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Erinnerungen an einen Flug im Cockpit der Unglücksmaschine

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Undatierte Aufnahme einer fliegenden Junkers Ju-52 mit Schweizer Zulassung.
Aufnahmen aus dem Inneren einer Ju-52 auf einem Instruktionsflug im März 2017.
Bis zu 17 Passagiere haben in einer Tante Ju Platz.

Die «Tante Ju» ist wohl das einzige Schweizer Flugzeug, zu dem die Leute mit Begeisterung hochsehen, statt sich über Fluglärm zu ärgern. Sie ist die gutmütige, alte Tante, mit Wellblech beplankt und aus dem «Vollen geschnitzt», wie die Piloten sagen. Sie ist das letzte Relikt der guten alten Luftfahrt, die noch ohne Elektronik, Slots und Fluglärmstreit auskam.

Einen Makel hat aber auch die Tante Ju. Sie wird immer wieder auch als «Naziflugzeug» bezeichnet. 4800 Ju-52 hat die Firma Junkers ab 1930 gebaut. Sie transportierten Truppen, retteten Schwerverletzte aus Stalingrad und warfen vereinzelt auch Bomben. Als «unseren guten Kameraden» bezeichneten die Truppen die Ju, weil sie gutmütig, zuverlässig und extrem stabil ist. Doch auch viele andere Länder kauften die Junkers.

Acht Ju-52 waren bis zum letzten Samstag noch flugfähig, drei davon standen in Dübendorf, seit sie 1981 durch die Ju-Air von der Schweizer Luftwaffe übernommen wurden. Seit 1983 hatte der rührige Verein Ju-Air keine Unfälle mit Verletzten zu verzeichnen. Im Cockpit der Tante Ju fliegt quasi das Who is Who der Schweizer Luftfahrt, alles erfahrene Flugkapitäne der Swiss – pensioniert oder noch aktiv –, die häufig auch Militärpiloten auf Kampfjets waren. Sie kennen die Schweizer Alpentäler wie ihren Hosensack. Mit ihren Ju-52 flog der Verein bis ans Nordkap und auf die Kanarischen Inseln. Einst wurde eine Schweizer Ju mit Touristen an Bord von Mirage-Jets über Marokko abgefangen und zur Landung gezwungen.

Motorenausfall wird simuliert

Der Autor dieses Textes war vor einem Jahr auf einem Instruktionsflug mit der nun abgestürzten HB-HOT dabei. Ein pensionierter Swiss-Kapitän und Ex-Mirage-Pilot schulte einen neuen Piloten auf die Ju ein. Sogar der Ausfall eines Motors wird dabei simuliert. Der Schüler ist im Berufsalltag Chefinstruktor bei der Swiss. «Wenn die Kiste leer ist, fliegt sie sich wie ein kleines Sportflugzeug, bei Volllast hat sie ihre Tücken», sagt der Instruktor. Der Jungpilot, bei der Swiss kurz vor der Pensionierung, startet die drei originalen 650-PS-Sternmotoren von BMW. Die Wellblechkiste erbebt, und ein uriges Brummen geht durch die Bäuche der Passagiere.

Bilanz des Instruktionsflugs: Sogar wer Flugangst hat, fühlt sich in der Tante Ju wohl. Sie rattert gemütlich im Ferientempo über Seen und durch Alpentäler. Aus Lärmschutzgründen dürfen die Piloten nur je 500 PS aus den BMW-Motoren herausholen. Alles ist original an der Tante Ju – ausser die Kotztüten, die Sennheiser-Kopfhörer und das GPS im Cockpit.

«Die Elektronik brauchen wir nicht», sagt der Instruktor, «wir sind alles gute alte Sichtpiloten.» Nur über UKW-Funk verfügt die Ju, um sich auf den Flugplätzen anzumelden. Auch eine Blackbox hat die alte Wellblechkiste nicht. Das könnte nun zum Handicap werden bei der Ursachenforschung für den Absturz.

Passagiere und Piloten lieben bei der Tante Ju, dass sie nicht auf festen Flugrouten verkehrt, sondern sich im Luftraum der freien Zirkulation bewegt. Die Piloten zählen den Passagieren über Mikrofon, passend zum Stakkato der Motoren, Berg um Berg auf. Ohne Kopfhörer würden sie nichts verstehen. Gut möglich, dass am Samstagnachmittag beim Flug von Locarno nach Dübendorf das Martinsloch beim Segnespass die letzte Durchsage war.