Teamwork
Formationsfliegen

Wenn sich Flugzeuge in der Luft auf ein, zwei Spannweiten annähern, ist ordentlich was geboten. Gegenseitiger Verlass und klare Absprachen sind die Basis beim Formationsfliegen.

Formationsfliegen

Gründe, eine Formation aufzustellen, gibt es viele. Manche Crews möchten den Gästen beim Flugplatzfest einen optischen Leckerbissen bieten, andere planen Air-to-Air-Aufnahmen vom Flugzeug des Vereinskameraden, wieder andere verspüren einfach eine gesunde Portion sportlichen Ehrgeiz. Was auch immer die Motivation sein mag: Formationsfliegen ist eine spannende Sache, die nicht nur Airshow-Piloten vorbehalten ist.

Doch wie packt man’s an, ohne einen Zusammenstoß zu riskieren? Steht das Team, werden die Rollen verteilt und ein Leader ernannt. Als Chef im Ring erteilt er die Kommandos und gibt Kurs und Geschwindigkeit vor. Böse Zungen behaupten, er habe den einfachsten Job, braucht er sich doch um Abstände nicht zu kümmern. Das ist freilich zu kurz gedacht. Der Leader beobachtet den Luftraum und ist für das Gelingen der Formation maßgeblich verantwortlich. Im Gegenzug müssen sich die Flügelmänner blind auf ihn verlassen.

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Um so perfekt wie dieses Piper-Trio zu fliegen, braucht es viel Übung und gute Vorbereitung. Foto und Copyright: Herzog

Eine saubere und sichere Formation steht und fällt mit der Kommunikation untereinander. Treffpunkte, Einsatzgebiet und Frequenzen werden vereinbart. Die Anweisungen des Leaders müssen prägnant und jedem der beteiligten Piloten bekannt sein. Die schwammige Ansage „Wir machen dann mal eine Rechtskurve“ hilft niemandem. Erst ein deutliches „90 Grad Rechtskurve – jetzt“ beinhaltet eine unmissverständliche Anweisung mit eindeutigem Zeitpunkt zur Umsetzung. Das Kommando „Aufrichten!“ beendet die Kurve. Figuren müssen klare Namen haben.

Nächster Punkt: Vor dem Start ist eine Notfallstrategie festzulegen. Wer weicht wohin aus, wenn es eng wird? Was passiert bei einem Motorausfall? Was ist, wenn es mit dem Funkkontakt nicht klappt? Diese Abläufe müssen unbedingt sitzen, denn Zeit zum Nachdenken bleibt im Ernstfall nicht, wenn der Nebenmann nur Sekundenbruchteile entfernt ist. Brandgefährlich wird es übrigens dann, wenn der Sichtkontakt zu einem Partner verloren geht. Fliegt er nur wenige Meter entfernt im toten Winkel, oder ist er längst ganz woanders unterwegs?

Ein paar theoretische Grundlagen des Formationsfliegens sollten alle Beteiligten kennen. Wichtig sind vor allem die Geschwindigkeiten. Gerade am Anfang, wenn die Abstände innerhalb der Formation noch recht luftig sind, kommt in gemeinsam geflogenen Kurven Stress auf. Während das kurveninnere Flugzeug am unteren Ende seines Geschwindigkeitsspektrums unterwegs ist, sich möglicherweise dem Strömungsabriss nähert, muss der Pilot ganz außen ordentlich Gas geben, um nicht zurückzufallen. Je nach Geschwindigkeitsspektrum der beteiligten Flugzeugmuster kann das einen ziemlichen Eiertanz geben. Im Idealfall sind gleiche Flugzeuge mit gleichen Abflugmassen und Geschwindigkeiten am Start.

Um die passenden Positionen innerhalb der Formation zu finden, kann ein Beobachter am Boden wertvolle Tipps geben. Denn was aus dem Cockpit stimmig aussieht, kann dem Betrachter den Eindruck vom berühmten Sack Flöhe vermitteln. Profis wissen genau, wo sich ihr Nebenmann befinden muss: Sie setzen sich Orientierungspunkte, etwa in Form von Flügelspitze oder Radverkleidung in Relation zum eigenen Cockpit. Zusätzliche Sicherheit schaffen ein paar Meter Höhenversatz, was der Zuschauer am Boden kaum erkennt.

Aller Anfang ist schwer: Warum Schweißausbrüche normal sind

Vor dem Start ist ein Briefing unverzichtbar. Foto und Copyright: Herzog

Vor dem Start ist ein Briefing unverzichtbar – das kann durchaus auch unkonventionell sein. Einige Piloten besprechen ihr Programm nicht nur, sie laufen es ab. Sie schreiten die Figuren nach den Kommandos des Leaders so lange ab, bis die Choreografie allen Beteiligten in Fleisch und Blut übergegangen ist. Der erste Formationsstart führt bei den meisten Piloten aller Vorbereitung zum Trotz oft zu Ernüchterung und schweißnassen Händen. Das andere Flugzeug wirkt auf einmal bedrohlich nah oder schrecklich weit weg. Kleine Leistungskorrekturen haben unerwartet gravierende Auswirkungen. Erst spät erkennen viele Einsteiger, wenn ein Flugzeug seine Geschwindigkeit ändert, dadurch also kleiner oder größer erscheint. Erst mit viel Übung entwickelt sich der Blick dafür, solche Tendenzen schon im Ansatz mit winzigen Korrekturen auszugleichen.

Gerade am Anfang sollte man auf Nummer sicher gehen und nur zu zweit bei ruhiger Luft starten. Böen bringen auch geübte Formationspiloten ins Schwitzen. Nach und nach kann man sich herantasten, Abstände verringern und Positionen optimieren. Erst wenn sich die Piloten sicher fühlen, geht es zu dritt oder zu viert in die Luft.

Später folgt das Feintuning. Gemeinsamer Einstieg, zeitgleiches Anlassen der Motoren oder sogar ein einheitliches Outfit? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das (nicht ganz preiswerte) i-Tüpfelchen wäre schließlich die Installation von Rauchanlagen.

Air-to-Air-Fotografie stellt ganz besondere Herausforderungen an die Piloten. Foto und Copyright: Herzog

Alle Formationen, wie man sie auf Flugtagen sieht, haben eine lange Übungsphase hinter sich – ganz gleich, ob es sich um internationale Stars oder um ambitionierte Amateure handelt. Wer es ernst meint, holt sich einen Trainer ins Boot. Oberstleutnant Philipp „Phile“ Müller aus der Schweiz etwa hat die ultraleichte Skylark-Formation aus Konstanz „auf Linie gebracht“. 

Eine eigene Disziplin ist übrigens die Air-to-Air-Fotografie. Die Aufgabe für die Piloten lautet, den Fotografen in Position zum fotografierten Objekt zu bringen. Auf die Optik für Außenstehende kommt es dabei nicht an – wohl aber auf präzises Fliegen. Zu den Grundregeln einer Formation kommen hierbei noch Spezialitäten wie der ständige Blickkontakt des Piloten zur Kamera, die richtige Position zur Sonne und die Suche nach einer attraktiven Kulisse.

Formationsflug ist eine ebenso spannende wie anspruchsvolle Angelegenheit. Eine Aufgabe, die sich mit Training und Disziplin stemmen lässt.

aerokurier Ausgabe 03/2014

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