Vor 105 Jahren Diese Kriegserklärung stürzte Europa in den Abgrund

gusi

27.7.2019

Eine Falschmeldung besiegelt vor 105 Jahren das Schicksal einer ganzen Generation. Am 28. Juli 1914 erklärt der österreichische Kaiser Franz Joseph die Mobilmachung gegen Serbien – und zündet damit die Lunte für den Ersten Weltkrieg.

Heute ist die Juli-Krise ein fester Begriff, wenn es darum geht, die Ereignisse vor 105 Jahren zu beschreiben. In diesem Sommer 1914 steuert Europa ungebremst, fast schön töricht, in den Ersten Weltkrieg. Während der darauffolgenden fünf Jahre hält dieser Krieg den ganzen Kontinent fest in seinem Würgegriff. Am Ende sind 20 Millionen Menschen tot, die Hälfte davon unschuldige Zivilisten.

Doch wie konnte es dazu kommen? Am Anfang steht das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand. Am 28. Juni 1914 fährt jener zusammen mit seiner Gattin in einer offenen Kutsche durch Sarajevo. Schon länger gibt es Gerüchte, dass die serbisch-nationalistische Bewegung einen Angriff auf den Monarchen plant. An diesem Tag schreitet die Gruppe zur Tat. Der damals 24-jährige Gavrilo Princip nähert sich der Kutsche und eröffnet mit seiner Browning das Feuer. Franz Ferdinand wird am Hals getroffen, seine Frau erleidet einen Bauchschuss. Beide verbluten noch in der davonfahrenden Kutsche.

Sofort drängen die Militärs rund um Kaiser Franz Josef zu einem militärischen Gegenschlag. Zunächst zögert der Kaiser. Er verbringt gerade ein paar Tage in seiner Sommerresidenz in Bad Ischl. Doch dann spitzt sich die Lage zu. Am Abend des 27. Juli informiert ihn Aussenminister Leopold Berchtold über einen Schusswechsel mit serbischen Truppen in Temes Kubin am Nordufer der Donau. Noch in der Nacht unterzeichnet Franz Josef die vorbereitete Kriegserklärung. Es ist der Beginn des ersten Weltkrieges. Wie sich später herausstellte, gab es diesen Schusswechsel damals gar nicht. Eine bewusste Falschmeldung? Diese Frage ist bis heute ungeklärt.

Das passierte in den ersten Stunden des Ersten Weltkrieges.
Das passierte in den ersten Stunden des Ersten Weltkrieges.
Keystone

Die Kriegsmaschinerie setzt sich in Bewegung

Die offizielle Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien hat eine fatale Kettenreaktion zur Folge. Russland, die Schutzmacht Serbiens, reagiert am 30. Juli mit einer Generalmobilmachung. Diese wird am 31. Juli von Österreich-Ungarn erwidert. Die Kriegsmaschinerie ist in Bewegung gesetzt.

Am 1. August schliesslich stellt sich Deutschland an die Seite Österreichs und erklärt, dass es sich mit Russland im Kriegszustand befinde. Zwei Tage später folgt eine zweite Kriegserklärung, in diesem Fall an Frankreich. Das deutsche Heer setzt sich prompt in Bewegung und maschiert in Belgien ein, woraufhin auch Grossbritannien ins Kriegsgeschehen eingreift und nun Deutschland und der Donaumonarchie den Krieg erklärt. 

Die blutverschmierte Jacke des getöteten Thronfolgers.
Die blutverschmierte Jacke des getöteten Thronfolgers.
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Nach schnellen Vorstössen der Mittelmächte, dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn, kommt es im Norden Frankreichs schon bald zum Stellungskrieg. Die Front erstreckt sich hier auf einer Länge von 750 Kilometern und reicht vom Ärmelkanal bis an die Schweizer Grenze. Die Soldaten graben sich hier metertief in den Boden ein, die Schützengräben von einst sind heute in der Landschaft noch erkennbar. Es kommt zu verbitterten Schlachten. Allein in den Kämpfen rund um die Stadt Verdun werden bis Dezember 1916 über 700'000 Soldaten getötet oder verwundet.

Der Erste Weltkrieg begann am 28. Juli 1919. Die Monarchie Österreich-Ungarn erklärte Serbien den Krieg, nachdem es einen Monate zuvor in Sarajevo zu einem Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand kam.
Der Erste Weltkrieg begann am 28. Juli 1919. Die Monarchie Österreich-Ungarn erklärte Serbien den Krieg, nachdem es einen Monate zuvor in Sarajevo zu einem Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand kam.
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Als besondere Eskalationsstufe gilt bis heute der erste Einsatz von Giftgas und der mit dem Kriegsgeschehen in Zusammenhang stehende Völkermord an den Armeniern. Bei Massakern und Todesmärschen in den Jahren 1915 und 1916 kommen hier mindestens 300'000 Menschen zu Tode.

Der Eintritt der USA ins Kriegsgeschehen und die britische Seeblockade führt 1918 zu einem Einbruch in der Versorgung der Mittelmächte, was in der Konsequenz auch den Durchbruch an der Westfront ermöglicht. Am 4./5. Oktober 1918 ersucht der (letzte) Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs, Max von Baden, die Alliierten um einen Waffenstillstand, der am 11. November 1918 mit der Einigung von Compiègne in Kraft tritt. 

Dieses Bild vom 11. November 1918 zeigt die Verhandlungsteilnehmer der Alliierten und der deutschen Regierung beim Waffenstillstand im Wald von Compiègne. Der Waffenstillstand wurde im Bahnwagen unterzeichnet.
Dieses Bild vom 11. November 1918 zeigt die Verhandlungsteilnehmer der Alliierten und der deutschen Regierung beim Waffenstillstand im Wald von Compiègne. Der Waffenstillstand wurde im Bahnwagen unterzeichnet.
Keystone

Der Erste Weltkrieg hat in Europa tiefgreifende Verletzungen und Veränderungen ausgelöst. Adolf Hitler erklärt die damaligen Friedensverhandlungen Jahre später als Demütigung des Deutschen Volkes. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen gelten als Nährboden für den Nationalsozialismus und damit als Vorläufer des Zweiten Weltkrieges. Bis heute wird er deshalb als «Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts» bezeichnet. 

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