Ein Blick in die Geschichte: Am 8. Juni 1986 umstellte die Polizei für 13 Stunden mehr als 800 Demonstranten

Der "Hamburger Kessel" ist am 8. Juni 1986 zum Begriff für einen illegalen Polizei-Einsatz geworden. 862 Menschen waren damals von Polizeibeamten 13 Stunden umstellt worden. Seit Samstag gibt es auch einen "Braunschweiger Kessel". Wo liegen die Unterschiede, wo die Gemeinsamkeiten?

Am 26. April 1986 hatte sich die Reaktor-Katastrophe in der ukrainischen Stadt Tschernobyl ereignet. In Deutschland reagierten Kernkraftgegner mit Demonstrationen vor Kernkraftwerken.

Am Samstag, 7. Juni 1986, beispielsweise sollte es eine Demonstration vor dem Kernkraftwerk Brokdorf geben. Doch die Polizei stoppte den Anmarsch der Demonstranten bereits in Kleve. Menschen wurden dabei verletzt, Autos wurden durch Polizeibeamte zerstört.

Die Stimmung unter den Kernkraftgegnern war angeheizt. Den Polizei-Einsatz wollten sie nicht unwidersprochen lassen. Deshalb sollte am Sonntag, 8. Juni 1986, eine Protestdemonstration gegen die Einschränkung des Demonstrationsrechts stattfinden. Treffpunkt war um 12 Uhr das Heiligengeistfeld in Hamburg. Gegen 12.15 Uhr meinte der Polizei-Einsatzleiter vor Ort, ein großes Gewaltpotenzial zu erkennen, so dass die Stadt großen Schaden nehmen könnte. Er entschied, die inzwischen 862 Demonstranten einzuschließen – in Dreier-Reihe waren die Menschen umstellt. Sie mussten stehen, erhielten keine Getränke, durften Toiletten nicht aufsuchen. In kleinen Gruppen wurden sie in Polizeiwachen zur Personenfeststellung gebracht. Nach 15 Stunden durfte der letzte Demonstrant gehen. Ein Gericht stellte später fest, dass die Polizei rechtswidrig gehandelt hatte. Die eingekesselten Demonstranten erhielten 200 Mark Schmerzensgeld.

Die Parallelen zum "Braunschweiger Kessel": Auch hier wurden Menschen festgehalten. Zweieinhalb Stunden standen 250 Eingekesselte – Demonstranten und Unbeteiligte – auf dem Hagenmarkt, bekamen keine Getränke, durften nicht zur Toilette. Vereinzelt wurde damit begonnen, die Personalien aufzunehmen.

Im Unterschied zum Hamburger Fall hatte die Braunschweiger Einsatzleitung die Zustimmung zum "Einschließenden Gewahrsam" von Ermittlungsrichter Rolf Nietschke, Richter am Amtsgericht, erhalten. Der Einsatzleiter vor Ort war offenbar davon ausgegangen, dass sich unter den Eingekesselten bereits während der Gegendemonstration auffällig gewordene Gewalttäter befanden. Das war in Hamburg nicht der Fall gewesen. Es war noch nicht zu Gewaltausbrüchen gekommen.

Hier wie dort bleibt aber die Frage nach der Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel. In Hamburg klärte das das Verwaltungsgericht.