Welcher Autoname hat die meisten Produktionsjahre überdauert? Carrera, Kadett, Giulietta? Alles falsch. Dürfen wir vorstellen: Suburban, Chevrolet Suburban. Der Raumtransporter kam schon Mitte der 1930er-Jahre als Suburban Carryall auf den Markt.
Chevrolet Suburban 1978
The bigger, the better! Mit seinen 5,50 Metern ist der Chevrolet Suburban ein Truck auf die klassische amerikanische Art.
Bild: M. Heimbach
Heute steht er noch immer im Chevy-Programm. Der blaue Riese entstammt der achten Generation eines Konzepts, das wir heute als SUV bezeichnen. Als er 1978 gebaut wurde, sprachen wir von Geländewagen. Obwohl gerade dieser Suburban gar keiner ist. Allradantrieb gab es nur gegen Aufpreis. Beim Blauen hier werden allein die beiden Hinterräder angetrieben, die nach den Regeln des amerikanischen Truck-Lehrbuchs an einer starren Hinterachse befestigt und blattgefedert sind. Die Einzelradaufhängung vorn ist den Fahreigenschaften auf der Straße zuträglicher als denen im Gelände. Der Suburban wurde in den USA gern genutzt als kommerzieller Shuttle, auf Flughäfen ebenso wie bei Feuerwehr und Polizei. Wenn die menschliche Fracht zusammenrückt, passen neun Personen hinein, wobei die vorn Sitzenden den besten und die Hinterbänkler den schlechtesten Fahrkomfort genießen. Das Suburban-Prinzip: solider Lastwagenbau. Die kantige Karosserie ruht auf jenem kräftigen Stahlrahmen, der auch als Unterbau für die großen Pickup-Trucks dient.

Obamas fahrender Amtssitz auf Basis des Chevrolet Suburban

Chevrolet Suburban 1978
Zur Ölkontrolle klettert man auf auf die Stoßstange des Suburban, die so solide ist wie das ganze Auto.
Bild: M. Heimbach
Weil der amerikanische Autofahrer das easy going liebt, fährt sich der Suburban wie eine komfortable Limousine. Eine spielerisch leichtgängige Servolenkung ist selbstverständlich. Fahrbahngefühl? Nebensache, die Chevy-Konstrukteure haben es deshalb gleich ganz weggelassen. Dem Suburban gehen dynamische Qualitäten am dicken Heck vorbei wie dem Puma ein plärrender Kojote. Übermut in Kurven beantwortet er mit gequältem Reifenkreischen und mit Karosserie-Schwankungen, die den Passagieren auf den spiegelglatten Vinyl-Sitzbänken jeglichen Halt rauben. Im Chevy lernt man, warum die Amerikaner das Lenkrad nur mit der rechten Hand anfassen und mit der linken das Dach festhalten. Tempo bleibt Nebensache – obwohl es nicht an Muskeln fehlt. Zur Serie gehörte ein 5,7-Liter-Achtzylinder aus der Small-Block-Serie. Aber als die erste Ölkrise überstanden war, griff der Suburban-Käufer gern zur Big-Block-Variante – logisch, bigger is better. Der große V8 ist anders konstruiert als der kleine: Die Ventile sprießen, in Fahrtrichtung der Gaskanäle, stachelförmig aus den Zylinderköpfen. Das trug dem großen Chevy den Spitznamen Porcupine (Stachelschwein) ein.
Chevrolet Suburban 1978
Ungewohnte Dimensionen auch bei den Außenspiegeln: Groß wie Blaubeer-Pfannkuchen wollten die Designer sie haben.
Bild: M. Heimbach
Kenner erinnern sich, wie Aluminium-Abarten des Stachelschweins die CanAm-Serie dominierten, dass den Gegnern die Tränen ins Gesicht liefen. Im Suburban präsentiert sich der Big Block als ziviler Gusseisen-Brocken. Ein Großteil seines gewaltigen Drehmoments steht bereit, sobald man den Zündschlüssel gedreht hat. Tief brabbelnd nimmt der V8 seine Arbeit auf und schiebt gelassen an. 240 PS erreicht der Achtzylinder bei 3800 Umdrehungen, im normalen Fahrbetrieb rotiert die mächtige Kurbelwelle kaum schneller als die in einem Schiffsmotor. Das passt vortrefflich zur dreistufigen Automatik. Die Turbo-Hydramatic 400 gehörte in den 1970er-Jahren zu den besten Getrieben der Welt, weshalb auch Rolls-Royce sie für die eigenen Nobelkarossen verwendete. Sie gilt wie der Big Block als praktisch unzerstörbar. Den bremst nur sein Benzindurst. Der Quadrajet-Vierfachvergaser verarbeitet locker 20 Liter auf 100 Kilometer. Suburban-Besitzer machen es besser so wie die Airlines: Die rechnen in Liter pro Person. Also nichts wie rein mit der Großfamilie.

Technische Daten

Chevrolet Suburban
Volle Festbeleuchtung voraus! Die Dachlämpchen sind eine typische US-Truck-Spielerei.
Bild: M. Heimbach
Chevrolet Suburban
Motor: V8, vorn längs • eine zentral liegende Nockenwelle, über Kette angetrieben, zwei Ventile pro Zylinder, ein Vierfachvergaser Rochester • Hubraum 7443 ccm • Leistung 176 kW (240 PS) bei 3800/min • max. Drehmoment 500 Nm bei 2800/min • Antrieb/ Fahrwerk: Dreistufenautomatik TH 400 • Hinterradantrieb, auf Wunsch Allradantrieb • Einzelradaufhängung vorn an Querlenkern und Schraubenfedern, hinten Starrachse mit Blattfedern, vorn Scheiben-, hinten Trommelbremsen • Reifen 235/75 R 15 Maße: Radstand 3300 mm • L/B/H 5480/1950/1800 mm • Leergewicht 2336 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h in 13 s • Spitze 150 km/h • Verbrauch circa 22 Liter pro 100 km • Neupreis: 6300 US-Dollar (Small Block, Allradantrieb); in Deutschland je nach Importeur etwa 36.000 Mark (1978).

Historie

Chevrolet Suburban 1978
Die beiden hinteren Sitzreihen können nach Belieben geklappt werden. Ihr Vinyl-Bezug ist unempfindlich, aber schweißtreibend.
Bild: M. Heimbach
Der erste Suburban (1933–1934) mit Holzkarosserie auf einem Lastwagen-Chassis ist in erster Linie für die US-Nationalgarde bestimmt. Die zweite Generation (1935– 1940) erhält eine Metallkarosserie mit acht Sitzplätzen. Nummer drei (1941–1946) mit 3,5-Liter-Reihensechszylinder wird hauptsächlich vom Militär genutzt. 1947–1955 entsteht die vierte Auflage, erstmals mit Vierstufenautomatik. Bei der fünften Generation (1955–1959) gibt es neben dem Sechszylinder auch den neuen Small-Block-V8 mit 4,6 Liter Hubraum – und gegen Aufpreis zuschaltbaren Allradantrieb. Generation sieben bringt 1967 eine neue Tür-Konfiguration: Alle vorherigen Suburban waren Zweitürer, nun wird er zum Dreitürer, links die Fahrertür, rechts zwei Türen. Als Viertürer präsentiert sich erst die hier gezeigte achte Generation (1973–1991). Ihr Spitzenmotor ist ein 454-Kubikzoll-Achtzylinder (7,4 Liter). Zudem steht ein 6,2 Liter großer Diesel-V8 zur Wahl. Nummer neun wird von 1992 bis 1999 gebaut, Nummer zehn, bei der die Big-Block-Maschine auf 8,1 Liter Hubraum vergrößert wird, bis 2006. Der aktuelle Suburban hat nur noch 5,3 und 6,1 Liter kleine V8-Motoren.

Plus/Minus

Chevrolet Suburban 1978
Der mehr als sieben Liter große Achtzylinder hat mit dem mächtigen, 2,3 Tonnen schweren Suburban keine Mühe.
Bild: M. Heimbach
Der Chevy Suburban verkörpert in einzigartiger Weise den American Way of Life jener Zeit, als die Verschwendung von Ressourcen in den Vereinigten Staaten noch zu den selbstverständlichen Grundrechten jeden Bürgers zu zählen schien. Der Großraum-Transporter ist übertrieben groß, übertrieben schwer und deshalb in einer Art und Weise übermotorisiert, wie sie nur in den USA entstehen konnte. Den hohen Betriebskosten steht gegenüber, dass gepflegte Exemplare keinem Wertverlust mehr unterliegen. Für die traditionelle US-Technik sprechen außerdem die hohe Zuverlässigkeit und Haltbarkeit der mechanischen Komponenten. Die gesamte Konstruktion zeichnet sich durch eine Einfachheit aus, die auch Hobby-Schrauber nicht vor unlösbare Probleme stellt.

Ersatzteile

Chevrolet Suburban
Geradezu ein Schnäppchen: 2012 wird der Chevrolet Suburban zu Preisen um 14.400 Euro gehandelt.
Bild: M. Heimbach
Die Ersatzteilversorgung für die großen Chevrolet-Trucks stellt gar kein Problem dar. Für Motor und Kraftübertragung gibt es alles, in den USA beispielsweise bei Summit (www.summitracing.com) und Jegs Performance Parts (www.jegs.com), in Deutschland bei KTS American Parts (www. kts.de). Auch neue Motoren und Getriebe sind vergleichsweise günstig zu haben – allerdings ist der Transport teuer, Zoll und Mehrwertsteuer treiben die Kosten in die Höhe. Auf Karosserieteile hat sich beispielsweise LMC Trucks (www.lmctruck. com) spezialisiert. LMC hat einen Katalog speziell für den Suburban, in dem sogar Ersatzteile für ein verschlissenes Interieur angeboten werden.

Marktlage

In Deutschland gehört der Suburban zu den Raritäten. In den 1970er-Jahren, als der Dollar günstig war, kam im Truck-Segment allein der Chevrolet Blazer auf nennenswerte Stückzahlen. Er bietet die gleiche Technik wie der Suburban, ist also eine Alternative. Es sei denn, langer Radstand oder 7,4- Liter-Motor sind dringende Wünsche.

Empfehlung

Attraktiv ist der große Chevy-Truck nur dann, wenn er schon seinen 30. Geburtstag gefeiert hat und mit H-Kennzeichen zugelassen werden kann. Denn sonst erreicht die jährliche Steuerbelastung absurde Höhen. Ausführungen mit dem kleineren 5,7-Liter-Achtzylinder sind hinsichtlich der Betriebskosten erträglicher. Leistung und Drehmoment der Small-Block-Variante lassen nichts zu wünschen übrig.