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Analyse zum Ukraine-KriegPutins Diktat

Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht: Feuerwehrmänner in Tschassiw Jar in der Region Donezk räumen ein Wohngebäude, welches am 10. Juli von russischer Artillerie getroffen wurde.

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Der Krieg Russlands gegen die Ukraine geht in seine nächste Phase. Der sich immer optimistisch gebende ukrainische Präsident Wolodimir Selenski nimmt zumindest öffentlich an, dass der Krieg Ende dieses Jahres beendet ist. Wahrscheinlicher ist, dass er noch jahrelang weitergeht. Im besten Fall wird er sich auf vergleichsweise niedrigem Niveau so dahinschleppen, wie es schon seit 2014 im Osten der Ukraine geschah.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat sein Ziel nicht aufgegeben, die Ukraine komplett zu unterjochen. Die Frage ist, ob er es umsetzen kann. In der vergangenen Woche brüstete sich Putin, Russland habe mit seinem Krieg noch gar nicht richtig angefangen. Das ist, militärisch gesehen, durchsichtige Prahlerei: In Wahrheit hat Russland Zehntausende Soldaten verloren. Da Putin vor der Ausrufung des Kriegszustandes und einer Generalmobilmachung zurückschreckt, hat er grosse Probleme, neue Soldaten für das Schlachten in der Ukraine zu finden.

Zudem hat seine Armee in den ersten Kriegsmonaten einen grossen Teil ihrer Ausrüstung verloren. Und glücklicherweise kann die Ukraine mit den mobilen, satellitengesteuerten Raketenwerfern der USA und Grossbritanniens endlich auch in den besetzten Gebieten des Landes effektiv russische Munitionslager, Kommandopunkte und Sammelplätze zerstören. Die noch viele Jahre gebotene Aufrüstung der um ihr Land und ihre Freiheit kämpfenden Ukrainer kann wahrscheinlich verhindern, dass Putin seinen Traum wahr machen kann, die gesamte Ukraine zu erobern.

Rückeroberungen werden noch lange nicht möglich sein

Gleichwohl: Derzeit können die Ukrainer froh sein, wenn sie den Status quo halten – und wenn es gelingt, die Russen an der vollständigen Eroberung des Donbass und der letzten dortigen ukrainischen Bastionen wie Slowjansk und Kramatorsk zu hindern. Schon jetzt zahlen weit mehr als eine Million Menschen in den besetzten Gebieten einen hohen Preis: mit russischem Terror und der Deportation Hunderttausender – einem weiteren russischen Kriegsverbrechen.

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Was aber eine Rückeroberung der besetzten Gebiete betrifft: Dazu werden die Ukrainer auf Jahre hinaus nicht in der Lage sein. Sie haben Zehntausende der besten Kämpfer ihrer Armee durch Tod oder Verwundung verloren, einer Armee, die bei Kriegsbeginn Ende Februar nach Zahlen des Londoner Instituts für strategische Studien gerade gut 125’000 kampffähige Männer zählte.

Im Osten haben die Ukrainer angesichts hoher Verluste bereits kaum trainierte Freiwillige in vordere Stellungen geschickt, faktisch als Kanonenfutter. Selbst wenn die Ukraine den Rest des Donbass auch dank neuer Waffen zumindest halten kann, wird es mindestens Monate dauern, bis sie die Verluste mit neuen Soldaten (deren Training etwa in Grossbritannien begonnen hat) und mit neuer Ausrüstung halbwegs ausgeglichen haben.

Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung: Eine Anwohnerin trägt ihre Habseligkeiten aus einem Wohnhaus, das von Russen beschossen wurde.

Kiew behauptet, es könne mit einer grossen Offensive die Region Cherson im Süden befreien, die von strategischer Bedeutung ist: als Weg auf die Krim, als Gebiet zum Aufmarsch auf Odessa, als Kornkammer. Die Ukrainer müssten dort freilich mit mehrfacher Überlegenheit angreifen können – davon sind sie offenbar weit entfernt.

Selbst wenn die Befreiung Chersons gelänge, wäre die Ukraine damit weder militärisch noch wirtschaftlich gerettet. Nicht militärisch: Immer noch haben die Russen ein reiches Arsenal an Raketen und Marschflugkörpern, die für die Ukrainer unerreichbar bleiben und mit denen Moskau in den kommenden Monaten, möglicherweise Jahren fortfahren wird, die ukrainische Infrastruktur und zivile Ziele zu zerbomben. Der wegen seiner hohen Einnahmen aus dem Öl- und Gasverkauf an China oder Indien weiter obenauf bleibende Putin kann es sich zudem leisten, seine zerstörten Militärvorräte wieder aufzufüllen.

Mit Putin verhandeln? Wie soll das gehen?

Und wirtschaftlich ist die Lage so: Selbst wenn es in der Frage ukrainischer Getreideexporte zu einer Lösung kommen sollte, wird Putin keinen normalen Verkehr in die ukrainischen Häfen zulassen, die mit ihren Einnahmen zuvor das Rückgrat des ukrainischen Haushalts waren. Um dies grundlegend zu ändern, müsste sich US-Präsident Joe Biden entschliessen, zivile Schiffe im Schwarzen Meer von US-Kriegsschiffen begleiten zu lassen. Danach sieht es nicht aus. Zudem wird Putin nicht nur auf dem Meer, sondern auch auf dem Land versuchen, jede Rückkehr der Ukraine zur wirtschaftlichen und sonstigen Normalität zu zerbomben.

Wer glaubt, mit dem alle Kennzeichen eines Diktators erfüllenden Putin sinnvoll über die Zukunft der Ukraine verhandeln zu können, der irrt. Die Ukraine wird – zu Recht – weder die verbrecherische Besetzung der Krim anerkennen noch die Besetzung weiterer Teile des Landes und ihre bald folgende Annektierung durch Russland, ebenso wenig, wie die baltischen Republiken über Jahrzehnte niemals ihre angebliche Zugehörigkeit zur Sowjetunion anerkannten. Dem Westen bleibt im Moment nur, die Ukraine weiter mit Waffen und Geld zu stützen. Einfache Wege aus diesem Krieg sind nicht in Sicht.