Neue Impulse bei der Klavierakademie in Murrhardt

Bei der 21. Internationalen Klavierakademie in Murrhardt geben die Professoren Markus Groh, Jacques Rouvier und Christian A. Pohl den Pianistinnen und Pianisten im Unterricht wertvolle individuelle Hilfestellungen, Hinweise und zeigen ihnen neue Perspektiven auf.

Markus Groh (hinten) arbeitet mit zwei Flügeln, um seinen Schülerinnen und Schülern, hier die Südkoreanerin Soohyun Park, schnell auch mal etwas demonstrieren zu können. Foto: Elisabeth Klaper

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Markus Groh (hinten) arbeitet mit zwei Flügeln, um seinen Schülerinnen und Schülern, hier die Südkoreanerin Soohyun Park, schnell auch mal etwas demonstrieren zu können. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Schon am ersten Unterrichtstag der Internationalen Klavierakademie in Murrhardt bieten die Teilnehmer inspirierende Interpretationen dar. Hoch konzentriert arbeiten sie daran, die ausgewählten Werke und ihre Performance zu optimieren. Dabei kommen Einzelheiten ebenso auf den Prüfstand wie das große Ganze. Die drei erfahrenen Musikpädagogen und Professoren Markus Groh, Jacques Rouvier und Christian A. Pohl geben den Studierenden teils vorspielend und singend wertvolle Empfehlungen und Tipps, die individuell auf die Werke und Situationen abgestimmt sind und umgesetzt werden. Erstmals unterrichtet Markus Groh, der in Waiblingen geboren und in Fellbach aufgewachsen ist. Seine Karriere begann als Jungstudent an der Musikhochschule Stuttgart, seit 2014 ist er Professor an der Universität der Künste in Berlin und gibt regelmäßig Meisterkurse. Als Einziger arbeitet er mit zwei Flügeln, einem für ihn und einem für die Studierenden: So kann er ihnen schnell etwas vorspielen, um zu demonstrieren, wie bestimmte Kompositionsdetails zu gestalten sind. Diese effiziente, eingängige Methode hilft auch Sprachbarrieren zu überwinden.

Schülerinnen und Schüler werdenzu neuen Interpretationen motiviert

Groh motiviert zum Beispiel die Schweizer Schülerin Vivien Bachmann, deren Klavierlehrerin bei ihm studierte, neue Ideen umzusetzen. Sie soll Alexander Skrjabins Etüde Opus 42 Nr. 5, die von Frédéric Chopins Stil inspiriert ist, kreativ und expressiv wirkt, „mal anders interpretieren als alle anderen“ und beachten, dass Pedaleinsatz die Lautstärke erhöht.

Der in Berlin studierenden Südkoreanerin Soohyun Park gibt Groh Hintergrundinformationen zu Präludium und Fuge C-Dur von Johann Sebastian Bach. Die in den harmonischen Zusammenhang eingebetteten unterschiedlichen Stimmen sollten hörbar sein, da die Vielstimmigkeit in der Barockmusik Ausdruck der philosophischen Idee der Unabhängigkeit und individuellen Persönlichkeit als Teil der Schöpfung ist. Bei der Interpretation gelte es, ein Ornament als Akzent durch kurzes Absetzen hervorzuheben. Park solle das Tempo etwas reduzieren, den „Autopilot ausschalten“, „weniger expressiv und wie auf einer Orgel spielen“, um sinfonischen Klang zu erreichen. „Ich will den Studierenden von der Musik ausgehend Hilfestellung geben, sie inspirieren und zum Nachdenken anregen, ihnen neue Impulse geben und neue Perspektiven aufzeigen“, formuliert Markus Groh die Ziele seines Unterrichts.

Professor Jacques Rouvier war bereits vor einigen Jahren Dozent an der Klavierakademie und hat einen riesigen Erfahrungsschatz aus jahrzehntelanger Arbeit. Er unterstützt zwei Teilnehmer dabei, impressionistische Préludes von Claude Debussy stimmig darzustellen. Die Berliner Studentin Julia Stephan weist er auf die detailgenaue Gestaltung jedes einzelnen der kurzen, schnellen, klangmalerischen Motive hin, die in „Feuerwerk“ Formen und Bewegungen verschiedener Feuerwerksfiguren illustrieren. Empfindungsreich präsentiert der französische Amateur-Pianist Ariel Sirat aus Tarabel bei Toulouse „Die Terrasse der Mondlicht-Audienzen“.

Rouvier empfiehlt ihm, das einen Traum in fantasievollen, mystisch wirkenden Klängen illustrierende Prélude wie ein Orchesterwerk zu gestalten. Dazu gelte es, jedes Element mit klar unterscheidbaren, spezifischen Klangfarben darzustellen, die Kontraste herauszuarbeiten sowie Rhythmus und Tempo regulär einzuhalten. „Musikalische Aspekte, Emotionen und Gefühle stehen im Mittelpunkt“: Oft genügten kleine Anstöße für Schlüsselerlebnisse, um Probleme zu lösen und das Spiel fundamental zu verbessern. Aber: „Die Studierenden sollen selbst Probleme und Feinheiten herausfinden und daran arbeiten“, erklärt der Klavierprofessor.

Es geht nicht nur um musikalische Aspekte, sonder auch um psychologische

Für Christian A. Pohl ist es „eine Herausforderung auszuwählen, was den Studierenden am meisten in ihrer Entwicklung hilft“. So erklärt er der in Stuttgart studierenden Ungarin Andjela Bolesnikov die Struktur und religiöse Bedeutung von Präludium und Fuge H-Dur von Johann Sebastian Bach mit liedhaft-gesanglicher Melodik. Den „roten Faden“ bilde ein Dialog zwischen Sopran und Alt, der den Weg von der Erde ins Paradies darstellt, indes sei die Vereinigung von Mensch und Gott unvollendet. Pohl motiviert Bolesnikov, die Aufmerksamkeit des Publikums auf „Momente der Schönheit und das Neue“ zu lenken, indem sie kurz innehält, um „unscheinbare Dissonanzen“ in Akkorden und weitere Details „lebendig“ werden zu lassen.

„Es gibt kein richtig oder falsch, es muss im Kontext Sinn machen“, darum empfiehlt der Professor der Studentin, verschiedene Varianten auszuprobieren.+ Im Unterricht gehe es nicht nur um musikalische Parameter wie laut oder leise, schnell oder langsam, sondern auch um psychologische Aspekte. „Es ist eine Kunst, einen Weg zu finden, der den Studierenden eine bestimmte Art zu denken aufzeigt, damit sie eine Komposition verstehen und individuell bestmöglich interpretieren“, erläutert Pohl. Sein Ziel sei es, „Studierende zu inspirieren und ihnen einen größeren Horizont zu eröffnen, denn man kann nur das hören, was im Bereich der eigenen Hörsphäre liegt“. Und da „jede ästhetische Erfahrung hochgradig individuell“ ist, gelte es, auf jeder Niveaustufe angemessen zu agieren, betont der Akademiedirektor.

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Erstellt:
4. September 2023, 16:00 Uhr

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