IvF-Kostenerstattung

Kirche in Polen unterliegt im Streit um künstliche Befruchtung

Polens Bischöfe sind gegen eine Bezahlung von In-vitro-Fertilisationen durch den Staat. Sie baten das Staatsoberhaupt, ein Veto gegen das Vorhaben der neuen Mitte-Links-Koalition einzulegen. Ohne Erfolg.

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Ein Embryologe an einer Reproduktionsklinik befruchtet unter dem Mikroskop mit einer Mikropipette eine Eizelle

Kostenübernahme künftig auch in Polen wieder möglich: In-vitro-Fertilisation.

© Natalie Neomi Isser / SZ Photo / picture alliance

Warschau. Polens konservativer Präsident Andrzej Duda hat ein Gesetz für die Kostenübernahme künstlicher Befruchtungen unterschrieben und damit massive Einwände der katholischen Kirche ignoriert. Das Präsidialamt teilte die Unterzeichnung durch Duda am späten Freitagabend mit. Am selben Tag hatte die Bischofskonferenz des Landes einen Brief ihres Vorsitzenden Erzbischof Stanisław Gądecki veröffentlicht, mit dem er das Staatsoberhaupt bat, dem Gesetz seine Unterschrift zu verweigern.

Er könne zwar keinen formellen Druck auf den Präsidenten ausüben, schrieb Gądecki darin. „Dennoch ist es mir erlaubt, an Ihr Gewissen zu appellieren, das den Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Politiker und einem Staatsmann ausmacht.“ Der Brief ging bereits am Mittwoch an Duda.

Das von der Mitte-Links-Koalition des neuen Premiers Donald Tusk im Parlament verabschiedete Gesetz kommt zeugungsunfähigen Paaren zugute. Ihnen wird der polnische Staat ab 1. Juni wieder eine In-vitro-Fertilisation (IvF) bezahlen. 2016 hatte die damals regierende rechtskonservative PiS die Erstattung der Kosten abgeschafft. Seither unterstützten nur noch einige Kommunen diese meist 3.000 Euro teuren künstlichen Befruchtungen finanziell.

Erzbischof nennt IvF „Experiment am Menschen“

Gądecki hatte Duda gebeten, als Präsident sein Vetorecht zu nutzen oder das Gesetz dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Der Erzbischof argumentierte in seinem Brief, bei der In-vitro-Methode handele es sich um ein „Experiment am Menschen“, dessen eigentümliche Form eine „Besitzergreifung des menschlichen Lebens“ darstelle.

Der Erzbischof kritisierte, manche der in vitro erzeugten Embryonen würden in der Regel nicht in die Gebärmutter der Frau übertragen, sondern zerstört oder eingefroren. Auch ein Teil der in den Mutterleib übertragenen Embryonen werde nach „eugenischen Selektionskriterien“ vernichtet. „Wir haben es also im Rahmen von Methoden, die vorgeblich dem Leben dienen sollen, mit einer absichtlichen selektiven Abtreibung zu tun“, schrieb der Bischofskonferenz-Vorsitzende.

Die für IvF bereitgestellten Mittel sollten besser für die Forschung verwendet werden, die zur tatsächlichen Beseitigung der Ursachen von Unfruchtbarkeit oder ihrer Heilung führten.

Präsident Duda kündigt eigene Gesetzesinitiative an

Polens neuer Vizepremier Władysław Kosiniak-Kamysz, der selbst Arzt ist, vom liberalkonservativen Dritten Weg wertete das Inkrafttreten des In-vitro-Gesetzes als Erfolg. „Das ist eine Chance für das Glück Tausender polnischer Familien“, erklärte er. „Schritt für Schritt kommen wir unseren Verpflichtungen nach.“ Alle neuen Regierungsparteien hatten die Kostenübernahme für künstliche Befruchtungen in diesem Herbst im Wahlkampf versprochen.

Der Co-Vorsitzende der Linken, Robert Biedroń, kritisierte Gądeckis Brief an den Präsidenten scharf. Er erklärte: „Die Sitte, dass die Kirche über die Politik des Staates entscheidet, ist vorbei.“

Der Staatspräsident kündigte unterdessen eine eigene Gesetzesinitiative an, damit bei Unfruchtbarkeit auch andere Behandlungsmethoden als IvF aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Angesichts der demografischen Herausforderungen bemühe sich Duda um Chancengleichheit für alle, die mit Unfruchtbarkeit zu kämpfen hätten, so das Präsidialamt.

IvF-Gegner kündigten bereits Proteste und Demonstrationen an. Krzysztof Kasprzak von der Stiftung „Leben und Familie“ sagte laut dem Kirchensender Radio Maryja, es sei notwendig, dem Präsidenten zu zeigen, dass er die falsche Entscheidung getroffen habe. (KNA/eb)

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