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Pragmatikerin mit steiler Karriere

Evi Allemann ist geübt im Umgang mit Medien. Sie positioniert sich links und greift zur Mitte.

Mitschülerinnen und Studienkollegen erzählen, sie hätten Evi Allemann als unscheinbare und zurückhaltende Zeitgenossin in Erinnerung. Es gab andere, die lauthals und radikal die Welt verändern wollten. So war die Überraschung gross, als Allemann zwischen schriftlicher und mündlicher Matur 1998 die Wahl in den Grossen Rat schaffte. Beim Gespräch für dieses Porträt erzählt sie, sie habe nicht mit der Wahl gerechnet, aber keine Sekunde gezögert, diese anzunehmen.

Allemann hatte beim Karrierestart Glück, war fleissig und zeigte Geschick. Via Schülerzeitung und Kindernachrichtenagentur konnte sie 1995 an der Jungendsession dabei sein und faszinierte sich für die Macht der Politik. «Der Drang, nicht einfach hinzunehmen, sondern mitzugestalten und zu verändern, ist wahrscheinlich in meinem Charakter angelegt», sagt Allemann. Eine gute Bildungspolitik, Chancengleichheit, Jugendförderung und umweltfreundlicher Verkehr waren ihr besonders wichtig.

Warum ging sie also zur SP und nicht zu den Grünen? Aus ganz pragmatischen Gründen: Weil sie einer Partei angehören wollte, die nicht nur ihre Anliegen und Grundwerte teilt, sondern auch genügend Wähler und damit Macht hat, etwas zu bewegen. Zu ihrem Glück waren die Juso damals noch nicht so stark links wie heute. Und die Jugendförderung war bei der SP kein Feigenblatt mehr. Die Juso hatten noch keine eigene Wahlliste, konnten aber einige Junge zuoberst auf den SP-Listen platzieren.

So auch Allemann. Zudem profitierte sie von guten Wahlkampfstrategen und Kontakten zu den Parteigrössen Simonetta Sommaruga und Rudolf Strahm. Sie entwickelte ein Gespür für eine bis in die Mitte verträgliche Politik bei Themen wie Verkehr und Sicherheit. Anders als beim Sozialstaat akzeptieren hier SP-Wählerinnen und -Wähler gewisse Kompromisse. Es muss ja nicht gleich die ganze Stadt autofrei sein.

Allemanns Positionen decken sich stark mit der Parteilinie (siehe Grafik), aber sie sieht sich als pragmatische Linke: «Wer etwas bewegen will, muss bereit sein, vom eigenen Standpunkt etwas abzurücken.» Gute Politikerinnen und Politiker hätten ein Gespür dafür, diese Offenheit für einen gemeinsamen Nenner in den anderen Lagern zu finden. Mit 25 Jahren gelang Allemann der Sprung in den Nationalrat. Sie schaffte es aber, nicht auf ihr Alter reduziert zu werden. Auch wenn sie sich weiterhin für ein niedrigeres Stimm- und Wahlrechtsalter einsetzte. Sie machte sich für Roadpricing und gegen Offroader stark, forderte weniger Wiederholungskurse in der Armee oder ein Verbot von Killerspielen.

Mieterverband und VCS

In einem der jüngsten Vorstösse will sie wissen, warum der Bund das Gebäude der Alkoholverwaltung an den Meistbietenden versteigerte, obwohl die Stadt Bern das Gebäude hatte kaufen wollen, um preiswerten Wohnraum zu realisieren. Allemann ist Nationalrätin und Lobbyistin zugleich, unter anderem als Präsidentin des Mieterinnen- und Mieterverbands Kanton Bern und des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS).

In der Verkehrskommission vertrete sie pointiert VCS-Anliegen, «Langsamverkehr und ÖV vor allem anderen», sagt der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri. Er war wie Allemann 2003 in den Nationalrat gewählt ­worden. Seit 1993 ist er Stadt­präsident von Solothurn. Ob sich jemand nach einem reinen Parlamentarierleben für ein Exekutivamt eignet, ist laut Fluri fast ­unmöglich vorauszusagen. Der Unterschied sei sehr gross, und es brauche geistige Flexibilität, besonders wenn man eine Direktion mit neuen Themen übernehme. Aber Fluri traut Allemann den Wechsel zu. SVP-Nationalrat Thomas Hurter dagegen, der auch Präsident des Automobil-Clubs der Schweiz (ACS) ist, will Allemann nicht qualifizieren.

Die Regierungsratskandidatin selber betont zur fehlenden Erfahrung aus der Privatwirtschaft oder einer Exekutive, «politische Führungserfahrung habe ich, das ist für dieses Amt das Entscheidende». Und sie verfüge über ein grosses politisches Netzwerk auf nationaler Ebene und kenne viele Dossiers seit Jahren. «Die Kantone sind darauf angewiesen, dass sie einen guten Draht zum Bund haben. Es geht auch um Finanzierungsfragen und Grossprojekte.» Auch nicht alle anderen Regierungsräte seien vorher bereits in einer Exekutive gewesen.

Im Gespräch spürt man ihre grosse Medienerfahrung. Sie ist redegewandt und kommt auch bei kritischen Fragen kaum ins Zögern. Wenn andere lauter werden, erhöht sie stattdessen die Argumentationsdichte. Auch zum Privatleben gibt die Regierungsratskandidatin auf Fragen einiges preis: Sie wohnt mit ihrer Familie in Bern im Breitenrain. Der Sohn (7) geht in die Schule, die Tochter (21/2) eineinhalb Tage pro Woche in die Kita. Die Grosseltern und die Schwiegermutter kümmern sich an je einem weiteren Tag pro Woche um die Kinder. «Das sind glückliche Umstände, ich weiss», sagt Allemann.

Trotz des Vollzeitjobs als Regierungsrätin möchte sie für die Familie eine gewisse Flexibilität in der Agenda behalten. Früher unternahm sie zweimal pro Jahr eine grössere Reise. Mit den Kindern hat sie den Radius etwas eingeschränkt. Aber unterwegs ist sie weiterhin möglichst mit Bahn, Bus und Schiff. Ein Auto hat sie nicht, nicht einmal einen Führerausweis: «Aber auch ich bin manchmal froh, wenn ich mitfahren oder etwas transportieren kann.»

Leuchttürme schaffen

Allemann ist nicht nur ein Stadtmensch, sondern lebte während der ersten Schuljahre in Gross­affoltern. «Die Zeit in diesem Dorf hat mich geprägt», sagt sie. Der Stadt-Land-Graben ist für sie vor allem unfruchtbar. Im Regierungsrat möchte sie deshalb Leuchtturmprojekte für den ganzen Kanton schaffen.

So wie Barbara Egger mit der Energiestrategie und dem Atomausstieg der BKW. Welche Direktion sie gerne hätte, sagt Allemann nicht. In vielen Bereichen sei die Digitalisierung ein grosses Thema. Ein anderes Leuchtturmprojekt könne mehr bezahlbarer Wohnraum sein: «Auch im bürgerlich geprägten Kanton Bern ist hierfür Potenzial vorhanden, wenn man es nicht zu dogmatisch angeht», sagt Allemann. Also die Welt nicht radikal verändern, aber pragmatisch den Kanton Bern immerhin etwas voran­bringen.«Spieglein, Spieglein an der Wand, wer regiert künftig das Berner Land?» Für unsere Porträtserie mussten sich die zehn Kandidatinnen und Kandidaten der etablierten Parteien mit einem Spiegel im Regierungsratszimmer inszenieren.