Rosinen pickende Kassen

"Abwimmeln geht nicht!"

Haben Krankenkassen versucht, alte und kranke Mitglieder loszuwerden oder gar nicht erst aufzunehmen? Diesen Vorwurf erhebt zumindest das BVA. Der Minister ist empört über die Rosinenpickerei.

Veröffentlicht:
Unlautere Auswahl: Minister Bahr ist gegen Rosinenpickerei.

Unlautere Auswahl: Minister Bahr ist gegen Rosinenpickerei.

© Jörg Beuge / fotolia.com

BERLIN. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat sich befremdet über die Diskriminierung von Alten und Kranken bei Krankenkassen geäußert. "Abwimmeln geht nicht", sagte Bahr am Mittwoch in Berlin.

Es sei nicht in Ordnung, dass einzelne Krankenkassen versuchen, Rosinenpickerei zu betreiben, sagte Bahr am Mittwoch in Berlin. Die Verantwortung für solches Fehlverhalten trügen die Vorstände der Kassen. Sie hafteten dafür.

"Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist jede Person unabhängig von ihrem Gesundheitszustand, Einkommen, Beruf, Alter oder Geschlecht in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern", sprach der Minister ein Machtwort. Die Krankenkassen müssten sich an Recht und Gesetz halten. Die am Pranger stehenden Kassen wollte Bahr nicht nennen.

Als Erfolg wertete Bahr den Tätigkeitsbericht des Bundesversicherungsamtes (BVA), der aufgedeckt hatte, dass die Kassen ihren Vertrieben Anreize setzten, möglichst junge und gesunde Mitglieder zu werben.

Zudem sind in der jüngeren Zeit Fälle bekannt geworden, in denen Kassenmitarbeiter Mitglieder angerufen und ihnen den Wechsel zu einer anderen Kasse nahegelegt hätten. Der Bericht des BVA zeige, dass die Aufsicht handele und die Gesetzeslage klar sei, sagte Bahr.

Kritik auch von der Opposition

Gesetzliche Krankenkassen dürften sich nicht aufführen wie die privaten Krankenversicherungen, sagte dazu die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender.

Es widerspreche dem Solidarprinzip, wenn die Kassen Versicherte mit hohem Einkommen oder gutem Gesundheitszustand bevorzugten und andere vergraulten. Alte und Kranke hätten einen Anspruch auf den Schutz der Solidargemeinschaft.

Bender benannte als Ursache für die "Rosinenpickerei" den Finanzausgleich der Kassen untereinander.

Die Begrenzung des Risikostrukturausgleichs auf 80 Krankheiten sei willkürlich. Die hohen Behandlungskosten am Lebensende sollten angemessen berücksichtigt und Präventionsleistungen in den kassenübergreifenden Risikoausgleich einbezogen werden.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, meldete sich zu Wort: "Es ist fatal, wenn einige Kassen gerade Ältere oder kranke Menschen abzuwimmeln versuchen, das widerspricht der ganzen Idee der Sozialversicherung", sagte Spahn.

Das sei völlig inakzeptabel. Notfalls müsse der Bundestag die Vorstände der Kassen noch stärker mit in Haftung nehmen. (af)

Schlagworte:
Mehr zum Thema

„Richtig viel Arbeit“

Scholz: Pflegereform wird schnell angepackt

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Diskussion um Homöopathie

Wie valide sind die Aussagen des Systematic Reviews zur Homöopathie? Eine Replik

Chronische Erkrankungen

Bei Diabetes lohnt sich die hausarztzentrierte Versorgung

Gefährlicher Sommer erwartet

Hitzeschutzpläne werden heiß diskutiert

Lesetipps
Prinzipiell folge aus REDUCE-AMI, so Prof. Dr. Michael Böhm, dass bei Infarktpatienten mit erhaltener Pumpfunktion keine Betablocker mehr gegeben werden müssten. Das gelte, sofern es keinen anderen Grund für Betablocker gebe, konkret tachykardes Vorhofflimmern oder anhaltende Angina.

© shidlovski / stock.adobe.com

Nach der REDUCE-AMI-Studie

Bye-bye für Betablocker nach Herzinfarkt?

Viele Menschen sind adipös. Die Kombination aus Intervallfasten plus Protein-Pacing kann anscheinend neben einer Gewichtsabnahme auch zu einem gesünderen Mikrobiom verhelfen.

© Aunging / stock.adobe.com

Verändertes Mikrobiom

Intervallfasten plus Protein-Pacing lassen die Pfunde purzeln