Diagonale Verweisung eines zivilrechtlichen Rechtsstreits in zweiter Instanz

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Die richtige Anwendung der Verweisungsvorschriften in der ZPO ist nicht immer leicht zu handhaben. 

Der folgende Fall behandelt die Problematik einer diagonalen Verweisung eines Rechtsstreits in der Berufungsinstanz. Im Falle der Verweisung oder Abgabe an ein anderes Gericht derselben Instanz liegt eine horizontalen Verweisung vor. Eine diagonale Verweisung ist demgegenüber gegeben, wenn das Verfahren von einem höheren Gericht an ein niedrigeres Gericht eines anderen Rechtszugs verwiesen wird.

In einem zunächst bei dem Landgericht Berlin und später bei dem Kammergericht geführten Verfahren nahm der Mandant eine Treuberatungs- und Steuerberatungsgesellschaft wegen seiner  Kommanditbeteiligung an einem Medienfonds u.a. wegen Pflichtverletzungen aus dem Treuhandvertrag auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte fungierte als Treuhandkomman-ditistin und Mittelverwendungskontrolleurin der Fondsgesellschaft.

Der Mandant zahlte an den Fonds 35.000,00 € und kaufte später eine im Zusammenhang mit der Beteiligung begebene Inhaberschuldverschreibung zu einem Betrag von 1.264,38 € zurück. 

Das Landgericht Berlin hat die auf Schadensersatz gerichtete Klage mit Urteil vom 27.05.2016 - 3 O 305/15 - abgewiesen. 

Der Kläger legte gegen die Entscheidung des Landgerichts form- und fristwahrend Berufung bei dem Kammergericht ein. 

Über das Vermögen der Beklagten wurde am 01.04.2018 bei dem Amtsgericht Charlottenburg das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 23.05.2018 hat das Amtsgericht die Eigenverwaltung angeordnet. Die Beklagte verfügte zum Zeitpunkt der Beteiligung des Klägers über eine Berufshaftpflichtversicherung, welche die berufliche Tätigkeit als nicht geschäftsführende Treuhänderin unter Versicherungsschutz stellte. 

Der Mandant meldete seine im Klageverfahren geltend gemachten Forderungen im Insolvenzverfahren der Beklagten zur In-solvenztabelle an. Zugleich wurde abgesonderte Befriedigung unter gleichzeitiger Anmeldung des Ausfalls beansprucht. Die Forderung wurde klassifiziert als „Forderung auf Schadensersatz aufgrund von Pflichtverletzungen aus dem Treuhandvertrag“.

Nachdem der Sachwalter, der Berufshaftpflichtversicherer und die eigenverwaltende Schuldnerin die Forderungen bestritten bzw. Widerspruch gegen diese erhoben haben, nahm der Mandant das Verfahren bei dem Kammergericht wieder auf und er-weiterte die Klage auf den Sachwalter und die Berufshaftpflichtversicherung. Er verfolgte sein Klagebegehren dergestalt weiter, dass er von den Beklagten die Feststellung seiner Ansprüche zur Insolvenztabelle begehrte und (zusätzlich) im Verhältnis zum Berufshaftpflichtversicherer – da es noch keinen rechtskräftigen Zahlungstitel gegen die Insolvenzschuldnerin gab – festgestellt wissen wollte, dass die Versicherungsnehmerin gegen den Versicherer einen Befreiungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag hatte. 

Da in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung das sog. Trennungsprinzip gilt, wonach die Haftpflichtfrage einerseits und die Deckungsfrage andererseits unabhängig voneinander in getrennten Prozessen zu verhandeln sind (BGH, r+s 2007, 241), rügte der Versicherer hinsichtlich der Deckungsklage die örtliche Zuständigkeit des Kammergerichts. Ferner wurde der Klageerweiterung in zweiter Instanz gem. § 533 ZPO widersprochen und angeführt, dass die erst in der Berufungsinstanz in den Rechtsstreit „hereingezogene“ Beklagte nicht gegen ihren Willen eine Tatsacheninstanz verlieren dürfe. Ausweislich des Trennungsprinzips hätte die Klagepartei den beklagten Versicherer im (getrennt vom Haftungsverfahren) nachgelagerten Dekkungsprozess bei dem örtlich zuständigen Landgericht Köln in Anspruch nehmen müssen. Nach Auffassung des Versicherers sei daher die die Deckungsklage mit Zwischenurteil als unzulässig abzuweisen.

Mit Beschluss vom 23.06.2020 hat das Kammergericht den Rechtsstreit hinsichtlich des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs gegen den Berufshaftpflichtversicherer abgetrennt; das Kammergericht hat sich auf den Hilfsantrag des Klägers für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit bezüglich der Deckungsklage an das örtlich zuständige Landgericht Köln verwiesen.

Foto(s): B. Zimmermann

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