Messi zerlegt im Halbfinale Kroatien und will es nun Maradona gleichtun

Der 35-Jährige ist beim 3:0 der überragende Mann. Am Sonntag hat er nun die Chance, mit dem WM-Titel seine Karriere zu krönen.

Lionel Messi (l.) jubelt mit dem Doppeltorschützen Julián Álvarez.
Lionel Messi (l.) jubelt mit dem Doppeltorschützen Julián Álvarez.dpa/Xinhua

Klar, das ist nicht fair gegenüber all den anderen Argentiniern, die am Dienstagabend beim 3:0 im WM-Halbfinale gegen Kroatien ebenfalls eine klasse Leistung auf den Platz gebracht haben - aber wir kommen nicht umhin, auch dieses Mal den wunderbaren Lionel Messi hervorzuheben. Der Profi von Paris Saint-Germain war alles überragend, trat als Torschütze und Vorlagengeber in Erscheinung und hat nun am Sonntag im Finale die Chance, seine beispiellose Karriere mit dem Titel zu krönen. Die Chance, es Diego Maradona gleichzutun, der die Albiceleste im Jahr 1986 fast im Alleingang zum Gewinn der Weltmeisterschaft führte. 

Was für die Kroaten ein düsterer Abend war, war den Südamerikanern jedenfalls ein Fest. Immer wieder intonierten die 50.000 Argentinier unter den knapp 90.000 Zuschauern schon weit vor Spielende zur Melodie des Herzschmerz-Songs „Muchachos, Esta Noche Me Emborracho“ ihren WM-Hit, der von ihrem Leid der titellosen Jahre, aber auch vom Glück des Erfolges bei der Copa América und von der Hoffnung auf Messi und den großen Coup kündet. Mehr Leidenschaft geht kaum. 

In der Übersetzung geht er ungefähr so: „In Argentinien bin ich geboren, dem Land von Diego und Lionel, von den Leuten auf den Malwinen (Falkland-Inseln, d. R.), die ich niemals vergessen werde. Ich kann es dir nicht erklären, weil du es nicht verstehen wirst. Die Finals, die wir verloren haben, die vielen Jahre, in denen ich geweint habe. Aber das ist jetzt vorbei, weil Papa im Maracanã das Finale gegen die Brasilianer gewonnen hat. Leute! Jetzt machen wir uns wieder Hoffnungen, ich will den dritten Stern, will Weltmeister werden. Und Diego können wir am Himmel sehen, wie er mit Don Diego und La Tota (Maradonas Vater und Mutter, d. R.) Lionel anfeuert.“

Di María nur auf der Bank

Lionel Scaloni, Argentiniens Nationaltrainer, hatte hinsichtlich seiner Startformation gleich in zweierlei Hinsicht überrascht. Zum einen war da in der Grundformation eine Viererabwehrkette auszumachen, zum anderen verzichtete er zunächst auf Angreifer Ángel Di María, der bevorzugt über die rechten Flügel in Aktion tritt und ja grundsätzlich ein Garant für das Spektakuläre ist. Scalonis Ansatz war also ein vorsichtiger, gemäß dem Motto: erst mal sicher stehen und vorne wird es La Pulga, der Floh, schon richten. 

Da sein Widersacher, Zlatko Dalic, auch kein Freund des Hurra-Fußballs ist und der Matchplan der Kroaten vor allen Dingen auf diszipliniertem Positionsspiel basiert, war also für den Abend im Lusail Iconic Stadium ein langes, langes Abtasten zu erwarten, zugleich auch zu befürchten gewesen. Und tatsächlich durfte man nach einer halben Stunde Spielzeit zu folgendem Zwischenfazit kommen: klar, das alles ist extrem spannend, allein schon wegen der Bedeutung des Spiels, aber eben nicht hochklassig, sondern mitunter gar etwas zäh. 

Messi drehte in vorderster Angriffslinie seine doch eher halbherzigen Forechecking-Runden, Julián Álvarez, sein Partner im Angriff, erkundete die Weiten des Spielfelds, ohne auch nur einmal gefährlich zu werden. Den einzigen Abschluss für die Albiceleste brachte in der 25. Minute Enzo Fernández ein, seinen als Aufsetzer endenden Schuss schnappte sich Kroatiens Keeper Dominik Livakovic im Nachfassen. Auf der anderen Seite hatte man zwar etwas öfter den Ball, aber nach Angriffslust und -spiel sah das auch nicht aus. 

Aber dann war mit einem Moment auf den anderen plötzlich alles ganz anders: In der 34. Minute rutschte Luka Modric im zentralen Mittelfeld ein schlampiger Pass von Nicolás Otamendi unter der Sohle durch, was Enzo Fernández eher zufällig ins Spiel brachte. Der 21-Jährige von Benfica Lissabon erkannte sofort die sich ihm bietende Chance auf einen Steilpass Richtung Álvarez, der sich im Rücken von Dejan Lovren davongeschlichen hatte. Und dann ging alles sehr schnell, zu schnell für Lovren, zu schnell für Livakovic, der gegen Álvarez einen Tick zu spät kam, dadurch einen Strafstoß verursachte.  

Co-Trainer Mandzukic sieht die Rote Karte

Und natürlich übernahm Messi die Verantwortung: drei Schritte Anlauf, ein Schuss mit Wumms unter die Querlatte. Livakovic, der sich bei dieser WM den Ruf eines Elfmeterkillers erhechtet hatte, war machtlos. Und Co-Trainer Mario Mandzukic über den Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Daniele Orsato so erbost, dass er sich für seine Einmischung eine Rote Karte einhandelte.

Wie ein Boxer, der nach einem ersten Wirkungstreffer sogleich die vorzeitige Entscheidung sucht, setzten die Argentinier nach, nutzten einen Eckstoß der Kroaten nur fünf Minuten später schließlich auch zum 2:0. Wobei die Kroaten in Gestalt von Marcelo Brozovic, der in der Rückwärtsbewegung einen Zweikampf gegen Messi verlor, aber auch in Gestalt von Josip Juranovic und Borna Sosa, die den von Mittelinie durchstartenden Álvarez mit slapstickartigen Einlagen zum letztlich erfolgreichen Torabschluss begleiteten, mehrmals die Möglichkeit zur Unterbindung des Gegenangriffs hatten. 

Gvardiol werden die Grenzen aufgezeigt

So durcheinander waren die Kroaten unter der Führung von Dalic noch nie - und fingen sich auch nicht mehr. Im Besonderen natürlich wegen Messi. In der 43. Minute schlug der 35-Jährige einen Eckball auf den Kopf von Alexis Mac Allister, der Livakovic zur Glanzparade zwang. In der 58. Minute zeigte der fünffache Weltfußballer Josko Gvardiol zum ersten Mal in einem direkten Duell die Grenzen auf, überspielte ihn dank Doppelpass mit Álvarez ganz locker, scheiterte aber ebenfalls an Livakovic. Aber in der 69. Minute war es dann soweit: Erneut nahm Messi den sichtlich beeindruckten Gvardiol mit auf die Reise, drehte sich einmal hier hin, einmal da hin, dran in den Strafraum ein und legt auf Álvarez ab, der zum 3:0 vollendete. 

Zum Comeback waren die „Comeback-Könige“ aus Kroatien an diesem Abend nicht fähig. Bezeichnenderweise wurde Luka Modric schon in der 80. Minute ausgewechselt.