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Demi Moore: Die Gefangene

Demi Moore war lange die schönste und bestbezahlte Schauspielerin Hollywoods. Jetzt, mit 49, kam der totale Zusammenbruch. Was ist dieser Frau passiert?

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Ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen, das versucht, es allen recht zu machen, allen zu gefallen - das ist eine normale Geschichte. Was passiert, wenn man wirklich allen gefällt? Nicht nur den Eltern, Lehrern, Freunden, sondern wirklich allen auf der ganzen Welt? Rettet es eine Seele, weil man sie betäubt? Und was passiert, wenn die Betäubung aufhört? Es gibt unzählige Aufnahmen von Demi Moore im Bikini - Google spuckt dazu fast 30 Millionen Treffer aus. In einem Bikini schaffte sie 2003 auch ihr Comeback. Damals überstrahlte sie in "Drei Engel für Charlie" mit ihrem top-gestählten Körper die viel jüngere Cameron Diaz. Bei der Premiere des Films erschien sie als lächelnde Patchwork-Queen: mit ihren drei Töchtern, mit Ex-Mann Bruce Willis - und mit dem neuen Liebhaber Ashton Kutcher. Der war damals 25, sie 40, eine Sensation. Demi Moore wurde zum Inbegriff des "Cougar" (Puma), einer älteren Frau, die sich einen jungen Liebhaber hält. Ein PR-Trick, mutmaßten Journalisten, was sonst.

Eine Hochzeit und sieben Jahre später, im September 2010, war wieder ein Bikini-Moment gekommen. Diesmal eher ein trotziger, verzweifelter. Da setzte sich Demi Moore eine dunkle Sonnenbrille auf und fotografierte sich im knappen Etwas vor dem Spiegel ihres Badezimmers - das Bild schickte sie an ihre Fangemeinde auf Twitter. Es war ihre Antwort auf erste Gerüchte einer Ehekrise. Ashton Kutcher, so hieß es, habe sie betrogen mit einer, die halb so alt sei wie sie. Die Fotos sollten wohl beweisen: Guckt mich an! Wer so in Form ist, dem geht man nicht fremd!

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Wieder ein Jahr später, im November 2011, verkündete Demi Moore die Trennung, sie hatte die Liebe verloren und einen Kampf, den sie nie gewinnen konnte. Einen Kampf gegen die Schwerkraft, gegen die Natur, gegen den eigenen Körper. Trotz aller Schönheitsoperationen (die sie lange abgestritten hat), das Projekt Selbst-Optimierung war gescheitert. Abhängig von Appetitzüglern und manch anderen Substanzen, heruntergehungert bis auf die Knochen, so starrte sie hohlwangig von den Titelseiten. Eigentlich hätte Demi Moore in diesem Jahr Gloria Steinem spielen sollen, Amerikas Vorzeige-Feministin. Noch im Januar hatte die Produktionsfirma stolz verkündet, man habe eine Ikone gewonnen, eine andere Ikone zu spielen. Doch statt endlich wieder eine Rolle zu übernehmen, die ihre Karriere hätte in Fahrt bringen können, hat sich Demi Moore in eine Entzugsklinik in Utah begeben.

Zwölf Millionen pro Film - so viel gab's sonst nur für Männer

Moore als Steinem - es sei eine "höchst amüsante Fehlbesetzung", hatte die britische Tageszeitung "Guardian" vorher gelästert. Und wirklich, sehr viel haben die beiden nicht gemein. Es ist eine komplizierte Sache mit Demi Moore und dem Feminismus. Einerseits hat sie viel für Frauen getan: Mit ihrem "Vanity Fair"-Cover, als sie sich 1991 wenige Wochen vor der Entbindung nackt von Annie Leibovitz porträtieren ließ, hat sie das Bild von Schwangeren neu definiert. Demi Moore hat auch die Gagen ihrer Nachfolgerinnen für immer verändert - sie ließ sich 1996 satte 12,5 Millionen Dollar für ihre Rolle in "Striptease" zahlen, eine Summe, die es bis dahin nur für Männer gab. Bald trug sie in Hollywood den Spitznamen "Gimme more". Und sie spielte 1997 in "GI Jane" eine Soldatin, die es zum Navy Seal schaffte, im wahren Leben damals noch undenkbar.

Gleichzeitig gibt es die Bikini-Demi, die man nie bitten musste, vor der Kamera Männerfantasien zu bedienen. Sie war immer eine, die sich über ihren Körper definierte und sich bereitwillig selbst darauf reduzierte. Ihre Wirkung war ihr Macht genug, sie war Sex-Objekt und hat damit gespielt - beim US-Talker David Letterman strippte sie in der Sendung und ließ wenig jugendfrei die Hüften kreisen.

Demi Moore ist in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Ihr Vater verschwand vor ihrer Geburt, der Stiefvater, ein Alkoholiker, nahm sich das Leben, als sie noch ein Teenager war. Rund 30 Umzüge hatte sie da schon hinter sich, mit 16 reichte es ihr, sie verließ ihre instabile Familie. Immer wieder hat sie gesagt, sie habe in jungen Jahren keinerlei Selbstbewusstsein gehabt. Sie fixierte sich auf ihren Körper. Vor einer Weile sagte sie: "Ich hatte die Idee, sobald ich dünner sei, wäre ich besser, akzeptierter, attraktiver." Auch in Drogen suchte sie früh Halt. Es ist ein Thema, das sie auch in ihren Rollen begleitete. In "Bobby" spielte sie eine Alkoholikerin, in "St. Elmo's Fire" eine Kokainsüchtige. Später ersetzte sie die Rauschmittel mit Seelenrettung durch Kabbala.

Angesehen hat man Demi Moore die inneren Kämpfe nie, dafür hat sie sich viel zu sehr unter Kontrolle, nach außen hin jedenfalls. Auch die Beziehung zu Ashton Kutcher wurde zelebriert und öffentlich gefeiert, kein Augenblick war zu alltäglich für eine Twitter-Nachricht. Der jetzige Absturz ist deshalb so bemerkenswert, weil Demi Moore sehr lange alles hat mühelos aussehen lassen.

Der Sender ABC fragte Kutcher 2010, ob er denn eigene Kinder wolle. Mmh, eierte er herum, er wisse es nicht. Aber, hakte die Interviewerin nach, er und Demi hätten doch immer gesagt, sie wollten ihre Familie vergrößern, ob denn das biologisch überhaupt noch möglich sei. Seine Frau sei ein "genetischer Freak", versuchte er es munter, er habe keine Sorge. Ashton Kutcher ist ein Sprachrohr seiner Generation. Ein Pionier, einer, der sich in den sozialen Netzwerken offenbart und der geschickt in angesagte Startups investiert. 2010 wählte das Magazin "Time" ihn unter die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2011 wurde er Nachfolger von Charlie Sheen in der US-Erfolgsserie "Two and a Half Men". Demi Moore konnte damit nicht Schritt halten. Sie lebt ein altmodisches Modell: das einer Frau, die sich mehr und mehr über ihren Mann definiert, deren Stern verblasst, während seiner immer heller leuchtet. Als sie sich kennen lernten, war Demi ein Superstar, er ein hübscher Anfänger, der in einer TV-Serie spielte. Mit den Jahren stieg seine Aktie. Bald war er Twitter-König, fast zehn Millionen Fans folgen ihm derzeit, Demi hat knapp halb so viele. @MrsKutcher heißt brav ihr virtuelles Ich, sie hat es nicht verändert, auch nach der Trennung nicht.

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In der Generation nach ihr gibt es Frauen, von denen sie lernen könnte. Lady Gaga etwa, die sich demonstrativ mit Fleisch behängt und sich in Interviews kaum ein Lächeln abringt. Die eben nicht versucht zu gefallen, die gar nicht auf die Idee kommt, über ihren Körper oder irgendwelche Diäten zu reden - die tut, was sie will. Oder Adele, die es macht wie ein Mann: führt souverän ihre Speckrollen spazieren und kommt damit aufs Cover der "Vogue". Auf einen Kommentar von Karl Lagerfeld angesprochen, der sagte, sie sei zu dick, gab sie cool zurück: "Ich repräsentiere die Mehrheit der Frauen und bin sehr stolz darauf.

Demi Moore war einmal die bestbezahlte Schauspielerin Hollywoods. Eine Frau mit Macht. Sie hätte diesen Hebel nutzen können. Hätte sich zur selbstbewussten Vorreiterin machen können, in einer Stadt, in der bis heute mit zweierlei Maß gemessen wird. Wo ein Jack Nicholson auch mit fettem Bauch immer der große Jack Nicholson bleiben wird. Und wo niemand auf die Idee käme, Schauspieler wie Brad Pitt und Sean Penn, beide wie Demi um die 50, Opa-Rollen anzubieten. Demi Moore hingegen hat sich dem Mainstream unterworfen, einem System, das den Wert von Frauen in Kilogramm und der Anzahl von Falten bemisst. Sie hat sich in die Perfektionsfalle begeben, in dem Irrglauben, wenn man nur seinen Körper unter Kontrolle bringt, dann hat man auch sein Leben im Griff. Eine ganze Industrie lebt von dieser Illusion, und eine ganze Frauengeneration funktioniert nach ihren Gesetzen. Man muss kein Hollywood-Star sein, um den Versuch zu unternehmen, durch Perfektion seinen eigentlichen Gefühlen auszuweichen - der Überforderung, den Selbstzweifeln. Aber wenn man ein Hollywood-Star ist, schaut die ganze Welt zu, wenn dieser Versuch scheitert, weil das Altern ihm schließlich eine Grenze setzt.

Demi Moore ist an diese Grenze gestoßen. Dass sie in den letzten Jahren nur noch mittelmäßige Rollen spielte? Es schien nebensächlich - solange es immer wieder Fotos gab, die ihren perfekten Körper zeigten und mit denen sie ihr Bedürfnis nach Bestätigung stillen konnte. Sie musste nur vor irgendeine Kamera treten, schon schien die Welt in bester Ordnung. Sie versuchte, der Altersfalle zu entkommen, und tappte doch mitten hinein. Denn das Paradoxe ist: Die wenigen guten Rollen bekommen die, die ihre Jahre nicht vertuschen, Meryl Streep oder Helen Mirren. Vor Kurzem gab Moore der Zeitschrift "Harpers Bazaar" ein Interview, das man nicht lesen kann, ohne ständig "Autsch" zu denken. "Wovor ich Angst habe", sagte sie da, "ist, am Ende meines Lebens herauszufinden, dass ich nicht liebenswert bin, dass ich es nicht wert bin, geliebt zu werden. Dass fundamental etwas mit mir nicht stimmt."

Sie wollte mit ihrem Körper auch ihr Leben kontrollieren

Ihre Probleme auf das Scheitern der Ehe zu reduzieren griffe zu kurz. Eher kann man sagen, Ashton Kutcher war dazu auserkoren worden, ihr zu helfen. Aber die Rechnung ging nicht auf, die Verjüngungskur ging schief. Es passt zu dem, was Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts herausgefunden haben: Die Ehe mit einem jüngeren Partner erhöht zwar bei Männern das Lebensalter, bei Frauen ist es umgekehrt, sie sterben früher. Ein Erklärungsversuch der Forscher: Paare, bei denen die Frau älter ist, verstießen gegen soziale Normen. Das bedeute Stress.

Im November war Demi Moores 49. Geburtstag. Alterslos war sie da längst nicht mehr - im Gegenteil, die Jahrzehnte sind wie ein Schub über sie hereingebrochen. Es war auch die Zeit, als sie die Trennung von Kutcher bekannt gab. Was folgte, war kein Innehalten, sondern Flucht, Partys ohne Ende. Mit ihrer Tochter und deren Freunden, angeblich soll Demi Moore auch dem 24-jährigen Zac Ephron Avancen gemacht haben. Eines Abends war dann Schluss, ein Notarzt wurde zu Moores Anwesen in Los Angeles gerufen, sie wand sich in Krämpfen, bekam keine Luft. Später war zu erfahren, sie habe Lachgas aus einem Sahnespender inhaliert - so wie manche Jugendliche es heimlich auf dem Parkplatz tun.

Wie so oft bei Abstürzen: Dies ist Demi Moores Chance. Wegschauen funktioniert nun nicht mehr, weil auch die Betäubung nicht mehr funktioniert, die sie bisher daraus zog, dass die ganze Welt sie bewunderte. Ihre Geschichte erinnert an Stars wie Michael Jackson oder Whitney Houston, die zugrunde gingen, weil die Öffentlichkeit ihre Gefallsucht nicht mehr bedient hat. Man darf sich nicht täuschen: Die Sympathie, die Whitney Houston oder Amy Winehouse nun entgegengebracht wird, die gilt den Toten. Zu Lebzeiten hat sich das Publikum von ihrem Absturz unterhalten lassen.

Nachdem sich Demi Moore so lange über ihre äußere Hülle definiert hat, werden die Kameras auch weiterhin unerbittlich sein. Ändern wird sich das, wenn Demi Moore sich der Welt in Erinnerung bringt als die, die schon fast vergessen ist: eine der Top-Schauspielerinnen ihrer Generation.

Text: Steffi Kammerer Fotos: dpa picture alliance, LFI, action press, Studio X

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