Hier sollen bis zu 440 geflüchtete Menschen untergebracht werden.
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Hier sollen bis zu 440 geflüchtete Menschen untergebracht werden.

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Streit um geplante Asylunterkunft bei Augsburg

Zwischen Stadt und Landkreis Augsburg gibt es Ärger wegen einer vom Landkreis geplanten Großunterkunft für Geflüchtete. Bis zu 440 Menschen sollen auf dem Gelände des Güterverkehrszentrums zwischen Augsburg und Gersthofen unterkommen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Ab Ende September will der Landkreis Augsburg ein Hotel in Gersthofen vorübergehend als Flüchtlingsunterkunft nutzen. Das hatte Landrat Martin Sailer (CSU) am Dienstag erklärt. In dem Hotel im Güterverkehrszentrum will der Landkreis bis zu 440 männliche Geflüchtete für eine gewisse Zeit unterbringen. Zu diesen Plänen habe es bislang keinerlei Abstimmung gegeben, kritisierte Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) - ebenfalls per Pressemitteilung.

Augsburger Oberbürgermeisterin reagiert prompt

Angesichts der Dimension der Unterkunft und der unmittelbaren Nähe zum Wohngebiet im Augsburger Stadtteil Bärenkeller hätten die Bürgerinnen und Bürger ein Recht auf Information durch den Landkreis, moniert Weber. Sie fordert den Landkreis auf, für den reibungslosen Ablauf, die Versorgung und Sicherheit - auch der der Anwohner - zu sorgen und "die Auswirkungen auf die Umgebung mitzudenken".

Sie habe die Regierungspräsidentin von Schwaben, Barbara Schretter, Landrat Martin Sailer und Polizeipräsident Martin Wilhelm zu einem Spitzengespräch eingeladen. Auf BR-Nachfrage hieß es, der Termin stehe noch nicht fest, solle aber diese oder nächste Woche stattfinden. Man habe "freundlich, aber bestimmt" dazu eingeladen, so eine Sprecherin der Stadt Augsburg.

Auf BR-Anfrage erwidert Landrat Sailer, dass er aktuell den Mehrwert eines solchen Gesprächs nicht erkennen könne. "Sollte es mein Terminkalender zulassen, werde ich aber natürlich die Einladung der Oberbürgermeisterin nicht ablehnen", so Sailer weiter. Er habe sich bereits bei Weber dafür entschuldigt, dass man es versäumt habe, die Stadt Augsburg bereits im Vorfeld zu informieren.

Weber für dezentrale Unterbringung

Weber verweist in der Mitteilung darauf, dass die Betreuung, Beschulung und ärztliche Versorgung der Geflüchteten im Stadtgebiet kaum noch zu bewältigen sei. Die dezentrale Unterbringung und Belegung mit maximal 90 Personen sei aufwendiger, ermögliche aber Integration und eine bessere Akzeptanz in der Bevölkerung. Angesichts der vielen Zuweisungen seien aber auch in Augsburg Großunterkünfte und die Belegung von Turnhallen nicht mehr auszuschließen. In diesem Zusammenhang erneuerte die Oberbürgermeisterin ihre Kritik an der Bundesregierung, die die Kommunen im Stich lasse.

Auch der Landkreis würde die zugewiesenen Flüchtlinge in Zukunft gerne weiter dezentral unterbringen. "Uns stehen aber keine Objekte mehr zur Verfügung, in denen wir kurzfristig bis Ende des Jahres eine so große Zahl weiterer Geflüchteter unterbringen könnten", erklärte Sailer dazu.

Vorab Gespräch mit Polizei aus Gersthofen und Augsburg

Bei den Gespräch mit der Polizei, an dem bewusst auch die Polizeiinspektionen Gersthofen und Oberhausen (zuständig für den Augsburger Stadtteil Bärenkeller) teilgenommen hätten, seien laut Sailer die Belange der Bevölkerung sowohl aus der Stadt als auch aus dem Landkreis Augsburg selbstverständlich intensiv mitgedacht worden. Dass es sich im Bärenkeller vorwiegend um Wohngebiete handele, die für nicht dort wohnende Personen keine besondere Attraktivität hätten, gehe man nicht davon aus, dass hier bestimmte Sicherheitsaspekte tangiert würden, erklärte der Landrat dem BR.

Landrat: Geht nicht mehr um adäquate Unterbringung

Nach Auskunft des Landkreises Augsburg sollen Ende September zunächst 66 Personen in das angemietete Hotel einziehen, vermutlich Mitte Dezember wird es dann voll belegt sein. Die Bewohner werden - auch wenn sie einander nicht kennen - jeweils zu zweit in einem Zimmer untergebracht und für die Reinigung des Zimmers selbst verantwortlich sein. Sie erhielten "nicht wählbare, einfache Verpflegung" und hätten keine Möglichkeit, selbst zu kochen. Um möglichen Konflikten vorzubeugen, erarbeitet der Landkreis zusammen mit der Polizei ein Sicherheitskonzept, so der Augsburger Landrat Martin Sailer.

"Leider geht es bei uns schon längst nicht mehr um adäquate Unterbringung und Integration. Wenn wir ehrlich sind, sorgen wir doch nur noch für das Nötigste: ein Dach über dem Kopf, damit die Geflüchteten nicht auf der Straße leben müssen", so Sailer. Die Belastungsgrenze ist in den Augen des Landrats schon längst erreicht. Zwar werde man versuchen, Gersthofen bestmöglich zu unterstützen und nach anderen Unterbringungsmöglichkeiten suchen. Allerdings sei der Wohnungsmarkt "wie leergefegt", und von Woche zu Woche steige die Zahl der Geflüchteten, die im Landkreis von Gesetzes wegen aufgenommen werden müssten.

Alternativen wären Schullandheim und Turnhallen

Aktuell sind in Gersthofen laut Landkreis Augsburg 375 Flüchtlinge untergebracht, die privat untergekommenen Menschen aus der Ukraine nicht eingerechnet. Hätte man nicht die Unterbringung im Hotel organisiert, hätte man laut Sailer das Schullandheim in Dinkelscherben sofort schließen und in einigen Wochen längerfristig Schulturnhallen belegen müssen. Auch er kritisiert die Bundesregierung, die die angespannte Lage bisher ignoriere. "Der Zustrom muss nachlassen, wir platzen aus allen Nähten, das sprichwörtliche Boot ist voll“, so der Landrat.

Die Unterbringung von Geflüchteten laufe im Grunde noch genauso ab wie im Jahr 2015: "Bund und EU haben aus 2015 offensichtlich überhaupt nichts gelernt. Der Staat muss das Ruder in die Hand nehmen, statt sich nur auf die Belastbarkeit und Leidensfähigkeit seiner Kommunen zu verlassen", fordert Sailer.

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