Mietmarktkrise: Berliner Wohnungstausch kommt in Gang, aber nur langsam

Landeseigene Unternehmen vermelden Hunderte erfolgreich gewechselte Wohnungen. Mieterverein fordert gesetzliche Erleichterungen.

Sehr beliebt: Wohnungen in Kreuzberg
Sehr beliebt: Wohnungen in KreuzbergBenjamin Pritzkuleit

Berlin - Wer eine neue Wohnung in Berlin sucht, hat es schwer. Alleine beim Immobilienportal Immoscout24 kommen auf ein Inserat 177 Kontaktanfragen wöchentlich. Die Chance, sich gegen so viele Konkurrenten durchzusetzen, ist gering. Eine andere Möglichkeit, zur neuen Wohnung zu kommen, bietet der Wohnungstausch. Wer aus einer kleinen Wohnung in eine größere umziehen will, muss dabei jemanden finden, der aus einer größeren Bleibe in eine kleinere ziehen möchte. Wenn sich die passenden Tauschpartner gefunden haben, muss allerdings noch der Vermieter mitspielen. Auf ihn kommt es an. Denn es gibt keinen Rechtsanspruch der Mieter auf einen Wohnungstausch.

Immerhin: Einige Vermieter in Berlin unterstützen den Wohnungstausch. Dazu gehören die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen Degewo, Gewobag, Howoge, Gesobau, Stadt und Land sowie die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM). Sie haben im September 2018 ein gemeinsames Wohnungstauschportal eingerichtet. Das Besondere: Die Nettokaltmiete in den Wohnungen verändert sich durch den Tausch nicht. Kein Mieter muss also mehr bezahlen als der Vormieter. Gebühren fallen nicht an.

„Das Angebot des Wohnungstauschs ist ein sinnvoller wohnungspolitischer Baustein für eine bedarfsorientierte Wohnraumversorgung in Berlin“, sagt David Eberhart, Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Die Zahl der erfolgreichen Tauschaktionen ist allerdings bislang eher übersichtlich. Seit September 2018 haben laut BBU 672 Mieter der landeseigenen Wohnungsunternehmen bei 336 Tauschaktionen eine neue Wohnung gefunden. 15.833 Mieter der landeseigenen Unternehmen haben sich seit 2018 bei der Tauschbörse registriert.

Gesucht: größere Wohnungen

„Als tauschbar eingestellt worden sind in diesem Zeitraum 12.473 Wohnungen“, sagt BBU-Sprecher Eberhart. Auf deren Grundlage seien 163.598 Tauschverfahren angeregt worden. Dahinter verbirgt sich die Zahl der Kontaktaufnahmen von Tauschpartnern untereinander. Die hohe Zahl der Kontaktaufnahmen im Vergleich zur niedrigen Zahl erfolgreicher Tauschfälle weist darauf hin, dass es aufwendig ist, einen passenden Tauschpartner zu finden. Ein Grund: Angebot und Nachfrage klaffen bisher weit auseinander. „Auf einen Verkleinerungswunsch kommen fünf Vergrößerungswünsche“, so Eberhart.

Es gibt auch privat finanzierte Tauschbörsen. Dazu gehört das bundesweit agierende Portal tauschwohnung.com. Die Nutzung der Wohnungstauschbörse ist in den ersten 14 Tagen kostenfrei. Danach müssen die Interessenten für die Nutzung des Portals bezahlen. In Berlin, Hamburg, Köln und München kosten 30 Tage 19,99 Euro, in Potsdam 14,99 Euro. In Städten, für die keine Preise aufgerufen werden, ist die Nutzung kostenfrei.

Zu den Hemmnissen beim Wohnungstausch gehört nach Angaben von John Weinert, Geschäftsführer von tauschwohnung.com, dass bei vielen Personen das „Konzept unbekannt“ sei. Aber auch manche Vermieter seien skeptisch. Hinzu komme, dass zwar „subjektiv gefühlt viele ältere Personen“ in einer zu großen Wohnung wohnen, doch bei manchen älteren Personen sei es „nicht mehr sinnvoll, dass sie umziehen“ – damit insbesondere das mentale Wohlbefinden positiv bleibe.

Senat will Wohnungstausch unterstützen

Der Berliner Mieterverein (BMV) beurteilt den Wohnungstausch positiv. Dies sei ein unterstützenswerter „Beitrag zum Klimaschutz, weil eine bedarfsgerechtere Nutzung der bestehenden Wohnungen den Neubaubedarf reduziert“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Der Tausch sei aber „noch nicht erfolgreich, weil das Angebot von Tauschwilligen noch nicht groß genug ist und wohnortnahe Tauschangebote nicht hinreichend vorliegen“.

Zudem sei die Nachfrage nach größeren Wohnungen größer als das Angebot. Es brauche für Haushalte, die sich verkleinern könnten, mehr Anreize, wie zum Beispiel finanzielle und organisatorische Hilfen. „Für den freien Markt brauchen wir einen Rechtanspruch auf Tausch zu den Konditionen des bisherigen Vertrags“, sagt Wild. Ähnlich zu einer Regelung, die es früher im Bundesmietengesetz gegeben habe.

Der Mieterverein hofft, dass Erleichterungen des Wohnungstauschs in Berlin beim Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen verabredet werden. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken ist bereits festgeschrieben, dass die Parteien von dem geplanten Bündnis mit der Wohnungswirtschaft auch „Maßnahmen zur Unterstützung von Wohnungstausch“ erwarten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will sich zurzeit nicht näher dazu äußern. „Die Gespräche zum Bündnis dauern noch an“, sagt Behördensprecherin Petra Rohland.

„Wie in Österreich oder Schweden sollte jede Person das Recht haben, die Wohnung tauschen zu dürfen, wenn kein schwerwiegender Grund dagegenspricht“, schlägt John Weinert von tauschwohnung.com vor. Wenn Wohnraum ,,gerechter“ verteilt werde, sich dadurch aber finanzielle Nachteile für eine oder beide Parteien ergeben, „könnte ein finanzieller Ausgleich beziehungsweise Anreiz die Motivation stärken“, so Weinert.