Wie Wladimir Putin den Frieden aufs Spiel setzt: RISIKO RUSSLAND

So leicht können sie in der Ukraine einmarschieren

Wie Wladimir Putin den Frieden aufs Spiel setzt - Infografik

Was aussieht wie ein Spielfeld beim beliebten Strategiespiel „Risiko“, hat einen bitterernsten Hintergrund.

Truppenbewegungen, Aufmarschpläne, Angriffspfeile – in diesem Fall eine Skizze* von einer möglichen russischen Invasion in die Ukraine.

Das Schaubild bestätigt auf erschreckende Weise die Einschätzung der Nato, dass Russland jederzeit in der Lage ist, in die Ukraine einzumarschieren.

Darüber, wie viele Truppen wo genau stehen, gibt es unterschiedliche Angaben. Die Nato spricht von 40 000 russischen Soldaten an der Grenze, ukrainische Quellen von bis zu 100 000 Mann.

Und die Russen? Die erklärten gestern, dass ihre Soldaten in die Kasernen zurückkehren, sobald das Manöver beendet ist. Einen Zeitpunkt nannten sie nicht.

Doch die Angst ist da!

Nach Ansicht von Nato-General Philip Breedlove könnten die Russen binnen zwölf Stunden Ziele in der Ukraine angreifen. Die an der Grenze stationierten Soldaten seien gut ausgerüstet, sagte Breedlove, Befehlshaber der Nato-Truppen in Europa, in mehreren Zeitungs-Interviews. Zudem seien die Truppen in der Lage, innerhalb von drei bis fünf Tagen Moskaus militärische Ziele in der Ukraine und andernorts zu erreichen.

Breedlove, ein früherer US-Kampfpilot, erhebt in der „New York Times”schwere Vorwürfe gegen Putin. Die Russen hätten Manöver dazu genutzt, konkrete Invasionspläne zu verschleiern.

„Sie sind mittlerweile in der Lage, große Truppenkontingente in kurzer Zeit einsatzbereit zu machen“, warnt Breedlove. Diese Fähigkeit des russischen Militärs sei eine neue geo-strategische Bedrohung.

Sind das nur Drohgebärden, oder kommt es wirklich zu einem militärischen Konflikt zwischen dem westlichen Militär-Bündnis und den Russen?

BILD fragte Harald Kujat, Bundeswehr-Generalinspekteur von 2000 bis 2002 und von 2002 bis 2005 Vorsitzende des Nato-Militärausschusses.

Das Ziel, die Besetzung der Ost-Ukraine zu verhindern, werde man nicht durch Eskalation erreichen, sondern nur durch De-Eskalation. „Man muss die Russen an den Verhandlungstisch holen“, sagt Kujat. Durch Eskalation ermuntere man womöglich in der Ukraine sogar radikale Kräfte, weil diese dann glaubten, die Nato sei an ihrer Seite.

Sind scharfe Warnungen aber nicht nötig, um Russland zu stoppen?

Kujat warnt: Wenn die Nato sich als Löwe gebärdet, wird sie sich im schlimmsten Fall blamieren. Denn es ist völlig klar: Falls Russland in der Ost-Ukraine einmarschiert, kann der Westen für die Ukraine nichts tun, genau wie nach der Annexion der Krim durch Russland. Die Nato wäre gar nicht in der Lage, die Ukraine zu verteidigen.“

Ein russischer Einmarsch in der Ost-Ukraine sei auch kein Nato-Bündnisfall.

Kujat mahnt: „Wer einen militärischen Konflikt riskieren wollte, der müsste schwachsinnig sein. Russland ist militärisch wieder sehr stark und die strategische Ausgangslage ist auf Russlands Seite. Zudem ist Russland neben den USA noch immer die zweite nuklear-strategische Supermacht. Eine militärische Auseinandersetzung mit Russland in Europa wäre der totale Wahnsinn.“

Ist die Nato also in Wirklichkeit machtlos?

„Nein, nicht wenn es um die Sicherheit der Nato-Staaten geht“, sagt der frühere deutsche Top-General. Niemand wisse, ob Russland wirklich in der Ost-Ukraine einmarschieren wolle, Aber es sei klar, welche Ziele Russland habe.

Kujat: „Russland wollte die Krim. Die hat es jetzt. Das wird der Westen nicht ändern können. Außerdem will Russland erreichen, dass die Ukraine eine föderale Struktur erhält und nicht Nato-Mitglied wird. Es gilt also, eine Regelung zu finden, mit der die Ukraine, der Westen und Russland leben können. Die findet man nur am Verhandlungstisch, aber ganz bestimmt nicht durch Eskalation.“

* Auf Grundlage des renommierten Royal United Services Institute (RUSI), ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in London

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