Rückenschmerzen: Warum es okay ist, im Homeoffice die Spülmaschine auszuräumen

Zu langes Sitzen sorgt für Verspannungen. Wer seinem Rücken kleine Alltagsfluchten gönnt, erspart sich Schmerzen und womöglich den Gang zum Arzt. Ein Ratgeber.

Wer zwischen Meetings mal Hausarbeit erledigt, tut seinem Rücken Gutes.
Wer zwischen Meetings mal Hausarbeit erledigt, tut seinem Rücken Gutes.www.imago-images.de

Wir sitzen (fast) alle zu viel. Und das ist nicht gut für unseren Rücken. Wir bekommen Verspannungen und Schmerzen, und dann müssen wir mitunter einigen Aufwand betreiben, um wieder fit zu werden. Wobei, ganz so riesig muss die Anstrengung gar nicht sein, wie Sportpädagoge Ulrich Kuhnt verspricht: „Schon ganz normale Alltagsbewegungen können den Rücken wieder stärken und dafür sorgen, dass die Beschwerden nicht wieder kommen.“

Natürlich ist regelmäßiger Kraft- und Ausdauersport der Königsweg, stark und gesund zu bleiben. Allerdings fehlt den meisten Menschen die Zeit dafür, und oft genug vermutlich auch die Lust. „Und das ist gar nicht schlimm“, beruhigt der Experte. „Geißeln Sie sich nicht, wenn Sie es nicht zum Sport schaffen. Freuen Sie sich vielmehr über die kleinen Bewegungen im Alltag, die Ihnen guttun.“ Bücken, heben, tragen, Treppe steigen – alles, was im Haushalt anfällt, ist ein Mini-Training für Ihre Muskeln, Sehnen und Gelenke. „Durch die Belastung, auch wenn man sie als solche gar nicht wahrnimmt, werden die Gewebe besser durchblutet. Verbrauchtes Blut wird weg gepumpt, Stoffwechselschlacken heraus bewegt“, so Ulrich Kuhnt.

Wenn Sie also die Spülmaschine aus- und einräumen, staubsaugen, die Wäsche aufhängen oder abnehmen, trainieren Sie Ihren Körper und sorgen dafür, dass er besser funktioniert. Durch die bessere Durchblutung gelangt auch wieder mehr Sauerstoff zu den Zellen und vor allem ins Gehirn – und das kommt Ihnen dann natürlich entgegen, wenn Sie sich nach der Hausarbeit wieder an den Rechner setzen. Sie sind dann frischer, haben Ihren Kopf einmal ausgelüftet.

„Aus physiologischer Sicht ist es sinnvoller, Büro- und Hausarbeit miteinander zu vereinen, also beides im Wechsel zu erledigen, statt acht Stunden am Computer zu sitzen und danach den gesamten Haushalt auf einmal zu erledigen“, weiß der Rückentrainer. Denn es ist die Bewegungsmonotonie, die uns nachher Schmerzen bereitet. Darum sollten wir für Abwechslung sorgen, wenn wir gesund bleiben wollen.

Beim Sitzen passiert folgendes: Der Rücken wird krumm, die Schultern kippen nach vorne, der Kopf ist geneigt, die Beine sind angewinkelt oder übereinander geschlagen. „Diese Positionen sind nicht natürlich und führen zu Verspannungen“, erklärt Ulrich Kuhnt. „Unser Kopf beispielsweise wiegt rund fünf Kilogramm. Wenn wir ihn neigen, etwa um auf den Bildschirm zu gucken, muss die zarte Nackenmuskultur Höchstleistungen vollbringen. Dafür ist sie schlicht nicht ausgelegt.“ Die Folge: Schulter-Nacken-Schmerzen, Probleme in der Halswirbelsäule.

Überhaupt ist die Wirbelsäule beim Sitzen nicht in ihrer evolutionär vorgegebenen Position. Durch das Sitzen ist der Rücken dauerhaft belastet. Auflösen lässt sich das nur, indem wir aufstehen und uns bestenfalls bewegen – und sei es nur, dass man die Fußgelenke kreist. Arbeiten Sie also ruhig mal im Stehen. Dafür können Sie sich eine Erhöhung für den Schreibtisch kaufen oder selbst bauen, zum Beispiel mit Büchern oder Kisten. Das Stehen entspricht unserer natürlichen Körperhaltung, und es werden viel mehr Muskeln aktiviert. „Bleiben Sie aber dynamisch. Nur wer Abwechslung hat, kann beweglich bleiben. Das gilt für den Körper ebenso wie für den Geist“, so der Experte.

Im Homeoffice verbringt man häufig viel Zeit in Videocalls. Diese kann man durchaus stehend absolvieren. Und man kann auch mal die Kamera aus machen, um sich zu strecken und zu dehnen. Sie werden spüren, wie wohltuend das ist. Wie es neue Energie bringt. „Eine einfache, aber effektive Übung ist es, einfach den Oberkörper vornüber zu beugen und hängen zu lassen. Schwingen Sie ein bisschen vor und zurück durch Ihre gegrätschten Beine, ein wenig zu den Seiten. Dann rollen Sie sich langsam, Wirbel für Wirbel wieder auf, den Kopf ganz zum Schluss“, empfiehlt Ulrich Kuhnt. „Solche kleinen Ertüchtigungen sind erwiesenermaßen gut für die Arbeitseffizienz.“

Zugleich können Sie die Zeit während eines Calls nutzen, um aus dem Fenster zu schauen. Ihre Augen werden durch die ständige Bildschirmarbeit gestresst. Für sie ist es wie ein Urlaub, wenn Sie in die Ferne gucken, der Blick sich nirgends stößt. Blinzeln Sie bewusst, denn das vergisst man oft, wenn man viel am Rechner sitzt. „Nach der Videokonferenz sollten Sie nicht gleich mit der nächsten Aufgabe beginnen, sondern ganz bewusst etwas anderes tun“, rät der Sportpädagoge. Der Kopf braucht eine Erholung, das Besprochene muss sacken.

Dafür sind Hausarbeiten ideal, weil Sie den Körper entlasten und den Geist ablenken. „Man kann zum Beispiel das Abendessen vorbereiten, schon mal Kartoffeln schälen oder rühren ein Dressing an. Vielleicht sinnieren Sie noch über das letzte Gespräch oder Sie spüren ganz bewusst, wie sich das anfühlt, was es mit Ihnen macht“, so der Fachmann. „Das ist keine verschwendete Zeit, sondern eine Investition in Ihre Ressourcen, weil niemand ständig nur leisten kann. Man muss sich selbst auch den Raum geben, um zu verschnaufen und so Dinge zu verarbeiten. Das geht nicht, wenn wir uns von einer Aufgabe in die nächste stürzen.“

Bei einfachen, fast schon automatisierten Tätigkeiten wie dem Befüllen der Waschmaschine oder staubwischen, kriegt man den Kopf frei. Und die Bewegung tut dem Körper gut. Wir nehmen andere Positionen ein als beim Sitzen vor dem Computer – und der Körper dankt es, indem er schmerzlos funktioniert. Falls Sie dennoch ein schlechtes Gewissen haben, überlegen Sie mal kurz, wie oft Sie in der Kaffeeküche gestanden haben und mit Kolleginnen oder Kollegen geplaudert haben. Darüber hinaus: Auch Ihr Arbeitgeber profitiert davon, wenn Sie sich nicht wegen Rückenschmerzen oder Erschöpfung krank melden müssen.