Braunschweig. Heiko Niebuhr hat sich nach 20 Jahren in der Querlenker-Fertigung für die Batteriesystem-Fertigung qualifizieren lassen.

In Halle 23 in Braunschweigs Norden ist die Zukunft von Volkswagen schon Gegenwart. Und Heiko Niebuhr ist ein Teil von ihr. Im Juni 2017 gab der 41-Jährige nach 20 Jahren seinen Arbeitsplatz in der Querlenker-Fertigung auf und startete in der Batteriesystem-Fertigung. Damit ist er einer von derzeit mehr als 400 Mitarbeitern, die die von Konzern und Betriebsrat im „Zukunftspakt“ beschlossene Transformation durchlaufen haben. Mit ihr sollen bis 2020 insgesamt gut 900 Mitarbeiter einen laut VW neuen und zukunftsfähigen Arbeitsplatz einnehmen.

„Ich wollte mit der Zukunft groß werden und nicht warten, bis ich vielleicht einen schlechteren Job bekomme“, sagt Niebuhr. Denn auf seinem Arbeitsplatz konnte er nicht bleiben, den gibt es mittlerweile nicht mehr. Eine Selbstverständlichkeit war der Wechsel für Niebuhr dennoch nicht. Zwar habe er beim Mitarbeitergespräch gleich zugesagt, bereit für einen Wechsel zu sein. Er habe sich aber viele Sorgen gemacht. „Mir ist eine Menge durch den Kopf gegangen: Soll ich die Kollegen verlassen, die mich so gut kennen? Passe ich in das neue Umfeld, wo viele Kollegen gerade aus der Ausbildung kommen und halb so alt sind wie ich? Kann ich das Wissen aus meinem bisherigen Berufsleben einbringen?“

Hinzu kam, dass er nach Jahrzehnten erstmals wieder die Schulbank drücken musste. „Es war eine Herausforderung, nach langer Zeit wieder zu lernen“, sagt Niebuhr, der bei VW Industrie-Elektroniker gelernt hat. Die Qualifizierung für die Batteriesystemfertigung dauere in der Regel 22 Tage, sagt Frank Piplies, der in der Personalabteilung des VW-Werks Braunschweig Referent ist. „Dabei geht es vor allem um die Theorie, die anschließend in einer Prüfung abgefragt wird. Danach werden die Mitarbeiter in der Praxis weiter qualifiziert.“

Auch Piplies ist ein Mitarbeiter, der den Transformationsprozess durchlaufen hat – allerdings nicht an der Werkbank, sondern am Schreibtisch. Der 40-Jährige war Assistent der Abteilungsleitung in der Kunststoffteilefertigung. Diese läuft im VW-Werk Braunschweig im Jahr 2021 aus. Als eine Stelle in der Personalabteilung intern ausgeschrieben wurde, bewarb er sich.

Heute betreut er 700 Mitarbeiter in der Abteilung Fahrwerk und der Akademie. Ob er als Quereinsteiger ins Personalwesen vor zehn Jahren eine solche Chance bei VW bekommen hätte, bezweifelt er. „Bei Volkswagen ist im Moment sehr viel in Bewegung. Das bietet vielen Mitarbeitern, auch im VW-Werk Braunschweig, Chancen.“

Und auch seine Chance zu ergreifen, sei die richtige Wahl gewesen, sagt Niebuhr im Rückblick. „Ich habe Spaß an meiner Aufgabe.“ Er sei von der Massenproduktion in eine Manufaktur gewechselt. Früher habe er pro Schicht 3000 Querlenker für die Vorderachse hergestellt, jetzt seien es 45 Batteriesysteme.

Im Idealfall entsteht nach dem Durchlauf mehrerer Stationen alle 8 Minuten ein fertiges System. Am Ende des Tages sehe er das fertige Gesamt-Produkt, anders als in der Querlenker-Fertigung. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein E-Auto, das ich auf der Straße sehe, mit einem Batteriesystem fährt, an dem ich gearbeitet habe, ist hoch“, sagt er zufrieden.

Im VW-Werk Braunschweig werden Batteriesysteme für den E-Up, den Passat GTE und den E-Golf gefertigt. 2017 waren es nach Konzernangaben rund 35.000, im laufenden Jahr soll die Zahl auf 42.000 steigen. Derzeit wird die Halle, in der Niebuhr arbeitet, um 3000 Quadratmeter erweitert. Mitte Juni 2019 soll dort die Produktion starten. Derzeit werden Batteriesysteme auf 4600 Quadratmetern gefertigt, 3000 Quadratmeter Logistik-Fläche kommen hinzu.

Und bis Ende 2019 wird am Braunschweiger Hafen mit der Halle 32A eine zweite Stätte zum Bau von Batteriesystemen geschaffen, für die Fahrzeuge der ID.-Familie.

Diese Batteriesysteme sichern laut VW die Beschäftigung am Standort Braunschweig für die nächsten Jahre. Konstruiert werden sie auf Basis des Modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB). Derzeit baut das Komponentenwerk Systeme für den Modularen Querbaukasten (MQB), der die Vereinheitlichung von Baugruppen beschreibt, die auf diverse Modellreihen anwendbar sind.

Ob er sich noch einmal für den Wechsel in die Batteriesystem-Fertigung entscheiden würde? Niebuhr sagt: Ja. Ob er noch einmal woanders hin wechseln würde? Wohl nicht, sagt er.

Seine Tätigkeit, bei der er mit mehr als 300 Volt hantiert, ist anspruchsvoll. „Es darf keine Langeweile aufkommen, man muss wirklich konzentriert sein.“ Und Langeweile komme eh nicht auf, so Niebuhr. „Hier ist es sehr abwechslungsreich. Bisher habe ich jeden Tag etwas neues dazu gelernt.“