Keine Rückzahlung von Vorschüssen nach Klageabweisung

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Mit Urteil vom 16.01.2023 hat das Amtsgericht Werl die Klage einer Versicherung gegen meine Mandantin abgewiesen. Die Versicherung hatte die Angestellte auf Rückzahlung von Vorschüssen nach einem ärztlichen Behandlungsfehler in Anspruch genommen.

Meine Mandantin hatte dem behandelnden Arzt vorgeworfen, eine fehlerhafte Thromboseprophylaxe nach einer Fraktur ihres linken Fußes durchgeführt zu haben. Die Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 5.000 Euro und den Feststellungsantrag zur Absicherung der Zukunftsschäden der Mandantin hatten das Landgericht Bielefeld und das Oberlandesgericht Hamm durch Urteil zurückgewiesen. Der gerichtliche Sachverständige hatte keinen Behandlungsfehler bestätigt.

Vor Einreichung der Klage hatte die Versicherung auf das geforderte Schmerzensgeld 1.600 Euro und meine Rechtsanwaltsgebühren bezahlt. Dazu hatte sie in einem Schreiben mitgeteilt:

"Wir sind grundsätzlich regulierungsbereit, sehen es aber aufgrund des glimpflichen Ausgangs und der noch sehr lange nicht eintretenden Verjährung nicht als notwendig an, bereits jetzt einen Zukunftsschadensvorbehalt auszusprechen.

Wir versichern, im Rahmen der bestehenden Deckungssumme auf die Einrede der Verjährung bis 31.12.2021 zu verzichten.

Sollten dann noch kausale Beschwerden vorhanden sein, prüfen wir gerne erneut.

Sofern Ihre Mandantin zwischenzeitlich das bestehende Restrisiko überschauen kann, wären wir bei vorbehaltloser Erledigung bereit, noch weitere EUR 1.000,00 zu zahlen. Dieses Angebot halten wir bis zum 01.08.2018 aufrecht."

Die Mandantin hatte mir den Auftrag erteilt, Klage gegen den Arzt zu erheben, die in zwei Instanzen zurückgewiesen wurde. Nach dem Prozess verlangte die Haftpflichtversicherung des Arztes die Rückzahlung der 1.600 Euro und die Rechtsanwaltskosten zurück.

Das Amtsgericht Werl hat festgestellt: Der Haftpflichtversicherung des Arztes stehe kein Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Absatz 1 Satz 1 BGB zu. Es könne dahinstehen, ob und inwieweit das Schreiben der Haftpflichtversicherung vom 03.05.2018 ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis sei, das den Rechtsgrund für ein Behaltendürfen der erhaltenen Beträge der Patientin darstellen könnte. Die Klage scheitere jedenfalls daran, dass die Patientin der Haftpflichtversicherung den Einwand des § 814 BGB entgegenhalten könne.

Die Haftpflichtversicherung habe darauf verzichtet, ihre erbrachten Leistungen als vorläufig zu bezeichnen oder unter den Vorbehalt zu stellen, dass die Regulierung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolge. Im Gegenteil: Die Versicherung habe schriftlich erklärt, sie sei "grundsätzlich regulierungsbereit". Damit habe sie nicht zum Ausdruck gebracht, nur unter einem Rückforderungsvorbehalt oder einer sonstigen Einschränkung zu regulieren. Sie habe weiterhin mitgeteilt, eine endgültige vorbehaltlose Erledigung käme gegen einen weiteren Betrag von 1.000 Euro in Betracht. Das Angebot bezog sich auf das Restrisiko.

Aus Sicht der Patientin sei nicht erkennbar, dass die Versicherung unter dem Vorbehalt der Rückforderbarkeit ihre Leistungen erbringen wollte. Soweit in der Rechtsprechung die verschiedenen Formulierungen in Regulierungsschreiben "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" oder "unter Vorbehalt" unterschiedlich ausgelegt würden, komme es hierauf schon deshalb nicht an, weil sich eine solche einschränkende Formulierung im Regulierungsschreiben der Versicherung nicht befinde. Grundsätzlich regulierungsbereit sei weiter auszulegen als die Formulierung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 26.07.2016, AZ: 9 U 150/15, juris; OLG Hamm, Urteil vom 07.05.1986, AZ: 20 U 375/85, Beck Online; LG Magdeburg, Urteil vom 26.04.2011, AZ: 10 O 75/10, Beck Online).

(Amtsgericht Werl, Urteil vom 16.01.2023, AZ: 4 C 348/20)
Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht


Foto(s): adobe stock fotos

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