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7 Antworten zum bidirektionalen Laden

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Wenn E-Autos Strom abgeben und nicht nur aufnehmen, also bidirektional laden, stabilisieren sie die aus unsteten, regenerativen Quellen gespeisten Netze – und können Geld für ihre Besitzer verdienen.

Mitsubishi Outlander PHEV Bidirektionales Laden V2G / V2H
Foto: Mitsubishi

Bidirektionales Laden, kurz BDL, ist eines der großen Schlagworte rund um das E-Auto. Denn durch die Technik sollen die Fahrzeuge nicht nur für CO₂-freie Mobilität sorgen, sondern auch die Versorgung CO₂-freier Energie sicherstellen. Wie? Indem die Akkus der Autos als Energiespeicher für Geräte, Maschinen, unser ganzes Zuhause mit Strom versorgen. Sechs Antworten auf Fragen rund um das bidirektionale Laden.

1. Was ist bidirektionales Laden?

Im Unterschied zum unidirektionalen Laden fließt die Energie beim bidirektionalen Laden nicht nur in eine Richtung. Also nicht nur von der Steckdose oder der Wallbox ins Auto. Stattdessen kann sie beim bidirektionalen Laden in zwei Richtungen gelenkt werden. Das heißt, ein Akku kann über dieselbe Verbindung, über die er mit Strom versorgt wird, Strom abgeben bzw. andere Geräte mit Strom versorgen, also elektrische Energie abgeben.

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Im Grunde ermöglicht das technisch banal wirkende bidirektionale Laden damit nicht weniger als eine Revolution in Sachen Energieversorgung. Denn beim E-Auto galt – übrigens genau wie beim Verbrenner: Ist die Energie in Form von Strom oder Kraftstoff einmal dem Fahrzeug zugeführt, kann sie nur noch für einen Zweck genutzt werden: das Fahren. Klar konnte man mit einem Schlauch, einer großen Lunge und etwas Fingerspitzengefühl aus einem Benzintank wieder ein paar Liter Sprit abzapfen. Diese Form der Umnutzung ist aber in etwa so innovativ wie das Handy oder den Laptop über die USB-Anschlüsse bei laufendem Motor im Auto zu laden. Das eigentliche Potenzial des Tanks und der Batterie als Energie-Lager bleibt ungenutzt.

Durch bidirektionales Laden wird erstmals ein standardisiertes Verfahren angewendet, bei dem das Auto einen weiteren, ganz eigenen Nutzen zukommt, der nichts mehr mit dem Thema Mobilität zu tun hat.

2. Wie funktioniert bidirektionales Laden?

Im Grunde passiert beim bidirektionalen Laden dasselbe wie beim Laden des Autos. Strom fließt von einer Energiequelle zu einem Verbraucher. Während beim unidirektionalen Laden des E-Autos allerdings immer das Fahrzeug der Verbraucher ist, dient es beim bidirektionalen Laden als Energiequelle. Dafür muss das Elektroauto beispielsweise direkt mit einem Verbraucher verbunden sein. Dies funktioniert entweder über eine klassische Schukosteckdose im Innenraum oder wie etwa beim Kia EV6 oder Hyundai Ioniq 5, wo ein Adapter die CCS-Ladedose der Fahrzeuge zu einem Schuko-Stecker macht. Der kann dann einzelne Verbraucher wie eine Elektrokettensäge, eine Kaffeemaschine oder die Beleuchtung fürs Gartenfest mit Energie versorgen.

Durch bidirektionales Laden können Fahrzeuge aber auch bereits vorhandene Stromnetze, wie etwa das Netz eines Hauses samt Verbrauchern wie Kühlschränke oder WLAN-Router mit Strom versorgen. Dann wird der Strom vom Fahrzeug über die Wallbox in den Verteilerkasten eingespeist. Ähnlich funktioniert das schon heute bei Solaranlagen auf dem Hausdach. Wenn der Energiebedarf des Gebäudes klein genug ist, kann es auf diesem Weg ohne Strom aus dem Verteilnetz auskommen und sich autark mit Strom versorgen.

3. Was bringt ein Auto-Akku dem Stromnetz?

Die dritte und derzeit noch futuristische Variante des bidirektionalen Ladens ist die Anbindung und Steuerung der Stromabgabe direkt durch das Verteilnetz. Das heißt, der Strom wird nicht nur direkt im Haus verbraucht, sondern das Auto beziehungsweise der Akku und seine Energieabgabe werden so gesteuert wie das Gaskraftwerk im Nachbarort. Gerade bei diesem Bild wird aber schnell klar, dass ein einzelnes Auto im Vergleich zu einem großen Kraftwerk nur wenig für die Energieversorgung mehrerer Haushalte oder gar industrieller Anlagen beitragen kann. Deshalb arbeiten Forscher an Projekten, die mehrere Autos zu einer Art virtuellem Kraftwerk zusammenfassen. Das könnten Netzbetreiber dann entsprechend steuern. Einfaches Beispiel: Fahrzeuge aus einer Straße, in der viele Elektroautos an der Wallbox hängen, könnten die Häuser einer anderen Straße mit Strom speisen, über der gerade Wolken Schatten auf die Solardächer werfen.

4. Wofür ist bidirektionales Laden gut?

Von vielen Experten wird die Technik als der Wegbereiter für die Energiewende gehandelt. Denn das Problem vieler Prozesse der CO₂-freien Energieproduktion ist, dass sie unstet sind. Soll heißen, die Menge der produzierten Energie verändert sich ständig und vielleicht viel problematischer: Die Spitzen der Energieproduktion passen oft nicht zu den Spitzen auf der Nachfrageseite, also dem Bedarf von Bürgern und Unternehmen.

Bidirektionales Laden ermöglicht die Zwischenspeicherung des überschüssigen Stroms, den etwa Solarkraftwerke mittags liefern, um ihn abends, wenn alle das Licht anschalten, weil die Sonne nicht mehr scheint, zu verbrauchen.

Diese Technik ist an sich nichts Neues, denn bereits heute gibt es Solaranlagen mit Heimspeichern, die es den Hausbewohnern ermöglichen, den geernteten Sonnenstrom des Tages am Abend und in der Nacht zu nutzen.

In diesem Szenario stellt ein Auto-Akku schlicht eine (beträchtliche) Vergrößerung der Kapazität des Heimspeichers dar. In genau dieser Kapazitätsvergrößerung liegt der Vorteil der E-Auto-Akkus. Denn übliche Heimspeicher-Akkus kommen in der Regel auf Kapazitäten von bis zu fünf bis zehn kWh. Selbst moderne Elektro-Kleinwagen liefern jedoch häufig schon 45 kWh große Akkus, große Limousinen und SUV teils sogar über 100 kWh.

E-Auto-Akku vielseitig nutzen

Diese Größe bringt gleich mehrere Pluspunkte mit sich. So wird der Speicher nicht nur für einen einzigen Zweck genutzt, das heißt seine Amortisation und die aufgewendeten Ressourcen rechnen sich schneller und sind effizienter genutzt. Zum anderen liefert der große Akku viel Potenzial zur Aufnahme von überschüssiger Energie. Er kann also nicht nur Strom speichern, der in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs entsteht, etwa in der Solaranlage auf dem Dach des Carports, sondern auch den Strom von Windparks, Biogasanlagen, Solarfeldern oder anderen Energieproduzenten, die weiter entfernt sind.

Auf diesem Weg und verbunden mit einem vernetzen und intelligent gesteuerten Stromnetz können die Auto-Akkus nicht nur als Energiequelle genutzt werden. Denn selbst wenn der Netzbetreiber nur ein kleiner Teil der verfügbaren Akkukapazität des Autos nutzt, bietet das einen enormen gesellschaftlichen Mehrwert. Schließlich kann der Stromnetzbetreiber so überschüssige Energie dezentral speichern und wieder abrufen, wenn ein Engpass droht. Das spart Netzentgelte, die von allen Stromkunden getragen werden müssen, wenn eine Überlastung verhindert werden muss und zum Beispiel ein Reservekraftwerk zur Netzstabilisierung angefordert werden muss.

Bald übersteigt die Kapazität der Autos die der Windparks

Damit sich das lohnt, sind aber viele 100 oder sogar mehrere 1.000 Elektroautos nötig. Dadurch steigt das gesamte Potenzial des virtuellen Kraftwerks, längere Phasen der Stromknappheit im Netz zu überbrücken – und Speicher sind wichtig. Experten rechnen damit, dass die aktuell verfügbaren Stromspeicher des Landes gerade einmal 30 Minuten überbrücken können, wenn es zu Engpässen in der Energieproduktion kommt. Danach ist das Licht aus.

Zudem sinkt durch die Vielzahl die potenzielle Belastung für das einzelne Fahrzeug. Auf diese Weise kann es ausreichen, wenn der Netzbetreiber nur auf zehn Prozent des Akkus zugreift. Denn selbst wenn beispielsweise nur zehn Prozent des Akkus eines einzelnen Opel Corsa-e mit 46 kWh bereitstehen, entspricht das bei allen Corsa-e, die in den ersten 9 Monaten 2022 allein in Deutschland neu zugelassen wurden (9.654 Einheiten) einer Kapazität von 44,4 Megawattstunden. So würden allein diese Opel Corsa-E mehr als zehn Prozent der Energie bereitstellen können, die die beiden größten deutschen Offshore-Windpark Global Tech 1 und BARD Offshore 1 jeweils in einer Stunde liefern, wenn sie zu ihrer Hochform auflaufen. Entsprechend groß ist das Potenzial, wenn künftig alle Elektroautos fit gemacht werden, bidirektionales Laden zu unterstützen.

Hinzu kommt, dass sich E-Autos für die sogenannten netzdienlichen Funktionen nutzen lassen. Dabei handelt es sich um Stabilisierungsfunktionen, die verhindern, dass das Stromnetz aus seinem genormten 50 Hertz-Takt kommt, auf den viele Elektrogeräte in Industrie und Haushalt angewiesen sind. Bislang übernehmen große Stromproduzenten wie Gaskraftwerke diese Aufgabe. Durch eine Vernetzung mehrerer 100 oder gar 1.000 Auto-Akkus könnten mittelfristig Fahrzeuge, die bidirektional laden können, diese Funktion (mit-)leisten.

5. Was bringt bidirektionales Laden dem Autofahrer?

Neben der Möglichkeit der Erweiterung des eigenen Heimspeichers, der etwa an der Solaranlage hängt, gibt es im Wesentlichen zwei Anwendungen, die bidirektionales Laden für Autofahrer attraktiv machen, auch wenn sie keine eigene Energie produzieren.

Zum einen sind da die schwankenden Strompreise. Während die meisten Stromanbieter in Deutschland beim Preis nicht unterscheiden, wann der Strom verbraucht wird, ist es in vielen anderen Ländern längst üblich, den Strom günstiger an die Kunden weiterzugeben, wenn er an der Strombörse günstig zur Verfügung steht – und teuer, wenn er eben teuer eingekauft werden muss. In Deutschland kennt man dieses Prinzip von den sogenannten Nachtstromtarifen, die etwa Stromkunden mit Nachtspeicheröfen nutzen. Mit solchen Tarifen wird der Strom nachts in einer definierten Zeitspanne günstiger angeboten, wenn das Stromnetz viel überschüssige Energie bereithält und tagsüber teurer, wenn der Gesamtstrombedarf höher ist. Günstigere Tarife nutzen auch Wärmepumpen, deren Betrieb zwar eine bestimmte tägliche Dauer erforderlich ist, bei denen der Zeitpunkt des Betriebs jedoch eine untergeordnete Rolle spielt.

Strompreisunterschiede zwischen Tag und Nacht wachsen

Genau dieser Logik entsprechend lässt sich mit dem bidirektionalen Laden nachts billiger, überschüssiger Strom (beispielsweise aus Windparks) im Auto puffern und morgens, wenn der Gesamtstrombedarf im Netz und entsprechend die Preise höher sind, fürs Kaffeekochen, Duschen oder Heizen nutzen. Das mag marginal klingen, aktuell unterscheiden sich die Strompreise zwischen Tag- und Nachstrom in Deutschland aber zwischen 10 und 20 Prozent. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird dieser Unterschied vermutlich noch weiter steigen. Denn je mehr unstetige Energieproduktion das Netz speist, umso abhängiger sind die Netzbetreiber und Energieversorger davon, die Bedarfe zu steuern – und das erledigen Sie in der Regel über den Preis.

Theoretisch geht es aber sogar noch weiter. So könnten E-Autobesitzer durch bidirektionales Laden nicht nur sparen, sondern sogar Geld verdienen. Einige Experten gehen sogar davon aus, dass man in Zukunft komplett kostenlos E-Auto fahren wird, da der Fahrstrom der meisten Autofahrer nur ein Bruchteil dessen darstellt, den das gesamte Stromnetz in Deutschland jeden Tag benötigt. Und wie lässt sich daraus nun Kapital schlagen? Indem die Autobesitzer für die Bereitstellung ihrer Akkukapazitäten von den Netzbetreibern entlohnt werden. Genauso wie die Netzbetreiber derzeit die großen Energieproduzenten für diese Tätigkeiten entlohnen, wenn sie für netzstabilisierende Maßnahmen Kraftwerke vom Netz holen oder anfahren.

Ein Feldversuch von The Mobility House hat bereits gezeigt, dass die Rechnung aufgehen kann. Das Münchner Unternehmen hat zusammen mit Audi 18 ausrangierte E-Tron-Batterien als stationäre Speicher auf dem Berliner EUREF-Campus als Multi-Use-Speicher ans Netz gebracht. Die Akkus wurden so genutzt, als würden sie mit einem durchschnittlichen Fahrprofil 18.250 Kilometer im Jahr gefahren und mit 11 kW be- und entladen. Trotz Berücksichtigung von Mindestspeicherfüllständen bei Abfahrt und möglichst schonender Batterienutzung gelang es innerhalb des Projekts Erlöse im vierstelligen Euro-Bereich zu erzielen, indem eine eigens entwickelte Software die gespeicherte Energie real an der europäischen Strombörse gehandelt hat. Würde man etwaige Abzüge für anfallende Steuern oder Ähnliches mit in die Rechnung einbeziehen, blieben laut The Mobility House noch immer Einsparungen in Höhe von 650 Euro den Autofahrer möglich.

6. Schaden zusätzliche Ladezyklen dem E-Auto-Akku?

Hier sind sich die Experten einig: Bidirektionales Laden wird für die Akkus der Autos kein Problem darstellen, solange die Batterien überwacht werden und nur einen Teil ihrer Kapazität zur Verfügung stellen. Denn zum einen kommen heute moderne Lithium-Ionen-Akkus (NMC) Akkus zum Einsatz, die gut und gerne auf mehr als 2.000 Ladezyklen kommen, bevor sie das Zeitliche segnen. Technisch erreichen Stromer mit einem großen Akku daher mehr als eine Million Kilometer. Mit LFP-Akkus, die immer weitere Verbreitung finden, sind sogar 3.000 Zyklen und mehr drin möglich.

Zum anderen sind die Be- und Entladeströme, mit denen die Experten rechnen, vergleichsweise niedrig. Während ein Porsche Taycan mit bis zu 270 kW an der Schnellladedose lädt, werden die Leistungen beim bidirektionalen Laden wohl kaum mehr als 20 kW betragen. Der Grund: Die meisten Hausanschlüsse, an denen die Wallboxen angeschlossen sind, haben in der Regel nicht viel mehr als 45 kW Anschlussleistung, oft sogar weniger. Zudem sind die Wallboxen im Hausbereich – egal ob AC oder DC meist nicht stärker als 22 kW. Hinzu kommen überschaubare Ladehübe – sprich: Die entnommenen Strommengen beim einzelnen Auto sind gering.

Große Akkus sind gut fürs Stromnetz

Der Chef der E-Antriebs- und Batterie-Entwicklung bei Volvo, Lutz Stiegler, geht davon aus, dass die zeitliche Alterung der Auto-Akkus viel eher auftritt, als die durch Belastung hervorgerufene. Bidirektionales Laden sei daher kein Problem für die Akkus und würde die Alterung einer normal genutzten E-Auto-Batterie nicht beschleunigen. Es sei sogar klug, die wegen der Reichweitenangst großen Akkus über die Lebensdauer fürs bidirektionale Laden zu nutzen, ehe die kalendarische Alterung sie aus dem Markt nimmt. Voraussetzung ist natürlich eine kluge Software, deren Priorität das Wohlergehen des Akkus ist.

Aber machen wir das Ganze etwas plastischer. Wenn man unter der Maßgabe eines Corsa-e einen optimistisch niedrigen Verbrauch von 15 kWh/100 Kilometer zugrunde legt, kommt das Auto mit einem Vollladezyklus bei einer Nettoakkukapazität von 46 kWh rechnerisch 307 Kilometer weit. Unterstellt man, dass der Akku wenigstens 1.000 Zyklen durchhält, entspricht das einer Lebenslaufleistung von etwas mehr als 300.000 Kilometern. Geht man jetzt davon aus, dass ein Auto vom Netzbetreiber jeden Tag einmal komplett be- und entladen würde, würde er nur knapp drei Jahre (1000 Tage) durchhalten. Volle Ladehübe sehen die Szenarien der Forscher aber gar nicht vor. Stattdessen rechnen sie mit einer Kapazitätsfreigabe von rund 10 Prozent. Entsprechend unserer Rechnung sinkt die fahrbare Laufleistung des Autos daher auf 270.000 Kilometer und bidirektionales Laden (ohne Fahren) limitierte die Lebensdauer auf 30 Jahre – zumindest wenn man alle anderen Einflussfaktoren außer Acht lässt.

Bestenfalls bekommt der Autofahrer vom BDL nichts mit

Im ersten Fall ist die Schwächung des Akkus für den Autofahrer daher wohl kaum spürbar, denn die durchschnittliche Außerbetriebnahme von Fahrzeugen in Deutschland erfolgt meist schon bevor die Marke von 200.000 Kilometern erreicht ist. Für den zweiten Fall, bei der zeitlichen Betrachtung, gilt dasselbe. Denn im Schnitt werden Autos in Deutschland nicht älter als 20 Jahre.

Würde der Verbrauch des Corsa E auf üppige 20 kWh/100 km steigen, bleiben so noch immer 207.000 Kilometer Lebenslaufleistung bei angenommenen 1.000 Vollladezyklen.

Rein rechnerisch ist also alles im Lot. Damit das wirklich so bleibt, statten Autohersteller ihre Fahrzeuge in Sachen bidirektionalem Laden in der Regel mit Begrenzungen aus. So darf etwa ein VW ID.5 GTX mit 77 kWh-Akku (netto) nach aktuellem Stand maximal 10.000 kWh per bidirektionalem Laden bereitstellen – in höchstens 4.000 Stunden BDL. Danach schiebt die Software der Funktion einen Riegel vor. Auch Volvo will sich etwa im Fall des EX90 vorbehalten, die BDL-Funktionen einzuschränken, falls das Fahrzeug beispielsweise im Alltag besonders oft schnell geladen wird und der Akku dadurch im täglichen Betrieb außerordentlich viel Stress erfahren würde.

7. Welche unterschiedlichen Formen von bidirektionalem Laden gibt es?

Im Wesentlichen gibt es zwei unterschiedliche Arten von bidirektionalem Laden – und die sind an die Art des Stroms gekoppelt, den das Auto abgibt.

Zum einen gibt es die Variante des DC-BDL: Hier wird der Gleichstrom des Akkus abgegeben. Da alle Stromnetze in Europa (mit wenigen Ausnahmen) aber auf Wechselstrom basieren, muss der Gleichstrom des Akkus in Wechselstrom gewandelt werden. Diese Aufgabe übernehmen dann spezielle DC-Wallboxen oder DC-Ladestationen, die in der Lage sind, nicht nur zu laden, sondern auch den Strom zu wandeln. Der Vorteil dieser Technik: Sie sind recht gut mit der deutschen Regulatorik der Stromnetze kompatibel und einfacher für den Netzbetreiber ins Stromnetz zu integrieren. Der Nachteil: Durch ihre komplizierte Leistungselektronik sind die Wallboxen recht teuer. Für Modelle mit CCS-Anschluss sind derzeit mit rund 10.000 Euro plus Installation zu rechnen. Für den kaum mehr genutzten Chademo-Ladestandard gibt es vereinzelt Systeme ab rund 6.000 Euro.

Die andere Variante ist das AC-BDL. Wie der Name schon sagt, wird hier direkt – im besten Fall sogar gleich auf drei Phasen – Wechselstrom vom Auto für das Stromnetz zur Verfügung gestellt. Der Vorteil: Die Anforderungen an die Wallbox sind wesentlich geringer, sodass hier weiterhin deutlich günstigere Hardware genügt. Denn statt die Leistungselektronik in die Wallbox auszulagern, greift der Autohersteller hier auf die vorhandenen AC-DC-Konverter zurück, die ohnehin für das Wechselstromladen an der AC-Wallbox in den Fahrzeugen verbaut sind. Allerdings ist nicht jeder AC-DC-Konverter darauf ausgelegt ist, die Ströme in beide Richtungen zu konvertieren. Genau das ist einer der Nachteile des Systems. Denn diese Vielseitigkeit macht das Bauteil und damit schlussendlich das Fahrzeug teurer. Außerdem ist die regulatorische Abstimmung mit dem Netzbetreiber bei diesem System komplizierter. Der Autobesitzer könnte das Fahrzeug zur Nutzung der BDL-Funktion für jeden einzelnen Standort registrieren und zulassen müssen. Genau hier fehlt es in Deutschland an einer Anpassung der Regulatorik. Das muss aber nicht so bleiben, denn die Gesetzgeber und zuständigen Behörden arbeiten in zahlreichen Pilotprojekten an Systemen, die bidirektionales Laden bald ermöglichen sollen.

Fazit

Die Experten sind sich einig: Bidirektionales Laden zählt zu den Türöffnern für die Energiewende. Noch steht die Technik aber am Anfang. Richtig gesteuert können die Akkus der Elektroautos einen wertvollen Beitrag liefern und dem Automobil damit einen neuen – vielleicht sogar größeren Beitrag für die Gesellschaft ermöglichen als seinen eigentlichen Zweck: die Mobilität.

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Erscheinungsdatum 07.12.2023

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