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Was wir lesenIrvin D. Yalom und Marilyn Yalom: «Unzertrennlich. Über den Tod und das Leben»

Wie meine Kollegin Paula Scheidt vor kurzem an dieser Stelle schrieb, freue auch ich mich an mancher Lektüre doppelt, wenn sie mir von einem Menschen empfohlen wurde, zu dem ich eine Verbindung habe. Trotzdem war ich verblüfft, ausgerechnet von einem Kardiologen einen Buchtipp zu bekommen. Zwar sagte er mir zunächst durchaus etwas zum Zustand meines Herzens, dann aber: «Hier, diesen Autor müssen Sie unbedingt lesen» – für mich ansatzlos, ohne dass wir das Thema Bücher davor gestreift hätten. Vom Autor hatte ich noch nie gehört.

Gleich danach bewahrheitete sich der Spruch: «Man sieht nur, was man weiss.» Denn kaum war ich wieder aus der Praxis, erspähte ich im Schaufenster der nächsten Buchhandlung ebenjenen Autor: Irvin D. Yalom – einen der namhaftesten Psychiater der USA, der gerade seinen neunzigsten Geburtstag feiern konnte.

Allerdings stand auf dem Cover dieses Buchs auch der Name der renommierten Kulturhistorikerin und Autorin Marilyn Yalom. Und die Idee zum Buch geht auf sie zurück, die Frau, mit der Irvin D. Yalom fünfundsechzig Jahre verheiratet war, bis zu ihrem Tod im Herbst 2019.

Nachdem bei der achtundsiebzigjährigen Marilyn ein Multiples Myelom festgestellt wird, beschliesst das Ehepaar, das erste gemeinsame Buch zu schreiben, das in abwechselnd geschriebenen Kapiteln um das Sterben kreisen soll, um ihre letzten Monate zusammen. Eine in jeder Hinsicht fruchtbare Beziehung im Rücken lassen sich beide auf das Wagnis ein.

Den Schluss von «Unzertrennlich. Über den Tod und das Leben» (btb Verlag) aber muss Irvin D. Yalom alleine schreiben, zu einer Zeit, in der ihm klar wird: «Ich habe nie als ein eigenständiger Erwachsener gelebt.» In den Monaten nach dem Verlust lernt er, der als Arzt so viele Sterbenskranke begleitet hat, dass etwas Wert haben kann, «selbst wenn ich der Einzige bin, der es erlebt, selbst wenn ich es nicht mit Marilyn teilen kann».

Man liest das Buch als aussergewöhnliche Liebeserklärung zweier Seelenverwandten ans Leben – und ans Lieben. Dem Buch vorangestellt ist das Motto: «Trauern ist der Preis, den wir zahlen, wenn wir den Mut haben, andere zu lieben.» Wollte mir der Kardiologe vielleicht das sagen: dass zwar in jeder Brust ein letzten Endes einsames Herz schlagen mag, aber wir das Klopfen anderer Herzen doch hören können, wenn es das ist, was wir wirklich wollen?

Anuschka Roshani