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Ultras parlieren im KriegsjargonUnd dann brennt ein Banner in Belgrad

Auf dem Kopf und in Flammen: Fans von Roter Stern Belgrad verbrennen das Römer «Fedayn»-Banner.

Es gibt Geschichten, die leben zunächst einmal von einer Prämisse, gewissermassen von einem Disclaimer. In dieser Geschichte aus der bizarren Welt italienischer und serbischer Ultras bedienen sich die Protagonisten der Kriegssprache, die in wahrhaft kriegerischen Zeiten wie diesen noch deplatzierter wirkt als sonst schon: Von Kriegstrophäen, Kriegsbeuten und Kriegserklärungen ist da die Rede, von Standarten und militärischen Aktionen.

Ihren vorläufigen Höhepunkt erlebte diese Geschichte am Samstag im Belgrader Fussballstadion Rajko Mitic während des serbischen Spitzenspiels Roter Stern Belgrad gegen Cukaricki. Da rollten die harten Fans von Roter Stern zwei Spruchbänder aus. Auf einem stand «Fedayn» in einer Typografie aus den Siebzigerjahren. Auf das andere hatten sie geschrieben: «Ihr habt euch die falschen Freunde ausgesucht.» Dann verbrannten sie das Banner mit der Aufschrift «Fedayn», es war umgekehrt aufgehängt gewesen.

Nun ist darob halb Rom in Aufruhr, zumal die Romanisti, die Anhänger der AS Roma. «Fedayn» ist eine alte, 1972 gegründete und früher linke Ultragruppe, von der es heisst, sie herrsche ziemlich hegemonisch über die politisch mittlerweile vor allem rechte bis rechtsextreme Südkurve des römischen Olympiastadions. Sie gilt selbst als apolitisch. Vor und nach Heimspielen hängen die «Fedayn» jeweils an der Piazza Mancini herum, einem Platz mit Kioskbar nicht weit vom Olimpico, und trinken da Bier. Am vergangenen 4. Februar, nach dem Serie-A-Spiel gegen Empoli, stürmten plötzlich fünfzig Ultras aus Belgrad die Gruppe auf der Piazza. Sie waren aus Mailand angereist, wo sie einem Basketballspiel ihres Vereins beigewohnt hatten: alle schwarz gekleidet, Gummihandschuhe, Schlagstöcke.

«Eure Fahne ist unsere Fahne, ergebt euch»

Die Aktion war bis ins Detail geplant. Die Serben hatten es auf die Tasche mit den alten Tuchbannern der Gruppe abgesehen, die soll ständig bewacht sein. Auch das irgendwie mythische Spruchband «Brigata Roberto Rulli» war dabei. So, Roberto Rulli, hiess der Gründer der «Fedayn», er starb 1990 mit 39 Jahren. Die Belgrader nahmen sich die Tasche, prügelten sich mit den Römern. Dann waren sie weg mit ihrer «Kriegsbeute», wie es danach heissen sollte, entschwunden in die Nacht, spurlos. In den sozialen Medien posteten sie: «Eure Fahne ist jetzt unsere Fahne, ergebt euch.»

Eine Schmach sondergleichen, man hatte sich übertölpeln lassen. In Rom fragte man sich, ob die «Fedayn» verraten worden sein könnten, zum Beispiel von einer anderen Gruppe aus der Curva Sud, sie ist ein Wespennest von Intrigen. Oder steckten vielleicht die Ultras von Napoli, bittere Rivalen der Romanisti, hinter der Operation? Die sind nämlich mit denen von Roter Stern verbrüdert. Mit den Neapolitanern gab es schon so viele Scharmützel, erst Anfang Jahr wieder auf der A1,
als sich 300 Ultras aus Neapel und 50 aus Rom die Köpfe einschlugen – mitten auf der Autobahn.

Die Sorge der Römer war, dass die Fahne der «Fedayn» bald im Stadion in Neapel hängen könnte, und zwar auf dem Kopf, als «Kriegstrophäe». Nichts beschäftigte die Romanisti mehr als die Sache mit den Standarten der Ultras. Bis das Banner jetzt in Belgrad in Flammen aufging, offenbar als Rache für die Nähe der Römer zu den Bad Blue Boys von Dynamo Zagreb. Das Spruchband zu Ehren Roberto Rullis verbrannten die Serben nicht. Aus Respekt für den Toten, hört man. Es ist schon alles sehr verschroben.

Und nun? Es gibt Leute bei den «Fedayn», die finden, von dieser Schmach könne man sich nicht erholen, obschon das volle Olympiastadion am Sonntag mit langen Ovationen und lauten «Fe-Fe-Fedayn»-Chören ihre Gemüter zu heben versuchte. Mindestens den Namen müssten sie ändern, finden diese Leute, oder sich ganz auflösen. Und dann gibt es natürlich jene, die auf einen Gegenschlag sinnen, von dem es heisst, er könnte auf halbwegs neutralem Boden und nach Absprache mit den Gegnern stattfinden: am 10. März in Athen. Dann tragen dort Panathinaikos und Roter Stern Belgrad ein Basketballspiel der Euroliga aus. Römer und Athener, muss man wissen, sind miteinander verbandelt. Alliierte, würden sie sagen.