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Bodenbearbeitung und Nachhaltigkeit

Pfluglos ackern: Bringt doch nichts? - Neue Fakten

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Dr. Olaf Zinke, agrarheute
am Freitag, 12.11.2021 - 18:00 (5 Kommentare)

Pfluglose Bodenbearbeitung im Ackerbau ist nicht so nachhaltig wie bislang angenommen. Das sagt jetzt eine Metaanalyse der Universität Basel.

Zuvor war bereits der Bodenforscher Axel Don vom Thünen-Institut in Braunschweig zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen. Über die Erkenntnisse von Axel Don hatte es auf agrarheute bereits eine heiße und sehr kontroverse Diskussion gegeben (siehe unten).

Die Wissenschaftler der Universität Basel orientierten sich bei ihren Untersuchungen an den von den Vereinten Nationen formulierten 17 Nachhaltigkeitszielen. Dazu zählt auch das Ziel einer nachhaltigeren Landwirtschaft. In den letzten Jahrzehnten sind in diesem Bereich viele Studien durchgeführt worden, mit dem Ziel, ressourcenschonendere landwirtschaftliche Verfahren zu entwickeln.

Im Bereich des Ackerbaus empfehlen die internationale Organisationen wie die Weltbank oder die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) seit längerem drei Prinzipien: pflugloser Ackerbau, das Zurücklassen von Stroh auf dem Feld und Wechselwirtschaft, sagen die Baseler Wissenschaftler um Professor Nikolaus Kuhn vom Departement Umweltwissenschaften.

Der bisherige Fokus lag dabei vor allem auf dem pfluglosen Ackerbau und der Direktsaat. Damit ist gemeint, dass der Boden nicht gepflügt, sondern die Saat in den unbearbeiteten Boden gepflanzt wird. Ziel dieses Vorgehens ist es, die Böden vor Erosion zu schützen, mehr Kohlenstoffdioxid zu speichern (also Humusaufbau) und den Ernteertrag zu steigern.

Kein positiver Effekt der Direktsaat

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Ein Problem war nach Einschätzung von Kuhn: Es wurde nie exakt definiert, was unter dem Verfahren des pfluglosen Ackerbaus genau gemeint wird. Unklar war vor allem, ob das Zurücklassen von Stroh auf dem Feld  ein Teil des Verfahrens ist.

Am Ende kamen einige Studien zum Ergebnis, dass pflugloser Ackerbau äußerst effektiv sei. Andere Untersuchungen – wie etwa von Axel Don - fanden keinen positiven Effekt. Auch von Seiten der Bauern stieg die Skepsis, da es teilweise sogar zu Ernterückgängen kam, sagt Kuhn.

Zusammen mit seinem seinem ehemaligen Doktoranden Liangang Xiao von der North China University hat der Schweizer Wissenschaftler deshalb in einer Metaanalyse 49 verschiedene Studien untersucht.

Das Ergebnis war: Die gesetzten Ziele – die Speicherung von Kohlenstoffdioxid (Humusaufbau), Bodenschutz und Erntesteigerung – sind mit pfluglosem Ackerbau und der Direktsaat allein nicht zu erreichen. Wird hingegen nach der Ernte das Stroh auf dem Feld zurückgelassen, setzen die gewünschten positiven Effekte ein.

Kritik an den poltischen Vorgaben

Die stark variierenden Resultate in den bisherigen Studien erklärt Kuhn mit der ungenauen Definition des Verfahrens und dem Vorgehen der internationalen Organisationen, mit universellen und vereinfachten Lösungsansätzen in die Praxis zu gehen.

Nach Kuhn zeigen die aktuell zur Verfügung stehenden Daten nun, dass das Zurücklassen von Stroh auf dem Feld ein vielversprechenderer Ansatz für einen nachhaltigen Ackerbau sei als die pfluglose Bodenbearbeitung allein.

Der Wissenschaftler warnt aber davor, den Fokus jetzt wieder komplett auf das eine Verfahren allein zu richten: „Die Natur ist zu vielfältig, um mit einem einzigen Verfahren global gute Ergebnisse zu erzielen.“

m der Skepsis vieler Landwirte gegenüber den Empfehlungen aus Wissenschaft und Politik entgegenzuwirken, sei es in Zukunft wichtig, nicht mehr vereinheitlichenden globalen Lösungen zu suchen. Vielmehr gelte es, lokal und im Austausch mit den Menschen vor Ort das jeweils passende Verfahren zu entwickeln, stellen die Wissenschaftler fest.

Thünen-Institut: Kein zusätzlicher Humusaufbau

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Das Thünen-Istitut in Braunschweig hat in einer umfassenden Untersuchung der landwirtschaftlichen Böden in Deutschland viele Erkenntnisse gewonnen. Eine davon: Die pfluglose Bodenbearbeitung, bei der der Acker mit chemischen Pflanzenschutzmitteln unkrautfrei gemacht wird, hat offenbar kaum positive Wirkungen auf den Humusgehalt des Bodens. Das widerspricht ganz offensichtlich der bislang geltenden Mehrheitsmeinung unter Landwirten und auch den Aussagen von zahlreichen Wissenschaftlern.

Der Bodenforscher des Thünen-Instituts in Braunschweig, Dr. Axel Don, war für die umfassende Bodenzustandserhebung des BMEL verantwortlich. Er hat auch die Effekte der pfluglosen Bodenbearbeitung untersucht und zudem zahlreiche andere Studien ausgewertet und zur Beurteilung herangezogen. Don sagt: „Für eine Klimabilanz ist mehr als ein im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlicher Blick nötig. Während es an der Bodenoberfläche unter Direktsaat zu einer Humusakkumulation kommt, nimmt der Humusgehalt in den darunter liegenden Schichten der Ackerkrume ab.“

Weiter heißt es: „Humus stammt nämlich aus Wurzel- und Ernterückständen und Wirtschaftsdüngern und kommt deshalb hauptsächlich von oben in den Boden. Ohne wendende Bodenbearbeitung mit dem Pflug bleibt der neu gebildete Humus nahe der Bodenoberfläche.“ Er wird also nicht gleichmäßig in die Ackerkrume eingemischt, wodurch weniger Humus in den unteren Teil der Ackerkrume gelangt.

Besserer Erosionsschutz - aber mehr Chemie

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In mehr als 100 Feldversuchsstudien die das gesamte Bodenprofil berücksichtigen hat das Thünen-Instituts herausgefunden: Bei Direktsaatverfahren ohne Bodenbearbeitung ergab sich im Mittel eine Speicherung von gerade einmal 150 kg/ha Kohlenstoff im Jahr. Bei vielen Studien kam es sogar zu Humusverlusten.

Fazit ist also: Die Wissenschaftler haben bei der pfluglosen Bodenbearbeitung keine signifikante Humusakkumulation gefunden. Gleiches gilt auch für eine reduzierte Bodenbearbeitung: Auch hier ergaben langjährige Versuchen im Mittel nur eine geringe Erhöhung der Humusvorräte. Außerdem waren diese nach mehreren Jahrzehnten nicht sicher nachweisbar.

Direktsaat ist in Deutschland allerdings nicht so stark verbreitet wie etwa in den USA oder in Südamerika. Aber: Immer mehr Landwirte haben in den letzten Jahren auf reduzierte Bodenbearbeitung umgestellt. Ziel ist eine Verbesserung der Bodenstruktur, Schutz vor Erosion. Und natürlich auch weniger Arbeitsaufwand und Feldüberfahrten. Einen positiven Klimaschutzeffekt durch Humusanreicherung gibt es wie oben gesagt jedoch nicht.

Ein weiterer Nachteil ist nach Einschätzung der Thünen-Forscher um Axel Don: Die Direktsaat ist nur in Kombination mit einem erhöhten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln möglich. Mindestens ein zusätzlicher Einsatz eines Totalherbizids (z.B. Glyphosat) ist bei Direktsaatverfahren nötig. Positiv für die Umwelt und die Geldbörse ist jedoch der geringere Verbrauch an Dieselkraftstoff bei pfluglosen Verfahren.

Aber: Sowohl die Herstellung als auch der Transport von Pflanzenschutzmitteln erzeugen Treibhausgase, die in der CO2-Bilanz zu berücksichtigt werden müssen. Danach ist es also fraglich, ob der Verzicht auf den Pflug dem Klimaschutz wirklich dient. Die eindeutigen Vorteile der pfluglosen Bodenbearbeitung liegen vor allem beim Erosionsschutz und der Einsparung von Arbeitszeit.

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