Medizinstudium in Berlin: Warum ich nachts über Pille, Spirale und Verhütungsringe nachdenke

Der Freund hat Angst, dass Handystrahlen seine Spermien töten. Unsere Autorin denkt nach einem Praktikum in der Gynäkologie über andere Gefahren nach.

Mascha Osang, Medizinstudentin in Berlin
Mascha Osang, Medizinstudentin in BerlinPaulus Ponizak/Berliner Zeitung

Immer, wenn ich bei meinem Freund schlafe, fragt er mich, ob ich mein Handy auf Flugmodus gestellt habe. „Meine Spermien sterben sonst“, sagt er. „Ich stelle mein Handy nachts immer auf Flugmodus“, antworte ich. „Ich will nur auf Nummer sicher gehen, wir wollen ja unsere Kinder nicht deswegen aufs Spiel setzen“, sagt er.

Es fällt mir schwer, das als Witz zu sehen. Vielleicht, weil er erst Kinder will, wenn er Oberarzt ist, und ich gerne vor dreißig mein erstes hätte. Vielleicht, weil wir mitten im Studium stehen und noch nicht bereit für ein Kind sind. Letzte Nacht war ich kurz davor, ihm zu erklären, dass die Strahlen unserer Handys nur einen Bruchteil seiner Spermien umbringen und er lieber aufhören sollte, Milch in seinen Kaffee zu tun, und am besten aufs Land ziehen sollte, wo es kaum Netz gibt. Ich entschied mich dagegen, er meinte es ja als Scherz. Wahrscheinlich.

Im Abitur lernte ich, dass Männer nur noch halb so viele Spermien haben wie vor fünfzig Jahren. Ich glaubte es zuerst nicht. Die Fruchtbarkeit soll aber nicht gemindert sein, dafür gibt’s wohl noch genug Spermien. Es gibt unterschiedliche Erklärungen für den Rückgang. Es könnte an der Handystrahlung liegen oder an den Hormonkonzentrationen in tierischen Produkten wie Milch. In der Zeit stand mal, dass zu viel geschlucktes Aspirin auch schuld sein könnte.

Verhüten mit der Pille: viele Hormone, viele Nebenwirkungen

Frauen, die die Pille nehmen, pumpen Hormone in sich hinein. Unsere Eizellen sterben davon zwar nicht ab, aber dafür entstehen reichlich Nebenwirkungen. Ich nahm die Pille ein paar Jahre, dann waren auf einmal die Spirale, der Ring oder das Kondom im Kommen. Ich ließ mir einen Verhütungsstab in meinen Arm implantierten, der drei Jahre lang geringe Mengen an Progesteron in mein Blut abgab. Ich fand ihn super und empfahl ihn weiter, doch als meine Freundinnen ihre Frauenärztinnen danach fragten, wollten die wenigsten Ärztinnen ihn einsetzen.

Die Ärztin einer Freundin meinte, der Stab könne im Arm verschwinden und müsse dann rausoperiert werden. „Eine Spirale wollte sie mir aber auch nicht einsetzten“, sagte die Freundin. „Das würde zu einer Entzündung der Eierstöcke führen, die man im schlimmsten Fall entfernen muss.“ Sie hielt einen überraschend großen Plastikring in der Hand, den sie sich gerade einsetzen wollte. Ich habe das Gefühl, dass Frauenärztinnen besonders gern den Ring zur Verhütung verschreiben. Man setzt ihn für drei Wochen ein und nimmt ihn für die Periode raus. Mich würde das total nerven.

Anderseits finde ich es nicht schlecht, dass die Frauenärztin vorsichtig ist. Als ich ein Praktikum in der Gynäkologie absolvierte, lagen zwei junge Frauen auf Station, bei denen es nach dem Einsetzen der Spirale tatsächlich zu einer Entzündung der Eileiter und Eierstöcke gekommen war. Die Eierstöcke waren nicht mehr zu retten. Eine der beiden Frauen lag auf der Intensivstation. Die Assistenzärztinnen meinten, das komme so häufig vor, dass sie später keiner jungen Frau die Spirale empfehlen würden. Eine Gynäkologin beruhigte mich später, sie habe das sehr selten erlebt. Die Mehrheit meiner Freundinnen hat eine Hormon- oder Kupferspirale.

Und ich mittlerweile auch. Nach einigen Jahren merkte ich, dass mein starkes Schwitzen von den Hormonen des Stabes kam. Vier Jahre habe ich noch Zeit, bis ich mir überlegen muss, ob ich weiter den Verlust meiner Eierstöcke riskiere oder doch wieder mit Hormonen meinem Körper eine Schwangerschaft vortäusche.

Mein Freund atmete mittlerweile tief neben mir und ich wünschte mir, dass wir Frauen auch so einen Flugmodusschalter hätten.

Mascha Osang und Leon-Alexander Regin („Siemens“) berichten im Wechsel aus ihrem Alltag als Medizinstudenten in Berlin. Die Kolumnen erscheinen alle zwei Wochen.