Ein Gast sitzt im Spielcasino in Bad Homburg an einem einarmigen Banditen und hofft, den Jackpot zu knacken.
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Lotto, Sportwetten oder eben das Kasino - der Glücksspielmarkt ist milliardenschwer. (Symbolbild)

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Milliardenmarkt Glücksspiel: Wer ist besonders suchtgefährdet?

Millionen Deutsche sind abhängig von Glücksspielen, also suchtkrank. Das steht im heute vorgestellten Glücksspielatlas. Gleichzeitig ist der Glücksspielmarkt milliardenschwer. Und auch der Staat profitiert. Der Suchtbeauftragte fordert Konsequenzen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Mehr als 44 Milliarden Euro haben Deutsche im Jahr 2021 für Glücksspiele ausgeben – also für Lotto, Sportwetten, Kasinospiele oder die Zockerei am Automaten. 44 Milliarden Euro. Das ist eine enorme Summe. So hoch, dass man sie erst erfasst, wenn man Vergleiche heranzieht. Das Gesamtvolumen des bayerischen Haushalts für dieses Jahr beispielsweise liegt bei rund 70 Milliarden Euro. Der Wehretat lag in den vergangenen Jahren bei rund 50 Milliarden Euro. Sehr viel Geld also, das die Deutschen Jahr für Jahr für Glücksspiele ausgeben. Und die 44 Milliarden Euro sind nur die legalen Spieleinsätze. Dazu kommt die Dunkelziffer, also die illegalen Einsätze.

"It's all about the money", sagt Dr. Tobias Hayer – es geht allein ums Geld. Hayer ist der Leiter der Abteilung Glücksspielforschung an die Universität Bremen. Er hat mitgearbeitet am ersten deutschen Glücksspielatlas. Der gibt auf mehr als 100 Seiten einen Überblick über das Thema Glücksspiel in Deutschland. Wie viele Menschen spielen überhaupt und was? Ab wann ist jemand krankhaft süchtig? Und: Welche Rolle spielen Lobbyverbände und der Staat? Deutlich wird bei der Lektüre: Es gibt angesichts der vielen Glücksspielsüchtigen einen großen Handlungsbedarf.

Milliardenschwerer Markt: Glücksspiel in der Mitte der Gesellschaft angekommen

Rund 1,3 Millionen Menschen leiden an einer sogenannten Glücksspielstörung. Dazukommen 3,3 Millionen Menschen mit einem riskanten Glücksspielverhalten und ersten Anzeichen für eine Sucht – das sind zum Beispiel entzugsähnliche Erscheinungen, wenn nicht gespielt wird. Häufiger betroffen sind Männer, jüngere Erwachsene (21 bis 35 Jahre) und Menschen mit einer Migrationsgeschichte. Glücksspielexperte Hayer sagt, Menschen mit Migrationshintergrund beteiligten sich zwar grundsätzlich weniger am Glücksspiel. "Wenn sie aber zocken, sind sie gefährdeter, abhängig zu werden."

Der deutsche Glücksspielmarkt ist milliardenschwer und hart umkämpft. Ein Blick auf die Marktanteile zeigt, dass Geldspielautomaten in Restaurants, Bars und Spielhallen seit Jahren die größten Marktanteile stellen. Eine signifikante Änderung gibt es: Bei Sportwetten hat es zuletzt einen starken Zuwachs gegeben. Von den hohen Spieleinsätzen profitiert auch der Staat. Über die Spielbankabgabe, die Lotteriesteuer, die Sportwettensteuer oder die Vergnügungssteuer nehmen Bund und Ländern zusammen jährlich mehr als fünf Milliarden Euro ein. "Diese Einnahmen sind höher als die Einnahmen bei Alkohol", sagt Hayer. "Glücksspiel ist ganz klar in der Mitte der Gesellschaft angekommen."

Illegales Glücksspiel: Kein Spielerschutz - und deshalb hohe Risiken

Und dann ist da ja auch noch der verbotene deutsche Glücksspielmarkt: illegale Zweitlotterien, Online-Kasinospiele, virtuelle Automatenspiele und Sportwetten. Dieser Markt sinkt seit 2017, sagen die Experten. Gleichzeitig sehen sie in diesem Bereich die größten Risiken, weil es keinen Spieler- und Jugendschutz gib.

"Menschen verzocken ihr ganzes Monatsgehalt in wenigen Stunden", sagt Burkhard Blienert. Er ist der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen. "Sie verlieren bei illegalen Spielen womöglich ihr Zuhause, ihre Familie, Freundinnen und Freunde oder ihren Beruf." Blienert stört sich daran, dass sich solche illegalen Angebote im Internet leicht finden lassen. Er kritisiert außerdem die hohe Zahl illegaler Automaten. "Illegales Automatenspiel boomt – zirka jedes dritte Gerät in Deutschland ist nicht zugelassen."

Konsequenzen: "Wir haben noch Verbesserungsbedarf"

Grundsätzlich sinkt die Zahl der Onlinespieler und Onlinespielerinnen. Im Jahr 2021 haben 30 Prozent der Bevölkerung an Glücksspielen teilgenommen. Im Jahr 2007 lag dieser Anteil noch bei 55 Prozent. Für Blienert kein Grund, sich zurückzulehnen. Er fragt sich beim legalen Glücksspiel vor allem, wie Kinder und Jugendliche besser geschützt werden können. Sein Vorschlag: Vor 23 Uhr soll es keine Sportwettenwerbung mehr geben, weder im Fernsehen noch Online. Durch die Verquickung von Sport und Sportwetten finde eine gefährliche Verharmlosung statt, kritisierte er.

Fast jeder Dritte, der eine Sportwette abschließt, weise eine Glücksspielstörung auf. "Die Werbung von heute schafft die suchtkranken Menschen von morgen", sagt der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen. Dass es mittlerweile eine "Gemeinsame Glücksspielbehörde" gibt, bezeichnet er als einen ersten wichtigen Schritt. Weitere müssten folgen. Blienert setzt sich beispielsweise beim illegalen Automatenspiel für einfachere Kontrollen und gestärkte Kontrollbehörden ein.

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