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Ursprung der Corona-PandemieWelche Belege gibt es neu für die Labortheorie?

Hochsicherheitslabor des  Virologischen Instituts Wuhan: Ist Sars-CoV-2 hier entwichen? 

Am Wochenende hatte zunächst das «Wall Street Journal» berichtet. Das amerikanische Energieministerium, so hiess es in dem Artikel, habe seine Einschätzungen zum Ursprung des Coronavirus Sars-CoV-2 neu justiert. Es gehe nun von einer möglichen Laborpanne aus, wenngleich mit nur einem «niedrigen» Grad der Gewissheit. Am Dienstagabend nun bekräftigte FBI-Direktor Christopher Wray im Gespräch mit dem rechtsgewirkten Fernsehsender Fox eine frühere Stellungnahme seiner Behörde, der zufolge ein Zwischenfall in einem Labor in China für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich gewesen sei – «höchstwahrscheinlich». Und nun wird wieder über den Ursprung des Erregers diskutiert, dem in den vergangenen drei Jahren laut Schätzungen der WHO nahezu sieben Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. «Das FBI geht schon seit geraumer Zeit davon aus, dass der Ursprung der Pandemie höchstwahrscheinlich ein möglicher Laborvorfall in Wuhan ist», sagte der Leiter der Bundespolizei. «Hier geht es um ein mögliches Leck in einem von der chinesischen Regierung kontrollierten Labor.» Was für die Labor-Hypothese spricht – und was dagegen.

Gibt es neue Erkenntnisse, die das US-Energieministerium dazu bewogen haben, seine Meinung zu ändern?

Bislang jedenfalls keine, die öffentlich zugänglich sind. Laut «Wall Street Journal» kam die neue Einschätzung des Ministeriums nach einer Analyse durch Experten der Behörde zustande, die sich auch mit verschiedenen Sicherheitsfragen befasst haben. Laut dem nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan hat US-Präsident Joe Biden alle nationalen Labore dazu aufgefordert, mitzuhelfen, den Corona-Ursprung zu ergründen. Weder unter den US-Geheimdiensten noch in der Regierung herrscht derzeit Einigkeit über den vermutlichen Ursprung des Pandemievirus. «Die Nachrichtendienste und der Rest der Regierung sind noch dabei, die Sache zu prüfen», sagte John Kirby, Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, am Montag in Washington. Bereits in einem Bericht des National Intelligence Council konnten sich Nachrichtendienste der USA im Oktober 2021 nicht auf einen Ursprung festlegen. Daran hat sich seither nichts geändert. Einig war man sich immerhin darüber, dass es sich bei Sars-CoV-2 wahrscheinlich nicht um eine Biowaffe handelt.

Welche Belege gibt es bislang für die Labor-Hypothese?

Ein Sicherheitsbeamter drängt Journalisten vor dem Wuhan-Institut für Virologie zurück, nachdem ein Team der Weltgesundheitsorganisation im Februar 2021 zu einem Besuch eingetroffen ist. 

Handfeste Belege gibt es nicht, aber reichlich verdächtige Indizien. So gibt es in der chinesischen Millionenstadt Wuhan, in der das Virus erstmals nachgewiesen wurde, das Virologische Institut Wuhan mit Laboren an zwei Standorten, in denen Erreger untersucht werden, die dem Pandemievirus ähneln. Durch einen Unfall könnte Sars-CoV-2 aus den Hochsicherheitslabors des Instituts entfleucht sein, so geht eine Theorie. Ein Mitarbeiter könnte sich beispielsweise bei der Arbeit mit Tieren, die den Erreger trugen, versehentlich damit infiziert und ihn anschliessend nach draussen getragen haben. Unter Fledermäusen zirkulieren Viren, die Sars-CoV-2 sehr ähnlich sind.

Viele Fachleute gehen jedoch davon aus, dass der Erreger nicht direkt von Fledermäusen auf den Menschen gesprungen sein kann, sondern einen Zwischenwirt gebraucht hat. Das führt zu der Spekulation, dass ein Fledermausvirus erst durch Experimente im Labor in Wuhan zum Pandemievirus wurde. Belastbare Belege gibt es dafür nicht, auch wenn solche seit Beginn der Pandemie oft kolportiert wurden. So wurde im Oktober ein Aufsatz vor allem in den sozialen Medien fleissig diskutiert, wonach Spuren im Erbgut von Sars-CoV-2 auf eine Manipulation durch Menschen hinweisen würden. Fachleute liessen allerdings kein gutes Haar an dem Papier. Ähnlich wurde bereits zu Beginn der Pandemie im Februar 2020 argumentiert, doch lassen sich bislang keine Belege dafür finden. Tatsächlich wurden in Wuhan wohl Experimente gemacht, «die man als gefährlich bezeichnen könnte», wie der Berliner Virologe Christian Drosten gegenüber dieser Zeitung erklärte. Doch hätte dabei nicht Sars-CoV-2 entstehen können.

Was spricht für einen natürlichen Ursprung?

Das stärkste Argument ist die Tatsache, dass der erste Sars-Erreger zu Beginn des Jahrtausends aus dem Tierreich auf Menschen wechselte, und zwar von Fledermäusen über weitere Tiere als Zwischenwirte. Regelmässig kommt es zu solchen Zoonosen genannten Wirtswechseln, was jedoch kein Beweis dafür ist, dass es bei Sars-CoV-2 wieder so war. Auf dem Markt in Wuhan, wo vermutlich die ersten nachvollziehbaren Infektionen mit Sars-CoV-2 stattfanden, wurde mit Tieren wie Marderhunden gehandelt, die als Zwischenwirt infrage kämen. In mühevoller Kleinarbeit rekonstruierte ein Forscherteam im vergangenen Jahr im Wissenschaftsjournal «Science», wie sich der erste Ausbruch auf dem Huanan-Markt in Wuhan zugetragen haben könnte. Genetische Analysen der ersten Proben deuten darauf hin, dass der Erreger in Wuhan womöglich zweimal von verschiedenen Tieren auf Menschen wechselte und sich daraus zwei Viruslinien entwickelten. Diese zwei Viruslinien lassen sich mit einem Laborausbruch weit weniger einfach erklären.

Wird sich jemals mit Sicherheit nachweisen lassen, woher das Virus kam?

Wenn, dann höchstwahrscheinlich nicht durch Nachforschungen in den USA oder Deutschland, sondern nur mit dem Willen Chinas. Es müsste jemand aus dem Viruslabor in Wuhan an die Öffentlichkeit gehen mit Belegen für einen Ausbruch. Oder es müssten in alten Proben von Tieren, die auf dem Huanan-Markt gehandelt wurden, Spuren des Erregers auftauchen. Zu Beginn der Pandemie hiess es zunächst aus China, auf dem Markt in Wuhan seien keine Tiere verkauft worden, die als Zwischenwirte infrage kämen, wie Schleichkatzen oder eben Marderhunde. Mittlerweile ist klar, dass das nicht stimmt.

Doch es fehlt weiterhin an belastbaren Untersuchungen an diesen Tierarten, die in vielen Teilen Chinas vor allem von der Pelzindustrie gezüchtet und verkauft werden. Eine Untersuchung durch Fachleute der WHO blockiert China bislang. FBI-Direktor Christopher Wray merkte am Dienstag an, dass die chinesische Regierung «ihr Bestes getan» habe, um die Arbeit der US-Regierung und ausländischer Partner «zu behindern und zu verschleiern». Weil die Frage eine so grosse politische Relevanz hat, wird sie von allen Lagern für ihre Zwecke instrumentalisiert. Dabei wäre die Antwort so wichtig. Sie könnte vielleicht dabei helfen, künftige Pandemien zu verhindern.