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Getreide erfolgreich vermarkten

Getreide verkaufen: Die besten Strategien in chaotischen Märkten

Getreide lagern.
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Dr. Olaf Zinke, agrarheute
am Mittwoch, 03.11.2021 - 10:48 (Jetzt kommentieren)

Die Getreidemärkte sind außer Rand und Band. Die Getreidepreise kletterten auf immer neue Rekordmarken. Gleichzeitig steigen die Kosten für Dünger, Diesel und Pflanzenschutz ins Unermessliche.

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Wie soll man als Landwirt mit dieser Situation umgehen und vor allem wie soll man sein Getreide an unberechenbaren Märkten erfolgreich vermarkten? Soll man die Ernte einlagern und auf noch höhere Preise warten? Oder soll man am besten gleich verkaufen und von den hohen Preisen profitieren?

„Wenn es darum geht, Entscheidungen auf der Grundlage der verfügbaren Informationen zu treffen, hat sich der Markt oft bereits weiterbewegt und diese Variablen in die Preise eingerechnet,“ sagt der Analyst und Berater Bryan Doherty. Besonders wichtig ist unter diesen Umständen die Vorbereitung auf die nächste Ernte – denn ausgesät sind Wintergetreide und Raps bereits. Um im Chaos der Märkte nicht unterzugehen und viel Geld zu verlieren, brauchen Landwirte unbedingt einen Vermarktungsplan.

Dieser sollte eine Strategie mindestens bis nach der nächsten Ernte enthalten und dem Landwirt ausreichend Orientierung in turbulenten Zeiten geben. „Wenn Sie nicht planen, dann planen Sie zu scheitern", sagt Martyn Foreman, Agrarökonom der University of Missouri zu den Ackerbauern in den USA. Das gilt unbedingt auch für deutschen Bauern.

„Durch die Aufstellung eines Getreidevermarktungsplans haben die Erzeuger eine bessere Chance, ihr Einkommen zu steigern, so dass die Investitionen, die sie in die Produktion ihrer Ernte gesteckt haben, sich auszahlen“ sagt Foreman. Bei der Entwicklung eines solchen Plans sagt Foreman außerdem, sollte man es so einfach möglich halten. So kann man eine Strategie entwickeln, die einfach umzusetzen und spezifisch für den eigenen Betrieb ist.

Ein komplett verrücktes Jahr

Getreidelager.

Landwirte, die von der großen Rallye dieses Jahres profitiert haben, lachen wahrscheinlich den ganzen Weg zur ihrer Bank, während sie sich ein Strategie für die nächste Ernte überlegen. Doch selbst diejenigen, die einfach nur gewürfelt und gewonnen haben, sollten sich die Zeit nehmen, ihre Vermarktungsstrategien zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie die Lehren aus diesem ungewöhnlichen Jahr verstehen, sagt der Berater und Analyst Bryce Knorr.

Das vergangene Jahr war für viele Landwirte bei der Getreidevermarktung eine große Herausforderung. Wer lange nichts getan hat, wurde am Ende belohnt. Das ist aber nur selten so. Diejenigen, die bei den Rallyes im vorigen Winter und in diesem Sommer verkauft haben, sind frustriert, weil sich der Markt sich am Ende viel stärker bewegte als von den meisten erwartet wurde, und das Angebot kontinuierlich herabgestuft wurde, sagt der Analyst Bryan Doherty. „Es ist verständlich, dass die Verkäufer enttäuscht sind, wenn die Preise immer weiter steigen.

Sie wissen zwar, dass ihre Verkäufe gut waren, aber Sie können das nagende Gefühl des Bedauerns nicht loswerden“, beschreibt der Analyst die typische Stimmungslage. Hinzu kommt: Wenn die Preise nach den Verkäufen kippen, haben die Bauern das Gefühl, nicht genug verkauft zu haben. Es ist der Fall einer nie enden wollenden Spirale des Bedauerns über Entscheidungen, sagt Doherty.

Für viele kann dies bis zu einem Punkt kommen, an dem es die einfachste Entscheidung ist, keine Entscheidung mehr zu treffen. Manchmal, wie in diesem Jahr, mag sich das auszahlen. In der Geschichte der Preisbewegungen bei Getreide und Ölsaaten ist diese Strategie jedoch meistens nach hinten losgegangen. Wichtig ist also: Als Landwirt sollte man auch auf überraschende Entwicklungen gut vorbereitet sein.

Klar muss dabei sein, es gibt nicht „die richtige Lösung“, um Getreide erfolgreich zu vermarkten. Jeder Betrieb ist anders und jeder Landwirt ist anders. Wichtig ist es das spezifische Risiko seines Betriebes zu bestimmen und zu steuern. Dabei hilft eben ein Getreidevermarktungsplan mit ganz konkreten Festlegungen.

Anbauplanung entwickeln

Ausgangspunkt ist ein Anbauplan, der die notwendigen Fruchtfolgen berücksichtigt und das Potenzial der Erträge maximiert. Solch ein Anbauplan, der vor dem Start in die neue Saison entwickelt wurde, hilft dem Landwirt zu berechnen, wie viel von jeder Kultur angebaut werden kann und wo seine Gewinnspannen liegen. Ein solches Vorgehen kann den Stress und das Chaos einer Produktionssaison wieder dieser erheblich reduzieren und Rentabilität und Produktivität spürbar verbessern.

Neben den angebauten Kulturen gehören alle wichtigen agronomischen Faktoren in den Anbauplan, einschließlich Fruchtfolgen, Herbizideinsatz und spezielle Ausrüstungsanforderungen. Die Berechnung der Kosten gehört ebenso dazu. So lässt sich zunächst einmal auch der Preis ermitteln, den der Landwirt benötigt, um Zahlungsverpflichtungen und Kosten für das Erntejahr zu decken.

Auch bestimmte Reserven, die durch solche Faktoren wie Dürre, Überschwemmungen, fallende Preise oder steigende Produktionskosten verursacht werden könne, sollten zumindest bedacht werden.

Marktanalyse ist enorm wichtig

Maispreise.

Besonders wichtig ist das unvoreingenommene sammeln von Marktinformationen aus glaubwürdigen Quellen. Dies ist nötig, um gute Entscheidungen bei der Getreidevermarktung zu treffen. Bei der Entscheidung zum „richtigen“ Verkaufspreis sollten immer verschiedene Informationsquellen herangezogen werden. Dazu gehört auch der regelmäßige Kontakt mit Berufskollegen, lokalen Beratern, Getreidehändlern, Brokern und Marktanalysten.

Auch hier unterscheidet sich das Konzept bei der Sammlung und Beurteilung der Marktinformationen bei jedem Landwirt. Einige Bauern möchten am liebsten eine genaue Preisberatung und eine Aufforderung zum Verkauf. Andere beurteilen die Marktdaten am liebsten selbst. Unabhängig davon, woher man seine Informationen bezieht, sollten der Landwirt immer auch Angebote von einem Makler, Händler oder Getreideunternehmen einholen, die daran interessiert sind, das Getreide selbst zu kaufen.

Ein Analysten-Sprichwort besagt, dass das Wetter die Märkte bestimmt. Das bedeutet natürlich, dass das Wetter der dominanteste Faktor ist, der die Produktion und die Preise beeinflusst. Jedoch ist es auch ein Faktor, der immer unbekannt ist. Am besten ist also, von normalem Wetter und normaler Produktion auszugehen, bis das Gegenteil des Fall ist. Auf schlechtes Wetter vorbereitet zu sein, ist also ebenfalls ein Teil der Gleichung.

Wo liegt die Verkaufsschwelle – der Break-Even-Preis

Wichtig es zu verstehen, wo man in einem sich ständig ändernden Markt steht. Das heißt, findet bestimmt man die Preisschwelle für den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf. Grundlage ist hier die Schätzung der eigenen Produktionskosten für jede Kultur. Nur so lässt sich der Break-Even-Preis für jede Getreideart berechnen. Das ist überhaupt die Voraussetzung dafür, das Getreide über der Gewinnschwelle zu verkaufen.

Dabei ist es gut einen bestimmten Zielpreis vor Augen zu haben, damit man nicht  nicht darauf wartet, dass der Marktpreis immer höher steigt. Die meisten Analysten empfehlen deshalb auf Nummer sicher zu gehen und bei Erreichen eines bestimmten Zielgewinns sein Getreide auch wirklich zu verkaufen. „Fakt ist, dass die Preisvolatilität im kommenden Jahr groß sein wird. In die Höhe schießende Inputkosten und der Bedarf an großen Ernten deuten derzeit darauf hin, dass weder auf der südlichen noch auf der nördlichen Hemisphäre Raum für Ausfälle bei der Getreideproduktion besteht“, sagt Doherty.

„Gut ist es deshalb Verkaufsfristen im Voraus festzulegen, dass hilft, Emotionen zu dämpfen, die mit Entscheidungen in stark schwankenden Märkten verbunden sind“, sagt deshalb Foreman. „Dies ist oft einer der schwierigsten Aspekte der Getreidevermarktung. Verkaufsfristen zwingen zur Disziplin bei der Vermarktung.“

Vorkontrakte und Einlagerung

Getreide.

Wichtig bei der Vermarktung von Getreide ist: Der Landwirt sollte das  Vermarktungsrisiko durch Instrumente wie die Einlagerung oder Vorverträge oder andere Optionen reduzieren. Die Wahl solcher Instrumente hängt auch immer von den speziellen Anbaubedingungen, dem Standort und dem Risiko ab, das man eingehen möchte. Das Treffen angemessener Entscheidungen erfordert ein gutes Verständnis der Vertragsbedingungen und/oder der sich daraus ergebenden Verpflichtungen.

Da ist zunächst der Vorverkauf und die dabei vereinbarten Vorverkaufspreise (Forward Pricing). Sie bieten die Möglichkeit, während eines Preisanstiegs (so wie jetzt) hohe Preise zu vereinbaren, bevor die Ernte ausgesät oder geerntet ist. Vorkontrakte versetzen den Landwirt in die Lage, von einem hohen Markt zu profitieren. Sie können aber auch dazu führen, dass das persönliche Kursziel nicht erreicht wird.

Ein wichtiges Vermarktungsinstrumente ist die Getreidelagerung. Eine Vielzahl von Finanz- und Marktvariablen beeinflusst, ob und wie lange man Getreide lagern sollten oder nicht. Preisschwankungen, Basistrends, kurz- und langfristige Zinssätze sowie die Kosten für den Kauf oder die Anmietung von Lagerstätten müssen bei Lagerentscheidungen berücksichtigt werden. In Zeiten in denen die Rohstoffpreise niedrig sind, kann die Getreidelagerung durchaus auch ein Zuschussgeschäft sein.

Deshalb sollte der Endpreis zumindest die Lagerkosten decken. In den letzten Jahren zahlten sich die Einlagerung jedoch immer aus und man konnte einige Monate nach Ernte deutlich höhere Erlöse verbuchen.

Terminhandel als Option – und langfristige Planung

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Ein Futures-Kontrakt am Terminmarkt bietet dem Verkäufer die Möglichkeit, einen Preis für ein zukünftiges Datum zu sichern. Mit Futures können die Preise vor negativen Preisänderungen geschützt werden, die nach Kontraktabschluss auftreten. Durch den Kauf von Terminkontrakten und Optionen kann der Landwirt zudem auch nach der Lieferung des Getreides noch von steigenden Preisen profitieren.

„Wenn sich ein Landwirt je doch für den Handel mit Futures, Optionen oder komplexeren Instrumenten entscheidet, sollten man die Vertragsbedingungen und damit verbundenen Risiken genau kennen“, sagt Foreman

Ein Schlüssel für die erfolgreiche Getreidevermarktung liegt außerdem in der Vorausplanung. Die Strategie sollte bis zu 12 Monate im Voraus erstellt werden, und Optionen für die Zeit vor der Aussaat, in der Vorernte und der Nachernte enthalten sowie die Hauptelemente des erfolgreichen Vermarktungsplans umfassen. Ein gutes Tool ist dabei eine Checkliste, die hilft die Umsetzung der Marketingstrategie zu vereinfachen.

Enorm wichtig ist auch, ein regelmäßiges überprüfen der Strategie und ein Vergleich mit den vergangenen Jahren. Abschließen muss man noch sagen: Ein gute Getreidemarketingplan ist nicht darauf ausgelegt, bei jedem Getreideverkauf den Höchstpreis zu erzielen. Vielmehr geht es um den langfristigen Erfolg.

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