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Alle sind gemein zu dir? So kannst du reagieren!

Alle sind gemein zu dir? So kannst du reagieren!
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Furchtbare Tage kennen wir wohl alle – Tage, an denen einfach alles zusammenkommt. Autor Philipp Karch ("Was mich ärgert, entscheide ich") stellt Strategien gegen den Ärger des Alltags vor.

Kennst du diese Tage, an denen du denkst: "Das darf doch nicht wahr sein, jetzt auch das noch?!" Jeder scheint es mit seiner schlechten Laune oder seinem egoistischen Verhalten auf dich abgesehen zu haben.

Alle sind gemein zu dir? So kannst du reagieren!
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An Tagen wie diesen kannst du dich wie gewohnt auf jeden Ärger stürzen oder du hältst inne und machst einfach mal was anders. Zehn Ideen für dich, wie du mit typischen Konfliktsituationen des privaten und beruflichen Alltags künftig geschickter umgehen kannst.  

6:30 Uhr – Du mit dir

Du hast kaum geschlafen und bist mächtig gerädert. Der Schuldige ist leicht gefunden: Die Matratze, der Straßenlärm, der viel zu lange Film, …, vielleicht auch du selbst. Du hast die freie Wahl, einen Schuldigen zu finden.

Es ist schon ärgerlich genug, dass du schlecht geschlafen hast. Wenn du jetzt aber noch einen Schuldigen suchst, vergrößerst du dein Elend. Denn an deinem Problem der Müdigkeit ändert sich nichts, wenn du deinen Zorn auf jemand anderen/etwas anderes richtest. Betrachte das, was ist, als das, was es ist, auch wenn es schmerzt. Widerstehe der Versuchung, etwas anderes zu wollen. Atme in die Müdigkeit hinein und stelle fest: du bist müde. Mehr gibt es gerade nicht zu tun.

7:15 Uhr – Du in der Partnerschaft

Völlig übermüdet ist es dir gerade gelungen, deine Schuldzuweisungen einzustellen, da findest du schon das nächste Ärgerangebot: dein Lebenspartner. Du wendest dich ihm zu, spürst Lust auf Umarmungen, Berührungen, vielleicht mehr. Doch du spürst schnell: Da geht gerade gar nichts! Nach der schwierigen, kurzen Nacht jetzt also auch das noch: die kalte Schulter.

Bevor du dir von deinem Partner früh morgens im Bett etwas wünschst oder gar erwartest (!), erinnere dich daran, dass er nicht für dich da ist, sondern ihr für euch und du für dich. Befreie dich von deiner Anhaftung, denn Anhaftungen bringen Trauer und Wut in dein Leben. Warum freiwillig die Wahrscheinlichkeit für Enttäuschungen erhöhen? Dreh dich um und erfreue dich bei dem Gedanken, dass du auch ohne den Körperkontakt ein ziemlich tolles Leben führst. Und du weißt, die nächste körperliche Begegnung wird kommen. Wer sich nicht über die eine temporäre Nichtverfügbarkeit des Partners ärgern will, muss punktuell auf Bedürfnisbefriedigung verzichten können. Wohlgemerkt, punktuell, nicht dauerhaft.

7:45 Uhr – Du und dein Sohn 

Kaum geschlafen und vom Partner ignoriert und jetzt noch dein Sohn, der rücksichtsvolle Selbstfürsorge mal wieder mit rücksichtslosem Egoismus verwechselt. Der Brotkorb leer, das Nutella auf dem Tisch und die offensichtliche Brotknappheit ist dem Spross herzlich egal … 

Du bist immer noch sauer und traurig, aber du erkennst, dass es um mehr geht als bloß um das gefühlte Fehlverhalten deines Sohnes. Es geht auch um dich und deine Bedürfnisse und deinen Umgang mit dir selbst, wenn sie mal auf der Strecke bleiben. Erkenne im Ärger auf das Verhalten eines anderen, dass darunter Ärger auf dich selbst liegt. Dein Gegenüber ist ein Spiegel, der dir zeigt, das in deinem Leben etwas noch nicht rund läuft. Das ist leider immer so. Hinter dem Ärger auf jemand anderen schlummert Ärger über sich selbst. 

8:40 Uhr – Du beim Bäcker 

Brav in die Schlage eingereiht kommst du endlich dran. Da passiert es: Ein frecher Lümmel grätscht von der Seite dazwischen und fordert wie selbstverständlich eine Brezel. Und zu allem Überfluss wird er auch noch freundlich bedient. So schweigst du. Mal wieder.

Bevor du das nächste Mal wieder schweigen solltest, sprich. Sprich irgendetwas, denn sprechen signalisiert: Du bist da, du wehrst dich. Erwarte nicht zu viel von deinen Worten, sonst sprichst du nicht. Sprich, setz dich ein für dich und deinen Fall, denn wer schweigt, stimmt dummerweise oft zu. Wer will, dass sich andere benehmen, muss sprechen. Und was könnte man sagen? Was hältst du hiervon: "Du bist gleich dran, ich bestelle nur noch schnell!" Es muss dir nur wichtig genug sein, und die Leute werden sich nicht mehr vordrängeln. Es liegt allein an dir und dem Zeitpunkt und der Entschlossenheit deiner Worte, deiner Stimme und deiner Körpersprache. Du brauchst sie alle drei, um gekonnt Grenzen zu setzen.

Entschuldigung mit B

9:10 Uhr – Du und der Busfahrer

Mächtig bedient verlässt du die Bäckerei. Deine Gedanken kreisen noch ein wenig um den Flegel aus der Bäckerei, da pöbelt dich der Busfahrer schon an: "Hey, Alte, zacki-zacki, wir können hier nicht ewig warten!" Du kannst kaum fassen, was heute alles schiefläuft. Doch anstatt dem forschen Busfahrer Paroli zu bieten, erfasst dich der Abwärtsstrudel und du entschuldigst dich.

Bleib auf Augenhöhe, sach- und lösungsorientiert. Zwischen Busfahrer und dir ist Augenhöhe, auch wenn der Busfahrer es kurzzeitig vergessen hat. Er hat ein Machtspiel mit dir begonnen, ob bewusst oder unbewusst, und du reagierst reflexhaft mit einem inneren "Dafür stehe ich nicht zur Verfügung". Gegen eine solch liebevoll-rücksichtslose Begegnung auf Augenhöhe kann er sich nicht wehren. Vorausgesetzt du gibst sie nicht auf.

10:15 Uhr – Du und der Pförtner

Du erreichst die Firma. "Dort sollte es doch gemächlicher zugehen", denkst du noch. Aber diese Rechnung hast du ohne den Pförtner gemacht. Entgegen seiner sonstigen Art lächelt er kaum bis gar nicht und guckt desinteressiert bis gelangweilt.   Aber an Tagen wie diesen suchst du Gründe, warum er etwas gegen dich haben könnte anstatt es auf sich beruhen zu lassen.

Wann auch immer deine Mitmenschen sich reduzierter verhalten als sonst, beziehe es nicht auf dich geschweige denn auf mögliches Fehlverhalten von dir! Stelle fest, was ist und vermute einen Grund beim Gegenüber. Irgendetwas muss heute bei deinem Gegenüber ungünstiger verlaufen sein als sonst. Wenn du gelassen bist, sprich ihn an, wenn du eher auf Rückzug aus bist, schweige und geh weiter. Das Leben ist zu kurz für unnötige Selbstvorwürfe.

11:45 Uhr – Du und dein Chef

Normalerweise führt dein Boss kooperativ und respektvoll. Normalerweise. Heute leider nicht. Was ist passiert? Ein Kunde droht abzuspringen und der Chef hat ein Brainstorming-Meeting einberufen. Du kennst den Kunden gut und hast eine Idee. Doch als du sie vorstellst, rollt der Chef genervt die Augen, hält die Luft an und schüttelt den Kopf. 

Schweige nicht, sprich. Und wenn du sprichst, sprich sachlich, lösungsorientiert und fragend. Ermögliche deinem Gegenüber, dass es wieder wie ein reflektierter und befreiter Erwachsener über das spricht, was los ist, ohne von oben oder von unten den anderen beschämen zu wollen. Die Hinwendung zur gewaltfreien Sprache ist zwar durchaus einfach zu verstehen, sie ist aber in der Regel überhaupt nicht leicht zu verwenden. weil wir in aufgewühlten Momenten einfach vergessen, auf der Beobachtungs- und Bedürfnisebene zu bleiben, sondern uns verleiten lassen, verbal zurückzuschlagen. Wie wir gesehen haben: Es kann sich aber enorm lohnen, diesen unkonventionellen Weg zu beschreiten.

13:15 Uhr – Du und deine Kollegin

Das Meeting ist zu Ende und der Auftrag ist klar. Doch die Umsetzung gestaltet sich schwieriger als gedacht. Es bricht zwischen dir und deiner Kollegin ein Streit über die Ebene der Zuständigkeit aus. Ein sicher leicht zu lösender Konflikt, doch die Kollegin lässt nicht mehr mit sich reden. Jedes Mal, wenn du ansetzt, um deine Argumente vorzutragen, schreitet sie nach vier bis fünf Sekunden ein und unterbricht dich. 

Wenn dich jemand unterbricht, unterbrich ihn. Radikal. Zeige das unerwünschte Verhalten im unmittelbaren Spiegel. Falls das nicht hilft, sprich es mithilfe einer rhetorischen Frage an: "Unterbrichst du mich gerade?" Falls der andere einsichtig ist und dich wieder sprechen lässt, wunderbar, sprich und lass dich auf keinen Fall noch einmal unterbrechen. Falls der andere keine Einsicht zeigt, dann leg nach: "Wie, das soll kein Unterbrechen sein? Wie würdest du das denn nennen, wenn du sprichst und dein Gegenüber wartet nicht aufs Ende? Na klar ist das Unterbrechen. Ich fasse mich so kurz wie möglich und erwarte, dass du das gut aushalten kannst. Ich kann es umgekehrt auch aushalten." So viel Klarheit sollte reichen.

14:25 Uhr – Du und dein Mitarbeiter

Mit der Kollegin hast du dich gerade noch auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, da bahnt sich neues Ungemach an. Dein Mitarbeiter, dem du das Vorgehen erläutern willst, ist nicht bei der Sache. Du schaltest vom scheuen Reh auf den brüllenden Gorilla um. Doch während du tobst, kommt schon Reue auf und Schuld und Scham auch noch. 

Warum dein Gegenüber nicht humorvoll attackieren statt gewalttätig? Was hältst du von diesem Ansatz? Während der Mitarbeiter seine eigenwilligen Verhaltensweisen zeigt, verstummst du. Du wirst ganz still und bewegst dich nicht mehr und wartest einfach, bis er es merkt und auch zur Ruhe kommt. Falls dies nicht geschieht: Hol auch dein Smartphone raus, erst nebenbei – und falls auch das nicht wirkt – übertreibe es.  Sei nie rachesüchtig oder sarkastisch, sondern stets humorvoll-ironisch. Oder nennen wir es "liebevoll-rücksichtslos". Die Grundhaltung lautet »tit for tat«: Solange dein Gegenüber kooperiert, kooperierst du auch. Sobald er ein sozial unerwünschtes Verhalten zeigt, spürt er dein Veto. Nie autoritär, aber stets konsequent.

16:10 Uhr – Du und der Kunde

Du hast gerade deinen Ausbruch gegenüber deinem Mitarbeiter recht gut gekittet, da klingelt das Telefon und der besagte Kunde ruft überraschend an. Ohne Einleitung und Vorwarnung drischt er auf dich ein und reiht Vorwurf an Vorwurf.

Wer auch immer im Telefonat einen Ton an den Tag legt oder Reizformulierungen verwendet, dem solltest du künftig deine Grenzen aufzeigen. Ein höfliches, aber entschiedenes "Stopp" oder "Ihre Kritik höre ich mir gerne an, aber nicht so" reicht vollkommen. Oder ganz nüchtern: "Also es ist offensichtlich, dass sie gerade sehr aufgebracht sind – nur dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Wir kommunizieren ruhiger miteinander oder wir beenden erstmal das Gespräch." Eine Ansage die dem Gegenüber die Wahl lässt. Entweder er kommt zur Besinnung oder das unfaire Gespräch ist erst einmal beendet. Das Attraktive an dieser Vorgehensweise ist, das die Reaktionsmöglichkeiten des Gesprächspartners deiner  Absicht dienen. So oder so, du erlebst dich nicht länger als Spielball deines Gegenübers. Du steckst nicht mehr ein, du bist kein scheues Reh mehr, aber auch kein aufbrausender Gorilla. Du bist einfach nur noch ein "selbstfürsorglicher Selbstbehaupter".

Und wenn du Glück hast, wirst du viel besser schlafen können als letzte Nacht und dein nächster Tag wird viel leichter werden.

Philipp Karch ist Coach, Trainer und Speaker. Sein Spezialgebiet ist die Ärgerminimierung, zuletzt hat er den Ratgeber "Was mich ärgert, entscheide ich – Konflikte klug bewältigen" (Business Village-Verlag, 24,95 Euro) geschrieben.

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