Schön: Taubildung in der Natur. (Quelle: Gabriela Neumeier / www.pixelio.de)

Bauphysik 14. Oktober 2014 Was ist der „Taupunkt“?

Schimmelpilze in Innenräumen entstehen meist dort, wo Wasserdampf aus der Raumluft an den Gebäudewänden kondensiert. Das Ausmaß der Feuchtebelastung hängt vom Raumklima ab, insbesondere von der relativen Luftfeuchtigkeit und der Lufttemperatur. Entscheidend ist, dass der so genannte Taupunkt nicht unterschritten wird – sagen die Bauphysiker. Doch was genau ist das eigentlich?

„Es blitzt ein Tropfen Morgentau
Im Strahl des Sonnenlichts;
Ein Tag kann eine Perle sein
Und ein Jahrhundert nichts.“

Man kann dem Tau durchaus eine romantische Note abgewinnen. Das zeigt dieser Auszug aus dem Gedicht „Die Zeit geht nicht“ (1851), das von Gottfried Keller stammt. Vermutlich hatte er Wassertropfen auf einem Pflanzenblatt vor Augen, als er die Zeilen schrieb. Er vergleicht sie mit Perlen, die in der morgendlichen Sonne blitzen. In der Sprache der Bauphysik klingt das natürlich alles weitaus weniger romantisch. Da spricht man nicht von Perlen, sondern vom Wasserdampf aus der Luft, der auf einer relativ kühlen Oberfläche (dem Blatt) als flüssiges Wasser kondensiert. Immerhin sind sich Dichtung und Wissenschaft in einem Punkt wahrscheinlich einig: Innerhalb der Natur ist der Tau eine gute Sache, die Niemandem schadet. Er ist sogar wichtig, weil er die Pflanzen mit Wasser versorgt, auch wenn es mal längere Zeit nicht regnet.

Definition

Ganz anders sieht die Sache aus, wenn wir von Innenräumen sprechen. Hier wollen wir unbedingt verhindern, dass Wasserdampf auf Bauteilen als Kondensat (Tau) ausfällt, weil dadurch ein Nährboden für Schimmel entsteht. Aber können wir diesen natürlichen Vorgang überhaupt verhindern? Die Antwortet lautet: Ja. Und zwar deshalb, weil wir das Klima in einem Gebäude – anders als im Feien – aktiv beeinflussen können, beispielsweise durch Heizen und Lüften. Alle Maßnahmen zur Vermeidung von Kondensat verfolgen letztlich das Ziel, die Temperatur der Luft an keiner Stelle des Raumes so stark absinken zu lassen, dass der gespeicherte Wasserdampf kondensiert. Diejenige Lufttemperatur, die dafür nicht unterschritten werden darf, bezeichnet man in der Bauphysik als Taupunkt. Wird der Taupunkt doch unterschritten, dann fällt flüssiges Wasser aus – entweder als Wassertropfen in der Luft (Nebel) oder eben als Tropfen auf Baustoff- oder Einrichtungsoberflächen.

Variable Größe

Weniger schön: Schimmelpilz an feuchter Wand. (Quelle: Thorben Wengert / www.pixelio.de)

Leider ist der Taupunkt kein absoluter, gleich bleibender Wert. Man kann nicht sagen: Wenn die Raumtemperatur soundsoviel Grad Celsius nicht unterschreitet, ist alles okay. Stattdessen handelt es sich um eine variable Größe, die von anderen, ebenfalls variablen Kennwerten abhängt: nämlich von der relativen Luftfeuchtigkeit und der Raumlufttemperatur.

Ein Beispiel: Beträgt die Lufttemperatur 20°C und die relative Luftfeuchtigkeit 60%, dann liegt der Taupunkt bei 12°C. Konkret bedeutet das: Wenn man in der gegebenen Situation die Raumtemperatur auf 12 °C senken würde, ohne dass der absolute Wasserdampfgehalt der Luft (z. B. durch Lüften) verändert wird, dann erreicht die relative Luftfeuchtigkeit den Maximalwert von 100%. Je kühler die Luft, desto weniger Wasserdampf kann sie absolut speichern. Bei unserem Beispiel wäre die Luft bei einer Temperatur von 12°C mit dem vorliegenden Wasserdampf komplett gesättigt. Sinkt nun die Temperatur bei gleich bleibendem Wasserdampfgehalt noch weiter, dann fällt Wasser als Kondensat aus. Dasselbe passiert, wenn die Temperatur gleich bleibt, aber der Wasserdampf im Raum weiter zunimmt.

Ein anderes Beispiel: Bei einer Zimmertemperatur von 25°C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70% liegt der Taupunkt bei 19,1°C. „ Schimmelgefahr bei einer vergleichsweise hohen Temperatur wie 19°C!“, werdet Ihr jetzt vielleicht entsetzt ausrufen. Aber keine Angst: Es sind ja immer zwei Größen – die Lufttemperatur und die relative Luftfeuchtigkeit –, die den Taupunkt bestimmen. Und bei einer wohligen Wärme von 25°C kann die Luft eben auch viel Feuchtigkeit aufnehmen. Ihr müsstet also schon große Mengen an Wasserdampf produzieren, damit unter diesen Rahmenbedingungen eine relative Luftfeuchtigkeit von 70% entsteht. Gleichwohl bleibt festzuhalten: Wo der Taupunkt liegt, ändert sich ständig. Das macht die Sache so kompliziert.

Tipps für die Praxis

Um Kondensat im Innenraum zu vermeiden, sollte auf jeden Fall sichergestellt werden, dass die Lufttemperatur stets höher ist als die Taupunkttemperatur. Je mehr Wasserdampf die Luft enthält, je höher also die relative Luftfeuchtigkeit ist, umso kleiner wird dieser Unterscheid ausfallen. Die Taupunkttemperatur steigt bei erhöhter Luftfeuchtigkeit, solange die Zimmertemperatur konstant ist. Durch Erhöhung der Raumlufttemperatur lässt sich allerdings die relative Luftfeuchtigkeit senken, wodurch auch die Taupunkttemperatur sinkt. Denselben Effekt kann man – je nach Wetterlage – auch durch Lüften erreichen. Doch aufgepasst: Gerade im Sommer ist die Luftfeuchtigkeit draußen oft sehr hoch. Dann kann es passieren, dass man durch Lüften die Luftfeuchtigkeit im Innenraum sogar noch erhöht.

Den Taupunkt in den eigenen vier Wänden kann heute jeder Hausbewohner problemlos mit entsprechenden Messgeräten überprüfen. Moderne „Hygrometer“ messen die relative Luftfeuchtigkeit sowie die Raumlufttemperatur und errechnen aus diesen Werten automatisch den Taupunkt. So kann man jederzeit prüfen, ob der Taupunkt unterhalb der Lufttemperatur liegt. Man sollte aber auch wissen, wie die ermittelten Werte zu interpretieren sind. Ein Hygrometer misst die Werte genau für den Ort, an dem er aufgestellt ist. Wenn das Messgerät für diesen Ort einen Taupunkt errechnet, der nur knapp unterhalb der Zimmertemperatur liegt, dann kann an anderen Stellen im Raum die Temperatur bereits unter dem Taupunkt liegen.

zuletzt editiert am 18.03.2024