Transalp mit dem E-MTBMacht der Range Extender das Erlebnis endlich möglich?

Markus Greber

 · 04.02.2024

Offizieller Erfrischungspartner:
Der Passo Venerocolo hat es leider doch nicht in die finale BIKE Transalp-Strecke 2024 geschafft, ist aber ein Highlight mit dem E-MTB!
Foto: Markus Greber / Skyshot
Mit dem E-MTB über die Alpen – neue leistungsstarke Akkus mit Range Extender-Technik sollen nun auch lange Tagesetappen in alpinem Gelände möglich machen. Wir haben das System auf der BIKE Transalp Route 2024 schon mal ausprobiert.

Die Oberschenkel brennen. Der schwere Rucksack presst mich in den Sattel und die Intervalle, in denen ich aufstehen muss, damit wieder Blut durch meine Beinvenen fließen kann, werden immer kürzer. 800 Höhenmeter sind es noch bis zum Döss Radond, dem höchsten Punkt der heutigen Etappe. Aber erstens ist es schon fast fünf Uhr nachmittags. Und zweitens habe ich nur noch zwei blaue Balken auf dem Display. Das bedeutet: Weit über die Hälfte der Akku-Kapazität habe ich bereits verballert. Daher bin ich nun seit 200 Höhenmetern wieder im Eco-Modus unterwegs. Eigentlich wollte ich die ganze Etappe in dieser untersten Unterstützungsstufe schaffen. Um Strom zu sparen.

Von Nauders bis zur Bergstation der Bergkastel-Bahn hinauf habe ich getreten wie ein Ochse. 1000 Höhenmeter lang. Doch dann stellten sich Richtung Val Müstair diese fiesen, steilen Rampen in den Weg – da musste ich einfach ein paar Briketts nachlegen. Aber dass das gleich so viel mehr Akku gekostet hat? Hilft ja nichts, weiter. Noch 500 Höhenmeter. Ein Wandererpärchen auf dem Weg ins Tal verstummt, als sie mich sehen. Kaum bin ich an ihnen vorbei, höre ich: „Wie langsam der ist. Trotz E-Bike!“ Noch 200 Höhenmeter bis zur Passhöhe. Im Display wechselt die Farbe von blau auf orange. Ich steige ab, stütze mich auf den Lenker und schiebe den Rest. Sabine sitzt schon oben am Döss Radond. Ich bin völlig unterzuckert, aber für einen gefrusteten Distanz-Ruf reicht meine Kraft noch: „Mission autarke Transalp gescheitert, wir haben`s verkackt!“

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Akku am Ende, Tageslicht weg, Temperatur einstellig: Dass wir Bormio doch noch erreichen, verdanken wir einer Stirnlampe.Foto: Markus Greber / SkyshotAkku am Ende, Tageslicht weg, Temperatur einstellig: Dass wir Bormio doch noch erreichen, verdanken wir einer Stirnlampe.

E-MTBs können fast alles, aber eine ausgewachsene Transalp gehörte bisher nicht dazu. Jedenfalls nicht ohne Begleitfahrzeug und Gepäcktransport, damit im Rucksack ein schwerer Zweitakku samt Ladegerät Platz findet. Tagesetappen jenseits der 2000 Höhenmeter sind mit den meisten Bikes und nur einer Batterie einfach nicht drin. Doch dann präsentierte mir Claus Fleischer, CEO der Firma Bosch und gelegentlicher Touren-Gefährte, den vermeintlichen Gamechanger: „Damit“, grinste Claus, und hielt mir ein trinkflaschengroßes, schwarzes Teil vor die Nase, „schaffst du 3000 Höhenmeter.“ Man müsse nur diesen „Bosch Power More 250“-Range Extender in einer Spezialhalterung statt des Flaschenhalters montieren und mit einem eingebauten 750-Wattstunden-Akku am Bike kombinieren. Schon liefere dieses System 250 zusätzliche Wattstunden. Wenn das funktioniert, müsste eine autarke Transalp tatsächlich möglich sein. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.

Ei, ei warum vorbei? Das Hotel Zum Lamm in Tarrenz war unser Startpunkt.Foto: Markus Greber / SkyshotEi, ei warum vorbei? Das Hotel Zum Lamm in Tarrenz war unser Startpunkt.

Es ist der 5. Oktober als wir aufbrechen. Da werden die Tage schon kurz. Doch wir wollten warten, bis Marc Schneider, der Rennleiter der BIKE-Transalp, von seiner Streckenrecherche für die Route 2024 zurückkehrte. Eine auf vier Etappen komprimierte Version dieses ersten Streckenentwurfs schickte uns Marc in Form von GPS-Daten. Von Imst nach Boario Therme, bei Breschia, mit insgesamt 340 Kilometern und 10624 Höhenmetern. Damit ist klar: Wir werden es dem Range Extender maximal schwer machen. Oder uns selbst, wie Tag 2 eindrucksvoll demonstrieren sollte. Dabei ging alles so schön unbeschwert los:

Etappe 1 – Imst-Nauders: 81 km – 2327 hm

Das Höhenprofil der Startetappe verspricht eine Art lockeres Einrollen: Zwischen Imst und Nauders summieren sich zwar 2327 Höhenmeter, aber ohne erkennbar steile Ausschläge. Wir kurbeln auf Asphalt einige Kilometer ins Pitztal und traversieren die Pillerhöhe auf einem steilen, rutschigen Pfad Richtung Inntal. Mein Finger zuckt nach dem Schalter für die Unterstützungsstufen, aber ich gönne mir nicht mehr als Tour Plus. Dafür dreht mein Puls hoch. Sabines Sparkonzept sieht anders aus: Technische Passagen schiebt sie einfach. Nach einer langen Abfahrt auf Schotter spulen wir die Via Claudia durchs Inntal ab. 30 Kilometer leicht, aber stetig bergauf. Im Eco zehrt das an den Reserven etwa so viel wie eine kurze Rampe. Nach 60 Kilometern Strecke geht's in den letzten Anstieg: noch 600 Höhenmeter und 15 Kilometer bis Nauders, aber auch noch 50 Prozent Akku. Gut gewirtschaftet. Sabine hat sogar noch 10 Prozent mehr. Wir schauen uns an: „Okay, Turbo!“. Und so fliegen wir in Rekordzeit zum Mutzkopf hoch und auf feinsten Bikepark-Trails hinunter nach Nauders. Kurz vor dem Hotel „Neue Burg” springt meine Anzeige dann auf Orange: 30 Prozent Restkapazität – das war entspannt. Da können wir morgen locker noch eine Schippe drauflegen, denke ich.

Etappe 2 – Nauders-Bormio: 104 km – 3032 hm

Von Nauders könnte man ganz einfach auf der Straße ins Val Müstair rüberrollen. Schöner ist aber der Umweg über die Plamort-Höhe.Foto: Markus Greber / SkyshotVon Nauders könnte man ganz einfach auf der Straße ins Val Müstair rüberrollen. Schöner ist aber der Umweg über die Plamort-Höhe.

3000 Höhenmeter sind eine Ansage. Wenn wir heute Abend in Bormio ankommen wollen, müssen wir nicht nur mit den Akkus haushalten, sondern auch mit dem Tageslicht. Im Oktober hat man einfach deutlich weniger Zeit für solch einen Marathon. Um 18:30 Uhr geht derzeit die Sonne unter. Dann wird es im Hochgebirge schnell ungemütlich. Theoretisch könnte man von Nauders direkt Richtung Schweizer Grenze rollen. Aber es handelt sich ja um die BIKE Transalp-Strecke. Da sind am Reschenpass natürlich noch ein paar Ehrenrunden vorgesehen. So wird es 15:30 Uhr bis wir in Santa Maria in einer Bar zum Mittagessen anhalten – wo die Küche nun zu hat. „Salat wäre noch möglich“, sagt die Bedienung und schaut uns mitleidig an. Wenigstens gibt's Energie für unsere Bikes, sie dürfen an die Steckdose.

Aber nur für eine halbe Stunde, denn wir sitzen auf Kohlen. Als wir aufbrechen, zeigt mein Display immerhin einen weißen Balken mehr, also 10 Prozent. Trotzdem dürfte es eng werden. Zwischen uns und dem Tagesziel in Bormio türmen sich jetzt die letzten 800 Höhenmeter zum Döss Radond hinauf. Mein persönliches Waterloo, das ich eingangs bereits beschrieben habe. Doch als auch ich endlich diesen Passübergang erreiche, weiß Sabine gar nicht, warum ich von „verkackt“ und „Mission gescheitert“ zetere. Ihr Display zeigt noch drei blaue Akku-Balken. Ich knabbere einen Riegel und noch einen. Okay, Mission doch noch nicht gescheitert, es kann weitergehen. Es dämmert bereits, als wir das Val Mora durchqueren. Die blaue Stunde wirft ein gespenstisches Licht auf den Cancano-See. Wie in Trance, kneten wir auf der Schotterstraße Bormio entgegen. Sabine gibt mir Windschatten, sie hat wieder einen Balken mehr als ich. Mein Display leuchtet rot. Gut, dass wir eine kleine Stirnlampe eingepackt haben. So können wir den Trail im letzten, finsteren Waldstück noch grob erahnen. Die Anzeige blinkt, als wir die Bikes im Skikeller des Hotels Baita Fanti parken. Akkus laden, duschen, essen, schlafen – und noch einen Blick auf die nächste Etappe werfen. Härter als heute darf es echt nicht kommen.

Etappe 3 – Bormio-Aprica: 98 km – 3232 hm

Und es kommt härter. Richtung Val di Sole und Adamello-Massiv zieht sich der berüchtigte Mortirolo-Pass. Allein das sind schon 1300 steile Asphalt-Höhenmeter am Stück. Doch irgendwie sind wir heute weniger aufgeregt. Vielleicht, weil wir unsere Reserven und die unserer Batterien jetzt besser einschätzen können. Im Grunde ist es ein Rechenexempel: Wir kennen Höhen- und Kilometer und die Restkapazität der Akkus. Ein einfacher Dreisatz. Vorausgesetzt, man kann sich auf das Batterie-Management des Motors verlassen und das ist in unserem Fall so. Was draufsteht, ist auch drin. Trotzdem sind die heutigen 3232 Höhenmeter ein sattes Programm. In Grosio am Fuße des Mortirolo-Pass wollen wir unsere Batterien in der Mittagspause laden. Deshalb gönnen wir uns für den langen Anstieg ins Val di Dentro den Tour Plus-Modus.

Also landschaftlich kann man diesem Val di Dentro wirklich keinen Vorwurf machen.Foto: Markus Greber / SkyshotAlso landschaftlich kann man diesem Val di Dentro wirklich keinen Vorwurf machen.

So können wir dieses einsame Hochtal mit ihren Almen und kleinen Bergseen auch viel mehr genießen. Auch die Abfahrt auf uralten Karrenwegen ins Valtellina macht Spaß: 1800 Tiefenmeter bis in die Gassen von Grosio hinunter. Nach dem geplanten Boxenstopp im Hotel Sassella steht nun der Mortirolo-Pass mit seinen endlosen Asphaltkehren an. 10 Prozent steil im Schnitt. Der Streckenrekord liegt laut Strava bei 46 Minuten. Wir brauchen etwa doppelt so lang. Ich komme mit einem orange-farbenen Balken in Aprica an, Sabine mit zwei blauen. 15 Kilo weniger auf den Rippen zahlen sich einfach aus.

Etappe 4 – Aprica-Boario Therme: 67 km – 2033 hm

Den Zahlen nach sollte die letzte Etappe ein Klacks sein – allerdings soll sie ein „episches Monster“ enthalten: den Passo Venerocolo. Im unteren Teil ist dieser Pass teils so steil, dass wir nur weit über den Lenker gebeugt vorankommen – im Turbo-Modus. Danach wird’s etwas flacher, bleibt aber technisch. Am Bergrestaurant „Ristoro Aprica“ verabschiedet sich die menschliche Zivilisation für Stunden. Sektion für Sektion arbeiten wir uns hoch. Erst auf einem verwinkelten Wurzel-Trail, später auf hochalpinen, drahtseilgesicherten Wandersteigen. Ein Juwel von einem Trail! Die Landschaft drumherum: wild wie in den Westalpen. Als wir den Pass überqueren, tut sich vor uns die große Weite der Poebene auf. „Wow, das Ende der Alpen“, sage ich zu Sabine, und die deutet auf ihr Display: „Und das nahe Ende meines Akkus.“ Der E-MTB-Modus, den wir zugunsten des Uphillflows fast durchgehend eingeschaltet hatten, fordert nun ihren Tribut. Tja, da haben wir uns heute wohl verrechnet. Egal, dann laden wir unten im Tal irgendwo nach, dann sollte es bis Boario Therme reichen. Der Uphillflow-Spaß war's wert.

Auf der einen Seite blickt man gleich in die Po-Ebene und beim Blick zurück strahlt noch mal der Piz Palü: der Passo Venerocolo.Foto: Markus Greber / SkyshotAuf der einen Seite blickt man gleich in die Po-Ebene und beim Blick zurück strahlt noch mal der Piz Palü: der Passo Venerocolo.

Info: Transalp mit dem E-MTB

Leicht macht Sinn: Im Viersterne-Hotel mit Flipflops zum Abendessen – ein Bild, wie es in den Bikehotels während der Transalp-Saison keine Seltenheit ist. Klar, Schuhe für abends passen in keinen Rucksack und sind viel zu schwer. Wer eine autarke Transalp vorhat, kämpft um jedes Gramm. Und das nicht nur, um weniger Last auf dem Buckel zu haben.

Gewicht wirkt sich dramatisch in der Reichweite der Akkus aus. Markus wiegt mit voller Montur, also mit Helm, Schuhen und Klamotten 83 Kilo. Sabine mit 70 Kilo 13 Kilo weniger. Im Schnitt spart sie dadurch zwischen 10 und 20 Prozent Strom.

Hier ein paar interessante weitere Gewichte:

Bike mit Pedalen 23 Kilo

Range Extender mit Halterung 1,6 Kilo

Rucksack Markus / Sabine 8,5 / 9 Kilo (o. Wasser)

Lenkertasche Markus / Sabine 1,7 / 1,5 Kilo

Tasche im Rahmendreieck Sabine 0,65 Kilo

Sabines Packliste ist lang. Insgesamt wiegt ihr Rucksack-Inhalt 9 Kilo.Foto: Markus Greber / SkyshotSabines Packliste ist lang. Insgesamt wiegt ihr Rucksack-Inhalt 9 Kilo.

Unser Transalp-E-MTB mit Range Extender

Möglichst leicht und effizient: Für unser Transalp- Autark-Projekt wählten wir das Canyon Neuron On CF 8 in der Serienausstattung. Mit unter 23 Kilo ist das Bike dank fest eingebautem 750 Wattstunden-Akku recht leicht, die Geometrie nicht zu flach und damit gut für ein neutrales Lenkverhalten auf langen Touren. Die Reifen (Schwalbe Nobby Nic), die wir normalerweise gegen schwerere und griffigere ausgetauscht hätten, sparen uns auf der Transalp mit ihrem geringeren Rollwiderstand wertvolle Energie. Dank Schlauchlos-System und defensiver Fahrweise hatten wir selbst auf ruppigen Passagen keinen Platten. Ebenfalls ein paar Quäntchen Energie sparen Klickpedale und Schuhe mit guter Kraftübertragung. Die hatte sich Markus, der sonst lieber Flatpedals fährt, extra für die Transalp montiert.

Saugen ordentlich am Akku: technische Auffahrten.Foto: Markus Greber / SkyshotSaugen ordentlich am Akku: technische Auffahrten.

Das für uns wichtigste Feature ist allerdings der Bosch CX Antrieb. Unserer Erfahrung nach ist das einer der wenigen Antriebe mit einer zuverlässigen, linearen Kapazitätsanzeige. Das schützt vor bösen Überraschungen beim Kalkulieren der verbleibenden Reichweite. Zur Navigation benutzte Sabine ihr Iphone 13 Pro Max, montiert an einer Fidloc Vacuum Vorbauhalterung. Als Energieversorgung diente eine große Powerbank (Otterbox, 15.000 mAh), verstaut in der Rahmentasche unterm Oberrohr. Der Bosch Power More 250 Range Extender sitzt in einer Spezialhalterung anstelle des Flaschenhalters. Er wird über ein Versorgungskabel mit der Ladebuchse des Bikes verbunden und bleibt während der Etappe (außer beim Laden natürlich) mit dem Hauptakku verkabelt. Vorteil dieses Setups: Man lädt direkt nach der Tour erst den Range Extender. Nach dem Abendessen ist der dann voll (Ladezeit 1,5 bis 3 Stunden). Dann steckt man über Nacht das Bike mit der Hauptbatterie an. So hat man am nächsten Tag auf jeden Fall wieder volle Kapazität.

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