Zwangsarbeit spielte in den besetzten Gebieten Europas und Nordafrikas eine große Rolle. Die NationalsozialistInnen betrachteten die Menschen in den besetzten Gebieten als Kriegsbeute. Die Wehrmacht, die deutsche Verwaltung und deutsche Firmen, die sich in den besetzten Gebieten angesiedelt hatten, beuteten Zwangsarbeiter:innen aus. Die Zahl der Menschen, die in den besetzen Gebieten Europas und Nordafrikas Zwangsarbeit leisten mussten, kann nur geschätzt werden. Niedrige Schätzungen gehen von ca. sieben Millionen, höhere Schätzungen von 13 Millionen Menschen aus. Sie mussten zusätzlich zu den etwa 13 Millionen in Deutschland eingesetzten Zwangsarbeiter:innen für Deutschlands Kriegswirtschaft arbeiten.

Ausbeutung nach rassistischen Kriterien

Die besetzten Länder und die dort lebenden Menschen waren dabei sehr unterschiedlich betroffen. Die Härte der Zwangsarbeit richtete sich nach der rassistischen Hierarchie, nach der die NationalsozialistInnen Menschen in Höherwertige und Minderwertige einteilten. Demgemäß war die Behandlung von Menschen aus Polen, Russland und der Ukraine schlechter als die von französischen oder tschechischen Zwangsarbeiter:innen. Besonders schlecht wurden Juden:Jüdinnen behandelt. Bereits während der ersten Kriegstage im September 1939 zwang die nationalsozialistische Verwaltung sie im eroberten Polen zur Arbeit. Die Betroffenen sollten durch erniedrigende Arbeiten gedemütigt und verhöhnt werden. Die Zwangsarbeit bedeutete für sie meist nur einen Aufschub ihrer bereits geplanten Ermordung.

Ein Kriegsziel der NationalsozialistInnen war die Eroberung von sogenanntem "Lebensraum" im Osten Europas: Dort sollten Rohstoffe geplündert und nach dem Krieg deutsche Bauernfamilien angesiedelt werden. Die Bewohner:innen wurden aus rassistischen Gründen vertrieben, ermordet oder zur Arbeit gezwungen.

Arbeitskräfte für die deutsche Kriegsindustrie

In anderen Fällen waren wirtschaftliche Beweggründe hingegen durchaus zentral: Seit Kriegsbeginn wurden gleich hinter der Front im besetzten Polen Arbeitsämter eröffnet, deren Mitarbeiter die heimische Bevölkerung zur Zwangsarbeit rekrutierten. Spätestens seit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 folgten deutsche Firmen der Wehrmacht und der deutschen Verwaltung in die besetzten Gebiete. Sie eigneten sich bestehende Betriebe an, errichteten Zweigwerke und beuteten die Zivilbevölkerung als Zwangsarbeiter:innen aus.

Daimler-Benz beispielsweise unterhielt einen großen Reparaturbetrieb für Fahrzeuge der Wehrmacht in Minsk in Belarus. Das Werk war mit 5 000 Beschäftigten bald einer der größten Betriebe im besetzten Osteuropa. Kriegsgefangene und Angehörige der Zivilbevölkerung – darunter auch Juden:Jüdinnen – mussten dort arbeiten.

Zwangsarbeit in Ghettos

Eine besondere Form der Zwangsarbeit gab es in den Ghettos, in denen Juden:Jüdinnen eingesperrt wurden. Sie mussten für deutsche Firmen oder im Auftrag der Wehrmacht zum Beispiel Kleidung, Uniformen oder Alltagsgegenstände wie Bürsten anfertigen. Für die Bewohner:innen der Ghettos knüpfte sich an die Zwangsarbeit die Hoffnung zu überleben. Denn nur arbeitende Ghettobewohner:innen wurden notdürftig mit Lebensmitteln versorgt und konnten darauf hoffen, der Deportation in ein Mordlager zu entgehen.

Im Ghetto Litzmannstadt beispielsweise, das in der polnischen Stadt Łódź eingerichtet wurde, kämpften hunderttausende Juden:Jüdinnen ums Überleben. Frauen, Männer und Kinder arbeiteten bis zur völligen Erschöpfung in den Ghettowerkstätten. Chaim Rumkowski, der Vorsitzende der von den Nationalsozialisten eingesetzten jüdischen Verwaltung, hatte sie aufbauen lassen. Mit Aufträgen der Wehrmacht versuchte er, die jüdischen Arbeiter:innen für die NationalsozialistInnen unentbehrlich zu machen, um zumindest einige Bewohner:innen des Ghettos zu retten.

Doch die deutsche Ghettoverwaltung lieferte zu wenig Lebensmittel. So starb ein Viertel der 200 000 Menschen im Ghetto Litzmannstadt an Hunger und Krankheiten. Zudem ließ die SS Kranke, Kinder unter zehn Jahren und ältere Menschen als "nicht arbeitsfähig" in das Mordlager Kulmhof bei Chełmno deportieren. Im Sommer 1944 ordnete SS-Chef Himmler die Deportation der noch lebenden Ghettoinsassen in das Mordlager Auschwitz an. Damit scheiterte die Strategie der Rettung durch Arbeit endgültig.

In den besetzten Gebieten Westeuropas

Auch in den besetzten Gebieten Westeuropas beutete die Wehrmacht die Arbeitskraft vieler Menschen aus – im vom nationalsozialistischen Deutschland und den Alliierten umkämpften Italien beispielsweise. Hier wurden 1944 in frontnahen Gebieten italienische Männer von der Wehrmacht zur Zwangsarbeit verpflichtet. Sie sollten nicht in das Einflussgebiet der Alliierten gelangen, sondern als Arbeitskräfte für die deutsche Rüstungsproduktion verfügbar bleiben. Wehrmachtsangehörige schickten die Männer nach Norditalien zur Zwangsarbeit, denn dort produzierten italienische Firmen Rüstungsgüter für das Deutsche Reich.

In Norwegen mussten etwa 90 000 sowjetische Kriegsgefangene Zwangsarbeit leisten. Sie wurden vor allem für den Bau neuer Straßen, bei deren Ausbesserung, der Verbesserung und Verbreiterung alter Straßen, bei der Schneebeseitigung und dem Bau von Eisenbahnstrecken eingesetzt.

 

Literatur:

Dieter Pohl, Tanja Sebta (Hrsg.). Zwangsarbeit in Hitlers Europa. Besatzung – Arbeit – Folgen, Berlin 2013.

Alexander Nützenadel (Hrsg.). Das Reichsarbeitsministerium im Nationalsozialismus. Verwaltung – Politik – Verbrechen, Göttingen 2017.