Scheinreferenden in der Ukraine: Experten fürchten russische Generalmobilmachung

Im Ukraine-Krieg droht eine neue Eskalationsstufe. Die angestrebte Annexion der besetzten Gebiete könnte auf eine Generalmobilmachung in Russland hinauslaufen.

Russische Soldaten marschieren bei einer Militärparade.
Russische Soldaten marschieren bei einer Militärparade.AP/Alexander Zemlianichenko

In vier besetzten Regionen der Ukraine will Russland in den kommenden Tagen Scheinreferenden über den Beitritt zur Russischen Föderation abhalten. Abgesehen von der Annexion von Teilen des eigenen Landes, könnte dies schwere Folgen für die ukrainischen Streitkräfte haben. Denn Sicherheitsexperten fürchten nun: Sollte das Vorhaben in Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja gelingen, könnte Moskau eine Generalmobilmachung ausrufen. 

Die ukrainische Rückeroberung von annektierten Gebieten wäre dann nach Moskauer Lesart ein Angriff auf russisches Staatsgebiet, so der ukrainische Verwaltungschef für Luhansk, Serhij Hajdaj, laut dem Nachrichtenportal n-tv. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zudem kürzlich verkündet, Moskau habe in der Ukraine „noch nicht einmal richtig angefangen“.

Bei einer Generalmobilmachung werden alle verfügbaren Streitkräfte von Bodentruppen, der Luftwaffe und der Marine, inklusive Reservisten, herangezogen. „Putin wird nicht um eine Generalmobilmachung herumkommen“, schätzt Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) die Lage ein. 

Gesetzesänderungen deuten auf baldige Generalmobilmachung hin

Die Duma hat zudem am Dienstag im Eilverfahren Gesetzesänderungen vorgenommen, die auf eine mögliche Vorbereitung für die Verhängung des Kriegsrechts in Russland hindeuten könnten, wie die Frankfurter Rundschau berichtet. Der Meldung zufolge legte das russische Parlament am Dienstag etwa fest, dass Zeiten der „Mobilmachung“ und des „Kriegszustandes“ besonders anfällig seien für Verbrechen.

Verschärft wurde unter anderem in zweiter und in letzter Lesung das Strafrecht, wonach etwa die Haftstrafen für das freiwillige Eintreten in Kriegsgefangenschaft und für Plünderungen deutlich erhöht werden sollen. Auch ein Gesetz, wonach Ausländer, die sich zum Militärdienst verpflichten, schneller russische Staatsbürger werden können, wurde verabschiedet. Beobachter sehen darin eine mögliche innenpolitische Vorbereitung Russlands auf die Verhängung des Kriegszustandes, bei dem eine Generalmobilmachung die Folge sein könnte.

Eine Generalmobilmachung für den seit mehr als einem halben Jahr dauernden Krieg in der Ukraine gibt es in Russland bisher nicht. Die Armee und Präsident Putin waren daher bislang auf Freiwillige angewiesen. Zuletzt musste der Kreml auch wegen des Personalmangels beim Militär in der Ukraine empfindliche Niederlagen hinnehmen. So zogen sich russische Truppen nach ukrainischen Angriffen fast völlig aus dem Gebiet Charkiw zurück.