Controllertag

Hecken: „Der G-BA ist zumindest berechenbar“

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Hecken: „Der G-BA ist zumindest berechenbar“
© Mau

Auf dem jährlich stattfindenden Krankenhaus-Controllertag nahmen die Gäste kein Blatt vor den Mund. Vor allem Josef Hecken, Chef des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), war auf Krawall gebürstet. „Out of control“ – so hatte der Deutsche Verein für Krankenhaus-Controlling (DVKC) seine Veranstaltung überschrieben und Hecken nahm den Slogan dankbar auf.

„Sie können nur steuern, wenn Sie wissen, was das Ziel ist.“ Die Reform des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach ließe ein solches aber nicht erkennen. Vor allem der Einfluss der Bundesländer auf die Reform ist aus Heckens Sicht Gift. Was aus den Bund-Länder-Gesprächen herausgekommen ist, sei das Gegenteil dessen, was die Regierungskommission wollte. „Man hat die relativ ambitionslosen Leistungsgruppen-Definitionen aus Nordrhein-Westfalen genommen und schafft parallel ein Gremium aus Selbstverwaltungspartnern, Patientenvertretern, das federführend von Bund und Ländern geleitet und Fachgesellschaften beraten wird. Deren Vorschläge soll das BMG dann in eine Rechtsverordnung gießen, der die Länder zustimmen müssen – das kann nicht funktionieren“, polterte der G-BA-Chef.

Die Leistungsgruppen aus NRW seien viel zu lax und unscharf. Dass Mindestmengen nicht in die Leistungsgruppen übernommen worden sind, sei ein Fehler, so Hecken, der zwar die falsche Präsentation im Gepäck hatte, sich aber dennoch in Rage redete. „Das BMG hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und den GKV-Spitzenverband rausgehalten, nach dem Motto: Man kann den Teich nicht mit den Fröschen trockenlegen. Aber mit den Ländern hat das BMG die Krokodile herangezogen.“

Das Tischtuch zwischen dem Mann mit CDU-Parteibuch und Minister Karl Lauterbach (SPD) ist zerschnitten. Das lässt sich auch daran ablesen, dass der G-BA kaum noch Aufträge vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) beziehungsweise vom Gesetzgeber bekommt. Hecken schloss seinen Vortrag mit offenen, harschen Worten: „Am Anfang war ich beleidigt, dass der G-BA nicht bei der Reform mitmachen darf, mittlerweile bin ich froh, dass der G-BA für diese Reform keine Mitverantwortung tragen muss. Ich glaube in drei oder vier Jahren, werden einige sagen: ‚Mit dem G-BA war es schon übel, aber schön wäre, wir hätten den noch, denn der war zumindest berechenbar.‘“

Wulf-Dietrich Leber fürchtet „NRW-Leistungsgruppen forever“

Nach Hecken kam Wulf-Dietrich Leber, Abteilungsleiter Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband. Leber besitzt ebenfalls eine scharfe Zunge, wirkte nach Hecken aber fast zahm. Die Suche nach einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern bezeichnete er als verschwendete Zeit. Der Vorschlag der Regierungskommission vom Dezember sei gut, aber die Umsetzung dilettantisch, so Leber.

Wie Hecken äußerte er massive Zweifel daran, dass die Leistungsgruppen aus NRW eine gute Basis für die Reform sind – und warnte vor der Zementierung dieses Instruments. „Wenn die NRW-Leistungsgruppen im Gesetz stehen, sind sie schwerer zu ändern als das Grundgesetz. Sozusagen NRW-Leistungsgruppen forever“, sagte Leber. Gerade bei der Strukturreform bleibe das NRW-Modell jedoch viel zu vage. „Wenn man Laumann fragt, wie er am Ende von fünf auf zwei Abteilungen kommt, sagt er, darüber müsse man dann reden. Das ist für mich das sozialpädagogische Ende der Reform“, frotzelte Leber. NRW-Gesundheitsminister Laumann will solch strittigen Entscheidungen in seiner Krankenhausreform Ende des Jahres fällen.

Gegen Ende seiner Präsentation schloss Leber in Sachen Polemik doch noch zu Hecken auf. Die Strukturreform lasse sich nicht aufschieben, im Gegenteil, monierte Leber. „Jeder Monat, in dem nicht fünf bis zehn Krankenhäuser vom Netz gehen, ist ein schlechter Monat“, stellte er klar. Warum dies möglich sei, unterstrich der GKV-Mann mit folgendem Satz: „Dreiviertel der kleinen Krankenhäuser, dreiviertel der Klitschen, stehen in Ballungszentren.“  Auch zum Thema „Krankenhausplanung ist Ländersache“ gab Leber einen Kommentar ab. Er wirft den Bundesländern Doppelzüngigkeit vor. „Gibt der Bund Geld, ist der Eingriff in die Landesplanung akzeptiert – zum Beispiel beim Krankenhauszukunftsgesetz oder bei den Sicherstellungszuschlägen. Nimmt der Bund Geld, dann wird auf die Krankenhausplanung gepocht.“ 

Gaß hadert mit fünf „schwachsinnigen“ Leistungsgruppen

Als DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß auf die Bühne trat, reagierte er unmittelbar auf den Vorwurf Wulf-Dietrich Lebers, dass die Kliniken in den vergangenen Jahren massive Erlössteigerungen genossen hätten, zuletzt 2024 rund sechs Milliarden Euro. Die Erlössteigerung möge ja real sein, „aber die Erlöslücke bei Krankenhäusern ist auch real. Die Fälle kosten mehr und von den Strukturkosten ist vieles nicht refinanziert“, unterstrich Gaß. „Seien Sie selbstbewusst“, rief er den Krankenhauscontrollern im Publikum zu, „wir reden nicht über Rettungspakete, sondern wir reden darüber, dass Krankenhäuser auskömmlich finanziert werden müssen“. Wenn man Strukturwandel wolle, müsse die Politik mit den Krankenhäusern reden, forderte Gaß. Denn die Reform dürfe nicht in einen kalten Strukturwandel münden. „Die Insolvenzen sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Krankenhäuser versuchen jeden Tag, Insolvenzen zu vermeiden. Viele Kliniken sind zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen, die sich negativ auf die Patientenversorgung auswirken. Die Branche ist maximal unterfinanziert, das sagen nicht nur wir, sondern das untermauern auch die Zahlen des Krankenhaus Rating Reports. Das ist die harte Realität.“

Karl Lauterbachs Aussage, die Kliniklandschaft werde sich schon im Herbst 2024 aufgrund seiner Krankenhausreform verändern, ist für Gerald Gaß zynisch. „Damit deutet der Minister die wirtschaftlich bedingte Insolvenzwelle zu seinen Gunsten um.“ Gaß verwies in Sachen Reform auf Nordrhein-Westfalen – hier kommt er zu einem völlig anderen Schluss als seine Vorredner. Bei Karl Laumanns Reform zögen Krankenkassen und Kliniken an einem Strang. „Wir fordern, bis 2026 auch im Bund NRW pur zu machen.“ Gar nichts hält der DKG-Vorsitzende hingegen von den fünf zusätzlichen Leistungsgruppen, die der Bund jetzt auflegt (zum Beispiel für die Notfallversorgung). Sie seien „schwachsinnig“, schimpfte Gaß. 

Wehner: Wehmut über Lauterbachs Rotstift

Rosemarie Wehner von der Bertelsmann Stiftung äußerte die Kritik am BMG etwas milder: „Uns fehlt eine übergeordnete Zielsetzung in der Gesetzgebung“, bemerkte sie. Oft sei im BMG auch ein gewisses Abteilungsdenken spürbar, zum Beispiel in der Digitalisierung, wo man das Gefühl habe, dass Abteilung 2 (Krankenhäuser) und Abteilung 5 (Digitalisierung) nicht unbedingt an einem Strang ziehen. Wehner zeigte auch eine gewisse Wehmut, dass Karl Lauterbach seine Ankündigungen rund um die regionale Gesundheitsversorgung und Gesundheitskioske einkassiert hat.

Allerdings könne man vor diesen Themen nicht weglaufen – und die Stiftung denke eher langfristig. „Transformation ist notwendig, dafür brauchen wir aber alle Beteiligten an einem Tisch“, sagte Wehner, die Senior Project Manager bei der Bertelsmann Stiftung ist. Sie baut unter anderem den Health-Transformation-Hub auf, den die Stiftung kürzlich aus der Taufe gehoben hat. Der Hub beschäftigt sich unter anderem mit ordnungspolitischen Fragen, also etwa der Frage, welche Rolle die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen zukünftig spielen soll. 
 

Autor

 Jens Mau

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