Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Der Schweiger geht

Zeigte sich über seine Wahl überrascht: Hermann Hess am Empfangstag für die neuen Parlamentarier im Nationalratssaal. (20. November 2015)

Hermann Hess ist ganz schön gesprächig. Die Altersvorsorge? Hätte er mit einer Kürzung der AHV-Renten für Wohlhabende saniert. Die Bundesbetriebe? Ein Wunder im Vergleich zum Ausland. Sein Vermögen? Zu 90 Prozent selber erarbeitet. Der Thurgauer FDP-Nationalrat hat Ideen – und etwas zu erzählen. Im Parlament aber fiel er auf, weil er als eines von zwei Parlamentsmitgliedern in zwei Jahren kein einziges Mal im Plenum das Wort ergriffen hat. Nun tritt er in der Hälfte seiner Amtszeit zurück.

Die meisten Parlamentarier tun viel, um sich im Rat präsentieren zu können. Sie melden sich als Redner bei grossen Debatten, reichen Vorstösse ein und stellen Fragen. Nicht so Hess. Die fünfstündige Debatte über die No-Billag-Initiative am Donnerstag schenkte er sich. «Bei 70 Rednern kommen die Aspekte, die ich thematisieren würde, sowieso zur Sprache.» Der Gegenseite eine Frage zu stellen, nur um darin ein eigenes Statement unterzubringen, hält er für falsch. «So erhält diese doch nur noch mehr Gelegenheit, ihre Sicht zu vertreten.» Ausserdem seien die vielen Voten oft redundant. Er habe im Rat oft zugehört, doch sei es schwierig, aufmerksam zu bleiben.

Kommissionssitz nicht erhalten

Hess' Distanz zum Rummel vor den Kameras und sein frühzeitiger Abgang irritieren. Wieso sich ins Bundeshaus wählen lassen, wenn der Geltungsdrang derart fehlt? Der 66-jährige Unternehmer gibt eine Antwort in zwei Teilen. Der erste: Hess wollte das Amt gar nicht unbedingt. Er kandidierte 2011 erfolglos, aber mit gutem Resultat für den Nationalrat, 2012 erfolgreich fürs Kantonsparlament und 2015 erneut für den Nationalrat. Der Partei zuliebe, die ihn auf den ersten Listenplatz setzte, um den 2011 verloren gegangenen Sitz zurückzuerobern. «Ich war wirklich überrascht über die Wahl», beteuert er.

Der zweite Teil hat mit der parteiinternen Hierarchie zu tun. Hess wünschte sich einen Sitz in der Sozial- und Gesundheitskommission (SGK) des Nationalrats. Mit dem Familienunternehmen, das er in fünfter Generation führte, erlebte er den Niedergang der Schweizer Textilindustrie mit und musste für siebenhundert Mitarbeiter neue Stellen suchen. Fragen der sozialen Sicherheit gehen ihm entsprechend nahe. «Als Arbeitgeber hätte ich in der SGK einen guten Beitrag leisten können», meint Hess. Es kam aber anders: Der in Bern wenig vernetzte Unternehmer erhielt nur einen Sitz in der Geschäftsprüfungskommission (GPK). «Um eine stärkere Wirkung als in der GPK zu entfalten, hätte es eines Einsatzes von mindestens vier weiteren Jahren bedurft», führt Hess in seinem Rücktrittsschreiben aus. Und diese vier Jahre wollte er nicht einsetzen – angesichts seines Alters, seiner unternehmerischen Tätigkeit und seiner Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren.

Ungewöhnliche Entscheide zu fällen, ist sich Hess gewohnt. Aus den vom Textilunternehmen übrig gebliebenen Immobilien baute er mit Hess Investment eine erfolgreiche Immobiliengruppe auf, was dem diplomierten Pianisten und HSG-Ökonomen damals kaum jemand im Thurgau zugetraut hätte. «Ich war die fünfte Generation, spielte Klavier und las Thomas Mann.» Ebenso machte er aus der Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft ein rentables Unternehmen. Heute bewegt sich sein Vermögen gemäss einer Schätzung der «Bilanz» in der Grössenordnung von 150 Millionen Franken. Er sei ein Querdenker und habe die Leute immer etwas verblüfft, sagt Hess. «Das hier ist vielleicht auch etwas speziell.»