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Die warmherzigste Komödie für die kalte Jahreszeit

Diese Zürcher Silvesternacht schillert in allen Farben: Szenen aus «Happy New Year», rechts unten Jörg Schneider als Herbert.

Als der Schauspieler Jörg Schneider, der Mann, der dem Kasperli seine Stimme gab, einmal in einem Interview auf sein Übergewicht hingewiesen wurde, da sagte er: «Ich habe nur einmal im Leben zehn Kilos abgenommen. Da habe ich mir aber gar nicht gefallen.» Die Frage «Treiben Sie wenigstens Sport?» parierte er mit «Nein, nicht im geringsten». Und am liebsten vergleicht er sich mit einem Pfirsich: «Wir sind beide prall, rundlich und gut im Saft.»

Ein wahnsinnig lieber, herzerwärmender und sturer Mann, dieser Jörg Schneider. Genau so einer wie der Herbert, den er jetzt, nach über dreissig Jahren Leinwandabstinenz in Christoph Schaubs Film «Happy New Year» spielt. Zum letzten Mal war Schneider nämlich 1975 mit «De Grotzepuur» von Mark M. Rissi im Kino zu sehen, seither arbeitete er nur noch auf der Bühne und gelegentlich fürs Fernsehen, etwa in den längst verblichenen Serien «Motel» und «Lüthi und Blanc».

Herbert also ist Zürcher, lang verheiratet, frisch pensioniert und darüber grauenhaft gelangweilt. Er verbringt seine Tage damit, mit seiner Anne-Marie (Irene Fritschi) übers Autofahren zu streiten oder mit dem Hund Beppo zu spazieren, und manchmal kommt am Ende eines solchen Spaziergangs nur der Beppo oder nur der Herbert wieder nach Hause. Und weil an Silvester an jeder Ecke irgendwelche Feuerwerkskörper explodieren, geht der verschreckte Beppo dem Herbert ab und streunt in der letzten Nacht des Jahres alleine durch Zürich.

Mit von Bock im Block

Beppo trifft dabei auf die jungen Polizisten Nina und Oliver (Johanna Bantzer und Pascal Holzer), die auf Streife und angesichts diverser Alkoholleichen und anderer Rüppel ihre berufsbedingte Beziehungsunfähigkeit diskutieren. Er begegnet der rasend attraktiven, reifen und reichen Gloria (Denise Virieux, sonst in deutschen TV-Serien beschäftigt), die von ihrem Mann für eine Jüngere verlassen worden ist, aber vom schönen Taxifahrer und Draufgänger Kaspar (Nils Althaus) hofiert wird. Bei Glorias Vamp-Auftritten sollten übrigens auch die Kinobesucherinnen ihre Männer besser ein wenig von der Leinwand ablenken.

In einem Wohnblock wird derweil der leicht autistische, feinnervige Modellbaubastler Pascal (Bruno Cathomas) unfreiwillig von der Nachbarin auf den Marterpfad des Kinderhütens geschickt. Und dann ist da auch das Zürcher Wohnsilo Lochergut, dessen nächtliche Fassade jahrein jahraus wie ein sehr nüchterner Christbaum wirkt: Zoe (Annina Euling) und ihre alkoholkranke Mutter (Katharina von Bock) leben da, Zoe findet unter all ihren Sweatshirts mit Totenkopfaufdruck nur mit Mühe das richtige Modell für die Silvesternacht, doch bevor sie endlich in einen Klub flüchten kann, wird sie von der Mutter stundenlang mit herzigen alten Homevideos gefoltert. Sehr lustig, wie Katharina von Bock da eine eingeschweizerte Deutsche spielt und dabei die gleiche komische Dialektfärbung hat wie Nati-Trainer Ottmar Hitzfeld. Und schön, wie Annina Euling und Joel Basman, trotz ihrer jungen Jahre ein Liebespaar spielen, das eine ungemein erwachsene Autorität ausstrahlt.

Die Zürcher sind im Saft

Es geraten in dieser zügig, aber nie hastig geschnittenen Episodenkomödie also allen die wohlpräparierten Silvesterpläne, -menüs, und -partys durcheinander. All die ängstlich behüteten Rituale, an denen man sich noch einmal für ein paar Stunden festklammert, bevor man mutig loslässt für den Anfang, der doch nur in romantischen Komödien wirklich neu ist. Doch zum Glück ziert sich Regisseur Christoph Schaub, der mit den Spielfilmen «Sternenberg» und «Jeune Homme» schon seine Liebe zum nicht ganz so schwer verdaubaren Filmfutter zeigte, auch in «Happy New Year» nicht, sondern zitiert die markantesten Silvesternächte der leichteren Filmgeschichte: jene von 1989, als Harry endlich seine Sally bekam, und eine andere von 2001, als sich eine gewisse Bridget Jones endlich dem richtigen Mann an den Hals warf.

Zürich ist dabei nicht minder glitzernd, gefährlich oder schäbig als New York, London oder Berlin, die vielen Schauplätze sind mal kühl, mal betörend, mal verwegen. Die Nacht vibriert auch hier vor lauter Lichtern, Leben und Musik und behauptet trotzig ihre Weltstädtischkeit. Für «Einheimische» ist dieser neuste Zürich-Film nach «Strähl», «Snow White» oder «Der Freund» eh ein vergnügliches Fressen, aber auch Fans von etwas volkstümlicheren Rührseligkeiten wie den «Herbstzeitlosen» kommen nicht zu kurz. Und spektakuläre Ansichten von Feuerwerk vor schwarzem Himmel leiten unmissverständlich darauf hin, was das «Happy» im Titel verspricht: Viel Geküsse, viel Sex, viel Liebe. Da sind alle bestens im Saft. Ja, auch der Mann, der sich mit einem Pfirsich identifiziert.