So klappt es mit dem Vorsatz

Darauf kommt es beim Abnehmen an

Nachhaltig abzunehmen erfordert einiges – ganz besonders, wenn man nicht in einen Jo-Jo-Effekt geraten will. Mit welchen konkreten Maßnahmen helfen Ärzte ihren Patienten beim dauerhaften Abnehmen? Eine Übersicht.

Von Thomas Meißner Veröffentlicht:
Weniger Essen reicht nicht: Eine nachhaltige Adipositas-Therapie gelingt in der Regel nur mit umgestelltem Speisezettel und viel Bewegung.

Weniger Essen reicht nicht: Eine nachhaltige Adipositas-Therapie gelingt in der Regel nur mit umgestelltem Speisezettel und viel Bewegung.

© Kurhan / stock.adobe.com

Tübingen. „Ich hab’ mal drei Kilo gewogen und seitdem nur zugenommen!“: So beginnt Arzt und Entertainer Dr. Eckhard von Hirschhausen gern seine Erklärungen über zu viel Bauchfett und wie man es wieder loswerden kann. Was Mann oder Frau sich über Jahre „draufgeschafft“ haben, braucht Monate bis Jahre, um es wieder loszuwerden. Kurzfristige Diäten versagen zwangsläufig.

Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) rät zur Kombination aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie. Verhaltenstherapie auch deshalb, weil „Durchhalten“ ein maßgeblicher Erfolgsfaktor ist: Die oft schnelle Gewichtszunahme nach „überstandener“ Reduktionsdiät (Jo-Jo-Effekt) ist Teil des Problems. Nicht zuletzt, weil häufige Gewichtsfluktuationen die kardiovaskulären Risiken erhöhen (NEJM 2017; 376:332).

Langfristige Veränderungen nötig

Gewichtsabnahme, Gewichtsstabilisierung und Lebensqualität stehen im Mittelpunkt langfristiger Veränderungsstrategien, die dauerhaft in den Alltag des Patienten integriert werden sollen. „Die Verhaltenstherapie kombiniert dabei kognitive und verhaltenstherapeutische Techniken“, erläutern Dr. Sandra Becker und Professor Stephan Zipfel vom Uniklinikum Tübingen in einem Fortbildungsbeitrag (CME 2020; 17:55-61). Ungünstige Denk- und Verhaltensmuster werden identifiziert, modifiziert und bestimmte Verhaltensweisen und kognitive Reaktionen eingeübt.

Dies beginnt mit motivierender Gesprächsführung, in der Wissen über Adipositas sowie die Folgen für Körper und Psyche vermittelt werden. Es gilt, konkrete und zugleich realistische Therapieziele zu vereinbaren: zum Beispiel eine moderate Gewichtsabnahme von fünf bis zehn Prozent binnen eines Jahres oder ein Gewichtsverlust von 0,5 bis 1,0 kg pro Woche. Zu hoch gesteckte Ziele führen in der Regel rasch zu Frustration. Daneben werden gewichtsunabhängige Ziele einbezogen, vor allem mit Blick auf die Lebensqualität.

Selbstbeobachtung mit Tagebuch

Eine weitere Technik ist die Selbstbeobachtung und Verhaltensanalyse sowie die Kontrolle von Nahrungsreizen. Dazu werden Ess- und Bewegungstagebücher geführt, regelmäßig das Gewicht kontrolliert und notiert, die Zusammenhänge von Essen und Gefühlen dargestellt. Eingekauft wird nach strukturierten Plänen und prinzipiell in sattem Zustand. Es sollen sich nur wenige Essvorräte im Haus befinden. Essen beim Arbeiten am Computer, beim Lesen oder Fernsehen ist zu vermeiden und entsprechendes Essverhalten zu reflektieren.

Mit ausdauerorientiertem Training kann ein wöchentlicher Energieverbrauch von 1200 bis 1800 kcal erreicht werden. Dies bringt allerdings nur etwas in Kombination mit modifiziertem Essverhalten. Körperliche Aktivität täglich für 30 bis 50 Minuten in den Alltag zu integrieren fällt leichter, wenn man sich zum Sport mit Gleichgesinnten verabredet.

Ein weiteres Prinzip der Verhaltenstherapie ist die kognitive Umstrukturierung: Psychologen identifizieren gemeinsam mit dem Patienten dysfunktionale Gedankenmuster und arbeiten an negativen Überzeugungen zum Selbst- und Körperbild. Sie erarbeiten Problemlösungen, etwa zum Stressmanagement und zur Selbstfürsorge, zur Bewältigung von Konflikten sowie zur Rückfallprophylaxe. Affektregulation ist ein weiterer Punkt, denn Essen wird von vielen Menschen zur Emotionssteuerung genutzt. Dazu gilt es Alternativen zu entwickeln, etwa indem Entspannungstechniken und Achtsamkeitsstrategien eingeübt werden. Sich bewusst um soziale Unterstützung zu bemühen und seine sozialen Fertigkeiten zu verbessern, hilft ebenfalls bei der langfristigen Umstellung des Lebensstils.

Neue Methoden sollen automatisiert ablaufen

„Eine dauerhafte Verhaltensänderung kann stattfinden, wenn sich neue Gewohnheiten im Alltag der Patienten etablieren“, erläutern Becker und Zipfel. Dies funktioniere nur, wenn die erlernten Methoden zur Lebensstiländerung solange wiederholt würden, bis sie automatisiert ablaufen. Der niedergelassene Fach- oder Hausarzt könne dabei eine unterstützende und motivierende Rolle spielen. Es geht darum, nachhaltig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu erzeugen und sich die mit der Gewichtsreduktion gesteigerte Lebensqualität bewusst zu machen.

Auch nach Adipositas-Chirurgie bleibt das Basisprogramm aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie auf der Agenda. Dies muss Patienten, die sich zur Op entscheiden, klar und die Motivation zur Lebensstilveränderung vorhanden sein.

Dr. Sandra Becker und Prof. Stephan Zipfel vom Uniklinikum Tübingen

Ist das Ziel der Gewichtsreduktion erreicht, schließt sich die Phase der Gewichtsstabilisierung an. Dies erfordert weitere, niederfrequente Nachsorgetermine, um eingeübte Verhaltensweisen zu festigen und Rückfälle in alte Lebensmuster zu verhindern. Liegen psychische Probleme wie Depression, eine Angststörung oder eine ausgeprägte Impulsivität und damit verbundenen Essanfällen vor, ist die entsprechende psychiatrische Behandlung angezeigt.

Die Grenzen konservativer Therapien sind bei einer Adipositas Grad III erreicht. In diesen Fällen stehen heute zunächst adipositaschirurgische Maßnahmen im Vordergrund. Wenn nicht bereits vor einem solchen Eingriff erfolgt, sind spätestens danach verhaltenstherapeutische Maßnahmen nötig. Allein deshalb, weil die teils massiven Veränderungen des Magendarmtrakts Änderungen des Essverhaltens zwingend erforderlich machen.

Sozialen Rückzugstendenzen muss zudem entgegengewirkt, der Alltag neu strukturiert werden. Insofern ist der chirurgische Eingriff als Startpunkt in eine neue Lebensrealität zu sehen. Das Basisprogramm, bestehend aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie, bleibt auf der Agenda. Dies muss Patienten, die sich zu derartigen Operationen entscheiden, klar und die intrinsische Motivation zur Lebensstilveränderung vorhanden sein.

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