Schlaglochpisten: Straßenzustand wird immer schlechter
Hamburg (dpa/tmn) - Bei der Fahrt zur Arbeit kommen sich manche Berufspendler fast wie Rallye-Fahrer vor. Durchgerüttelt von unzähligen Schlaglöchern, wähnen sie sich eher auf der Rallye Monte Carlo als auf ihrer Hausstrecke im wegetechnisch erschlossenen Europa.
Denn der Zustand insbesondere kommunaler Straßen hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert, klagen die Autoclubs. Und der harte Winter hat mancher Straße den Rest gegeben. Am Straßenzustand dürfte sich wegen der angespannten Finanzlage der Gemeinden auch so schnell nichts ändern. Diese Entwicklung sehen Experten mit Sorge, weil darunter auch die Verkehrssicherheit leidet.
Von den fast 400 000 Kilometern, die das kommunale Straßennetz in Deutschland umfasst, sind laut Rainer Hillgärtner vom Automobilclub ACE mehr als 64 000 Kilometer wegen schwerwiegender Schäden "dringend sanierungsbedürftig". Das entspricht fast einem Sechstel aller Gemeindestraßen. Bemerkbar macht sich das in tief klaffenden Schlaglöchern, zerbröselndem Asphalt, Spurrillen und steilen Abrisskanten. "Die Lage ist schon dramatisch", sagt der ACE-Sprecher.
Der TÜV Rheinland schätzt, dass auch aufgrund des harten Winters, den Deutschland in den vergangenen Wochen erlebt hat, 30 bis 40 Prozent aller Straßen in Deutschland "stark geschädigt" sind. Oft werden die Schäden erst mit einsetzendem Tauwetter deutlich: Wasser dringt an vorgeschädigten Stellen durch feine Risse in den Belag ein und weicht den Untergrund auf. Bei Frost sprengt das Wasser in den Rissen den Asphalt regelrecht auf.
Der ACE hat ausgerechnet, dass die Gemeinden zur Beseitigung der Schäden mehr als 25 Milliarden Euro aufwenden müssten. Es ist kaum anzunehmen, dass die Kommunen, die notorisch klamm bei Kasse sind und sparen müssen, wo sie nur können, in absehbarer Zeit Geld für die Sanierung haben. Es sei ihnen auch kaum vorzuwerfen, wenn sie statt des Straßenbaus lieber den Ausbau von Kindergärten fördern, räumt Hillgärtner ein. Das Problem bei maroden Straßen sei nur, dass sich die Schäden potenzieren, wenn sie nicht rechtzeitig behoben werden.
Hinzu kommt, dass die Straßen nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bereits heute die Hauptlast des Güter- und Personenverkehrs tragen. Alle Prognosen gingen von einer weiteren Zunahme aus. Die Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur stiegen somit sogar noch. Es müsste also eher mehr für den Unterhalt der Straßen getan werden, anstatt dabei weiter Geld einzusparen.
Für nicht akzeptabel hält der ACE außerdem das Missmanagement beim Erhalt kommunaler Straßen. Vielerorts fehle eine systematische Erfassung des Straßennetzes und seines Zustands - ebenso wie eine durchdachte Bestandspflege und ein pragmatisches Baumanagement. So kommt es immer wieder vor, dass Gemeindestraßen innerhalb weniger Wochen mehrmals hintereinander aufgerissen werden, weil Gasleitungen, Strom- und Telefonkabel oder Abwasserkanäle zu erneuern sind. Weil die Bauarbeiten nicht koordiniert werden, wird dann eben mehrmals gebuddelt, was dem Zustand der Straßen nicht gerade förderlich ist.
Und marode Straßen wirken sich wiederum nachteilig auf die Verkehrssicherheit aus. "Das Unfallrisiko steigt", sagt Detlev Lipphard vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Schlaglöcher, Spurrillen und Absätze am Fahrbahnrand erhöhten etwa das Sturzrisiko von Rad- und Motorradfahrern. Und wenn Markierungen nicht mehr zu erkennen sind, sei das ein Risiko für alle Verkehrsteilnehmer.
Rainer Hillgärtner weist darüber hinaus auf steigende Kosten für Autofahrer aufgrund der schlechten Straßen hin: "Der Straßenzustand ist vielerorts ein prima Konjunkturprogramm für Kfz-Werkstätten." Bei ständigen Fahrten über Rüttelpisten steige die Reparaturanfälligkeit insbesondere von mechanischen Bauteilen am Fahrzeug. Es sei daher zu wünschen, dass sich am schlechten Straßenzustand bald etwas ändert.
Mitunter kann es nicht schaden, bei der Gemeinde Druck zu machen, damit immerhin die übelsten Schäden ausgebessert werden. Der ACE hat dazu einen "Schlaglochmeldedienst" im Internet eingerichtet. Unter www.ace-online.de/schlaglochmelder können Autofahrer auf Schäden hinweisen. Der Club geht den Meldungen nach und leitet sie weiter. "Die Resonanz ist beachtlich", erzählt Hillgärtner. Er hat beobachtet, dass die Kommunen die Hinweise ernst nehmen. Sie zu ignorieren, können sie sich auch nicht leisten. Schließlich haben sie laut Detlev Lipphard für ihre Straßen eine Verkehrssicherungspflicht. "Sie sind in Haftung zu nehmen, wenn sie nichts tun."
Dass jedes Schlagloch ausgebessert wird, können Autofahrer jedoch kaum verlangen, so Lipphard. Daher sei ihnen auf örtlichen Rüttelpisten nur zu raten, angepasst zu fahren. Daran halten sich übrigens auch Rallye-Piloten, die keineswegs blind drauflosheizen, sondern immer im Blick haben, was sie auf der Piste erwartet.
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