"Wo ist eigentlich all die Zeit geblieben?" Fragst du dich das manchmal auch? In Momenten der Besinnung, sei es nachts im Bett, bei alljährlichen Feiern wie Silvester, Weihnachten oder Geburtstagen oder auch auf dem Sterbebett kann uns diese Frage ohne jede Vorwarnung heimsuchen.
Womit verbringen wir eigentlich all die Zeit, die uns zur Verfügung steht? Womöglich hat die ein oder andere Person hierzu sehr genaue Vorstellungen, wohingegen die andere länger überlegen müsste. Zu eingenommen sind wir oftmals in unserem kleinen Hamsterrädchen, dass wir den Blick dafür verlieren, was wirklich zählt. Oder vielleicht doch nicht? Kanadische Forscher:innen wollten Antworten auf diese Fragen finden – und kamen mit ihrer Studie zu teils sehr überraschenden Ergebnissen.
Das menschliche Leben aus der Vogelperspektive
So sehr wir manchmal auf unsere Unterschiede konzentriert sind, eine Sache eint die Menschen doch auf der ganzen Welt: Unser Tag hat stets 24 Stunden. Und wie wir diese 24 Stunden nutzen, bestimmt, welche Auswirkungen unser Leben auf die Welt hat – und wie wir das Leben (für uns und insgesamt) erleben. Eric Galbraith, Professor für Erdsystem-Wissenschaften und Hauptautor der Studie, wollte mit seinem Team verstehen, wie das globale menschliche System funktioniert – und wo es Potenzial für Veränderungen gibt.
"Wir wollten wissen, wie die Zeitaufteilung der Menschheit im Durchschnitt aller Menschen und Länder aussieht", ergänzt sein Forschungskollege William Fajzel in einer Pressemitteilung. "Mit anderen Worten: Wenn die Welt ein einziger durchschnittlicher Mensch wäre, wie würde sein Tag aussehen?" Im Zeitraum von 2000 bis 2019 (die Corona-Pandemie wurde ausgelassen) wurden Zeit- und Arbeitsdaten aus 140 Ländern (etwa 87 Prozent der Weltbevölkerung) gesammelt. Dabei kategorisierten die Forscher:innen alle Dinge, die Menschen an einem Tag im Wachzustand tun, sowohl beruflich als auch privat. Daraus entstanden 24 Kategorien, die sich in drei Hauptgruppen einteilen ließen:
- Die Absicht, die äußere Welt zu beeinflussen (das meint unter anderem die Bereitstellung von Nahrung, Veränderung von Energie, Gebäuden, der Pflege der Umwelt)
- Dinge, die unmittelbar auf den menschlichen Geist und Körper ausgerichtet sind (beispielsweise Hygiene, Aussehen, Stimmung und Gesundheit von sich und anderen, Bildung, Religion, Hobbys, Sport, Medien, Erholung)
- Organisieren von Aktivitäten innerhalb der Gesellschaft (Transport, Handel, Finanzen, Recht, Verwaltung und so weiter)
Worauf der Durchschnittsmensch die meiste – und wenigste – Zeit verwendet
Was der Mensch im Durchschnitt am meisten tut, ist erst einmal wenig überraschend: schlafen. Laut den Ergebnissen der Studie im Schnitt neun Stunden, was auch damit zusammenhängt, dass Kinder und Jugendliche in die Daten mit aufgenommen wurden, die tendenziell viel länger schlafen als der durchschnittliche Erwachsene. Neben diesem großen Zeitanteil mag der andere "Zeitfresser" mehr erstaunen: Menschen verbringen im Durchschnitt neun Stunden des Tages auf Tätigkeiten, die auf sich und andere ausgerichtet sind. Von den restlichen sechs Stunden entfällt etwa jeweils eine Stunde auf den Anbau und die Beschaffung von Nahrungsmitteln, dessen Zubereitung, Fortbewegung und Verteilungsaufgaben wie Handel, Verkauf, Recht und Verwaltung.
Auf die Abfallentsorgung entfällt nur eine Minute, 45 Minuten fallen auf das Aufräumen und die Instandhaltung des eigenen Zuhauses. Für die Wissenschaftler:innen ebenfalls überraschend: Der Zeitaufwand für das tägliche Reisen, Hygiene, Körperpflege und die Zubereitung von Lebensmitteln ist unabhängig von dem systematischen und materiellen Wohlstand der Bevölkerung. Aber: Die Zeit, um an Nahrungsmittel zu kommen, ist je nach Reichtum des Landes sehr unterschiedlich (eine Stunde in Ländern mit niedrigem Einkommen, fünf Minuten in Ländern mit hohem).
Im Schnitt 2,6 Stunden verbringt der Mensch durchschnittlich mit wirtschaftlicher Arbeit, wobei Vieh- und Landwirtschaft den Großteil dieser Arbeit auf die gesamte Welt betrachtet ausmachen. "Die Gesamtzeit von 2,6 Stunden mag zwar gering erscheinen, doch für die zwei Drittel der Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre), entspricht das einer 40-Stunden-Woche", erklären die Forscher:innen. Ähnlich wie im Fall des Schlafs hat die Zusammenfassung verschiedener Menschen (und Altersgruppen) auch hier einen Einfluss auf das letztliche Durchschnittsergebnis.
Verwendete Quellen: pnas.org, eurekalert.org
