TVIi ~~
~~l!l
12
n77V
~:J~I~
~n'17V
(~)b7))TiVI
.o7v IP~7 ('l:JbV ~ilb:JIMT~~nill
b)
Kol.e
I~'~M
...
n~
n~
T
11
(vgl. z. 20).
1i~~~~ ist nach CHARLES, Text 255, Korrektur von 11~~~ ; der anschliessende
Vers 90 ist eine .sekundäre Verknüpfung mit der Testamentssituation (vgl.
grTLev 13,9b). Der Text geht in Kol. f weiter, die aber in den ersten fünf
Zeilen fast völlig unleserlich ist.
18) CHARLES, APOT II, 367, Anm. 1, meint, es seien hier "duplicate renderings
of the same Hebrew original"; ebenso BECKER, Testamente 146, Anm. 9la.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
497
Kap. V.2.4
,,,H,lbT(,)M,CM,
,v,,
.nnc~,n ,~,c vcwci ~,i~
92
13
93
14
H,n ,v, ,i
,n,v
·1M HM,lv ~~~ H~Hm HC,b,
ov,
,,nH,
94
.,,~,~, M,C~W ,~HW,
.n~
,,~n,nc
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15
d) Lob der Weisheit
,nnc~n
~,
~,
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,,~,vn
,,~,M,,
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l,W,~,
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H~
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17
95
18
19.20
,,~Cl,,
21
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,n,,,cmc
16
,,~,H
,,n~w,
H~,
22
23
19 ... TH~,
Es ist für unsere Fragestellung nicht eigentlich von Bedeutung
- und es ist anscheinend auch keine Entscheidung möglich -,
.welche der beiden Versionen nun älter oder ursprünglicher sei.
Beide entstanden ungefähr im gleichen frühjüdischen Zeitabschnitt
und griffen auf einen gemeinsamen "mündlich relativ festen Erzählzusammenhang" zurück, "der sicher in vorchristliche Zeit
und bis in den palästinensischen Traditionsbereich zurückverfolgt werden kann" 20 • Beide sind ein weiteres Zeugnis für ein
weisheitliches Bemühen sirazidischer Art 21 , das versucht, fundamental Wichtiges für ein gläubig-glückliches Leben zu formulieren. Dabei folgt der griechische Text den klassischen Anliegen
frühjüdischer Weisheit :
Gesetzeskenntnis
verdienstliche Wohltätigkeit
Weisheit in der Furcht Gottes
I
II
III
Die Nähe von Gesetzeskenntnis und gläubiger Weisheit, welche
19) Hier bricht das Cambridge Fragment ab. Anscheinend ging die negative Reihe
noch weiter.
20) BECKER, Untersuchungen 103. HAUPT, Das Testament Levi (s. o. Anm. 14), versucht jedoch nachzuweisen, dass der griechische Text eine paränetische Bearbeitung des aramäischen Grundbestandes sei. Unsere Analyse spricht gegen
diese These.
21) Vgl. ASCHERMANN, Parän. Formen 26.29.98.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
498
Kap. V.2.4
in der Parallelität von grTLev I und III zum Ausdruck kommt,
wird durch die gleichen Auswirkungen beider Haltungen während
des Lebens begründet : Beide lassen den Menschen in den Wechselfällen des Lebens nie im Stich, verschaffen Ehre und Freunde
und machen jeden Ort zur Heimat. Anzeichen einer theoretisch
begründeten Verbindung von personifizierter'Weisheit' und Tora
sind nicht die geringsten zu finden. Es geht hier lediglich um
die Annäherung zweier wesentlicher Grundhaltungen des Frühjudentums "von unten her", d.h. von der weisheitliehen Beobachtungen
der gleichen Wirkungen her. Vielleicht bildet jedoch diese enge
Verbundenheit beider Haltungen jenen weiteren menschlichen
Kontext, innerhalb dessen die denkerische Leistung einer Annäherung "von oben her" d.h. eine
nn~h
- hlln - Identifizierung,
wie sie gerade in dieser Zeit zum festen Bestandteil der Theologie wird (s.o. Kap. I.l), möglich ist.
Umso erstaunlicher ist es auch in dieser Hinsicht, dass in der
aramäischen Version diese klassische Doppelung Gesetz - Weisheit
vÖllig fehlt 22 . Die Schriftgelehrsamkeit, diese grundlegendste
Tugend des offiziellen jüdischen
b~h,
fällt weg und macht einem
doppelt erweiterten Zweizeiler über das Tugendpaar der
(=hebr
85
86
nmn
~WP
und der ilPi:::C Platz :
Die Summe eurer Taten sei Wahrhaftigkeit
und für immer sei aufgerichtet bei euch Wohltätigkeit
Und die Wahrheit •••
für jene (sind) die Ernte gesegnet und der Same.
Wer Gutes sät - erntet Gutes.
Wer BÖses sät - auf ihn kehrt sein Same zurück.
Ein ausführliches Lob der Wahrhaftigkeit, wie dies Teil I
von
grTLev nahelegt und ja nach dem Beispiel von 3Esr 4,36-40 (Rede
des 3. Pagen über die Macht der &An&E(a; vgl. auch EpAr 206)
durchaus möglich wäre, wurde nach dem Einleitungswort von
22) BECKER, Testamente 146, legt zwar 88a: nD~1n i01D i~O auf die Tara aus, indem
er i~O mit bestimmtem Artikel übersetzt, und gibt dann in 90b dem undeutlichen i~D l{~';>l{D einen ähnlichen Sinn: "Unterricht in der Schrift geben"; ähnlich HOLLANDER, The Ethical Character 81. Da BECKER jedoch keine Gründe fÜr
diese Uebersetzungsweise angibt, obwohl sie nicht selbstverständlich ist
(vgl. CHARLES, APOT II, 366f.), und der Kontext von arTLev 13 diese Bedeutungsverengung keineswegs unterstützt, entspricht die hier vorgebrachte Deutung dem Text besser (vgl. Dan 1,17: nD~n1 i~D 7~~).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2'.5
z.
499
10 vielleicht beabsichtigt, aber jedenfalls nicht ausgeführt.
Der Schreiber ging schnell Über den ersten Teil hinweg, indem
er das gesamte, aus der Tradition vorliegende Bildmaterial zur
lobenden Beschreibung des Weisen und der Weisheit verwendete.
Dort liegt demnach sein eigentliches Interesse (s.u. Kap. 3.2).
Mit arTLev 84-89.91-95 ist für die Zeit zwischen 100 v. und
100 n. Chr. ein Mahngedicht erhalten geblieben, das völlig der
Weisheit gewidmet ist, und keine Andeutung an den grossen Partner der Weisheit, das Gesetz, macht, obwohl das traditionelle
Material dazu sich, wie grTLev zeigt, geradezu anbot. Der Komponist der aramäischen Version hatte eigene, unklassische Ansichten, die er in ihrer Einseitigkeit vorzutragen den Mut und
die Möglichkeit hatte. Er war so etwas wie ein "radikaler Weiser", der die gängige, naheliegende und nahegelegte Vermengung
von Gesetz und Weisheit nicht mitmachte, dafür mehr Wert auf die
Wahrhaftigkeit, diesen seinen Inbegriff
(W~i)
des Handelns legte,
sich sonst aber voll und ganz der Pflege der Weisheit widmete. ArTLev ist einer jener Punkte in der Geschichte der frühjüdischen
Weisheit, wo ein einzelner Weisheitslehrer durch sein Gedicht ein
fast individuelles Gepräge bekommt, durch welches er sich von
den gängigen Gesetz-Weisheitslehrern (grTLev) unterschied.
2.5 Lehrtexte über die Ordnungen in der Welt der Natur und des
Menschen in TNaf und TAsch
TNaf zeigt wieder jene Eigenart, die wir schon in anderen Test
feststellen konnten : Die Lebensgeschichte des Patriarchen
bricht nach 2,1 plötzlich ab 1 , macht einem langen Traktat Über
Harmonien und Ordnungen in der natürlichen und der menschlichen
Welt (2,2-3,5) und einer doppelten SER-Passage (4,1-3.4-5a)
Platz. Erst in den Kap. 5
und 6 fährt sie dann mit zwei Träu-
men Naftali's und ansebliessend (7,1-8,1) mit deren "Deutung"
1) Vg1. TGad 2,5f.; TSim 3,1; zwischen TNaf 2,1 und 2,2ff. besteht nur eine
sehr lose Gedankenassoziation.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
500
Kap. V. 2. 5
durch Jakob weiter, formuliert diese dann in 8,2a als Mahnung
und geht in Zukunftsauss,agen Über die Teilnahme der Weltvölker
am endgültigen Heil aus (8,2b.3). Ungewöhnlicherweise folgt
darauf nochmals ein Stück mit paränetischen Materialien, worauf
dann das TNaf mit den Abschlussnotizen (Kap. 9) schliesst. Die
sich aus einer ersten Uebersicht ergebende Abfolge der verschiedenen Einheiten sieht also wie·folgt aus :
I. Lebensgesch.
I I. Paränesen
I I I . Zukunftsaussagen
<1,1-4>
1,5-2,1
2,2-3,5
4
5
-
8,1
8,2a
8,2b.3
8,4-10
<9>
Die paränetischen Partien (ausser 8,2a) stehen an völlig falschen Stellen innerhalb eines "Testamentes" und haben zudem
keinen einzigen Bezugspunkt zu den anderen Teilen des TNaf. Sie
müssen von eine.r zweiten Hand eingebaut worden sein und sind
deshalb nach allem bis jetzt Gesagten in jene zweite Etappe
der Traditionsgeschichte der Test XIIPatr anzusetzen, deren
Charakteristika sie auch aufweisen 2 .
BECKER hat nun diese. sekundären Passagen in "zwei im Stil synagogaler Predigten gehaltene Stücke" aufgetrennt, und zwar in
ein erstes, nach dem Schema des Bundesformulars aufgebautes
"Stück mit dualistischem Weltbild", dem ein weniger strukturiertes "Stück mit dem thematischen Stichwort -.af;Lt:;" ein- und angefügt worden sei. Es ergibt sich nach seiner Analyse folgender
Kompositionsprozess 3
2)
s. o.
Kap. 2.1.2, Ziff.
c;
vgl. BECKER,Untersuchungen 325f.
3) Ebd. 214-228.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.5
Tab. 14
501
Literarkritische Analyse von TNaf (nach BECKER)
s e k u n d ä r e
Grundschrift
1. Parän.
2. Parän.
(dual.)
(~~~:;)
SER-StÜCke
1,5 - 2,1
2,2-7
2,8f.
~
----3,2-5
-----
2,lcr-3,1
I.
Lebensgeschichte
f-----
4,1-3
4-5a
5- 7
II.+III.
8,1-3
Paränese +
Zukunftsaussagen
~
9
8,4.(5).6
-
8,7-10
Zur ergänzenden Bearbeitung des TNaf dienten also (nach BECKER)
zwei vollständige Homilien, die in zwei Etappen in die Grundschrift eingetragen wurden. Der erste Bearbeiter ging demnach
so vor, dass er die 1. Paränese in zwei Teile zerschnitt, den
ersten (2,2-7.10; 3,1) in die Lebensgeschichte einschob, den
zweiten (8,4.6) am Schluss vor den Abschlussnotizen (9) unterbrachte. Die 2. Paränese wurde erst nachträglich in drei Fragmente zerlegt und so in die erste Paränese eingesprengt, dass
jeweils eines ihrer Fragmente nach einem kleinen Teilstück der
ersten angefügt wurde.
Diese sehr komplizierte
literarkritische Auftrennung scheint
mir zu weit zu gehen und die Texte zu strapazieren. Der eigentliche Grund dafür liegt darin, dass BECKER in den sekundären
Teilen zwei vollständige "Homilien" zu rekonstruieren versucht.
Dabei verlässt ihn für einen Moment die Scharfsicht für die inhaltlichen und formalen Indizien, die dieser Rekonstruktion entgegen-
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.5
501!
stehen. So ist z.B. uneinsichtig, wie 3,1, diese Warnung vor Habsucht und leerem Gerede,, eine Paränese zu den Lehraussagen von
2,2-7.10 sein soll. 2,10 kÖnnte ebenso gut zu
2,8f~
geschlagen
werden, da es dort nicht weniger am falschen Ort steht als hinter 2,7. Endlich nimmt 8,4.6 ein völlig ne'ues Stichwort (xa>..o~)
auf und beschreibt dann in zwei ursprünglich selbständigen, antithetischen Strophen das Los des Wohltäters und des Uebeltäters.
Die futurische Form gab wohl den Ausschlag dazu, dass dieses paränetische Fragment hinter die Zukunftsaussagen.von 8,1-3 angefügt wurde; ursprünglich mag es ein Stück wie Tiss 7,7 und TBen
S,lf.
(s.o. Kap. 2.3.1) gewesen sein. Dass andererseits 8,7-10
das Stichwort •aE~~ vorweist, vermag keine genügende Verbindung
zur 2. Paränese zu schaffen, denn die eigentliche Aussage von
8,7-10 ist ja die Doppelung aller. Gebote. Zudem sind die vier
Verse eine kleine, geschlossene Einheit mit einem belehrenden
(8,7-9) und einem mahnenden (8,10a) Teil, samt einer kleinen,
verheiasenden Zukunftsaussage (8,10b).
Nach allem ist es wohl besser, die beiden paränetischen Einführungen nicht in ein grö~;~seres Schema zu pressen 4 , sondern in
ihrem fragmentarischen Zustand zu belassen. Auch so zeigen sie
noch genügend inhaltliche und formale Eigenständigkeit, wie das
Folgende zeigen wird.
Damit präsentiert sich der Kompositionsprozess von TNaf so
4) Bei BECKER, Ebd. 218, ist besonders die Gliederung des •~E~~-stückes problematisch, da sie die formale Struktur der Indikativ/Imperativ-Abfolge in
2,8-9 II 3,2a-2b II 3,3-4a(+4b.5) nicht beachtet, den sekundären Charakter
von 2,8b nicht erkennt und die inhaltlich fremden Verse 8,7-10 hinzunimmt;
5) Vgl. die Rekonstruktionsversuche von CHARLES, Text 156f. = ASCHERMANN, Parän.
Formen,94. Anders BECKER, Testamente 105; Untersuchungen 217.
·
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. V.2.5
Tab. 15
503
Vereinfachte literarkritische Analyse von TNaf.
s e k u n d ä r e
Grundschrift
I.
1,5-2,1
Lebensgeschichte
Parän .Fragmente
Erwei tertmgen
SER-Stücke
....- 12,2-7 (=Frgt 1) I
2,8-9
2,10
-
(=Frgt 2)
3,1
3,2-5
4,1-3
4-Sa
5 - 7
II.+III.
8,1-3
8,4
Paränese +
Zuk.unftsaussagen
(=Frgt 3)
8,5
6
9
8,7-10( Frgt 4)
Im Folgenden werden Frgt 1, .2 und 4 besprochen. Frgt 3 wurde
schon bei der Paränese vom guten Menschen (TBen 3,1; 4,1 - 5 1 3;
6,1-6; 8,2f.; s.o. Kap. 2.3.1) berührt. Es ist eine gedanklich
identische, formal aber besser durchstrukturierte Parallele zu
TBen S,lf. Wird dort nur die Wirkung des ~vnp &ya8Ö~ auf Tiere,
Menschen und Engel beschrieben, so geht es hier sowohl um den
Menschen, der das xaAÖv tut und deshalb alles Gute anzieht (Menschen, Engel, Gott) und alles BÖse abstösst (Tiere, Teufel),
als auch um den ~n no~ouv•a
TO
xaAÖv, der die genau gegenteili-
gen Wirkungen erzielt. Zur Bestimmung des Typus von Dualismus,
der in den Test XIIPatr stets bei den sekundären Einschüben zu
finden ist, könnte dieses in mehrfachem Sinn "antithetische"
Stück sehr behilflich sein 5
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
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L-2: 1 2: J~N~ T"S"C::
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'!70S
Kap. V.2.5.1
505
2,2-5 bilden zwei Strophen, die Zeile für Zeile parallel laufen (2a//4a; 2b//4b; 3a//5a; 3b//5b) und .sich des alten Vergleichsbildes von Gott als TÖpfer bedienen : Wie der Töpfer
das Fassungsvermögen (2a) und den Gebrauch (4a) seiner Gefässe
kennt, so stimmt Gott Leib und Seele des Menschen aufeinander
ab (2b), und so weiss er um die Grenze zwischen Gut und Bös im
Menschen (4b). Mit 3a und 5a fügen sich zwei allgemeine, weisheitliehe Lehrsätze (Entsprechung von Geist und Leib; vÖlliges
Erkanntsein des Menschen durch Gott) an, welche einerseits die
vorausgehenden Vergleiche (2b und 4b) begründen, sich aber andererseits auf die beiden folgenden Versteile stützen, welche
zwei Grunddogmen der Weisheit formulieren. Damit sind die Harmonie von Geist und Leib (2b.3a) und die totale Durchsichtigkeit
des Menschen für Gott (4b.5a) in den zwei weisheitliehen Evidenzen von der Abgewogenheit der Schöpfung (3b) und der Gottebenbildlichkeit des Menschen (5b) verankert.
2,6a ist eine Liste mit Entsprechungen von innerer Disposition
und äusserem Resultat, von Fähigkeiten und Tätigkeiten im menschlichen Bereich. Er knÜpft lose an 2b an und schreibt das nav
TIActO~a xa\ naoa ~VVOLa von 5a aus. 6b gibt dann der weisheitlieh
darlegenden Liste eine plötzliche Wende, indem er aufzeigt, dass
diese Entsprechungen sowohl im Guten, wie auch im Schlechten
spielen, sowohl in der Welt des Kyrios wie auch in der Welt des
Beliar. Damit ist auch diese anthropologische Liste Überraschend
in jenen typischen dualistischen Zusammenhang gestellt, der den
Menschen mit seinem ganzen Gehaben im Spannungsfeld des guten
und bösen Geistes sieht, sie erfährt also jene (un-)heilsgeschichtliche Dramatisierung, die wir in allen sekundären Erweiterungen der Test XIIPatr finden.
Die dritte Strophe, deren Wortlaut nicht gut Überliefert ist,
scheint zuerst (7a) mit der Doppelung Licht - Finsternis diesen
Dualismus weiterführen zu wollen, nennt dann aber im gleichen
Versteil wieder nur die konkrete Verschiedenheit von Gesicht und
Gehör und fügt (7b) einen nicht ganz einsichtigen Vergleich an,
dessen Aussage, falls der Text richtig rekonstruiert ist (vgl.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
506
Kap. V. 2 • 5 • 1
Anm. 6) , lautet : Kein Mensch. gleicht dem andern, weder im Anblick noch in der Gesinnungsart (voÜc) •
Wenn II
und III
eher den Eindruck machen, aus dem Arsenal weis-
heitlieber Popularpsychologie zu stammen, so gestaltet die erste
Strophe mit ihrem Vergleich von Gott und Töpfer einen weitverbreiteten theologischen Topos 7 • Ist dieses Bild in den Psalmen
(vgl. 74,17; 95,5; 104,26), bei den Propheten (Jes 29,16; 41,25;
45,9; Jer 18,2-6; 19.,1-13) und auch bei Sir 33,10-13 als "Hieroglyphe für 'souveränes Gestalten'" 8 gebraucht, das auch die Zerstörung des Gestalteten einschliesst (vgl. Röm 9,20f.; 2Tim 2,
20f.), so steht hier der Vergleich für einen anderen Gedanken.
Die künstlerische Fertigkeit des Schaffenden, der das Material
nicht überschätzt (2a.4a), Form und Stoff harmonisch verbindet
(2b) und die Struktur durchschaut (4b), ist das tertium comparationis. Und diese Harmonie ist perfekt (3a), "denn nach Gewicht,
Mass und Regel (besteht) die ganze Schöpfung des Höchsten"
(3b; vgl. Jes 40,12; Ijob 28,2Sf.; Koh 2,14; Weish 11,20); und
die Einsicht in das gestaltete Werk ist vollständig (Sa),
"denn jeden Menschen hat er nach seinem Bild geschaffen"
vgl. Gen 1,26f.; Sir 17,3) 9 •
(Sb;
Das Werk eines solchen Meisters kann nur "in Ordnung" sein,
alle Unordnung muss von anderswoher kommen. Dieser Ordnung
("rÖ.ELC)
und Unordnung (a:t"a.!;(a.) widmet sich das im TNaf gleich
ansebliessende Frgt 2.
7) Vgl. GILBERT, La critique des Dieux dans le Livre de la Sagesse 197-224.
8) Vgl. KEEL, Die Welt der altorientalischen Ikonographie 183, auch Abb. 278.
334; SCHMIDT, Art.: ~~', ThHWAT 1 (1971) 761-765. Vgl. auch 2Klem 8,2 (Gerichtsallegorie) •
·
9) Der Gebrauch von Gen 1,26f. (oder 5,1) für diese Aussage is,t sonst nirgends
zu finden, obwohl diese Stelle fÜr vielerlei Aussagen herhalten musste, s.
nur Jub 6,8; Weish 2,23; SLev 19,18. Weiteres bei BILLERBECK I, 908; BECKER,
Untersuchungen 382f.; NISSEN, Gott und der Nächste 400-407.
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Kap. V.2.5.2
507
2.5.2 TNaf 2 1 8-9; 3 1 2-5 (=Frgt 2)
Die göttliche •aEL~ und die menschliche
&•aELa
I. Die Ordnung von allem :
a)
(b)
,.a.~
rr€vn; al. cr-5i]cre:L ~ EV
~
/
\
"D
u.gcpaA.p 1
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~v •a!;EL ~cr•E EL~ liya-50. 8v cpÖß~ fiEOU
1
xaL ~notv ~•ax•ov rroLEL•E ~v xa•acppovncrELI
~noE ~Ew xaLpoO aD•oG.
ll bA; ay• npoaaelG aß'V Kal ,p(xaG ElG eDnpeneLav Kal 6o~nv (d ähnlich).
2) Geht zur Not; besser als die 6L0:KpLOLG, das "Sekretion" bedeuten kann, passt
6LaxülpnaLG "Exkretion" (vgl. CHARLES, Text 147, Anm. 65), dann wäre mit d
weiterzulesen: acouaxov EtG ... (unvollständige neue Zeile).
3) WÖrtl.: "eine RBhre zur Gesundheit". CHARLES, Text 148, Anm. 68; Uebers. 138,
konjiziert: "eine Luftröhre zum Einatmen". PERLES, Zur Erklärung von TNaf
833f.: "ein Penis zur Fortpflanzung", oder: "Unterleibsöffnungen. zur Beiwohnung". Zur Diskussions. DE JONGE, Testaments 57f.; BECKER, Untersuchungen
111, Anm. 3; Testamente 101.
4) ß (ohne g); ai\Kn kBnnte mit "Halterung" sinnvoll Uberse:tzt werden, vgl. A:
e!G ~o LL8EvaL Ocr~Gs. a liest nAeupav elb LO Ka&eÜöeLv.
5) Längere sinngleiche Varianten s. CHARLES, Text 148.
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Kap. V.2.5.2
508
II. Die Ordnung der Gestirne :
3,2ac'HA.LO!; xa.l. oe:A.nvn xal Ö.ol:EPE:!; oDx ftA.A.oLOUOL- -.cif;Lv au-.wv,' a)
c:
"
U]J.E:L!;
b)
III. Die Unordnung der VÖlker :
xa\ tnnxoA.oO~noa.v A.L30L!; xa\ f;6A.OL!;
a)
~Ea.xoA.ou~noav-.e:!; nve:O]J.aoL nA.~vn!;.
b)
yvOv~EG ~v ~EPE~UaTL,
xa't ~V
naoL
Ev YR xaL Ev
L
aaA~crcrn
~
TO~{; OnuLoupyr}uacrL,
KupLov -.ov noLnoa.v-.a -.au-.a nav-.a.,
/
'
"'
f"\
/
b ~va lJ.~ ytvno~e: ~!;; E6oo]J.a,
~l:L!;
~vnA.A.a.Ee: -.ctf;Lv ~ooe:w!; a.D-.B!;.
5 CO]J.OLW!; o€ xa\ oijEyypnyope:!; ~vnA.A.a.Ea.v .~ELv ~OOE:W!; a.G-.wv,
O~!; xa't xa-.npctoa-.o KVpLO!; ~n\ -.ou xa.-.a.xA.uO]J.ou,
OL' a.O-.oO!; &n6 XO.l:OLxnoCa.!; xa.L xapnwv .~ea!; •nv Ynv
:>
"
a.oLxn•ov.
Das Frgt 2 weist deutlich drei Strophen auf, welche jeweils
aus einem thetischen Satz über Ordnung ( 2, 8a; · 3, 2a) oder
Unordnung (3,3) und einer daraus abgeleiteten (vgl. dreimal
O~l:W!;) Aufforderung zur Einhaltung der göttlich gestifteten
Ordnung (2,9; 3,2b.4a) bestehen. Das ursprünglich selbständige
medizinische Onomastikon in 2,8b ist zur Illustration der ersten
These an diese angeschlossen worden 6 , vielleicht ist es auch nur
wegen der Stichwortassoziation nav-.a. - nevTe: hineingerutscht,
während die letzte Mahnung (3,4a) eine doppelte Verdeutlichung
an den beiden klassischen biblischen Verkehrungen der natürlichen Ordnung in Sodom und bei den "Wächtern" der Sintflut (3,4b.
6) Der Schluss der Liste weist darauf hin, dass hier nur ein Auszug aus weiterem Listenmaterial vorliegt. Zu solchen Listen s. CHARLES, Text 147f. (Alphabet des R. 0 Aqiba; 8./9. Jhd. n.); '243f. (hebr. TNaf). DE JONGE, Testaments
57f., vergleicht noch mit bBer 61; LevR 4,4; KehR 7,19 und MidrPs 103. BEKKER, Testamente 101, fUgt noch EpAr 155-157 hinzu.
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509
Kap. V.2.5.2
7
5) bekommen hat • Trotz diesen nicht unbedingt sekundären Il-
lustrationen bleibt die strukturgebende Doppelung von IndikativImperativ klar ersichtlich 8
Frgt 2 steht völlig unter dem Thema der •ctEL~, und unterscheidet sich dadurch grundsätzlich vom vorausgehenden Frgt 1. Der
weisheitliehe Lehrsatz von Gottes schöpferischer Ordnungskraft
(vgl. Koh 3,11; Sir 11,4b; Weish 11,20b) gibt den Gedankenanstoss. Die Liste 2,8b zeigt dann mit bewusster, "konkreter
Wissenschaftlichkeit" an einigen Organen des menschlichen Leibes die allseitige Finalität dieser •ctEL~
auf. Das erste Mahn-
wort (2,9) formuliert den Imperativ positiv und negativ
"Seid in Ordnung ... !"
"Tut nichts Unordentliches ..• !",
was genau die Themen der beiden folgenden Abschnitte vorausnimmt.
Denn in 3,2a findet der ordnungssuchende Blick eine Bestätigung
dieser Ordnung am unveränderlichen Firmament, bei den ~avn
aber, den Heidenvölkern, die Verneinung der Ordnung : Sie ist
"andersgemacht"; es herrscht Götzendienst.
Die doppelte Mahnung zur Absage an die chaE Ca, welche die zweite
und dritte Mahnung formulieren, bekommt dann noch ihre endgÜltige Begründung : "Denn ihr habt ja am Firmament, an der Erde und
amMeerden Herrn erkannt, der alles dies gemacht hat"
(3,4a).
Es ist die Einsicht in die vom KupLo~ gestiftete Ordnung des
Universums, die den Weisen davon abhält, sein Leben in Unordnung zu gestalten, d.h. in letzter Konsequenz : Schöpfer und
Geschöpf zu verkehren und Götzendienst zu treiben.
Obwohl die biblische Weisheit die Suche nach Ordnung(en) mit den
anderen weisheitliehen Literaturen teilt 9 , fehlt in ihr der
7) Vgl. Lk 17,26ff.; 2Petr 3,6; JOSEPHUS, Bell 5,566; auch TRub 4,8ff.; 5,6f.
8) Lässt man die beiden Stücke 2,8b und 3,4b.5 einmal versuchsweise weg, so ergeben sich drei kurze Strophen mit parallelem Aufbau. Zudem würde 3,4a den
Gedanken abschliessen und hätte einen Schlussatz, der genau der Eingangsthese 2,8a entspricht.
9) VON RAD, ThAT !!,434: "Die empirisch-gnomische Weisheit geht von der hartnäckigen Voraussetzung aus: es ist eine geheime Ordnung in den Dingen, in
den Abläufen; sie muss ihnen freilich erst mit grosser Geduld und durch allerlei schmerzliche Erfahrungen abgelauscht werden." "Das aber· ist Weisheit:
http://hdl.handle.net/10900/56118
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Kap. V.2.5.2
Begriff -r6.!;L(; für "Ordnung" völlig 10
Im griechischen Denken
spielt das Wort - neben dem militärischen Sinn11 - seit Platon
eine wichtige Rolle sowohl zur Bezeichnung der Ordnung des Kos-
mos wie auch der geordneten gedanklichen Erfassung der Welt 12 .
Der biblische Weise stellt Ordnungen vielmehr dadurch fest,
dass er sie in ihrer Komplexität umschreibt, als dass er sie
durch einen leitenden Oberbegriff definiert. Die Jahwe-Reden
am Schlusse des Ijobbuches (38,1 - 39,30; 40,6 - 41,26) sind
beredte Beispiele "für eine uns so fremde Lehr- und Denkform,
die an einer sauberen Definition so merkwÜrdig uninteressiert
. t"l3 , sondern durch Deskription vo~ verschiedenen Gesichts~s
punkten her und durch die daraus sich ergebenden Analogien
die Dinge auf eine ganz andere Weise zu ordnen versucht, als
dies ein einzelner Begriff vermag.
In der frühjüdischen Literatur tritt nun der -rct~L!;-Gedanke in
einigen wenigen Texten recht deutlich hervor, welche zwar auf
biblische Ordnungsvorstellungen zurückgreifen können (vgl.
Jub 6,4 mit Gen 8,22), denen aber ein griechischer, und näherhin ein stoischer Einfluss wohl nicht abzustreiten ist 14 .
4QHenal,II; 4QHencl.I;
gr. + äthHen 2~1-5,3, die engste Paral-
lele zu TNaf 2,8f.; 3,2-5, beschreiben ebenfalls ausführlich
den ordnungsgernässen und unveränderlichen Ablauf der Naturereignisse und nehmen dazu den 1ib/-ra~L(;-Begriff zu Hilfe
Dieser angestrengte Wille zur rationalen Auflichtung und Ordnung der Welt, in
der sich der Mensch vorfindet, der Wille zur Erkenntnis und Fixierung der
Ordnungen in den Abläufen des menschlichen Lebens ebenso wie bei den natürlichen Phänomenen" (438). Vgl. auch Weisheit in Israel 102ff.200-205.247 ..
10) LXX übersetzt 9 verschiedene WÖrter mit ,&~~~. wobei aber hÖchstens Ijob
36,28 (•ctf;~~ J<OL•n~) den hier verlangten Sinn von "Ordnung" hat, - Zu den
vielfältigen Ordnungsvorstellungen im frühjüdischen Raum vgl. die Studie von
LIMBECK, Die Ordnung des Heils, bes, 63-90.
11) Siehe LAMMERT, Art.: •ciE~~, PRE 2. R. 5 (1934) 85-87. Vgl, lKlem 37,1-3,
12) Vgl. DELLING, Art.:
•aoow
K•A., ThWNT 8 (1969) 26f.30, Anm, 22,
13) VON RAD, Weisheit in Israel 311; vgl. ThAT I, 434.
14) SANDERS, L'Hellenisme de Saint Clement de Rome et le Paulinisme 130, bringt
Parallelen aus der Stoa. Die kategorische Behauptung von BECKER, Testamente
100, Anm. Ba, dass das Thema der Ordnung "hier nicht stoisch, sondern jüdisch"
sei (vgl. VAN UNNIK, Is lClement 20 Purely Stoic? 18lff.), hat jedoch eine
starke Stütze durch MILIK, The Books of Enoch 148. Dieser verweist auf die
apokalyptische Kosmologie als Quelle solcher Ausführungen (bes. 4QEnastrd
1.!,4-6) und verspricht, "to prove in detail elsewhere that the.most interesting passage of this Chapter of the Epistle (scl. lKlem), namly 20,8 is
inspired by the cosmological teaching of Enastr."
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. V.2.5.2
grHen 2,1 -5,3
511
(vgl. bes. 4QHenc l.I) 15
2,1 Beobachtet alle Werke am Himmel,
wie sie ihre Bahnen nicht ändern (oDx nAAoCwoav) I
und die Leuchter am Himmel,
wie alles auf- und untergeht,
beordert (•E•aY~EVOG) ein jedes zur angeordneten (•E•ay~{vw)
und an ihren Festtagen erscheinen sie,
Zeit;
und Übertreten ihre besondere Ordnung (•~E~G) nicht.
2 Seht die Erde an,
und sinnt nach Über die Werke, die von Anfang bis Ende
auf ihr geschehen,
<wie vergänglich sie sind>l6
wie sie sich nicht verändern (ofm il.AAO~ouv•a~),
keines von ihnen auf Erden,
sondern alle Werke Gottes für euch sichtbar werden.
2,3-5,la : (Beschreibung von Sommer und Winter, verschiedener Baumsorten,
der Sommerhitze) 17.
5,1 Sinnt nach und wisst von all seinen Werken,
und erkennt, dass ein lebendiger Gott sie so gemacht hat und er lebt auf alle Zeiten.
2 Und alle seine Werke, so wie er sie für die Zeiten gemacht hat,
so geschehen sie alle von Jahr zu Jahr,
und alle Werke, <so wie sie ihm den Dienst verrichten,
ändern sich nicht (oux &.AAO~ouv•a~) in ihren Werken.
Vielmehr : Wie nach einer Verordnung (tn~•ctYnv)
geschieht alles.
3 (Meer und Flüsse als Beispiele)> 18.
Während in TNaf die lehrhafte Darlegung der Ordnungsaussagen abwechslungsweise mit den entsprechenden Mahnworten verbunden ist,
wie sich dies aus der Indikativ-Imperativ Abfolge der Teilstücke
ergibt, so ist in Hen 2,1 - 5,3 das ähnliche gedankliche Material
in ein Mahngedicht gefasst, dessen strukturgebende Imperative
stark lehrhaft ausgeführt und deshalb gnomisch-ermunternder Art
sind. DieseAnleitung zur Erkenntnis der geordneten und in ihren
Gesetzmässigkeiten unveränderlichen Schöpfung (vgl. Koh 3,14)
dient jedoch in Hen nicht zum hymnischen Lob des Schöpfergottes,
15) Ed.: BLACK, Apocalypsis Henochi Graece 19f.; für die Qumranfragmente: MILIK,
The Books of Enoch 145-149 (4QEnal.II); 184-188 (4QEnCl.I). Zwischen dem
griechischen Text und 4QHenc bestehen die engsten Verbindungen.
16) Dieser sinnstörende Versteil fehlt in 4QHenal.II; 4QHenCl,I (MILIK, Ebd.
145ff.l84) und in äthHen. Er ist somit zu streichen.
17) In grHen sirid 2,3b, die Kap. 3 und 4 (ausser 3,laa) und die ersten beiden
Worte von 5,1 ausgefallen (Homoioteleuton?); vgl. 4QHenal.II,2-9 und 4QHenc
l.I,21-30 (MILIK, Ebd. 146f. 184f.).
18) 5,2bf. sind wohl Ausschreibung, da sie in 4QHenal.II,l2 fehlen.
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512
Kap. V.2.5.2
wie etwa in Ps 148 oder im Schlusshymnus der PsSal (18,10-14),
sondern gibt den Kontrast für den in 5,4 folgenden Uebergang
zur todernsten Anklage :
Ihr aber habt nicht ausgeharrt,
und ihr habt nicht nach seinen Geboten gehandelt,
sondern ihr seid abgefallen
Oder in 4QHena l.II, 12ff.
Ihr aber habt eure Werke geändert (1!1~ .:Ztll),
<und nicht tut ihr sein Wort>,
sondern Überschreitet (es) gegen ihn mit grossen und harten
<Worten>, ...
mit eurem unreinen Mund gegen seine Herrlichkeit.
0 ihr Hartherzigen, ihr werdet keinen Frieden haben
In dieser Kontrastierunq von göttlich gestifteter Ordnung und
menschlich angerichteter Unordnung sind sich die beiden Texte
völlig einig. Bei beiden stehen kosmologische Vorstellungen im
Dienste
der Paränese. TNaf 2,8f.; 3,2-5 ist jedoch insofern
eher der locus classicus für den Ordnungsgedanken in frühjüdischer Zeit, als darin die gehäufte Uebernahme des Tct~L~-Begriffes
Hand in Hand mit der eigenen religiösen Tradition (3,3.4b.5), also Naturbeobachtung und hellenistisch beeinflusstes Ordnungsdenken Hand in Hand mit biblischen SchÖpfungsvorstellungen und
heilsgeschichtlichen Betrachtungen gehen. Es demonstriert geradezu im Kleinen die Vermischung von griechischem Denken und biblischen Anschauungen, die in den beiden letzten vorchristlichen
Jahrhunderten unausweichlich wurde, und zeigt, dass gerade im
weisheitliehen Bereich eine echte Durchdringung durchaus gelingen konnte.
Die urchristliche Literatur, und darunter besonders der zur Gemeindeordnung aufrufende Klemensbrief (Kap.20) 19 , wird gerade
diese, aus den biblischen Traditionen und den zeitgenössischen
Vorstellungen synthetisierte Lehraussage in den Dienst ihrer
Paränese nehmen.
Aus den beiden vorausgehenden Fragmenten des TNaf ergab sich
19) Auch 36,6; 37,1-3 (Kriegsdienst) und 40,1-41,1 (Liturgie). Zu vergleichen
sind ebenfalls Stellen wie RÖm 1,19-25; Diognet 8,7; s. FISCHER, Die Apostolischen Väter I, 53, Anm. 153.
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Kap. V. 2. 5. 3
bis jetzt die doppelte Aussage von der unveränderlichen, göttlichen Ordnung der Welt (Frgt 2) und der sinngebenden Gestaltungskraft des Schöpfergottes (Frgt 1). In Frgt 4 kommt ein weiteres
Motiv zum Vorschein, das ebenso aus dem traditionellen, weisheitliehen Lehrgut zum Thema "Schöpfung" stammt :
Und schaust du auf alle Werke des HÖchsten :
zwei und zwei (sind sie) ,
eins gegenüber dem anderen
(Sir 33,1"5).
Die Ordnung birgt Gegensätze in sich, die Sinngestalt bildet
sich nicht in der eintönigen Gleichheit der Dinge aus, sondern
in deren Widerstreit und Komplementarität. Dieses Gesetz ist
zwar universal : rrav•a OLOOU (Sir 42,24)' aber es zeigt sich besonders stark in jener Welt, die der Mensch sich durch sein Handeln gestaltet. TAsch 1,3 - 6,6 wird diese Gedanken in einer
langen Ausführung abhandeln (s.u. Kap. 2.5.4), doch vorher sei
das kurze Fragment 4, TNaf 8,7-10, behandelt, das nach der
•aEL~ der Gebote frägt und zu recht eigenen Antworten kommt.
Die doppelte •aEL~ der Gebote
2.5.3 TNaf 8,7-10 (= Frgt 4)
a. Lehrworte :
8,7
Ka~ yap at EV.OAal •ou vo~ou OLTIAa1 ElaL,
xaL UELU LExvn~ nAnpoÜvLaL.
8
'
xaL
9
'
xaLpo~
:::>
/
Eyxpa•ELa~
:>
EL~
'
:>
""'
npoaEuxnv
au•ou.
*KaL ouo h•oAaC ELOL ·
xaL EL
un
Ev
y{vwvLaL
ot•w~ 1 €a•L xal
L~EEL aULWv, &uapLCav napExoucrLv.
~n~ •wv AoLnwv ~v•oAwv.
b. Mahnwort
10
/
1'$\
rLVEOaE
OUV
'
OO~OL
;:,
EV
,....
aE~
'
KaL
/
~pOVL~OL,
Eloo•E~ •aELv EV.OAWV aD•ou,
xal aEa~o0~ nav•Ö~ npay~a•o~,
gnw~
ß
KÜpLo~ &yannaEL Dua~.
l) ß (mit Varianten); a: Kat at 6Üo coß &EoG EloL, KUL El ~n iyevovco €v
-cÖ.Ect.. aU-rwv·, &,lJ.cip"t"Lav Jl.EyLo-rnv nape::Lxov -ro'L!;;; &.v8pc.i5noLb.; -rO a.Ö"t0 .• ••
http://hdl.handle.net/10900/56118
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'V
514
Kap. V.2.5.3
Diese zwei Strophen ·sind ein origineller Versuch, mit Hilfe der
weisheitliehen Doppelvorstellung der Fülle biblischer Gebote
Meister zu werden. Es ist ein Stück weisheitlieber Gesetzeshermeneutik : Das Gesetz ist nicht eine uniforme Grösse mit vielen,
gleichbedeutsamen Einzelgeboten von universeller Gültigkeit.
Vielmehr betrifft der xa~p6~
im Sinne Kohelets (8,8; vgl. 3,5b),
der bald so bald anders die verschiedenen Situationen des Lebens bestimmt und stets neue Verhaltensweisen vom Menschen verlangt, auch die Gebote. Auch diese sind doppelt, einmal für
diesen Moment (cruvouoCa), einmal für jenen (Eyxpa•ELa), und es
ist vom Menschen "Kunstfertigkeit" verlangt, wenn er sein Leben
nach den Gesetzen Gottes gestalten will.
Es ist eine weisheitlieh weitherzige Interpretationshilfe,
die hier empfohlen wird. Sie appelliert an die Findigkeit
(•Exvn) des Menschen und will von ihm die Entscheidung darüber,
welches Gebot dem Moment entspricht
Werdet also weise in Gott und verständig,
kennend die Ordnung seiner Gebote
und die Regeln jeglicher Tat ••• ! (8,10a).
Je nach gelungener oder missratener Wahl gereicht dem Menschen
das Gebot dann zur Sünde (8,9b) oder bewirkt es die göttliche
Liebeszuwendung (8,10b). Das Einzelgebot steht unter der fallenden Zeit, ist also relativ zur Lebenssituation; aus der
wählenden Entscheidung kommt ihm erst jene Eigenschaft des Absoluten zu, die den Gläubigen im Einzelgebot den Willen Gottes
erkennen oder verwerfen lässt.
Diese vier Verse des TNaf sind eine deutliche Abwehr jener Gesetzesauslegung, die aus religiösen Ueberzeugungen jedes Gebot
zu jedem Moment als voll geltend erklärt, also das Gesetzeskorpus zu einem Monolith macht, der unberührbar in der vielfältigen Landschaft des Lebens steht.
Der Weise, der diese Passage von der Doppelstruktur der göttlichen Gebote geschrieben hat, ist wohl ein gläubiger Jude, aber
einer, der aus der Distanz, die weisheitliebes Betrachten verhttp://hdl.handle.net/10900/56118
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Kap.
V.2~5.4
515
leiht, auch die sakralsten Grössen des religiösen Lebens in
ihren Lebenskontext einordnet. Es findet hier eine weisheitlieh
Relativierung statt, der etwas von Kohelet's Bescheidung und
Sinn für Widersprüche anhaftet, die aber ebenso wenig den Ordnungsgedanken aufgibt. Die Mahnung (b) besteht ja darin, einsichtig, weise, wissend (v.lO) zu werden, die Ordnung der Doppelheit der Gebote zu erkennen und danach so zu leben, dass das
Leben eindeutig wird.
Dieser Gedanke von der Eindeutigkeit des Lebens ist in TNaf
8,7-10 nicht mehr ausgesprochen. Wir haben ihn schon in der
Tugendparänese von Tiss 4,2-6a (Vom einfachen Menschen) unter
dem Namen der &nAÖ•n~ angetroffen, doch hat sich in TAsch eine
eigene, lange Abhandlung erhalten, die gerade das Thema von der
Zweiheit aller Dinge mit der Aufforderung zur entschiedenen
Eindeutigkeit verbindet.
2.5.4 TAsch 1,3 - 6,6 (ohne 5,4)
Die Doppelgestalt des Weges, des Wesens und des Endes der
Menschen
TAsch ist das einzige Testament, das keine Lebensgeschichte aufweist. Auf den Lehreröffnungsruf von 1,2 folgt sofort eine lange
Belehrung 1,3 - 6,6, die nur in 5,4 durch eine völlig farblose,
allgemeine Bemerkung mit dem Leben des Patriarchen verbunden ist,
sonst aber ein selbständiger, systematisch aufgebauter und kunstvoll gestalteter Lehrvortrag ist. Auf seinen Abschluss in 6,4-6
(Segen- Fluch) folgen unvermittelt die Zukunftsaussagen (7,1-3.
4-7), dann die Schlussnotizen (Kap. 8). Der grosse Block 1,3 6,6 ersetzt also die beiden ursprünglichen Einheiten der Lebensgeschichte und der Paränese. Nach allem, was bisher zu den sekundären Einschüben und zur Struktur eines Testamentes gesagt werden
konnte, muss man annehmen, dass der ganze Lehrvortrag sekundär
ist und, wohl wegen seiner Länge, die beiden ersten Teile der
Grundschrift verdrängt hat. ·
Im Folgenden kann nicht der ganze, umfangreiche Text geboten
werden, sondern nur ein detaillierter Plan mit einigen besonders
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516
Kap. V.2.5.4
wichtigen Textabschnitten. Die Strukturierung versucht, möglichst
genau den formalen Indiz,ien und den inhaltlichen Abfolgen gerecht
zu werden, und unterscheidet sich dadurch. in einigem vom Aufbau,
den BECKER bietet 1 , obwohl für die Abgrenzung des ganz.en Blockes
dessen Analyse Übernommen wurde.
TAsch 1,3-6,6 (ohne 5,4)
1,3-9
3-4
3a
I. Belehrung über die Doppelgestalt des Wesens und des
Weges des Menschen
a. Die gottgegebene Doppelgestalt der gesamten .Welt
c "
"' av8pcilnwv,
" ULOL!;
L'.Oo Ö5oO!; 'E:'5wxe:v 0c. ee:Ö!; l:OL!;
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5-9
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b. Die zwei Wege des Guten und des BÖsen
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~V ot!; e:toL "ta 500 5Laßo0A.La ~V Ol:EPVOL!; nu&v
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1) Untersuchungen 365; ASCHERMANN, Parän. Formen 56-58, konzentriert sich auf
die beiden "beschreibenden Reihen" der Kap. 2 und 4 und übersieht deshalb,
wie auch sonst Öfters den Gesamtzusammenhang.
2) bS2; ayd: <ponouG; g: novOUG.
3) ß (ohne g); aghabenhier das Maskulin wegen ~uxn ins Feminin korrigiert, jedoch (ausser z. T. g) nicht im parallelen 1,8b. Da wohl ~vapwnoG oder &vnp
als Subjekt vorschwebt, sind die Maskulinformen zu lassen. BECKER, Testamente 113,, bezieht diese falsch auf das neutrisehe 6~aßoOA.~ov.
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Kap. V.2.-5.4
517
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......
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nvEu~aTo~
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2,1-10 II. Kasuistik Über doppelgesichtige, im Ganzen böse Fälle :
1
a. Allgerneiner Lehrsatz
2-8
b. 5 Einzelbeispiele zur These
9-10 c. Allegorischer Vergleich mit den rein-unreinen Schweinen
3,1-2
III. Mahnworte :
Werdet keine Doppelgesichter
1
cy~8~~ o~v, TExva ~ou,
~n yLv80Ö8 xaT 1 a0To0~ 6~np6ownoL, &yaöoTnTo~ xal xaxCa~·
&AAa Tnl &yaöoTnTL ~6vnL xoAAnönT8,
gT~ Ö 980~ &vanaDETa~ 8~~ aßT~v,
xaL o~ ~vöpwno~ noöouoLv aDT~v·
2
Tnv xaxCav &noopctoaTE,
&vaLpOUVT8~ TOV o~~ßOAOV ~V TaL~ &yaö~~ t~v np~E80LV·
~T~ ol 6Lnp6ownoL oG 98w &AAa Ta1~ enLöu~{a~~ auTwv
~
5oUAEÜOUOLV,
~va TQ BEALap &pEOWOL xal TOL~ Ö~oLoL~ aDTwv &vöp~noL~.
4,1-5
IV. Kasuistik Über doppelgesichtige, im Ganzen gute Fälle
1
a. Grundsätzliche Feststellung
2-4
b. 3 Einzelbeispiele zur These
5a
c. Allegorischer Vergleich mit den unrein-reinen Gazellen
und Hirschen
4) b (vgl. 3,2); yA lesen: •oG o~a~ouACou toG novnpou; bei adS ist zusätzlich
tau wegen Homoioteleutons ausgefallen. BECKER, Testamente 114, erklärt jedoch umgekehrt von der kürzesten Variante ad aus.
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Kap. V. 2. 5. 4
518
5,1-6, 3 V. Mahnworte :
511-3
la
a. Erfasst die Doppelstruktur und verwischt sie nicht
copa,e o~v, csxva,
nw~ 6uo ELO~V ~V nacrLV,
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xaL tnö Cwnv .~ oCxaLa,
*DnÖ aO:va-rov ,~ CioLxa· 6
6 L6 xa't -rÖv aava •ov ~ a~ ~v Lo~ Cc.un &va]J.Ifve L• 7
3
KaL oßx ~an v,
E~nE~V -rnv &A.n8ELav ~EUOO~,
ouot Tb o(xaLOV ~6Lxov•
~"t"L nacra &A.n8ELa DnÖ
6,1-3
1
2a
b. Bewahrt die Gebote des Herrn !
ITpocrE"xe-re o~v, TExva, xaL 5ueL~ ·~~ tvcoA.~~ coÜ Kup(ou
uovonpocr~nc.u~ &xoA.ouaoGvcE~-•n &>..n8ELa,
•I
"
.
8•
Cl
I
O"t"L
OLc OLITpOOWTIOL
OLOOC.U~
xoA.a~OV"t"aL.
5) aydsl mit Varianten; s. CHARLES, Text 178. In bgA ist dieser erste Vierzeiler wohl durch Versehen ausgefallen.
6) a; )3AS1 lassen aus, wohl wegen Homoioteleutons (6LKULa - ~ÖLKa).
7) 13 (ohne g) h; eine wörtliche Uebersetzung von &va~evg• = erwartet ist unsinnig. Die Variante g verdeutlicht die intendierte Aussage des ganzen Versteils: ÖLO ~g·a &ava•ov
at~VLO~
~6vn ~{vgL.
n
6wn
8) aydsl fügen an: KaL npacrcroucnv •o KaKov Kai. cruvgu6oKoucr• •o'l~ npcicrcroucr•v
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6,4-6
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VI. Das doppelte Ende des Menschen :
4
a. Jeder Mensch trifft am Ende entweder die Engel Gottes
oder Satan.
5
b. Die verwirrte Seele wird vom bösen Geist gequält.
6
c. Die ruhige Seele wird vom Friedensengel ins ewige
Leben gefÜhrt.
Die Gliederung des ganzen Lehrvortrags bereitet keine grösseren
Schwierigkeiten. Auf die grosse, einleitende Belehrung (I) folgt
ein doppelt gebauter Mittelteil mit zwei "Kasuistiken" (II + IV)
und zwei Mahngedichten (III + V) , dann der für einen Abschluss
typische Ausblick auf das zukünftige Schicksal (VI) . Man ist
versucht, darin eine Variation des Bundesformulars zu sehen,
dessen mittlerer Teil verdoppelt worden wäre 10
(= RÖm 1,32b). CHARLES, Text 178, Anm. 5, korrigiert deshalb das vorausgehende KOAa~ov<aL sinngernäss in &~ap<avoucLv.
9) bdgA (mit Varianten); a schliesst direkt an seinen erweiterten Vers 6,2a
(s. Anm. 8) an: ~L~OU~EVOL ca nvEU~a<a <nG nAaVnG KaL Ka<a cWV avßp~nwv ouvayovL!;;6~EVoL, und beginnt dann, neu einsetzend: "Ihr aber, meine Kinder".
Dadurch ist das ganze Mahngedicht nur in zwei Abschnitte geteilt, die beide
unter dem Thema der Gebote stehen, da die störende Mahnung zum Hass gegen
"die Geister der Verwirrung" in den ersten Abschnitt eingebaut ist. Aber ob
die geschliffenere Form auch die ursprünglichere sei (vgl. BECKER, Testamente
116)
?
10) Vgl. BECKER, Untersuchungen 366, der jedoch anders argumentiert. Er lässt
den belehrenden Teil von 1,3 bis 4,S gehen, also I + II + IV umfassen, wobei
das erste Mahngedicht (.:I; II) als " 1 eingeschobene Paränese 1 • • • eine gattungsgeschichtlich mögliche, kunstvolle Erwedterung" darstellt. Schon ASCHERMANN,
Parän. Formen 58, sah im "ohnehin sehr kurze(n) Kap. 3" nur "eine ganz formelhafte Mahnung, die durch das Stichwort "zweideutig" mit dem Kontext verbunden
und lediglich zur Aufrechterhaltung der Vorstellung einer letzten Mahnung
des Asser eingefügt ist" (dazu s. o •. Anl1\. 1).
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Belehrung
Mahnung
Segen und Fluch
I.
-------------- ------------ ----------------I I.
IV.
I I
I.
V.
-------------- ------------ ----------------VI.
Die abgeschlossene Selbständigkeit des Vortrags kann aber auch
ohne die Zuhilfenahme dieses Schemas behauptet werden, wie die
folgende Analyse zeigen möchte.
Den Ausgangspunkt des Vortrags bildet nicht etwa eine ethischmoralische Behauptung, sondern eine Schöpfungsaussage : "Gott
gab
den Menschen ..• " 11 . Es ist die schöpferische Macht
Gottes selbst, die am Ursprung jener Doppelungen steht, welche
das menschliche Leben in seinem äusseren Verlauf und seiner inneren Geschichte prägen. 1,4 erweitert aber sofort diese auf
den Menschen beschränkte Sicht, indem er mit Hilfe des bekannten
und wohl landläufigen Sprichwortes Sir 33,15; 42,24 12 die gesamte Welt der Dinge (navoa) unter diese Doppelung stellt.
Auf dem Hintergrund dieser durchaus positiven Aussagen Über den
zweifachen Zustand der Schöpfung (vgl. z.B. Sir 15,14-17), wird
dann die traditionelle Lehre von den zwei Wegen und den zwei
Neigungen des Menschen dargelegt (I.b). TAsch stellt das älteste
schriftliche Zeugnis innerhalb der frühjüdischen Literatur dar,
welches die verstreuten atl. Bemerkungen Über die Wege des Menschen (vgl. Dtn 11,26; 30,15; Jer 21,8; Spr 28,6.18) in ein
prägnantes Bildwort fasst. Das Lehrstück von den beiden Wegen
des Guten und des BÖsen hat zwar seinen berühmtesten Ausdruck
11) Vgl. Dtn 11,26 und 30,15, die beide 1rJJ gebrauchen; auch 4Makk 2,21. In TBen
6,7, einem redaktionellen Ueberleitungsvers (s. o. Kap, 2.3.1) steht jedoch
~ateg~risch das Gegenteil: Kal TOU BeACap ö~ nav ~pyov Ö~ITAOUV ~OTL, KaL OOK
exe~ anA6•n•a.
.
12) CHARLES, Uebers. 162: "The wordsmayhave been a current proverb"; vgl. Koh
7,14; bChag 15a Mitte ("Jeder hat zwei Anteile (scl. von Gott bekommen),
einen im Garten Eden, einen im Gehinnom.).
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Kap. V.2.5.4
521
in der Fabel des Sophisten Prodikos von "Herakles am Scheideweg",
die Xenophon dem Sokrates in den Mund legt 13 , gefunden, doch ist
das Bild auch sonst vielfach in der griechischen Popularphilosophie, im Bereich der frühjüdischen (vgl. Sir 2,12; slavHen 30,
15; 42,10b; 4Esr 7,3ff.) und rabbinischen (Ab 2,9; bChag 3b;
MekEx
14,28) Literatur und auch in der urchristlichen Paränese
(bes. QMt 7,13Par; Did 1-6; Barn 18-20) zu finden, ohne dass
eine Genealogie der Abhängigkeiten dieser Versionen aufzustellen wäre 14 • Das Bild vom doppelten (oder vielfachen) Weg konnte
hier und dort spontan-selbständig zur Sprache gekommen sein,
da es sich ja aus der täglichen Anschauung geradezu zur Illustrierung einer sittlichen Entscheidungssituation anbot. Dies
scheint mir im biblischen Sprachgebrauch am ehesten zuzutreffen,
da ja mit dem Wort 1ii auch die Vorstellung von Bewegung mitgegeben oder Überhaupt menschliches Verhalten, menschlicher
"Lebenswandel" 15 gemeint ist. Es wird auch zwischen gutem und
schlechtem Weg, zwischen Gotteswegen und Menschenwegen, Lebensweg und Todesweg unterschieden 16 , womit das Bild vom Doppelweg
in ungebundenen Wortspielen vorgeformt ist.
Die mit diesem ganzen Vorstellungskreis eng verbundene Lehre
von den beiden Neigungen hat ebenfalls ihre Vorgeschichte im
biblischen Schrifttum, und obwohl eine eigentliche Verankerung
in die Schöpfungsberichte erst in 4Esr 17 und dann bei den Rabbinen des 3. Jhd.s gelang 18 , bildete sie sich schon in frühjü-
13) Memorabilien 2.1,21-34 (JAERISCH 91-99).
14) Zusammenstellung und Diskussion sämtlicher Belegstellen bei MICHAELIS, Art.:
bö6c, ThWNT 5 (1954) bes. 43-46.53~55.57-60.6lf.71-77.98ff. Vgl. auch BILLERBECK I, 460-464 (zu Mt 7,13f.); SUGGS, The Christian Two Way Tradition
60-74. S. u. Kap. VI.2.1.3.
15) Vgl. SAUER, Art.: 1i1, ThHWAT 1 (1971) 458. :!öill 1i1 heisst ja "Manieren",
"Lebenswandel", auch "weltliche Beschäftigung", vgl. Ab 2 ,2! und die späteren
Derek-Ere~-Traktate.
16) Vgl. NOETSCHER, Gotteswege und Menschenwege 23-71; COUROYER, Le chemin de
vie en Egypte et en Israel 412-432.
17)
s. die cor malumStellen 4,4.28-30; 7,4.8; und bes. 7,92 : cum eis plasmaturn cogitamentum malum. Zum ganzen Problems. HADOT, Penchant mauvais, bes.
23-31.4 7-63.
18) R. Nachman b. Schemuel b. Nachman (Pal., um 300 n.) fand im Wav des Wortes
n~n1 von Gen 1,31 eine Stütze für den Vi i:!ö'(GenR 9,7), und sein babyloni-
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Kap. V • 2. 5. 4
diseher Zeit jener zentralen Lehre der späteren rabbinischen
Ethik entgegen: .Gott hat dem·Menschen entsprechend den beiden
Wegen zwei Neigungen anerschaffen, den
V,<n>
,~~,
~i~
,~~
und den
die das ganze menschliche Leben in die Spannung von
Gut und BÖs, also in eine verdienstvolle Bewährungssituation
stellen. Die Doppeltheit des menschlichen Lebensweges hat ihren
von Gott eingestifteten Grund im Herzen des Menschen selbst, im
Ursprung seines Wollens 19 • Dort fällt die Grundentscheidung
(vgl. Sir 15, 14-17) , ·ist der eigentliche "Scheideweg" (vgl.
SDtn 11,26; FINKELSTEIN 120).
Die beiden Strophen von TAsch 1,6f.Bf.
(I.b. a und ß ) beschrei-
ben nun in bewusster Parallelität die glücklichen oder fatalen
Folgen der gewählten Grundausrichtung. Die oben Kap. 2.5.1 angeführte Entsprechung (TNaf 2,6c)
zwischen npoa(pEcrL~ und Tat
bewirkt, dass n&cra npaeL~ des Guten
aber
~v öLxaLocruvn, des Bösen
.
~
tv novnp(a geschieht. Selbst wenn der Gute sündigt, ge-
'
reicht es ihm über die Busse zum Guten, während die gute Tat des
Bösen durch Beliar "in Bosheit verdreht wird".
Doch diese traditionellen Bilder, die in der schematischen Aufteilung der Menschen in zwei Gruppen, in die Guten und die BÖsen, genau dem alten weisheitliehen Schematismus von Gerechten
und Frevlern 20 entspricht, bilden nur den Ausgangspunkt für eine weit subtilere Analyse menschlichen Verhaltens. Der beobachtende Weise überschreitet diese Schranken der Systematisierung,
da er weiss, dass Gutsein und Bosheit weniger klar auf den guten und bösen Menschen verteilt sind als die beiden Bildworte
es vereinfachend (naaa npaeL~, 1,6a.8a) sagen.
scher Zeitgenosse Nachman b. Chisda im doppelten Jod von ~~~~1 in Gen 2,7
(bBer 6la; vgl. GenR 14,4). Zum ganzen Thema s. BILLERBECK IV/1, 466-483,
bes. 468-470, und III, 92-96 (zu R9m 2,15); EPPEL, Le Pietisme juif 125-128;
MOORE, Judaism I, 479-483.
19) Illustrieren können dies die rabbinischen "Beweise" mit dem Wort "Herz", dessen beide Formen ::!.'7 oder :l::J.'7 auf die beiden Triebe hinweisen: BILLERBECK IV/1,
467, g.
20) Diesen Grundzug alttestamentlicher Anthropologie formuliert SCHMID, Wesen
und Geschichte 161, in seiner "ausschliesslichen AntithetÜ:: Der Mensch ist
vor Gott entweder ~addlq oder ra~ac; angenommen oder verworfen. Tertium non
datur." Vgl. VON RAD, ThAT I, 393,
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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523
Kap. V.2.5.4
So fügt er eine weitere Belehrung in zwei Teilen (II + IV) an,
die seiner differenzierteren Sicht Rechnung trägt und den jeweils anschliessenden Mahngedichten (III + V) erst eigentlich
die weisheitliehe Stütze zu geben vermag. Seine weitergehende
Einsicht ist : In
j
e d e m
Menschen spielen
gegensätzlichen Faktoren des Guten
u n
d
b e i
d e
des Bösen. Seine
(o~npboumo~),
Einzelhandlungen sind als solche "zweigesichtig"
haben je nach Gesichtspunkt etwas Gutes und etwas Schlechtes.
Erst der abwägende Blick auf das ganze
(•Ö ~AOV)
,
also von ei-
nem hÖheren, wertenden Standpunkt her erlaubt ein entschiedenes
Urteil.
Fünf negative und drei positive Beispiele demonstrieren in
gleichmässigem Aufbau (ausser 2,4 und 4,2) diese These. Der
jede der beiden Listen abschliessende Vergleich mit Tieren ist
ein besonders gelungener argumentativer Kunstgriff, der die
biblischen (Un-)Reinheitsgesetze in den Dienst der weisheitliehen Beweisführung zieht. Das Schwein, das als Bild für die
erste Gruppe steht, ist einerseits rein, da es durchgespaltene
Klauen hat, andererseits jedoch unrein, weil es nicht widerkäut. Somit ist das Schwein, aufs Ganze gesehen, für den Genuss
unrein (vgl. Lev 11,7 Par
Dtn 14,8). Gazellen und Hirsche, wel-
che die zweite Gruppe symbolisieren, haben eine gewisse Zweideutigkeit darin, dass sie zwar für das Opfer unrein gelten,
aber für den profanen Genuss freigegeben sind (vgl. Dtn 12,22;
14,5). Schon auf den "Himmelstafeln" hat Gott selbst dies gesagt (2,10), d.h. die göttliche, sinaitische Gesetzgebung bestätigt die vorgebrachte Anschauung des Autors von der Doppeldeutigkeit aller Dinge und Taten.
Das erste Mahngedicht (III) schliesst genau an den Vergleich mit
den Schweinen an : "Werdet nicht wie diese zweigestaltig, in
GÜte und Bosheit !" (3,la). Es geht also darum, aus der schillernden Doppeldeutigkeit auszubrechen, ein-deutig "dem Guten anzu21
hangen" (3,lb) und "der Bosheit davonzulaufen" (3,2a)
. So ent21) Schon Sir 2,12 flucht dem Menschen ~ncßaCvov<L ~nc 66o <Plßou~. Der Kampf
der beiden Triebe gegeneinander, welcher den Menschen zu einem vieldeutigen
Gemisch von gut und bös macht, wird nach den Rabbinen dadurch siegreich zu
Ende geführt, dass die Menschen "den guten Trieb zum König über den bösen
Trieb machen" (LevR 34,1).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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steht das Bild vom "Eingesichtigen", der, trotzder Beschuldigungen der "Zweigesichtigen", gerecht ist bei Gott. Damit ist
ein neuer Terminus gefunden, der mit dem aya8Ö~ avnp (4,1) identisch gesetzt wird. Die beiden Tugendporträts vom guten Menschen
in TBen
(s.o. Kap. 2. 3. 1) und vom einfachen Menschen in Tiss
(s.o. Kap. 2.3.2) sind hier zu einem einzigen
prägnanten Typos
verschmolzen.
Das zweite Mahngedicht (V.a) blickt auf die ganze Argumentation
zurück, indem es die These von 1,4 (=Sir 33,15; 42,24) wieder
aufnimmt und in bezeichnender Weise variiert : Das n~v•a
ELoLv (1,4a) wird fast unmerklich zu
o6o E~oLv ~v
o6o
n&oLv verän-
dert, was genau jenem Gedankengang entspricht, der zwischen
den beiden traditionellen Lehrstücken von den zwei Wegen und
Neigungen (I) und der feineren Analyse der beiden Kasuistiken
(II + IV) liegt. Im gleichen verdeutlichenden Sinn wird dann
auch der "Satz vom Gegenüber"
(1,4b) weitergeführt : "und eins
ist unter dem anderen verborgen". Der einleitende Imperativ
cop&•E nw~ ruft also dazu auf, die Doppelungen nicht nur im
Gegenüber sondern auch im Ineinander und "Untereinander" zu
erfassen. Die im b-Text folgende Liste von gegensätzlichen
Dingen, die einander ablÖsen (Nacheinander) passt nicht recht,
sodass man wohl mit recht annimmt, dass die Vierergruppe aus
aydsl hier ausgefallen ist (vgl. oben Anm. 5). Damit ergeben
sich drei Vierzeiler, welche der Reihe nach die Aussagen von
5,la, nämlich das Ineinander in 5,lb, das Nach-Gegeneinander in
5,2a und das Untereinander in 5,2b aller Dinge exemplifizieren.
Wie schon der Text selbst, der sichtlich nach guten Beispielen
sucht und nicht immer Erfolg hat (vgl. 5,2b), zeigt, ist es
schwierig, diese komplexe Ordnung der Dinge richtig zu erfassen.
Doch - und damit geht die Mahnrede in 5,3 wieder weiter - "es
geht nicht an"
(oGx •.• Wo•Lv), deshalb die Dinge zu vermengen,
die Strukturen zu verwischen, d.h. Wahrheit Lüge zu nennen und
Recht Unrecht,
"denn jegliche Wahrheit untersteht so dem Licht,
wie alles Gott untersteht" (5,b).
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Mit anderen Worten heisst dies :Nur im Heilsbereich (=Licht) 22
ist Wahrheit möglich, so wie das All nur in der Schöpferkraft
Gottes besteht. Davon
dass Wahrheit Wahrheit und Recht Recht
ist und bleibt, hängt das Heil des Menschen ab, so wie die Welt
in ihrem Bestand von Gott abhängt.
Der zweite Teil dieser Mahnung (V.b.) bringt unvermittelt die
Begriffe
~vcoAaL (6,la.3b) und vÖuoG Kup(ou
(3a) ins Spiel, wo-
durch der bis jetzt gut durchgehaltene logische Fortgang des Gedankens unterbrochen wird. Was hat denn die komplexe, zu durchschauende Doppelordnung der Menschenwelt mit den Geboten zu. tun ?
Erst im jeweiligen Nachsatz kommt die Rechtfertigung für den
vermeintlichen Gedankensprung : Wer die Gebote beachtet "folgt
eingesichtig der Wahrheit"
(lb) und hat nicht Acht auf das
Schlechte, wie auf etwas Gutes, sondern blickt (voll Bewunderung:
&rroßAE~ELV)
auf das wahrhaft ~ute (vgl. 3a.b). Der vÖuoG Kup(ou,
der dieses ~VTWG xaAbv beinhaltet (vgl. 3ba) , wird so zum Überraschenden Zielpunkt der ganzen Abhandlung. Er ist jener hÖhere
Standpunkt, der eine entschiedene Schlusswertung Über die Teilaspekte ermöglicht, der den "Eingesichtigen" in seiner schwierigen Arbeit des Scheidens und Entscheidens bestimmt; er ist
also die heilswichtige Grösse, die dem Menschen, trotz der Doppelung all seines Tuns, Eindeutigkeit gibt, weil es ihn die "Wahrheit" erkennen lässt.
Damit ist auch das Ende der Argumentation gegeben. Die Doppelungen der Wege (1,3a) und der Neigungen (1,3b) sind aufgezeigt,
diejenigen der npaEELG (1,3c) in einer unerwartet radikalen
Weise in jedem menschlichen Tun blossgelegt, und die Lösung aus
der drohenden Zweideutigkeit im "Gesetz des Herrn" ist angeboten,
es folgt noch ein letztes, zusammenfassendes Doppelgemälde mit
den beiden cÖnoL
(1,3d) und den beiden TEAn
(1,3e), die dem
eschatologischen Paar des KDPLOG und des BEALap
entsprechen
Der Gute erfreut sich ewigen Lebens bei den Engeln Gottes, der
BÖse ist den Quälereien des bösen Geistes ausgesetzt.
22) Abgesehen von den christlich interpolierten "Licht"-Stellen (TLev 4,3; 14,4;
18,3; TBen 11,2) und den drei Stellen, wo ~~ das physikalische Phänomen
meint (TNaf 2,7; TGad 5,1; TAsch 5,2), ist mit ~w~ immer eine soteriologische
Grösse gemeint: TLev 19,1; TSeb 9,8; TNaf 2,10; TJos 19,3(A); 20,2 und TBen
5,3. Die vorliegende Deutung des schwierigen Textes erscheint mir aus der
Wortbedeutung von ~w~ innerhalb der Test XIIPatr mindestens möglich.
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3.
FRUEHJUEDISCHE WEISE
IN DEN PARAENESEN UND LEHRTEXTEN DER TEST XIIPATR
3.1 Die Paränesen und Lehrtexte der Test XIIPatr, ein
Zeugnis frühjüdischer Laienfrömmigkeit
Ueberblickt man nun die Paränesen und Lehrtexte der Test XIIPatr,
so stellt sich die Frage 1 ob an ihnen Spuren eines einzelnen
Autors oder mindestens einer einheitlichen Schule zu finden
sind, oder ob in ihnen disparate Stücke moralisierender Unterweisung zu sehen seien, welche während der zweiten Etappe der
Traditionsgeschichte der Test XIIPatr ohne inneren Zusammenhang
und von ganz verschiedenen Leuten eingefügt wurden 1 •
Als erstes muss dazu gesagt werden, dass von einem genau fassbaren Einzelautor aller Paränesen und Lehrtexte nicht gesprochen
werden kann. Die weisheitliehen Mahngedichte in grTLev 13 und
vor allem in ar TLev 84-95 (s.o. Kap. 2.4) können nicht unter
den gleichen Hut gebracht werden wie die handfesten Lasterparänesen mit ihrer psychologisierenden Betrachtungsweise und
dualisierenden Tendenz (s.o. Kap. 2.2); und die Lehrtexte Über
die Ordnungen der Welt und des Menschen (s.o.' Kap. 2.5.1 2.5.3) zeigen noch einmal eine andere Optik.
Obwohl dieser Eindruck von Disparatheit noch durch den Sachverhalt verstärkt wird, dass wir es mit Fragmenten zu tun haben,
sind noch genügend gemeinsame Elemente vorhanden, welche die
weisheitliehen Texte nicht einfach in zufällige Einfügungen
zerfliegen lassen. Dass dies trotz des fragmentarischen Zustandes noch der Fall ist 1 weist umso stärker auf einen gemeinsamen Hintergrund, eine gemeinsame Geistesrichtung und Schule hin. ·
1) BECKER, Untersuchungen 40lff., widmet den Tugend- und Lasterparänesen als
eigenständiger Schicht nur zwei Seiten. Sonst wird dieser Aspekt, soweit ich
sehe, kaum berücksichtigt.
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THYEN hat nun versucht die Test XIIPatr als Gesamtes in der
palästinischen Homiletik zu situieren. "Ein eifriger HÖrer von
Synagogenpredigten oder ein jüdischer Homilet hat hier den Ertrag des über die Geschichte der zwölf Jakobssöhne Gehörten
bzw. Erarbeiteten zusammengefasst, durch zahlreiche ihm geläufige Mahnungen erweitert und in der damals beliebten Form einer
Testamentsfiktion herausgegeben" 2 • Dieser Sitz im Leben der
frühjüdischen Prediger wird seither von den meisten Autoren wenigstens für gewisse Teile der Test XIIPatr bejaht 3 . Die Untersuchungen von BECKER haben nun gerade für unsere paränetischen
und lehrhaften Texte die Herkunft aus dieser sogenannten "jüdischhellenistischen Homilie" betont 4 , sodass gewisse Verbindungslinien formaler, aber auch inhaltlicher Art deutlich zu sehen
sind. Viele kleine, selbständige Texteinheiten wie z.B. die
Exempla der Wächter, des keuschen Josef, des sündigen Sodoma,
dann das medizinische Onomastikon in TNaf und die kurzen beschreibenden Reihen zu einzelnen Tugenden oder Lastern (vgl.
bes. TJud 18,1-3; TBen 6,1-3 u.a.) machen den Eindruck von Versatzstücken, die zum Fundus der frühjüdischen Prediger gehörten und
durch das zu Beginn genannte Stichwort fast automatisch abgerufen werden konnten. Stilistische Eigentümlichkeiten wie die
parataktische Diktion, "kurze Sätze, eingestreute kleine Ausrufe,
Aufforderungen und Fragen" 5 , Sentenzen, knappe Vergleiche und
Bildworte, also Stilmerkmale rhetorischer
Art weisen ebenfalls
in diese Richtung, obwohl alle diese Merkmale auch gut in die
Gattung der "Lehren" weisen können.
Es ist auffällig, dass THYEN in seiner an Belegen Überreichen
Arbeit fast keine Beispiele aus den Test XIIPatr bringt. Dies
entspricht dem Sachverhalt, dass wir in den Text XIIPatr nur
im entfernteren Sinn ein Beispiel für die synagogale Homilie sehen können. Viele typische Kennzeichen sowohl der kynisch2) Der Stil 25.
3) Vgl. die Liste der Autoren bei BECKER, Untersuchungen 193.
4) Ebd. 401-403.
5) THYEN, Der Stil 41.
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Kap. V.3.1
stoischen Diatribe wie auch der hellenistisch-jüdischen Homilie
fehlen oder sind stark abgeschwächt, so etwa "die Allegorese,
die Personifikation von Tugenden und Laster, der Scherz, der
Dialog, die Anrede mit ~und jeder pathetische Ton. Der Stil will
'
nicht raffiniert und originell sein, um griechischen, rhethorisch
verwöhnten Ohren zu gefallen, sondern geht eher nüchtern-streng
und sachlich-generell einher" 6
Der wichtigste Grund für diesen Sachverhalt ist m.E. die sehr
starke Aehnlichkeit der Paränesen und Lehrtexte der Test XIIPatr
zur weishei tlichen Gattung der "Lehren", deren Neugestaltung in Abschiedsrede und Testament zu sehen ist (s.o. Kap. 1.3). Bei dieser Neugestaltung haben nun gewisse Denk- und Redeschemata,
welche aus den Diatriben und Homilien im Ohr lagen, Eingang gefunden, ohne dass deshalb aber die Test XIIPatr selbst zu solchen Diatriben oder Homilien geworden wären.
Ebenso wie die Test XIIPatr als Gesamtes sind auch die Paränesen und Lehrtexte nicht gesprochenes, sondern geschriebenes
Wort; sie sind Literatur. Kompositionen wie TDan 2,1 - 5,1 vom
doppelkÖpfigen Uebel von Zorn und LÜge, TBen 3,1; 4,1 - 5,3;
6,1-6; 8,2-3 vom guten Menschen, und besonders TAsch 1,3 - 6,6,
diese Abhandlung Über die Doppelgestalt alles Irdischen, sind
am Schreibtisch entstandene Texte. Sie legen recht subtile Sachverhalte in ihre Aspekte auseinander, indem sie Vorlagen Überarbeiten (TDan), in sorgfältigen Strophen das Thema variieren
(TBen) oder in langen Gedankengängen den Leser von seinen traditionellen Gut-Böse-Ansichten zu einer differenzierteren Sicht
führen (TAsch) . Gerade die zahlreichen Stilfiguren, die sich
nicht nur auf die oben genannten Kleinstrukturen beschränken,
sondern oft ganze thematische Einheiten bestimmen, verraten die
Tätigkeit des Schriftstellers. Bei der Besprechung der einzelnen
Texte in den Kap. 2.2 - 2.5 sind diese Texteigenheiten jeweils
hervorgehoben und die Texte selbst in ihrer Struktur durchsichtig
gemacht worden. Dabei wurde der Eindruck immer stärker, dass wir
6) BECKER, Untersuchungen 194 (mit Verweis auf THYEN's Beispiele).
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es hier mit einer bewussten schriftstellerischen Leistung zu tun
haben, welche sich um die Ausarbeitung der Test XIIPatr zu einer
möglichst wirksamen Tugendlehre bemühte.
Selbst wenn diese Texte tatsächlich einmal innerhalb von Homilien
gesprochen wurden - was sich ja keineswegs grundsätzlich ausschliessen lässt-, müssen sie, so wie sie sich jetzt darbieten,
als Schrift-Texte und nicht als Wort-Texte verstanden werden.
In den Autoren der Paränesen
~nd
Lehrtexte sind deshalb m.E.
weniger Prediger zu sehen, welche anhand eines gewissen Repertoires von homiletischen Sprachformen Mahnpredigten komponierten
und diese vor oder nach Gebrauch schriftlich fixierten, sondern
eher Weise und Moralisten, welche, eine alte weisheitliehe Tradition weiterführend, ihre Lebenslehren in recht kunstvoller
Form niederschrieben und dann in die Grundschrift der Test
XIIPatr verarbeiteten. Diese Grundschrift mit ihrer äusserst
einfachen, _stets das Liebesgebot wiederholenden Paränese musste
diese Weisheitslehrer geradezu herausfordern, ihre eigenen,
"wirkungsvolleren" Paränesen durch verschiedene Retouchen und
mit Überleitenden ad-hoc-Bildungen in die Test XIIPatr einzuflechten. So wurden die Test XIIPatr zu einer Tugendlehre, zu
einem Traktat über die hauptsächlichen Laster und deren Gegenbilder; so bekamen Test XIIPatr auch jenen sichernden Hintergrund in den gottgesetzten Ordnungen der Welt und der Men~chen,
welche in den Lehrtexten von TNaf und TAsch beschrieben werden.
Wenn man nun versucht, diese Weisen und Lehrer in eine der traditionellen Bekenntnisgruppen des palästinischen Frühjudentums
einzuordnen, so kommt man in Verlegenheit 7 • Dass es nicht Phari7) Es geht hier um einenVer s u c h,·die Textetrotz ihrer hellenistischen
Färbung und der griechischen Sprache im Palästina der frühjüdischen Zeit anzusetzen. Obwohl die theoretische Einsicht, dass auch das jüdische Mutterland eine starke Hellenisierung mitgemacht hat, sich mehr und mehr durchsetzt, werden hellenistisch gefärbte Texte immer noch allzuschnell nach Alexandrien verlegt. Darin sind sich DE JONGE, The Testaments 128, und BECKER,
Untersuchungen 374, trotz der sonstigen fundamentalen Unterschiede einig,
dass der Entstehungsort am ehesten Alexandrien sei. Sie geben damit der Meinung der meisten Forscher der letzten Jahrzehnte Ausdruck. Einen Gegentrend
vermeine ich im neuesten Einleitungswerk von CHARLESWORTH, The Pseudepigrapha,
in den Datierungsfragen zu sehen; vgl. schon MACKY, The Importance of the
Teaching (1969), 472-475 (um 50-0 v.;.in Qumran's geistigem Umkreis). -MANSON, !<liscellanea Apocalyptica III, 59-61, erwägt wegen des "Taufritus" von
TLev 8,4-10 Syrien als Entstehungsort. - Vgl. o. Kap. 2.1.2, Ziff. e.
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Kap. V.3.l
säer sein können, ist trotz ihres Respektes vor dem Gesetz und
bei allen Parallelen zu den Weisheitsworten der Traktate Ab und
AbRN A.B sofort klar. Es fehlen ja gerade die charakteristischsten Züge, die den vorrabbinischen Pharisaismus bestimmten : die
explizite Identifizierung der'Weisheit'mit der Tara, die kasuistische Ausarbeitung vor allem der Reinheitsgesetze, das Bewusstsein,
eine nicht-priesterliche Elite aufgrund einer profunden Gesetzeskenntnis und einer rigoros-elastischen Gesetzespraxis zu sein 8 •
GrTLev 13 ist zwar nicht allzu weit von solchen Vorstellungen
entfernt, aber es bildet ja - wie in Kap. 2.4 gezeigt wurde - eine
bezeichnende Ausnahme unter unseren weisheitliehen Texten. Es hat
aber immerhin Signalwert und lässt eine Charakterisierung der Paränesen und Lehrtexte als antipharisäisches Dokument nicht zu.
Eine eigentliche Polemik solcher Art ist nirgends zu finden.
Die ethischen Vorstellungen lassen sich ohne weiteres in den
grösseren Rahmen eines strikten Taragehorsams einordnen, in
ähnlicher Weise wie Sprichwortkollektionen und ganze Weisheitslehren in die talmudischen Schriften einverleibt wurden (vgl.
Kap. III.3), ohne dass deren Grundausrichtung in Frage gestellt '
wurde. TNaf 8,7-10 (s.o. Kap. 2.5.3) kÖnnte mit seiner klugen
Anweisung zur Gesetzesbefolgung sogar in die Nähe der pharisäischen Art, das Gesetz auszulegen, gerückt werden. Unsere
Weisheitstexte haben aber nicht den Zweck, einer elitären Gruppe Verhaltensregeln vorzuschreiben, welche deren elitäre Lebensweise betreffen, sondern sie geben moralische Anweisungen, die
unabhängig von religiösem Stand und von der Bekenntnisgruppe
sind.
Dies zeigt sich einerseits deutlich durch die Einfügung in
Patriarchenreden,also in einen vormosaischen Zusammenhang. Es
geht grundsätzlich nicht um die Applizierung des Sinaigesetzes,
sondern um Befolgung von Erfahrungssätzen, welche sich aus der
jakobitischen Familiengeschichte ergeben. Die Mahn- und Lehr8) CHARLES, Text XLIII; Uebers. L-LIII, vermutet ohne weitere Begründung einen
pharisaischen Autor aus der Zeit des Johannes Hyrkanos (135-105 v.). Aehnlich
LAGRANGE, Le judaisme 122-123.130, der speziell die moralisierenden Mahnungen
anvisiert. Dagegen macht HERFORD, Talmud and Apocrypha 237.191-194, geltend,
dass die Pharisäer ihre Lehre nicht niederschrieben, und dass Halacha und
Haggada in Test XIIPatr keine vorrangige Rolle spielten.
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Kap._ V. 3,1
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reden der Test XIIPatr schliessen ebenso wenig wie die noachidische Gesetzgebung das mosaische Gesetz aus, aber es ist in bezeichnendem Sinn universaler und einem weiteren Kreis zugänglich.
Sie wenden sich grundsätzlich nicht an eine durch ganz spezifische Mittel an das Mosegesetz verpflichtete Gruppe.
Dies zeigt sich andererseits in der Art und Weise der Begründungen, welche in den Paränesen gegeben werden. Es wird nie der Rekurs auf ein schriftlich
fixiertes Gesetz und dessen in der
Tradition sich entwickelnder Auslegung, sondern vielmehr stets
auf die Ordnungen und Unordnungen in der menschlichen Psyche
und im Kosmos und die alles irdische Gut und BÖse umfassende und
bestimmende Dualität gemacht. Der Kampf zwischen Gott und den
Geistern des Irrtums, bildet den dramatischen Hintergrund (s.u.),
vor welchem die frühjüdischen Paränesen ihren drängenden Zug
bekommen.
Dies ist nun allerdings ein starker Hinweis auf jene frühjüdische Bekenntnisgruppen, welche in ihren Schriften einen solchen
oder ähnlichen Dualismus bezeugen, d.h. in die qumranisch-esse9
nische Bewegung • Aber auch da melden sich sofort die Gegenargumente. Mag es mit der dualistischen Tendenz einiges auf sich
haben (vgl. TJud 20), die Paränesen und Lehrtexte weisen sonst
nichts spezifisch Essenisches auf. Vor allem fehlen die antihellenistische Front, das Bewusstsein einer privilegierten Einsicht in die Geheimnisse Gottes, die spezifisch essenische
Anwendung des mosaischen Gesetzes, Kult- und Kalenderpolemik
usw. - einfach all das, was die Essener eigentlich zu Essenern
macht. Das einzige, was unsere weisheitliehen Texte mit dem
essenischen Denken verbindet, sind gewisse A.ehnlichkeiten in den
dualistischen Aussagen. 4QTNaf, lQTLev u~d 4QTLeva-c beweisen
zwar die Bekanntschaft der Testamentenliteratur in Qumran, ver~ögen
aber zu unserer speziellen Frage nichts beizutragen, da
sie keine Paränesen oder Lehrtexte bieten. Das Mahngedicht in
aramTLev 84-95 (s.o. Kap. 2.4) aus der Kairoer Geniza zeigt ge9) Vgl. die o. Kap. 2.1, Anm. lO,genannten Autoren, und die diesbezügliche Forschungsgeschichte bei SLINGERLAND, The Testaments 45-47.49-55.60f.78f.
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Kap. V.3.1
rade keine dualisierenden Züge, sondern weist deutlich auf einen einzelnen Weisen hin (s.u. Kap. 3.2).
Dieser Sachverhalt erlaubt weder eine Identifizierung mit den
Essenern noch eine Dissoziierung von ihnen - ebensowenig wie
vorhin eine Dissoziierung von den Pharisäern oder eine Identifizierung mit ihnen möglich war. Die Paränesen und Lehrtexte der
Test XIIPatr bewegen sich in einem Randgebiet zwischen den eindeutigen Fronten der frühjüdischen Orthodoxie. Da von der sadduzäischen Priesterschicht sowieso abzusehen ist 10 , bleibt als
weitere MÖglichkeit die Situierung in das heterogenere Milieu
des hellenisierenden Judentums Palästinas, in welchem nicht nur
Vorstellungen aus Hellas, sondern auch aus dem Iran Einlass gefunden hatten, wo aber ein ernsthaftes Bemühen um Kontinuität
mit der jüdischen Tradition bestehen blieb. Dies könnte die Vermischung der griechischen und iranischen Elemente, die sich im
Gebrauch stoischer Tugendlehren innerhalb eines Zwei-Geisterschemas am deutlichsten zeigt, mit biblischen Weisheitstraditionen recht gut erklären.
Zudem nahmen unsere Paränesen und Lehrtexte keine spezielle
Frontstellung gegen eine der frühjüdischen Bekenntnisgruppen
ein und forderten somit auch keine dieser Gruppen zu einer
Reaktion heraus; sie konnten vielmehr allen Gruppen als vormosaische Tugendlehre eine willkommene
fundamental-ethische
Handhabe bieten. Die Anliegen, welche vertreten werden, sind
eben wesentlich von allgemein akzeptierten Weisheitstraditionen
geprägt und konnten so ohne Schwierigkeiten auch von konträren
Gruppen assimiliert werden.
Das hellenistische Judentum Palästinas ist nun aber ein sehr
vieldeutiger Begriff 11 • Er kann die seit seleukidischer Zeit
lo) Diese Kombination wurde meines Wissens nur von LESZYNSKJ, Die Sadduzäer 237252, bes. 237ff. (Sadduzäer in makkabäischer Zeit; jedoch spätere pharisäische Korrekturen), und GEIGER, Apokryphen zweiter Ordnung 116 (sadduzäische,
judenchristliche Gruppe), gewagt.
11) Neben HENGEL, Judentum und Hellenismus, sind auch die weiter in die christliche Zeitrechnung hinaufführenden Werke von LIEBERMAN, Greek in Jewish Palestine; Hellenism in Jewish Palestine, und neuerdings von FISCHEL, Story
and History; The Transformation of Wisdom, und besonders der Sammelband,
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hellenisierte Oberschicht im profanen wie im klerikalen Bereich
.bezeichnen, er kann aber auch jenes von Haus aus jÜdische Fussvolk meinen, welches sein Leben in den hellenistisch geprägten
Städten und DÖrfern Palästinas als gläubige Juden zu gestalten
hatten. Form und Inhalt der Paränesen und Lehrtexte der Test
XIIPatr weisen deutlich auf diese zweite Gruppe hin. Wir haben
es ja keineswegs mit hochstehender Literatur zu tun; die Anstrengungen um formale SchÖnheit sind nur selten erfolgreich
und wirken durchaus laienhaft 12 • Dem entspricht der konstante
Aufruf zu massvollen, bescheidenen und transparenten Lebenshaltungen, welche der in der Sicherheit ihres Reichtums oder
ihrer politischen Wichtigkeit lebenden Oberschicht keineswegs
bekamen. Sie hätten sicher eine pseudonyme Sammlung im Stil des
alten adeligen Theognis bevorzugt, dessen Standesbewusstsein
und Wertschätzung von Geld, Ehre, sympotischen und erotischen
Genüssen ihrem Lebensgefühl besser entsprochen hätte.
Verfasser wie Adressaten unserer Texte sind vielmehr zu jenen
Leuten zu zählen, die in politischer, finanzieller und religiöser Hinsicht als zweitrangig und unbedeutend galten, die jedoch
in ihrem untergeordneten Status ein Leben zu verwirklichen suchten, das dem "Willen" des Kyrios entsprach. In hellenistischem
Milieu lebend, deshalb unfähig, das mosaische Gesetz mit rabbinischer Präzision oder essenischer Radikalität zu leben, aber
trotzdem von den zentralsten Punkten frühjüdischen Glaubens
Überzeugt und von einer intensiven Bemühung geprägt, ein gutes
Leben zu führen, und deshalb auf einige grosse gedankliche Hilfen angewiesen, welche skizzenhaft den transzendenten HinterFISCHEL, Essays in Greco-Rornan and Related Talmudic Literatur XXXI-LXXVI
(Bibliographie mit ca. 130 Nrn von 1850-1975) , zu konsultieren, welche den
weit gehenden Einfluss der griechischen Literatur auf die Sprache auch des
inneren Kreises des palästinischen Judentums, bes. der Pharisäer, darstellen.
Die Leute, die ausserhalb der Abschirmung durch die pharisäischen "Genossenschaften" oder "Bruderschaften" lebten, waren diesen vielfältigen Einflüssen
bedeutend stärker ausgesetzt und.unterlagen einer tiefgehenden,unkontrollierten Angleichung ihres jüdischen Denkens und Sprechens an die hellenistische
Welt.
12) Ueber die Präsenz griechischer Literatur in Palästina von ca. 100 v. bis
100 n. gibt die Rekonstruktion der herodianischen Bibliothek aus den Zitaten
des Hofhistorikers Nikolaus v. Damaskus, welche WACHOLDER, Nicolaus of Damascus 81-86, versucht hat, eine originelle Auskunft. Die Oberschicht von
Jerusalem war danach in der Lage, sich beste griechische Literaturkenntnisse
arn königlichen Hof zu holen.
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Kap. V. 3.1
grund (Dualismus) aufzeigen und einen klugen Weg durch die
Doppelungen der Welt
un~
der Menschen weisen, - so kann man
sich auf Grund der Paränesen und Lehrtexte der Test XIIPatr
den Kreis der Autoren und Leser vorstellen.
Sind wir damit bei den
Ebionim, den "Anawim, den "Armen Israels",
bei den "Frommen im Volk", den "Stillen im Land", den Pietisten,
'
13
oder wie man sie immer nennen will, angekommen
? Da diese Ausdrücke aus der christlichen Beschäftigung mit der. spätbiblischen
und frühjüdischen Zeit stammen und im Verrufe stehen, eigens
zwecks Herstellung eines Traditionskontinuums vom "Heiligen Rest"
(Jes 10-28; 13mal) zu den seliggepriesenen nTWXOL der Bergpredigt herausdestilliert worden zu sein, sei hier darauf verzich.
.. k e entsprec h en zu d em n~c
. h t d em Sac h ver h a 1 t,
tet 14 . D~ese
Aus d ruc
welchen wir in den Paränesen und Lehrtexten der Test XIIPatr antreffen; die Versuchung wäre grösser, wenn es speziell um die
Grundschrift der Test XIIPatr oder um die apokalyptisch-messianischen Stücke ginge. Unsere weisheitlieh geprägten Texte müssen vielmehr als Zeugnisse frühjÜdischer Laienfrömmigkeit angesehen und als solche
~
ohne
die
stets
plakativ und tendenziös
wirkende Einordnung in die allzu schematische Aufteilung der
frühjüdischen Bekenntnisgruppen - belassen werden. So ist vorzuziehen, in den Autoren eine selbständige Gruppe frühjüdischer
Weiser zu sehen, welche die biblische Weisheit in hellenistischer
Zeit im weniger gebildeten Teil der Bevölkerung weiterzutragen
und durch Paränese und Lehre zu aktualisieren versuchten.
13) Vgl. CAUSSE, L'ideal ebicinitique
Anawim im Zeitalter Jesu Christi
(Kap. XXX: Die Frommen im Volk);
139-151; EPPEL, Le Pietisme juif
Alten Kirche I, 26f.
dans les Test XIIPatr 55-76; SATTLER, Die
1-15; KOEBERLE, Sünde und Gnade 545-571
CAUSSE, Les "Pauvres" d'Israel, bes. 83-96.
178-188; auch LIETZMANN, Geschichte der
14) MAIER, Geschichte der jüdischen Religion 79: Die nichtpharisäischen, frühjüdischen Ueberlieferungen "zur Beschreibung einer weitverbreiteten Volksfrömmigkeit heranzuziehen und mit frühchristlichen Zeugnissen zusammen auszuwerten, wäre eine verlockende Aufgabe, doch bei der sporadischen Quellenlage auch eine Versuchung zu recht konstruierten Schlussfolgerungen, es sei
nur daran erinnert, was man in der Vergangenheit alles mit angeblichen 'Stillen im Lande' verbinden wollte, um einen bestimmten theologischen Tendenzen
dienlichen Hintergrund fÜr neutestamentliche Sachverhalte und Aussagen aufzuweisen." Vgl. THOMA, Christliche Theologie des Judentums 173f. (zum Publikum Jesu); Das jüdische Volk-Gottes Verständnis zur Zeit Jesu 99-105. Den
status quaestionis bring,t VAN DER ·PLOEG, Les Pauvres d' Israel 237-242. FLUSSER, Jesus 54, spricht von einem "allgemeinen, unsektiererischen Judentum" ~nd gibt damit der hier gemeinten Lesergruppe einen positiven Namen.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. V.3.2
535
3.2 Der klassische und der radikale Weise in TLev 13 Par
Die Analysen in Kap. 2.4 und 2.5.4 ermöglichten es jedoch,
Über diese allgemeine und hypothetische Einordnung hinauszugehen und in unmittelbare Nähe zu einem oder zwei dieser frühjüdischen Weisen zu gelangen.
Im grTLev 13 begegnete uns der klassische Weise, der
1810 im
traditionellen Sinn, der ununterbrochen im Gottesgesetz liest
(13,2b :
~vay~yv~crxovcEG &ö~aAECncWG cOV v6~ov cOU 3EO~),
seine Wohltätigkeit in recht deutlichem Zusammenhang zur jenseitigen Vergeltung sieht (13,5f.) und mit Eifer und in der
Furcht Gottes Weisheit erwirbt (13,7). Er geniesst die Ehrerbietung aller Menschen und es gelingt ihm, in jeder Situation,
auch in Krieg und Verbannung, dank seiner Gesetzes- und Weisheitswarte (vgl. l3,4c.8) Freunde zu finden. Diese Verbindung
von Gesetzesgelehrtheit, Weisheit und weltlichem Wohlergehen
ist in der veränderten Situation der Taraweisheit das genaue
Aequivalent zum alten Idealbild des Weltweisen. GrTLev 13 bietet
also ein Idealporträt wie etwa Sir 39,1-11 und auf weniger parallele Art Weish 8,2-16 oder Sir 51,13-22 Par llQPsaSir, sodass
darin keine Autorengestalt mit individuellen Zügen sichtbar wird.
Umso deutlicher profiliert sich hingegen der Autor der Paralleltradition in aramTLev 84-95 (s.o. Kap. 2.4), den man einen radikalen Weisen nennen könnte, da er in bewusster Umgestaltung
des gängigen Schemas die enge Verbindung von Weisheit und Tara
auflÖst. Seine ganze Aufmerksamkeit geht auf die Wahrhaftigkeit
(85-87) , vor allem aber auf den Weisen und seine Weisheit, welche
er beide nicht hoch genug zu rühmen vermag (88-95) • Es ist als
ob hier plÖtzlich trotz der fortgeschrittenen Entwicklung des
Weisheitsbegriffes ein Einzelner auf alte Traditionen wie etwa
Spr 3,14-18
zurückgriff~
in welchen der Verweis auf das Gesetz
noch fehlt, wo mit Weisheit vielmehr Wissen, Gewandtheit und
Pietät gegen Gott und den Mitmenschen gemeint ist. Natürlich
wird nirgends das Gesetz Gottes oder das Schriftstudium ausgeschlossen, aber der Akzent ist eindeutig auf eine weisheitliehe
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Kap. V.3.3
Haltung gelegt, wie sie in ihrer Ausschliesslichkeit sonst im
Frühjudenturn nicht anzutreffen ist. Es muss in dieser Zeit eben
viel mehr Platz auch für individuelle Formen von Weisheit und
weisheitlicher Lebenshaltung gegeben haben als unsere schematischen Einteilungen es erlauben.
3.3 Ein subtiler Denker in TAsch
Dies unterstützen auch die langen Ausführungen in TAsch 1,3 6,6 (s. o. Kap. 2.5.4) Über die Doppelgestalt des Weges, des
Wesens und des Endes der Menschen, in welchen wir einen besonders gewandten Vertreter der traditionellen Zwei-Wege-Theorie
finden können. Was dieser subtile Denker in seinen Erörterungen
vollbringt, ist beste Vermittlung traditioneller Lehren in eine
Situation geschärften Bewusstseins, welches die allzu grobe Aufteilung der Menschen in Gute und Böse nicht mehr nachvollziehen
kann, andererseits aber das tiefe Anliegen der Zwei-Wege-Lehre,
Anstoss zu Scheidung und Entscheidung zu sein, nicht aufgeben
will. So gelingt es dem Autor durch eine radikalisierte Fragestellung, die Doppelungen in jedem Tun und Lassen jedes Menschen
aufzuzeigen und gerade anhand dieses gottgewollten Zwiespaltes
den Menschen in eine beständige Entscheidungssituation zu stellen. So gibt es denn nicht mehr die alte
moralische Zwei-Klas-
sengesellschaft, sondern nurmehr den im Herzen selbst auszutragenden Zwiespalt, an dessen Bewältigung zum Guten die Entscheidung fällt. Dass dabei das Gesetz des Herrn die richtungsweisende
Instanz auf das "wahrhaft Gute" hin ist (6,3b), zeigt ein weiteres Mal, auf welch überraschende Weise der Autor dieser Lehr,..
rede fixe Grössen der Tradition einzusetzen und ihnen so neue
Aussagen zu entlocken vermag. Dem Autor von TAsch 1,3 - 6,6
gelingt es, einige so wichtige Aussagen frühjüdischer Religiosität wie die Lehre
vorn Gesetz als zentralem Kriterium, von den
beiden Wegen und von den beiden Neigungen durch seine allegorisierende Exegese der Reinheitsgesetze eine ganz neue Wendung zu
geben, ohne jene in ihren Aussagen zu erschüttern.
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Kap. V.3.4
537
Vielleicht ist es derselbe Mann, der auch von der doppelten
Ordnung der Gebote schrieb (TNaf 8,7-10; s.o. Kap. 2.5.3), die
es mit Weisheit zu erkennen gilt, will man nicht der SÜnde verfallen. Jedenfalls könnte man ihn einen Denker nennen, der auf
eigene Art und Weise das begründet und dazu aufruft, was die
Pharisäer mit ihrer elastischen, im Disput enstandenen und erprobten Adaptation des Gesetzes an die konkreten geschichtlichen
Bedingungen betrieben : Eine Relativierung des Buchstabens und
des Dogmas zugunsten einer vernünftigen, den fundamentalen Anliegen treu bleibenden Lebenshaltung und Lebensgestaltung aus
dem Glauben.
3.4 Die psychologisierenden und kosmologisierenden Moralisten
Wenn wir nun in einem weiteren Schritt nach den Autoren der
Übrigen Paränesen und Lehrtexte fragen, zeigt sich ein deutlicher Unterschied zu den zwei vorausgehenden Einzeltypen von
Weisen (ararnTLevi; TAsch), welche man in ihrer individuellen Gestalt zu erfassen vermeint. Die beiden Gruppen von Texten, um
die es jetzt geht, treffen sich zwar vielfach in ihrem Vokabular,
den behandelten positiven und negativen Lebenshaltungen und in
der paränetischen Intention, aber es will nicht mehr gelingen,
einen Einzelautor deutlich genug herauszuheben. Wir haben es
vielmehr mit paränetischen. Fragmenten zu tun, welche den Stempel
einer gemeinsamen "Schule" tragen. Mehr kann wohl aufgrund der
Texte nicht gesagt werden.
Die Nähe der Autoren zueinander zeigt sich vor allem in der
Art und Weise, wie sie ihre moralischen Imperative aus den beiden gleichen Hauptquellen, nämlich aus ihren eigenen oder aus
traditionellen Beobachtungen der menschlichen Psyche und der
göttlich gestifteten Ordnung der gesamten Menschen- und Naturwelt herleiten. Diese
Herleitung bedingt natürlich eine mehr
oder weniger ausführliche Beschreibung der Abläufe und Prozesse
in diesen beiden Bereichen, und dies ist wohl der hauptsäch-
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Kap. V. 3. 4
lichste Grund, warum die Paränesen trotz ihrer Einordnung in den
grösseren Zusammenhang der Geisterlehre ihr weisheitliches Gepräge durchsetzen konnten, ja dieses sogar deutlich die Oberhand
behielt (s. u.) .
Wie gleich zu zeigen versucht wird, lassen sich noch weitere gemeinsame Züge finden. Da aber die beiden genannten Erkenntnisquellen die Texte von ihrer Grundlage her bestimmen und abgrenzen, seien die Autoren eine Gruppe psychologisierender und
kosmologisierender Moralisten genannt.
Das Leitbild aller Paränesen ist der einfache und gute Mensch,
wie er in TBen 3,1; 4,1 - 5,3; 6,1-6; 8,2-3 und Tiss 4,2-6a
(s.o. Kap. 2.3) beschrieben ist. Gehorsam dem Gesetz Gottes,
im steten Kampf mit den schlechten rrveÜ~a•a, massvoll den inneren Wirrwar der Leidenschaften leitend und die von aussen kommenden Versuchungen zur Ausgelassenheit steuernd - so präsentiert
sich der "Gerechte" der Paränesen der Test XIIPatr. Man kann in
ihm mit Recht eine neue Darstellung des frÜhjÜdischen
v~l~
er-
kennen, welche den Gesetzesgehorsam aus alttestamentlichem Erbe,
die östliche Geisterlehre
und das stoische Leitbild vom uner-
schütterlichen Weisen in sich vereint. Die wiederholte Verheissung, dass der XOPLOG diesem einfachen und guten Menschen auf
engste Weise innewohnt, ist dabei ein charakteristischer Ausdruck für die auf das Persönliche, den lebendigen Kern d-e-s-Einzelnen gehende Ermahnung. Es ist dies ein geradezu chassidisches
Element in der hier geforderten Frömmigkeit : SÜnde vertreibt
den Kyrios, gutes Gebaren bringt Vertraulichkeit zu ihm. Sowohl
die Aussagen Über die den Menschen bedrängenden Geister, wie
auch die Zuhilfenahme stoischer Begrifflichkeit stehen im
Dienst dieser Intimität zu Gott, welche den frühjüdischen "Heiligen" kennzeichnen.
Als Zusammenfassung dieser verschiedenen Aspekte kann exemplarisch das Unschuldsbekenntnis des Patriarchen Issachar dienen,
welches formal selbständig ist (vgl. Tiss 3,1-6) und erst nach-
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Kap. V. 3. 4
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träglieh durch die Mahnung 7,7 zu einer Paränese ausgestaltet
wurde 16 :
Tiss 7,2-7
:~sser
meiner Frau erkannte ich keine andere 17 ,
nicht hurte ich durch Erheben meiner Augen •.
3 Wein bis zur Verwirrung trank ich nicht.
Alles Begehrenswerte des Nächsten begehrte ich nicht.
4 Arglist kam nicht auf in meinem Herzen,
Lüge kam nicht über meine Lippen.
2
b.
5 Mit jedem geplagten Menschen seufzte ich,
und den Armen gab ich von meinem Brot
18
Frömmigkeit Übte ich alle meine Tage,
Wahrhaftigkeit hielt ich hoch.
6 Den Herrn liebte ich,
und jeden Menschen aus meinem ganzen Herzen 19 •
c.
7 Das
und
und
und
tut auch ihr, meine Kinder,
jeder Geist des Beliar wird vor euch fliehen,
keine Tat böser Menschen wird über euch herrschen,
jedes wilde Tier werdet ihr euch unterwerfen.
Ihr habt ja den Gott des Himmels bei euch,
die ihr in Lauterkeit des Herzens mit den Menschen wandelt 20 .
Das zu einer dreistrophigen Paränese gearbeitete Unschuldbekenntnis berührt in einer ersten, negativen Reihe die Themen
Unzucht, Weingenuss, Habgier, List und Lüge, während in der
zweiten, positiv gewendeten Reihe die "Werke der Frömmigkeit",
16) 7,2-6 besteht aus einer negativen (7,2-4) und positiven .(7,5-6) beschreibenden Reihe in 2 Strophen. Sie sind ein "Unschuldsbekenntnis, das nicht von
vorneherein auf die Gestalt des Issachar zugeschnitten ist. Die Aussagen erinnern ganz allgemein an die zehn Gebote oder an ethische Weisungen des Gesetzes oder der Weisheitsliteratur. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass
diese Reihe nichts anderes als das katechismusartige Vorbild für das Unschuldsbekenntnis eines Frommen überhaupt ist" (ASCHERMANN, Parän. Formen
67); vgl. BECKER, Untersuchungen 343-346; Testamente 84; auch VON RAD, Die
Vorgeschichte 290f.
17) ßASl; a zieht mit 7,lb zusammen; vgl. CHARLES, Text 114; BECKER, Untersuchungen 343, Anm. 5.
18) ßsl fügen weiterführend an: Nicht ass ich allein. Die Grenze löste ich nicht
auf.
19) Die Verse 5f. sind nach a übersetzt, welches kürzer und klarer strukturiert
und so zwei Strophen a 6 Zeilen erreicht. Ob dies die ursprünglichste Form
ist, sei dahingestellt.
20) Nur hief haben cru~nopEu6~EVOL. öac: cru~nopEu6~Evov ist wohl, wie TJud 24,1;
TDan 5,13; TNaf 8,3 nahelegen 1 christliche Abänderung, doch vgl. die gegenteilige Ansicht von DE JONGE, Testaments 35.
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Kap. V.3.4
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gepaart mit der Wahrheit (vgl. aramTLev 85), zum Doppelgebot
der Gottes- und Nächstenliebe hinführen. Die paränetische Auswertung besteht nur in einem kurzen Aufruf zur Tat, worauf dann
die Verheissungen folgen. Wie schon in TBen 5,lf. und TNaf 8,4.
6 (s.o. Kap. 2.3.1) werden dabei die drei Bereiche aus denen
einem BÖses zustossen kann, nämlich die bösen Geister, Menschen
und Tiere, genannt und unter die Herrschaft des Menschen gestellt. Und wie in den beiden Tugendporträts von TEen und Tiss
wird die Intimität zu Gott als zentralster Gewinn angeführt.
Dass am Schluss die &nAÖ•n~ als charakteristische Tugend genannt wird, erstaunt nach dem, was in Kap. 2.3.2 gesagt wurde,
nicht mehr.
In allen Paränesen wurden Spuren eines (zumindest) psychologischen Dualismus gefunden. Dies ist somit ein zweites· Merkmal,
das die Autoren dieser Paränesen unter sich teilen. Obwohl öfters unterschieden wird zwischen den psychischen "Geistern"
der Leidenschaften und der erst sich dahinter öffnenden, transzendenten Doppelwelt des Kyrios und des Beliar
(vgl. bes. TGad
4,6f.; s.o. Kap. 2.2.6), kann nicht von einem ontologischen
Dualismus gesprochen werden. Beliar ist in jedem Fall und grundsätzlich unterlegen, wenn nur der Mensch sich seinem Herrn in
reiner Gesinnung zuwendet. Aber diese Spannung gibt den ganzen
Paränesen ihren dramatischen Rahmen : Sie sind nicht einfach
langweilige Sammlungen von Vorschriften und Mahnungen, welche
sich nach der Unlogik der Spruchkollektionen folgen, sondern
sie sind Anweisungen zum Bestehen des Kampfes, Instruktionen
zum Ueberleben als gläubiger Jude. Den Autoren dieser Paränesen
war es nicht mehr möglich, nur Sachverhalte in präzise Formen
zu bringen und es dann der Einsicht des Weisen zu Überlassen,
sein Leben danach zu gestalten. Sie mussten den Ernst der EntScheidung mit ins Wort und damit ins Bild bringen : Gott und
Beliar sind die beiden ungleichen Folien, welche dem täglichen
Kleinkrieg des Gerechten, des Einfachen, des Guten die richtigen
Konturen geben
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Kap. V. 3. 4
TJud 20,1-4
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21
1 Erkennt nun, meine Kinder :
Zwei Geister widmen sich dem Menschen,
der (Geist) der Wahrheit und der (Geist) des Irrtums.
2 Dazwischen aber ist der (Geist) des einsichtigen Verstandes,
der sich dorthin neigen kann, wohin er will.
3 Doch das (Wirken) der Wahrheit und das des Irrtums sind in
das Innere des Menschen geschrieben,
und jedes einzelne von ihnen macht der Herr offenbar.
4 So gibt es keinen Zeitpunkt, zu welchem die Werke der Menschen verborgen sein können,
denn in sein Inneres sind sie vor dem Herrn eingeschrieben. 22
Was geschieht in diesen Texten mit der Weisheit ? Wird sie durch
die Einordnung in den ideologischen Zusammenhang der Geisterlehre
entwertet, ihrer Einsichtigkeit beraubt ? Verliert sie ihren Bezug zum konkreten Leben mit den Problemen, die es zu bewältigen
gilt ? Werden die Mahnworte der ursprünglichen Paränesen durch
ihre Einordnung in den literarischen Kontext der Test XIIPatr
um ihre Evidenz und Eindringlichkeit gebracht ?
Beiden Einordnungen ist es zu verdanken, dass die weisheitliehen
Texte der Test XIIPatr Überhaupt eine Ueberlebenschance hatten
und Potenzen entfalten konnten, welche sonst - wenn es gut geht in einer jener zahlreichen Gnomologien der Antike, die wir o.
Kap. I I I. 5.1 vorgestellt haben, _anonym und kärglich weiterexistiert
oder -vegetiert hätten."
Beide Einordnungen vernichten
zudem
keineswegs den Erfahrungs-
wert, der den Paränesen innewohnt. Sie verankern ihn in verr
schiedene Richtungen, einmal in die metapsychische Realität
des Geisterkampfes und einmal in den das Individuum übersteigenden Kontext der Patriarchengeschichte. Aber so wie gerade
21) Die Uebersetzung folgt~. welches schon CHARLES, Text 95, Anm. 7, vorgezogen
hat. a ist besonders in 20,2-4 verkürzt und korrupt. - Die sechsrnalige Parataxe ist in der Uebersetzung sinngernäss aufgelöst.
'a
22) ~: tv o'nßE" ßo,8wv; a:
o'nßn 'WV oo,{wv aO,ßv. Wahrscheinlich liegt, wie
in Vers 3, ein unverstandener semitischer Ausdruck mit O~V in der Bedeutung
"selbst" (vgl. Ex 24,10; Ijob 21,23) zugrunde. Da o,f\ßo~; nach Ex 26,30;
28,23 auch die Uebersetzung von ~~ sein kann und in der Pluralform (vgl. a)
sowieso "Inneres 11 , "Herz" heissen kann, ist es keineswegs nötig, den Ausdruck mit dem massiven Wort "Brustknochen" zu übersetzen, vgl. SCHNAPP, APAT
II, 476; BECKER, Testamente 74.
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die Patriarchengeschichten einen willkommenen Anlass bieten,
um einen Erfahrungshintergrund par excellence für die Paränesen
anzuführen, so bleibt selbst in TJud 20, dieser ausdrücklichen
Geisterlehre der Test XIIPatr, "der (Geist) der Einsicht des
Verstandes" die kritische Mittelinstanz, von deren "Hinneigung"
die Zugehörigkeit des Menschen zum Geist der ·wahrheit oder zum
Geist des Irrtums abhängt. Die Erfahrung des Patriarchen gibt
den Boden für die Paränesen, der Kampf der Geister gibt ihnen
Virulenz, umso mehr natürlich, als sie durch diesen apokalyptischen Anstrich in die Nähe jener apokalyptischen Einschübe geraten, die von der Besiegung Beliars erzählen (vgl. TJud 25,3-5;
TDan 5,9b-13), dann aber auch von der paradiesischen Heilszeit,
von Gericht und Himmel (TLev 3,1- 4,1; TBen 10,6-10), vom Endkampf mit den Feindvölkern (TSim 6,3-6.7), vom endzeitliehen
Priestermessias (TLev 17,1- 18,9) und dem neuen Jerusalem
23
(TDan 5, 12f.)
•
Diese farbigen Bilder fehlen aber in den Paränesen durchwegs;
Gott und Beliar, bzw. die Engel Gottes und die Engel Beliars
sind in den Paränesen vergleichsweise diskrete Agenten der guten und bösen Welt. Manchmal hat man sogar den Eindruck, sie
seien zur Dramatisierung eingetragen worden; die Analyse der
ausführlichen Paränese vom doppelköpfigen Uebel von Zorn und
LÜge in TDan 2,1 - 5,1 hat diesen Eindruck an einem Beispiel
auch bestätigt (s.o. Kap. 2.2.5). Es wäre aber verfehlt, wenn
man versuchen würde, das Element des Geisterkampfes aus den Paränesen zu entfernen. Gerade in ihrer Unauffälligkeit gehören
die guten und bösen Geister zum Charakteristischen dieser Paränesen, und sie können nur gewaltsam aus dem weisheitliehen
Kontext gelöst werden. Die Weisheit der Autoren der Paränesen
der Test XIIPatr war eben wesentlich von diesem Gegensatz geprägt; er ist das Merkmal ihrer zeitlichen und geistesgeschichtlichen Einordnung.
Die eigentliche Begründung der Imperative liegt aber, wie zu
Beginn dieses Kapitels angedeutet wurde, weder in der Einordnung
23) S. o. Tab. 10, Ziff. III; auch die Liste bei BECKER, Untersuchungen 404.
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in die Patriarchengeschichte noch in der Dramatisierung durch
die Geisterlehre. Sie liegt vielmehr in der •O:!;L~, "in welcher
Gott alles gut geschaffen hat" (TNaf 2,8a), und die es zu bewahren gilt. TNaf 2,2-7 (s.o. Kap. 2.5.1) beschreibt Gott im
Bild des Töpfers : Er kennt die Eigenschaften seines Materials
und baut den Menschen in einem durchdachten Gleichgewicht von
kÖrperlichen und geistigen Fähigkeiten. Darin ist der Mensch
etx~v 1:0u
8eo0, darin zeigt sich auch die Transparenz des Men-
schen, der nach Gottes Schöpferwillen lebt (2,6a.b). In der
Verunstaltung dieses Meisterstückes von Gottes harmonischer
SchÖpfungskraft durch die in den Paränesen bezeichneten Laster
verstösst der Mensch gegen die Abgewogenheit der Schöpfung
überhaupt (vgl. 2,3b), besonders aber gegen seine eigene Gottebenbildlichkeit (2,5b). Warum lasterhaftes Verhalten dann auch
zum Götzendienst hinführt (vgl. TRub 4,6; TSim 5,3; TJud 18,3),
begründet TNaf 2,8-9; 3,2-5 (s.o. Kap. 2.5.2) mit der eindrücklichen Lehre, dass die tiefste Verkehrung der Ordnung gerade
in der Verwechslung des Schöpfers mit dessen Geschöpfen (Stein,
Holz; Firmament, Erde, Meer; vgl. 3,3.4a) besteht 24 • Die grösste
iha!;(a ist es deshalb, in der Schöpfung "den Herrn, der dies
alles gemacht hat" (3,4a) nicht zu erkennen.
Wir stehen damit mitten in einer weisheitliehen Explikation des
Schöpfungsglaubens auf das menschliche Verhalten. Dieser RÜckbezug auf die Schöpfungsordnung ist eine der zentralsten Gemeinsamkeiten der Autoren der Paränesen und Lehrtexte der Test
XIIPatr. Es können noch folgende gemeinsame ZÜge angeführt werden :
- Hand in Hand mit der Einschärfung der Tugenden geht die Tendenz zum aszetischen Rigorismus, der seinen schärfsten Ausdruck in den Paränesen zur Unzucht, welche an Misogynie grenzen, und im Rat zur totalen Abstinenz findet.
- Die Präsenz der biblischen und frühjüdischen Weisheitslitera24) Die Lächerlichkeit dieses Unternehmens wird in den spätbiblischen und frühjüdischen Texten immer wieder dargestellt: l'leish 13-15; Jer 10,1-9; Jes
44,9-20; EpJer; Jub llf.; auch ZusDan, Anfügung 2: Bel und der Drache.
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tur ist überall deutlich zu spüren. Sie ist die bestimmende
Kraft, obwohl nirgends eines der Weisheitsbücher zitiert wird.
- Formal sind alle Paränesen durch die von ASCHERMANN herausgestellten Reihenbildungen geprägt, welche im Vergleich zur
biblischen Weisheit als neue Form "stereometrischer Definie25
rung"
angesehen werden kÖnnen. Die Tendenz zur Ausführlichkeit, die sich schon in den häufigen Erweiterungen der Reihen
zeigt, ist deshalb als Versuch zu verstehen, die Leidenschaften möglichst in ihrer ganzen Breite zu erfassen. Dazu bedienen sich die Paränesen oftmals auch weisheitlicher Materialien, die aus der Popularphilosophie der Stoa kommen.
In den Paränesen und Lehrtexten tritt uns also eine recht gut
beschreibbare Gruppe von Weisen entgegen, welche sich ähnlicher
Vorstellungen bedienten, sich in vielen formalen Eigenheiten
trafen und vor allem das gleiche Anliegen vertraten. Es ging ihnen um eine gute Lebensgestaltung als gläubige
Juden in einer
Zeit und Welt, die nicht mehr selbstverständlich aus israelitischjüdischen Traditionen lebte, denen aber aus diesen z.T. schon
weit zurückliegenden Lebens- und Glaubenslehren manches hilfreich sein konnte.
Dass sich unsere Autoren der literarischen Form der Mahn- und
Lehrgedichte bedienten und damit die alte weisheitliehe Tradi.tion der "Lehren" weiterführten und auf originelle Weise in
frühjüdischer Zeit aktualisierten, wissen wir nur wegen ihres
Ueberlebens innerhalb der Test XIIPatr. Gewiss können auch noch
in anderen Texten aus frühjüdischer Zeit solche weisheitliehe
Miniaturen herausgestellt werden. Bei der Besprechung apokalyptischer und qumranischer Weisheitsmaterialien wurde schon auf viele
solche weisheitliehe Texte hingewiesen (s.o. Kap. !.2 und 3),
doch wären auch die PsSal, bes. Kap. 5; 10; und 18,10ff., das·
weitere apokryphe Psalmengut und die zerstreuten, weisheitlieh
geprägten Gebete 26 beizuziehen. Die Paränesen und Lehrtexte
25) Vgl. VON RAD, Weisheit in Israel 26.43.
26) Bes. Ps 154 (= Syr II; llQP_sa XVIII); viele Stücke aus den Hodajot (vgl.
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Kap. V.3.4
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Test XIIPatr mögen hier aber als Beispiel für diese Form von
Weisheit in frühjüdischer Zeit genügen.
Sie bezeugen als prominente Texte in Uebernahme und Neuschöpfung
weisheitlicher Materialien und deren Gestaltung zu lebensbezogenen und eindringlichen Lebenshilfen auf vielfache Art den Weitergang der Weisheit Über die spätbiblische Zeit hinaus bis in
die rabbinische und christliche Epoche.
Kap. !.3.4 B); ZusEst C,1-11 (Gebet des Mardochai); C,12-30 (Gebet der Ester);
ZusDan 3,26-45 (Gebet des Asarja); OrMan.
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VI. RUECKBLICK UND AUSBLICK
1.
RUECKBLICK :
FRUEHJUEDISCHE WEISHEIT,
FRUEHJUEDISCHE WEISE
Weisheitliehe Traditionen gingen in frühjüdischer Zeit auf vielfältigen und zum Teil unerwarteten Wegen weiter und bildeten
so, Über viele Brüche und Metamorphosen hinweg, ein neues Kapitel in der "Geschichte der Weisheit" im Bereich des Jahweglaubens.
Es geht jetzt, nachdem die Materialien vorgestellt, diskutiert
und situiert wurden, darum, in vereinfachenden Strichen die
verschiedenen Richtungen nachzuzeichnen, in welche die Wege
weisheitliehen Reflektierens, Sprechens und Schreibens in frühjüdischer Zeit liefen.
1.1
Reflexion Über Offenbaren und Erkennen anhand der Weisheitsspekulation (Kap. I)
In den für die Bildung des Judentums vitalen Auseinandersetzungen der frühjüdischen Zeit haben sich Gruppen gebildet, die
ihrer Konzeption von authentischem Glauben in einer weisheitliehen Terminologie Ausdruck gaben. Grundlegende Errungenschaft
dieser Zeit war die Identifikation der schillernden Gestalt der
'Weisheit' (als Personifikation, mythische Gestalt oder Hypostase)
(547)
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Kap. VI.l.l
mit dem klar abgrenzbaren schriftlichen Korpus des mosaischen
Gesetzes, welche eine gegenseitige Durchdringung der ursprünglich getrennten Eigenschaften der'Weisheit' einerseits und der
Tora andererseits zur Folge hatte (Kap. I.l). Neben dieser Tora
als Inbegriff der Weisheit Gottes, die in Meditation und Schriftauslegung entfaltet werden konnte, wurde aber noch ein weiteres
Quellgebiet von Weisheit freigelegt. Durch die Teilnahme an der
heiligen Ratsgemeinde Gottes bekam der einzelne begnadete Seher
oder die Gruppe der Auserwählten Einblick in die geheimen Ratschlüsse, die Gott Über den Lauf der Geschichte, aber auch
über alle anderen mysteriösen Sparten des menschlichen Lebens
und der Abläufe der Natur hegt (Kap. I.2). Zur Schriftgelehrten
Tara-Weisheit kam so die visionäre Weisheit des Apokalyptikers,
der zwar die Weisheit der Tora nicht in Frage stellte, aber,
von seiner stärkeren Bedrängnis und seinem grösseren Anspruch
getrieben, hinter Mose zurückgriff in die vorgeschichtliche
und überzeitliche Sphäre henoch'scher Geheimwissenschaft. Die
Schriften von Qumran (Kap. I.3) gaben unmittelbaren Einblick
in eine solche auserwählte Weisheitsgemeinde.
Diese beiden Typen stellen die vitalsten Formen frühjüdischer
Weisheitsreflexion dar und können als Neubelebung des altorientalischen Schöpfungsordnungs-Denkens angesehen werden. In einer
Zeit, in der ganz neue Vorstellungen von Ordnung und Kohärenz
in der Welt und im Menschen entstanden, mussten die antiquierten Kategorien einer abstrakt gewordenen Weltordnung "brauchbareren" Vorstellungen von Ordnung weichen,
falls die chaoti-
schen Zustände, unter denen man lebte, noch Sinn haben sollten Weisheit also noch möglich sein sollte. Der Pharisäismus und
die apokalyptischen Bewegungen haben im Kampf mit den konkreten
geschichtlichen Gefährdungen der frÜhjÜdischen Zeit diese "neue
Weisheit" geschaffen. Beide haben ihre geschichtliche Relevanz
einerseits im frühen Rabbinismus, andererseits in der jesuanischchristlichen Bewegung bestätigt bekommen.
Eine dritte Form frÜhjÜdischer Weisheitsspekulation bildete
sich in der akademischen Auseinandersetzung mit der Geisteswelt
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI.l. 2
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des Griechentums heraus, die mit Aristobulos begann und bei
Philo seinen HÖhepunkt und (frühjüdischen) Abschluss fand. Sie
zeigte sich in der Verbindung der ao~Ca vor allem mit den grossen Begriffen nvEu~a (Weish) und AbYOG (Philo) , der zwar im
Judentum wenig Erfolg beschieden war, die der christologischen
Reflexion der Alexandriner jedoch wichtige Ansatzpunkte vermitteln konnte.
1.2 Weisheitliehe Interpretation des Volkes Israel und seiner
grossen Gestalten (Kap. II)
Gleichzeitig zu den drei genannten Weisheitskonzepten, die von
professionellen Theologen und Philosophen ausgedacht, formuliert
und geläufig gemacht wurden, entwickelte sich bei den sogenannten frühjüdischen Historikern, Exegeten, Poeten und Romanciers
eine ganz andere Form von Weisheitstheorie. Mit guten Ansatzpunkten in den biblischen Texten (Salomo; Dtn 4,6-8; Ps 119,97100; s. TEXTE 9.10), aber vor allem dank ihres historischen und
exegetischen Rüstzeugs und ihrer phantasievollen Kombinatorik
bauten sie an einem neuen weisheitliehen Selbstbewusstsein
Israel als Mutter aller Weisheit, Kultur und Zivilisation, und
die grossen Gestalten von Abraham bis Salomo als die initiatorischen Weisen (Kap. II.l). So wird nicht mehr neben und im Gegensatz zu der Weisheit der Welt eine bessere Quelle höherer Weisheit ausfindig gemacht, sondern diese Weisheit der Welt selbst
als Folge der Überfliessenden Weisheit Israels deklariert. Diese
"salomonische Traditionslinie", wie wir sie nach Salomo, dem
Prototyp der Übrigen Weisengestalten, genannt haben, besagt
intensivstes und extensivstes Wissen weltlicher, unter- und
Überweltlicher Art und zeigt sich somit unübertreffbar im Disput,
in der Magie und im Wunder (Kap. II.2).
Und diese unübertreffbare Weisheit ist nicht nur eine Qualität
der Vergangenheit, sondern ist bis in die frühjÜdische (und dann
auch rabbinische) Zeit hinein im Volke Israel weiter präsent.
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Kap. VI.l.3
Die Rätselwettkämpfe und sympotischen Wettspiele (Kap. II.3)
dokumentieren dies auf etwas süffisante Weise : Salomo sind wir
Der alte Weise wird zur apologetischen Figur - oqer vielleicht.
besser zum Ideal- und Trostbild innerjüdischer weisheitlicher
Aufrüstung in einer Zeit, als die Weisen der Welt im jüdischen
Volk nicht mehr ein Volk von Philosophen (s. Kap. II.l.5, Anm.
37) sahen.
1.3 Pflege der Logienweisheit (Kap. III und IV)
Spruch, Mahnwort und Rätselwort sind die drei Grundformen weisheitliehen Formulierens (Kap. III.l). In der bewahrenden Gattung
der ~oyoL ao~wv,
wie sie sich in zahlreichen Logienkollektionen
darstellt, hat diese weisheitliehe Tätigkeit auch in frühjüdischer Zeit ihren Fortgang gefunden. Viel Logienweisheit aus
israelitischer Zeit ist darin bewahrt geblieben, viele neue
Einsichten und Mahnungen wurden darin prägnant formuliert.
Im engeren Bereich der pharisäisch-rabbinischen Tradierung konnten anhand der Traktate Abot und Abot de Rabbi Natan A und B
weisheitliehe Kollektionen bis ins 1. Jhd. n. zurück aufgezeigt
werden (Kap. III.2). Im Rahmen der Toraweisheit, die hin und
wieder bemerkbar wird, wurde die menschliche Weisheit der grossen Rabbinen in Form von Leibsprüchen gesammelt und zur Weisheitslehre gestaltet. In der talmudischen Literatur ist in unendlicher Vielfalt Aehnliches festzustellen (Kap. III.3)
: Zwar
nicht mehr zur Grasskollektion versammelt wie in Ab und AbRN
A.B haben sich viele kleine und kleinste Gruppen und Nester
weisheitlicher Worte erhalten, in denen 'rechtes Leben' auf
handfeste Weise und ohne grosse theoretische Rücksichten gelehrt
wurde. Erst nach dem grossen Schub der halachischen Definierung
jüdischen Lebens traten dann wieder Weisheitslehren, jedoch in
der domestizierten Form der
Derek-Ere~-Traktate
oder im Rahmen
später Testamente auf.
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Kap. VI.l. 4
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Einen weniger gradlinigen Verlauf nahm die Logientradition im
weiteren Bereich des hellenisierten Judentums, wo nicht nur die
"Weisheit der Väter" für den eigenen Bedarf zusammengestellt
wurde, sondern eigene mit fremder Weisheit auf verschiedene Weise miteinander zusammengebracht werden musste. Bei Josephus und
Philo konnte anhand der Gesetzesapologien mitverfolgt werden,
wie sich mosaische Weisheit mit griechischer Fundamental-Ethik
verband, wobei ähnlich wie bei den Historikern, Exegeten usw.
die im Gesetz präsente Weisheit Gottes und seines Volkes die
absolute Priorität zugesprochen bekam. Inhaltlich war allerdings
vieles direkt übernommen (Kap. III.4).
Diese ausweitende Geste bekam in Pseudo-Phokylides und vielleicht auch in Pseudo-Menander ihre Wendung in die Pseudepigraphie. Ob zur literarischen Bedarfsdeckung griechischer Juden,
aus apologetischen Zwecken oder zur eigenen Erbauung, der Schritt
in die Welt der griechischen Gnomalegien (Kap. III.5.1) wurde
in Alexandrien gemacht und brachte dort diese Halbprodukte jüdischer Weisheit, PseuPhok und PseuMen (Kap. III.5.2 und III.6),
hervor, mit denen wir an den Rand des Judentums überhaupt gelangten.
Die Achikartraditionen, die wegen ihrer komplexen Traditionsgeschichte ein eigenes Kapitel beanspruchten (Kap. IV), umschrieben dann den grossen Raum internationaler Logienweisheit, in
welchem frÜhjÜdische Weisheit als ein Strom unter anderen Strömen mitfloss und schliesslich in den christlichen Mönchsbibliotheken und den islamischen Märchensammlungen ein anonymes Dasein
fristete.
1.4 Weisheitliehe Paränese und Lehre in der Testamentenliteratur (Kap. V)
Die "Lehre eines Vaters an seinen Stiefsohn", welche in den
Achikartexten erhalten blieb, hatte im Frühjudentum keine grosse
Resonanz, weil sich dort die Testamentenliteratur als spezifisch
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frÜhjÜdische Form für solche mahnende Lehrvorträge herausgebildet hatte (Kap. V.l). Anhand des grössten dieser Testamente,
der Test XIIPatr, konnte noch eine recht stattliche Anzahl solcher weisheitlicher Grosskompositionen in Form von Tugend- und
Lasterparänesen (Kap. V.2.2 und 2.3), eines doppelt -Überlieferten
Mahngedichtes (2.4) und verschiedener Lehrtexte (2.5) herausgestellt werden. Darin wurden die Umrisse von frühjüdischen
Weisen sichtbar (Kap. V.3), deren Anliegen es war, eine Lebensweisheit anzubieten, die dem nicht-pharisäischen und nicht
essenisch-qurnranischen, also dem grösseren Teil des jüdischen
Volkes im hellenisierten Palästina von Nutzen sein konnte. Ihre
Verbindung von hellenistischer Ethik und östlichen Dualismusvorstellungen mit biblischem Gedankengut brachte einen für damals
sehr modernen Typ von Weisheit hervor.
Diese herkunftsmässig und formal selbständigen weisheitliehen
Texte wurden dann durch die Einordnung in die Test XIIPatr mit
dem vorbildlichen oder abschreckenden Leben der Patriarchen
verbunden und zwischen die andrängenden Mächte des Guten und
des Bösen gespannt. Sie bekamen so in der Geschichte des Volkes
Israel einerseits und in der grossen metahistorischen Szene des
dualistischen Kampfes andererseits eine zusätzliche Verankerung
und Kohärenz. Die Test XIIPatr konnten so als Beispiel dafür
stehen, wie in frühjüdischer Zeit alte weisheitliehe Traditionen aufgenommen, aktualisiert und im sichernden Rahmen der literarischen Grossform "Testament" bewahrt wurden.
An der schwierigen "jüdisch-christlichen" Traditionsgeschichte der Test
XIIPatr kam das weitere weisheitsgeschichtliche Problem vom Verhältnis der
jüdischen zur christlichen Weisheit, das schon öfters angedeutet wurde, unübersehbar zum Vorschein. Wo hört frühjüdische Weisheit auf und wo beginnt
die christliche ? Aus der Uebersicht des RUECKBLICKS soll sich deshalb abschliessend der Blick auf die christliche und dann auch jesuanische Beschäftigung mit der Gestalt der 'Weisheit', mit weisheitliebem Logiengut und
weisheitlieber Paränese richten.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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2,
AUSBLICK :
CHRISTLICHE WEISHEIT,
JESUANISCHE WEISHEIT
Die gerade formulierte Frage nach dem Trennstrich, der zwischen
frühjüdischer und urchristlicher Weisheit verlaufe, ist eine
schlechte Frage, weil sie auseinanderfrägt, was zusammengehört.
In allen Kapiteln dieser Arbeit war ja schon eine beständige
Grenzüberschreitung in den christlichen Bereich entweder vorn
Stoff her gegeben, oder doch in versucherischer Nähe, sei es,
weil es um Texte ging, die eine intensive Ausbeutung in der
neutestamentlichen und frÜhkirchlichen Christologie erfuhren
(Kap. I.l und 2), oder zu denen in der christlichen Literatur
sehr ähnliche Literaturformen zu finden sind (vgl. Kap. III),
sei es, weil viele dieser Texte Überhaupt nur in den Exzerpten
der christlichen Schriftsteller, besonders des Clernens und des
Eusebius, Überlebten (Kap. II) oder nur in christlicher Rahrnung
(Kap. IV) oder Umgestaltung (Kap. V) vorliegen.
Diese Grenzüberschreitungen sind weisheitsgeschichtlich signifikant : sie sind von Sachverhalten bedingt, welche jetzt noch
Über- und ausblicksrnässig hervorgehoben werden sollen. Es muss
vorerst um die Frage nach der Kontinuität vori Weisheitsreflexion,
weisheitliehen Logienrnaterialien und weisheitliehen Mahn- und
Lehrreden von der frühjüdischen in die urchristliche Zeit gehen.
Die wichtigen Unterschiede und fundamentalen Neuorientierungen
sind dabei in und aus dem weisheitsgeschichtlichen Kontinuum zu
begreifen. Ohne es "verdirbt das Christenturn !" 1
1) MUSSNER, Der Jakobusbrief 26 (auf "die grosse 'jÜdische' Tradition im Brief"
bezogen).
(553)
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Kap. VI. 2.1
2.1 Christliche Weisheit
Methodisch muss die Frage auf der Ebene der christlichen Gemeinden einsetzen, will man nicht in kleinerem Mass dem gleichen Fehler verfallen, den H.H. SCHMID mit seinem Sprung aus
dem Alten direkt ins Neue Testament (s. Einleitung) gemacht
hat. Es ist zwar anzunehmen, dass Jesus und seine JÜnger, die
ja im beschriebenen "weisheitlichen Milieu" des Frühjudentums
aufwuchsen und wirkten und eine weitere frÜhjüdische Bekenntnisgruppe bildeten, auch ihrem Selbstverständnis in weisheitliehen Kategorien Ausdruck gaben und ihre Lebensweise von der
neuen Perspektive her in Lehre, Mahnung und Spruch darstellten;
die uns zur Verfügung stehenden Schriften müssen aber zuerst
einmal als Ausdruck einer zweiten, vom Ursprung durch wesentliche Weiterentwicklungen getrennten Generation bewertet werden.
In den rabbinischen und qumranischen Schriften ist das auf weite Strecken auch der Fall, und es konnte immer nur im Rahmen
der entsprechenden Gemeinden nach Einzelpersonen wie Hillel
oder den Lehrer der Gerechtigkeit zurückgefragt werden.
Die christlichen Gemeinden dieser zweiten Generation kann man
sich aber nicht vielfältig genug vorstellen2 : Neben dem palästinischen Judenchristentum der Jahrzehnte vor der Zerstörung des
zweiten Tempels (Gemeinden um Jakobus und Petrus; die Q-Gemeinde)
stehen die zahlreichen Gemeinden von Heidenchristen in Kleinasien, Griechenland und Rom, welche durch Paulus, seine Mitapostel und seine Konkurrenten ins Leben kamen. Nach 70 n. hielten sich im Östlichen Jordanland eine Zeit lang die judenchristliehen Gruppen nomistischer (Nazaräerevangelium) und gnostischsynkretistischer Richtung (Ebionäerevangelium, Hebräerevangelium,
Buch Elchasai, Kerygmata Petrou), während in Ostsyrien und Aegypten ein gnostisiertes Christentum, wie es sich in der Themasliteratur, bei den ältesten christlichen Gnostikern und wohl
auch bei einigen Texten von Nag-Hammadi zeigt, bis gegen das
Ende des 2. Jhd.s n. dominant war3.
2) Dass am Ursprung des Christentums eine Vielzahl christlicher Bewegungen stand,
welche nur zäh - durch Integration und Elimination - der Grosskirehe wichen,
hat HILGENFELD, Die Ketzergeschichte des Urchristentums
(1884), mit_viel
Material belegt; BAUER, Rechtgläubigkeit und Ketzerei (1934), hat diese Bewegungen aus der seit patristischer Zeit herrschenden Bewertung als christliche Häresien herausgeholt und sie als die im Frühchristentum dominanten
Christengruppen erwiesen. KOESTER, Gnomai diaphoroi 107-146, hat neulich
diese Sicht der wesentlich differenzierteren Quellenlage·\l::)is 1968) dienstbar gemacht.- Synthetische Sicht bei GOPPELT, Die·apostolische und nachapostolische Zeit 80-103.
3) Texte bei HENNECKE/SCHNEEMELCHER, Ntl. Apokryphen I, 75-108 (Evangelien);
II, 63-80 (Kerygmata Petrou); 297-372 {Thomasakten); 529-532 (Das Buch des
Elchasai). Zu den gnostischen Texten siehe in: Die Gnosis I, bes. 47-59;
The Nag Hammadi Library (1977) (erste gesamthafte Uebersetzung der 1948 entdeckten Bibliothek). Ob die Nag Hammadi Texte für die Zeit vor 300 n. als
Belege herangezogen werden dürfen, ist methodisch noch nicht geklärt; vgl.
vorerst die Chronologie bei RUDOLPH, Die Gnosis 402-404.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI.2.1
555
Wie immer sich diese urchristlichen Gruppen verstanden, sie
waren auf gewisse Regeln für die Gestaltung des Gemeindelebens,
aber auch des persönlichen Lebens der Gemeindemitglieder angewiesen, wenn sie nicht enthusiastische, punktuelle Bewegungen
werden wollten; sie mussten zudem ihre neue Lebensweise als
Christen in irgendeiner Weise auf Jesus oder dessen Apostel
zurückführen, wenn sie nicht als rein spekulatives Philosophengremium dastehen wollten; und sie mussten schliesslich der
Gründergestalt ihrer Denk- und Lebensweise - wie weit entfernt
diese auch immer vom historischen Jesus gedacht wurde - die
Idealform ihrer Denk- und Lebensweise beilegen, wenn sie keine
völlige Diskontinuität zwischen normativem Anfang und JetztZustand zulassen wollten.
Jede der zahlreichen Gruppen hat diese Probleme auf ihre eigene
Art und Weise gelöst - oder auch nicht gelöst. Die folgenden
Ueberlegungen wenden sich vor allem jenem Schrifttum zu, das
geographisch in den grossen fruchtbaren Halbmond des Christentums, von Jerusalem nach Rom, zu situieren ist, und mehr oder
weniger in der Entwicklung hin zur westlich orientierten Gesamtkirche steht. Trotz der schnellen Ablösung des Christentums von
der palästinischen Mutterkirche und der immer klareren Abgrenzung gegen alle Formen des Judentums, haben ja in diesem Schrifttum, entwicklungsgeschichtlich bedingt, die frühjÜdischen Elemente am deutlichsten überlebt.
"Die Gemeinden sind nun zwar so gut wie Überall äusserlich von den Synagogen geschieden, aber der
E i n f 1 u s s
j ü d i s c h e r
T r a d i t i o n
wird
von der dritten Generation an stärker als zuvor. Das
Christentum greift, da es sich jetzt auf Dauer in der
Welt einrichten muss, nach Vorstellungen und religiösen
Lebensformen, die von der atl.-jüdischen Gemeinde in
der gleichen Lage entwickelt worden waren. Daher ist es
offen für einen Strom jÜdischer Tradition, der auf die
Gestalten der Liturgie, der Verfassung und der Sitte und
selbst auf die Theologie einwirkt; im 1 Clem z.B. ist
der Einfluss der westlichen Diasporasynagoge, bei Hermas
essenische Tradition und bei Papias palästinische Apokalyptik mit Händen zu greifen. Insbesondere saugt das
Christentum vieles von der apokalyptischen und später 4
von der hellenistischen Literatur des Judentums auf."
GOPPELT's Gesamtbeurteilung der traditionalen Kontinuität zwischen Frühjudentum und Frühchristentum wird hier gerne Übernommen. In diesen Schlussüberlegungen5 geht es jedoch darum,
die Frage im Zusammenhang mit den vorausgehenden Kapitel I bis V
zu stellen und so auf die Kontinuität weisheitlicher Traditionen
4} GOPPELT, Die apostolische und nachapostolische Zeit 82.
5} Sie stellen einen konzentrierten Auszug aus einem ausführlichen Beitrag dar,
den ich in Bälde zu veröffentlichen gedenke.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI.2.1.1, Ziff. a
zu beschränken. Dabei wird sich zeigen, dass frühjüdischer Einfluss keineswegs erst seit der 3. Generation in starkem Masse
zu finden ist, sondern frühjüdische Weisheitstraditionen von
Anfang an das entstehende Christenturn
auf der Ebene der christologischen Reflexion (Kap. 2.1.1),
bei der Gestaltung der christlichen Logoi Sophon Traditionen (Kap. 2.1.2),
und bei der Erarbeitung von paränetisch-lehrhaften Kornpositionen (Kap. 2.1.3)
aktiv mitgestaltet haben.
2.1.1 Weisheitliehe Christologie
Seitdem BULTMANN zur Aufhellung des religionsgeschichtlichen
Hintergrundes des Johannesprologs auf einen sogenannten SophiaMythos verwies, ist in der neutestamentlichen Forschung die
Frage nach dem Beitrag der frühjüdischen Weisheitsspekulation
bei der Entstehung und Ausbildung der Christologie immer klarer
ins Bewusstsein gerückt worden 6 . Es stellten sich vor allem
drei Textgruppen heraus, in welchen weisheitliehe Elemente zur
Interpretation des irdischen Jesus und des nachösterlichen Jesus
Christus zum Tragen kamen :
a) Texte aus der Quelle Q und in deren Interpretation durch
Mt und Lk7
In QLk 11, 49-5la Par Mt 23 ,34f., dem Wort der überzeitlichen
'Weisheit' über die Sendung und das Schicksal ihrer
Bot~n,
und in
6) Der religionsgeschichtliche Hintergrund 10-35. WILCKENS, Weisheit und Torheit (1959); Art.: ooq>(a, ThWNT 7 (1964), bes. 508-5.14, und auch SANDERS,·
The NT christol. Hymns (1971), bes. 24f., führten diese Rekonstruktion eines
Grundmythos weiter. Kritik bei MACK, Wisdom Myth and Mytho-logy 47-60; Logos
und Sophia 20.21-107, welcher CONZELMANN's wichtige Unterscheidung "zwischen
mythischem Stoff und reflektierender Mythologie" (Die Mutter der Weisheit
227) Übernimmt; ebenso SUGGS, Wisdom, Christology 42, Anm. 18; FIORENZA,
Wisdom Mythology 29, Anm. 22.- Weiteres s.o. Kap. I.l, Anm. 8.13.
7) Wichtigste Literatur: FEUILLET, Jesus et la Sagesse divine (1955); BONNARD,·
La sagesse en Personne annoncee et venue: Jesus Christ (1966); STECK, Israel
und das gewaltsame Geschick der Propheten (1967); CHRIST, Jesus Sophia (1970);
SUGGS, Wisdom, Christology and Law (1970); HAMERTON-KELLY, Pre-Existence,
Wisdom, and the Son of Man (1973); JOHNSON, Reflection on a Wisdom Approach
(1974); ROBINSON, Jesus as Sophos and Sophia (1975). -zu Q speziell:
LUEHRMANN, Die Redaktion der Logienquelle (1969); HOFFMANN, Studien zur Theologie (1972); SCHULZ, Q. Die Spruchquelle (1972); EDWARDS, A Theology of Q
(19?6); POLAG, Die Christologie der Logienquelle (1977); KLOPPENBORG, Wisdom
Chn.stology in Q (1978); JACOBSON, Wisdom Christology in Q (1978).
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Kap. VI.2.1.1, Ziff. a
QMt 11,16-19 Par Lk 7,31-35, dem Gleichnis von den nicht zum
Spiel gekommenen Kindern und dessen prophetisch-sophialogischen
Deutungen wird Jesus als letzter und eschatologisch entscheidender Gesandter der'Weisheit'vorgestellt. Beidemale ist
der Kontext eine polemische Auseinandersetzung mit den Pharisäern oder Schriftgelehrten. Die Verbindung des Bildes von der
botensendenden'Weisheit'mit den Vorstellungen vom Prophetengeschick und vom Menschensohn bewirkt dabei eine starke Intensivierung des weishei tlichen Bildes.· Bei Mt wird durch Textänderung
(Mt 23,34a) oder kontextuale Neubestimmung (vgl. ll,l9c mit 11,2)
die Beziehung zwischen Jesus und
der'Weishei~
bis zu einer quasi-
identischen Nähe verstärkt. Eine explizite Identifizierung der
beiden ungleichen Grössen, wie sie in Sir 24,23 und Bar 4,1
(TEXTE 11.12) mit dem Gesetz stattfand, ist jedoch nirgends
vollzogen.
Wenn die Quelle versucht, in QMt ll,25ff. Par Lk l0,2lf. die
Offenbarung und Vermittlung "des Geheimnisses" zu beschreiben,
benutzt sie die Form der Homologie und wählt sie als Kontext das
intime Gespräch im Jüngerkreis. Das prophetische Motiv der Verkehrung der Weisheit und die apokalyptische Sprechweise vom
Verbergen und Aufdecken erscheinen dabei als Folie aus der frühjüdischen Weisheitsreflexion, welche die Art und die Wirkung
der Tätigkeit Jesu verdeutlicht. Das intime Gottesverhältnis
Jesu wird
dabe~
als Grund dafür gesehen, dass in Jesus das Ge-
heimnis vollumfänglich präsent ist. Es qualifiziert ihn deshalb
als den unüberbietbaren Vermittler. Die in den frühjüdischen
Texten oft beschriebene (TEXTE 3-8.26-29) enge Beziehung zwischen der'Weisheit'und Gott findet in diesem Gottesverhältnis
seine unerhört starke christologische Umdeutung.
"Weisheit" bedeutet jedoch für die Jünger nach Mt 11,28ff.
koptEvThom 90)
Nachfolge des Jesus
i~V,
(vgl.
Uebernahme seiner
"leichten Last", wodurch die gängige Weisheit, die zwänge des
Gesetzes und der Welt Überwunden werden können. Darin zeigt sich
die eschatologische Dimension des jesuanischen Weisheitsrufes
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Kap. VI.2.l.l, Ziff. b
und spiegelt sich etwas von der aus vielen konkreten Zwängen
befreienden Nachfolge Jesu 8
Die Weisheitschristologie in den Evangelien, die nur noch Spurenhaft zu erheben ist, steht somit ganz in der prophetisch-apokalyptischen (und eschatologischen) Linie der Weisheitsreflexion
des Frühjudentums. Die Paradoxie, die die jesuanische Weisheitslehre und die Jünger als "Kinder der Weisheit"
(QMt ll,l9c Par)
wegen des Scheiterns und des Todes des Meisters bestimmte, konnte in dieser die Tragik einschliessenden Form der Weisheitsreflexion zum Ausdruck kommen. In der Zentrierung der frühjüdischen Traditionen auf Jesus und in der Verbindung der weisheitliehen Botengestalt mit der Prophetengeschicksvorstellung bekam
das paulinische "Wort vom Kreuz" als Aergernis und Torheit für
die Weisen (Juden und Heiden) und als "Gottes Kraft und Gottes
Weisheit" für die Berufenen (lKor 1,18-25) einen frühen, nichtpaulinischen Ausdruck.
b) Sophia-Mythologie in alten Christushymnen 9
Die in der neutestamentlichen Briefliteratur zerstreuten christologischen Hymnen und Hymnenfragmente Phil 2,6-ll; lTim 3,16;
Kol 1,15-20; Eph 2,14-16; Hebr 1,3; lPetr 1,20; 3,18.22 und der
Johannesprolog sind in neuerer Zeit von der religionsgeschichtlichen Forschung in engen Zusammenhang auch mit der sogenannten
jüdischen Hypostasenspekulation gebracht worden 10 . Die so starke
Bildgestalt der'Weisheit'konnte dabei in manchen hymnischen Aussagen wiedererkannt werden. Es ist zwar bei der heutigen
Forschungslage nicht mehr geraten, von einem einheitlichen
8} Vgl. die auch in dieser Hinsicht interessanten Ausführungen von THEISSEN,
Soziologie der. Jesusbewegung 33-90.
9} Wichtigste Literatur: GABATHULER, Jesus Christus (1965} (Forschungsgeschichte
zu Kol 1,15-20}; SCHILLE, Frühchristliche Hymnen (1965}, bes. 12-15 (Forschungsgeschichte}; DEICHGRAEBER, Gotteshymnus (1967}; KEHL, Der Christushymnus (1967}; MARTIN, Carmen Christi (1967); RESE, Formeln und Lieder im NT
75-95 (1970} (Forschungsbericht}; SANDERS, The NT christol. Hymns (1971};
HOFIUS, Der Christushymnus (1976}.
10} SANDERS, The NT christol. Hymns 27-98, bietet den status quaestionis (bis
1971} der hauptsächlichen religionsgeschichtlichen Deutungsvers~che (Weishei~
Wort, Urmensch/Erlöser}.
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Kap. VI.2.1.1, Ziff. b
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Sophiamythos zu sprechen (s. Anm. 6), und auch ein weisheitlicher Mythisierungsprozess von der menschlichen Klugheit zur
transzendenten Sophia scheint eine Konstruktion zu sein. Dass
aber im Sinne der "reflective mythology" von FIORENZA 11 Elemente
aus der alten Weisheitsspekulation mythologischer Art Übernommen
und zugleich in ihrem mythischen Zug korrigiert wurden, ist wohl
nicht zu bestreiten. Mit diesem differenzierten Verständnis lassen sich die urchristlichen Hymnen und Lieder auch heute noch zu
Recht mit den palästinischen und alexandrinischen Weisheitstexten in Beziehung bringen :
Ging es den palästinischen Weisen der frühjüdischen Zeit um die
Neuinterpretation der altorientalischen Weisheitsgestalt als
des dem Volk Israel oder dem einzelnen wahren Israeliten geschenkten Gesetzes
(Kap. I.l) oder göttlichen Geheimnisses
(Kap. I.2), so geht es jetzt um die Formulierung des unableitbar empfundenen Geschehens der Erniedrigung und Erhöhung Jesu
Christi als des in Gottes Weisheit seit immer beschlossenen
Heilsplanes. Ging es den alexandrinischen Theologen mit ihren
Sophia- und Logosspekulationen um die Ermöglichunq des Verständnisses von Schöpfung, Offenbarung, Teilnahme an der göttlichen
Erkenntniswelt und das dadurch bewirkte Heil, so geht es hier
um die Beschreibung der unbegrenzten Bedeutungsfülle und der
aktiven Präsenz Christi in Schöpfung, Erkenntnis- und Heilsordnung. Die sich in alle Dimensionen ausweitende Gestalt des Auferstandenen zog die theologischen Prädikationen des gesamten
Frühjudentums über die 'Weisheit' (aber auch Über die Tora, den
Logos und den "Ratschluss") an sich, sodass in den urchristlichen Hymnen und Lieder manchmal bis ins Detail der Formulierung
die "reflektierte Weisheitsgestalt" wiederzuerkennen ist : Präexistenz, Schöpfungsmittlerschaft, Einsichtigkeit und Stimmigkeit der Schöpfung, Nähe und Ferne Gottes, Präsenz bei den Menschen und Entschwinden in die himmlische Sphäre, gnadenhafte
Gabe an die Auserwählten und endzeitlich entscheidende Gestalt
sind solche aus der Weisheitsreflexion kommenden Themen.
11) Wisdom Mytho1ogy 26-33; vg1. auch SCHWEIZER, Aufnahme und Korrektur 110-121.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI.2.1.1, Ziff. b
560
Die frühjüdische Weisheitsspekulation ist somit als eines der
wichtigen
konstituierenden Elemente in die neutestamentliche
Hymnik eingegangen. Es lassen sich aber auch Texte hymnischer
Art ausserhalb des Neuen Testamentes finden 12 , in welchen weisheitliehe Elemente christologisch relevant wurden. Neben der
"Predigt der vollkommenen Jungfrau" in OdSal 33 (2. Jhd.n.) .und
dem "Hochzei tslied des Thomas" in ActThom 6f.
(1.
Hälfte des
3. Jhd.s n.), sollte jetzt vor allem die weisheitsgeschichtlich
ungemein interessante Schrift aus Nag-Hammadi, die Lehren des
Silvanos (3./4. Jhd. n.), beigezogen werden,
~elche
eine bis
jetzt einzigartige Verbindung von christlicher Weisheitslehre
mit weisheitlicher Christologie darstellt.
Ich kann mich eines Beispiels nicht enthalten 13 :
Silv 106,22b-107,16
Er ist die Weisheit.
Denn er ist die Weisheit, er ist auch der Logos.
Er (25) ist das Leben und die Kraft und die Tür.
Er ist das Licht und der Engel und der gute Hirt.
107,1
Und wenn du bei dieser (Weisheit) anklopfst,
so klopfst du an bei 'verborgenen Schätzen';
denn Weisheit ist er er macht den Toren weise. (5)
Ein heiliges KÖnigtum ist sie,
und ein strahlendes Gewand-.-Denn es ist ein goldreiches (Gewand) ,
das dir grossen Glanz verleiht.
Die Weisheit Gottes wurde (10) um deinetwillen zur
törichten Gestalt,
damit sie dich, du Tor, heraufführe und weise mache.
Und das Leben ist um deinetwillen gestorben, als
es kraftlos (15) war,
damit es dir, der du tot warst, durch seinen Tod
das Leben gebe.
12) Dazu besonders die ältere Arbeit von KROLL, Die christliche Hymnodik
(1921/22) 1 19-'-98.
13) Zit.nach FUNK/SCHENKE, "Die Lehren des Silvanus" 18f.; vgl. PEEL/ZANDEE,
The Teachings of Silvanus 356; auch SCHOEDEL, Jewish Wisdom 193.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI.2.l.l,
~iff.
c
561
c) Jesus Christus als "Weisheit Gottes" im paulinischen Schrifttuml4
Bei aller Diskussion für oder gegen eine paulinische Weisheitschristologie lässt sich "aktive Verarbeitung" 15 weisheitlicher
Traditionen durch Paulus nicht verneinen.
In den beiden weisheitliehen 'Lehrgängen' von lKor 1,18-25 (Weisheit der Welt - der Gekreuzigte als die Weisheit Gottes) und
2,6-16 (Gottes verborgene, vorzeitlich vorausbestimmte, durch
den Geist den 'Geistlichen' enthüllte Weisheit) wird zweimal
das frÜhjÜdische Thema von der verborgenen'Weisheit'variiert.
In 1,18-25 zieht Paulus die prophetische Tradition von der Verkehrung der Weisheit und die alte,
weisheitliehe von der Unauf-
findbarkeit der 'Weisheit• mit menschlichen Erkenntniskräften bei,
während er in 2,6-16 die apokalyptische
Tradition vom göttli-
chen Geheimnis der Weisheit, deren Offenbarung den Kreis der
'Heiligen' konstituiert, benutzt. Die Zentrierung auf den Gekreuzigten macht bei beiden Texten die Christlichkeit aus, weil
darin die Verkehrung der Weisheit geschieht und weil darin die
eigentliche christliche Weisheits-"Kost"
(vgl. 3,lf.) besteht.
Die beiden Texte bezeugen einerseits, dass Paulus weisheitliehe
Traditionen in seiner Christologie aktiv Übernahm, andererseits
aber, dass es in. den paulinischen Gemeinden eine christliche
Weisheitstheologie gab, welche das Paradox des Kreuzes. nicht mehr
im Zentrum hatte und deshalb die oocp(a.
"tOÜ.
~a.xa.p(ou xa.l, evo6f;ou
IIa.uA.ou (POLYKARP, 2Phil 3,2) herausforderte.
Als die beiden weiteren wichtigsten Texte in diesem Zusammenhang muss auf Röm 10,6ff. und lKor 10,1-4 hingewiesen werden,
welche freie Varianten weisheitlicher Themen darstellen. In
14) Wichtigste Literatur: GRAFE, Das Verhältniss der paulinischen Schrif·ten zur
Sapientia Salomonis (1892); WINDISCH, Die göttliche Weisheit der Juden (1914);
BOTTE, La Sagesse et les origines de la Christologie (1932); DUPONT, Gnosis
(1949); SCHWEIZER, Zur Herkunft der Präexistenzvorstellung bei Paulus (1959);
WILCKENS, Weisheit und Torheit (1959); CONZELMANN, Paulus und die Weisheit
(1965/66); FEUILLET, LeChrist Sagesse de Dieu (1966); BRANDENBURGER, Fleisch
und Geist (1968); BAUMANN, Mitte und Norm (1968); VAN ROON, The Relation
between Christ and Wisdom (1974); HORSLEY, Wisdom of Ward (1977).
15) CONZELMANN, .Paulus und die Weisheit 231.238.
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562
Kap. VI. 2 .1. 2
Röm ist es das Thema des nahen Gottes im Gesetz (Dtn 30,12ff.),
das in der weisheitliehen Variation von Bar 3,29f. als die
nahe'Weisheit' im Gesetz vorkommt und bei Paulus schliesslich
ins Christologische Übersetzt wird : der nahe Christus im
Kerygma. 1 Kor steht in einer ähnlichen thematischen Entwicklung
vom Felsen in der Wüste (Ex 17,1-7; Num 20,1-11) der in der
rabbinischen Legende TosSuk 3,11 (ZUCKERMANDEL 196; vgl. AntBibl
11,15 MS A), zu wandern beginnt, in der alexandrinischen Weisheitsspekulationmit der'Weisheit' und dem Logos verbunden wird
und schliesslich bei Paulus mit Christus gleichgesetzt ist.
Zusammenfassend zu 2.1.1 kann gesagt werden, dass frühjüdische
Weisheitsreflexionen in der Interpretation des Lebens und der
Botschaft des irdischen Jesus (Q; Evv.), im Lobpreis des in
Christus angebotenen und geschenkten göttlichen Heiles (Hymnen)
und bei der theologischen Klärung dessen, was christliche Weisheit ausmacht (Paulus), auf vielfach differenzierte Art präsent
sind. Einfache Uebernahmen, die an Abschreiberei grenzen würden,
schnelle Identifikationen und Aehnliches waren dabei nicht zu
finden, da die betreffenden christlichen Texte selbst im lebendigen Prozess der frühjüdisch-christlichen Weisheitsreflexion
stehen und mit der Vielfalt der zur Verfügung stehenden weisheitliehen Entwürfe ihren "Herrn" auszusagen und zu preisen versuchen. Alle Bereiche des frühjüdischen weisheitliehen Bemühens
erfahren dabei eine typische Zentrierung auf diese eine historische und Übergeschichtliche Heilsgestalt, in welcher die Geschichte der Weisheit als zu ihrem unerwartbaren, paradox-definitiven Abschluss gekommen dargestellt wird.
2.1.2 Christliche A6yoL ao~wv
Dass die Evangelien das konzentrierte Resultat emsiger Sammeltätigkeit darstellen, ist ein völlig klarer exegetischer Sachverhalt. Aehnlich wie die Billeliten die Worte Hillels haben die
Jesuaner die Worte ihres Meisters Jesus gesammelt, thematische
Kollektion von typischen Worten hergestellt und diese dann in
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Kap. VI. 2:1. 2
563
einem nächsten traditionsgeschichtlichen Schritt in grössere
Schriften eingebaut. Ergänzungen, Korrekturen, Abschwächungen
und Erweiterungen durch ähnliches Logienmaterial geschahen dabei
auf vielfache, bewusste und unbewusste Weise. Bei allen drei
Synoptikern sind solche früheren Logiensammlungen noch ersichtlich16. Deutlichster Aufweis ist die Quelle Q, die zur Hauptsache aus weisheitlichem Logiengut bestand 17 , wie immer man
die literarischen Verhältnisse ("Schrift" oder "Schicht") beurteilen mag. Das koptische Themasevangelium und dessen griechische
Paralleltraditionen in Pap Oxyrhynchos 1.654.655 (vgl. auch
Pap Ox 1224) 18 belegen die Existenz reiner Worte-"Evangelien",
die jedoch einen deutlichen gnostisierenden Zug aufweisen. Solche Abyo~ xup~axo( müssen in zahlreichen weiteren Kollektionen
verschiedenster Prägung umgegangen sein, wenn man die "Variationen der Herrenworte" 19 im paulinischen Schrifttum, bei den
Apostolischen Vätern, bei Iustin, Clemens v. Alexandrien und in
den Pseudo-Klementinen berücksichtigt 20 und auch nur einen kurzen
21
Blick auf die Agrapha
wirft.
16) Herausgestellt bei ROBINSON, Logoi Sophon 80-89; KOESTER, Ein Jesus und vier
ursprüngliche Evangeliengattungen 155-172; auch BEST, An Early Saying Collection l-16; MORGENTHALER, Statistische Synopse 297-299.310, Anm. 140.
17) Rekonstruierter Text bei SCHULZ, Griechisch-deutsche Synopse. POLAG, Die
Christologie der Logienquelle 2lff., bestimmt Q als "Spruchsammlung", in·
welcher "das notwendige Material für die Mahnung und den Trost gegeben" (22)
wird. EDWARDS, A Theology of Q 58-79, stellt die weisheitliehen Elemente zusammen; vgl. auch SCHULZ, Q. Die Spruchquelle, zu den einzelnen Logien.
18) Ed. und dt. Uebers.: LEIPOLDT, Das Evangelium nach Thomas; ALAND, Synopsis
517-530 (lat., dt., engl. Uebers.). S. bes. BEARDSLEE, Proverbs in the Gospel of Themas 92-103. - GRENFELL/HUNT, Oxyrhynchos Papyri I (1898) l-3(Pap.
1); IV (1904) 1-22 (Pap. 654); 22-28 (Pap. 655); X (1914) 1-10 (Pap. 1224). Zusammengestellt mit den Parallelen bei HENNECKE/SCHNEEMELCHER, Ntl. Apokryphen I, 61-73.
19) Es geht nicht nur um spätere "Abänderungen" der synoptischen Logien, wie sich
dies in der Perspektive von WRIGHT, Alterations of the Words of Jesus, bes.
3-14.75 u. ö., und SANDERS·, The Tendencies of the Synoptic Tradition, nahelegt, sondern um die vielfachen "Variationen" der Herrenworte in der frühen
mündlich/schriftlichen Tradition der Christen, zu der a u c h das synoptische Gut gehört.
20) Vgl. DUNGAN, The Sayings of Jesus in the Churches of Paul; KOESTER, Synoptische Ueberlieferung bei den Apostolischen Vätern; BELLINZONI, The Sayings
of Jesus in the Writings of Justin; MEES, Die Zitate aus dem NT bei Clemens
von Al., bes. 8-86.214-217; KLINE, The Sayings of Jesus in the Pseudo-Clementine Homilies; Harmonized Sayings of Jesus 223-241.
21) Vgl. alsMaterialsammlung RESCH, Agrapha: 192 ntl. Logien, 97 apokryphe und
62 atl. Logien; kritischer Forschungsbericht über dieQuellenlage bei JEREMIAS, Unbekannte Jesusworte 11-32; neuestens MEES, Formen, Strukturen .und
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564
Kap. VI. 2 • l. 2
Die traditionsgeschichtliche Entwicklung lief nicht nur, wie
Robinson in seinem berühmten Aufsatz Logoi Sophon aufgezeigt hat,
in die eine Richtung der gnostischen "Gespräche mit dem Auferstandenen"; vielmehr behielten die christlichen Logiensammlungen
auch die anderen, für diese Gattung wichtigen Funktionen (s.o.
Kap. III.5.1.3) der Statuierung von (christlichen) Grundordnungen, Belehrung in den Dingen des (christlichen) Lebens, Erweis
und Wahrung-der Weisheit eines Einzelnen (nämlich Jesu Christi)
und der Festigung und Leitung seiner Schüler und Nachfolger 21 a.so
wird z.B. in den Sentenzen des Sextus die Brücke in die griechische Gnomelegie geschlagen 22 , während die Lehren des Silvanus
von Nag-Hammadi 23 mit der ausdrücklichen Verbindung von christlichen Weisheitslogien und weisheitlicher Christologie (s.o.
Kap. 2.l.l,b) auf dem Weg in die Gnosis sind. Auch die
unter~
dessen entstehenden Mönchs- und Nonnen-Regeln sind in der Verlängerung der Linie dieser Logienweisheit zu sehen 24 •
Gattungen 459-488; Ausserkanonische Parallelstellen, bes. 128-142 ("Das
Weisheitswort") und 7-20 (ausgezeichnete Einl:eitung in das Problem der nichtkanonischen alten Wortetradition).
2la)Vgl. die .Kritik von SCHENKE, Die Tendenz der Weisheit zur Gnosis, bes. 360ff.,
an der automatisch anmutenden, der Gattung der Spruchsammlung inhärenten Tendenz zum gnostischen Gespräch (360). "Die Tendenz aber, die der Gattung der
Spruchsammlungen tatsächlich innewohnt, wirkt in Richtung auf Allgemeingültigkeit, Gegenwärtigkeit, Vergegenwärtigung des in den Sprüchen Gesagten und
Enthaltenen •••. Entsprechend impliziert sie christologisch die Vorstellung
von Jesus als dem stets bei oder in d<;m Jüngern Gegenwärtigen" (361), "von
Jesus als dem~ und 'Mund' derWeisheit" (362/63).
22) S. o. Kap. III.5.1, Ziff. n. ~ Das ungefähr gleichzeitige Carmen morale XXX
des GREGORIUS von Nazianz (ca. 330-390 n.) zeigt dies deutlich: Seine 24
akrostisch angeordneten iambischen Trimeter (MIGNE, PG 37, 1862, 907-910)
glichen heidnischen Versen so sehr, dass einzelne unter Menanders Monostichen
(s. o. Kap. III.5.1, Ziff. e) gerieten, und die ganze Sammlung auch in nicht
christliche arabische Anthologien gelangte; zum Ganzen s. ULLMANN, Die arab.
Ueberlieferung der sogenannten Menandersentenzen 62.74-80. - Weiterhin konnte
PseuPhok fast unversehrt in die christlichen Orakeltexte und andere gnomische Sammlungen Übernommen werden. PseuMen hat in einer syrischen Mönchsbibliothek Überlebt usw.
23) Dt. Uebers.: FUNK/SCHENKE, "Die Lehren des Silvanus" 11-23; engl. Uebers.:
PEEL/ZANDEE/WISSE, The Teachings of Silvanus (VII,4), 347-361.- Zur religionsgeschichtlichen Situierung in der. stoischen und neuplatonischen Gedankenwelt s. bes. die Arbeiten der beiden Forscher ZANDEE, "Les enseignements
de Silv" et Philon d'Alexandrie 337-345; Die Lehren des Silv. Stoischer
Rationalismus und Christentum im Zeitalter der frühkatholischen Kirche 144155, und SCHOEDEL, "Topological" Theology and some Monistic Tendencies 88108; bes. wichtig für unsere Fragestellung: DERS., Jewish Wisdom and the
Formation of Christian Ascetics 169-199. - Weitere neuere Lit. bei SCHOLER,
Bibliographia Gnostica, Suppl. VI, 330f. - Auch das Philippusevangelium
(dt. Uebers.: KRAUSE, Koptische Quellen 92-124) sollte einmal auf seine
Weishei tslogien hin untersucht werden.
·
j
24) Ein glÜcklicher Zufall erlaubt es, gerade anhand der neuentdeckten Lehren
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2.1.2
565
Doch man benötigte ausführlichere Untersuchungen, um die tatsächlichen weisheits-geschichtlichen Zusammenhänge zu sehen.
Deutlich ist auf jeden Fall, dass der "Ursprung des Christentums"
mit einer Explosion von Logienmaterialien verbunden ist, welche
durch Kennzeichen an sich selbst oder durch den unmittelbaren
Kontext auf eine Person zurückweisen, von welcher sie ausgegangen seien : Jesus. Welcher Herkunft die einzelnen Worte tatsächlich auch immer sind, in diesem Bezugspunkt bekommen sie
ihre Einheit; und diese Einheit ist deshalb zuerst einmal theologischer, christologischer oder ekklesiologischer Art. In ihnen
wird Jesus (Christus) aus verschiedenen Perspektiven interpretiert : Als Überragender
Weiser im Sinne des "Testimonium Fla-
vianum" (Ant 18,63f.) : =>InooÜG ooQ>ÖG &vr)p, i'tye: '<ivöpa aD-.Öv
/
,25
AE:YE:LV XPn
(Apologeten; Sextus); als Lehrer der neuen Gerechtigkeit (Q; Evv.; Regeln), als Vermittler göttlicher Geheimnisse
(koptThomEv), ja als göttliche'Weisheit' selbst (Silv).
In diesen Kollektionen geht es dann jedoch ebenso darum, den
Christen der weiteren Generationen Anweisungen zur konkreten
Lebensgestaltung im Sinne Jesu zu bieten. Das neue Geschöpf hat
neu zu leben ! In der Explikation dieser Neuheit diente dem
christlichen Lehrer jedoch "Altes und Neues"
(Mt 13,52), sodass
sich die Lebenslehre der Christen schon sehr bald in weisheitliehen Logienmaterialien verschiedenster Provenienz darstellte.
Alttestamentliche, frühjüdische, griechische und schon sehr bald
gnostische Traditionen sind zu finden; doch sind die ältesten
Schichten traditionsgeschichtlich am stärksten mit der frühdes Silv die Verbindung mit den mönchischen Regeln traditionsgeschichtlich
exakt aufzuzeigen. FUNK, Ein doppelt überliefertes Stück spätägyptischer
Weisheit 8-21, zeigt, wie Stücke aus Silv im 5.-7. Jhd. in die "AntoniusLiteratur übergingen und schliesslich in die sogenannten 'Spiritualia documenta regulis adjuncta' des hl. Antonius"gelangten, "die in einem arabischen
MS aus dem 8. oder 9. Jhd. gemeinsam mit anderen pseudo-antonianischen
Schriften Überliefert sind (bei MIGNE, PG 40, 1073-1080, in der lat. Uebers.
des Maroniten Abraham Acchellensis)" (9). Ein ähnliches Stück ist zudem
koptisch im British Museum 979a vorhanden (= Silv 97,3-98,22). Vgl. die
von GRESSMANN, Nonnenspiegel und Mönchsspiegel 143-165, herausgegebenen
zwei Texte von Evagrius Pontikus (4. Jhd. n.), die stark in atl. und frühjüdischen Weisheitstraditionen stehen.
25) Zur mÖglichen Verbindung von echtem JOSEPHUS-Text und christlichen Interpretamenten vgl. SCHUERER I, 544-549; Ed. 1973: I, 428-441; HENNECKE/SCHNEEMELCHER, Ntl. Apokryphen I, 324f.; BARAS, Testimonium Flavianum 303-313; auch
MAIER, Jesus von Nazareth 42ff.279.
http://hdl.handle.net/10900/56118
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566
Kap. VI. 2 .1. 2
jüdischen Weisheit verbunden. BULTMANN's rigorose Zuweisung der
synoptischen Weisheitslogien in ihre möglichen Traditionsbereiche26 macht deutlich, dass sich der weisheitliehe Rat der ersten
christlichen Zeit inhaltlich weitgehend im Rahmen frühjüdischer
Religiosität und Humanität hält. Von seiner Bezugsperson Jesus
Christus her bekommt das Logiengut jedoch eine neue Qualifizierung : Es sind Weisheitsworte, die durch Tod und Auferstehung
des Meisters besiegelt sind. Deshalb besitzen sie eine zusätzliche eschatologische Potenz der Scheidung der Menschen in Gerettete und Verlorene, werden sie zur Heils-Weisheit.
Wenn die Ungläubigen fragen, "woher diese Weisheit komme" (vgl.
Mk 6,2b Par), dann zitieren die Gläubigen ein Wort, dessen Hintergründigkeit nur sie selbst kennen : "Hier ist mehr als Salomo !" (QMt 12,42 Par). Im christlichen Bewusstsein hat die salomonische Traditionslinie, die nach frühjÜdischem und christlichem
Verständnis schon die griechische Weisheit Übertraf 27 , im
'
/
28 ihre Vollendung gefunden
XPLOTOG
6L6aoxaAOG
~LAOOO~E~V ~nETn6Euoav ~tvCEAADVWV xaL
~Iou6a(wv oDx ÖA(yoL, ~6voL 6E •nv &A~0Lvnv
26) Geschichte der syn. Tradition 73-113. Der Grossteil der 69 von BULTMANN
aufgefundenen Weisheitslogien wird der allgemein verbreiteten profanen oder
religiösen Weisheit der palästinischen und hellenistischen Welt zugeschrieben. Ich habe in meiner Lizentiatsarbeit "Die weisheitliehen Logien Jesu
nach den Synoptikern" (1972) 72-96, BULTMANN's Analyse der Weisheitslogien
dargestellt und vor allem die schnelle traditionskritische Zuteilung in Frage gestellt. Vgl. auch SCHICK, Formgeschichte und Synoptikerexegese 159-165.
27) Zum frühjüdischen Verständnis, s. o. Kap. II; zum christlichen vgl. bes.
CLEMENS v. Al., Strom 1.101-147, den "grossen Nachweis über das geringere
Alter der griechischen Dichter, Mystagegen und Philosophen im Vergleich mit
Mose und den Propheten" (BOUSSET, JÜdisch-Christlicher Schulbetrieb 2lo).
Diskussion der christlichen (und antichristlichen) Texte bei PEPIN, Le
"challenge" Homere - Meise aux premiers siecles c;:hretiens 105-122.
28) Ausgezeichnete Studie dazu bietet NORMANN, Christos Didaskalos. Die Vorstellung von Christus als Lehrer in der christlichen Literatur des ersten und
zweiten Jahrhunderts (1967). NORMANN folgt der Tradition über Jesus/Christus
als Lehrer vom ':li/öLö6:c:ntaA.o~: - Titel bei den Evangelisten bis zu Iustin,
dem es erstmals gelingt, "ein Bild von Christus als Didaskalos zu entwerfen,
in dem jegliche Wahrheit der Welt gegründet und zusammengefasst ist" (178),
und dessen Weiterentwicklungen bei Irenäus und Clemens v. Al.; vgl. auch
FASCHER, Jesus der Lehrer 325-342. - In der Fortsetzung dieser Linie, in
welcher das apologetische Motiv immer offensichtlicher wird, liegt es auch,
dass schlussendlich die Aussprüche grosser griechischer Gelehrter (in wahlloser Zusammenstellung) der Christologie dienstbar gemacht wurden; vgl.
VON PREMERSTEIN, Griechisch-heidn:Lsche Weise als Verkünder christlicher Lehre 647-666; Neues zu den apokryphen Heilsprophezeiungen heidnischer Philosophel\1 338-374.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2.1.3
567
oo~Cav ~~nAwoav ol Xp~o•ou ~a3n•aC,
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2.1.3 Weisheitliehe Paränesen und Lehrtexte im frühen Christentum
Die geringen christlichen Spuren, die wir an den weisheitliehen
Paränesen und Lehrtexten der Test XIIPatr beobachten konnten,
machen deutlich, dass der Uebergang vom JÜdischen zum Christli29
chen in diesem Bereich fast reibungslos vor sich gehen konnte
Bei der Ermahnung zu einem sittlich guten Leben und bei der Belehrung Über die wichtigsten Ordnungen in der Welt Gottes und
seiner Schöpfung hatte man gemeinsames Terrain und nur höchst
selten gab man einen diskreten Hinweis auf die eigene christliche Glaubenswelt bei. In den Elementen, durch welche man einen
paränetisch-lehrhaften Text in immer neue Kontexte stellen konnte und kann, liegt jedoch nicht die eigentliche Stärke der ausgesprochenen Mahnung oder Lehre. Sie liegt vielmehr in der Einsichtigkeit der Darlegungen und Mahnungen selbst, die in einem
ähnlichen sozio-kulturellen Kontext soviel Resonanz erfährt,
dass sie verschiedenen Gruppen zu Evidenzen werden konnten und
können.
Zu diesen Texten mit weisheitlicher Evidenz gehörte im Frühjudentum und Frühchristentum vor allem die Zweiwegelehre, deren Traditionsgeschichte schon bei TAsch 1,3-6,6 kurz nachgegangen
wurde (vgl. Kap. V.2.5.4). In Didache 1-6 steht das christliche
Gegenstück, das auf weite Strecken jedoch ohne spezifisch christliche Inhalte auskommt und nur durch den Einschub von 1,3b-2,la
an synoptische weisheitliehe Mahnworte angeglichen wurde 30 • Da
28a)NILUS v. Ankyra (gest. um
(MIGNE, PG 79, 719); hier
CHUB (Hamartolos; 9. Jhd.
druckt bei ADAM/BURCHARD,
430 rt.), Tractatus de monastica exercitatione 1
jedoch zitiert nach dem Auszug aus GEORGIUS MONAn.), Chroniken 3,9 (MIGNE, PG 110, 405; nachgeAntike Berichte 57).
29) In diesem Punkt trafen sich beim SNTS Pseudepigrapha Seminar in Duke (1977)
die Exponenten sowohl der pro-christlichen (DE JONGE) wie der pro-jüdischen
(KEE) Interpretation der Test XIIPatr; vgl. CHARLESWORTH, Reflections 304;
KEE, The Ethical Dimension 259.
30) Ed.: FUNK/BIHLMEYER, Die Apostolischen Väter 1-5; KNOPF, Die Lehre der 12
Apostel 5-21; AUDET, La Didache 226f., wo 1,3b-2,la aus inneren Gründen als
Anfügung des 1. Interpolators in Klammern gesetzt ist; vgl. LAYTON, The
Sources, Date and Transmission of Did 1,3b-2,1, bes. 379-382; auch den"Ver-
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI. 2 . l. 3
568
ist alttestamentliche und frÜhjÜdische Lebensweisheit unverändert in die apostolische Belehrung eingegangen : Eine lange
Liste meist negativ formulierter Mahnworte {2,2-4,14) und ein
ausführlicher Lasterkatalog {5,lf.) sind durch die Rahmensätze
vori 1,2f.; 4,14b; 5,la zur zweiwegelehre mit den Endpunkten '
Leben oder Tod stilisiert und den anderen, spezifisch christlichen öLöaxaC über Taufe {7,1), Fasten und Gebet {8,2f.) usw.
vorangestellt worden. Die Liste der in Did 1-6 genannten Tugenden
und Laster, der Personenkreise und Lebensbereiche kann man mit
Leichtigkeit zu unseren stichwortartigen Tabellen der Themen bei
PseuPhok, PseuMen und Ach {Tab. 4-6) parallel setzen. Für
PseuPhok ist das auch ausführlich getan worden 31 , wobei das
Frühjüdisch-Hellenistische dieser autoritativen "Apostellehren11
oder - wie es im zweiten Titel zu den duae viae heisst - dieser
"Lehre des Herrn für die VÖlker" ganz deutlich wurde.
Im Barnabasbrief 18 - 20 liegt ein paralleles Lehrstück vor,
das in genau gleicher Anordnung der beiden Hauptteile und mit
vielen Aehnlichkeiten zu Did im Detail die beiden Wege des
"Lichtes und der Finsternis" {18,1) beschreibt 32 . In Pastor Hermae, Mand 6- 8 33 , findet sich zudem eine Lehre von der Doppelungen in nCon!;;, cpÖßo!;; 8e:ou und
Wege" -
hxpa1:e:Ca, in welcher die "Zwei
{6.1,2-5) und die "Zwei Engel-Lehre" {6.2,lb-9) ähnlich
wie in TAsch 1,3-6,6 auf die gottgewollten Grunddoppelungen der
Schöpfung bezogen {8.1) und einer subtileren Analyse menschlicher
Haltungen dienstbar gemacht werden. Das ganze Lehrstück trägt
aber viele Spuren einer recht gekünstelten Komposition 34 und
such einer Wiederherstellung des Textes der jüdischen beiden Wege" bei HARNACK, Die Apostellehre 57-65. - Zur christlichen Traditionsgeschichte vgl.
das Stemma bei SUGGS, The Christian Two Ways Tradition 62.
31) S. o. Kap. III.5.2, Anm. 43.
32) FUNK/BIHLMEYER, Die Apostolischen Väter 31-33; WINDISCH, Der Barnabasbrief
396-405. Es ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob Barn von Did direkt
abhängig ist, oder ob eine gemeinsame Duae~Viae Version frühjÜdischer/christlicher Art vorlag.
33) WHITTAKER, Der Hirt des Hermas 31-36; DIBELIUS, Der Hirt des Hermas 520-528.
3.4) Die Zwei-Engel-Lehre hat eine Rahmung für "etwas ganz anderes" (DIBELIUS,
Ebd. 520); die Zwiespältigkeit des ~6ßoc ist schlecht durchgeführt; verschiedene Lasterkataloge sind verarbeitet, u. a.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI. 2. 1. 3
569
hält den Vergleich mit dem in einem einheitlichen Wurf gebauten
TAsch nur schlecht aus.
Zu diesen paränetischen Texten, die durch ihre weisheitliehen
Evidenzen die gruppenspezifischen Unterschiede Überwinden, gehört auch die christliche Weisheitlehre des Jakobusbriefes,
der von Anfang bis Schluss aus Paränesen besteht, deren Materialien - bei vielen Aehnlichkeiten mit Past Herrn und lKlern "grossenteils auf der alttestamentlich-jüdischen und ev. Tradition" stammen, "doch finden sich auch 'Parallelen' in der Ethik
der Stoa und schliesslich Überall, wo ethische Spruchüberlieferung
vorhanden ist" 35 . Obwohl das "Rätsel des Jakobusbriefes" nicht
durch eine traditionskritische Herauslösung einer rein jüdischen
Grundschrift aus dem 1. Jhd. v.
(MASSEBIAU, SPITTA) oder eines
hellenistisch-jüdischen Patriarchen-Pseudepigraphons ähnlich
wie die Test XIIPatr aus dem 1. Jhd.n. (MEYER) gelöst werden
36
kann , ist nicht zu bezweifeln, dass Jak aus dem breiten Strom
mündlicher und schriftlicher Paränese des Judenturns stammt, in
deren Weisheit der eigentliche religionsgeschichtliche Zusammenhang gesehen werden rnuss 37 Die gerade neuerdings wieder betonte
Nähe des Jakobusbriefes zur Ethik Jesu, wie sie bei den Synoptikern anzutreffen ist, ist deshalb nichts Ausserordentliches.
In diesen Bereich weisheitlieber Einsichtigkeit gehören auch
Textstücke paränetischer und lehrhafter Art, die Über das neutestamentliche Schriftturn und die Apostolisch·en Väter zerstreut
sind und hier nur aufgezählt werden können. Es sind dies vor
allem :
35) MUSSNER, Der Jakobusbrief 23; Vergleiche mit lKlem und PastHerm, Ebd. 35-38;
mit der jesuanischen Ethik 47-52.
36) MASSEBIEAU, L'Epitre de Jacques (1895) 1 bes. 270-283; SPITTA, Der Brief des
Jakobus (1896), bes. 1-13; MEYER, Das Rätsel des Jacobusbriefes (1930), bes.
181-194.298-305.
37) HALSON, The Epistle of James: "Christian Wisdom" ? 308-314; KIRK, The Meaning
of Wisdom in James 38, und LUCK, Der Jakobusbrief, bes. 179ff., haben dies
in neuerer Zeit wieder besonders herausgearbeitet (vgl. auch die Kritik in
MUSSNER's Anhang IV: "Gesetz und Weisheit im Jakobusbrief", in: Der Jakobusbrief 247-250) . HALSON macht dabei (314) den gewagten, aber interessanten
Ve~such, im Jakobusbrief einen literarischen, katechetischen Niederschlag
der alten Weisheitschristologie (s. Kap. 2.1.1) zu sehen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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570
Kap.. VI. 2. l. 3
Lehrtexte von der Schöpfungsordnung (vgl. lKlem 15; 32 ,2-7)
38
Tugend- und Lasterkataloge
Haus- und Gemeindetafeln (vgl. Eph 5,22 - 6,9; !Tim 2,8 3,13; IGNATIUS, Polyk 4-5)
Kurzparänesen zu einzelnen Lastern (vgl. lKlem 23,1; 2Klem
11,2; Past Herrn, Mand 2.1 usw. usw.)
Antithetische Listen (vgl. lKlem 3,3)
Seligpreisungen und Fluchsprüche (vgl. Mt 5,2-12 Par)
Logienreihen (vgl. lKlem 13,2; POLYKARP, 2Phil 2,2-3; 2Klem
8, 5)
.
Bildworte (vgl. Past Herrn, Sim 2-4 u.ö.; Jak 3,3-12)
Kettenschlüsse (vgl. 2Petr 1,5-7; Jak 1,14; Past Herrn, Mand
5.2,4)
Die Erforschung dieser paränetischen Miniaturen ist in neuerer
Zeit weit vorangetrieben worden und hat gezeigt, mit welch starken Banden die christliche Ethik zu einer Zeit, wo der Christ
selbstverständlich alles tut, was sich geziemt, in die frühjÜdische Zeit rückverbunden ist, sei dies nun mehr in den hellenistischen (CROUCH) , sei dies mehr in den essenischen (KAMLAH,
WIBBINGS) Bereich. Jesu prophetisch-weisheitliches Auftreten
hat wohl einen Bewusstseinswandel bei seinen Verehren und Nachfolgern bewirkt, wenn es aber um die konkrete Lebensgestaltung
in einer andauernden Welt ging, wurden all jene paränetischen
Traditionen aktiviert und zur lebbaren, kohärenten Tugend- und
Lasterlehre ausgebaut, welche die christliche Fundamentalkatechese als selbstverständliche moralische Basis annehmen konnte
und musste und in welcher schliesslich der Frühjude Jesu auch
aufgewachsen ist.
HARNACK's und SEEBERG's Thesen von der Uebernahme eines frühjüdischen Katechismus in den christlichen "Religionsunterricht"
sind wohl eine Engführung des Problems 39 , weisen aber mit Vehe38) Die vier wichtigsten Arbeiten dazu: VOEGTLE, Die Tugend- und Lasterkataloge
(1936; religions-und formgeschichtlich); WIBBING, Die Tugend- und
Lasterkataloge (1959; bezieht Qumran ein); KAMLAH, Die Form der katalogischen
Paränese (1964; macht den iranischen Einfluss deutlich); CROUCH, The Origin
and Intention (1972; betont die hellenistische Herkunft).
39) HARNACK, Die Apostellehre (1896), 29-34; SEEBERG, Der Katechismus der Urchristenheit (1903). KLEIN, Der älteste christliche Katechismus (1909), baut
die ähnliche These von den jüdischen Materialien wie Ab Par AbRN A.B (s. o.
Kap. III,2), Derek-Eres-Traktate (Ed.: HIGGER, The Treatises), Orchot Chajim
(Ed.: ABRAHAMS, Hebrew"Ethical Wills 31-49) und PseuPhok (s. o. Kap. III.5.2)
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI. 2. 1. 3
571
menz auf die gemeinsamen Traditionen hin, aus welchen Juden und
Christen dieser Frühzeit (und zwar in dieser Reihenfolge) lebten.
Im Rekurs auf die weitere paränetische Basis, welche die Weisen
des Frühjudentums in der langen Auseinandersetzung mit der biblischen Tradition und mit den hellenistischen, besonders stoischen
Lebensweisungen gelegt hatten, konstituierte sich die christliche
Ethik. Das ist ein Prozess, der nicht bedeutsam genug bewertet
werden kann und gerade aus christlicher Perspektive wegen deren
neuen Motivationen und der christologischen Begründung leicht
unterschätzt wird. Der Uebergang vom Ethos der jesuanischen
Wanderprediger zur Ethik der in festgefügten Verhältnissen lebenden "Christianern" ist gerade durch diesen Rekurs recht harmonisch
vonstatten gegangen.
Die jesuanischen Forderungen haben dabei zwar viel an Radikalität verloren - das war unumgänglich, denn Weisheit ist nicht
so schnell
zum Martyrium bereit. Der RÜckbezug auf Jesus
Christus als auf jenen einzigen Menschen, der das Martyrium erlitten und Überlebt hat, bleibt aber ein durchgehendes Charakteristikum der Texte. Er gab den aus vielerlei Weisheit kommenden
Einzeltraditionen durch Rahmung, Einschübe, Begründungen, Abänderungen und Ueberarbeitungen erst jene innere Einheit, die ein
christliches Programm verlangte 40 •
Welche Rolle hatte nun aber der historische Jesus selbst in diesem Prozess inne ? Der Frage ist nicht auszuweichen, denn es ist
methodisch wiederum nicht richtig, den weisheitliehen Texten vom
Frühjudentum ins Christentum zwar zu folgen, dabei aber zu vergessen, dass Jesus und seine Jünger selbst Frühjuden waren. Der
Rekurs auf die frühjüdische Weisheit, von dem wir eben sprachen,
war ja ein Rekurs in einen Bereich, in welchem Jesus selbst
stand und aus dessen weisheitliehen Traditionen er selbst schöpfte. Nach dieser Weisheitlichkeit Jesus selbst zu fragen, soll
unseren Ausblick zum Abschluss bringen.
auf. - Zum heutigen Stand der Frage s. das Vorwort von HAHN im Nachdruck von
SEEBERG's Buch {1966), I-XXXII; auch STRECKER, Strukturen einer ntl. Ethik
120f.
40) Hier hätten sich die drängenden Fragen anzuschliessen: "Kann aer christliche
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI. 2. 2
572
2.2 Jesuanische Weisheit
Christliche Weisheit ist in: ihrer Kontinuität zur frühjüdischen
Weisheit nicht zu verstehen ohne Jesus von Nazaret, denn ohne
ihn hätte die auf·vi:elfachen Ebenen weitergehende Geschichte der
frühjüdischen Weisheit diese eine Wendung -{neben anderen Wendungen), nicht genommen, welche zur christlichen Weisheit'führte.
Die christliche Weishe-itsreflexion, Logientradierung und Paränese I diE! wir in den vorausgehenden Kapiteln 2 .1.1:..3 in grossen
Zügen dargestellt haben,'wiesen beharrlich auf diesen historischen Jesus und nachösterlichen Herrn zurück. Darin geschah die
Transponierung der in Kap. I und III-V behandelten Bereiche frühjüdischen weisheitliehen Bemühens. Aber auch die in Kap. II
herausgestellten Methoden der frühjüdischen Exegeten, Historiker,
Poeten und Romanciers finden sich transpon.iert in der haggadi-
-·
sehen Deutung der Gestalt Jesus wieder :
Zu ihm als Kind pilgern die ~~yo~ &nö &va•o~v
{Mt 2,1-12), deren chaldäische Kunst in der richtigen
Deutung des Sterns zu ihrem Ziel und ihrem Endel kommt
{vgl. Kap. II.l).
Er ist "mehr als Salomo", da er jene_ Weisheit übertrifft,
die zu hören "die Königin des Südens" ~x •wv m:p6.•wv •rk
Yn~
{QMt 12,42 Par) herbeieilte {vgl. Kap. II.2).
Glaube nicht auch heute dem Menschen mit Erfahrungen und Wahrheiten an die
Hand gehen, 'die Evidenz haben ?'" (VON RAD, Christliche Weisheit ? 153). "Warum sollte eine christliche Gemeinde, die weiss, 'dass es soweit ist' <Anspielung auf Brecht, An die Nachgeborehen>,-die Gott als Schöpfer, Erlöser
und Erhalter kennt, der Welt den Dienst nicht tun wollen, den sie ihr leisten
kann: Zu erkennen, was' Weisheit. ist, und zu 'zeigen, wie man weise lebt."
(MERKEL, Die Predigt weisheitlicher Texte. 212) ? Weisheitliehe Einsichten
noch im 20. Jhd. mich Christus den 'Tod·der "al-lgemeinen währheiten" sterben
zu lassen (vgl. BULTMArN, Allgemeine Wahrheite~, 244-254; Echte und säkularisierte Verkündigung 699-706) is·t ein systemati-sch überzogenes Postulat und
macht theologisches ~eden und_Predigen in einer _stets weiter andauernden und
zu bewältigenden Welt zur ehdzeitli,chen G'l'ossolalie, die sowohl den christlichen Hörer der Wortes überschätzt (vgl. . PREUSS, Erwägungen zum theologischen Ort atl. we'isheitsliteratur 393-417); ·wie auch dem Ursprung christli- ·
eher Weisheit nicht gerecht wird; -(vgl. AUKRUST, Hvill<~n- plass .og betydning
har sakalte "almeene sannheter" '21-33; WESTERMANN, Die Weisheit und Jesus
Christus 47f.). Heutige christliche Ethik, die etwas zu konkreten Problemen
sagen will, muss den Rekurs auf die Evidenzen heutiger Humanität machen.
----
1) Vgl. das hymnische Lied ~;,-dlP ~v oß~av~ ~A.a1.1\ilev bei IGNATIUS, Eph 19, 2f. ,
mit ein!gen Anklängen an Weish 7,29-8,1. Als erste Folge dieses Aufscheinens
des endgültigen +<ichtes wird. die A'\].flösung von n&cm 1.1C1Ye:.Ca genannt.
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I····
Kap. VI.2.2
573
Schon als kaum mündiger Jude übertrifft er in der
Disputation die frühjüdischen 6~6aoxaAo~,
in denen
die frühjüdische Taraweisheit (Ev IEPQ) und das Prestige
der nationalen Wissenschaft ("in Jerusalem") symbolisiert
erscheint (vgl. Kap. II.3).
Die frühchristlichen Autoren haben in einer beeindruckenden
literarischen Leistung alle weisheitliehen Motive, Gestalten
und Traditionen auf ihren Herrn und Meister zentriert. Es ist
anzunehmen, dass dies nicht ausschliesslich nachträgliches redaktionelles Spiel apologetischer Art ist, wenngleich man methodisch unmöglich auf allen Ebenen Wege zurück zum historischen
Jesus finden kann. In einigen Texten ist die Anwendung apologetisch-propagandistischer Mittel (Jesus-Haggada) , bei anderen ist
die gemeindetheologische und christologische Zielsetzung (Paulus;
Hymnik) deutlich. Da. muss man bei der christlichen Weisheit
verbleiben. Auf dem Gebiet der synoptischen Weisheitschristologie
und den A6yo~ ao~@v hat aber die moderne Exegese die methodische
RÜckfrage nach der jesuanischen Weisheit gestellt und ist m.E.
zu einigen deutlichen und guten Resultaten gekommen. Die vielfachen Fragen, die sich dabei ergeben, lassen sich zu zwei
sachlichen Themen gruppieren
a) Jesus als frühjüdischer Weisheitslehrer
Ist es möglich, auch mit dem weisheitliehen Logiengut
die methodisch gÜltige RÜckfrage nach Jesus zu stellen ?
Wie verhält sich weisheitliebes und prophetisches Sprechen
Jesu zueinander ? Wie situiert sich dann Jesus im "weisheitlichen Milieu" des Frühjudentums ? T(s;;
ao~(a
6o8ELoa •oo•~ (Mk 6,2b);
n
n
b) Jesus als die endgültige Weisheitsgestalt :
Hat Jesus sich selbst als einen alle anderen Weisen
Überbietenden Weisen verstanden ? Sah er in seiner
privilegierten Kenntnis des Vaters (vgl. QMt 11,27 Par)
die Ueberbietung und Aufhebung aller anderen Formen
von Einsicht und Weisheit ? Hat er sich selbst in Verbindung mit der Prophetengeschickvorstellung als endgültige Weisheitsgestalt interpretiert ? Bildet vielleicht
ein solches sophiologisches Selbstverständnis Jesu den
letzten Grund für die weisheitlieh/prophetische Doppelung
in Wort und Werk Jesu ?
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2.2.1, Ziff. a
574
2.2.1 Jesus als frühjüdischer Weisheitslehrer
Den Vergleich Jesu mit einem "einsichtigen Philosophen" hat
schon das koptEvThom (NHC II, 2) , .Legion 13 (in Abwandlung der
Szene von Caesarea Philippi) gemacht
2
Es hat aber diese legi-
time Antwort des Matthäus zwischen den Vergleich Jesus mit einem "gerechten Engel" (durch Sirnon Petrus) und der Darstellung
des "Lebendigen Jesus"
(II.2,10) als des Offenbarers unaussprechlicher Geheimnisse ("drei Worte" an Themas) situiert 3 • Jesus
einen Philosophen zu nennen ist danach nicht einfach falsch, aber
diese Bezeichnung ist nicht erschöpfend und muss in Relation zu
anderen Dimensionen seines Sprechens und Wirkens gesehen werden.
Auf ähnliche Weise treffen die Bezeichnungen "Rabbi" und "Lehrer"
etwas Richtiges 4 , müssen aber mit anderen Namen und Titeln zusammengenommen werden. Jesus als Weisheitslehrer zu sehen, entspricht gewissen Sachverhalten der Tradition über Jesus, die
nicht vernachlässigt werden dürfen, jedoch auch keine Verdrängung
des prophetischen, eschatologisch-apokalyptischen Elementes anvisieren sollen.
a) Die jesuanische Gruppe als Lehr- und Lerngemeinschaft
Das Gesamtphänomen der "Jesusbewegung" weist viele Einzelzüge
auf, welche die Bezeichnung "Lehr- und Lerngemeinschaft" erlauben : Jesus sammelt "Schüler" um sich, die seiner "Lehre"
(öLöaxn> aufnehmen, seine exemplarische Lebensweise mitmachen
("nachfolgen") und schliesslich selbst zu "Lehrenden" werden.
Jesus disputiert mit der vitalsten Gruppe des gelehrten Früh-
2) Vgl. Evangelium der Wahrheit 19,10-27: "Wie einer, über den einige unwissend
sind, wünscht, dass sie ihn kennenlernen und ihri lieben, so .•. wurde er zum
ruhigen und Musse habenden Lehrer. Er kam in die Mitte der Schulen, er sprach
das Wort, indem er ein Lehrer war. Es kamen die in ihrem Herzen allein Weisen,
indem sie ihn auf die Probe stellten. Er aber überführte sie, dass sie töricht sind. Sie hassten ihn, weil sie wahrhaftig nicht klug waren" (KRAUSE,
Koptische Quellen 69). Vgl. NORMANN, Christos Didaskalos 66.
3) Zur Deutung und für Parallelen vgl. MENARD, L'Evangile selon Themas 98f.
4) Zusammengestellt und diskutiert bei NORMANN, Christos Didaskalos l-66; vgl.
GLOMBITZA, Die Titel ÖLÖacrxaAO~ und ~nLa<a<n~ 275-278 (fÜr Lk); BULTMANN,
Jesus 43-46: Es ist "nicht erlaubt, Jesu Bezeichnung als Rabbi zu ignorieren.
Er wird durch diesen Titel gleichsam als 'Herr Doktor' angeredet, und das
mutet uns zunächst seltsam an, zumal wenn man aus seiner eschatologischen Botschaft den Eindruck des Propheten gewonnen hat" (43).
·
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI.2.2.1, Ziff. a
judentums Über die wahre Auslegung des Gotteswillens anhand der
Tora; er spricht machtvoll und weisheitsvoll zu den Volksmassen
Über die wahre Meinung Gottes mit den Menschen und die wahre
Haltung des Menschen Gott und dem Mitmenschen gegenüber; er
unterrichtet seinen engeren Jüngerkreis xa•' tB(av
über den
tieferen Sinn und weiteren Zusammenhang seiner Worte. Die Belehrung läuft so auf den verschiedenen Ebenen der wissenschaftlichen Argumentation, der kerygmatischen Lehre und Paränese und
des vertraulich-arkanen Gesprächs. Sie ist den jeweiligen HÖrern
angepasst und variiert entsprechend auch die konkreten Inhalte 5 •
Die Lebensweise Jesu als Wanderprediger erinnert mehr an die
kynisch-stoischen Weisen als an die aus frühjüdischer Zeit bekannten Propheten und Messiasse 6 • Sie ist bezeichnend für jene
äusserst enge und konsequente Verbindung von ethischer Theorie
und Praxis., wie sie uns in Arrians Aufzeichnungen von Epiktets
Leben und Lehre aufs Beste vorgeführt ist.
In der Organisation des gemeinschaftlichen Wanderlebens, in den
Aktionen des Meisters und der Jünger und in deren Selbstverständnis macht vieles durchaus den Eindruck, dass wir es bei
der Jesusbewegung mit einer weiteren a~peoL~ zu tun haben, die
sich auf eigene Weise ins weisheitliehe Milieu des Frühjudentums·einfügt. Diese Indizien sind textlichen Details entnommen,
die keine kerygmatische "Aufladung" aufweisen und dadurch mit
den konstruktiven und analytischen RÜckschlussverfahren der von
THEISSEN entwickelten Methode der "soziologischen Aqswertung
religiöser Ueberlieferungen" 7 erfasst werden können. In der Abgrenzung gegen die Weisheitsgemeinden der Pharisäer und Essener/
Qumranleute (=vergleichendes RÜckschlussverfahren) , den beiden
5) Die Reduktion der dogmatisch-ethischen Mitteilungskomponente dieser Texte
auf den blassen kerygmatischen Apell (BULTMANN, Allgemeine Wahrheiten l68ff.,
vgl. Theologie 19-21) ist auch aus dieser Perspektive nicht erlaubt. Vgl.
auch NEUHAEUSLER, Anspruch und Antwort Gottes 11: "Jesu Wort ist immer Anrede,
•.. weil allgemeine Wahrheiten Anredecharakter gewinnen, wenn sie sich im Geheimnis der Person Jesu auslegen."
6) Zusammengestellt bei DEXINGER, Ein "Messianisches Szenarium", bes. 258-266;
vgl. LUDIN-JANSIN, Existait-il a l'epoque hellenistique des predicateurs
itinerants juifs, bes. 251; KRETSCHMAR, Ein Beitrag, bes. 35f.
7) Die soziologische Auswertung 284-299; vgl. Soziologie der Jesusbewegung 11.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI.2.2.1, Ziff. b
wichtigsten fassbaren Erneuerungsbewegungen des Frühjudentums
{s.o. Kap. Ll-3), zeigt sich dann die jesuanische Gruppe zwar
gegenüber den Pharisäern: als deutlich apokalyptisch geprägt,
jedoch ohne jene restriktiven Züge, die den esoterischen Zirkel
der Qumranleute kennzeichnen. Die Gruppe ist radikal auf Veränderung aus und dokumentiert dies in der Lebensform des Wanderradikalismus, sie w-ird dadurch aber nicht zum volksfremden
Körper einer monastischen Elite oder zu einer zelotischen Partei, sondern vermag sich auch einem weiteren Kreis mehr oder
weniger verständlich zu machen. Die Jesuaner scharen sich zwar,
wie dies für die Apokalyptiker charakteristisch ist, um ihre
Offen:barergestalt, sie behalten aber - über dessen Tod hinaus einen erstaunlich offenen Kontakt mit verschiedenen Schichten
des jüdischen Volkes und sprengen dann auch mit unheimlicher
Schnelligkeit die vorgegebenen religiösen, gesellschaftlichen
und politischen Gegebenheiten.
In der Konstitution der Jesusbewegung liegt ein Element der
Offenheit, ein Zug zur Sachlichkeit, ja ein Ethos der Verständlichkeit, die Jesus und seiner Gruppe im bewegten Geistesleben
des Frühjudentums ein eigenes Profil zu geben vermögen, und zwar
ein Profil von apokalyptisch-prophetischer Vehemenz
u n d
geschichtlicher Dauer. Dieses Element möchte ich im weisheitliehen Grundzug der Jesusbewegung begründet sehen : Es kommt aus
·der originellen und spannungsvollen Verbindung, welche Weisheit
und Apokalyptik bei Jesus eingingen 8 • Dies lässt sich am besten
in der Verwendung weisheitlieber Traditionen, also an einem
sprachlichen Phänomen der Jesusbewegung aufzeigen.
b) Präsenz und Bedeutung der synoptischen Weisheitslogien
Die etwas erstaunte Feststellung eines Alttestamentlers : "Es
wimmelt in der Predigt J_esu von Vernunftschlüssen und Erfahrungs8) In unserem Jhd. hat WINDISCH, Der Sinn der Bergpredigt (1929), bes. 6-21,
diese Verbindung gegen eine paneschatologisierende Tendenz (WEISS, SCHWEITZER,
BULTMANN) mit der Formulierung "geläuterte und radikalisierte Weisheitslehre
und prophetisch-eschatologische Heils- und Gerichtsverkündigung" (20) _aufgebracht. Die gerade in den Zwanzigerjahren aufkommende Revalorisierung der
theologischen Dimension der Weisheit (s. Einleitung, Anm. 11) kam dadurch
auch in der ntl. Wissenschaft zur Geltung.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2.2.1, Ziff. Q
577
sätzen" 9 kennzeichnet den Sachverhalt : ,Per Jesus der Synoptiker
braucht in seinen Streitgesprächen viele Argumente, die von
der alltäglichen
Erfahrung.hereinl~uchten
(vgl. Lk 4,23; Mk
2,17b.l9a.2lf. Parr; QMt 3,10; Dubl. 7,19 Par); er belehrt se.ine Jünger und Zuhörer. mit Worten, die von der religiösen Einsicht seines Volkes oder seines Kulturkreises herkommen (vgl.
Lk 16,8b.9; Mk 6,4 Parr; 10,9 Par; QMt 7 ,12a.l3f. Par) oder aus
der Erfahrungsmoral stammen (vgl. nur Mt 6,34a.b; Lk 5,39; Mk
4,21 Par+ QDubl.; 9,50 Par QMt 5,13 Par; QMt 6,27 Par u.v.a.).
Viele Begründungen seiner Mahnworte leiten sich von weisheitliehen Vorstellungen wie Welt als Kosmos, der Schöpferkraft
Gottes, dem Tun-Ergehen/Tat-Folge-Zusammenhang, dem Vergeltungsund Lohngedanke, dem Mass für Mass - Grundsatz her 10•
Weisheitliehe Erfahrungen und Einsichten haben dabei ohne RÜckbezug auf ei.n anderes Argumentationssystem Geltung. Die unmittelbare "Gewissheit, Gottes Willen zu kennen und zu verkünden"
geht in eins mit "der unmittelbaren und unbefangenen Anschauung
des Weisheitslehrers" 11 •.·So kann er "in seinen Weisheitssprüchen •••
in hÖchster Einfachheit unausweichlich Gültiges sagen" 12 :. Eine
Stadt auf einem Berg j<.annnicht verborgen bleiben (Mt 5,14b).
Wer zu Tische liegt ist grösser als der Diener (Lk 22,27). Der
Gesunde. braucht keinen Arzt (Mk 2,17b Parr). Eine Feige kommt
doch nicht von einer Dis.tel (QMt 7, 16b Par) • Wo ein Aas ist, da
finden sich Geier ein (QMt 24,28 Par). So kann er auch Regeln
formulieren, die ihre weisheitliehe Bestimmtheit nur aus der
generationenlangen Erfahrung haben : Wie man tut, so wird einem
wieder getan (vgL Mt 7,2a; Lk 6,37b.c.38a; Mk 4,24f. Parr +
9) VON RAD, Christliche Weisheit ? 153; vgl. schon SMITH, Our Lord's use of common proverbs 441-454. Siehe im Anhang die Liste der 108 Weisheitslogien, die
bei den Synoptikern im Munde Jesu vorkommen. Die im folgenden zitierten
Stellen sind dort in der Reihenfolge Mk-E(igengut); Ht-E; Lk-E; Mk Par(r);
QMt Par zu finden.
10) ZELLER, Die weisheitliehen Mahnsprüche, bes. 160-165.188-189, ist dieser
weishei tlichen Komponente in 2 6 ausgewählten Mahnworten nachgegangen.
11) KAESEMANN, Das Problem 210; vgl. NEUHAEUSLER, Der Appell Jesu 233.: "Es durchdringen sich die verschiedenen Ebenen, Weisheitliche, Prophetisches, Eschatologisches - nicht erst in der Verarbeitung der Jesusbotschaft dur.ch Tradition und Evangelisten, sondern schon bei Jesus selbst."
12) BORNKAMM, Jesus von Nazareth 52.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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578
Kap. VI.2.2.1, Ziff. b
QDubletten). Wie man behandelt werden möchte, so soll mah selbst
die andern behandeln (QMt 7,12a Par). Besonders gern zieht Jesus
Sätze bei, die einen Gegensatz zwischen Anfang und Ende (vgl.
Mt 22,14; Mk 10,31 Par+ QDubl.; QMt 23,12 Par (2x)), zwischen
Aktion und Effekt (vgl. Mk 8,35 Parr + QDubl.; Mk 8,36f. Parr;
10,43f. Par + Dubl.) aufweisen. Diese antithetischen Figuren verschärft er manchmal und anscheinend mit Vorliebe bis zum Paradox 13
Dies tut Jesus in der synoptischen Ueberlieferung nicht, wie
man gelegentlich eine Materialstelle ausbeutet, sondern er
spricht, argumentiert, verkündet und fordert beständig von weisheitliehen Gedanken her, ohne dass er gezwungen ist, diese nochmals zu begründen. Das Alltagsleben, die Naturabläufe, die in
Tradition gereifte Erfahrung, das Gottesverständnis seines Volkes sind für Jesus gültige loci theologici. Der Zeitgenosse
Jesu war nicht genötigt, "nach Voraussetzungen zu suchen, von
denen her Jesu Lehre ihren Sinn bekäme, oder sich an das Konzept von Lehren und Tradition zu erinnern, das er selber schon
mitbringen muss. Denn nirgends wird von einem gewissen 'Standpunkt' aus Über Gott und Welt und Mensch, Vergangenheit und Zukunft geredet" 14 • Das Gras und die Blumen, die Spatzen, die Tauben und Schlangen, die Füchse und die Vögel, der Regen und die
Sonne, der Rost und die Motte, Brot, Stein und Fisch, Distel,
Feigen, Bäume und Früchte, der menschliche Leib usw. usw. haben
als Bildvergleiche einsichtigen Argumentationswert. Das weisheitliehe Bild des vorsorgenden, allgegenwärtigen und allmächtigen Gottes ist stete Evidenz. Das Rechnen mit der Agressivität
des Menschen (vgl. QMt 5,39b-42 Par), mit dem Erfolg der Aufdringlichkeit (QMt 7,7-10 Par; vgl. Lk 11,5-8; 18,1-8a), mit
dem Anspruch auf Lohn für geleistete Arbeit (QMt lO,lOb Par),
mit menschlicher Ueber- und Unterordnung (QMt 10,24.25a Par),
13) DUNSTONE, Ipsissima Verba Christi 62: "Paradox seems to have been a mark of
the teaching of our Lord."; BEARDSLEE, Uses of the Proverb 66: " •.. it is
evident that in the most characteristic Synoptic sayings this wisdom is immensely concentrated and intensified. The primary means of intensification
areparadox and hyperbole." KAESEMANN, Das Problem 209: "Immerhin sind einige
Sprüche so paradox formuliert ... , dass eben das für Echtheit sprechen könnte."
14) BORNKAMM, Jesus von Nazareth 52.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2.2.1,· Ziff. b
579
das alles gibt Jesus Hinweise für ein menschliches Leben, das dem
.Willen Gottes entspricht. "Der Raum des Willens Gottes ist für
ihn die Menschenwelt" 15 .
Die Präsenz weisheitliehen Logiengutes in der jesuanischen VerkÜndigung sei damit genug beschworen. Meine Durchsicht des indikativischen, imperativischen und interrogativen Logienmaterials bei den
Synoptikern hat eine Anzahl von 108 verschiedenen,
im engeren Sinn weisheitliehen Logien ergeben (s. Anhang) 16 •
Bezieht man die Parallelen und Dubletten in die Zählung mit ein,
so ergeben sich 196 Vorkommen von weisheitliehen Logien. VON
RAD's Eindruck (s. Anm. 9) lässt sich statistisch somit klar
belegen. Dabei zeigt sich, dass das Gesamtvorkommen von Logien
folgendermassen ansteigt :
Mk 30 ( 2 E; 28 Parr)
Lk 80 (19 E; 17 aus Mk;
44 aus Q)
Mt 86 (17 E; 23 aus Mk;
46 aus Q)
196 Vorkommen
In dieser Hinsicht werden die Evangelien immer weisheitlicher,
was ja der frühkirchlichen Entwicklung entspricht. Die Verstärkung des weisheitliehen Zuges kommt aber nicht dadurch .zustande, dass die Neuproduktion von Logien stärker würde, sondern vielmehr dadurch, dass verschiedene Vorlagen mit weisheitliehen Materialien zusammengearbeitet wurden. Nach dem Eigengut
der Traditionsgeschichten geordnet bietet sich das_Logienmaterial ja anders dar :
I····
1.
!
15) LUZ, Einige Erwägungen 123; vgl. 127: "Der Mensch, genauer: der bedürftige
Mensch ist das 'Wo' Gottes in der ~velt." Nach dem anschliessenden Diskussions·
protokoll haben F. HAHN und T. HOLTZ darauf hingewiesen, dass "in der Reichsverkündigung Jesu (die at. Tradition vom Handeln Gottes weiterführt)" der Ort
zu sehen sei, "wo die Rede vom gegenwärtigen und zukünftigen Gott, wo Indikativ und Imperativ kongruieren" (135).- Vgl. auch LUCK, Welterfahrung und
Glaube 36-39.
16) Die Zahlen sind hier nicht so exakt gemeint, wie sie aussehen, da bei der
Auflistung viele Unsicherheitsfaktoren mitspielen. Sie entsprechen aber der
Zählung im Anhang und stimmen statistisch. - "Anzahl" bezieht sich auf die
Menge der inhaltlich oder quellenkritisch verschiedenen Logien; "Vorkommen"
schliesst die Parallelen und Dubletten ein.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI. 2. 2 .1, Ziff. b
580
Q
44
Mk
30
( 2 E; 28 Parr)
Lk
19
(+ 17 aus Mk; + 44 aus Q)
Mt
17
(+ 23 aus Mk; + 46 aus Q)
196 Vorkommen
17
Das neu hinzukommende weisheitliehe Logiengut wird immer geringer, je grösser das Gesamtvorkömmen ist. Es geht demnach aus
der statistischen Zählung eine weitere Tendenz in der frühchristlichen· Beschäftigung mit dem jesuanischen Logiengut hervor : Das weisheitliehe Gut steht nicht im Vordergrund der kreativen Tätigkeit der Evangelisten. Es wird zwar gerne Übernommen
aber nur wenig um Eigenes vermehrt. Das Hauptinteresse scheint
zu jener Zeit auf einem anderen, hier nicht zu untersuchenden
Gebiet zu liegen. Das heisst aber auch, dass die Gesamttendenz
der synoptischen Ueberlieferung von Weisheitslogien auf einen
weisheitlieh kreativen Ursprung zurück weist, dessen Einfluss
immer schwächer wird, je mehr man sich von ihm entfernt. Es
ist danach keineswegs so, dass einem prophetisch-apokalyptisch
vehementen, aber weisheitlieh pauveren Anfang immer mehr "lebbare" Weisheit aufgedrängt worden wäre. Die frühen Christen waren ja gar nicht auf eine solche Prozedur der Aufpfropfung
von Weisheit angewiesen, da sie, wie Jak, die Didache und die
Briefliteratur zeigen (s. Kap. 2.1.3), für die Gestaltung ihrer
Lebenslehren ohne Skrupeln auf die nicht-jesuanischen
Materia~
lien frühjüdischer Weisheit zurückgriffen.
Es ist natürlich gewagt, aus den Charakteristiken einer gesamten Logiengruppe weitreichende Folgerungen zu ziehen. Es ist
hier aber nicht möglich, einen detaillierteren methodischen Weg
zu gehen. Die hervorragende Untersuchung von ZELLER hat sich an
den weisheitliehen Mahnworten bei den Synoptikern geduldig bis
zu Jesus zurückgearbeitet und m.E. mit Erfolg die spezielle Art
jesuanisch-weisheitlichen Mahnens aufgezeigt und den Sitz im
Leben jener Logiengruppe im weiteren,
s~pathisierenden
Zuhörer-
17) Die 44 Q-Logien können natürlich nicht mitgez.ählt werden, da sie bei Lk und
Mt (dort 46, weil 2 Dubl.) verrechnet sind.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2.2.1, Ziff. b
581
kreis Jesu bestimmt 18 . Eine ähnliche Arbeit an den indikativischen
Weisheitslogien steht noch aus, doch könnte sich wohl unter der
Hand eines parömielogisch geschulten Exegeten vieles in der
gleichen Richtung bewegen. Die oben aufgezeigte Gesamttendenz
des Logiengutes unterstützt von vorneherein eine solche Hypothese. Die Frage der Authentizität der weisheitliehen Logien sollte
sich jedenfalls vom für sie völlig ungeeigneten Unähnlichkeitskriterium lÖsen, das nur Übrig lässt, was sonst nirgends belegt
ist, und so einen von Zeit und Geschichte abgehobenen genialen
Offenbarungsmoment, aber keinen in einer bestimmten historischen
und kulturellen Situation stehenden Menschen beschreiben kann.
Sobald man die neue Funktion der Weisheit innerhalb der jesuanischen Ueberlieferung erfasst, ist das weisheitliehe Logiengut
nicht mehr a priori verdächtig.
Diese Frage nach dem Stellenwert der Weisheit. in der j esuanischen
Botschaft ist alt. Ein langer Weg zieht sich von LESSING's
Christus als "erste(m) zuverlässige(m), praktische(n) Lehrer
der Unsterblichkeit" 19 ·bis zur heutigen jesuanischen "Weisheit
im Horizont des Reiches Gottes" (GRUNDMANN, ZELLER) 20 • Den
forschungsgeschichtlichen Wendungen und Windungen zwischen den
Doppelungen : Weisheit oder Prophetie, Erfahrung oder Offenbarung,
Dogma oder Kerygma, Theologie oder Eschatologie (und wie sie
21
alle heissen) kann hier nicht nachgegangen werden
Man ist mit
Recht von den "Oder"-Doppelungen zu einem integrativen Verständnis
("und, mit, in") gelangt.
Die KÖnigsherrschaft Gottes, und zwar des Gottes des Himmels
und der Erde, der zugleich der Vater seiner Menschenkinder ist,
18) Die weisheitliehen Mahnworte 51-184; vgl. auch BEARDSLEE, The Wisdom Tradition 238f.; WILDER, Eschatology and Ethics, bes. 145-162, und die gattungsund formgeschichtlichen Ueberlegungen bei PERRIN, Wisdom and Apocalyptic 543570. JESKE, The Wisdom Structure of Jesus' Eschatology (Diss. theol. 1969),
war mir nicht zugänglich.
19) Die Erziehung des Menschengeschlechtes, Paragraph 58
(Erstveröffentl. 1777).
20) GRUNDMANN, Weisheit im Horizont; ZELLER, Die weisheitliehen Mahnsprüche, bes.
181-184; Weisheitliehe Ueberlieferung, bes. 10-13.
21) Ein konziser Ueberblick bei ZELLER, Die weisheitliehen Mahnsprüche 166-169;
auch KUECHLER, Die weisheitliehen Logien l03ff.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2.2.l, Ziff. b
582
muss als eigentlicher Grund erkannt werden,. der Jesus sowohl
prophetisch-apokalyptisch wie weisheitlieh sprechen lässt.
"Suchet zuerst das Reich Gottes !" ist sein prophetischer Auftrag, der weisheitliehe Heiterkeit aus sich entlässt : "Das
andere wird euch dazugegeben"
(QMt 6,32 Par). Die Bergpredigt
ist die von der ßaoLAELa ermöglichte Weisheitslehre : In ihrer
Einfachheit, ihrer antithetiscaen Schärfe, ihrer Forderung und
ihrem Zuspruch behält Weisheit das für sie Wesentliche des
22 ,
.. l'1c h en Prasenz
..
.
d er gott
Er f a h rungs b ezugs, d es Le b enss1nns,
Übersteigt sich aber, indem sie ihre Grenzen gewahrt und ihre
inhärente Selbstgefälligkeit überwindet. Jesus zeigt sich ja
nirgends auf der Suche nach "Fixierung von Tatsächlichern" 23 , er
entwickelt nirgendwo eine selbständige Leidenschaft, Welt und
Menschen zu verstehen und macht keine Anstalten, seine Weisheit
an den Mann zu bringen (vgl. Sir 51,13-30). Weisheit bekommt
hier im Horizont des Reiches Gottes ihre.Selbstverständlichkeit
zurück; ja gerade diese Selbstverständlichkeit innerhalb des
eschatologischen Sturm und Drangs, der zur Verschärfung, Umkehr
der Verhältnisse, Bruch der Kontinuität tendiert 24 , ist das Bestürzende an der jesuanischen Weisheit : Gerade in der Ernstnahrne der weisheitliehen Evidenz, dass der Leib mehr ist als
die Kleidung, liegt Jesu Aufforderung zur radikalen Armut der
Wanderexistenz. Weil alle Haare des Hauptes gezählt sind, kann
man seinen Leib zum Martyrium geben. Weil die Sonne über Gute
und BÖse aufgeht, kann man auf die Rache verzichten. Weil der
himmlische Vater gut ist, einzig gut ist, sind die Seligpreisungen der Armen, Hungernden und Weinenden kein zynischer Spott.
So wie kein Spatz vorn Dach fällt ohne Gottes Wissen, so sicher
liegt auch die Geschichte der Welt- und-ihr nahes Ende!- in
seiner Hand.
22} Dass dieser Zug bei den Synoptikern auf Kosten des Apokalyptisch-Eschatologischen gerne etwas verstärkt wurde, hat LUCK, Die Vollkommenheitsforderung,
im Detail aufgewiesen.
23} VON RAD, Weisheit in Israel 153.
24} BEARDSLEE, Literary Criticism 39-41; Uses of the Proverb 66-71, sieht gerade
in dieser Intensivierung das Typische am jesuanischen Gebrauch der Weisheitslogi~n und eine implizite christologische Aussage (vgl. 72}.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2.2.2
583
Weisheit ist bei Jesus so selbstverschärft, dass sie - unter dem
Eindruck der nahen ßaOLAeCa - ihre innerweltliche Genügsamkeit
sprengt und die weisheitliehe Logik in eschatologische Entschiedenheit weiterführt. Die jesuanisch-entschiedene Weisheit unterschied sich gerade darin von der Weisheit der Pharisäer, Apokalyptiker, Essener, Qumranleute und auch von den alexandrinischen
Religionsphilosophen, bei denen die Weisheit letztlich nicht von
ihr selbst her, sondern durch Identifikation, Verbindung und Vermischung mit anderen Grössen (ni1n, li;
nveü~a, A6yo~) aktuell
gemacht wurde. Jesus provozierte die Weisheit in ihrem Eigensten,
wies ihre allseitigen Grenzen in einer zu Ende gehenden Welt auf
und führte sie aus der Selbstgefälligkeit der "Klugen und Weisen"
(QMt 11,25c Par) in die Selbstvergessenheit jener "Kinder", die
in seiner Anerkennung die Weisheit "zu ihrem Recht kommen"
(€5LxaLc&{}n) liessen (QLk 7,35).
Damit kommt die letzte Frage in den Blickpunkt.
2.2.2 Jesus - eine endgültige Weisheitsgestalt ?
Wenn Jesus die weisheitliehen Traditionen seiner Zeit anhand
ihrer eigenen Logik zu eschatologischer Entschiedenheit geführt
hat, ist es dann auch möglich zu sagen, dass diese eschatologische Entschiedenheit sein eigenes "Weise-Sein" bestimmte ?
H a t
Jesus sich selbst als nicht mehr Überbietbare Weisheitsgestalt
verstanden ?
d i e
I s t
er Weisheit in endgültiger Form, nämlich
'Weisheit', die Weisheit
Personne annoncee
e t
G o t t e s
venue" ?25
? "La Sagesse en
Für die Theologen von Q, für Paulus und für die urchristlichen
Hymnendichter ist diese Frage kerygmatisch klar und positiv
entschieden (s. Kap. 2.2.1, a-c). Sie proklamieren : Jesus ist
Träger von Weisheit
u n d
die'Weisheit' selbst; und beides
zusammen deshalb, weil in einer Endgültigkeitsaussage Träger
und Getragenes zusammenfallen müssen.
25) Titel der Arbeit von BONNARD (Sperrung von mir).
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI. 2 . 2. 2
584
Unsere exegetische RÜckfrage ist .notwendigerweise zaghafter !
An eine Methode gehalten, die nach den Prinzipien geisteswissenschaftlicher Logik und zwischenmenschlicher Kommunikabilität
orientiert ist, hat sie mit Argumenten und nicht mit Proklamationen vorzugehen. Sie muss ihren Weg deshalb Über die Q-Traditionen (s. Kap. 2.2.l,a) einschlagen, in welchen die weisheitliehen Interpretamente der Gestalt Jesu in ihrer ursprünglichsten, aus der frühjüdischen Weisheitsreflexion kommenden Form
vorliegen. Es sind zwar nurmehr kärgliche Relikte; was aber Übrigblieb, bezeugt umso deutlicher die Altertümlichkeit des ganzen Vorstellungskreises und lässt die Frage berechtigt sein, ob
Jesus
s e l b s t
sich als endgültige Manifestation von
Weisheit verstanden habe.
Exegetisch ist m.E. eine positive Antwort auf diese letzte
Frage strikt nicht zu erbringen. CHRIST's subtile Untersuchungen enden jedesmal (im Kleindruck) mit "mÖglich, aber nicht beweisbar"26. Es kommt damit gut zum Ausdruck, dass die Texte
den Zusammenschluss von
~'Weisheitslehrer"
und "Weisheit Gottes"
in Jesus zwar nahelegen, unsere exegetischen Methoden (und unsere
Weisheit)
aber Überfordert sind und ein Weiter-Beweisen ver-
bieten. Jesus als'Weisheit' Gottes ist ein Bekenntnis, und einem
Bekenntnis ist es erlaubt, Dinge aus Vertrauen zusammenzuschliessen, die die kritische Analyse immer nur als MÖglichkeit im
asymptotischen Fluchtpunkt ihrer Argumente postulieren kann.
In diese unmöglich mit Argumenten abzuschliessende Perspektive
ordnen sich die folgenden Schlussgedanken ein :
Traditionsgeschichtlich ist die alte Weisheitschristologie in
unseren neutestamentlichen Texten am Aussterben. Man kann deshalb wohl annehmen, dass sie ursprünglich einen viel stärkeren
Anteil an der Interpretation Jesu hatte. Die "judenchristlich' gnostisierenden' Kreise in Palästina", die vermutlich "die
2.6) Jesus Sophia 74.92f.ll7.13l.l48.154; vgl. die in der "Bewei~führung" weitergehenden Versuche von AALEN, Visdomsforestillingen og Jesu kristologiske
selvbevissthet 35-46; MERTENS, L'hymne de Jubilation 19-33; BONNARD, La sagesse en Personne, u. a.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2.2.2
585
Träger der ältesten Sophia-Christologie waren", wurden anscheinend schon früh von der antignostischen Front ins häretische
Abseits getrieben und haben erst in der christlichen Gnosis
27 . Van d a h er 1st
'
b egre1'fl'1c h ,
wieder zum Wort k ommen k onnen
weshalb in den gnostisierenden (z.B. Silv) und vollgnostischen
Schriften eine so enge Verbindung der Sophia mit Christus geschehen konnte.
Die ältesten weisheitliehen Interpretamente Jesu müssen zeitlich
noch
v o r
Q
angesetzt werden, durch deren auswählende
Sammeltätigkeit uns einige Relikte Überkommen sind. Sie liegen
damit traditionsgeschichtlich in grösster Nähe zum historischen
Jesus. Dass dieser sich selbst in Verbindung mit den verbreiteten Prophetengeschicksvorstellungen als letzten Gesandten der
'Weisheit' verstanden hat 28 , ist dabei unter den möglichen weisheitliehen Selbstinterpretationen Jesu vorzugsweise anzunehmen.
Motivgeschichtlich war die personifizierte, hypostasierte oder
mythologisierte Weisheitsgestalt (s. Kap. I) in frühjüdischer
Zeit bei allen Bekenntnisgruppen so stark, dass sie sich als Vermittlerin zwischen göttlichem Wissen und menschlichem Wissensdurst, als Heilsbringerin (in Gesetz und Geheimnis)
und
Schöpfungspotenz bei der theologischen Bewältigung der Fragen
nach Gottes Wesen und Willen und dem Sinn des Lebens und der Geschichte geradezu aufdrängte. Es lag deshalb nahe, dass Jesus
auch diese Gestalt der transzendierenden'Weisheit', von der man
aus Weish 7,27 (vgl. 10,16) wusste, dass sie "in jedem Geschlecnt
in tadellose Seelen Übergeht und so Freunde Gottes und Propheten
zurüstet", kannte und beizog, wenn es um die Explikation seines
Gottesverhältnisses und seiner prophetischen Sendung ging 29 • Als
endgültiger Prophet, der
a 1 1 e
Menschen zu Freunden, ja
27) CHRIST, Jesus Sophia 154. KOESTER, Grundtypen und Kriterien 204-208, zeichnet einen harmonischen Weg, indem er die hymnischen Prädikationen der Epistelliteratur miteinbezieht. Es sollte aber doch deutlich zwischen Q einerseits und Paulus und der Hymnik andererseits unterschieden werden (s. o.
Kap. 2.1.1).
28) Die Rezeption davon bei Q sind Mt 23,34-35.37ff. Par und Mt 11,16-19 Par.
29) Die Rezeption davon bei Q sind Mt ll,25ff. Par und Mt ll,28ff.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
586
Kindern Gottes zu machen hatte# brachte er wohl auch diese Weisheit in ihre endgültige Gestalt. Der souveräne Umgang Jesu mit
dem Gesetz, in welchem eine Entkoppelung der schriftgelehrten
Identifizierung von'Weisheit'und schriftlich fixierter Tora
geschieht, könnte in jenem Selbstbewusstsein seinen Ursprung
haben.
Der Gebrauch weisheitlicher Traditionen durch Jesus ist selbstverständlich und souverän. Durch die Transposition in den neuen
Horizont der ßaoLAECa verleiht er den weisheitliehen Sprüchen
und Mahnworten eine sie ins Letztwichtige weitertreibende Dimension - und zugleich eine ursprünglichere Heiterkeit, weil Begrenzung und Gefährdung der Weisheit durch den Tod des Einzelnen
und das Ende der Geschichte voll miteinbegriffen sind.
(Viel-
leicht liegt hier schon ein Moment der paulinischen "Weisheit
des Gekreuzigten".) Da die ßaoLAECa aber.in Jesu Wirken und
Wort ihre eigene Vorgabe hat, ist in Jesus von Nazaret auch
definitive Weisheit anfangshaft gegeben.
Die Weisheitslehre Jesu ist zwar fragmentarisch, so wie jede
Weisheitslehre (von Abot bis Achikar !) fragmentarisch bleiben
muss. So wie aber auch jeder gute Weisheitslehrer nicht einfach
die Summe seiner Weisheitalegien ist, sondern in einem kohärenten Leben die fragmentarischen Einzelworte zur ganzheitlichen
Gestalt werden lässt, so ist auch der historisch einmalige FrÜhjude, Jesus von Nazaret, die lebendige Systematik seiner Fragmente.
Die Frage nach der eigentlichen Dimension seiner Weisheit ist
deshalb die Frage nach dem Geheimnis seiner Person 30 •
30) Siehe SCHUERMANN, Die Christusoffenbarung 33f.; WESTERMANN, Die Weisheit
und Jesus Christus 47; KOESTER, Grundtypen und Kriterien 206.
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http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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587
Kap. VI.2.2.2, Anhang
ANHANG
Die weisheitliehen Logien Jesu bei den Synoptikern
Mk
Mk-E :
1
Der Sabbat ist für den Menschen,
und nicht der Mensch für den Sabbat.
2,27
2
Jeder wird mit Feuer gesalzen werden.
9,49
Mt
Lk
Mt-E :
3
Eine Stadt auf dem Berg •••
5,14
4
Nicht kannst du ein einziges Haar
weiss oder schwarz machen.
5,36b
5
Euer Wort sei Ja Ja, Nein Nein
Das Uebrige ist von Bösem.
5,37
6
Die Rechte soll nicht wissen,
was die Linke tut.
6,3b
7
Kümmert euch nicht um den morgigen Tag !
6,34a
8
Genug ist dem Tag seine Schlechtigkeit.
9
Richten
gerichtet werden
6,34b
7,2a
10
Gebt das Heilige nicht den Schweinen
7,6
11
Jeder gute Baum bringt gute Früchte,
der schlechte Baum aber bringt schlechte
Früchte.
7117
=12,33a
12
Umsonst habt ihr empfangen,
umsonst sollt ihr geben !
10,8b
13
werdet klug wie die Schlangen
10,16b
14
Kommet alle zu mir ••• !
11,28ff.
15
Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt
gerichtet.
12,37
16
Jede Pflanze, die nicht spriesst,
entwurzelt.
15,13
17
Viele sind gerufen,
wenige aber ausgewählt.
22,14
18
Wer das Schwert nimmt,
kommt durch das Schwert um.
26,52
Lk-E :
19
Arzt, heile dich selbst !
4,23a
20
Keiner trinkt alten Wein •••
5,39
21
Verurteilen
vergeben
6,37b.c
verurteilt werden,
vergeben werden
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Kap. VI.2.2.2, Anhang
(Lk-E :)
Mk
Mt
gegeben werden
Lk
22
Geben
23
Wem wenig gegeben wird,
der hat wenig geliebt.
24
Eines (weniges) ist nötig.
10,42a
25
Nicht aus dem Ueberfluss der Dinge
besteht jemandes Leben.
12,15b
26
Wenn ihr nicht das Geringste könnt,
was künunert ihr euch um das Uebr ige ?
12,26
27
(Un-)wissender Knecht
12,47.48a
28
Viel gegeben
29
Tischregel : Niederer Platz
6,38a
7,47b
Schläge
viel abverlangt.
12,48b
14,8-10
30
Ueber das Einladen zum Gastmahl
14,12-14
31
Die Söhne dieses Aeons sind klüger
als die Söhne des Lichtes •••
16,8b
32
Macht euch Freunde aus dem Mannnon
der Ungerechtigkeit !
16,9
33
Im Kleinen und Grossen zuverlässig,
16,10
im Kleinen und Grossen ungerecht.
. 16,15b
34
Was bei den Menschen hoch ist,
ein Gegenstand des Ekels ist es
vor Gott.
35
Kein Haar eures Hauptes geht verloren.
21,18
36
Wer ist grösser,
der Bediente oder der Diener ?
22,27a
37
Wenn man das am frischen Holz tut,
was geschieht dann wohl am trockenen?
23,31
Mk Par(r)
38
Nicht nötig haben die Gesunden des
Arztes, sondern die Kranken.
2,17a
9,12b
5,3lb
39
Es können doch nicht fasten die
Söhne des Brautgemachs •••
2,19a
9,15a
5,34
40
Ungewalkter Stoff - altes Kleid,
neuer Wein - alte Schläuche.
2,2lf.
9, 16f.
5,36ff.
41
Geht es an, am Sabbat Gutes zu
tun, oder Böses zu tun ?
3,4
42 Geteiltes Königreich (Haus, Satan)
(95)
3,23b-26
43
3,27
Eindringen in das Haus des Starken
12,12b
(12,25bf.
12,29
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
6,9
ll,l7b-18a)
11,2lf.
Kap. VI.2.2.2, Anhang
(Mk Par (r) :)
Mk
44
Gehört die Lampe etwa unter den
(66)Schemel ••• ?
4,21
45
Nichts ist verborgen, ausser da(89)mit es offensichtlich werde
4,22
46
Messen
(75)
4,24b
gemessen werden
589
Mt
Lk
(5,15
8,16
11,33)D
(10,26
8,17
12,2) D
(7 ,2b
6,38b)
47
Wer hat, dem wird gegeben •••
(108)
4,25
13,12
(25,29D
8,18
19,26)D
48
Nicht ist ein Prophet ungeehrt,
ausser in seiner Vaterstadt •••
6,4
13,57
4,24
49
Nichts gibt es ausserhalb des
Menschen, das ihn verunreinigen
kann •••
7,15
15,11
50
Es ist nicht schön, das Brot der
Kinder zu nehmen •••
7,27
15,26
51
Wer seine Seele gewinnen will •••
(92)
8,35
16,25
(10,39D
9,24
17,33)D
52
Was nützt es dem Menschen, die
ganze Welt zu gewinnen ••• ?
8,36
16,26
9,25
53
Wergross werden will •••
9,35
D
10,43bf.
(103)
54
Wer nicht gegen uns ist,
ist für uns.
9,40
55
Wenn dich ärgert die Hand (der
Fuss, das Auge) •••
9,43-47
56
Wenn das Salz salzlos wird,
(65)womit werdet ihr es würzen ?
9,48c
20,26bf.
(23,11
22,26)
9,50b
lB,Bf. D
5,29f.
9,50
(5,13
14,34f.)
57
Was Gott verbunden hat,
soll der Mensch nicht trennen
10,9
19,6b
58
Alles ist möglich bei Gott.
10,27b
19,26b
18,27
10,31
(~~:~~D
13,30)
59
Viele erste werden letzte sein
(102)
60
Alles was ihr bittetund verlangt,
glaubt, dass ihr es sicher bekommt •••
11,24
21,22
61
Dem Cäsar gebt, was des Cäsars
ist, und Gott, was Gottes ist
12,17
22,2lb
20,25
62
Nicht ist Gott für die Toten,
sondern für die Lebendigen.
12,27a
22,32b
20,38
63
Wer ausharrt bis zum Ende,
wird gerettet werden.
13,13b
24,13 D
=10,22b
21,19
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
590
Kap. VI.2.2.2, Anhang
(Mk Par (r)
64
:)
Der Gei~t ist willig,
das Fleisch ist schwach.
Mk
Mt
14,38b
26,4lb
Lk
Mt Par Lk
65
Wenn das Salz schal wird,
(56)womit wird es gesalzen werden ?
(9,50)
66
Nicht zündet man eine Lampe an
(44)und stellt sie unter den Schemel.
(4,21
5,13
14,34f.
5,15
11,33
8,16)D
67
~.
wenn dir einer auf die rechte
Wange schlägt •••
B. Wer dich bittet, dem gib ••• !
5, 39bf.
41
42
6,29
68
Liebet eure Feinde , ••
5,44-48
6,27f.32-36
69
A. Sammelt euch nicht Schätze
B. Wo dein Schatz ist,
da ist auch dein Herz.
6,19f.
21
12,33
34
70
A. Die Leuchte des Leibes ist
das Auge.
B, Wenn das Auge einfach ist •••
6,22a
ll,34a
71
Keiner kann zwei Herren dienen.
6,24
16,13
72
Sorget nicht in eurer Seele,
was ihr essen sollt •••
6,25f.
28-32
12, 22ff.
27-31
73
Wer von euch kann durch Sorgen
seine Lebenszeit um eine einzige
Elle verlängern ?
6,27
12,25
74
Richtet nicht, damit ihr nicht
gerichtet werdet !
7,1
75
Messen
(48)
22bf.
- gemessen werden.
30
34b
6,37a
6,38b
(4,24b)
76
Vom Splitter und Balken
7,3-5
77
A. Bittet und es wird euch gegeben,
B.C. suchet, und ihr werdet finden •••
7,7f.9f.ll
78
Goldene Regel (pos.)
7,12a
6,31
79
Enge Pforte
7, l3f.
13,34
80
An ihren Früchten werdet ihr sie
erkennen.
7,16a
=7,20
=12,33b
6,44a
81
Sammelt man etwa von Dornen Trauben
oder von Disteln Feigen ?
7 ,16b
6,44b
82
Nicht kann ein guter Baum böse
Früchte tragen
7,18
6,43
83
Jeder Baum, der keine gute Frucht
bringt, wird ausgehauen •••
b
- beschwerlicher Weg
D
7,19
(=vgl.3,10
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
6,4lf.
ll,9f.llf.l3
vgl.3,9)
591
Kap. VI.2.2.2, Anhang
(Mt Par Lk :)
Mk
Mt
Lk
84
Die Füchse haben ihre Höhlen •••
8,20
9, 58
85
Lass die Toten ihre Toten begraben !
8,22b
9,60
86
Die Ernte ist gross,
der Arbeiter sind wenige.
9,37b
10, 2a
87
Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.
lO,lOb
10,7b
88
Nicht ist der Schüler über dem
Lehrer.
10,24,25a
89
Nichts ist verborgen,
(45)das nicht offenbar wird
6,40
10,26
12,2
8,17)D
(4, 22
90
FÜrchtet nicht, die den Leib
töten, die Seele aber •••
10,28
12,4f.
91
Verkauft man nicht zwei Spatzen
um ein As? •••
10,29f.
12,6-7a
10,39
16,25D
17,33
9,24)D
92
Wer seine Seele findet •••
(51)
(8,35
93
Kinder-Singsang
11,17
94
Keiner kennt den Sohn ausser der
Vater •••
11,27b
10,22b
12,25bf.
ll,l7b-18a
11,23
95
Geteiltes Königreich (Haus, Satan)
(42)
7,32b
(3, 23b-26)
96
Wer nicht mit mir ist,
ist gegen mich •••
12,30
97
Aus der Ueberfülle des Herzens
spricht der Mund.
12,34b
6,45b
98
Der gute Mensch nimmt aus dem guten Schatz Gutes hervor •••
12,35
6,45a
99
Kann ein Blinder einen Blinden
führen ?
15,14
6,39
Die Zeichen der Natur und des
'HO.~~.
16,2f.
12, 54ff .)
Aergernisse kommen notwendigerweise.
18,7
17,1
20,16,
19,30)D
13,30
23,11
22,26
9,48c)
(100
101
102 Viele erste werden letzte sein
(59)
103 Wergross werden will •••
(53)
(10,31
(9,35
D
(10,43bf.
20,26bf.)
104
Jeder, der sich selbst erhöht,
wird erniedrigt
23,12
14,11
18,14bD
105
Das eine soll man tun,
das andere nicht lassen,
23 ,23b
11,42b
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
Kap. VI.2,2.2, Anhang
592
(Mt Par Lk :)
Mk
Mt
Lk
106
Wo das Aas ist,
sammeln sich die Adler,
24,28
17,37b
107
Vom Menschen, der nimmt, was
er nicht (hinter-)1egt hat,
25,24b
19,21b
25,29
13,12°
19,26 D
8,18)
108 Wer hat, dem wird gegeben •••
(47)
(4, 25
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
VERZEICHNISSE
1.
LITERATURVERZEICHNIS
In den Anmerkungen wurden durchwegs Kurztitel verwendet. Die Verkürzung der
Titel wurde dabei elastisch gehandhabt, so dass aus den Angaben der Inhalt
des betreffenden Werkes, Artikels, usw. noch ersichtlich und die Identifizierung anband des folgenden Verzeichnisses eindeutig ist.
Abkürzungen werden im folgenden nur für die bekanntesten Periodika, Lexika
usw. verwendet (meist nach SCHWERTNER, Internationales Abkürzungsverzeich1
nis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin, New York 1974).
1.1 Hauptsächliche Quellen und Uebersetzungen
Die Anordnung läuft nach dem antiken Autor oder nach dem Sachbereich. Die
vollen bibliographischen Angaben finden sich im Verzeichnis 1.2 unter dem
Namen des modernen Herausgebers und/oder Uebersetzers.- Im Text wurden bei
schwierigeren antiken Autoren (bes. den griechischen) beide Angaben gemacht.
Bei den frühjüdischen, rabbinischen und christlichen Texten wurden jedoch
die gängigen Ausgaben und Uebersetzungen ohne jedesmaligen Quellenverweis
zitiert. - Die Bibelausg. und -übers. sind hier nicht nochmals aufgeführt.
1.1.1 FrÜhjÜdisch
ACHIKAR, Ed.+eng1. Uebers. : CONYBEARE/HARRIS/LEWIS, Cambridge 1913; fr.
Uebers.: NAU, Paris 1909. - s. o. Kap. IV.1-4 •.
ALTJUEDISCHES SCHRIFTTUM, dt. Uebers. : RIESSLER, Augsburg 1928.
ALTTESTAMENTLICHE APOKRYPHEN UND PSEUDEPIGRAPHEN, dt. Uebers. : KAUTZSCH,
Leipzig 1900(APAT}; eng1. Uebers. : CHARLES, Oxford 1913 (APOT).
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http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
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ESRAAPOKALYPSE (4Esr), lat., syr., äth., arab. (2x), armen., Ed. (lat.)+dt.
oder lat. Uebers. : VIOLET, Leipzig 1910+1924; Ed. (lat.)+fr. Uebers.
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HENOCH-LITERATUR, aramäisch, Ed.+engl. Uebers. : MILIK, Oxford 1976; griechisch, Ed. : BLACK, Leiden 1970; äthiopisch, dt. Uebers. : BEBR, Tübingen 1900; s1avisch A.B, dt. Uebers. : BONWETSCH, Leipzig 1922.
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JOSEF UND ASENAT, Ed.+fr. Uebers. : PHILONENKO, Leiden 1968.
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KUEM-
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MEL, Gütersloh 1973- (JSHRZ) .
MARTYRIUM DES JESAJA (=AscMosis 1-3,12; 5), griech. Frgte, Ed. : DENIS,
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PSEUDO-MENANDER, Ed.+1at. Uebers. : LAND, Lyon 1862+1868; fr. Uebers.
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GEFFCKEN, Leipzig 1902; Ed.+dt. Uebers.
KURFESS,
PHILO v. Alexandrien, Ed.+engl. Uebers. : COLSON/WHITAKER/MARCUS, Cambridge,
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PSEUDO-PHOKYLIDES, Ed. : YOUNG, Leipzig 1971; Ed.+engl. Uebers.
VAN DER
HORST, Leiden 1978; dt. Uebers. : WALTER, Gütersloh 1979. s.o .•
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Ed.+dt. Uebers. : LOHSE, Darmstadt 1971; dt. Uebers. : MAlER/SCHREINER, München 1973; Ed. : JONGELING/LABUSCHAGNE/VAN DER WOUDE, Leiden
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SAMARITANISCHE LITURGIE, Ed. : HEIDENHEIM, Weimar 1885-1887.
TESTAMENT ABRAHAMS, griechisch, Ed.+engl. Uebers. : STONE, Missaula 1972;
Ed.+fr. Uebers. : DELCOR, Leiden 1973.
TESTAMENTE ABRAHAMS, ISAAKS, JAKOBS, orientalische Versionen, fr. Uebers.
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TESTAMENT LEVIS, aramäisch, Ed. : COWLEY/CHARLES, 19o6/7; MILIK, 1955.
TESTAMENT MOSES, fr. Uebers.
: LAPERROUSAZ, Paris 1970.
TESTAMENT !JOBS, Ed. : BROCK, Leiden 1967; Ed.+engl. Uebers.
soula 1974.
TESTAMENT SALOMOS, Ed.
McCOWN, Leipzig 1922.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
KRAFT, Mis-
595
TESTAMENTE DER XII PATRIARCHEN, Ed.+engl. Uebers. : CHARLES, Oxford 1908,
London 1908, Oxford 1913; Ed. : DE JONGE M., Leiden 1970. s.o.
Kap. V.2.l.l.
1.1.2 Rabbinisch
(PIRQE) ABOT (s. MISCHNA)
1
dt. Uebers.
: MARTI/BEER, Giessen 1927.
ABOT DE RABBI NATAN, Ed.
SCHECHTER, Wien 1887; engl. Uebers. Rez. A :
GOLDIN, New Haven, London 1967; Rez. B : SALDARINI, Leiden 1975.
ALPHABET DES BEN SIRA, Ed. : STEINSCHNEIDER, Berlin 1854.
DEREK
ERE~,
Ed.+engl. Uebers. : HIGGER, New York 1935.
LEGENDEN, jüdische, engl. Uebers. : GINZBERG, Philadelphia 1911-1938
MEKILTA (de Rabbi Jischmael, ad Ex), Ed. : HOROWITZ/RABIN, Frankfurt a.M.
1928-1931; Ed.+engl. Uebers. : LAUTERBACH, Philadelphia 1976; dt.
Uebers. : WINTER, Leipzig 1909.
MIDRASCH RABBA, Ed. : MIRKIN, Tel Aviv 1956-1964 (zum Pentateuch) ; dt. Uebers.
WUENSCHE, Leipzig 1880-1884; engl. Uebers. : FREEDMAN/SIMON, London
1939.
MIDRASCHIM, kleine, Ed. : JELLINEK, Leipzig 1853-1877; dt. Uebers. : WUENSCHE, Leipzig 1907-1910.
MISCHNA, Ed. : ALBECK/JALON, Jerusalem, Tel Aviv 1952-1956; engl. Uebers.
DANBY, Oxford 1933; Ed.+dt. Uebers. : Die Mischna, Giessen 1912-.
PIRQE DE RABBI ELICEZER, Ed. : HOROWITZ, Jerusalem 1972; engl. Uebers. :
FRIEDLANDER, London 1916.
SIFRA (ad Lev), Ed.
WEISS, Wien 1862; dt. Uebers. : WINTER, Breslau 1938.
SIFRE (ad Num), Ed.
1959.
HOROVITZ, Leipzig 1917; dt. Uebers. : KUHN, Stuttgart
SIFRE (ad Dtn), Ed. : FINKELSTEIN/HOROVITZ, Berlin 1939; dt. Uebers. :
LJUNGMAN, Stuttgart 1964- (bis Par. 31); KITTEL, Stuttgart 1923 (Par.
1-54).
TALMUD BABLI, Ed.+dt. Uebers. : GOLDSCHMIDT, Leipzig u.a. 1896-1935; engl.
Uebers. : EPSTEIN, London 1935-1952.
TALMUD JERUSCHALMI, Krotoschiner Ausgabe 1866 (Nachdr. Jerusalem 1969); fr.
Uebers. : SCHWAB, Paris 1871-1890.
TARGUM, Fragmenten-, Ed.
London 1862+1865.
: GINSBURGER, Berlin 1899; engl. Uebers.
ETHERIDGE,
TARGUM JERUSCHALMI I (= Targ Pseud9-Jonatan), Ed. : GINSBURGER, Berlin 1903;
engl. Uebers. : ETHERIDGE, London 1862+1865.
TARGUM NEOFITI I, Ed.+Ueberss.
: DIEZ MACHO, Madrid, Barcelona 1968-1978.
TOSEFTA, Ed. : ZUCKERMANDEL, Jerusalem 1970; teilw. dt. Uebers., Text+
Komm. : RENGSTORF (Ed.), Stuttgart 1952-.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
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Auftrage der Alten Marburger und in Zusammenarbeit mit H. Thyen hrsg.
von E. Dinkler, Tübingen 1964, XI+749 S.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
672
ZEITZ H., Der Aesoproman·und seine Geschichte. Eine Untersuchung im Anschluss
an die neugefundenen Papyri : Aegyptus 16 (1936) 225-256.
ZELLER Dieter, Die weisheitliehen Mahnsprüche bei den Synoptikern (FzB 17),
Würzburg 1977, 224 s.
Weisheitliehe Ueberlieferung in der Predigt Jesu. In : Religiöse GrundErfahrungen. Quellen und Gestalten, hrsg. v. W. Strolz, Freiburg, Basel, Wien 1978, 94ff. (zit. nach Manuskript).
ZELLER Eduard, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, 3 Teile in 6 Bdn, Leipzig.l879-1920.
ZENGER Erich, Die späte Weisheit und das Gesetz. 'rn : MAlER/SCHREINER, Literatur und Religion (s.dort), .Würzburg, Gütersloh 1973, 43-56.
ZER-KAVOD Mordecai, "Riddles" in the Bock of Proverbs (hehr.) : Bet Miqra
64 (1975) 7-11.176f. (engl. Zfsg.).
ZUBER Beat, Vier Studien zu den Ursprüngen Israels. Die Sinaifrage und Probleme der Volks- und Traditionsbildung (Orbis Biblicus et Orientalis 9),
Fribourg (CH), Göttingen 1976, 152 S.
ZUCKERMANDEL Mosche Schmu"el, Tosephta Based on the Erfurt and Vienna Codices
with parallels and variants by Dr. M.s.z., with "Supplement to the
Tosephta" by Rabbi Saul LIEBERMANN, Jerusalem 1970 (New Ed. with additional Notesand Corrections), 66+9+18+692+7 (=Nachtrag zu meiner Tosefta-Ausgabe, Berlin 1899) + LXLIV (=Supplement enthaltend Uebersicht,
Register und Glossar, 1881).
ZUNTZ Günther, Aristeas Studies I : The Seven Banquets; II : Aristeas on
the Translation of the Torah: JSS 4 (1959) 21-36.109-126 =in: DERS.,
Opuscula Selecta, Manchester 1972, 110-125.126-143.
ZYCHA Josephus, Sancti Aurelii Augustini De utilitate credendi ••.• Contra
Felicem ••• quod fertur, 2 Bde (CSEL 25,6/1+2), Prag, Wien, Leipzig
I : 1891, S. 1-797; II ·: 1892, LXXXVI+ S. 798-997.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
2.
ABKUERZUNGSVERZEICHNIS
Für die biblischen Bücher wurde das Oekumenische Verzeichnis der biblischen
Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien, Stuttgart 1971, benutzt. Für das
frühjüdische Schrifttum (inkl. PHILO), wurde die Liste in den ersten Faszikeln der Reihe: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit (JSHRZ),
für Qumran die Liste von BURCHARD, Bibliographie II, Berlin 1965, und für
die rabbinischen Werke das Verzeichnis der Giessener-Mischna benutzt, jedoch auf eine schreibmaschinengerechtere Form gebracht. Die klassischen römischen und griechischen Autoren sind stets ausgeschrieben, deren Werke so
abgekürzt, dass sie aus sich selbst verständlich sind oder mit Hilfe des
Quellenverzeichnis~es (s. o. 1.1.4) vervollständigt werden können. Dies gilt
auch für die christlichen Autoren und Titel, soweit sie nicht selbstverständlich sind.
Grundlegend für die bibliographischen Angaben war SCHWERTNER's Verzeichnis
(s. o. bei 1), doch wurden der Lesbarkeit und der sofortigen Information zulieb weniger bekannte Abkürzungen möglichst vermieden.
Im folgenden Verzeichnis sind somit nur jene Abkürzungen angeführt und aufgelöst, die für die vorliegende Arbeit speziell gemacht wurden oder eine Besonderheit aufweisen :
Ach
ar(ab)
aram
arm
aes
äth
dem
syr
Cambr.-Ed.
D
E
FAttCom
F = Frgt
frgt.
GOLD.
(Gr: 3>
JuH
L/J
Komp.
NHC
NS
or
Par.
Par(r)
SALD.
Achikar
arabisch
aramäisch
armenisch
VitAes 109f.
äthiopisch
demotisch
syrisch
CONYBEARE/HARRIS/LEWIS, The Story of A~iqar, Cambridge 1913.
Dublette
Eigengut
EDMONDS, The Fragments, Cambridge,Leiden 1957-1961.
Fragment
fragmentarisch
GOLDIN, The Fathers (A), London 1967.
GRELOT, Les proverbes (1961), Nr. des Logions.
HENGEL, Judentum und Hellenismus, Tübingen 1973.
Levi/Juda - Passagen in den Test XIIPatr
Komposition
Nag Hammadi Codex
Neue Serie, Nouvelle serie, New Series
orientalisch
Paragraph
Parallele(n)
SALDARINI, The Fathers (B), Leiden 1975.
(673)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
674
SER
Vers.
v.l.
2. R.
<>
*
T
[ ]
Sünde/Exil/Rückkehr - Passagen in den Test XIIPatr
Version(en)
varia(e) lectio(nes)
2. Reihe
(je nach Kugelkopf)
in den Texten von Kap. V.2 bezeichnet der Asterisk die
von der nächsten Fussnote betroffene Wortfolge.
in Kap. V.2.4 (aramTestLevi) bezeichnet die aramäische
Zeilentrennung.
4QHena l.II,l6 lies 4. Höhle aus Qumran, aramäischer Henoch, Kopie a,
Blatt 1, Kolumne II, Zeile 16.
Verweise auf Kap. oder Anm. der vorliegenden Arbeit sind stets in Funktion
zu·jenem Kap. gemacht, in welchem der Verweis selbst steht. Die römischen
Ziffern der Hauptkapitel I - VI sind somit in den Verweisen nur gesetzt,
wenn ein Verweis über jenes Kap. mit römischer Ziffer hinausgeht, in welchem er selbst steht. Ueber die Kapitelangaben am Kopf der Seite ist das
Auffinden der Verweisstelle dann relativ schnell möglich.
In den Kurztiteln der Anm. wurden alle Zeichen.rund um die Buchstaben
(Längen, Kürzen, Gutturale usw.), die in den Originaltiteln stehen (s.
Lit.-Verz.), weggelassen.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
3,
TABELLENVERZEICHNIS
Tab.
1
Ab 2, 4b-7 Parr • • . . . . . . . • • . . . • • . . . . . . • . . . • • • • • • . . • . • • • • .
187
Tab.
2
AbRN A 19-22 Parr • . . • . . • • • • . . . • . . . • • . . • . . • . . • • • . • • . . • • •
194
Tab.
3
Die Modi in PseuPhok 3-228
266
Tab.
4
Die Themen von PseuPhok in Stichworten ••.••••••.•.••••.
288
Tab.
5
Die Themen von PseuMen in Stichworten •••••.••••••.• ., ...
307
Tab.
6
Die Themen von syrAch 3 Par aramAch 53-59 in Stichworten
322
Tab.
7
Uebersicht über die Zitationsweisen von aramAch •••.••.•
332
Tab.
8
Geographischer und chronologischer Ueberblick über die
Achikartraditionen und -notizen •••••••••••••••••.••.•••
413
Strukturanalyse der Test XIIPatr (nach VON NORDHEIM,
Die Lehre der Alten) • • • . . • . • . • • . . . • . . • . . . . • . • • • • • . . • • • •
428
Ueberblick über die Traditionsgeschichte der Test XII
Patr (nach BECKER)
436
Tab.
9
Tab. 10
470
Tab. 14
.....................................
Literarkritische Analyse von TJud (nach BECl<ER) ........
Literarkritische Analyse von TGad (nach BECKER) ........
Literarkritische Analyse von TBen (nach BECKER) ........
Literarkritische Analyse von TNaf (nach BECKER) ........
Tab. 15
Vereinfachte literarkritische Analyse von TNaf •••..••••
503
Tab. 11
Tab. 12
Tab. 13
(675)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
452
480
501
REGISTER
1,
STELLENREGISTER -(EINE AUSWAHL)
Nicht aufgenommen wurden die Stellen der Tabellen 1-15 (s.S.676), der AufzählungS. 204, Anm.7, der literarkritischen Analysen der Test XIIPatr (Kap.
V.2), des Anhangs zu Kap. VI.2 (synoptische Logien) und der Zusammenfassungen.
Unterstreichungen : Zitation der Stelle, oder : wichtigere Stelle
* = in den Anmerkungen
1.1 BIBLIA HEBRAICA
Genesis
1
1,3-5
1,26f.
1,28
1,31
2,1f.
2,7
2,9b.
2,11 '
2,17
2,24
3,1-7
3,19
. 6,1-4
6,8
87
57
281
500
87
521*
57
522*
75
60
75
447*
75
281
73
445*
489
8,22
10,4f.
17,lff.
26,14
27,41
28,2
30,1
37,4
37,18ff.
510
130*
489
450
476
60
450
476
476
Exodus
21,22f.
134*
61
562
277
298
281
22f.
22,24
23,3
23,8
277
217
280
217
7 - 11
17,1-7
20,1-17
(676)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
25,2
56
Leviticus
15,18
18
18,6-23
19
19,13
19,_15
19,17
19,32
19,33
19,35
20,9-21
22,24
27
217
277
281
217
277
298
280
280
476
217
298f.
218
227
280
217
227
227
677
Numeri
5,9-14
5,27 LXX
20,1-11
23,7
23,8
23,18
400*
562
166
382
166
9,4f.
9,7
10,1.3
10,1-10
Deuteronomium
4,6ff.
8,15 LXX
11,26
15,9
16,19
19,4ff.
20,14
20,19-20
21,18ff.
22
22,6f.
22,13-33,1
23,25
24,14
26,14
27
27,8
27,25
28,37
30,12ff.
30,15
32,4
38
61
520
450*
172
217
476
217
217
281
277
218
227
217
280
280
375
277
56
217
166
562
520
489
Richter
14,12-19
10,14-22
20,3
Jesaja
10 - 28
14,4
29,16
33,18
40,12
41,25
43,7
44,9-20
45,9
57,1-13
66,la
66,19
3,1 - 4,4
3,4
9,22
10,1-9
486
484*
166
450
166
10,12
18,2-6
19,1-13
21,8
23,16
23,18
23,22
26,5
26,20
534
166
506
407
506
506
280
86
543
506
446
421*
130*
146
60
280
382
86
543
47
506
506
520
172
90
90
172
172
2 Samuel
17,23
400*
Ezechiel
1 Könige
2,10
280
12,22f.
16
17
18,2f.
23
24,3
31,9
166
446
166
450
Dodekapropheton
Hos
1-3
446
Am
8,4f.
8,4-6
280
460
Mi
3,2
477*
Obd
Jeremia
144
148
1 Samuel
8,16
9,2
10,12
18,9
24,14
10,6f.
10,13
129
132f.
489
166
141
145
147
128
129
128
128
129
460
486
166
446
166
1,3f.
369
Hab
2,6
166
Psalmen
1
7,16
18,31
19
22,22
25,19
44,llf.
69,14
74,17
75,8
82,6
90,4
95,5
104,24
104,26
l09,8b
l09,18f.
111,10
112
115,4-8
119
119,97-100
128
135,15-18
139,21f.
140,6
141,9
141,5(LXX)
148
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
34
384
489
34
396
476
476
476
506
382
285*
57
506
47
506
400*
400*
53
478
86
34
53
478
86
477
369
369
384
512
678
Ijob
1,1
1,21
5,1ff.
9,20
15,7
15,8
489
461*
382
489
46
90
22,8
28
67
38
39
37
47
36
506
478
280
171
510*
143*
510
143*
19
510
143*
28,1-23
28,25-28
28,25f.
29
31,32
31,40
36,28
37,2
38,1-39,30
38,2-4
40,6-41,26
42,2-7
Sprüche
1 - 9
1,1
·1,6
1,20-33
2,6
2,8f.
2,20
3,18
3,19f.
3,19
3,27f.
4,23a
5,3-6
6,6-8(a-c
LXX)
6,9-11
6,16-19
7 ,5.,-27
168
166
141
166
51
57
67
485
485
57
36
38
47
57
54
280
381
446
281
294
297
312
141
381
446
7,27
8,1-21
8,15
8,18
8,22-31
8,22-26
8,22
8,30
8,31c
8,32-36
9,1-6
9,1
9,5
10-22,16
10,1
10,22
11,1
11,16
11,26
12,4
13,20
13,24
13,27
14,14
14,19
14,20
15,1 LXX
15,15
15,18
15,33a
16,14
17,12
18,23
19,7
19,15a
19,19
20,1
20,13
21,6
22,1
22,4
22,11-12
22,14
22,17-24,22
22,17
22,26f.
369
51
57
460
38
47f.
57
94
36
381
55
57
36
37*
57
39
51
52
57
57
168
166
460
460
446
460
446
383
477*
143*
485
485
477*
468
486
468
53
381
468
143*
460
477
312
468
457
312
460
383
460
143*
369
168
172
369
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
23,13f.
23,20f.
23,29-35
23,39f.
24,17
24,23-34
25 - 29
25,1
25,15b
25,17
26,3
26,27
27,3
27,4
27,7b
27,10c LXX
27 ,20b
28,6
28,18
29,10
30
30,15
30,15b-31
30,25
31,1-9
31,6f.
31,10-31
359
381
383
457
457
141
383
168
168
166
381
384
477
381
384
360
382
383
468
382
383
384
405
520
520
476
477
168
141
381
294
297
168
382
168
478
Hohelied
5,11
57
Kohe1et
1,1
1,8
2,14
3,8
3,11
3,14
5,9 LXX
5,17-19
5,17b
7,1
7,2-4
170
384
405
506
477
509
511
460
315
312
383
383
679
7,14
7,26
8,8
8,15b
9,1
9,9
9,16
9,17
10,8
12,2f.
12,7
12,11
12,13f.
520*
446
514
312
477
446
383
172
384
201
281
172
301
19
409
369
Daniel
1 - 6
1,17
2,18f.
2,22
3,31-5,34
4,24
4,30
65*
85
498*
69*
135*
106
392*
377
4,1
7,11-26
7,12
7,21
35
37
37
c
1-11
12-30
33,11-20
368*
SEPTUAGINTA
Baruch
Inc.
3,15-4,1
3,15-38
3,29f.
170
39f.
37
49f.
562
4,26b
4,27
5,7
6,7
6,37
7,15
7,27
7,30
8,lf.
545*
545*
8,7
Judit
379*
379*
379*
1 Makkabäer
2,32
2,36
2,38
2,42
2,49-70
8,16
8,17ff.
63*
63*
63*
63
426*
450*
121*
2 Makkabäer
121*
426*
426*
Daniel, Zusätze
3,26-45
2 Chronik
37
39
37
39
39* (vJ
557
Ester, Zusätze
2,19-23
6,30
7,1-42
Esra
1.2
3,38
5,5-6,21
11,9
14,5-10
Klagelieder
l,lb
2,10
3,37
545*
9,8
9,10
10,7
10,18
11,4b
12,6
14,10 LXX
14,20-15,10
14,22ff.
15,1-6
15,14-17
16,2
17,1
17,3
19,10
19,16
19,20
20,2
20,5
20,18
22,14(f.)
Jesus Sirach
1,1-10
1,2-8
1,2-6
1,4
1,9
1,9b-10
1,9c
1,10
1,11-20
2,12
2,27a
3,1-16
48f.
37
39
48
38
37
39
94
53
313
521
523*
53
312
22,2lf.
23,16-21
23,16f.
24,1-29
24,1.15
24,3-22
24,3-10
24,3
24,4
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
384
280
192*
383
20
477
312
312
341
360
382
312
315
384
382
383
477
469
509
477
450
478
447*
20
520
522
360
381
281
506
341
382
383
20
53
469
312
383
141
360
382
383
405
383
383
141
38f.
20
20
50f.
36
37
381
680
24,6
24,6b
24,7-10
24,9
24,23-29
24,23
94
39
37
36
48
53
20
39
557
141
446
477
141
141
477
384
384
469
383
383
375f.
25,7-11
25,13-26,27
25,14
26,5-7
26,28
27,24 LXX
27,25
27,26
27,30
30,11
30,17
30,18
31,25-31 LXX~
576
20
32,18
33,10-13
506
33,15
513
520
39,1-11
535
39,3
141
41,2
383
41,12
315
383
41,13
383
520
42,24
37
44-50
52
44,1
20
45,6-26
20
45,18
450
41;i,l6
67*
47,14-17
(Hebr B) 130
141
47,15
49,14
67*
'46
49,16
20
50,1-21
50,25f.
141
50,27a
(Hebr B) 20
171
51,13-30
582
51,13-22
535
51,13-19 LXX 102
51,30cd
(Hebr B) 171
Tobias
169
371
1,3-3,6
367
1,3
371
1,10
371
1,18
365
1,2lf.
365
370
371
372
2,10b
365
370
372
3,6
377*
383
4,3-21
426*
4,5-19
367
4, 7-19 (BA) 367
207*
4,15
229
314
4,15a
377
395
450
4,16
375f.
4,17
382
374*
4,19b
382
366
11,18f.
367
11,19
372
11,20
365
341
12,7
392*
12,9
12,11
341
369
13,2
14,3.:.11
426*
14,15
366
315
14,10a-11a
366
367-370
377f.
14,10c
~
14,11
392*
6,23
7,17-21
7,21
7,22-26
7,27
7,29-8,1
8,2-16
8,8
9,lf.
9,4
1,1
9,9f.
9,10
9,13
9,18
10 - 12.l
16 - 19
10,1-4
10,1
10,16
11,20
13 - 15
14,9f.
14,12
16 - 18
1.3 FRUEHJUEDISCHES
Weisheit (Salomos)
1,1-5
2,23
6 - 9
6,12-16
450
132f.
67
36
585
572
535
141
47
36
67
48
67
37
40
37
52
469
42*
46
134*
585
506
86
543
477
445
134*
491*
281
506
58f.
37
50
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
SCHRIFTTUM
(pal.+ alexandr. )
Abraham-Apokalypse,
slavisch
1- 7(8)
76
120*
Achikar-Texte
Zur Zählung der Kap.
3 und 33 des syrAch
und Parallelen nach
Logieneinheiten (=L)
s.o. S. 320, Anm.5.
Achikar/Aesop
(=aesAch)
L 104
377
681
145
146a
151
155
157a
315
315
341
361
341
345*
349*
341
299
Rez. W
L 1 (JAEKEL
Nr.1)
360
153
11 (JAEKEL
Nr. 14)
341
360
Rez. G (Denis)
13Ba, Z.15ff 341
382
140a, Z.3-5 360
äthiopischer Achikar
L 2b
245*
349
349*
arabischer Achikar
L 43 C
341
360
L 135
392
34,2
378
aramäischer Achikar
(Pap< .Kol>, Zeile)
Inc.
49-52
49,1
49, 2f.
49,7
49,12
50,18
51,46-52
52.I,52
53-59
53,1
169
325
387
373
370*
370*
370*
370*
372
377
325
356
374
387
358*
53,3(f.)
358
359
381
383
53,4
359
381
53,5
359
53,5b-7a
53,6-11.14f. 337
53,7b.8
390
381
53,14-16a
53,16b-54,1 381
54,1
36
46
47*
37
388f.
~
54,4a
381
54,4b
358
54,6
358
381
54,11
358
359f.
54,11b-12a
381
54,12b
358
360
381
55, 1. 2
358
360
382
383
405
56.I,l.3
330
373
56.I,B
330
56.I,9
358*
389
56.I,13
394
56.I,14
330
378
56.I,16
69*
341
361
341
56. II, 1-3
56.II,2 (f.) 315
361
382
390
56.II,7
345*
361
56.II,Bf
315
374*
382
390
382
56.II,10
57.I,11b-12
57.I,l3f.
57 .II,14
57.II,15
58,1
58,2f.
58,6
58, 17b
330
387f.
394
382
382
330
361
390
359
382
armenischer Achikar
L 2
396*
Ba
245*
14b
359
158
341
166
358
360
381
167
315
184b
360
186
396*
189
315
341
361
198
377
395
demotischer Achikar
Pap.Ber1in
P 15658(=II) 335f.
356
II,10
361
Pap.Ber1in
P 23729 (='I)
4f.
6
7
335
377
337
Pap.Kairo ?,
334
12f
335
336
398
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
682
sxrischer Achikar B(C)
1,3-5 (B)
37l
403f.
3
= L 1-95
2a(C_)_ _
4
6b
7-9
8
9
11b
13
16
17 (B)
19(C)
24(C)
25
26f.
26
27-32
28
31
32
33
36
37 (B)
45f.C
48
48b
49
52
53C
55
56
57f.
64a
64b
65
66
67
68
382
395*
382
447*
382
315
358*
375
382
383
383
404
396*
383
447
383
149
394
395
358
359
381
383
383
358
383
360
341
345*
245*
315
341
382
383
361
390
383
359f.
358
360
382
383
405
383
383
383
377*
383
383
405
70
7l
72
73
73a
74
75
76
77
78
79
82
83b
84
88
92
93
94
95
4,2
5,5-9,6
13,1
14,2
15,1
16,3
20,1-21,2
30,6-11
30,12
30,22.:..28
30,22
30,29
32,9
32,10
383
383
341
384
315
360
315
383
384
314
487*
384
447*
.396*
312
315
384
315
384
405
384
405
447*
447*
391
384
384
342
391
397
334
377
391
397
377
406
377
149*
150
342
150
409
409
397
391
397
33 = L 96-142
373
97
378
98
342
342
99
384
100
106
342
110 (C)
395
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
111
113C
114
118
122/23=
126
128
129 (C)
134
137
138 (C)
342
329
391
342
342
405
342
342
395*
393
40lf.
~
378
392
135
34,1f
392
34,2
397
378
Anti itates Bib1icae
445*
3,1
134*
10,1
562
11,15 (A)
33
427
Aristeasabrief
447*
20
136
128-171
133*
139
137
508*
155-157
43
187-294
460
186
152ff.
187-294
204f.
460
207
224
253f.
312-317
207*
450
468
137
Aristobu1os
F 2, Ein1
F 3,1a
F 3,11:)
F 3,6
F 4,5
F 5
F 5,11
126*
126*
126*
126*
126*
36
57
130
131*
683
Artapanos
F 1
F 2,2f.
F 3,3b-4a
F 3,4
F 3,6
F 3,20
F 3,25-29
120*
123
123
-124
-123
136
124
-400*
134*
Baruch-Apoka1ypse,
svrisch
4,8-17
457
--·
14,8-10
76
21,4-26
84
38,1-4
80
48,2-10
83
48,24
80
48,36
77
51,3
80
54,1-4
84
54,13
76
79
59
133*
77,25
135
81,4
69*
Demetrios
F 2,14
F 5,16
F 6
3Esra
3,1-5,6
3,6
3,1-4,63
3,10-12
3,16-23
4,13-40
4,13-32
4,36-40
4Esra
--4,4
4,28-30
5,1-7
5,9b-10
.7 ,3ff.
7 48.92
118*
118*
115*
117
65*
65*
15lf.
--43
457
43
447*
498
521*
521*
83
77
521
521*
8,12
8,52
14,5
80
79
69*
Eupo1emos (Iudaeus)
F 1.2
130*
F 1a
121*
F 1,1
122
-121*
F 2
F 5
115*
Pseudo-Eupo1emos
(Samaritanus)
F 1,3
123
F 1,3b.4
119
-F 1,8
120
-67*
F 1,8.9b
73
F 1,9
117*
120*
F 1,9b
Ezechie1, Traq.
F 2
133*
134*
Pseudo-Hekataios I
F 1.2
115*
F 1,201-204 134*
Pseudo-Hekataios II
F 1
115
115*
120
F 1,154b-157 86
F 1,167
123
F 2
115*
äthiopischer Henoch
65*
1-36
73
170
83
2-5
78
5, 7f.
6-19.
65*
73
6f.
445*
6,1f.
7,1
75
8,1-4
68
9,6
69
10,11f.
32,3-6
37-72
42
42,1f.
42,1a.2a
46,3
48,1
49,1-4
51,3
61,6f.
61,11
69,8-11
72-82
108
75
65*
77
38
39
79
79
79
79
79
79
75
65*
73
108
SOff.
73
80
83
80,1 (f)
72
82,1-3
72
83-90
65*
73
84,3
76
90,6-16
63*
91-105
81*
91-107
65*
91,1-10.18f. 81
91,10
77
78
92,1
93,10
93,11-14
94,1-·5
94,5
98,3
101,8
104,1ff.
104,10-13
104,10
105,1
106f.
l06,4ff.
106,19
69'1'
72
246*
78
84
82f.
77
70
69*
72
69*
75
69*
109
120
68
72
aramäischer Henoch
s. unter Qumran
griechischer Henoch
2,1-5,3
511
5,4
.512
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
684
slavischer Henoch A(B)
2,1-4(B)
81
24-30
87
30,8
36
76
30,12
79
30,15
521
42,10b
521
33,3b-4a
76
218
42,6-14
491
42,10b
521
55-77
427
58,1-3
87
58,4-60,3
87
61,1
207
Himmelfahrt Moses
1,13
57
10,3-7
83
Josef und Asenat
6
133*
Flavius Josephus
Antiquitates Judaicae
1,18-26
138
1,154-168
115
120*
1,167
121
1,168
121
1,239-241
115
2,349
118*
2,280
134*
3,270-273
400
8,42-44
133f.
8,146
146
8,148
146
8,165-175
145f.
11,33-63
151
13,311-313
109
15,371-379
109
17,345-348
109
18,11
64*
91*
18,18-22
64*
91*
18 ,63f.
565
18,167
125*
Contra Apionem
l,Ul
146
1,U4f.
146
1,120
146
1,164f.
126*
1,183b205a.
115*
(213b214a)
1,218
115*
1,230-250
233
2,152f.
119*
2,154-156
138
228
2,168
138
2,190-219
139*
209
210-222
281-283
300
314
2,193ff.
221*
2,201
447*
2,203
278*
2,204
392*
2,206
314
2,223
138
223
2, 276-278
Bellum Iudaicum
l, 78ff.
109
2,111-113
109
2,119-161
64*
91*
2,141
91*
2,159
109
2,160
64*
5,566
509*
Vita 288
484*
Jubiläenbuch
2f.
4,15b
4,17-23
4,17
4,22
6,4
6,8
7
7,20
10,1-11
lO,l2ff.
1lff.
37*
136*
136*
136*
445*
510
506*
426
217*
82
75
86
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
11,26
12,15ff.
20-22
21,10
35,1-27
36,1-18
47,9
543
228*
120*
426*
170
426*
426*
122*
Kleedemos Malchas
F l
117*
F 1,240
136*
Leben Adams und Evas
3,9f
446
3,18
446
3,35
446
426*
30
4Makkabäer
1,15-19
1,26
2, l5ff.
2,21
3,3
17
58
460
468
520*
468
478
Martyrium Jesajas
4,12
423*
4,14
423*
4,18b
423*
6-11
423*
Pseudo-Menander
l-68b
309
l-3a
310*
l
316
2
217
2a
314
3
316
4
312
6
316
7
447*
9
312
457
lla
312
314
13a
313
15
315
315*
685
18a
b
20
24-28
24
30
36
38b
40
43
49
50
52b
55
60
61
65
66
68
68c
69-95
69
71
78
84
87a
92-96
96
96a
368*
382
447*
312
315
384
315
315
306
316
306
315
315
207*
306
313
315
313
306
316
313
312
447*
315
382
312
316
315
306
313
312
306
306
313
315
469
451*
309
306
306
313
Quod Deterius Potiori
insidiari soleat
De Opificio Mundi
54
17f.
114-118
116
117
124
161
36
60
61
36
116
60
60
285*
36
60
De Fuga et Inventions
50
109
195-198
60
36
60
61
Quis rerum divinarum
heres sit
112
7,1-9
7,6
209
139*
222-233
236
281-283
300
314
207*
7-47.48-58.l
60-276 138*
82-84
120*
De Cherubim
49
36
60
60
De Praemiis et Poenis
138
Quaestiones in Genesim
3,16
4,97
228
60
Quaestiones in Exodum
1,23
62*
De Sacrificiis Abelis
et Caini
64
60
De Somniis
2
138
De Specialibus
Legibus
2,1-38
3,52-62
226*
400*
De Virtutibus
62
De Josepho
De Vita Mosis
1,1
124*
1,31
1,64
De Abrahamo
65.169
Quod Deus sit immutabilis
5
60
138*
Legum A1legoriae
Philo v.Alexandrien
Da Plantations
60
Hypothetica
6,2f.
138
48
218
447*
72-76
165
31-48
De Ebrietate
31
1-3
2,49-51
2,49
2, 71-75
2,87
36
60
447*
60
61
61
Quod Omnis Probus
Liber sit
72-91
91*
1,2
2,12-16
2,17-24
2,44
2,292
36
60
138
137
137
138
117*
138
Philo, E iker
F 2
133*
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
686
PseuPhok
Titel,
1
lf.
2
3-7 (8)
8-41
8-10
8
10
14
19
19b
22-30
22
24
262
284
264
246*
277
280
277
279
314
280
283
279
280
299
280
283
291
281
292
279
280
283
279
i8o
26
28
29
35
36=69b
39-41
42'-153
42-47
47
48-50
53f.
54
56
57
59-69
70-75
71-75
71
75
80
83
84f.
88
95b
283
283
283
280
299
299
277
271
460
457*
491
280
284
299
469
291
292
451
218
278
291
291
282
278
291
278
280
282
284
299
98a
99-131
99-121
99f.
102-l04a
103
104
104b
106
107
l08a
108
l09f.
123
124-131
124-128
129f.
129
131
132ff.
137b
139
140
145
147f.
148b
149
153-174
155
162
163
163b
i64-174
175-205
·177-198
179-185
194
199-204
199f.
207-217
285*
298
292
282
284
279*
218
276*
278
185*
284f.
280
281
281
218
245
278
315
291
291
271
291
284
285*
284
283
299
278
278
281
278
281
278
281
300
278
. 283
292
293
294
245
271
300
271
294
292
298
278
282
281
283
300
447
282
292
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
215ff.
218
220ff.
223-227
227
228
229f.
283
282
283
291
245
284
264
Psalmen Salomos
544
5
544
10
16·,8
446*
469
16,10b
79
17,23
17,29
79
79
17,35
79
18,7
512
18,10-14
83
18,10-12
544
Sibyllinische Orakel
285*
2,56ff.
2,70
285
2, 71
285*
2,56-148 (111) 264
285*
3,221-227 . 120*
Testament des OrpheuE
z. 33
421
Testamente der XIIPat
TAscher
1,3-6,6
6,4-6
TBenjamin
3,1;
4,1-5,3;
6,1-6;
8,2f
5,lf
6,1-3
6,7
513-525
528
536f.
567
216
479-486
489
528
538
503
540
527
528
520*
687
9,1
10,6-10
TDan
1,2
2,1-5,1
2,3
5,9b-13
5,12
5,13
6,8-10a
TGad
3,1-5,3-5
3,1
4,1-7
4,1a
4,6f.
5,1
5,3-5
5,10
Tissachar
1,1b
3,1-6
3,3f.
3,5
3,8
4,2-6a
4,4
5,1-3
5,3-6
7,2-6.7
7,3
170
542
171
216*
461-469
528
542
457*
542
542
593*
491*
469-577
171
216*
472-474
459
478
474f.
475f.
200
13,13
14,1-4. 7-8;
16,1-3
14,1ff.
15,4
15,5
17,3b
18,1-3
18,3-5
18,3
19,1
20
24,1
25,3-5
TLevi
3,1-4,1
8,4-10
13,1-9a
13,1
17,1-18,9
171
5'38
487
447*
490
487-491
515
538
446*
491
447*
440*
487
539f.
447*
~
.1,2
3,4
4,3
8,1
171
447*
447*
447*
TJuda
13,1
171
arTLev
84,.89.91-95
85
446*
312
451-458
459
446*
447*
445
446*
527
458-461
543
459
440*
531
541
539*
542
l
542
529*
491-499
526
530
535
490*
542
491-499
526
531
535f.
540
8,7-10
(.h~b..rl.
1,6
TRuben
1,3-10
1,10
3,9
3,10
4,1
207*
4,8ff.
5,1
5,5-7
5,6f.
442
447*
171
446*
446
447*
490*
382
442-447
459
543
509*
212*
97
509*
TSebu1on
• 1,2
171
4,6-6,4
4,6
TSimeon
3,1-3.5-:6
3,4
3,5
4,5
4,7-9
5,2-3
5,3
TNaftali
1-9
499-503
1,5
171
2,2-7
504-506
543
2,6a.b
543
2,6c
522
2,8-9;3,2-5 83
507-513
543
2,8a
543
8,3
539*
8,4.6
540
513-515
530
537
6,3-6.7
447-451
447*
478
450*
490*
448
460
491*
446*
543
549
542
Testament Sa1omos
1-2.22
135*
1,6-12
134
2,9
134
22,10
134
24,2
134
24,3
135*
Theo hilos
F 1
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
130*
688
1.4
QUMRANTEXTE
(nach Fundorten)
1Q
1QGenAp(okryphon)
1-5
65*
109
170
2 ,19ff.
120*
20,16-21
120*
20,16b-30
109
1QpHab(akuk)
1,2
5,12
7,3-5
7,4f.
7,5
7,15
12,4
1QH (odajot)
1
1,26
1,35
2,9
2,13-15
2,13
4,18
6,13.34
9,15b-17
10,2-7
10,8-10
10,11f.
11,12
11,2s
12,8
12,10
12,11b-13
12,12f.
13,13
14,18
14,21
(frgt)
3,7
64
91
98
90
92
92
91
101
90
96*
96*
98
98
111
92
94
101
101
101
101
94
90
97
90
99
92
92
90
90
92
1QM (ilchamah)
92
16,11
92
17,9
18,10
90
2Q
1QS (erek ha-jachad)
1,9-11
477*
2,2-4
100
2,16
397*
3,2
91
3,12-4,26
62*
3,15
90
4,6
91*
4,18
92
4,21b-22
100
4,24
93
5,7
91
5,11
93
5,25-6,1
97
9,12-21a
99
10,24
90
11,5-7
99
11,7
98
3Q
1Q19=Noach
65*
109
170
1Q21=TestLevi ar
(F3)
423
531
1Q22=Dires de Meise
170
1Q23+24
BenGiganten
65*
1Q26=Weisheitsapokryphon
106
1Q27=Mysterien Z.7
94
1Q28a=Sa 1,6 91*
1Q28b=Sb
3,22-24
4,27
92*
90
92*
a.b
1Q71+72=Dan
106*
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
65*
2Q26=? ar
3Q7=TestJud hebr
423
4Q
4QAJa I,a-d
423
4QAJo I
423
4QAJo 2,a-b
423
4QAJU I a-b
423
4QAmram (a-e) 170
423
4QBronto1ogion
109
4QChrono1ogy ?
108
4QDib(re) Ham(eorot)
F3
170
a-c
4QPseuDan ar
106*
4QPseuDan Aa
(=d=4Q246)
106*
4Q"Devin
perse"
a.
1a cour
65*
106
4QF1orilegium
1-3,II
106*
4Q Gebet Nabonids
(OrNab)
65*
106
Z.4
109
i_Q!!_e~
4QHena-e
4QHena
1. I,1
l.II
l.II,12ff.
l.III,15
l.IV,1-5
l.IV,5
65*.73
170
83
510f.
512
75
74
69*
689
l.IV,20
69*
b
4QHen
l.I
l.I,2-8
l. II, 1
l. II, 19f.
l.II,26
l. III, 1-5
l.IV,8-ll
78
445*
B3
75
74
74
4QHenc.g
65*
4QHenc-f
65*
73
4QHenc
l.I
l.VI,9
5.I,20-24
5.I,20f.
5.I,26-30
5.II
5.II,25f.
lOB
B3
510f.
170
B2f.
72
109
109
68
72
170
4QHene
l.XXVI,21
75
l.XXVII,l-11 75
2+3
65*
4QHeng
l.II,l3-21
l.II,l3f
l.II,23
l. IV, 12f
l.V,l5-26
l. V ,24ff.
Bl
7B
246
78
B4
B2f.
40Hen astr
a~tra-d
b
astrd 27
astr l.I,4-6
65*
73
lOB
72
510*
4QHenGiganten
Giga-c
65*
Giga
69*
4Qmess (ianisch<! >) ar
65*
170
1-3
lOB
4-10
100
~~_:>..:..:..:..~
4QStarcky
65*
4QTestBenjamin
423
4QTestKehat 423
4QTestLevia.b.c
423
531
4QTestLevia
B.III,6
73
4QTestNaf
423
d531
4QTob arama.
106
365
3B6
4Q(Weisheitsschrift)
107
4QWorte Michaels
Inc.
170
4QZodiak ar 109
pap4Q"B"
(=4Q 4B5?)
pap4Q"H"
(=4Q 4B7?)
6Q
6Q7 = Dan
106*
6QB
BenGiganten 65*
6Ql7= Kalender
lOB
6Q23= ?ar
170*
106
11Q
106
4Q lBO ... 511
---------
4Q lBO+lBl =
Perioden lOB
4Q 1B4 =
"Wiles of the
Wicked Woman"
102
446
4Q 1B5
95
103-105
4Q lB5 I,l4 96*
4Q 1B6 =
AstrCrypt
65*
91*
97*
lOB
170
4Q 227·=
hebrHen
1.2.3:-4.5-6
73
4Q 260 B =
sb
lOB
4Q 293
4Q 317
AstrCrypt
hebr
91*
lOB
4Q 319-337.
3B4-390
lOB
4Q 4B4 =
TestJud
hebr
423
4Q 502
64*
4Q 510-511
109
lOB
llQMelch
7
lOB
llQPsaXXI,ll-XXII,l
=Sir LXX
102
535
XXII,l
171
llQPsaXVIII = Ps
154// syrii
95
102
544*
5b.6b
39
11QPsaxxvi,9-15
=Creator 100
13f.
94
llQPsaxxvii,2-ll
=Dav Comp
107
10
109
Damaskusschrift
1,9f.
l,lB
2,3.7-10
2,14-21
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
92
64
90
97
690
2,14-20
3,18
4,12-5,11
6,2-11
10,6
13,2
15,lf.
20,4f.
445*
92
64*
95
91*
91*
91*
90
Wüste Juda
8~ev
XII gr
Frgt 4
106*
8~ev
XII gr i.II
106*
Mur 88,x.xi· 106*
2,9
2,10-14
2,10
2,10b
2,11
2,13c
2,14a
3,2
3,10
3 ,.14
4,15
5,1-15
6,11
Berakot
5,1
1.5
RABBINISCHES
SCHRIFTTUM
154
190
521
190f.
191
Jerusalemischer
Talmud
b2l
jRosch ha-schana
1,56d,2l
42*
.1§2
476
477*
192
191
41
457*
55
341*
196
57
180*
'Edujot
1,4
2,5.9
42*
.196.
180*
Abot
1,1-15
1,7
3,4
7,5
9,9
400
4ÖO
56
400
Schabbat
3,6
200
2,2
2,4b-7
-~
2,8-14
2,8
2,8c-f
188
189-193
177
190
218
jSota
7,21d,33
56
jSchesalim
3,47b,22
42*
bBaba Batra
98b
Sota
_,___
1,1
1,5
1,10
1,12-14
1,15
1,16-2,4a
jSanhedrin
1,18a,66f.
63*
Mischna
180-186
188
197
184
447*
199
185
177
177
182
197
521*
177
178
182
J&§.-
195
Babylonischer
Taimud
Chagiga
2,2
Pea
2,6
jChagiga
2,77b,8
bBaba Qamma
30a
92b-93a
92b
bBekorot
8b-9a
bBerakot
16b
32a
58a
61
6la
62b
63a
360
404
171
201
212*
143*
149
406
42*
201
212*
508*
522*
212*
188
201
TChagiga
2,3
195
bChagiga
3b
14b
15b.
15a
TQidduschin
1,11
199*
bChullin
142a ·
219*
56
b'Erubin
13a
2lb
42
135*
Tosefta
TSota
8,6ff ..
TSukka
3,11
95
562
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
521
195
408
520*
bJeb~ot
118b.
201
691
bJoma:
86
bKetubbot
75a
200
201
bMo"ed qatan
25b.26a
57
28b
201
bNidda
38a
63*
bNedarim
39b
62a
55
55
bPesachim
28a
54a
66a
lll-113
ll2a
bQidduschin
39b
73b
bSanhedrin
7a
39b
52a
lOla
l06b
201
55
180
185
202-204
196
219*
232*
201
342
405
212
56
30
408
bSota
35b
56
bSukka
49b
52b
53a
201
201
188
bSchabbat
3la
l2lb
l5lb-l52a
152
l53a
207
313f.
200
200
55
63*
201
142*
192*
bTamid
31b-32
143*
3lb
32a
88b
Targumim
25,1
Ester I I (scheni)
1,3
147
34,1
56
57
523
Numeri Rabba
2,3
2,25
5,8
13,15/16.17
57
56
57
57
Fragmenten-T.
ad Gen l,l
36
48
Jeruschalmi I
ad Lev 19,18 207*
208*
Neofiti I
ad Gen 1,1
36
48
Midraschim
Mekilta Exodus
14,28
521
20,2
56
Sifra Leviticus
19,18
506
Sifre Deuteronomium
11,10 Par.37 55
11,22 Par.48 55
11,26 Par.53 522
22,2 P:ar.343 56
32,8 Par .31L 56
GE!nesis Rabba
1,1
48*
55
1,4
55
5,9
342
405
9,7
521*
11,5
143*
14,4
522*
20,4
143*
38,13
143*
43,6
57
44,15
405
45,7
212*
67,6
143
67,8
212*
Exodus Rabba
33,1
56
Leviticus Rabba
4,4
508*
11,3
57
13,2
56
Deuteronomium Rabba
6,2
219*
Midrasch Psalmen
56,1
212*
103
508*
Midrasch Sprüche
1,1
147
148
Hohelied Rabba
1,4
195
5,11
55
57
Klagelied Rabba
I.l,4-l9
148
I.l,8
149
409
I.l, ll
144
l48f.
Kohelet Rabba
4,6
405
7,19
508*
9,8
192*
Midrasch
itl~ ilD:JiO
9
54
'PIK
Midrasch
Ii'? Ii) I ?Ii)
200*
Midrasch j.JI:J
l
54
Anderes
Abot de R.Natan A
l-13
180-186
7
447
10,1
280
ll
200
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
692
12.26-28
14-17
15
16
19-22
21
23-26
31-40
186-189
ls9-193
469
476*
477*
178
194f.
457
178
195f.
196
Abot de R.Natan B
1-30
177*
1-27
180-186
9
447
15
447
21
199
26
207
27.31.33
.lli_-
-1&2
28-30.31
29
31-35
34
35
36-48
40
45
~-
-193
190*
192
469
177*
487
447
177*
196
487
487
Pirqe de R.E1i"ezer
3
55
1.6
NEU ES TESTAMENT
Mattäus
2,1-12
3,10
5,2-12
5,14b
5,22
5,34f.
5,39b-42
5,40
5,45
6,12
6,14f.
6,24b
6,27
6,32
6,34a.b
7,2a
717-10
7",10
7,12
7,12a
7,12a.13f.
7,13
7,16b
10,10b
10,24.25a
10,37
11,2
11,16-19
11,19c
11,25ff.
11,25c
11,27
11,28ff.
12,35
12,42
13,52
13,54b
15,5
572
577
570
577
469
421*
578
387
389
394
394
394
461
577
582
577
577
578
390
207*
377
395
578
577
521
577
578
578
477*
557
557
557
558
68
557
585
583
99
573
68
557
585
486*
135*
560
572
565
30
389
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
16,16-19
16,19
19,16f.
22,14
23,12
23,27
23,34-35
23,34
23,34a
.23,37ff.
24,28
24,45-51
24,48-51
25,14-30
27,5
585*
395*
486*
578
390
578
396*
585*
556f.
557
585*
577
396-398
391
361
390
395
392
398-401
Markus
2,17b
2,19a
2,21f.
3,27
4,21
4,24f.
6,2b
7,11
8,35
8,36f.
9,50
10,9
10,31
10,43f.
12,28
14,3-9
577
577
577
390
577
577
30
566
573
389
578
578
577
577
578
578
154
391.
Lukas
4,23
5,39
6,36
6,37b.c
6,38a
7,31-35
7,35
10,21f.
11,5-8
577
577
394
577
577
557
583
557
578
693
11,49-5la
12,47
13,6-9
14,12-14
14,36
15,18f.
16,3
l6,8b.9
17 ,26ff.
l8,l-8a
l9,2lf.
22,27
23,50
556f.
397
392
395
477*
394
295
577
509*
578
229
577
484*
395
285*
395
Apostelgeschichte
l,l8f.
1,20
7,49
l5,20.29(D)
l7,24ff.
2,14-16
5,5
5,22-6,9
5,28
393
398-401
400*
421*
207*
208*
229
218
558
461.*
570
396
2,6-ll
558
558
461
2,8-3,13
2,14
3,16
570
446
558
6,loa
460
2Timotheus
2,10f.
4,17
1,3
506
396*
558
Jakobus
1,14
l,l9f.
3,3-12
570
469
570
lKorinther
1,18-25
2,6-16
3,lf.
3,10f.
5,11
lO,l-4
13
13,4-7
558
561
561
561
30
396*
95
561
154
488*
Apollinaris v.Laodicaea
F III
399
Barnabasbrief
18-20
521
568
lTimotheus
Römer
450
469
506
561
SCHRIFTTUM
Augustinus, Contra
Felicem 1,4 398*
Kolosser
Hebräer
1,29
2,8
9,20f.
l0,6ff.
1.7 FRUEHCHRISTLICHES
Philipper
1,15-20
3,5
Johannes
2,3
l0,34f.
13,1
Epheser
lPetrus
1,20
3,18.22
558
558
Protrepticus
3.92,4
391*
7.74,4-5
421*
Stromata
1.2,2
1.66-80
1.69,4
l. 75,1
l. 76,5f.
1.101-147
1.141,3
1.150,4
1.153,4
2.68,3
2.l39f.
2.l39,lf.
5.113,1-2
6.5-72
Constitutiones
Apostolorum
6.16,3
570
391
509*
l-6
1,2
l,3b-2,la
Galater
5,21
Apokalypse
450
5,5
391*
355
345
355*
355*
355*
566*
115*
124*
121*
391
207
229
115*
239*
423*
Didache
2Petrus
1,5-7
2,22
3,6
Clemens v.Alexandrien
521
567
207*
312
567
Diognetbrief
395*
8,7
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
512
'
I
694
Eusebius v.
Caesaraea
Armenische Chronik
125,22
125*
Praeparatio Evangelica
8.5,11-7,20 222
208
8.6,10
8. 7 ,.1-9
208
223
222
8.11,1-18
9.20,1
116*
9.24,1
121*
9.30,1
116*
9.37,1-3
345*
10.4,23
359*
10.6,11
418*
13.12, 5
421*
13.12, 9-11a 57
l
Epiphanius
Panarien
39,6,1
170*
Georgius Cedrenus
Historiarum
Compendium
423*
152C
Georgius Monachus, Chroniken
3,9
567*
Gregor v. Nazianz
Carmen morale
30
255
564*
Hieronymus
Ap. adv.Rufinum
1,17
418*
Comm.in Jes.Proph
12,praef
418*
Ignatius v. Ant.
An die Epheser
19,2f.
572*
An Polykarp
4-5
570
Irenäus, Adv. Haereses
1.20,1
401
Pseudo-Iustin
De Monarchia
2
421*
Cohortatio ad Gentiles
15
421*
Kindheitserzählung
des Themas
6,3; 7,2
40lf.
lKlemensbrief
3,2
4,7
5,2
13,2
15
20
20,8
23,1
32,2-7
36,6
37,1-3
40,1-41,1
450*
450*
450*
570
570
83
450
512
510*
570
570
512*
512*
512*
Visiones
1.1-2
447*
Philippusevangelium
kopt.
564
Polykarp
2.Philipper
2,2-3
2,2
3,2
4,la
4,3
6,1
11,1
11,2b
570
461*
561
461
461*
461*
461*
461*
Silvanus-Lehren
l06,22b-107,16
560
Tertullian
Apol. 15,1
419
Theophilos v.Ant.
Ad Autolycum
3,2
422*
2Klemensbrief
8,5
570
11,2
570
Themasakten
ActThom 6f.
Nilus v.Ankyra
Tract.mon.exerc.
1
567*
Themasevangelium
13
574
90
557
Oden Salomos
33
560
Wahrheit, Evang.der
19,10-27
574*
Origenes
Contra Celsum
8,30
256*
Comm. in St.Matt.
15,3
256*
Pastor Hermae
Mandata
2.1
570
2.27
490
5.2,4·
570
6-8
568
Similitudines
2-4
570
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
560
Protevangelium des
Jakobus
16
400*
695
1.8
GRIECHEN UND ROEMER
(nicht-christlich)
Babrius
Fabeln
2.Pröomiuin
1-5
245
7
Aesop
Vita
101-123
338f.
l02(W)
145
406
105
l09f. s.o.
Achikar /Aesop
112-123
149
506f.
342
Anaximenes (Pseudo-)
Rhetorik an
233*
A1ex. 1
244
Anthologia Graeca
IV ,1
237
IV,2
237
V,l60
238*
XI,65-255
237
Aratos v.Soloi
Phainoumena
1-9
126
Aristoteles
Ethica Nicomachea
9.3,3
211
Rhetorica
l,l3.1373b
353*
Chares
Gnomen
1-51
Ae1ianus
Varia Historia
3,46
229
Fabeln
16.50.59.
93.96.193.
265.
302f. 329.
361. 374.
375
Ausonius
Idyllen 20
244
Athaenaios v.Naukratis
Deipnosophistai
1-15
151
20
Cicero
De Legibus
2,63
De Officiis
1,52
3,54
247f.
272*
232
231
229
230
230
Dion Cocceianus
v.Prusa
Orationes
76,5
231
232
Diphilus
Parasitos
F 62
229f.
Epiktetos
Enchiridion
13
256
Hekataios v.Abdera
Aegyptiaca
8 (=F 6)
62*
124*
F 25
Heraklit
F 13
F 56
391*
142*
Corpus Paroem.
Graec.I,
Nr. 61
230*
Heraklit(Pseudo-)
Epistulae
4.7
287
Deinarchos
Orationes
1,9
416
Herodot
Historiae
1,74
5,57f.
368*
122
Demokrit
F 147
391*
Hesiod
Erga
298-326
295f.
Theogonie
77ff.
353*
Dia Cassius
Historiae Romanae
56.43,3
418*
Diagenes Laertios
Vitae Philosophorum
1,56
229
1,61
241
3,41-43
415*
5,11-16
415*
5,50
346
5,51-64
415*
5,69-74
415*
6,60
341
6,101
416
10,16-21
415*
10,139-152
253
Diogenes(Pseudo-)
Epistulae
28
287
278
142*
Horn er
Odyssee
17,218
211*
Isokrates
Ad Nicoclem
9
61
272*
207*
F
Isokrates(Pseudo-)
Ad Demonicum
13-43
-248ff.
13
272*
16
272
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
696
Jamblichus
Protrepticus
3
251
Timaios
41C
42E
Julianus
Contra Galilaeos
F 224C
250
Plutarch
Conv . sept. sap.
151B-D.l52153E
140*
Juvenalis
Satire
14,102f.
De Iside et Osiride
47
62*
230
Kyrillos v.Al.
Adv.Julianum
7,224
250*
Lukianos
De Peregrini Morte
41
417*
Menandros
Kolax 43
Monostichen
57f.
322
309(*)
346
554
556
567
262
272
314
315*
299
299
232
Pap XV,l
232
Quaestiones Convivales
1-9
151
8.9,1
400*
De tuenda sanitate
praecepta
4-6
457
14
391
Pythagoras(Pseudo-)
Carmen aureum
l-49a
271
1-4
272
49b-71
271
56-60
271
6lf.
271
Seneca
Epistulae
1-52
95,50
Ovid
Ars amatoria
1,93-96
297
Sophokles
Antigone
454-457
454f.
232
(Scholion)
255
Philostratos II
(Flavius)
VitaApollonii
7,35
417
Plato
Leges
VIII,811A
XI,913C
De liberis educandis
7E
217
244
Sallust
De Bello Iugurthino
9,4-11,2
429
Manetho(Pseudo-)
Apotelesmatika
.6,1-227
264
279
Philemon
F 233
218
218
238*
229
Stobaios
Anthologium
2.10,21
3.1,172
3.1,173
3.17,3
3.33,4
253
218
244
231
244
3.38,3
4.2,19
4.2,24
4.26-30
246
228
228
232
217*
Strabon
Geographica
16.1,6
16.2,39
344*
344
Tacitus
Anna1es
14,50
419
Theognis
Elegien
1,479f.
457
Theopomp
Philippica 8
279
Tübinger Theosophie
55f.
421
Xenophon
Institutio Cyri
8.7,1-28
429
Memorabilia
1. 2,57
2.1,21-34
4.4,19-24
1.9
296*
521
232*
244
ANDERES
Koran
27,16-45/44
31
147
403*
231
309
242
207
246
246
MasJ:!afa Faläsfä
'fabibän
Ms Tüb.,
Nr. 215
349
Samaritanische
Liturgie
XIV,l
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
48
2,
NAMEN- UND SACHREGISTER (EINE AUSWAHL)
A
Aaren
60
Aba-enlil-dari
328
Abot
176-196.586
Abot de R. Natan A.B
176-196
Abraham
42*. 82.86.109 .119ff .123.
138*. 404. 426*
·Abschiedsrede
81.106.425f.
Abu'ali Maskawi
430*
Acchellensis, Abraham
565
Achikar
65*.106.140*.149f.255.
301.314.319-415.586
Inhalt
320
Zählung der orVers
320*
Themen
322f.
Zitationsweise aramAch
332
Beziehungsgeflecht 357
chronologische, geogr. Tab. 413
Achior
365.379*
Achlamäer 328*
Adad-sum-usur
327
Adam
52
Aegypten
119f.l23f.l36.285f.316
Aesop
152*
Vita, bes. 109f.
247.254.
255.319.338f.339.347.360.348
398
Vgl. mit Menandros, Mon. 340*
Agrapha
563
Agrippa II
117*
Agur 168
Ahmad Ibn Muhammad s. Abu' ali
Aischylos 239
Alexander der Grosse
143*
Alexandrien
20f.45.58f.ll2.529
Alexandros Polyhistor 115.115*
Allegorese
136.136*
"allgemeine Wahrheiten"
572*
Ali Baba
320
Alphabet des R. "Aqiba
508*
Alphabet des Ben Sira
205
Amenemhet I
430*
Amenemope
18.233*
Amenhotep, Hypotheken
233f.242.
= Amenotes, S. des Hapu
300
= Amenophis, s. des Paapios ?
Amenophis III
233
Amoräer
201.206
~vcl.A.nlin~ des Mose
421
"Anawim
534
Anchscheschonki
430*
Anthologien
236.237-240
Antiochus I Soter
328
Antipatres v. Tarsos 230
Antoninus (Kaiser ?)
143*
Antonios, Verf. der Melissa
157*
Antonius, hl.
565*
Aphraates
314*
Apokalyptiker
21.62-64.71.135f.438f.
576.583
Apollonius v. Tyana
416f.424
"Apologeticum"
211-215.221. 222*. 227
28lff.
Apologetik
118.127.131*.132.155f.
208.235.566*.573
Apophis
140*
Apophthegma
181*.197
Apostolische Väter
563
•Aqiba, R.
55.143*.187f.l95.202.207.
313
Aratos
355
Aretalogie
38.50
Aristeas, Historiker
115
Aristobulos 45.125-127.126*.210.421*.
422
Aristocritus
422*
Aristophanes v. Byzanz
245
Aristoteles
296.415
Arkandisziplin
91*.220*
"Arme ·Israels"
534
Artapanos
115.123-125
Artaxerxes
35
Asarhaddon
327ff.370
Asklepiades v. Prusa
400*
Astrologie, Astronomie
20.65*.97.119f.
123
Aszese
447.456.457.543
Athenäum (Weise des)
149.406ff.
Atlas
120*
Attizismus 303.317*
Axiopistos, Gnomen
245
(697)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
698
B
Babrius 342f.
ßaaLAECa
388.58lff.586
BECKER, Jürgen
434-440
Bel et draco
543
Beliar
438.447.467.485.505.520*.
522.525.540.542
Ben Azzai
195
Ben Bag Bag
188
Ben He He
188
Ben Zoma
195
BERNAYS Jacob
277f.
Berossos
117
Bilkis, Königin
147
Boles v. Mendes
401*
Bosporaner/Borsippener
344
Branchiden
295
Brief des Jeremia 543
Brontologie
97
Bücher
72.75.91*
Bundesformular
426.429.437.467
Burzoe
349*
Buzygen, Buzyges
207*.227.228*.
229*.230.232.241
c
Chares, Gnomen
246-248
Charondas
228.229.232
Chasidim/Asidaioi
15.62-64.71.
275*.276.422.583
Chilon
242
Chiron, Hypotheken
245.330
Chosrau I Anoscharwan---349*
Christen/ Juden
554f.
Christologie
556.565.583-586
s. Jesus Sophia
Chrysippos, Thesaurus
241*
Cicero 296
Clemens v. Al.
115.239.563
Corocotta, Grunnius
418
(= Marcus Julius ?)
~ukasaptati
350*
D
Daniel/Danel/Dnil 64.85f.85*.92*.
110.379
Darius
15lf.
Dekalog
279.280
Delphische Präzepte 229*.233*.
234*.24lf.
Demetrios, Chronogr.
115.117f.
125*
Demetrios v.Phaleron
207.234.242
Demokritos 341*.344ff.400*
Gnomen
250f.263*.330*.345f.361*.
391.
Demophilus
241*
Demosthenes
416*
Derek-Ere~-Traktate
27*~205*.570*
Didache
27*.276*.285
Diogeneianos v.Herakleia 237
Diegenes v.Oenoanda
253
Diokletian
143
Dios, Bist.
146
Diotogenes, pythag.
152
Diphilus
239
Drako
228*
dtn Geschichtswerk
35.37*
Dualismus
23.438.500.505.525.531.540f.
E
Ebal
56
Ebionäerevangelium
554
Ebionim
534
Eiromos/Hiram v.Tyros 145f.
Ekphantos, pythag
152
El
387*
El'azar b.'Arach 189-192
El'azar b.'Azarja
194*
Elchasai
554
Elephantine 319.325*.345
Eli'ezer b.Hyrqanos
189.19lf.408.469
Elifas der Temanite
46
Elischa' b. Abuja, R. 195
Elymais 361.370*
Ennius
246
Enzyklopädie, apk
68
Epicharm 245
Gnomen
246
Ephräm der Syrer
399*
Epiktet 256f.
Gnomologium
256
Epikur, KUPLaL o6f;aL
252f.
IIpooc:pwvT)oL r;;
254
Epikuräersprüche
253
Testament
415
Ersterfinder
73.119.122.123f.131.228*.
359*
Esra
35
Essener, s.Chasidim
Eupo1emos
115.121f.125
Eupo1emos(Pseudo:,-- 115.119-121.125
Euripides 239.255.278
Eusebius v.Caes.
115.239
Evagrius Pontikus
260.310.565
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
699
F
Fabricius Veiento, Didius
Gallus
419
al-Farag b.Hindu
25S*
Favorinus
241
Florilegien
241*
534
"Fronune des Volkes"
Frühjudentum
25f.*
Bezeichnung
Zeit
13
Literatur
13f.
Fundamentalethik,griech.
233.282.300.314*.533
G
Galiläer
15*
Gamliel I/II
143*.194
Gebet Manasses
545*
Geheimnis(se)
68f.72.74f.
85.92f.557.559.583
Gesetzesverschärfung
221.233
Gnomelegien
28.236.240-261.
273.304.564
Corpus Parisinum, Gr.ll68
241*
240*
Gn.Palatinum
241*
Byzantinum
241*
Vaticanum
Democriteum
250
253f.
Epicureum
Epicteteum
256
syrische
312*
arabische
241*.564
Gnosis
37*.173.554.563.564*.584f.
Goldene Regel
207.207*.225.227.
229.306.313f.377.395.
Griechen
122.126.130.l36f.
Griphen
142
GUTAS Dimitri
241*
Gymnosophisten
143*
H
Hadrian, Kaiser
149.406
Haggada
530.572
Halacha
196.198.176.530
Hasmonäer
35
554
Hebräerevangelium
127*
Hekataios v.Abdera
115.125*.
Hekataios (Pseudo-)I
283
Hekataios (Pseudo-)II
115.
125*.283
Helios/Ainos/Linos
338f.
Hellenismus/Judentum 439.512.532*.
532f.
Henoch
20.52.64f.65*.67.68.72f.81.
85.93f.llO.l22*.138.404.439
Pentateuch
65*.73.93f.
Hermas
555
Herakles
521
Heraklit
391
Hermes, Trismegistos
124
Herrnippes v.Smyrna
126*.127*
Hesiod
157*. 239. 241*245. 279.295. 330*
Hierekles v.Al.
251
Hieronymus
171.365.418f.
Hillel(ten)
15.42*.111.179.185.
186-189.197.201.207.313.395.469.
554.562
hippokratische Aphorismen
232.241*
Hiram s. Eiromos
Horn er
141.152*.239.279.306.308.359.
566
142
homo ludens
Horaz
279
Horoskop
97
Hoschatja, R.
55
~unain Ibn Is~aq
349*
Hyagnis
355
Hymnik
90.115.558.572
Hyrkanos, Johannes
530*
Hystaspes
62*
Ignatius v.Antiochien
417
Ijob
19f.
Inschriften
Philadelphia
232
Thera
242
Kyzikos
242
Oenoanda
253
Isaak
42*
Isis
37*.38.38*.124*
Ischodad v.Merv
399*
Isokrates
250.273
Isokrates (Pseudo-)
248f.273
J
Jahweglaube
Jakob, Patr.
Jakobus, Ap.
Jakobusbrief
14.45
42*
554
569
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
700
Jared
73
Jason v.Kyrene
121
Javidan Khirad
430*
149f.
Jehoschua• b. Chananja, R.
188.189.476
143* .182f.
Jehuda ha-nasi, R.
194.199.203
Jerusalem
39
Jesus v.Nazaret
29f.45.197.302.
391.395.416.433*.557.562.
565.570.572-586
-bewegung
15.562.576
-Sophia
389.556-562.556*.
558*.561*.569*
Jesus b.Sira
20.28*.38.110.439
Jizchaq, R. 407f.
Jochanan b. Zakkai, R. 148.1.54.
182.189-183.400*
Johannes v.Damaskus
157*
Johannesprolog
556.558
JOLLES Andre
142.159*.160
Jonathan
64
Jose, R.
199*
Jose der Priester
189
Josef, Patr. 123.404.527
Josef v.Nazaret
400
Judas, Apostel
392.393* 398-401
Judas,essen.
109
Judentum, klassisches=rabbinisches
13.174f.
Jugurtha
429
563
Justinus
Justinus (Pseudo-)
239
Justus v.Tib.
117*
Jubiläenbuch
440
K
Kadmos
355
Kalchas
142
239
Kallimachos/Linos
Kataloge
570
Katechismus
27*.272.539.570
Kelsos
134*
Kephalas Konst.
237
Kerygmata Petrou
554
Kettenschluss
58.59.570
Klassikerverse
237.239.283
Klearch v.Soloi
127*
Kleitarchos, Chrien
251.257
Klementinen(Pseudo-)
563
Kleobulos
242
Kleedemos Malchas
115.125
Knidische Gnomen
241
Kodizillen
419
Kohelet
19f.76.315
147*;403*
Koran
Korban
389
Kyaxares
366
Kynisch/stoisch s. Stoa
Kyrill v.Al.
421*
Kyrios
449.451.467.486.505.509.
525.538.540
Kyros
429
L
Lasterkataloge
450
Lebenslehren
28
Lehrrede
31.544.570
Lehrerzählungen
85-87.96
Letzte Wort
425
Lehrer der Gerechtigkeit
64.92f.98f.
111. 433*. 554
Lemuel, arab
168
Levi, R.
404
Logien, Koll.
31.154.157-175.176-196.
197f.200f.204*.209.233.249.258-261.
--262.274.292.306/309.374.556.562567.570
Logos
21.45.57.59.559.583
Lokman
403*
Lukian v.Samosata
134*
Lykon
415
Lykurg
138,228.406,
M
Ma'ase Tora
404
Maat
16*.37
Magie(r)
85.97.132-136.472
Mahnwort
163f.l83f.270
Makkabäer
13.63.426*
Malalel
73
Manaemos, essen,
109
Manasse-Amon-Legende
368*
Manethen
117
Marmor Parium
118*
Maria
400*
7~
165f.l99
257.246*.
Ma~~afa Faläsfä rablbän
349.349*
Me
37
Megasthenes
127*
Meleagros v.Gadara
237
Memar Marqa
16*
Menander v.Ephesus, Hist.
146
Menandros,Kom. 157*.239.254f.203f.310
317
-----
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
701
Monostichen
254f.304.564
Menander(Pseudo-)
28.255.287.
301.303-318
arabMen I/II
255*
Themen
307f.
314f.
Parr zu Achikar
237.416
Menippos v. Gadara
Menschensohn
557
Merikare
430*
Messias
438
Methusalem
72
Micipsa
429
Midrasch
91.117f.
Mika'el Walid Mika'el
349*
Mönchsregeln
564.565*
Mohammed
403*
352-355
Monnus (-Mosaik)
Mopses
142
Moschlim, samaritan.
15*
Moschion, Gnomen
256
Hypotheken
256
Mose
34.52.60.67*.94.12lf.l23f.
133*.134*.198.317.244.404.566*
Gesetz
41.136-139.217f.226f.
228.514.525.559
Gnomen
233
Musaios
124.126.421
Musen
353
Musonius Rufus
231
Mystiker, rabb.
195f.l97
N
p
Papias v. Hierapolis
399.555
Papyri
246
Hibeh
Oxyrhynchos
255.563
Kairo (Nr unbekannt)
334
Berlin P 23729 (= I)
334
P 15658 (= II) 335f.
Parabelbuch (äthHen)
65*.75.77f.79
Paränese 31.8lff.97.478.556.570
Parömiegraphie 157*.205.297
Patriarchen
94.423.527.530.569
Paulus, Ap. 416.554
Peregrinus Proteus
417.424
Peripatetiker
57
Petrus, Ap.
554
Pharethotes
123
Pharisäer
33.41.64.174f.210.302.
529f.533*.537.557.583
Philernen
239
Philippos v. Thessalonike
237
Philistion
255
Philo v. Al.
27*.226*.234
Weisheitsspekulation
45.45*.60f.
Philo der Aeltere
115.125*
Philo, Epiker
115*
Philedernos v. Gadara
237.468*
Philaxenos v. Mabbug
314*
Phönizier
119.122
Phokylides
157*.250.262.303
Phokylides(Pseudo-)
27*.211-215.
220.223-225~236.261-302.314.570
85.106
Nabuchodonosor
Nachman b. Chisda,R.
522*
Nachman b. Schemuel b. Nachman 521*
Nadan 396ff.398-401
Nag-Hammadi
135*.554.564
Nazaräerevangelium
554
Nektanebo
406
Nikolaus v. Damaskus
125*.533*
Noach
65.65*.68.75.109.138*.170
426*
noachidische Gebote
217*.531
Nomismus
33.40*.42*
Nonnenregeln
564
Numenius v. Apameia
134*
0
Onomastikon
508.527
Orchot Chajim
27*.570
Ordnungen 83.509-512.529.537
Orpheus
124.126.239.283.42lf.
Themen
288ff.
Pietisten
534
Pindar
245
Pirqe b. Azzai
205*
205*.404
Pirqe de R. Eli'ezer
Pittakos
207
Planudes, Maximus (Pl)
338
Platon
124*.126.296.415.510
Plautus
310
Plutarch
468*
Pneuma
21. 59
Popularethik
21
521.544
-philosophie
-psychologie
506
Porcellus, röm. Gramm.
418
Porphyrios
251.252.257
Poseidenies 218*.278.296.244.246
Priesterschrift
37*
Prodikos
521
Propaganda
37*.208.218f.249.422
Prophetengeschick
557
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
702
Psalmen Salomos
28*.439
Pseudepigraphie
234f.236.238f.
249.259.283.286f.300f.420.424f.
Pseudo-NN, s. unter NN
Ptahhotep
430*
Ptolemaios I Soter
234
II Philade1phos 152ff.
IV Philopator I
117
Pythagoras
124*.126.152.228*.239
Goldene Worte
25lf.263*.27lf.
Pythagoräersprüche
252.256f.
Siebenzahl
57
Q
554.556.563
Q(uelle)
Qumran
15.64.88-113. 422f.433.
440.529*.53lf.575f.583
R
Sindbad
320
Sodom
508.527
Sokrates
126*.521
Solon
138.228.229.231.232.241~242
Somadeva
3 50*
Sopher(im)
15.38*.535
Sophia
23.45.327*.559
Sophokles
239
Zitat
115*
Sosiades
234.242
142
Sphinx
Spudaiogeloion
416
Sprichwörter
212*. 218f.
Spruch
22.96.129.159-161
Sympathisanten
276.301*
Synagogenhomilie
438.500.527f.
Synusie
59
Syrianus
295
SCH
Rab = Abba Arikha
405
Raba
30.408
Raba b. Joseph b. Chama
171
Rabbi
408
Rätsel
85.129.140-150.164.185*.
197
"Läuserätsel"
142
Hals(lösungs)rätsel
142*
Ilorätsel
144*
ROSSBROICH Martinus
278f.
s
Schahrastani
341*.345.345*.349*.
361*
Schamasch
387*
Schammai(ten)
15.42*.179.180.194f.
207.469
Schema <ja
199
Schim'on b. Netanel
189.192
SCHMID Hans-Heinrich
18f.23.29.554
Schrift
73.75.122
33.40
Schriftgelehrte
ST
128.141.145-147.
Saba, Königin v.
572
37*.57.219.223.238*
Sabbat
Sadduzäer
15*.47.122*.532
Salomo
55.128-136. 141.145ff.l54f
169.172.196.206.404.550.566.572
15*
Samaritaner
364*.365
Sanherib
241.330
Secundus
Seneca
468*
Seqnen-Re
140*
Sextus (= Xystus)
27*.251.252
Gnomen
256ff.301.310.564
Sieben-Weisen(-Sprüche)
152*.207.
234.24lf.242.251.272*.300
15*
Sikarier
45.560.564.585
Silvanos
38*.183
Sirnon der Gerechte
Sirnon II
20.52
Simonides
241*
Simson
144
Sthenidas, pythag.
152
Stoa (kynisch-stoisch)
38.217*.218.
228~277.278.296f.416.417.450.460.
468.477*.510.527f.544.564.575
stobaios 157*
Strabo 127*
T
Tanna debe Eliahu
27*
Tannaiten
206
Tausendundeine Nacht 319f.
Terach
86
"Testament", juristisch
415
literarisch
416-419
Test XIIPatr 28.67.81.420.431-441.
569
Forschungsgeschichte
431-434
Textfamilien
441*
TestAbraham
420f.420*
TestAdam
417.421
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
703
TestBenjamin
423
423
TestHiskija
421
Test Ijob
423
Test Isaak
423
TestJakob
423
TestJosef
423.424*
TestJosua
423
TestJuda, arain.+hebr.
Test Kehat
423
TestLevi, Kairo
422
Qumran
423
TestMose
421
TestNaftali
423
TestOrpheus
283.418*.42lf.
Texte
421*
TestProtoplasmatorurn, s. TestMose
TestSalomo
420f. 420*
TestZosimus
424*
Test der 3 Patriarchen ?
423
Test der 40 Märtyrer
424*
Testamenturn D.N. Jesu Christi 424
testamenturn Porcelli
418
testamenturn Iovis
419
Testimonium Flavianum
565
Terenz
310
Thales
207*.242
Thallus, samaritan.
125*
Thamyris
355
THEOCHARIS Athanasios
28*
Theodektes v. Phasaelis
137
Theodoret v. Kyrrhos
421*
Theognis
157*.241*.250.254.278.
330*.533
Theophilos 115.125*
127*.246.415
Theophrastos
Theophylakt 399
137
Theopomp v. Chios
Thomasevangelium, kopt.
563
Thot 124.233
•C u&A~oca- Fragen 152.190
Tinnäus Rufus
143*
Tora
22
als Weisung
33
/Weisheit 33-61.95.139.196
='Weisheit'
38-44.52-57.80.530
535.557.583
=Verfassung
35.37.62
Traderitenketten 180
Trier
352
Tun- Ergehen 37*.200f.578
u
"ungeschriebene Gesetze" 217.227.229*.
231.232*.233*.241.244f.272*.282.
314
Urmensch 46
Uruk(/Warka)
327
Tontafel W 20030,7
328
V
VAN DER HORST
279
Visionäre s. Apokalyptiker
w
Wächter 68f.73.74.445.508.527
Weiser
140.441.566*
=Schreiber
40
Weisheit (Haltung/Bewegung/
Literatur)
14.17f.24.131.141
/Gottesfurcht
34.47.49.53.104
'Weisheit' (Personifikation/Hypostase u. Aehnl.)
14.26.36f. 70.
76-79.94f.305.381.388.402.498.
556-562
"reflective wisdom"
35ff.559
kein Mythos 36*.559
progressive Mythisierung 36*.559
s. auch bei Tora
"Weisheit" (Wort) 14 .16f. 24.26. 31. 89f.
X
Xenophon
2 96
z
Zadokiden
440
Zahlensprüche
196.202-204
Zaleukos
138.228
ZAUZICH Karl Th. 333-336
Zeloten
15*.576
Zivilisation
74.123f.
Zugot (Paare)
181
zwei-Geister-Lehre
2lf. 568
Zwei-Neigungen-Lehre
52lf.
Zwei-Wege-Lehre
520f.536.567ff.
D.G.
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)
http://hdl.handle.net/10900/56118
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-561180
V.IRAT III-KUE 1979 (Weisheitstraditionen)