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Wenn einer mehr liebt – ist das schlimm?

Wenn einer mehr liebt : Ein inniges Pärchen
© Anna Berdnik / Shutterstock
Viele stellen sich die Frage danach, was passiert wenn einer in der Beziehung mehr liebt. Aber sollten wir das überhaupt tun und wenn ja, ist es schlimm? Paartherapeut und Psychologe Oskar Holzberg weiß mehr.

Kurz gesagt:Wir warten noch auf die wissenschaftlich gesicherte Liebesmessung! Aber bis dahin meinen wir wohl etwas ganz anderes ...

Verändert es die Beziehung, wenn einer mehr liebt?

Die Frage, wer wen mehr liebt, bringt uns nicht weiter. Wie wollen wir feststellen, wer mehr liebt? Liebe ist kein einzelnes Gefühl, sondern ein Erleben voller Widersprüche. Wir wissen ja nicht mal von uns selbst, ob wir immer zu stark an unseren Liebesgefühlen zweifeln oder ob wir viel zu überzeugt von unserer eigenen Liebesfähigkeit sind. Wie gut sind wir wirklich mit unseren Gefühlen verbunden? Mancher ist in der Liebe so unbeholfen wie ein Kleinkind, das seinen Schnuller mit uns teilt, weil es uns so mag. Liebt er deshalb weniger? Und liebt ein Kind seine Mutter weniger als die Mutter ihr Kind, weil das Kind seine Gefühle nicht so angemessen ausdrücken kann? Vergleiche sind selten sinnvoll. Und in der Liebe schon gar nicht. 

Wenn wir uns fragen, ob einer von uns mehr liebt, dann verrät es, dass wir unzufrieden und verunsichert sind. Typischerweise beschäftigt uns die Frage ja zu Beginn einer Liebesbeziehung, wenn noch alles völlig ungewiss ist. Weder wollen wir uns gleich kopfüber in die Beziehung stürzen wie in einen Pool, in dem möglicherweise zu wenig Wasser ist, noch wollen wir, dass unser Date schon die Hochzeitsglocken läuten hört. Wir möchten nicht schrecklich enttäuscht werden, und wir möchten niemanden verletzen.

Erst wenn wir zweifeln, beginnen wir den Liebesvergleich

Die Frage taucht dann wieder auf, wenn unsere Liebesbeziehung dringend ein Update braucht. Wenn es uns an Zuwendung fehlt. Denn wenn wir unseren romantischen Vorstellungen von Liebe treu blieben, dann dürften wir die Frage nach der ungleichen Verteilung ohnehin gar nicht stellen: Dann lieben wir oder wir lieben eben nicht. Ein "Ja schon, aber irgendwie doch nicht so richtig" gilt nicht als akzeptable Antwort auf die Frage, ob wir unseren Partner lieben. Doch genau so etwas erleben wir. Im Grunde beginnen wir den großen Liebesvergleich, wenn wir zweifeln, wie sicher unsere gegenseitige Zuneigung ist. Und ob unser Liebster - aber auch wir selbst - auch in einer Phase der Liebeszweifel prinzipiell an diese Beziehung glaubt. Wir wollen ihr nicht die Treue halten, wenn der andere innerlich schon am Aussteigen ist.

Deshalb registrieren wir auch genau, wie wichtig der andere uns und die Partnerschaft nimmt: Sind immer nur wir es, die Kinokarten besorgen oder ein gemeinsames Wochenende an der See planen? Wir wollen nicht der Depp
im Zweierteam sein, der sich um alles kümmert - gleichgültig ob es um Geld, Hausarbeit, Kinderbetreuung oder emotionales Engagement geht -, während der andere sein eigenes Ding verfolgt. Ein Ungleichgewicht in der Partnerschaft löst irgendwann die Frage nach dem Ungleichgewicht in den Liebesgefühlen aus.

Letztlich aber suchen wir gar nicht danach, dass wir genauso intensiv geliebt werden, wie wir lieben. So wie wir für ein gutes Gespräch niemanden suchen, der immer völlig unserer Meinung ist. Wir suchen ein Gegenüber, das uns versteht und uns antwortet. Ob gerade einer mehr liebt, ist dann keine Frage mehr wert.

Brigitte 20/2018

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