Haushunde | Ratgeber Tiermedizin

Scheinträchtigkeit – lästig, aber keine Krankheit

Die eine wird´s, die andere nicht. Manche Hündinnen entwickeln im Anschluss an eine Läufigkeit, sofern sie nicht tragend werden, eine sogenannte Scheinträchtigkeit. Sie tritt etwa vier bis acht Wochen nach der Läufigkeit auf und kann bis zu zwei, selten auch mal drei Monate andauern. In diesem Zeitraum schwillt das Gesäuge an. Manchmal sogar so doll, dass Milch einschießt und es zur Tröpfchenbildung an den Zitzen kommt.

Eine Scheinschwangerschaft macht Hündinnen rastlos.
Eine Scheinschwangerschaft macht Hündinnen rastlos. Foto: © privat

Um den Druckschmerz loszuwerden, belecken manche Hündinnen ihr Gesäuge, was den Milchfluss weiter fördert. Viele Hündinnen fressen in dieser Zeit sehr schlecht, einige wenige hauen rein als gäbe es kein Morgen mehr. Die einen sind zickiger und missgelaunter als sonst, die anderen fangen an Nester zu bauen und schleppen Stofftiere mit sich herum. Allen gemein ist jedenfalls, dass etwas anders ist als sonst. Nach einigen Wochen gibt sich das auffällige Verhalten von selbst wieder, und alles geht seinen gewohnten Gang. Doch nach der nächsten Läufigkeit beginnt das Spiel von vorne. Denn eine Hündin, die einmal scheinträchtig geworden ist, wird es meistens immer wieder. Außerdem nehmen die Symptome im Laufe der Jahre in der Summe eher zu als ab.

Eigentlich ist dieser Vorgang physiologisch und damit ganz normal. Zurückzuführen ist die Scheinträchtigkeit auf das Zusammenleben im Rudel, als die Hunde noch Wölfe waren.

Nur die Leitwölfin bekam seinerzeit Junge. Doch der Zyklus aller weiblichen Tiere eines Rudels verlief synchron. Die untergeordneten Wölfinnen, die leer blieben, wurden dafür scheinträchtig. In ihren Brustdrüsen wurde ebenfalls Milch angebildet, wie bei der Wölfin, die wirklich geworfen hatte. Ein genialer Schachzug von Mutter Natur. So fungierten alle weiblichen Wölfe entweder als echte Mutter oder zumindest als Amme, und der Nachwuchs wurde optimal versorgt und hatte auf diese Weise mehr als genug Milch, um prächtig gedeihen zu können. Selbst wenn die Leitwölfin verletzt war oder gar zu Tode kam, mussten sich die Welpen keine Sorgen machen. Milch gab es immer mehr als genug von allen Seiten.

Heutzutage ist die Scheinträchtigkeit eher lästig und manchmal sogar eine echte Belastung für Tier und Besitzer. Dem Milchfluss kann durch Medikamente entgegengewirkt werden. Um den psychischen Veränderungen Herr zu werden, sollte viel Ablenkung durch den Besitzer erfolgen. Lange Spaziergänge können helfen, die Hündin auf andere Gedanken zu bringen. Alles was die Hündin als Welpenersatz durch die Gegend schleppt, gerne sind es Stofftiere, aber auch Kissen oder Pantoffeln kommen zum Einsatz, sollte der Besitzer entfernen. Eine echte Trächtigkeit hat keinerlei Einfluss auf zukünftige Scheinschwangerschaften. Die Hündin einmal decken zu lassen, in der Hoffnung, damit kommenden Scheinträchtigkeiten den Garaus zu machen, bringt also nichts.

Dauerhaft hilft nur die Kastration der Hündin.

Sie kann in ausgeprägten Fällen ein probates Mittel sein, die Scheinträchtigkeit zu unterbinden. Leichte Fälle von Scheinschwangerschaften bedürfen aber ohnehin keiner Behandlung und können bedenkenlos ausgesessen werden.

Dr. med. vet. Tina Hölscher

Tierärztin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.