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Melzls TatbestandDie überbewerteten Demonstrationen

Unbewilligte Demo von der Klybeckstrasse bis zun Wettsteinplatz.

Während des Corona-Lockdowns kam es – mit Ausnahme der 1.-Mai-Manifestation – zu keinen Demonstrationen auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt. Eine linke Politikerin monierte dann auch diesen Umstand und wies darauf hin, dass Online-Demos nie dieselbe Wirkung hätten wie das reale Demonstrieren auf der Strasse.

Dem kann teilweise zugestimmt werden, weil es wohl wenig Spass macht, zu Hause vor dem Laptop zu sitzen und seine weltanschauliche Betroffenheit per Mausklick zum Ausdruck zu bringen. Auch das Versprayen der eigenen vier Wände oder das Einschlagen der eigenen Fensterscheiben haben im Endeffekt einen eher minimalen Fun-Faktor.

Was aber die Botschaft nach aussen betrifft, so sind beide Demoarten – ob nun inhouse oder outdoor – gleich unbedeutend. Wer glaubt, dass sich der Normalbürger von den vielen samstäglichen Manifestationen inhaltlich beeindrucken lässt, lebt fernab in Fantasia. Viele Stadtbesucherinnen und -besucher nerven sich über die eingeschränkte Bewegungsfreiheit, über die schrill hinausposaunten Parolen sowie über die durchwegs gehässige Stimmung.

Ob Klima, Genderthemen, Corona-Massnahmen oder aktuell gegen die Polizeigewalt in den USA: Wer an einem schönen Samstag in die Innenstadt geht, um Einkäufe zu tätigen, und sich in einem Strassencafé mit Freunden und Bekannten treffen will, hat kein Gehör für die politischen Botschaften. Führt dann eine solche Demonstration schlussendlich noch zu einem Polizeieinsatz mit Tränengas und Gummischrot, ist die Flanierstimmung definitiv im Keller und der Grossteil der Stadtbesucher ergreift nachvollziehbar die Flucht.

Wer seit Jahrzehnten die Demonstrationskultur in den grösseren Schweizer Städten beobachtet, kommt zwangsläufig zur Erkenntnis, dass grösstenteils nur Leute mit der eigenen Ideologie und Denkweise angesprochen werden oder solche, die auf Randale aus sind. Schliesslich noch unzählige Mitläufer, die überhaupt nicht wissen, gegen oder für was überhaupt demonstriert wird.

Im Nachgang zu einer gewalttätigen Manifestation habe ich vor vielen Jahren als junger Detektiv-Wachtmeister eine von der Polizei festgenommene Frau befragt, die Steine auf die Einsatzkräfte geworfen hatte. In der folgenden Einvernahme sagte die Beschuldigte aus, dass sie die inhaltlichen Aspekte der Demonstration nicht kennen würde und lediglich mitmarschiert sei, weil sie von einem «geile Siech» dazu animiert worden sei.

Und wenn an den 1.-Mai-Demonstrationen jeweils eine Delegation von Anhängern der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) durch Basels Strassen zieht und dabei ein Riesenkonterfei von Abdullah Öcalan, dem früheren Chef und Gründungsmitglied der PKK, vor sich herträgt, dann ist von einem sehr beschränkten Interesse der Öffentlichkeit auszugehen. Die einzigen Interessierten dürften wohl nur die kurdisch-stämmigen Türken sowie Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT sein, die nachrichtendienstlich relevante Informationen und Personendaten sammeln.

Viele linke Demonstrationen thematisieren manchmal als Hauptthema und manchmal einfach so nebenbei die Überwindung des Kapitals. In Tat und Wahrheit ist es jedoch nicht die Überwindung, sondern die Verlagerung des Kapitals. Viele Menschen meiden demobelastete Schweizer Städte und ziehen es vor, in kleineren und oftmals auch feineren Städtchen – teilweise im nahen Ausland – zu flanieren und dort ihr Geld auszugeben. Und als Zückerchen wird man für das Parkieren des Autos nicht auch noch unverschämt abgezockt.

Markus Melzl ist ehemaliger Kriminalkommissär und früherer Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft.