Sexarbeit
Baselbieter Katholiken lancieren «Seelsorge in der Tabuzone»

Die katholische Kirche bietet dem Sexgewerbe in der Region Basel ihre Beratung an. «Wir wollen Betroffenen die Möglichkeit geben, ihre Geschichten zu erzählen.»

Sebastian Schanzer
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Das Projekt «Seelsorge im Tabubereich» der römisch-katholischen Kirche sei «offen ausgelegt». (Symbolbild)

Das Projekt «Seelsorge im Tabubereich» der römisch-katholischen Kirche sei «offen ausgelegt». (Symbolbild)

Keystone

Die Kirche soll sich dort engagieren, wo sonst niemand hinschaut, an den Rändern der Gesellschaft. Die bekannte Botschaft von Papst Franziskus ist auch in der Region Basel angekommen. Die römisch-katholische Landeskirche des Kantons Basel-Landschaft beschloss an ihrer Frühjahrssynode vergangenen Dienstag mit grosser Mehrheit die Schaffung einer Stelle für «Seelsorge im Tabubereich», kurz «SiTa». Nachdem die Synode von Basel-Stadt bereits zugestimmt hatte, wird die 40-Prozent-Stelle nun ausgeschrieben. Sie richtet sich an eine Theologin mit «Pioniergeist». Die Stelle soll mit einer Frau besetzt werden, da die Mehrzahl der Personen, die den Seelsorge-Dienst in Anspruch nehmen, erwartungsgemäss ebenfalls Frauen sein dürften.

«Wir wollen Betroffenen die Möglichkeit geben, ihre Geschichten zu erzählen», sagt Thierry Moosbrugger, Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit in der katholischen Kirche beider Basel. Neben den rund 2500 Prostituierten seien aber auch Freier oder Bordellbetreiber willkommen. Man wolle bei den Gesprächen keineswegs mit erhobenem Zeigefinger auftreten, sondern vielmehr zuhören, Rat geben und Betroffene gegebenenfalls mit weiteren Kontakten vernetzen. Im Vordergrund stünden aber Seelsorge und Spiritualität, sagt Moosbrugger.

Büro im Kleinbasel?

Da das Angebot sowohl für den Stadt- wie auch für den Landkanton gelten soll, stellt sich die Frage nach dem idealen Standort der Anlaufstelle. «Unser Wunsch wäre ein Büro im Kleinbasel», sagt Moosbrugger, «etwa in der Webergasse». Selbstverständlich wolle man aber auch im Baselbiet an den einschlägigen Orten, etwa in Liestal, präsent sein und die guten Dienste dezentral anbieten.

Der Dienst der Kirche soll keine Konkurrenz zu kantonalen Anlaufstellen, wie etwa «Aliena» in Basel-Stadt darstellen. Während diese über ein ganz konkretes Beratungsangebot verfügen, sei das Projekt «Seelsorge im Tabubereich» der römisch-katholischen Kirche «offen ausgelegt», wie Moosbrugger sagt. Es richte sich nach den jeweiligen seelsorgerischen Bedürfnissen der Gesprächspartner.

Bereits gute Erfahrungen

Es ist indes nicht das erste Mal, dass sich die Kirchen der Region in gesellschaftlichen Tabubereichen engagieren. Man habe mit dem ökumenischen Pilotprojekt «Aids-Pfarramt» zwischen 2005 und 2013 bereits sehr gute Erfahrungen sammeln können. Damals bot man eine Anlaufstelle für Aids-Betroffene. Seit sich aber deren Lebensbedingungen im Lauf der Zeit stark verbessert hätten, wende man sich nun dem neuen Brennpunkt, der Sexarbeit zu.

Wie gross das Interesse für die Stelle unter den Theologinnen sein wird, kann Moosbrugger noch nicht abschätzen. Man leide innerhalb der Kirche zwar unter Personalnot. Die Arbeit im Tabubereich der Sexarbeit sei aber spannend, so könne er sich durchaus viele Bewerbungseingänge vorstellen.

Die Stelle wird voraussichtlich auf den 1. Januar 2016 hin besetzt. Der thematische Fokus auf das Sexgewerbe ist vorerst bis 2018 befristet. Dann schaue man weiter, sagt Moosbrugger. Je nach Interesse und Nachfrage könne man dann die bestehende 40-Prozent-Stelle ausbauen oder ein anderes Thema ins Zentrum stellen.