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Ukraine klagt in Den Haag  «Groteske Lüge» – Anhörung startet mit Eklat

Bilder des Krieges: Eine halb bewusstlose Frau wird von ukrainischen Soldaten am Stadtrand von Kiew versorgt. Sie war auf der Flucht.

Man hätte die Sitzung gleich zu Beginn als Farce bezeichnen können. Die Sitzreihe für die Vertreter Russlands war leer, und sie würde es bleiben, wie die Vorsitzende Richterin des Internationalen Gerichtshofs ICJ am Montagmorgen bekannt gab. Das Land habe mitgeteilt, dass es der mündlichen Anhörung hier im historischen Friedenspalast von Den Haag nicht beiwohnen werde.

Die Ukraine wirft dem Nachbarn in einer Dringlichkeitsklage vor, den Krieg zu Unrecht mit einem angeblich drohenden Völkermord im Donbass zu rechtfertigen. Und sicher hatten viele gehofft, dass man in Moskau die Grösse haben werde, sich hier zu zeigen – zu argumentieren, nicht nur zu bombardieren. Wo Präsident Wladimir Putin in jüngster Zeit doch bemüht war, sein Vorgehen zumindest scheinbar völkerrechtlich zu begründen.

So bleibt es allein der Ukraine überlassen, ihre Ansicht drei Stunden lang darzulegen, gipfelnd in der Forderung, der ICJ, das höchste Gericht der Vereinten Nationen, möge Russland noch vor dem eigentlichen Urteil in «vorläufigen Massnahmen» zu einem sofortigen Stopp der Kriegshandlungen anhalten. Das Fernbleiben der Gegner lasse tief blicken, sagt Anton Korynevych, der Vertreter der Ukraine. «Sie sind nicht hier im Gerichtssaal, sie sind auf dem Schlachtfeld und führen einen Angriffskrieg gegen mein Land.» Das sei «die Art, wie Russland Dispute löst». Seine Botschaft an Moskau: «Lasst uns das wie zivilisierte Staaten regeln. Legt die Waffen nieder!» Wenn nicht, dann habe dieses Gericht die Macht, ja die Pflicht zu handeln.

Gleich viele zivile Opfer wie in den letzten fünf Jahren

Putin hat mehrmals zu verstehen gegeben, dass mit der «speziellen Militäroperation» die Menschen in den separatistischen Gebieten in Donezk und Luhansk geschützt werden sollten; schliesslich hätten ukrainische Kräfte dort immer wieder Menschen getötet in den vergangenen Jahren. Dass es «Völkermord» sei, was da geschieht, muss Putin behaupten, weil nur dann eine Art humanitäre Intervention gerechtfertigt sein könnte, ähnlich dem Vorgehen von Nato-Staaten 1999 im Fall des von Serbien abtrünnigen Kosovo.

«Völkermord» also? Eine «groteske Lüge», sagt ein ukrainischer Vertreter, eine «Beleidigung» der UN-Völkermordkonvention von 1948. Schon ein «flüchtiger Blick» zeige, wie falsch der Vorwurf sei. Noch deutlicher werde das durch die Berichte unabhängiger internationaler Beobachter seit 2014. OSZE, UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, Ermittler des ICJ selbst – keine dieser Institutionen habe auch nur einen einzigen Hinweis auf einen drohenden Genozid in der Ostukraine gefunden. Die Zahl der getöteten Zivilisten sei auch stark zurückgegangen in den vergangenen Jahren. In den ersten sechs Tagen des jetzigen Kriegs seien zudem so viele bestätigte zivile Opfer registriert worden wie in den vergangenen fünf Jahren der Kämpfe in der Region. «Und Russland hat den Nerv, das Protektion zu nennen.»

Bis zuletzt sei Putin verzweifelt bemüht gewesen, einen «legalen Vorwand» für den Angriff zu kreieren. Vorgebracht worden sei etwa die tödliche Attacke auf einen Kindergarten in Luhansk Anfang Februar. Der aber befand sich auf Gebiet, das unter Kontrolle Kiews stand; der Angriff sei, wie sich zeigte, von russisch unterstützten Gruppen gekommen. «Es gab einfach nichts, also griff man auf eine Lüge zurück.»

Die Anhörung der russischen Argumente an diesem Dienstag entfällt nun offensichtlich. Der ICJ kündigte an, über den Eilantrag der Ukraine «so bald wie möglich» zu entscheiden. Falls das Gericht die von der Ukraine gewünschten «vorläufigen Massnahmen» erlässt, wird sich Russland kaum daran halten. Urteile des ICJ sind zwar verbindlich für die UNO-Mitgliedstaaten, doch kann er keine Sanktionen verhängen. Der Internationale Gerichtshof kann höchstens den UNO-Sicherheitsrat um Hilfe bitten. Dort hat Russland ein Vetorecht.

Die Ukraine hat Russland parallel vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt. Der hat die Regierung in Moskau aufgefordert, «von den militärischen Angriffen gegen Zivilisten und zivile Ziele» abzusehen. Russland hat die Aufforderung ignoriert. Als letztlich ähnlich aussichtslos gelten Bemühungen, gegen einzelne russische Verantwortliche vor den Internationalen Strafgerichtshof zu ziehen.

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