Geheimtreffen in Potsdam

Geheimgespräch: AfD-Politiker wollen Millionen Menschen deportieren

Laut einem Medienbericht sollen sich AfD-Politiker mit Aktivisten der rechtsextremen Identitären Bewegung getroffen und über extremen Abschiebeplan beraten haben.

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Martin Sellner, der Chef der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich.
Martin Sellner, der Chef der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich.Georg Hochmuth/APA/dpa/Archivbild

Bei dem geheimen Treffen soll über einen sogenannten Masterplan zur Migrationspolitik gesprochen worden sein. Ein Teilnehmer war laut dem Bericht der bekannteste Vertreter der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner. Von AfD-Seite sei unter anderen Roland Hartwig dabei gewesen, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und heute Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, meldete Correctiv am Mittwoch.

Ein Sprecher Weidels bestätigte Hartwigs Teilnahme an dem Treffen, betonte jedoch gleichzeitig, von einem Auftritt Sellners dort überrascht worden zu sein. Er teilte auf Anfrage mit: Frau Weidel „hatte aber keinerlei Kenntnis von den Teilnehmern. Auch Hartwig wusste vorab nichts von Sellner“.

Ein Sprecher der Partei teilte mit: „Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik, die im Parteiprogramm nachzulesen ist, nicht wegen einer Einzelmeinung eines Vortragenden auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern.“ Hartwig habe dort lediglich auf Einladung ein Social-Media-Projekt vorgestellt, welches er im Aufbau mit begleite.

AfD-Fraktionsvorsitzender will an dem Treffen „als Privatperson“ teilgenommen haben

Correctiv erhielt nach eigenen Angaben auf Nachfrage von einem Düsseldorfer Zahnarzt die Bestätigung, dass er „alleiniger Veranstalter“ des Treffens gewesen sei. Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsvorsitzender Ulrich Siegmund bestätigte Correctiv dem Bericht zufolge seine Teilnahme: Er sei als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen.

In einem Einladungsbrief für die Zusammenkunft, der Correctiv vorliegt und in den auch die Deutsche Presse-Agentur Einblick hatte, heißt es, bei der Veranstaltung werde ein „Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans“ vorgestellt. Für die Teilnahme werde eine „Mindestspende von 5000 Euro“ erhoben. Correctiv berichtete unter Berufung auf Teilnehmer, Thema bei dem Treffen sei ein Vortrag Sellners zur „Remigration“ gewesen.

AfD-Abgeordnete forderte eine „wirkliche Remigration“

Unter dem Begriff verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. AfD-Politiker vertreten diese Forderung auch öffentlich. So sagte etwa der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio im November im Bundestag: „Was wir jetzt brauchen, ist nicht nur der sofortige Stopp der illegalen Migration. Wir brauchen die wirkliche, tatsächliche Rückführung, die komplette Abschiebung. Wir brauchen, meine Damen und Herren, endlich die wirkliche Remigration.“

Der Begriff „Remigration“ wird oft nicht klar umrissen. Bisweilen wird er im Zusammenhang mit Menschen ohne Aufenthaltsrecht genannt. Bei dem Potsdamer Treffen soll die Dimension jedoch größer gewesen sein. Auch eine „Remigration“ in großem Umfang wird in der AfD bereits seit längerem diskutiert: Auf dem Europaparteitag der Partei 2023 forderte die Delegierte Irmhild Boßdorf öffentlich eine „millionenfache Remigration“.

Nach Berichten über rechtes Treffen: „Hans im Glück“ und Mitgesellschafter Limmer trennen sich

Kontakte von AfD-Politikern zu dem Österreicher Sellner sind nicht neu – auch wenn die AfD offiziell auf Distanz zur Identitären Bewegung geht, die vom Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“ gewertet wird. Der Schweriner AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer hatte sich Ende 2023 für seinen Podcast mit Sellner unterhalten und war dafür kritisiert worden.

Als Folge der Berichte über das rechte Treffen haben sich die Restaurantkette „Hans im Glück“ und ihr Mitgesellschafter Hans-Christian Limmer getrennt. Hintergrund seien Vorwürfe, Limmer habe zu der Veranstaltung mit eingeladen, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens am Mittwoch. „Die Geschäftsführung der Hans im Glück Franchise GmbH, der Inhaberkreis und das gesamte Team sind zutiefst schockiert über diese Vorwürfe“, heißt es in der Erklärung. „Als Unternehmen Hans im Glück Franchise GmbH distanzieren wir uns klar von rechtsextremen Ansichten, sie stellen das genaue Gegenteil unserer Grundwerte dar.“ Um Schaden von Hans im Glück abzuwenden, habe Limmer angeboten, seine Gesellschafterstellung sofort aufzugeben. „Dieses Angebot hat der Gesellschafterkreis angenommen“, heißt es.

Ministerpräsident Günther (CDU) hat „gewisse Sympathien“ für AfD-Verbotsverfahren

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) steht unterdessen einem Verfahren für ein Verbot der AfD offen gegenüber. „Ich habe da schon eine gewisse Sympathie für, ohne Zweifel“, sagte Günther am Mittwoch dem Hamburger Abendblatt. Die Partei sei in vielen Ländern mittlerweile gesichert rechtsextrem. „Wir merken, wie gefährlich die sind. Auch bei uns in Schleswig-Holstein.“ Dort würden rechtsradikale Strukturen immer weiter aufgebaut. Dies sei eine Gefahr für das Land, warnte Günther.

Die 2013 gegründete AfD wird vom Verfassungsschutz bundesweit als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt. In Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen stuft der Landesverfassungsschutz die AfD-Landesverbände jeweils als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. ■