Finanzbuchhaltung in Echtzeit

von Christian Heidler

Stellen Sie sich bitte vor, die Geschäftsführung in einem mittelständischen Unternehmen braucht „ad hoc“ Zahlen aus Teilen des Rechnungswesens, um sehr kurzfristig eine Entscheidung zur Liquidität oder Produktion treffen zu können. Der „Worst Case“ tritt ein. Die Zahlen stimmten nicht oder waren nicht sofort verfügbar.

Später wird jeder der Beteiligten das Problem woanders suchen und aufgrund der nicht ganz trivialen Komplexität passiert in aller Regel nichts. Bis zum nächsten Mal. Ein normales Szenario, das ich in den letzten 30 Jahren in Unternehmen immer wieder erlebt habe.

Rechnungswesen oder Finanzbuchhaltung in Echtzeit

Widmen wir uns, nach der kurzen Einstimmung, dem Thema „Rechnungswesen oder Finanzbuchhaltung in Echtzeit“. Echtzeit bedeutet für mich, dass der gesamte Buchungs- und Werteprozess am entsprechenden Tag, im entsprechenden Monat, der Periode oder im Wirtschaftsjahr bis in jede Tiefe der Buchhaltung bzw. des Rechnungswesens, das durch das Unternehmen genutzt wird, sofort aktualisiert wird und als valider Wert überall zur Verfügung steht. Nicht mehr und nicht weniger.

Zum direkten Rechnungswesen gehören die Buchhaltung mit allen Verarbeitungs- und Prüfprozessen, Kontoauszugsmanager, Umsatzsteuerschemata, digitales Belegbuchen mit OCR, Dokumentenmanagement, Konsolidierung, Kostenstellen-Kostenträgerrechnung, Zahlungsverkehr, Offene Posten, Anlagenbuchhaltung, Jahresabschluss mit allen Facetten, E-Bilanz, Bundesanzeiger, Controlling, Auswertungen und das Berichtswesen.

Nichts geht ohne die direkte Anbindung von ERP- bzw. Warenwirtschaftssystemen. Die meisten ERP-Systeme sind aber nur „One Way“ angeschlossen, also geben die Daten aus dem Rechnungskontrollbuch an die Finanzbuchhaltung nur ab. Für mich gehört aber der Rückweg in Echtzeit, also die direkte Anzeige der offenen Posten oder des Saldos vom Debitor zum Standard. Dies funktioniert natürlich nur, wenn die Finanzbuchhaltung die ankommenden Datenströme auch in Echtzeit verarbeitet. Die Aktualisierung der Stammdaten im Rückkanal des ERP-Systems mit Adressen, Kreditlinien, Sperrvermerken oder Lieferstopps sollte dort ebenso implementiert sein. Sonst ist es wieder nur Stückwerk. Ob das ERP-System On-Premise oder in der Cloud sein Dasein hat, darf keine Rolle spielen.

Vorsysteme wie Workflow für den digitalen Rechnungseingang und Kassensysteme sind heute sofort und in Echtzeit anschließbar, um das Rechnungswesen in Echtzeit mit ZaFhlen aus der digitalen Welt zu unterstützen.

Vorteile von Echtzeitsystemen

Oft reichen die integrierten Controllingauswertungen im Rechnungswesen nicht aus. Externe BI-Systeme müssen differenzierte Datenbestände zusammenführen, damit „ad hoc“ Auswertungen, Charts und Grafiken auf Wunsch zur Verfügung stehen. Dies kann bei nicht Echtzeitsystemen im Rechnungswesen sehr aufwändig werden, da das Zahlenmaterial aus einer Vielzahl von Informationen erst gebildet bzw. neu errechnet werden muss. Keine wirkliche Option, mit ggf. unterschiedlichen Werten zu operieren.

Lohn-Systeme spielen zwar eine untergeordnete Rolle, wenn es um die Echtzeit im Rechnungswesen geht, aber es sollte schon sichergestellt sein, dass die Buchungsvorschläge inklusive Kostenstellen und Kostenträger sofort der Finanzbuchhaltung übermittelt und verbucht werden. Sicher nicht der wichtigste Vorgang, aber vergessen sollte man ihn trotzdem nicht.

Datensicherheit, Datenschutz und GoBD Sicherheit gegenüber der Finanzverwaltung muss sein. Spätere Prüfungen kosten Zeit und diese kann sicher besser genutzt werden. Eine Echtzeit Finanzbuchhaltung oder Rechnungswesen stellt hier hohe Anforderungen, denn der gesamte Prozess muss immer vollständig dokumentiert und nachvollziehbar sein.

Viele warten sicher schon, wo denn der Hinweis auf das Dokumentenmanagement bleibt. Auch hier steht ganz klar im Vordergrund, dass alle Belegbilder und Importdateien direkt beim Buchungssatz, am Konto und Gegenkonto und in jeder Ansicht in Echtzeit und mit durchsuchbarem Volltext-Index zur Verfügung stehen. Damit wäre z.B. sichergestellt, dass Papierbelege nicht mehr aufbewahrt werden müssten. Aber dies ist sicher eine andere Geschichte.

Die Zukunft ist schon da

Rechnungswesen und Finanzbuchhaltungen mit Vorläufen, Tages- oder Monatsabschlüssen, Batchverarbeitung, Excelexport für Auswertungen, Datenexporte zu ERP-Systemen und vieles mehr, haben in der Vergangenheit sehr gute Dienste geleistet. Keine Frage. Aber die Zeit schreit nach Neuem. Keine Insellösungen über holprige Schnittstellen und unsicherem Zahlenmaterial mehr.

Sie stellen sich als Leserin oder Leser die Frage, welche Pille der Verfasser geschluckt hat. Da muss ich Sie enttäuschen. Das ist die Welt im Rechnungswesen in Echtzeit. Inklusive der Satellitenprogramme. Heute, nicht erst in Jahren.

 

Über den Autor:

Christian Heidler
iVorstand der hmd-software AG.

E-Mail: info@hmd-software.com